Wie steht es um die Frauengesundheit? Neuer Bericht der Gesundheitsberichterstattung am RKI ist erschienen - Robert Koch-Institut
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Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 24 Wie steht es um die Frauengesundheit? Neuer Bericht der Gesundheitsberichterstattung am RKI ist erschienen Am 9.12.2020 wurde der neue Frauengesundheits- tätigkeit, Einkommen, Familienform, kultureller bericht des Robert Koch-Instituts (RKI) mit einer Hintergrund und viele weitere Aspekte tragen dazu gemeinsamen Pressemitteilung vom Bundesminis- bei. All diese Faktoren beeinflussen auch die Ge- terium für Gesundheit (BMG) und RKI publiziert. sundheit. Der 400-seitige Bericht entstand im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE). Der erste Frauengesundheitsbericht für Deutsch- Mehr als 120 Personen waren beteiligt: Mitarbei- land erschien 2001 unter der Federführung des ter*innen der GBE und des RKI sowie zahlreiche Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen externe Expert*innen. Eine enge Kooperation be- und Jugend (BMFSFJ). Der nun vorliegende Bericht stand mit dem Statistischen Bundesamt. schreibt viele Themen mit aktuellen Daten fort, z. B. zum Gesundheitsverhalten von Frauen, reprodukti- Der folgende Beitrag beschreibt kurz den Hinter- ver Gesundheit, Gewalt gegen Frauen. Neue Aspek- grund des Berichtes und seinen Aufbau. Zwei große te wurden aufgenommen, wie die Gesundheit von Themen – Gesundheitsverhalten und gesundheitli- Frauen mit Migrationshintergrund, ein Vergleich che Versorgung von Frauen – werden exemplarisch von Daten zur Frauengesundheit aus europäischen anhand wichtiger Ergebnisse vorgestellt. Eine kurze Ländern und das Thema geschlechtliche und sexu- Zusammenfassung der Berichtsinhalte mit Schluss- elle Vielfalt. folgerungen schließt sich an. Welche Themen und Daten Warum der Blick speziell auf enthält der Bericht? Frauengesundheit? Der Bericht deckt ein breites Themenspektrum ab. Der große Einfluss von Geschlecht auf die Gesund- Die Darstellung geht über Prävalenzen und (wenn heit ist inzwischen gut untersucht und belegt. Ne- möglich) Trends hinaus; es werden Rahmenbedin- ben unterschiedlichen Erkrankungshäufigkeiten gungen betrachtet und Erklärungsansätze disku- gibt es Unterschiede in der Wahrnehmung und tiert. Damit die Themen in der nötigen Tiefe behan- Kommunikation von Symptomen, im gesundheits- delt werden können, musste eine Auswahl getroffen relevanten Verhalten und in der Inanspruchnahme werden: Public-Health-Relevanz, Verfügbarkeit von von Versorgungsangeboten. Die Ursachen sind vor Daten und Aktualität waren hier die Leitkriterien. allem sozialer und gesellschaftlicher Natur. Sie sind eng mit biologischen Geschlechterunterschieden Im ersten Teil des Berichts wird in 25 Unterkapiteln verknüpft. Ausgehend von der Frauengesundheits- über Gesundheitszustand, Gesundheitsverhalten bewegung, die sich in den 1970er-Jahren formierte, und Gesundheitsversorgung von Frauen aller Al- ist geschlechterbezogene gesundheitliche Ungleich- tersgruppen in Deutschland berichtet. Über den Ge- heit inzwischen ein wichtiges Thema auf der Agen- sundheitszustand geben z. B. aktuelle Daten zur da von Gesundheitsforschung und Gesundheits Lebenserwartung, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, politik. Neben Unterschieden (differences between) Krebserkrankungen, zur psychischen Gesundheit und Gemeinsamkeiten in der Gesundheit von Frau- und zu gynäkologischen Erkrankungen und Opera- en und Männern widmet sich der Bericht auch den tionen Auskunft. Ein Kapitel informiert über die Unterschieden innerhalb der Gruppe der Frauen Verbreitung von ausgewählten Infektionskrankhei- (differences within). Mehr als 35 Millionen erwachse- ten bei Frauen. Das Gesundheitsverhalten wird u. a. ne Frauen leben in Deutschland, ihre Lebenslagen anhand von Informationen zum Ernährungsverhal- sind sehr unterschiedlich. Alter, Bildung, Berufs ten von Frauen, zum Tabakkonsum und Alkohol-
