Soziale Sicherheit 2/2015 - CHSS

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Schwerpunkt
Reform Altersvorsorge 2020

Invalidenversicherung
Weiterentwicklung der IV – Lancierung eines neuen Reformprojekts

Gesundheit
Evaluation des Off-Label-Use in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung

                        Soziale Sicherheit
                                                       CHSS2/2015
inhalt                          Inhalt   CHSS                                           2/2015 März/April

    Inhaltsverzeichnis Soziale Sicherheit CHSS 2/2015

    Editorial                                                         57    Invalidenversicherung
    Chronik Februar / März 2015                                       58    Weiterentwicklung der IV – Lancierung eines neuen
                                                                             Reform­projekts (Patrick Cudré-Mauroux, Bundesamt für
                                                                             Sozialver­sicherungen)94
    Schwerpunkt
                                                                             Preisliche Auswirkungen des Systemwechsels in der Hör­­
    Übersicht (Christelle Brügger, Lara Fretz, Bundesamt für
                                                                             geräteversorgung (Patrick Koch, Christoph Hirter, Institut für
    Sozialversicherungen)63
                                                                             ­Wirtschaftsstudien Basel)                                      99
    Finanzierungsfragen (Anna Jost-Bosshardt, Thomas Borek,
    Bundesamt für Sozialversicherungen)                               68
                                                                             Gesundheit
    Frauen und Angestellte im Tieflohnbereich (Andrea Stange,
    Franziska Grob, Bundesamt für Sozialversicherungen)               73    Evaluation des Off-Label-Use in der obligatorischen Kranken­
                                                                             pflegeversicherung (Christian Rüefli und Christian Bolliger,
    Anpassungen bei den Hinterlassenenrenten der AHV
                                                                             ­Büro Vatter, Politikforschung & -beratung)                 102
    (Bernadette Deplazes, Bundesamt für Sozialversicherungen)         77
                                                                             Spitalklassifizierung: Neuer Algorithmus für den Betriebs­-
    Gleichbehandlung von Selbstständigerwerbenden und
                                                                             vergleich (Kris Haslebacher, Bundesamt für Gesundheit)          107
    Unselbstständigerwerbenden in der AHV (Paul Cadotsch,
    Mylène Hader, Bundesamt für Sozialversicherungen)                 81
    Institutionelle Massnahmen in der beruflichen Vorsorge                   Vorsorge
    (Philipp Rohrbach, Bundesamt für Sozialversicherungen)            84    Rechnungsergebnisse 2014 der AHV, IV und der EO (Aus dem
                                                                             Bereich Mathematik, Bundesamt für Sozialversicherungen) 111

    Sozialpolitik
    Welche Ursachen haben hohe Gesundheitskosten in der                      Parlament
    Sozialhilfe? (Felix Wolffers, Sozialamt Stadt Bern und Oliver            Parlamentarische Vorstösse                                      116
    Reich, Helsana)                                                   89
                                                                             Gesetzgebung (Vorlagen des Bundesrats)                          119

                                                                             Daten und Fakten
                                                                             Sozialversicherungsstatistik120
                                                                             Agenda (Tagungen, Seminare, Lehrgänge)                          122
                                                                             Literatur123

                                          min.ch
                              bsv.ad
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Besuche
editorial                           Editorial

Altersvorsorge 2020: eine ausgewogene,
mehrheitsfähige Vorlage

                                                               Renditen kämpft. Die fragmentierten und partiellen Re-
                                                               formprojekte der letzten Jahre blieben allesamt erfolglos:
                                                               Nachdem die erste Version der 11. AHV-Revision 2004 an
                                                               der Urne deutlich gescheitert war, erlitt die Zweitauflage
                                                               sechs Jahre später bereits im Nationalrat Schiffbruch. Ge-
                                                               radezu wuchtig verwarf das Stimmvolk 2010 die Senkung
                                                               des BVG-Mindestumwandlungssatzes. In der Analyse
                                                               stellte sich die fehlende Gesamtsicht von Partialreformen
                                                               als Hauptgrund für die Niederlagen heraus. Isolierte Vor-
                                                               schläge, die lediglich Teile von Versicherungen oder nur
                            Alain Berset                       vereinzelte Leistungen betreffen, haben keinerlei Erfolgs-
                            Bundesrat                          aussichten. Im Zentrum der politischen Überlegungen
                                                               müssen vielmehr die Versicherten und ihre Bedürfnisse
                                                               stehen; bei den Rentenversprechen ist grösstmögliche
                                                               Transparenz angezeigt.
   Am 19. November 2014 hat der Bundesrat die Botschaft           Mit der Reform Altersvorsorge 2020 werden die AHV
   zur Reform Altersvorsorge 2020 ans Parlament überwie-       und die berufliche Vorsorge nun erstmals gemeinsam über-
   sen – fast auf den Tag genau ein Jahr, nachdem das um-      arbeitet. Da die Altersleistungen aus beiden Säulen zusam-
   fassende Reformvorhaben zur 1. und 2. Säule in die Ver-     men errechnet werden, ist eine getrennte Betrachtung
   nehmlassung geschickt wurde. Die Vorlage stiess auf reges   heute nicht mehr sinnvoll. So hat sich die berufliche Vor-
   Interesse; in der Vernehmlassung gingen 168 Stellungnah-    sorge in den letzten dreissig Jahren neben der seit jeher
   men ein. Sowohl die Notwendigkeit als auch die Ziele des    und weithin geschätzten AHV zu einem wichtigen Faktor
   Projekts – die Erhaltung der Altersrenten auf dem beste-    im Rentensystem entwickelt. Dieses soll nun so reformiert
   henden Niveau und die Sicherung des finanziellen Gleich-    werden, dass das Rentenniveau garantiert und die mate­
   gewichts von AHV und beruflicher Vorsorge – stiessen        rielle Sicherheit gewährleistet sind – die Schwerpunktar-
   weitgehend auf Zustimmung. Der Ansatz, beide Säulen in      tikel dieser «Sozialen Sicherheit CHSS» werden dies auf-
   ein und demselben Paket zu reformieren, wurde ebenfalls     zeigen. Jede und jeder wird genau wissen, welche Leistun-
   gut aufgenommen. Daher hat der Bundesrat den allgemei-      gen, Herausforderungen und Auswirkungen sie und ihn
   nen Kurs des Projekts beibehalten.                          erwarten. Damit wird das Vertrauen der Versicherten in
      In den vergangenen fünfzehn Jahren stand die Alters-     die Reform als ausgewogenes Ganzes gestärkt. Dies ist für
   vorsorge immer wieder im Zentrum des Interesses. Dass       die nachhaltige finanzielle Sicherung des Rentensystems
   sich die demografische Entwicklung auf unser Vorsorge-      und damit auch für das Weiterbestehen der 1. und 2. Säu-
   system auswirkt und dringender Reformbedarf besteht, ist    le zentral.
   unbestritten. Ab 2020 wird sich die derzeit noch stabile       Die Reform Altersvorsorge 2020 berücksichtigt die de-
   Finanzlage der AHV verschlechtern. Alle demografischen      mografischen und wirtschaftlichen Herausforderungen,
   Szenarien und Konjunkturhypothesen, selbst die optimis-     gewährleistet das Gleichgewicht zwischen den beiden Säu-
   tischsten, gehen davon aus, dass der Renteneintritt der     len, den Generationen sowie den Versicherten und stärkt
   Babyboomer und die demografische Alterung den Gene-         das Vertrauen der Bevölkerung in eine sichere und ver-
   rationenvertrag belasten werden. Dabei fordert die stei-    lässliche Altersvorsorge. Damit bringt die Reform die
   gende Lebenserwartung nicht nur die AHV, sondern auch       besten Voraussetzungen mit, in der politischen und öffent-
   die berufliche Vorsorge, die zusätzlich noch mit tiefen     lichen Auseinandersetzung zu bestehen.

