Wie steht es um die Frauengesundheit? Neuer Bericht der Gesundheitsberichterstattung am RKI ist erschienen - Robert Koch-Institut

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Epidemiologisches Bulletin      8 | 2021       25. Februar 2021                                             24

  Wie steht es um die Frauengesundheit? Neuer Bericht der
  Gesundheitsberichterstattung am RKI ist erschienen

  Am 9.12.2020 wurde der neue Frauengesundheits-             tätigkeit, Einkommen, Familienform, kultureller
  bericht des Robert Koch-Instituts (RKI) mit einer          Hintergrund und viele weitere Aspekte tragen dazu
  ­gemeinsamen Pressemitteilung vom Bundesminis-             bei. All diese Faktoren beeinflussen auch die Ge-
   terium für Gesundheit (BMG) und RKI publiziert.           sundheit.
   Der 400-seitige Bericht entstand im Rahmen der
   Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE).            Der erste Frauengesundheitsbericht für Deutsch-
   Mehr als 120 Personen waren beteiligt: Mitarbei-          land erschien 2001 unter der Federführung des
   ter*innen der GBE und des RKI sowie zahlreiche            Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen
   externe Expert*innen. Eine enge Kooperation be-           und Jugend (BMFSFJ). Der nun vorliegende Bericht
   stand mit dem Statistischen Bundesamt.                    schreibt viele Themen mit aktuellen Daten fort, z. B.
                                                             zum Gesundheitsverhalten von Frauen, reprodukti-
  Der folgende Beitrag beschreibt kurz den Hinter-           ver Gesundheit, Gewalt gegen Frauen. Neue Aspek-
  grund des Berichtes und seinen Aufbau. Zwei große          te wurden aufgenommen, wie die Gesundheit von
  Themen – Gesundheitsverhalten und gesundheitli-            Frauen mit Migrationshintergrund, ein Vergleich
  che Versorgung von Frauen – werden exemplarisch            von Daten zur Frauengesundheit aus europäischen
  anhand wichtiger Ergebnisse vorgestellt. Eine kurze        Ländern und das Thema geschlechtliche und sexu-
  Zusammenfassung der Berichtsinhalte mit Schluss-           elle Vielfalt.
  folgerungen schließt sich an.

                                                             Welche Themen und Daten
  Warum der Blick speziell auf                               enthält der Bericht?
  Frauengesundheit?                                          Der Bericht deckt ein breites Themenspektrum ab.
  Der große Einfluss von Geschlecht auf die Gesund-          Die Darstellung geht über Prävalenzen und (wenn
  heit ist inzwischen gut untersucht und belegt. Ne-         möglich) Trends hinaus; es werden Rahmenbedin-
  ben unterschiedlichen Erkrankungshäufigkeiten              gungen betrachtet und Erklärungsansätze disku-
  gibt es Unterschiede in der Wahrnehmung und                tiert. Damit die Themen in der nötigen Tiefe behan-
  Kommunikation von Symptomen, im gesundheits-               delt werden können, musste eine Auswahl getroffen
  relevanten Verhalten und in der Inanspruchnahme            werden: Public-Health-Relevanz, Verfügbarkeit von
  von Versorgungsangeboten. Die Ursachen sind vor            Daten und Aktualität waren hier die Leitkriterien.
  allem sozialer und gesellschaftlicher Natur. Sie sind
  eng mit biologischen Geschlechterunterschieden              Im ersten Teil des Berichts wird in 25 Unterkapiteln
  verknüpft. Ausgehend von der Frauengesundheits-             über Gesundheitszustand, Gesundheitsverhalten
  bewegung, die sich in den 1970er-Jahren formierte,          und Gesundheitsversorgung von Frauen aller Al-
  ist geschlechterbezogene gesundheitliche Ungleich-          tersgruppen in Deutschland berichtet. Über den Ge-
  heit inzwischen ein wichtiges Thema auf der Agen-           sundheitszustand geben z. B. aktuelle Daten zur
  da von Gesundheitsforschung und Gesundheits­               ­Lebenserwartung, Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
  politik. Neben Unterschieden (differences between)          Krebserkrankungen, zur psychischen Gesundheit
  und Gemeinsamkeiten in der Gesundheit von Frau-             und zu gynäkologischen Erkrankungen und Opera-
  en und Männern widmet sich der Bericht auch den             tionen Auskunft. Ein Kapitel informiert über die
  Unterschieden innerhalb der Gruppe der Frauen               Verbreitung von ausgewählten Infektionskrankhei-
  (differences within). Mehr als 35 Millionen erwachse-       ten bei Frauen. Das Gesundheitsverhalten wird u. a.
  ne Frauen leben in Deutschland, ihre Lebenslagen            anhand von Informationen zum Ernährungsverhal-
  sind sehr unterschiedlich. Alter, Bildung, Berufs­          ten von Frauen, zum Tabakkonsum und Alkohol-
Epidemiologisches Bulletin      8 | 2021      25. Februar 2021                                             25