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 25 konsum beschrieben. Und im Bereich Gesundheits- Epidemiologischer Suchtsurvey des Instituts für versorgung wird bspw. über die Inanspruchnahme Therapieforschung u. a.). So rauchen Frauen im von Krebsfrüherkennungsuntersuchungen berich- Vergleich zu Männern nicht nur seltener täglich tet, über ambulante und stationäre Versorgung und oder gelegentlich, sie rauchen auch seltener stark, über Frauen als Pflegebedürftige und Pflegende. also 20 oder mehr Zigaretten am Tag. Frauen trin- Daneben werden im ersten Teil weitere aktuelle ken weniger Alkohol als Männer und sind seltener Themen wie Gesundheitskompetenz und Frauen in von alkoholbezogenen Störungen wie Missbrauch Gesundheitsberufen aufgegriffen. Ein Exkurs geht und Abhängigkeit betroffen. Darüber hinaus ernäh- den Zusammenhängen zwischen sozialer und ge- ren sich Frauen ausgewogener: Im Vergleich zu sundheitlicher Lage nach. Männern greifen sie häufiger zu gesunden Lebens- mitteln wie Obst und Gemüse sowie zu Wasser als Im zweiten Teil des Frauengesundheitsberichtes Getränk. Rund 6 % der Frauen ernähren sich vor- zeichnen drei Fokuskapitel die Gesundheit im Le- wiegend vegetarisch. Wird die körperlich-sportliche bensverlauf nach: Mädchen – Frauen zwischen Er- Aktivität betrachtet, sind die Ergebnisse nicht mehr werbs- und Familienarbeit – ältere Frauen. Dann fol- so eindeutig. Bei den transportbezogenen Aktivitä- gen Fokuskapitel zur Gesundheit von speziellen ten berichten Frauen in Befragungen seltener als Gruppen: Frauen mit Migrationshintergrund, Frau- Männer, alltägliche Wege (z. B. zur Arbeit), mit dem en mit Behinderungen, Frauen mit Gewalterfahrun- Fahrrad oder zu Fuß zurückzulegen. Auch sind gen. Ein umfangreiches Fokuskapitel widmet sich Frauen in der Freizeit seltener sportlich aktiv als der sexuellen und reproduktiven Gesundheit von Männer. Hinsichtlich arbeitsbezogener körperlicher Frauen. Das letzte Fokuskapitel enthält einen euro- Aktivität bei bezahlten und unbezahlten Tätigkeiten, päischen Vergleich von Daten zur Frauengesund- wie Heben und Tragen in der Krankenpflege oder heit. Haus- und Gartenarbeit, finden sich keine Unter- schiede zwischen den Geschlechtern. Der Bericht wurde auf einer breiten Datengrundla- ge erstellt, ein Verzeichnis der Datenquellen findet Lebensstilfaktoren wie das Ernährungs- und Bewe- sich am Ende des Berichtes. Über 70 Fachgutachten gungsverhalten beeinflussen das Körpergewicht. von externen Expert*innen wurden eingeholt, um Während Frauen seltener von Übergewicht (inkl. die Qualität der Texte, der empirischen Analysen Adipositas) betroffen sind als Männer (53,0 % vs. und der einbezogenen Quellen zu sichern. 67,1 %), sind beide Geschlechter mit jeweils rund 23,0 % gleich häufig adipös. Aufgrund der weiten In den folgenden beiden Abschnitten werden zwei Verbreitung und der gesundheitlichen Risiken zählt wichtige Themenbereiche des Frauengesundheits- aus Public-Health-Sicht insbesondere Adipositas zu berichtes exemplarisch herausgegriffen und ausge- den wichtigsten Gesundheitsproblemen von Frau- wählte Ergebnisse daraus vorgestellt. Das erste The- en. Demgegenüber kommt Untergewicht deutlich ma ist das Gesundheitsverhalten: „Verhalten sich seltener vor (2,3 %); insbesondere jüngere Frauen Frauen gesünder als Männer?