                                                                                      Soziale Sicherheit CHSS 2/2015   57
chronik                         Chronik      Februar/März 2015

                                           – Wirtschaftliche und soziale Situati-   Studien- und Lebensbedingungen
Arbeit                                     on der Bevölkerung ➞ Lebensstan-         an Schweizer Hochschulen: Hohe
                                           dard, soziale Situation und Armut).      Erwerbstätigkeit der Studierenden
Beschäftigungsbarometer im                                                             Drei Viertel der Studierenden ge-
4. Quartal 2014: Zunahme der               Grenzgängerstatistik 2014:               hen neben dem Studium einer Er-
Beschäftigung, hauptsächlich im            Wachstum der Anzahl Grenz­­              werbstätigkeit nach. Im Durchschnitt
dritten Sektor                             gänger/innen etwas gedämpft              machen die Einkünfte aus Erwerbs-
   Gemäss dem Bundesamt für Statis-           Die Anzahl der in der Schweiz tä-     tätigkeit knapp 40 Prozent der Ein-
tik (BFS) zeigen die vierteljährlichen     tigen ausländischen Grenzgängerin-       nahmen aus. Die Studierenden verfü-
Indikatoren des Beschäftigungsbaro-        nen und Grenzgänger hat im Jahr          gen im Jahr 2013 über ein Median-
meters im 4. Quartal 2014 im Ver-          2014 um 8 600 Personen (+3,1%) zu-       Einkommen von 2 000 Franken pro
gleich zum Vorjahresquartal ein Be-        genommen. Etwas mehr als die Hälf-       Monat. Ihre durchschnittlichen Stu-
schäftigungswachstum von 1,0 Pro-          te der Grenzgänger/innen (52,4%) hat     dienkosten betragen 1 321 Franken
zent. Das Wachstum ist hauptsächlich       den Wohnsitz in Frankreich, rund ein     pro Semester im Jahr 2013. Mehr als
im tertiären Sektor (+1,3%) zu beob-       Viertel (23,7%) in Italien und ein       die Hälfte der Studierenden, die einen
achten. Die Anzahl der offenen Stel-       Fünftel in Deutschland (20,4%). Im       Mobilitätsaufenthalt im Ausland ab-
len (–0,4%) und der Indikator der          Tessin ist der Anteil der Grenzgänger    solvierten, haben hierfür ein EU-
Beschäftigungsaussichten (–0,4%)           an allen Erwerbstätigen mit 26,2 Pro-    Programm wie beispielsweise Eras-
haben leicht abgenommen, während           zent am höchsten. Dies zeigen die        mus genutzt. Dies sind Ergebnisse der
die Schwierigkeiten bei der Personal-      Ergebnisse der vierteljährlich durch-    Erhebung 2013 zur sozialen und wirt-
rekrutierung (+1,2%) gegenüber dem         geführten Grenzgängerstatistik des       schaftlichen Lage der Studierenden,
Vorjahresquartal angestiegen sind          Bundesamtes für Statistik (BFS)          die nach 2005 und 2009 zum dritten
(www.statistik.admin.ch ➞ Themen           (www.statistik.admin.ch ➞ Themen         Mal vom Bundesamt für Statistik
➞ 03 – Arbeit und Erwerb).                 ➞ 03 – Arbeit und Erwerb).               (BFS) durchgeführt wurde (www.sta-
                                                                                    tistik.admin.ch ➞ Themen ➞ 15 – Bil-
Dialog über Arbeits- und Beschäfti­        Lage auf dem Arbeitsmarkt im             dung, Wissenschaft).
gungsfragen zwischen der Schweiz           Februar 2015
und China                                    Gemäss den Erhebungen des
   Eine tripartite Delegation aus So-      Staatssekretariats für Wirtschaft (SE-
zialpartnern und des Leiters der Di-       CO) waren Ende Februar 2015 149          Berufliche Vorsorge
rektion für Arbeit des Staatssekreta-      921 Arbeitslose bei den Regionalen
riats für Wirtschaft hat sich vom 9. bis   Arbeitsvermittlungszentren (RAV)         Versicherte sollen das Risiko ihrer
15. März 2015 zu einem Arbeitsbesuch       eingeschrieben, 1 025 weniger als im     frei gewählten Anlagestrategie
in China aufgehalten. Die Schweiz          Vormonat. Die Arbeitslosenquote          selber tragen
und China haben damit ihren Dialog         verharrte bei 3,5 Prozent im Berichts-      Der Bundesrat hat die Botschaft
über Arbeits- und Beschäftigungsfra-       monat. Gegenüber dem Vorjahresmo-        zur Anpassung des Freizügigkeitsge-
gen vertieft (www.seco.admin.ch).          nat erhöhte sich die Arbeitslosigkeit    setzes ans Parlament überwiesen. Neu
                                           um 662 Personen (+0,4%) (www.seco.       sollen Versicherte in der 2. Säule, wel-
Entwicklung der mittleren Einkom­          admin.ch).                               che für den überobligatorischen Teil
mensgruppen in der Schweiz:                                                         ihres Vorsorgekapitals die Anlage-
aktualisierte Indikatoren                  Personenfreizügigkeit: Klare Regeln      strategie selber wählen können, in
   Insgesamt betrachtet blieb der Be-      für Kurzaufenthalter auf Stellensuche    jedem Fall nur den effektiven Wert
völkerungsanteil in der mittleren Ein-       Ausländische Personen, die eine        des Vorsorgeguthabens erhalten. Dies
kommensgruppe von 1998 bis 2012            Kurzaufenthaltsbewilligung zum           gilt auch für den Fall, wenn zum Zeit-
weitgehend stabil. Anteilmässig am         Zweck der Stellensuche in der            punkt des Austritts aus der Vorsorge-
stärksten vertreten war sie 2009 mit       Schweiz beantragen, müssen über          einrichtung ein Anlageverlust resul-
61,3 Prozent der Bevölkerung, am           ausreichende finanzielle Mittel verfü-   tiert (www.bsv.admin.ch).
schwächsten 1998 mit 57,0 Prozent der      gen, um ihren Lebensunterhalt zu
Bevölkerung. 2012 erreicht der Anteil      bestreiten. Die entsprechende Ände-      Studie untersucht
der mittleren Einkommensgruppe mit         rung der Verordnung über die Ein-        Pensionierungsverluste
57,1 Prozent der Bevölkerung knapp         führung des freien Personenverkehrs        Der gesetzlich vorgeschriebene
wieder den Stand von 1998 (www.            (VEP) ist am 1. April 2015 in Kraft      Mindestumwandlungssatz von 6,8
statistik.admin.ch ➞ Themen ➞ 20           getreten (www.ejpd.admin.ch).            Prozent in der obligatorischen beruf-