  konsum beschrieben. Und im Bereich Gesundheits-           Epidemiologischer Suchtsurvey des Instituts für
  versorgung wird bspw. über die Inanspruchnahme            Therapieforschung u. a.). So rauchen Frauen im
  von Krebsfrüherkennungsuntersuchungen berich-             Vergleich zu Männern nicht nur seltener täglich
  tet, über ambulante und stationäre Versorgung und         oder gelegentlich, sie rauchen auch seltener stark,
  über Frauen als Pflegebedürftige und Pflegende.           also 20 oder mehr Zigaretten am Tag. Frauen trin-
  Daneben werden im ersten Teil weitere aktuelle            ken weniger Alkohol als Männer und sind seltener
  Themen wie Gesundheitskompetenz und Frauen in             von alkoholbezogenen Störungen wie Missbrauch
  Gesundheitsberufen aufgegriffen. Ein Exkurs geht          und Abhängigkeit betroffen. Darüber hinaus ernäh-
  den Zusammenhängen zwischen sozialer und ge-              ren sich Frauen ausgewogener: Im Vergleich zu
  sundheitlicher Lage nach.                                 Männern greifen sie häufiger zu gesunden Lebens-
                                                            mitteln wie Obst und Gemüse sowie zu Wasser als
  Im zweiten Teil des Frauengesundheitsberichtes            Getränk. Rund 6 % der Frauen ernähren sich vor-
  zeichnen drei Fokuskapitel die Gesundheit im Le-          wiegend vegetarisch. Wird die körperlich-sportliche
  bensverlauf nach: Mädchen – Frauen zwischen Er-           Aktivität betrachtet, sind die Ergebnisse nicht mehr
  werbs- und Familienarbeit – ältere Frauen. Dann fol-      so eindeutig. Bei den transportbezogenen Aktivitä-
  gen Fokuskapitel zur Gesundheit von speziellen            ten berichten Frauen in Befragungen seltener als
  Gruppen: Frauen mit Migrationshintergrund, Frau-          Männer, alltägliche Wege (z. B. zur Arbeit), mit dem
  en mit Behinderungen, Frauen mit Gewalterfahrun-          Fahrrad oder zu Fuß zurückzulegen. Auch sind
  gen. Ein umfangreiches Fokuskapitel widmet sich           Frauen in der Freizeit seltener sportlich aktiv als
  der sexuellen und reproduktiven Gesundheit von            Männer. Hinsichtlich arbeitsbezogener körperlicher
  Frauen. Das letzte Fokuskapitel enthält einen euro-       Aktivität bei bezahlten und unbezahlten Tätigkeiten,
  päischen Vergleich von Daten zur Frauengesund-            wie Heben und Tragen in der Krankenpflege oder
  heit.                                                     Haus- und Gartenarbeit, finden sich keine Unter-
                                                            schiede zwischen den Geschlechtern.
  Der Bericht wurde auf einer breiten Datengrundla-
  ge erstellt, ein Verzeichnis der Datenquellen findet      Lebensstilfaktoren wie das Ernährungs- und Bewe-
  sich am Ende des Berichtes. Über 70 Fachgutachten         gungsverhalten beeinflussen das Körpergewicht.
  von externen Expert*innen wurden eingeholt, um            Während Frauen seltener von Übergewicht (inkl.
  die Qualität der Texte, der empirischen Analysen          Adipositas) betroffen sind als Männer (53,0 % vs.
  und der einbezogenen Quellen zu sichern.                  67,1 %), sind beide Geschlechter mit jeweils rund
                                                            23,0 % gleich häufig adipös. Aufgrund der weiten
  In den folgenden beiden Abschnitten werden zwei           Verbreitung und der gesundheitlichen Risiken zählt
  wichtige Themenbereiche des Frauengesundheits-            aus Public-Health-Sicht insbesondere Adipositas zu
  berichtes exemplarisch herausgegriffen und ausge-         den wichtigsten Gesundheitsproblemen von Frau-
  wählte Ergebnisse daraus vorgestellt. Das erste The-      en. Demgegenüber kommt Untergewicht deutlich
  ma ist das Gesundheitsverhalten: „Verhalten sich          seltener vor (2,3 %); insbesondere jüngere Frauen
  Frauen gesünder als Männer?“, das zweite die ge-          sind davon betroffen (s. Infokasten). Der gesell-
  sundheitliche Versorgung von Frauen: „Warum ge-           schaftliche Druck schlank zu sein, kann zu einer
  hen Frauen öfter zu Ärzt*innen als Männer?“.              Verinnerlichung des bestehenden gesellschaftli-
                                                            chen Schönheitsideals führen und mit einem nega-
                                                            tiven Körperbild einhergehen. Von den unterge-
  Verhalten sich Frauen gesünder                            wichtigen Frauen hält sich ein Viertel für „genau
  als Männer?                                               richtig“, von den normalgewichtigen Frauen hält
  Der Bericht bestätigt mit aktuellen Daten: Frauen         sich mehr als ein Drittel für „zu dick“.
  verhalten sich oftmals – aber nicht immer – gesund-
  heitsbewusster als Männer. Das zeigen Durch-              Entscheidend geprägt wird das Gesundheitsverhal-
  schnittswerte aus großen bevölkerungsbezogenen            ten durch den soziokulturellen Kontext, Geschlech­
  Studien (DEGS1-Studie, GEDA-Studien des RKI,              terrollen und entsprechende Rollenerwartungen. So
  Nationale Verzehrstudien des Max Rubner-Instituts,        entstehen Geschlechterunterschiede im Tabakkon-
Epidemiologisches Bulletin               8 | 2021     25. Februar 2021                                                             26

