Sie gingen beim Impfen leer aus und fordern jetzt eine andere Lösung - Kibesuisse

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Sie gingen beim Impfen leer aus und fordern jetzt eine andere Lösung - Kibesuisse
ZÜRICH

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        Abo   Corona-Impftermine in Zürich

        Sie gingen beim
        Impfen leer aus und
        fordern jetzt eine
        andere Lösung
        Die Impftermine für alle ab 16 Jahren waren innert
        Kürze weg. Einige Berufsgruppen fühlen sich
        benachteiligt.

                Anielle Peterhans, Tina Fassbind
                Publiziert: 10.05.2021, 21:47
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Roger Jeker, Geschäftsführer der Widmer Gartenbau AG in Zollikon
kritisiert: «So schnell wie die Termine wieder weg waren, konnten wir ja
gar nicht reagieren. Fair ist das nicht.»
Foto: Samuel Schalch

 Es war eine gute Nachricht für alle Impfwilligen im Kanton
 Zürich: Die Gesundheitsdirektion verkündete am Freitag-
 morgen, dass ab sofort alle ab 16 Jahren Impftermine bu-
 chen können. Die schlechte Nachricht: Nach knapp sechs
 Stunden waren die vorerst freigegebenen 180’000 Termine
 für Ende Mai und die erste Juni-Hälfte bereits alle weg.

 Peter Ehrle, Mitinhaber der Schreinerei Sennhauser AG, är-
 gert sich über das «unfaire» Verfahren des Kantons. «Diese
 Information kam viel zu kurzfristig. Man musste ja wirklich
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Radio hören oder morgens die Zeitung online lesen, damit
man wusste, dass jetzt plötzlich alle einen Impftermin be-
kommen», sagt er.

Seine 15 Mitarbeitenden hätten zwar ein Smartphone und
könnten problemlos mal fünf bis zehn Minuten Pause ma-
chen, um sich einzuloggen. Während der Arbeitszeit habe
aber niemand die Zeit, um ständig die Medien zu verfolgen.
«Für mich ist es unverständlich, wieso man das nicht zwei
bis drei Tage vorher kommuniziert. So könnten sich alle or-
ganisieren und entsprechend vorbereiten – auch die, die
nicht im Büro arbeiten.»

             «Für mich ist es
          unverständlich, wieso
          man das nicht zwei bis
            drei Tage vorher
            kommuniziert.»
              Peter Ehrle, Mitinhaber der Schreinerei
                          Sennhauser AG
Landschaftsgärtner und Geschäftsführer der Widmer Gartenbau AG in Zollikon,
Roger Jeker, sorgte dafür, dass seine Mitarbeiter auch draussen informiert
werden, dass sie sich zum Impfen anmelden können.
Foto: Samuel Schalch
Landschaftsgärtner und Geschäftsführer der Widmer Gar-
tenbau AG in Zollikon, Roger Jeker, hat gleich selbst dafür
gesorgt, dass seine Mitarbeitenden informiert werden: «Wir
haben ein Plakat aufgehängt im Magazin, wo es alle sehen
konnten.» Einige hätten sich gerade noch anmelden kön-
nen, für die meisten sei es aber schon zu spät gewesen. «So
schnell wie die Termine wieder weg waren, konnten wir ja
gar nicht reagieren. Fair ist das nicht», sagt Jeker.

Frust vor dem Laptop
So erging es auch Coiffeuse Carmen Früh von Mad Ave
Hairstyling. Sie will sich wegen des täglichen Kundenkon-
takts unbedingt impfen lassen. Am Freitag hat sie sich des-
halb extra die Zeit genommen, um einen Termin zu buchen
– am Ende sass sie trotzdem frustriert vor dem Laptop im
Salon. «Den ersten Termin konnte ich noch auswählen, für
den zweiten war aber nie etwas frei», sagt Früh. Die Web-
site sei nicht ideal. Als Coiffeuse könne sie sich nicht stun-
denlang durch die Termine durchklicken, bis einer funktio-
niere. «Man verschwendet viel zu viel Zeit so», sagt sie.

                 «Eine Kita-
            Mitarbeiterin, die am
             Freitagmorgen am
           Arbeiten war, hatte gar
            keine Chance, einen
          Imp ermin zu buchen.»
             Prisca Mattanza, Sprecherin des Verbands
               Kinderbetreuung Schweiz (Kibesuisse)
Auch viele Kita-Betreuerinnen und -betreuer kamen am
Freitag zu kurz. Für sie ist Homeoffice unmöglich, und sie
sind ständig in engem Kontakt mit Kleinkindern. Prisca
Mattanza, Sprecherin des Verbands Kinderbetreuung
Schweiz (Kibesuisse), hat deshalb wenig Verständnis für die
Vorgehensweise der Zürcher Gesundheitsdirektion. «Wir
haben von Anfang an gefordert, dass auch Personen, die in
der Bildung und Betreuung tätig sind, prioritär behandelt
werden. Diese Angebote sind systemrelevant.»