“, das zweite die ge- sind davon betroffen (s. Infokasten). Der gesell- sundheitliche Versorgung von Frauen: „Warum ge- schaftliche Druck schlank zu sein, kann zu einer hen Frauen öfter zu Ärzt*innen als Männer?“. Verinnerlichung des bestehenden gesellschaftli- chen Schönheitsideals führen und mit einem nega- tiven Körperbild einhergehen. Von den unterge- Verhalten sich Frauen gesünder wichtigen Frauen hält sich ein Viertel für „genau als Männer? richtig“, von den normalgewichtigen Frauen hält Der Bericht bestätigt mit aktuellen Daten: Frauen sich mehr als ein Drittel für „zu dick“. verhalten sich oftmals – aber nicht immer – gesund- heitsbewusster als Männer. Das zeigen Durch- Entscheidend geprägt wird das Gesundheitsverhal- schnittswerte aus großen bevölkerungsbezogenen ten durch den soziokulturellen Kontext, Geschlech Studien (DEGS1-Studie, GEDA-Studien des RKI, terrollen und entsprechende Rollenerwartungen. So Nationale Verzehrstudien des Max Rubner-Instituts, entstehen Geschlechterunterschiede im Tabakkon-
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 26 Gut zu wissen: Body Mass Index (BMI) Für den BMI wird das Körpergewicht einer Person in Kilogramm durch das Quadrat der Körpergröße (gemessen in Metern) dividiert. Standardisiert erhobene Messwerte zu Körpergröße und -gewicht gelten dabei als zuverlässiger als Selbstangaben. Zur Einteilung der BMI-Werte wird im Folgenden die Klassi fikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herangezogen: Untergewicht: BMI < 18,5 kg/m² 2,3 % der Frauen in Deutschland Normalgewicht: BMI 18,5 – 24,9 kg/m² 44,7 % der Frauen in Deutschland Übergewicht (inkl. Adipositas): BMI ≥ 25,0 kg/m² 53,0 % der Frauen in Deutschland Adipositas: BMI ≥ 30,0 kg/m² 23,9 % der Frauen in Deutschland* * Datenbasis: Messdaten der DEGS1-Studie (2008 – 2011) des RKI sum durch unterschiedliche soziokulturell bedingte diskutiert, Unterschiede bei der Verstoffwechselung Verhaltensweisen, weil das Rauchen aufgrund von des Tabakrauchs und hormonelle Einflüsse. Neben gesellschaftlichen Normen bei Frauen lange Zeit ta- den geschlechterbezogenen Unterschieden zeigen buisiert war. Darüber hinaus reagieren Frauen und sich beim Rauchverhalten aber auch deutliche Un- Männer biologisch unterschiedlich auf die enthalte- terschiede innerhalb der Gruppe der Frauen nen Stoffe im Tabakrauch: Frauen sind aufgrund ih- (s. Abb. 1): So nimmt die Prävalenz des aktuellen rer höheren Empfindlichkeit gegenüber Tabakrauch Rauchens bei Frauen mit zunehmendem Alter ab, stärker gefährdet für tabakassoziierte Folgeerkran- ein besonders deutlicher Rückgang ist mit 65 Jahren kungen. Als Ursache hierfür werden die unter- festzustellen. Im Vergleich zu Frauen mit hoher Bil- schiedliche Lungengröße von Frauen und Männern dung ist die Prävalenz des aktuellen Rauchens bei Anteil (%) 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 18 – 29 30 – 44 45 – 64 ≥ 65 Untere Mittlere Obere Allein Partner- Partner- Allein lebend schaft, ohne schaft, mit erziehend Kind(er) Kind(ern) Altersgruppe (Jahre) Bildungsgruppe Familienform Abb. 1 | Aktuelles Rauchen (täglich oder gelegentlich) bei Frauen nach Alter, Bildung und Familienform. Datenbasis: GEDA 2014/2015-EHIS/Quelle: RKI (2020)