    Gut zu wissen: Body Mass Index (BMI)
    Für den BMI wird das Körpergewicht einer Person in Kilogramm durch das Quadrat der Körpergröße
    (gemessen in Metern) dividiert. Standardisiert erhobene Messwerte zu Körpergröße und -gewicht gelten
    dabei als zuverlässiger als Selbstangaben. Zur Einteilung der BMI-Werte wird im Folgenden die Klassi­
    fikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herangezogen:

    Untergewicht: BMI < 18,5 kg/m²					                  2,3 % der Frauen in Deutschland
    Normalgewicht: BMI 18,5 – 24,9 kg/m²			             44,7 % der Frauen in Deutschland
    Übergewicht (inkl. Adipositas): BMI ≥ 25,0 kg/m² 		 53,0 % der Frauen in Deutschland
    Adipositas: BMI ≥ 30,0 kg/m²            				        23,9 % der Frauen in Deutschland*

    * Datenbasis: Messdaten der DEGS1-Studie (2008 – 2011) des RKI

  sum durch unterschiedliche soziokulturell bedingte                  diskutiert, Unterschiede bei der Verstoffwechselung
  Verhaltensweisen, weil das Rauchen aufgrund von                     des Tabakrauchs und hormonelle Einflüsse. Neben
  gesellschaftlichen Normen bei Frauen lange Zeit ta-                 den geschlechterbezogenen Unterschieden zeigen
  buisiert war. Darüber hinaus reagieren Frauen und                   sich beim Rauchverhalten aber auch deutliche Un-
  Männer biologisch unterschiedlich auf die enthalte-                 terschiede innerhalb der Gruppe der Frauen
  nen Stoffe im Tabakrauch: Frauen sind aufgrund ih-                  (s.  Abb.  1): So nimmt die Prävalenz des aktuellen
  rer höheren Empfindlichkeit gegenüber Tabakrauch                    Rauchens bei Frauen mit zunehmendem Alter ab,
  stärker gefährdet für tabakassoziierte Folgeerkran-                 ein besonders deutlicher Rückgang ist mit 65 Jahren
  kungen. Als Ursache hierfür werden die unter-                       festzustellen. Im Vergleich zu Frauen mit hoher Bil-
  schiedliche Lungengröße von Frauen und Männern                      dung ist die Prävalenz des aktuellen Rauchens bei

  Anteil (%)

  50

  45

  40

  35

  30

  25

  20

  15

  10

   5

   0
        18 – 29    30 – 44    45 – 64    ≥ 65            Untere   Mittlere    Obere           Allein­     Partner-    Partner-     Allein­
                                                                                              lebend    schaft, ohne schaft, mit erziehend
                                                                                                          Kind(er) Kind(ern)

                  Altersgruppe (Jahre)                       Bildungsgruppe                                 Familienform

  Abb. 1 | Aktuelles Rauchen (täglich oder gelegentlich) bei Frauen nach Alter, Bildung und Familienform.
  Datenbasis: GEDA 2014/2015-EHIS/Quelle: RKI (2020)
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  Frauen mit niedriger und mittlerer Bildung höher.        versorgung. Rund 91 % der Frauen und 84 % der
  Alleinerziehende Frauen geben doppelt so häufig          Männer nehmen innerhalb eines Jahres ambulante
  wie alleinlebende und in Partnerschaft lebende           ärztliche Versorgungsleistungen in Anspruch