58   Soziale Sicherheit CHSS 2/2015
Chronik      Februar/März 2015

lichen Vorsorge verursacht den Vor-
sorgeeinrichtungen wegen der stei-      Demografie                                Gesundheit
genden Lebenserwartung und den
tiefen Anlagerenditen erhebliche        Auslandschweizergemeinde                  Gesundheit2020: zehn Prioritäten
Pensionierungsverluste. Diese führen    wächst weiter                             für 2015
zu einer systemfremden Umvertei-           Immer mehr Schweizerinnen und            Alain Berset hat den Bundesrat
lung in der 2. Säule. Das zeigt exem-   Schweizer wohnen im Ausland. 2014         über die Fortschritte in der gesund-
plarisch eine Studie im Auftrag des     ist die Zahl der Auslandschweizerin-      heitspolitischen Agenda Gesund-
Bundesamtes für Sozialversicherun-      nen und Auslandschweizer gegenüber        heit2020 informiert. 2014 wurden die
gen, in der die Mechanismen und         dem Vorjahr um 14 726 auf 746 885         zwölf prioritären Projekte umgesetzt
Auswirkungen der Pensionierungs-        Personen angestiegen, was einer Zu-       oder auf den Weg gebracht. Für das
verluste bei 27 ausgewählten Pensi-     nahme von rund 2 Prozent entspricht.      Jahr 2015 hat das Eidgenössische De-
onskassen untersucht wurden (www.       Dies geht aus der neusten Ausland-        partement des Innern EDI zehn Pri-
bsv.admin.ch).                          schweizerstatistik des Eidgenössi-        oritäten bestimmt. Unter anderem
                                        schen Departements für auswärtige         sollen ein Bericht zur Stärkung der
                                        Angelegenheiten (EDA) hervor. Die         Patientenrechte sowie Gesetzesvor-
                                        Statistik erfasst jährlich alle Lands-    lagen zu den Tabakprodukten und zur
Bundesrat                               leute, die bei einer Botschaft oder       Stärkung von Qualität und Wirt-
                                        einem Generalkonsulat im Ausland          schaftlichkeit vorgelegt werden (www.
Bundesrat Alain Berset ruft dazu        angemeldet sind. Sie leben in 200 Län-    bag.admin.ch).
auf, die gesellschaftliche Kohäsion     dern und Gebieten rund um den Glo-
weiter zu stärken                       bus (www.eda.admin.ch).                   Krebsimpfung für Knaben und
   Bundesrat Alain Berset hat am 2.                                               junge Männer empfohlen
März 2015 den «Rat der Religionen»      Familien und Generationen 2013:              Die Impfung gegen sexuell über-
in Bern getroffen. Er versicherte den   Kinderwunsch bleibt hoch im Kurs          tragbare humane Papillomaviren wird
Religionsgemeinschaften, der Bun-          Fast zwei Drittel (63%) der kinder-    Mädchen und jungen Frauen seit Jah-
desrat teile ihre Besorgnis über die    losen Frauen und Männer im Alter von      ren empfohlen. Nun weitet das Bun-
zunehmende Aggressivität gegen          20 bis 29 Jahren wünschen sich zwei       desamt für Gesundheit die Empfeh-
Muslime und Juden in Europa. In der     Kinder. Ein Viertel (28%) gibt drei       lung auf Knaben und junge Männer
kulturell heterogenen Schweiz sei das   oder mehr Kinder als persönliches Ide-    aus. Eine solche Impfung könne Pe-
friedliche Zusammenleben eine stän-     al an. Am häufigsten bleiben Frauen       nis- und Analkrebserkrankungen
dige, kollektive Aufgabe (www.edi.      mit einem Tertiärabschluss kinderlos      eindämmen. Knaben und junge Män-
admin.ch).                              (30%). Die Akzeptanz der Berufstätig-     ner sollten sich gemäss der Empfeh-
                                        keit von Müttern mit kleinen Kindern      lung im Alter zwischen zwölf und 26
Geschäftsbericht 2014 des               hat seit den 90er-Jahren deutlich zuge-   Jahren, vorzugsweise zwischen elf und
Bundesrates verabschiedet               nommen. Das zeigen die ersten Ergeb-      14 Jahren – vor Beginn der sexuellen
  Der Bundesrat hat seinen Ge-          nisse der Erhebung zu Familien und        Aktivität – impfen lassen (NZZ, 3.
schäftsbericht 2014 verabschiedet.      Generationen 2013 des Bundesamts für      März 2015).
Dieser gibt Auskunft über die Erfül-    Statistik (BFS) (www.statistik.admin.
lung angestrebter Ziele, geht aber      ch ➞ Themen ➞ 01 – Bevölkerung).
auch auf die Bewältigung unvorher-
gesehener Ereignisse ein. Im Vorder-    Provisorische Ergebnisse zur              Gleichstellung
grund standen 2014 Strukturen und       na­türlichen Bevölkerungs­
Regulierungen in der internationalen    bewegung 2014                             EKF und Frauenorganisationen
Finanzpolitik, Weichenstellungen in        Das Jahr 2014 war von einem An-        fordern: mehr Frauen ins
der Sicherheit und grenzüberschrei-     stieg der Geburten, der Eheschlies-       Parlament!
tenden Zusammenarbeit in der Mig-       sungen und der neu eingetragenen             Die Eidgenössische Kommission
ration, der OSZE-Vorsitz und die        Partnerschaften geprägt. Die Zahl der     für Frauenfragen EKF und eine brei-
Europapolitik, das Grossprojekt Al-     Scheidungen und der Todesfälle ging       te Koalition von Frauenorganisatio-
tersvorsorge, die koordinierte Pla-     zurück. Dies sind die provisorischen      nen engagieren sich dafür, dass am 18.
nung von Siedlung, Landschaft und       Ergebnisse der Statistik der natürli-     Oktober 2015 mehr Frauen ins Parla-
Verkehr sowie eine Stärkung der         chen Bevölkerungsbewegung des             ment gewählt werden. Auf der Web-
Berufsbildung (www.admin.ch ➞ Der       Bundesamtes für Statistik (BFS)           site «Frauen wählen! – Votez femmes!
Bundesrat ➞ Dokumentation ➞ Pu-         (www.statistik.admin.ch ➞ Themen          – Votate donne!» sagen prominente
blikationen).                           ➞ 01 – Bevölkerung).                      Politikerinnen, warum dies dringend

                                                                                     Soziale Sicherheit CHSS 2/2015   59
Chronik      Februar/März 2015

nötig ist. Eine gemeinsam von EKF,         analysiert. Die Versicherungen emp-      tik (BFS) zum Migrationsstatus der
BAKOM und SRG/SSR bei der Uni-             fehlen neu angemeldeten Personen         ständigen Wohnbevölkerung hervor
versität Fribourg in Auftrag gegebene      mit Hörproblemen weiterhin, ver-         (www.statistik.admin.ch ➞ Themen
Studie wird zudem im Wahlkampf             schiedene Anbieter und Angebote zu       ➞ 01 – Bevölkerung).
2015 die Medienpräsenz von kandi-          vergleichen (www.bsv.admin.ch).1
dierenden Frauen und Männern un-                                                    Erleichterte Einbürgerung für junge
tersuchen (www.ekf.admin.ch).              Weiterentwicklung der IV: Bessere        Ausländerinnen und Ausländer
                                           Eingliederung durch koordinierte           Der Bundesrat befürwortete am 21.
20 Jahre nach der 4. Weltfrauen­           Förderung                                Januar 2015 in einer Stellungnahme
konferenz: Schweiz zieht an UNO-              Die Invalidenversicherung ist dank    die parlamentarische Initiative «Die
Session Bilanz                             der Revisionen seit 2004 deutlich er-    Schweiz muss ihre Kinder anerken-
   Am 9. März 2015 hat in New York         folgreicher geworden bei der berufli-    nen». Die Initiative verlangt, dass
die 59. Sitzung der Kommission für die     chen Eingliederung von Menschen          Ausländerinnen und Ausländer der
Stellung der Frau (CSW) des UNO-           mit Behinderung. Handlungsbedarf         dritten Generation, die in der Schweiz
Wirtschafts- und Sozialrats (ECO-          besteht aber bei Kindern und Jugend-     geboren und aufgewachsen sind, in
SOC) stattgefunden. Im Zentrum             lichen mit Gesundheitsproblemen          einem erleichterten Verfahren einge-
stand die sogenannte «Beijing Dekla-       und für psychisch Kranke. Die Beglei-    bürgert werden können (www.bfm.
ration/Aktionsplattform», die 1995         tung und die Zusammenarbeit der          admin.ch).
anlässlich der 4. Weltfrauenkonferenz      beteiligten Akteure müssen verbes-
in Peking verabschiedet worden war.        sert werden. Der Bundesrat hat die       Potenzial der Migrations­
An der diesjährigen Session wurde          Leitlinien für den nächsten Reform-      bevölkerung nutzen und fördern:
Bilanz gezogen, ob und wie sich die        schritt, die Weiterentwicklung der IV,   positive Zwischenbilanz
Stellung der Frauen in der Gesellschaft    abgesprochen und hat dem Departe-          Die Partner im TAK-Integrations-
seither verbessert hat. Die Schweiz als    ment des Innern EDI den Auftrag          dialog «Arbeiten – Chancen geben,
stimmberechtigtes Mitglied dieser          erteilt, ihm bis im Herbst eine Ver-     Chancen nutzen» haben am 26. Janu-
UNO-Kommission hat u.a. eine Bilanz        nehmlassungsvorlage vorzulegen           ar 2015 eine positive Zwischenbilanz
ihrer Bemühungen im Inland präsen-         (www.edi.admin.ch).2                     gezogen. Seit dem Start des Dialogs
tiert und verschiedene Anlässe veran-                                               durch die tripartite Agglomerations-
staltet (www.eda.admin.ch).                                                         konferenz (TAK) im Oktober 2012
                                                                                    haben Staat, Arbeitgeberverbände
                                           Migration                                und die Sozialpartner mehrerer Bran-
                                                                                    chen verschiedene Projekte in Angriff
Invalidenversicherung                      Bevölkerung nach Migrations­             genommen, um das Potenzial der hier
                                           status: Ein Drittel der Bevölkerung      lebenden Migrantinnen und Migran-
Hörgerätemarkt: grössere Auswahl,          hat einen Migrationshintergrund          ten besser zu nutzen und deren Inte-
aber wenig Druck der Versicherten            Im Jahr 2013 hatten 2,4 Millionen      gration am Arbeitsplatz zu fördern
auf Anbieter                               der 6,8 Millionen in der Schweiz le-     (www.bfm.admin.ch).
   Eine neue Studie über die Preise        benden Personen ab 15 Jahren einen
der Hörgeräteversorgung stellt einen       Migrationshintergrund. Vier Fünftel
leicht gesteigerten Wettbewerb unter       davon kamen im Ausland zur Welt,
den Anbietern und etwas tiefere Hör-       während ein Fünftel in der Schweiz
gerätekosten für die IV- und AHV-          geboren wurde, jedoch im Ausland
Versicherten fest. Gleichzeitig ist aber   geborene Eltern hat. Ein gutes Drittel
auch die Bereitschaft der Hörbehin-        (35%) besass den Schweizer Pass. Die
derten gestiegen, aus der eigenen          Bevölkerung mit Migrationshinter-
Tasche an ein teures Hörgerät zu be-       grund ist jünger und verlangsamt die     1 Dazu Koch, Patrick und Christoph Hirter, «Preis-
                                                                                      liche Auswirkungen des Systemwechsels in der
zahlen. Die Studie hat die Preissitua-     Alterung der ständigen Wohnbevöl-          Hörgeräteversorgung», in dieser Sozialen Si-
tion vor und nach dem Wechsel von          kerung in der Schweiz. Diese und           cherheit CHSS
                                                                                    2 Dazu Cudré-Mauroux, Patrick, «Weiterentwick-
IV und AHV zur Ausrichtung von             weitere Ergebnisse gehen aus einer         lung der IV – Lancierung eines neuen Reform-
Pauschalbeiträgen an die Versicherten      Analyse des Bundesamtes für Statis-        projekts», in dieser Sozialen Sicherheit CHSS