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 27 Frauen mit niedriger und mittlerer Bildung höher. versorgung. Rund 91 % der Frauen und 84 % der Alleinerziehende Frauen geben doppelt so häufig Männer nehmen innerhalb eines Jahres ambulante wie alleinlebende und in Partnerschaft lebende ärztliche Versorgungsleistungen in Anspruch Frauen an, dass sie aktuell rauchen. (s. Abb. 2), rund 17 % der Frauen und 15 % der Män- ner werden im Krankenhaus behandelt. Die beson- ders im jüngeren Alter höhere Inanspruchnahme Warum gehen Frauen öfter bei Frauen wird zum einen auf die Nutzung gynä- zu Ärzt*innen als Männer? kologischer und geburtshilflicher Leistungen zu- Bevor eine Erkrankung auftritt, können Gesund- rückgeführt, zum anderen auf eine andere Wahr- heitsförderung und Prävention dazu beitragen, Res- nehmung von Gesundheit und eine höhere Bereit- sourcen für die Gesunderhaltung zu stärken und schaft, ärztliche Hilfe zu suchen und anzunehmen. Erkrankungen zu vermeiden. Eine wichtige Präven- tionsmaßnahme ist die Krebsfrüherkennung, die Die Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistun- zum Ziel hat, Krebserkrankungen in einem mög- gen, die Teilnahme an Selbsthilfegruppen und der lichst frühen Stadium zu entdecken und so letztlich Gebrauch von Arzneimitteln, sowohl mit ärztlicher die krankheitsspezifische Sterblichkeit zu verrin- Verordnung als auch in Selbstmedikation, sind gern. Im jeweils dafür vorgesehenen Untersu- ebenfalls bei Frauen höher als bei Männern. Hin- chungsintervall nimmt etwa die Hälfte der an- sichtlich Arzneimittel ist hervorzuheben, dass auch spruchsberechtigten Frauen an der Früherkennung bei der Wirkung von Arzneimitteln Geschlechter auf Gebärmutterhalskrebs teil, an einer Mammo- unterschiede bestehen. Diese sollten in der Thera- graphie nehmen etwa drei Viertel teil. Rund ein pie, aber auch in der Forschung berücksichtigt wer- Fünftel der Frauen in Deutschland nutzt innerhalb den, um die Arzneimittel-Therapiesicherheit bei eines Jahres mindestens eine Maßnahme zur Ver- Frauen zu gewährleisten. haltensprävention in den Bereichen Ernährung, Be- wegung oder Stressbewältigung/Entspannung. Der Geschlechterunterschiede gibt es auch in der Pflege: Anteil ist damit etwa doppelt so hoch wie bei den Rund zwei Drittel der Pflegebedürftigen sind Frau- Männern (10,9 %). Auch Angebote der betrieblichen en, u. a. aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung. Gesundheitsförderung zur Rückengesundheit, zur Ernährung und zur Stressbewältigung/Entspan- Anteil (%) nung werden von Frauen häufiger genutzt als von Männern. Allerdings nehmen junge Frauen, Frauen 100 Frauen Männer aus der unteren Bildungsgruppe und Alleinerzie- 90 hende verhaltenspräventive Maßnahmen seltener 80 in Anspruch. Und von den Krankenkassen geför- derte Maßnahmen der betrieblichen Gesundheits- 70 förderung werden vor allem in Betrieben angebo- 60 ten, in denen mehr Männer beschäftigt sind. Das 50 geht u. a. aus dem Präventionsbericht 2019 hervor, der vom Medizinischen Dienst des Spitzenverban- 40 des Bund der Krankenkassen e. V. und dem GKV- 30 Spitzenverband herausgegeben wird. Somit könn- 20 ten der Ausbau und die zielgruppengerechte Gestal- tung der Maßnahmen zur Geschlechtergerechtig- 10 keit und Verminderung sozial bedingter Ungleich- 0 heit von Gesundheitschancen beitragen. 18 – 29 30 – 44 45 – 64 ≥ 65 Altersgruppe (Jahre) Eine höhere Inanspruchnahme durch Frauen zeigt Abb. 2 | 12-Monats-Prävalenz der ambulanten ärztlichen Inanspruchnahme bei Frauen und Männern nach Alter. sich nicht nur mit Blick auf Gesundheitsförderung Datenbasis: GEDA 2014/2015-EHIS/Quelle: RKI (2020) und Prävention, sondern auch in der Gesundheits-