  Frauen an, dass sie aktuell rauchen.                     (s.  Abb. 2), rund 17 % der Frauen und 15 % der Män-
                                                           ner werden im Krankenhaus behandelt. Die beson-
                                                           ders im jüngeren Alter höhere Inanspruchnahme
  Warum gehen Frauen öfter                                 bei Frauen wird zum einen auf die Nutzung gynä-
  zu Ärzt*innen als Männer?                                kologischer und geburtshilflicher Leistungen zu-
  Bevor eine Erkrankung auftritt, können Gesund-           rückgeführt, zum anderen auf eine andere Wahr-
  heitsförderung und Prävention dazu beitragen, Res-       nehmung von Gesundheit und eine höhere Bereit-
  sourcen für die Gesunderhaltung zu stärken und           schaft, ärztliche Hilfe zu suchen und anzunehmen.
  Erkrankungen zu vermeiden. Eine wichtige Präven-
  tionsmaßnahme ist die Krebsfrüherkennung, die            Die Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistun-
  zum Ziel hat, Krebserkrankungen in einem mög-            gen, die Teilnahme an Selbsthilfegruppen und der
  lichst frühen Stadium zu entdecken und so letztlich      Gebrauch von Arzneimitteln, sowohl mit ärztlicher
  die krankheitsspezifische Sterblichkeit zu verrin-       Verordnung als auch in Selbstmedikation, sind
  gern. Im jeweils dafür vorgesehenen Untersu-             ebenfalls bei Frauen höher als bei Männern. Hin-
  chungsintervall nimmt etwa die Hälfte der an-            sichtlich Arzneimittel ist hervorzuheben, dass auch
  spruchsberechtigten Frauen an der Früherkennung          bei der Wirkung von Arzneimitteln Geschlechter­
  auf Gebärmutterhalskrebs teil, an einer Mammo-           unterschiede bestehen. Diese sollten in der Thera-
  graphie nehmen etwa drei Viertel teil. Rund ein          pie, aber auch in der Forschung berücksichtigt wer-
  Fünftel der Frauen in Deutschland nutzt innerhalb        den, um die Arzneimittel-Therapiesicherheit bei
  eines Jahres mindestens eine Maßnahme zur Ver-           Frauen zu gewährleisten.
  haltensprävention in den Bereichen Ernährung, Be-
  wegung oder Stressbewältigung/Entspannung. Der           Geschlechterunterschiede gibt es auch in der Pflege:
  Anteil ist damit etwa doppelt so hoch wie bei den        Rund zwei Drittel der Pflegebedürftigen sind Frau-
  Männern (10,9 %). Auch Angebote der betrieblichen        en, u. a. aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung.
  Gesundheitsförderung zur Rückengesundheit, zur
  Ernährung und zur Stressbewältigung/Entspan-
                                                           Anteil (%)
  nung werden von Frauen häufiger genutzt als von
  Männern. Allerdings nehmen junge Frauen, Frauen          100
                                                                   Frauen       Männer
  aus der unteren Bildungsgruppe und Alleinerzie-          90
  hende verhaltenspräventive Maßnahmen seltener
                                                           80
  in Anspruch. Und von den Krankenkassen geför-
  derte Maßnahmen der betrieblichen Gesundheits-           70