60   Soziale Sicherheit CHSS 2/2015
Chronik      Februar/März 2015

                                          nandersetzung über unterschiedliche       gut ein Drittel lebt in Familienhaus-
Öffentliche Finanzen                      Auffassungen von Rechtsstaatlichkeit      halten mit Kindern. Das sind die neu-
                                          und Strafjustiz sowie über internati-     en Ergebnisse aus der Schweizerischen
Öffentliche Finanzen 2013–2015:           onale Menschenrechtskooperation           Sozialhilfestatistik im Flüchtlingsbe-
steigende Verschuldung der                und den Einbezug der Zivilgesell-         reich des Bundesamtes für Statistik
Kantone                                   schaft (www.eda.admin.ch).                (BFS) (www.statistik.admin.ch ➞ The-
   Die öffentlichen Finanzen 2013 dürf-                                             men ➞ 13 – Soziale Sicherheit).
ten mit einem leichten Defizit schlies-   EKR: Die Schweiz engagiert sich im
sen. Bund, Kantone und Gemeinden          Kampf gegen Rassismus                     Syrienkonflikt: Bundesrat
liegen im defizitären Bereich, während      Der von der UNO ausgerufene in-         beschliesst zusätzliche
die Sozialversicherungen Überschüsse      ternationale Tag gegen Rassismus, der     Massnahmen für die Opfer
ausweisen. 2014 dürfte sich die Lage      21. März, war 2015 für die Schweiz           Der Bundesrat hat am 6. März 2015
für die öffentlichen Haushalte ähnlich    von besonderer Bedeutung, denn vor        Massnahmen zur weiteren Unterstüt-
präsentieren. Die Kantone müssen          20 Jahren nahm das Volk die Straf-        zung der Opfer aus dem Syrienkon-
aufgrund von diversen Pensionskas-        norm gegen Rassendiskriminierung          flikt beschlossen. Zusätzlich zu den
sensanierungen mit einer Verschlech-      an, trat unser Land dem Internatio-       bereits getätigten Anstrengungen von
terung der Rechnungsergebnisse rech-      nalen Übereinkommen zur Beseiti-          128 Millionen Franken seit Ausbruch
nen. Die Schuldenquote der Kantone        gung jeder Form von Rassendiskri-         des Konflikts soll die Hilfe vor Ort
steigt 2013 an, dürfte sich in den kom-   minierung bei und setzte der Bundes-      um weitere 50 Mio. Franken verstärkt
menden Jahren jedoch stabilisieren.       rat die Eidgenössische Kommission         werden. Zudem will der Bundesrat in
Dies zeigen die neuen Zahlen der Fi-      gegen Rassismus EKR ein (www.edi.         den nächsten drei Jahren im Grund-
nanzstatistik (www.efv.admin.ch).         admin.ch ➞ Themen ➞ EKR).                 satz zusätzlich 3 000 schutzbedürftige
                                                                                    Personen aus der Krisenregion die
                                          Sozialhilfe: Bundesrat analysiert         Einreise in die Schweiz ermöglichen
                                          den Handlungsbedarf                       (www.eda.admin.ch).
Sozialpolitik                               Der Bundesrat hat am 25. Februar
                                          2015 einen Bericht zur Ausgestaltung      Zuwanderer erhalten keine
Asylstatistik Februar 2015                der Sozialhilfe und der kantonal­en       Sozialhilfe
   Im Februar 2015 wurden in der          Bedarfsleistungen verabschiedet.             EU-Bürger, die sich zur Stellensu-
Schweiz 1 424 Asylgesuche eingereicht,    Die­ser analysiert den Handlungsbe-       che in der Schweiz befinden, müssen
das entspricht einer Abnahme von 9        darf und zeigt auf, wo heute in der       über ausreichende finanzielle Mittel
Prozent im Vergleich zum Vormonat         Sozialhilfe Koordinationsbedarf be-       verfügen. Diesen Grundsatz, der ei-
(1 565 Gesuche) und einem Rückgang        steht. Da sich die Kantone gegen ein      gentlich bereits heute gilt, hat der
um 3 Prozent im Vergleich zum Feb-        Rahmengesetz des Bundes für die           Bundesrat nun explizit in einer Ver-
ruar 2014. Die Zahl der Gesuche sri-      Sozialhilfe ausgesprochen haben,          ordnung festgehalten. Das Bundesge-
lankischer und kosovarischer Staats-      überlässt es der Bundesrat ihnen, den     richt folgt ihm schon länger. In der
angehöriger ging zurück, während die      notwendigen verbindlichen Rahmen          Vernehmlassung war die Verschär-
Zahl der Asylgesuche eritreischer und     für die Sozialhilfe zu definieren (www.   fung positiv aufgenommen worden.
syrischer Staatsangehöriger leicht        edi.admin.ch).                            Kurz vor der Abstimmung über die
zunahm (www.bfm.admin.ch).                                                          Zuwanderungsinitiative war bekannt
                                          Sozialhilfestatistik im                   geworden, dass die Kantone Grund-
China und die Schweiz im Dialog           Flüchtlingsbereich 2013                   sätze des Freizügigkeitsabkommens
über Menschenrechte                          2013 wurden in der Schweiz 13 567      unterschiedlich anwenden. So zahlten
  Vom 3. bis 4. März 2015 haben sich      Personen im Flüchtlingsbereich mit        einige Kantone Sozialhilfe an Perso-
Delegationen der Schweiz und Chi-         Sozialhilfe unterstützt. Zwei Drittel     nen, die sich zur Stellensuche in der
nas in Bern zur 13. Runde des bilate-     der Sozialhilfebeziehenden im Flücht-     Schweiz aufhielten, obwohl das Ab-
ralen Menschenrechtsdialogs getrof-       lingsbereich sind Kinder oder Jugend-     kommen keinen Sozialhilfeanspruch
fen. Die konstruktive Atmosphäre          liche und jüngere Personen im Alter       für Stellensuchende vorsieht (NZZ,
und der vertrauliche Rahmen erlaub-       zwischen 26 und 35 Jahren. Ein Fünftel    14. März 2015).
ten eine offene und kritische Ausei-      aller Beziehenden ist erwerbstätig und

                                                                                       Soziale Sicherheit CHSS 2/2015   61
schwerpunkt                                                          Schwerpunkt        Reform Altersvorsorge 2020

Reform Altersvorsorge 2020

Bundesrat Alain Berset stellt die Botschaft zur Reform der Altersvorsorge 2020 vor.                                 © Keystone / Marcel Bieri

Anderthalb Jahre sind es her, seit wir Ihnen hier die Eckwerte der Reform Altersvorsorge 2020 vorgestellt
haben. In der Zwischenzeit hat der Bundesrat die einzelnen Punkte der Paketlösung in eine sorgfältig
austarierte Botschaft gegossen, die mittlerweile in den Kommissionen zur Beratung angelangt ist. Dass
es sich beim Reformvorhaben um kein Planspiel handelt und unmittelbares, aber bedachtes Handeln
gefordert ist, legt die Tatsache nahe, dass das Umlageergebnis der AHV für 2014 erstmals seit der
zweiten Hälfte der 1990er-Jahre negativ ausfällt.

Neben einer Übersicht über das Gesamtpaket und seine finanzielle Tragweite greifen unsere Schwer-
punktartikel zentrale Punkte der Reform heraus. Dabei gehen sie auf die rentenstärkenden Massnahmen
für Angestellte im Tieflohnbereich – häufig Frauen – ein. Sie erörtern die zielgerichteten Anpassungen
bei den Hinterlassenenrenten und legen dar, weshalb und wie Selbstständige den Unselbstständigen in
der AHV gleichgestellt werden sollen. Schliesslich hält ein Beitrag die institutionellen Massnahmen in der
2. Säule fest, welche die angemessene Einbindung der Lebensversicherer in die Sicherung der Alters- und
Hinterlassenenvorsorge sicherstellen.
Die Reform gibt es nicht im Baukastensystem: Isoliert voneinander umgesetzt, würden die einzelnen
Reformansätze nur punktuell greifen. Erst durch ihre gegenseitige Verknüpfung werden sie zum tragfähi-
gen Ganzen, das die anstehenden demografischen und wirtschaftlichen Herausforderungen in ihrer
gesamten Tragweite, als ineinandergreifendes Netz der staatlich getragenen und eigenverantworteten
sozialen Sicherung aufzufangen vermag.