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 28 Auch die Pflege nahestehender Personen wird über- nauer wahr und haben eine höhere Bereitschaft als wiegend von Frauen ausgeübt. Dass es Teil der weib- Männer, ärztliche Hilfe zu suchen und anzuneh- lichen Geschlechterrolle ist, für die Sorge um ande- men. Der Bericht zeigt aber auch: Alter, Bildung, re (Care) zuständig zu sein, zeigt sich daran, dass Einkommen, Erwerbsstatus, Familienform, Migra- Frauen die Mehrheit der Beschäftigten in den Ge- tionshintergrund, Behinderung, sexuelle Orientie- sundheitsberufen bilden. Dies ist besonders deut- rung u. v. m. haben großen Einfluss auf die Gesund- lich in Berufen wie Arzt- und Praxishilfe oder Alten- heitschancen von Frauen. pflege mit Frauenanteilen von 98 % bzw. 85 %. Den- noch bleiben Frauen in höheren beruflichen Posi tionen (z. B. Oberärztinnen, Chefärztinnen) unter- Welche Schlussfolgerungen repräsentiert. lassen sich ziehen? Der neue Frauengesundheitsbericht der GBE liefert die empirischen Grundlagen zu vielen Themen der Was zeigt die Zusammenschau Frauengesundheit und will dazu beitragen, die Sen- der Ergebnisse? sibilisierung für diese Themen in Politik, Wissen- Insgesamt zeigt der Bericht, dass Gesundheit und schaft und Praxis weiter voranzutreiben und damit Gesundheitsversorgung von Frauen in Deutschland die Gesundheit von Frauen zu erhalten und zu för- auf einem hohen Niveau sind. Zwei Drittel der Frau- dern. Wie alle Publikationen der GBE wendet er sich en bewerten ihre Gesundheit als gut oder sehr gut. an wissenschaftliche Expert*innen, im Gesund- In den letzten 20 Jahren hat sich die selbsteinge- heitswesen Tätige, Politiker*innen, Vertreter*innen schätzte Gesundheit deutlich verbessert, besonders von Verbänden und Netzwerken sowie Journa- bei älteren Frauen. Fragt man ältere Frauen ab list*innen. Nicht zuletzt soll Bürger*innen ein direk- 65 Jahren, wie sie ihre Gesundheit einschätzen, be- ter Zugang zu wissenschaftlich fundierten Informa- wertet immerhin fast die Hälfte die eigene Gesund- tionen eröffnet werden. heit als gut oder sehr gut. Die Lebenserwartung ist hoch und steigt seit Jahren: Niemals zuvor hatten Um wissenschaftlich fundierte Informationen als neugeborene Mädchen in Deutschland die Chance Grundlage für politisches Handeln zu liefern, brau- auf im Durchschnitt etwa 83 Jahre Lebenszeit. Etwa chen Gesundheitsberichte eine solide Datengrund- ein Fünftel der heute geborenen Mädchen könnten lage. Insgesamt ist die Datenlage zur Frauenge- ihren 100. Geburtstag feiern, so die Schätzungen sundheit als gut einzuschätzen. Datenlücken zeigen des Statistischen Bundesamtes. sich bei der Gesundheit von bestimmten Gruppen von Frauen, z. B. Frauen mit Migrationshinter- Die häufigste Todesursache bei Frauen (rund 40 % grund, hochaltrige Frauen, Frauen mit Behinderun- aller Todesfälle) sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen. gen. Auch zur Gesundheit von lesbischen, queeren Trotzdem gelten diese weiterhin als eher „männli- und transgeschlechtlichen Frauen sowie zu interge- che“ Erkrankungen und Frauen unterschätzen häu- schlechtlichen Personen gibt es bisher kaum belast- fig ihr Erkrankungsrisiko. In den letzten Jahrzehn- bare Daten. Ebenso fehlen Daten zu bestimmten Er- ten sind die Erkrankungs- und Sterberaten jedoch krankungen, u. a. zur Prävalenz von weit verbreite- zurückgegangen. Der Rückgang hängt mit mehre- ten gutartigen gynäkologischen Erkrankungen, wie ren Faktoren zusammen, vor allem mit einem ver- z. B. Endometriose und Gebärmuttersenkung. Die änderten Gesundheitsverhalten und mit