  förderung werden vor allem in Betrieben angebo-          60
  ten, in denen mehr Männer beschäftigt sind. Das
                                                           50
  geht u. a. aus dem Präventionsbericht 2019 hervor,
  der vom Medizinischen Dienst des Spitzenverban-          40

  des Bund der Krankenkassen e. V. und dem GKV-            30
  Spitzenverband herausgegeben wird. Somit könn-
                                                           20
  ten der Ausbau und die zielgruppengerechte Gestal-
  tung der Maßnahmen zur Geschlechtergerechtig-             10
  keit und Verminderung sozial bedingter Ungleich-
                                                            0
  heit von Gesundheitschancen beitragen.                           18 – 29      30 – 44       45 – 64             ≥ 65
                                                                                                        Altersgruppe (Jahre)
  Eine höhere Inanspruchnahme durch Frauen zeigt           Abb. 2 | 12-Monats-Prävalenz der ambulanten ärztlichen
                                                           Inanspruchnahme bei Frauen und Männern nach Alter.
  sich nicht nur mit Blick auf Gesundheitsförderung
                                                           Datenbasis: GEDA 2014/2015-EHIS/Quelle: RKI (2020)
  und Prävention, sondern auch in der Gesundheits-
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  Auch die Pflege nahestehender Personen wird über-          nauer wahr und haben eine höhere Bereitschaft als
  wiegend von Frauen ausgeübt. Dass es Teil der weib-        Männer, ärztliche Hilfe zu suchen und anzuneh-
  lichen Geschlechterrolle ist, für die Sorge um ande-       men. Der Bericht zeigt aber auch: Alter, Bildung,
  re (Care) zuständig zu sein, zeigt sich daran, dass        Einkommen, Erwerbsstatus, Familienform, Migra-
  Frauen die Mehrheit der Beschäftigten in den Ge-           tionshintergrund, Behinderung, sexuelle Orientie-
  sundheitsberufen bilden. Dies ist besonders deut-          rung u. v. m. haben großen Einfluss auf die Gesund-
  lich in Berufen wie Arzt- und Praxishilfe oder Alten-      heitschancen von Frauen.
  pflege mit Frauenanteilen von 98 % bzw. 85 %. Den-
  noch bleiben Frauen in höheren beruflichen Posi­
  tionen (z. B. Oberärztinnen, Chefärztinnen) unter­-        Welche Schlussfolgerungen
  repräsentiert.                                             lassen sich ziehen?
                                                             Der neue Frauengesundheitsbericht der GBE liefert
                                                             die empirischen Grundlagen zu vielen Themen der
  Was zeigt die Zusammenschau                                Frauengesundheit und will dazu beitragen, die Sen-
  der Ergebnisse?                                            sibilisierung für diese Themen in Politik, Wissen-
  Insgesamt zeigt der Bericht, dass Gesundheit und           schaft und Praxis weiter voranzutreiben und damit
  Gesundheitsversorgung von Frauen in Deutschland            die Gesundheit von Frauen zu erhalten und zu för-
  auf einem hohen Niveau sind. Zwei Drittel der Frau-        dern. Wie alle Publikationen der GBE wendet er sich
  en bewerten ihre Gesundheit als gut oder sehr gut.         an wissenschaftliche Expert*innen, im Gesund-