            62      Soziale Sicherheit CHSS 2/2015
schwerpunkt                                              Schwerpunkt   Reform Altersvorsorge 2020

Übersicht

Der Bundesrat hat am 19. November 2014 die Bot­                           Bisher konnten die Auswirkungen der steigenden Le-
schaft zur Reform der Altersvorsorge 2020 ans Parla-                   benserwartung und der niedrigen Geburtenrate auf die
                                                                       finanzielle Lage der AHV grösstenteils durch die positi-
ment überwiesen. Die Reform sichert mit einem
                                                                       ven Folgen der bilateralen Abkommen, die qualifizierte
umfassenden Ansatz und mit Fokus auf das Interesse                     Arbeitskräfte in die Schweiz brachten, ausgeglichen wer-
der Versicherten die Erhaltung des Leistungsniveaus in                 den. Die geburtenstarken Jahrgänge, zu denen die in den
der Altersvorsorge. Durch die Möglichkeit, den Alters-                 1960er-Jahren geborenen Personen zählen, sind immer
rücktritt flexibel zu gestalten, wird den individuellen                noch auf dem Arbeitsmarkt aktiv. Noch hat sich das Ver-
                                                                       hältnis zwischen Erwerbstätigen und Pensionierten (Al-
Bedürfnissen der Arbeitnehmenden und den Arbeits-
                                                                       tersquotient) nicht verschoben. Zwischen 2020 und 2030,
markttendenzen Rechnung getragen.                                      wenn die geburtenstarke Generation ins Rentenalter
                                                                       kommt, wird sich allerdings ein Ungleichgewicht einstel-
                                                                       len. Der Altersquotient wird ansteigen und dazu führen,
                                                                       dass die Ausgaben der AHV schneller zunehmen als die
                                                                       Einnahmen – und dies selbst bei gleich bleibendem Wan-
                                                                       derungssaldo. Zudem gefährdet die Zunahme der Le-
                                                                       benserwartung die Finanzierung der beruflichen Vorsor-
                                                                       ge. In Kombination mit den seit mehreren Jahren nied-
                                                                       rigen Kapitalerträgen auf den Finanzmärkten ergibt sich
                                                                       ein Ungleichgewicht zwischen den zu erbringenden
                                                                       Leistungen und deren langfristiger Finanzierung.

        Lara Fretz		                       Christelle Brügger                    Botschaft vom 19. November zur Reform
        Bundesamt für Sozialversicherungen                                       der Altersvorsorge 2020
                                                                                 www.admin.ch ➞ Bundesrecht ➞ Bundesblatt
        Ausgangslage                                                             ➞ BBl 2015, 1
                                                                                 www.parlament.ch ➞ Curia Vista ➞ 14.088
           Die Gesellschaft ist im Wandel, die Menschen leben
        länger und die Kapitalerträge der vergangenen Jahre
        verändern das wirtschaftliche Umfeld zusehends. All
        diese Veränderungen stellen unser Altersvorsorgesystem
        vor grosse Herausforderungen. Obwohl die Problematik             Um in den kommenden Jahrzehnten die finanzielle
        seit Langem bekannt ist, konnten die AHV und die be-           Stabilität unseres Altersvorsorgesystems nicht aufs Spiel
        rufliche Vorsorge bisher noch nicht an die neuen Gege-         zu setzen und um allen Pensionierten eine angemessene
        benheiten angepasst werden. Seit Inkrafttreten der 10.         Lebenshaltung gewährleisten zu können, ist eine Reform
        AHV-Revision im Jahr 1997 und der letzten Etappe der           notwendig, die sich sowohl der demografischen als auch
        1. BVG-Revision im Jahr 2006 wurden lediglich punktu-          der wirtschaftlichen Herausforderungen annimmt. Des-
        elle Revisionen für technische und strukturelle Ände-          halb schickte der Bundesrat am 20. November 2013 einen
        rungen oder – im Falle der AHV – für den Finanzierungs-        Vorentwurf zur Reform der Altersvorsorge in die Ver-
        ausbau vorgenommen. Alle Revisionsvorhaben, die den            nehmlassung. Darin schlägt er Massnahmen vor, die das
        demografischen und wirtschaftlichen Herausforderungen          Leistungsniveau der Altersvorsorge sichern und das fi-
        gerecht geworden wären, sind gescheitert, weil sie die         nanzielle Gleichgewicht der AHV sowie der beruflichen
        Interessen der Versicherten nicht genügend berücksich-         Vorsorge gewährleisten. Gleichzeitig trägt die Reform
        tigten oder weil sich kein politischer Konsens fand.           der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung, indem der

                                                                                              Soziale Sicherheit CHSS 2/2015   63
Schwerpunkt      Reform Altersvorsorge 2020

Versicherungsschutz an die Gegebenheiten auf dem Ar-            Vorsorgeeinrichtungen neu, in einigen Reglementen
beitsmarkt (Teilzeitarbeit, Mehrfachbeschäftigung) und          wurde das reglementarische Rentenalter bereits ge-
die Leistungen an die heutigen Rahmenbedingungen                schlechtsunabhängig auf 65 Jahre festgesetzt. 2 Damit
angepasst werden. Zusätzlich soll das Vertrauen der Ver-        der Wechsel nicht abrupt erfolgt, wird das Referenzalter
sicherten ins Geschäft der beruflichen Vorsorge gestärkt        der Frauen im Rahmen der Übergangsbestimmungen
werden, indem mehr Transparenz geschaffen wird und              über einen Zeitraum von sechs Jahren schrittweise ange-
die erzielten Erträge fair zwischen den Versicherten und        hoben. Auch wenn bestimmte Kreise für eine generelle
den Versicherern verteilt werden. Eine überwiegende             Erhöhung des Referenzalters auf über 65 Jahre sind, er-
Mehrheit begrüsste die Stossrichtung der Reform, wobei          achtet der Bundesrat diese Möglichkeit angesichts der
über die zu ergreifenden Massnahmen unterschiedliche            derzeitigen Arbeitsmarktlage als ungünstig. Es sind nur
Auffassungen bestehen.1 Nachdem er einige während des           wenige Arbeitgeber bereit, ältere Arbeitnehmende zu
Vernehmlassungsverfahrens vorgebrachte kritische                beschäftigen.3 Unter diesen Umständen wäre eine Anhe-
Rück­meldungen berücksichtigt hatte, verabschiedete der         bung des Referenzalters auf über 65 Jahre rein theoreti-
Bundesrat am 19. November 2014 die Botschaft zur Re-            scher Natur und würde zu einer Verlagerung der Kosten
form der Altersvorsorge.                                        auf andere Sozialversicherungen wie der Arbeitslosen-
   Das Reformvorhaben macht die Änderung verschie-              versicherung, der IV oder sogar der Sozialhilfe führen.
dener Gesetze notwendig, erfordert aber auch einen
separaten Bundesbeschluss für die Erhöhung der Mehr-
wertsteuersätze, die in der Verfassung verankert sind.          Mehr Flexibilität beim Rentenbezug
Damit der gesamtheitliche Ansatz der Reform gewahrt
bleibt, fasst der Bundesrat alle Gesetzesänderungen in             Mit der Altersvorsorge 2020 werden die Bedingungen
einen Mantelerlass und verbindet diesen mit der Verfas-         für einen flexiblen Bezug der Altersleistungen sowohl in
sungsänderung. Dabei kann der Bundesbeschluss zur               der AHV als auch in der beruflichen Vorsorge deutlich
Zusatzfinanzierung der AHV nur in Kraft treten, wenn            verbessert. Alle Versicherten können frei entscheiden,
die Grundsätze der Vereinheitlichung des Referenzalters         ab wann zwischen 62 und 70 Jahren4 sie ihre Altersrente
von Frauen und Männern sowie einer Beschränkung des             beziehen möchten. In der beruflichen Vorsorge wird das
Anspruchs auf Witwen- und Witwerrenten auf Personen,            Mindestalter für den Bezug von Altersleistungen somit
welche Erziehungs- oder Betreuungsaufgaben wahrneh-             von 58 auf 62 Jahre erhöht, wobei Ausnahmen nach wie
men, im Gesetz verankert sind. Damit wird verhindert,           vor möglich sein werden, so beispielsweise aufgrund der
dass das Gesetz geändert, seine Finanzierung jedoch             öffentlichen Sicherheit oder bei betrieblichen Restruk-
abgelehnt wird oder umgekehrt die Reformen abgelehnt,           turierungen. Neu sollen auch kollektiv finanzierte Rück-
aber zusätzliche Mittel eingestellt werden.                     tritte dazugehören. Durch die Einführung der Teilpensi-
                                                                onierung kann der Übergang vom Berufsleben in den
                                                                Ruhestand auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt
Vom ordentlichen Rentenalter zum                                werden. Der Rentenanteil ist zwischen 20 und 80 Prozent
Referenzalter                                                   frei wählbar. Der Bezug ist in drei Etappen möglich,
                                                                wobei in der beruflichen Vorsorge für den Rentenbezug
   Aus der Notwendigkeit heraus, die Voraussetzungen            je nach Reglement der Vorsorgeeinrichtungen auch mehr
für den Altersrücktritt zu flexibilisieren, gleichzeitig aber   Etappen zur Verfügung stehen werden. Ausserdem be-
einen Referenzpunkt für die Berechnung der Altersren-           steht die Möglichkeit, einen Rententeil vorzubeziehen
te und für die Koordination mit den Leistungen anderer          und den anderen aufzuschieben. In der beruflichen Vor-
Sozialversicherungen beizubehalten, wird der aktuelle           sorge setzt der Vorbezug voraus, dass die Erwerbstätigkeit
Begriff «ordentliches Rentenalter» durch «Referenzalter»        im entsprechenden Umfang reduziert wird. Der Aufschub
ersetzt. Das Referenzalter bezieht sich auf den Zeitpunkt,      ist möglich, sofern die Erwerbstätigkeit im entsprechen-
zu dem die Altersleistungen ohne Abzüge oder Zuschlä-           den Umfang weitergeführt wird. Des Weiteren können
ge ausgerichtet werden. Damit ist der Begriff kein Syn-
onym für den Rückzug aus dem Arbeitsmarkt. Das Re-
                                                                1 Zusammenfassung der Vernehmlassungsergebnisse: www.bsv.admin.ch
ferenzalter ist für Frauen und für Männer einheitlich bei         ➞ Altersvorsorge 2020 ➞ Aktuell ➞ Altersvorsorge 2020: Vernehm-
65 Jahren festgesetzt, sowohl für die AHV als auch für            lassung bestätigt Notwendigkeit und Zielsetzung der grossen Reform
die berufliche Vorsorge. Für Frauen bedeutet dies ein           2 Aktuell betrifft dies rund 18 Prozent der in der beruflichen Vorsorge
                                                                  versicherten Frauen.
Beitragsjahr mehr, um in der AHV eine ungekürzte Voll-
                                                                3 Trageser, Judith et al., Altersrücktritt im Kontext der demografischen
rente zu erhalten. Bei der beruflichen Vorsorge führt             Entwicklung. Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr.
diese Harmonisierung zu einer Zunahme des Altersgut-              11/12, Bern.
habens der Frauen und verbessert damit ihre Leistungen          4 Der Aufschub ist während höchsten fünf Jahren möglich. Solange das
                                                                  Referenzalter der Frauen nicht bei 65 Jahren liegt, gelten für den Aufschub
um 4 bis 5 Prozent. Diese Massnahme ist nicht für alle            ihrer Renten die Regeln der Übergangsbestimmungen zum Referenzalter.