Leider sei dieser Wunsch nicht berücksichtigt worden. Im
Gegenteil. «Eine Kita-Mitarbeiterin, die am Freitagmorgen
am Arbeiten war, hatte gar keine Chance, einen Impftermin
zu buchen», sagt Mattanza.

Ein Zeitfenster für die Polizei
Ähnlich sah die Situation für Korpsmitglieder der Polizei
aus, die am Freitag Dienst leisteten. Auch sie konnten sich
nicht für einen Impftermin anmelden. Ein Zwang zur Imp-
fung sei bei der Kapo zwar kein Thema, sagt Markus
Schaaf, Präsident des Verbands der Kantonspolizei Zürich.
«Aber wir vom Verband haben trotzdem angeregt, dass es
für Polizisten ein separates Zeitfenster für Impftermine
gibt, damit sie mindestens dieselben Möglichkeiten haben
wie all jene, die an einem Computer arbeiten», sagt Schaaf.

Polizisten seien täglich an der Front im Einsatz und deshalb
höheren Risiken ausgesetzt, so seine Begründung. «Gleich-
zeitig möchten wir nicht, dass wir als Impfdrängler be-
trachtet werden. Wir stecken deshalb in einer
Zwickmühle.» Die Mehrheit der Verbandsmitglieder wolle
sich impfen lassen. Schaaf schätzt den Anteil der Impfwilli-
gen auf etwa 70 Prozent. Wie viele bereits geimpft sind,
weiss er allerdings nicht. «Es gibt auch Mitglieder, die nicht
im Kanton Zürich wohnen und sich in ihrer Heimatgemein-
de impfen liessen.»

Unnötiger Druck
Weniger eng sieht es Ernst Bachmann, Präsident von Gastro
Zürich. «Wer sich um einen Impftermin bemüht, bekommt
auch einen. Man muss einfach etwas Geduld haben», sagt
er. Bachmann ist auch nicht der Meinung, dass Arbeitneh-
mende im Gastgewerbe gegenüber anderen im Nachteil
sind: «Für viele gilt noch immer die Kurzarbeit. Ausserdem
haben sie Zimmerstunden und Freitage wie alle anderen
auch. An der fehlenden Zeit kann es also nicht liegen.»

          «Wir leben in einer 24-
           Stunden-Gesellscha .
         Irgendjemand ist immer
             am Arbeiten. Eine
          Gleichbehandlung wird
            es daher nie geben.»
            Urs Pfäffli, Präsident von Gastro Zürich-City
Irgendjemand sei eben immer gerade am Arbeiten und
 könne sich nicht am Computer einloggen, sagt auch Urs
 Pfäffli, Präsident von Gastro Zürich-City. «Wir leben in ei-
 ner 24-Stunden-Gesellschaft. Eine Gleichbehandlung wird
 es daher nie geben.»

Seit über einem Jahr mit Maske: Wie hier in der Bäckerei Schneider in
Flaach arbeiten Mitarbeitende in Bäckereien hinter Plexiglas und mit
Gesichtsmaske.
Bild: Sabina Bobst

 Natürlich sei es jenen, die am Computer arbeiten, schneller
 möglich, einen Impftermin zu ergattern, sagt Peter Lyner,
 Präsident des Zürcher Bäcker-Confiseuren-Verbands, «aber
 wir minimieren mit unseren Massnahmen ohnehin schon
 seit über einem Jahr das Ansteckungsrisiko unserer Ange-
 stellten. Die Plexiglaswände haben wir im vergangenen
Frühling aufgestellt, und alle Mitarbeitenden tragen seit 12
Monaten eine Maske.»

           «Wir minimieren mit
          unseren Massnahmen
          schon seit über einem
                 Jahr das
            Ansteckungsrisiko
          unserer Angestellten.»
            Peter Lyner, Präsident des Zürcher Bäcker-
                      Con seuren-Verbands

Er habe seinen Mitarbeitenden schon im Januar empfohlen,
sich beim Hausarzt anzumelden, um an einen Impftermin
zu gelangen – seines Erachtens der zuverlässigste Weg. «Bei
uns im Betrieb hat sich bereits ein Viertel der Angestellten
geimpft oder hat einen Termin», sagt Lyner.

Die Gesundheitsdirektion hält auf Anfrage fest, dass Impf-
willige, die keinen Internet-Zugang haben, auch über eine
Hotline oder via Smartphone einen Termin buchen können.
Im Kanton Zürich biete Pro Senectute zudem an, Personen
über 60 Jahre beim Buchen von Impfterminen zu
unterstützen.

«Gleichgültig, an welchem Tag oder zu welcher Uhrzeit die
Termine aufgeschaltet werden: Solange die Nachfrage nach
dem Impfstoff grösser ist als das Angebot, wird es immer
Menschen geben, die auf einen Termin warten», sagt GD-
Sprecher Patrick Borer. In der zweiten Juni-Hälfte werde
aber viel Impfstoff geliefert, damit auch jene, die jetzt noch
warten, zum Zug kommen. «Das sind gute Aussichten», sagt
Borer.

Publiziert: 10.05.2021, 21:47

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