  In den letzten 20 Jahren hat sich die selbsteinge-         heitswesen Tätige, Politiker*innen, Vertreter*innen
  schätzte Gesundheit deutlich verbessert, besonders         von Verbänden und Netzwerken sowie Journa-
  bei älteren Frauen. Fragt man ältere Frauen ab             list*innen. Nicht zuletzt soll Bürger*innen ein direk-
  65  Jahren, wie sie ihre Gesundheit einschätzen, be-       ter Zugang zu wissenschaftlich fundierten Informa-
  wertet immerhin fast die Hälfte die eigene Gesund-         tionen eröffnet werden.
  heit als gut oder sehr gut. Die Lebenserwartung ist
  hoch und steigt seit Jahren: Niemals zuvor hatten          Um wissenschaftlich fundierte Informationen als
  neugeborene Mädchen in Deutschland die Chance              Grundlage für politisches Handeln zu liefern, brau-
  auf im Durchschnitt etwa 83 Jahre Lebenszeit. Etwa         chen Gesundheitsberichte eine solide Datengrund-
  ein Fünftel der heute geborenen Mädchen könnten            lage. Insgesamt ist die Datenlage zur Frauenge-
  ihren 100.  Geburtstag feiern, so die Schätzungen          sundheit als gut einzuschätzen. Datenlücken zeigen
  des Statistischen Bundesamtes.                             sich bei der Gesundheit von bestimmten Gruppen
                                                             von Frauen, z. B. Frauen mit Migrationshinter-
  Die häufigste Todesursache bei Frauen (rund 40 %           grund, hochaltrige Frauen, Frauen mit Behinderun-
  aller Todesfälle) sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen.        gen. Auch zur Gesundheit von lesbischen, queeren
  Trotzdem gelten diese weiterhin als eher „männli-          und transgeschlechtlichen Frauen sowie zu interge-
  che“ Erkrankungen und Frauen unterschätzen häu-            schlechtlichen Personen gibt es bisher kaum belast-
  fig ihr Erkrankungsrisiko. In den letzten Jahrzehn-        bare Daten. Ebenso fehlen Daten zu bestimmten Er-
  ten sind die Erkrankungs- und Sterberaten jedoch           krankungen, u. a. zur Prävalenz von weit verbreite-
  zurückgegangen. Der Rückgang hängt mit mehre-              ten gutartigen gynäkologischen Erkrankungen, wie
  ren Faktoren zusammen, vor allem mit einem ver-            z. B. Endometriose und Gebärmuttersenkung. Die
  änderten Gesundheitsverhalten und mit Fortschrit-          Verbesserung der Datenlage ist eine wichtige Vor-
  ten in der Versorgung. Frauen verhalten sich oft-          aussetzung für die Wahrnehmung eines Themas
  mals gesundheitsbewusster als Männer, sie rauchen          und für gesundheitspolitische Maßnahmen mit
  z. B. seltener und ernähren sich häufig gesünder.          dem Ziel, Veränderungen zu erreichen. Zur Stär-
  Bei der Sportausübung liegen allerdings eher die           kung der Frauengesundheit in Deutschland kann
  Männer vorn. Für die Gesundheitsversorgung steht           auch eine bessere Passgenauigkeit von Angeboten
  in Deutschland ein breit differenziertes Angebot zur       für Gesundheitsinformationen, Prävention und
  Verfügung, das gut angenommen wird. Frauen neh-            Versorgung beitragen. Die Angebote sollten noch
  men ihren Körper und ihre Gesundheit oftmals ge-           stärker auf unterschiedliche Bedarfe zugeschnitten
Epidemiologisches Bulletin        8 | 2021         25. Februar 2021                                                29