64   Soziale Sicherheit CHSS 2/2015
Schwerpunkt           Reform Altersvorsorge 2020

die Witwen- und Witwerrenten der AHV sowie die IV-                           geltende Mindestumwandlungssatz beruht auf der An-
Teilrenten unter bestimmten Voraussetzungen mit einem                        nahme einer erforderlichen Rendite von 5 Prozent. Das
anteiligen Vorbezug der AHV-Altersrente kumuliert                            BSV hat in diesem Zusammenhang eine Studie mit ma-
werden. Wie bereits heute führt der Vorbezug der Alters-                     kroökonomisch fundierten Szenarien erstellen lassen.5
rente zu einer nach versicherungstechnischen Grundsät-                       Gemäss Schätzungen für ein dem Pictet-Index-25 plus
zen berechneten Reduktion der Rente. Im umgekehrten                          angelehntes Portfolio liegt die zu erwartende Rendite im
Fall bewirkt der Aufschub des Rentenbezugs eine Erhö-                        wahrscheinlichsten Szenario «Normalisierung» langfris-
hung der Altersleistungen. Nichterwerbstätige, welche                        tig bei 3,6 Prozent. Berücksichtigt man dabei, dass die
die ganze AHV-Altersrente vorbeziehen, sind mit dem                          Lebenserwartung weiter ansteigen wird, erscheint eine
Vorbezug nicht mehr AHV-beitragspflichtig. Bei der                           Anpassung des Mindestumwandlungssatzes als unum-
Rentenberechnung werden diese fehlenden Beitragsjah-                         gänglich, um die finanzielle Stabilität der 2. Säule zu er-
re als Beitragslücken betrachtet, damit die weiterhin                        halten und zu stärken.
beitragspflichtigen Personen nicht benachteiligt werden.                        Im Rahmen der Reform der Altersvorsorge wird des-
Für Personen, die nach wie vor einer Erwerbstätigkeit                        halb vorgeschlagen, den Mindestumwandlungssatz in-
nachgehen, bestehen neue Möglichkeiten zum Auffüllen                         nerhalb von vier Jahren um jährlich 0,2 Prozentpunkte
der Beitragslücken und zur Verbesserung ihres AHV-                           von aktuell 6,8 Prozent auf 6 Prozent zu reduzieren.
Rentenbetrags. Die Beitragspflicht für die berufliche                           Zusätzlich soll der Mindestumwandlungssatz als zen-
Vorsorge endet mit Erreichen des Referenzalters. Die                         trale Grösse der beruflichen Vorsorge häufiger als bisher
Vorsorgeeinrichtungen können in ihren Reglementen                            – alle fünf statt alle zehn Jahre – überprüft werden. Zudem
allerdings die Möglichkeit der Beitragsentrichtung auch                      erhält das Bundesamt für Statistik den Auftrag, gezielte
nach vollendetem 65. Altersjahr vorsehen.                                    versicherungstechnische Grundlagen zu erstellen, damit
   Ausserdem sieht das Reformprojekt ein Modell zum                          die Festlegung des Mindestumwandlungssatzes transpa-
Vorbezug der AHV-Rente für Personen mit langer Bei-                          renter erfolgen kann. Um auch die Transparenz im Spar-
tragsdauer, die ihr gesamtes Erwerbsleben lang ein nied-                     prozess zu erhöhen und die ungewünschte Quersubven-
riges Einkommen erzielt haben, vor. Diese Massnahme                          tionierung zwischen Spar- und Risikoprozess zu vermei-
wird im Artikel «Frauen und Angestellte im Tieflohnbe-                       den, wird eine neue Prämie zur Finanzierung des
reich» genauer erläutert.                                                    Ausgleichs von Rentenumwandlungsverlusten eingeführt.
                                                                             Erhebt die Vorsorgeeinrichtungen einen entsprechenden
                                                                             Beitrag, kann dieser von der Austrittsleistung des Versi-
Der Weg zurück zum Kapitaldeckungsverfahren                                  cherten abgezogen werden.

  Die Altersvorsorge der 2. Säule beruht auf dem Kapi-
taldeckungsverfahren. Für die Auszahlung einer Leistung                      Ausgleichsmassnahmen zur Erhaltung des
in Rentenform muss somit ein entsprechendes Kapital                          Leistungsniveaus in der obligatorischen
vorhanden sein. In der obligatorischen beruflichen Vor-                      beruflichen Vorsorge
sorge gilt für die Umrechnung des Kapitals in eine Ren-
te ein Mindestumwandlungssatz. Dieser muss so festge-                          Durch die Anpassung des Mindestumwandlungssatzes
legt werden, dass unter Berücksichtigung der Lebens­                         sinkt das Leistungsniveau um ca. 12 Prozent. Um dies zu
erwartung und der zu erwartenden Rendite eine                                verhindern, müssen entsprechende Ausgleichsmassnah-
aus­reichende Finanzierung sichergestellt ist. Der aktuell                   men ergriffen werden. Dies soll langfristig durch einen
                                                                             Ausbau des Sparprozesses erfolgen.
                                                                               Während im Vorentwurf des Bundesrates noch vorge-
5 Eichler, Martin et al., Gesamtwirtschaftliche Entwicklungsszenarien bis
  2035 sowie Auswirkungen auf Finanzmärkte und Anlagerendite; Beiträ-        schlagen wurde, den Koordinationsabzug von aktuell 7⁄8
  ge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr. 7/14, Bern               der maximalen AHV-Rente auf 25 Prozent des jährlichen