Fortschrit- Verbesserung der Datenlage ist eine wichtige Vor- ten in der Versorgung. Frauen verhalten sich oft- aussetzung für die Wahrnehmung eines Themas mals gesundheitsbewusster als Männer, sie rauchen und für gesundheitspolitische Maßnahmen mit z. B. seltener und ernähren sich häufig gesünder. dem Ziel, Veränderungen zu erreichen. Zur Stär- Bei der Sportausübung liegen allerdings eher die kung der Frauengesundheit in Deutschland kann Männer vorn. Für die Gesundheitsversorgung steht auch eine bessere Passgenauigkeit von Angeboten in Deutschland ein breit differenziertes Angebot zur für Gesundheitsinformationen, Prävention und Verfügung, das gut angenommen wird. Frauen neh- Versorgung beitragen. Die Angebote sollten noch men ihren Körper und ihre Gesundheit oftmals ge- stärker auf unterschiedliche Bedarfe zugeschnitten
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 29 werden. Das betrifft bspw. die Barrierefreiheit bei Der Vergleich mit dem ersten Frauengesundheits- der Gesundheitsversorgung für Frauen mit Behin- bericht zeigt, dass wir in den letzten 20 Jahren bei derungen oder auch die Formate, mit denen Infor- der gerechten und gleichen Verteilung der Gesund- mationen über Früherkennungsangebote (z. B. heitschancen ein ganzes Stück weitergekommen Mammographie-Screening) an Frauen vermittelt sind – und dass es noch immer viele Herausforde- werden, die ihre Gesundheitskompetenz als niedrig rungen gibt. einschätzen. Der Bericht kann als Gesamt-PDF: www.rki.de/frau- Aber nicht nur Forschung, Berichterstattung, Ge- engesundheitsbericht oder in Einzelkapiteln herun- sundheitswesen und Gesundheitspolitik können ei- terladen werden. Zentrale Kapitel des Berichtes sind nen Beitrag leisten. Um die Gesundheit von Frauen auch in englischer Übersetzung verfügbar www.rki. zu verbessern und soziale sowie geschlechterbezo- de/womenshealthreport. Wir hoffen, dass wir mit gene Ungleichheiten in der Gesundheit und Versor- diesem Beitrag Ihr Interesse am neuen Frauenge- gung abzubauen, müssen neben der Gesundheits- sundheitsbericht wecken und dass er nützlich für politik weitere Politikfelder eingebunden werden Ihre Arbeit ist! (Health in all Policies). Hervorzuheben ist hier die Bedeutung von Geschlechtergerechtigkeit für die Gesundheit. Sie wird auch in der 2016 verabschie- deten Strategie zur Gesundheit und zum Wohlbe- finden für Frauen in der Euro-Region der Weltge- sundheitsorganisation (WHO) betont (Strategy on women’s health and well-being in the WHO European Region). Die Gleichstellung von Frauen und Män- nern ist eines der Ziele der Europäischen Union und eines der 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) der Verein- ten Nationen (UN). Literatur Vorgeschlagene Zitierweise Robert Koch-Institut (Hrsg) (2020) Gesundheitliche Saß AC, Krause L, Hintzpeter B, Prütz F: Wie steht Lage der Frauen in Deutschland. Gesundheits es um die Frauengesundheit? Neuer Bericht der berichterstattung des Bundes. Gemeinsam Gesundheitsberichterstattung am RKI ist erschienen getragen von RKI und Destatis. RKI, Berlin. DOI: Epid Bull 2021;8:24-29 | DOI 10.25646/7961 10.25646/6585 Interessenkonflikt Autorinnen Die Autorinnen erklären, dass kein Interessenkonflikt Dr. Anke-Christine Saß | Dr. Laura Krause | besteht. Dr. Birte Hintzpeter | Dr. Franziska Prütz Robert Koch-Institut, Abt. 2 Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring , FG 24 Gesundheits- Hinweis berichterstattung Der Bericht wurde aus Mitteln des BMG finanziert. Korrespondenz: SassA@rki.de
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