  werden. Das betrifft bspw. die Barrierefreiheit bei            Der Vergleich mit dem ersten Frauengesundheits-
  der Gesundheitsversorgung für Frauen mit Behin-                bericht zeigt, dass wir in den letzten 20 Jahren bei
  derungen oder auch die Formate, mit denen Infor-               der gerechten und gleichen Verteilung der Gesund-
  mationen über Früherkennungsangebote (z. B.                    heitschancen ein ganzes Stück weitergekommen
  Mammographie-Screening) an Frauen vermittelt                   sind – und dass es noch immer viele Herausforde-
  werden, die ihre Gesundheitskompetenz als niedrig              rungen gibt.
  einschätzen.
                                                                 Der Bericht kann als Gesamt-PDF: www.rki.de/frau-
  Aber nicht nur Forschung, Berichterstattung, Ge-               engesundheitsbericht oder in Einzelkapiteln herun-
  sundheitswesen und Gesundheitspolitik können ei-               terladen werden. Zentrale Kapitel des Berichtes sind
  nen Beitrag leisten. Um die Gesundheit von Frauen              auch in englischer Übersetzung verfügbar www.rki.
  zu verbessern und soziale sowie geschlechterbezo-              de/womenshealthreport. Wir hoffen, dass wir mit
  gene Ungleichheiten in der Gesundheit und Versor-              diesem Beitrag Ihr Interesse am neuen Frauenge-
  gung abzubauen, müssen neben der Gesundheits-                  sundheitsbericht wecken und dass er nützlich für
  politik weitere Politikfelder eingebunden werden               Ihre Arbeit ist!
  (Health in all Policies). Hervorzuheben ist hier die
  Bedeutung von Geschlechtergerechtigkeit für die
  Gesundheit. Sie wird auch in der 2016 verabschie-
  deten Strategie zur Gesundheit und zum Wohlbe-
  finden für Frauen in der Euro-Region der Weltge-
  sundheitsorganisation (WHO) betont (Strategy on
  women’s health and well-being in the WHO European
  Region). Die Gleichstellung von Frauen und Män-
  nern ist eines der Ziele der Europäischen Union
  und eines der 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung
  (Sustainable Development Goals, SDGs) der Verein-
  ten Nationen (UN).

  Literatur                                                      Vorgeschlagene Zitierweise
  Robert Koch-Institut (Hrsg) (2020) Gesundheitliche             Saß AC, Krause L, Hintzpeter B, Prütz F: Wie steht
  Lage der Frauen in Deutschland. Gesundheits­                   es um die Frauengesundheit? Neuer Bericht der
  berichterstattung des Bundes. Gemeinsam                        Gesundheitsberichterstattung am RKI ist erschienen
  getragen von RKI und Destatis. RKI, Berlin. DOI:               Epid Bull 2021;8:24-29 | DOI 10.25646/7961
  10.25646/6585

                                                                 Interessenkonflikt
  Autorinnen                                                     Die Autorinnen erklären, dass kein Interes­senkonflikt
  Dr. Anke-Christine Saß | Dr. Laura Krause |                    ­besteht.
  Dr. Birte Hintzpeter | Dr. Franziska Prütz

  Robert Koch-Institut, Abt. 2 Epidemiologie und
  Gesundheits­monitoring , FG 24 Gesundheits­-                   Hinweis
  bericht­erstattung                                             Der Bericht wurde aus Mitteln des BMG finanziert.
  Korrespondenz: SassA@rki.de
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