Ausgleichsmassnahmen in der obligatorischen beruflichen Vorsorge                                                                         T1
                                     Altersgruppe                     Geltende Regelung          Vernehmlassung                 Botschaft
 Koordinationsabzug                                                  7
                                                                      ⁄8 der max. AHV-Rente       1
                                                                                                      ⁄4 des AHV-Lohns               keinen
 Altersgutschriftensätze             25 – 34                                           7%                         7%                     5%
                                     35 – 44                                          10%                      11,5%                     9%
                                     45 – 54                                          15%                      17,5%                     13%
                                     55 – Referenzalter                               18%                      17,5%                     13%

                                                                                                       Soziale Sicherheit CHSS 2/2015     65
Schwerpunkt       Reform Altersvorsorge 2020

AHV-Lohnes festzusetzen und die Altersgutschriften-          nomie der Vorsorgeeinrichtungen zu überlassen. Dies
sätze zu erhöhen, sieht die Botschaft die gänzliche Ab-      hätte jedoch dazu geführt, dass nur Vorsorgeeinrichtun-
schaffung des Koordinationsabzuges vor. Im Gegenzug          gen, deren Vorsorgepläne sich im BVG-Minimalbereich
werden die Altersgutschriftensätze entsprechend gesenkt.     befinden, finanziell belastet worden wären. Diese Ein-
Im Grundsatz bleibt das Konzept unverändert, jedoch          richtungen sind oft nicht in der Lage, die Kosten autonom
mit dem Vorteil, dass dadurch eine wesentliche Verein-       zu tragen – sei es, weil sie eine ungünstige Altersstruktur
fachung der beruflichen Vorsorge erreicht wird: Durch        aufweisen (Verhältnis Aktive/Rentner) oder weil die
den Wegfall des Koordinationsabzuges entspricht der          Arbeitgeber nicht über die notwendigen finanziellen
versicherte Lohn dem AHV-pflichtigen Lohn (max. obe-         Mittel verfügen, um entsprechende Zuwendungen zu
rer Grenzbetrag).                                            entrichten. Nur eine zentralisierte, solidarische Lösung
   Mit der neuen Staffelung der Altersgutschriftensätze      vermag dieser Aufgabe gerecht zu werden.
erfolgt ab Alter 45 keine Erhöhung mehr, wodurch auch
die Beschäftigung älterer Arbeitnehmenden begünstigt
werden soll.                                                 Weitere Massnahmen der Altersvorsorge 2020
   Mit der vorgeschlagenen Verstärkung des Sparprozes-
ses wird bei einer vollständigen Erwerbskarriere von 40      • Leistungs- und beitragsseitige Massnahmen:
Jahren trotz Anpassung des Mindestumwandlungssatzes             – Anpassung der Hinterlassenenrenten in der AHV6
bei Erreichen des Referenzalters dasselbe Niveau der            –	Anpassung der Bestimmungen zu den AHV-Beiträ-
Altersrente erreicht wie heute.                                    gen: insbesondere Massnahmen zur Gleichbehand-
   Von diesen Massnahmen profitieren insbesondere jun-             lung aller Erwerbstätigen im Bereich der AHV-
ge Versicherte sowie Personen mit relativ niedrigem                Beiträge7 und Aufhebung des Freibeitrags für er-
Einkommen, deren versicherter Lohn sich durch den                  werbstätige Altersrentnerinnen und -rentner an die
Verzicht auf den Koordinationsabzug wesentlich erhöht.             AHV/IV/EO.
Für Versicherte, die bei Inkrafttreten der Reform 40 Jah-       –	Herabsetzung der BVG-Eintrittsschwelle.8
re oder älter sind (sog. Übergangsgeneration) braucht es        –	Massnahmen für ältere Arbeitslose: Personen, die
jedoch eine zusätzliche Massnahme: Alle Vorsorgeein-               vor dem frühestmöglichen Alter für den Bezug von
richtungen, welche die obligatorische berufliche Vorsor-           Altersleistungen aus der beruflichen Vorsorge aus-
ge durchführen (sog. registrierte Vorsorgeeinrichtungen),          scheiden, sollen vorhandenes Freizügigkeitsguthaben
müssen die BVG-Minimalleistungen, berechnet nach den               in Rentenform beziehen können, deren Auszahlung
heute geltenden Bestimmungen, garantieren. Für die                 die Stiftung Auffangeinrichtung übernimmt. Zusätz-
Altersleistungen besteht eine nominale Garantie nur                lich soll sichergestellt werden, dass Personen, die
beim Bezug der Altersrente im Referenzalter oder später.           nach Vollendung des 58. Altersjahres entlassen wer-
Beim Bezug des Alterskapitals hingegen besteht keine               den, die Beiträge an die freiwillige Versicherung bis
Garantie, da in diesem Fall der Mindestumwandlungssatz             zum Erreichen des Mindestalters für den Bezug von
nicht zum Tragen kommt. Zur Berechnung dieser Garan-               Altersleistungen steuerlich in Abzug bringen können.
tie muss eine doppelte Schattenrechnung geführt werden:      •	Zusatzfinanzierung für die AHV mittels Erhöhung der
einerseits auf der Grundlage des neu mit der Reform             Mehrwertsteuersätze.9
definierten Sparprozesses und andererseits auf der Grund-    •	Einführung eines zweistufigen Interventionsmechanis-
lage des Sparprozesses vor Inkrafttreten der Reform. Im         mus in der AHV: Die erste Stufe verpflichtet den Bun-
Leistungsfall ist jeweils die BVG-Leistung auf der Grund-       desrat, Stabilisierungsmassnahmen zu unterbreiten,
lage des Sparprozesses vor der Reform (garantierte Ren-         wenn absehbar ist, dass der AHV-Ausgleichsfonds
te) mit der gemäss neuer Regelung auszurichtenden               innerhalb von drei Jahren unter den Betrag von 70
Rente zu vergleichen. Ist die garantierte Rente höher, ist      Prozent einer Jahresausgabe der Versicherung sinkt.
diese auszurichten.                                             Auf der 2. Stufe werden automatische Massnahmen
   Für die zu garantierenden Todesfall- und Invaliditäts-       ausgelöst, sobald die Schwelle von 70 Prozent tatsäch-
leistungen haben die Vorsorgeeinrichtungen die Finan-           lich unterschritten wird und das Umlagedefizit während
zierung selbst zu regeln, indem sie angemessene Risi-
kobeiträge festlegen. In Bezug auf die Altersleistungen
hingegen erhalten Vorsorgeeinrichtungen, sofern sie eine     6 Deplazes, Bernadette, «Anpassungen bei den Hinterlassenenrenten der
zu garantierende Rente ausrichten müssen, eine Finanz-         AHV», in der vorliegenden Sozialen Sicherheit CHSS
                                                             7 Cadotsch, Paul und Mylène Hader, «Gleichbehandlung von Selbststän-
spritze des Sicherheitsfonds. Diese Einmalzahlungen            digerwerbenden und Unselbstständigerwerbenden in der AHV», in der
werden mittels Beiträgen aller registrierten Vorsorgeein-      vorliegenden Sozialen Sicherheit CHSS
richtungen finanziert, auch von jenen, die weit höhere       8 Stange, Andrea und Franziska Grob, «Frauen und Angestellte im Tief-
                                                               lohnbereich», in der vorliegenden Sozialen Sicherheit CHSS
Leistungen als gesetzlich vorgeschrieben versichern. Es
                                                             9 Jost, Anna und Thomas Borek, «Finanzierungsfragen», in der vorliegen-
wäre auch denkbar gewesen, die Finanzierung der Auto-          den Sozialen Sicherheit CHSS

66   Soziale Sicherheit CHSS 2/2015
Schwerpunkt          Reform Altersvorsorge 2020

   zwei aufeinanderfolgenden Jahren mehr als drei Pro-                      plus: für eine starke AHV» festgestellt.13 Die Initiative
   zent der Ausgaben beträgt. Diese Massnahmen sehen                        fordert eine Erhöhung aller AHV-Altersrenten um 10
   einerseits eine Erhöhung der Lohnbeiträge und ande-                      Prozent. Die Initianten sind der Ansicht, dass mit diesem
   rerseits eine begrenzte Einschränkung der Rentenan-                      Rentenzuschlag der allgemeine Lebensbedarf der Rent-
   passungen vor.                                                           nerinnen und Rentner, die während ihres Erwerbslebens
•	Vereinfachung der Zahlungsflüsse zwischen Bund und                       ein niedriges Einkommen erzielt haben, besser abgedeckt
   AHV.10                                                                   werden könnte. Ausserdem sei eine Anpassung der Ren-
•	Institutionelle Massnahmen in der beruflichen Vorsor-                    ten alle zwei Jahre nicht ausreichend, um das Verhältnis
   ge: Mindestquote, Transparenz- und Aufsichtsmassnah-                     zwischen AHV-Rente und letztem Lohn (AHV-Ersatz-
   men.11                                                                   quote) zu erhalten.
•	Parität: Zur Verbesserung der Umsetzung der paritä-                         Natürlich würden höhere AHV-Leistungen das Ein-
   tischen Verwaltung der Vorsorgeeinrichtungen soll                        kommen der AHV-Bezügerinnen und -Bezüger steigern
   sichergestellt werden, dass alle versicherten Arbeit-                    und die Zahl der Rentnerinnen und Rentner, die auf
   nehmenden das aktive und passive Wahlrecht erhalten.                     Ergänzungsleistungen zur AHV angewiesen sind, senken.
•	Verbesserung der beruflichen Vorsorge für Selbststän-                    Bei einem Grossteil der Personen, auf welche die Initia-
   digerwerbende ohne Personal.12                                           tive ausgelegt ist, würde sich die finanzielle Situation
•	Einkauf ins BVG-Altersguthaben: Das Recht zum                            jedoch nicht wesentlich verändern. Für Rentnerinnen
   Einkauf in die reglementarischen Leistungen wird neu                     und Rentner, die Ergänzungsleitungen beziehen, hätte
   explizit im Gesetz verankert, wobei vorgängig Lücken                     eine Erhöhung der AHV-Rente gar eine entsprechende
   im BVG-Altersguthaben zu füllen sind.                                    Reduktion der Ergänzungsleitungen zur Folge. Bei eini-
•	Teilliquidation: Vorsorgeeinrichtungen sollen in Fällen                  gen dieser Personen könnte aufgrund der Schwellenef-
   unverhältnismässigen Aufwandes von der Durchfüh-                         fekte und der Besteuerung der AHV-Rente, die im Ge-
   rung einer Teilliquidation absehen können.                               gensatz zu den Ergänzungsleistungen nicht steuerbefreit
•	Risikobeiträge: Festlegung der Risikobeiträge nach                       ist, unter dem Strich sogar weniger Geld übrig bleiben.
   kollektiven Grundsätzen.                                                 Ausserdem würde die Initiative das finanzielle Gleich-
•	Gründungsvoraussetzungen für Freizügigkeitseinrich-                      gewicht der AHV gefährden. Würde die Initiative 2018
   tungen: Wie bereits für Sammel- und Gemeinschafts­                       in Kraft treten, hätte dies zusätzliche AHV-Ausgaben
   einrichtungen, sollen auch für Freizügigkeitseinrich-                    von etwa 4,1 Milliarden Franken pro Jahr zur Folge. Zur
   tungen spezielle Gründungsvoraussetzungen gelten.                        Finanzierung wäre eine Erhöhung der Arbeitgeber- und
•	Verschiedene Anpassungen betreffend Versicherungs-                       der Arbeitnehmerbeiträge von je rund 0,42 Prozentpunk-
   unterstellung in der AHV: Systematische Neuordnung                       ten nötig. Dies wäre mit einer grossen Belastung für die
   der Versicherungsunterstellung, Aufhebung des Wohn-                      Wirtschaft und mit deutlichen Lohneinbussen verbunden.
   sitzprinzips für Personen ohne Erwerbstätigkeit, An-                     Zudem würde sich die Initiative direkt auf den Bundes-
   passung des Versicherungsobligatoriums für Spezial-                      haushalt auswirken, da der Bund aktuell 19,55 Prozent
   kategorien und Neuregelung der weiterführenden                           der AHV-Ausgaben trägt. Für den Bund würde dies eine
   Versicherungen.                                                          Zunahme des Bundesbeitrags um 800 Millionen Franken
•	Einschränkung der Barauszahlungsmöglichkeit der                          im Jahr 2018 bedeuten.
   Freizügigkeitsleistung bei Geringfügigkeit.                                 Der Bundesrat lehnt die Initiative ohne Gegenvor-
                                                                            schlag ab, da er der Ansicht ist, dass die Altersvorsorge
                                                                            2020 eine ausgewogene Lösung darstellt.14 Mit der Al-
                                                                            tersvorsorge 2020 werden das Leistungsniveau erhalten
Volksinitiative «AHVplus: für eine starke AHV»                              und die Altersvorsorge der Versichertenkategorien, die
                                                                            es am nötigsten haben, verbessert. Gleichzeitig ist auch
  Die Bundeskanzlei hat mit Verfügung vom 15. Januar                        die Finanzierung der 1. und der 2. Säule gesichert.
2014 das Zustandekommen der Volksinitiative «AHV-

                                                                            Christelle Brügger, MLaw, Juristin, Leistungen AHV/EO/EL,
10 Jost, Anna und Thomas Borek, «Finanzierungsfragen», in der vorliegen-    Geschäftsfeld AHV, berufliche Vorsorge und EL, BSV
   den Sozialen Sicherheit CHSS
11 Rohrbach, Philipp, «Institutionelle Massnahmen in der beruflichen Vor-   E-Mail: christelle.bruegger@bsv.admin.ch
   sorge», in der vorliegenden Sozialen Sicherheit CHSS
12 Cadotsch, Paul und Mylène Hader, «Gleichbehandlung von Selbststän-
   digerwerbenden und Unselbstständigerwerbenden in der AHV», in der
   vorliegenden Sozialen Sicherheit CHSS                                    Lara Fretz, MLaw, Juristin, Bereich Recht berufliche Vorsorge,
13 BBI 2014 961                                                             Geschäftsfeld AHV, berufliche Vorsorge und EL, BSV
14 BBI 2014 9281                                                            E-Mail: lara.fretz@bsv.admin.ch

                                                                                                       Soziale Sicherheit CHSS 2/2015       67
Schwerpunkt                Reform Altersvorsorge 2020

Finanzierungsfragen

Die Schweiz verfügt über eine solide Altersvorsorge.                                     sionierten. Demzufolge reagiert sie sehr empfindlich auf
Trotzdem weisen 1. und 2. Säule aufgrund der Bevöl-                                      Veränderungen im Altersaufbau der Bevölkerung. Mit
                                                                                         der geltenden Ordnung wird das jährliche Umlageergeb-
kerungsentwicklung Konsolidierungsbedarf aus. So
                                                                                         nis (Einnahmen ohne Anlageertrag minus Ausgaben) der
erschwert der demografische Wandel die Umlagefinan-                                      AHV voraussichtlich auf –8,3 Mrd. Franken im Jahr 2030
zierung der AHV, während die steigende Lebenserwar-                                      sinken (vgl. Grafik G1). Als Ursache ist vor allem die
tung und ungenügende Anlagerenditen der berufli-                                         demografische Entwicklung zu nennen: Die Lebenser-
chen Vorsorge zusetzen. Mit der Reform AV 2020 soll                                      wartung steigt, während die Geburtenrate auf tiefem
                                                                                         Niveau verharrt. Die daraus resultierende Zusatzbelas-
das Leistungsniveau der Altersvorsorge erhalten
                                                                                         tung konnte bisher durch den positiven Wanderungssal-
bleiben und das finanzielle Gleichgewicht beider                                         do aufgefangen werden; er vermag aber den weiterhin
Säulen gesichert werden.                                                                 steigenden Altersquotienten nicht mehr zu kompensie-
                                                                                         ren (vgl. Grafik G2). Vielmehr wird dieser bis ins Jahr
                                                                                         2030 von aktuell rund 28 auf 40 Prozent wachsen. Das
                                                                                         bedeutet, dass dannzumal rund zweieinhalb Personen im
                                                                                         Erwerbsalter die Rente einer Person finanzieren müssten.
       Anna Jost-Bosshardt                Thomas Borek
       Bundesamt für Sozialversicherungen
                                                                                         Finanzielle Folgen der leistungs- und
                                                                                         beitragsseitigen Massnahmen

       Handlungsbedarf in der 1. Säule                                                     Die Reform sieht sowohl ausgaben- als auch beitrags-
                                                                                         seitige Massnahmen zur Entlastung und Stärkung der
         Die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV)                                AHV-Rechnung vor. In Tabelle T1 ist die Entwicklung
       wird im Umlageverfahren finanziert. Dabei finanzieren                             der erwarteten finanziellen Auswirkungen der vorge-
       die jüngeren, aktiven Generationen die Renten der Pen-                            schlagenen Massnahmen bis 2035 zusammengestellt. Im

       Umlageergebnis der AHV (in Mio. Franken)                                                                                             G1

             4000

             2000

                0

         – 2000

         – 4000

         – 6000

         – 8000

        – 10000
                2013           2015             2017            2019              2021           2023         2025          2027      2029
                              In der geltenden Ordnung                                         Mit der Reform Altersvorsorge 2020

       Quelle: Botschaft zur Reform der Altersvorsorge 2020, eigene Darstellung

       68      Soziale Sicherheit CHSS 2/2015
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