Sozialwissenschaftliche Kompetenz für Kirche und Gesellschaft - 50 Jahre Sozialwissenschaftliches Institut der EKD

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Sozialwissenschaftliche Kompetenz für Kirche und Gesellschaft - 50 Jahre Sozialwissenschaftliches Institut der EKD
Gunther Schendel (Hg.)
                                                     im Auftrag des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD

Sozialwissenschaftliche Kompetenz
für Kirche und Gesellschaft
50 Jahre Sozialwissenschaftliches Institut der EKD
Sozialwissenschaftliche Kompetenz für Kirche und Gesellschaft - 50 Jahre Sozialwissenschaftliches Institut der EKD
Sozialwissenschaftliche Kompetenz
                                                                                                                            für Kirche und Gesellschaft
                                                                                                                            50 Jahre Sozialwissenschaftliches Institut der EKD

                                                                                                                            Sozialwissenschaftliches Institut der EKD (SI)
                                                                                                                            Arnswaldtstraße 6, 30159 Hannover
                                                                                                                            Telefon 0511-554741-0
                                                                                                                            e-mail: info@si-ekd.de

                                                                                                                            Herausgeber:
                                                                                                                            Gunther Schendel, im Auftrag des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD
Die deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Sozialwissenschaftliche Kompetenz für Kirche und Gesellschaft – 50 Jahre Sozialwissenschaftliches Institut der EKD
ISBN 978-3-9465250-6-6                                                                                                      Autoren:
                                                                                                                            Reiner Anselm
Sozialwissenschaftliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland                                                   Heinrich Bedford-Strohm
Arnswaldtstraße 6, 30159 Hannover                                                                                           Karl-Fritz Daiber
Telefon 0511-55 47 41-0
Telefax: 0511-55 47 41-44                                                                                                   Birgit Klostermeier
e-Mail: info@si-ekd.de                                                                                                      Ralf Meister
                                                                                                                            Sigrid Reihs
Jede Vervielfältigung, Bearbeitung, Übersetzung, Verbreitung und jede Art der Verwertung sowie jegliche Speicherung         Gunther Schendel
und Verarbeitung in datenverarbeitenden Systemen außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts bedürfen der schriftlichen
                                                                                                                            Claudia Schulz
Zustimmung des jeweiligen Urhebers. Es ist nicht gestattet, Abbildungen zu digitalisieren.
                                                                                                                            Gerhard Wegner
Fotos (Titelcover): iStock Ocskaymark, cmfotoworks, Exkalibur, Stadtratte, Animaflora, dem10
                                                                                                                            Redaktion und Recherche:
                                                                                                                            Gabriele Arndt-Sandrock
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Sozialwissenschaftliche Kompetenz für Kirche und Gesellschaft - 50 Jahre Sozialwissenschaftliches Institut der EKD
Inhaltsverzeichnis

6    Grußworte
6    Ratsvorsitzender der EKD, Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm
10   Landesbischof Ralf Meister, Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers

12   50 Jahre SI: Profil und Geschichte einer evangelischen Institution
12   Gunther Schendel: 50 Jahre institutionalisierte Sozialwissenschaft in der Kirche.
     Von der Gründung des Bochumer SWI bis zur Arbeit des SI in Hannover

28   Sigrid Reihs: Zum 50. Geburtstag des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD:
     (k)ein nüchterner Rückblick auf die ersten 35 Jahre

34   Karl-Fritz Daiber: Die Pastoralsoziologische Arbeitsstelle in den 1970er und
     1980er Jahren

42   Gerhard Wegner: Das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD in Hannover.
     Ein Rückblick auf 15 Jahre

53   Publikationen SI 2004 – 2019

66   Sozialethik und empirische Forschung für die Kirche –
     Spannungsfelder und Herausforderungen
66   Reiner Anselm: Brennpunkte der Sozialethik 1969 – 2019
72   Claudia Schulz: Ganz nah am richtigen Leben!
     Empirische Forschung als Beitrag zu Theologie und kirchlicher Praxis

78   Birgit Klostermeier: „Zu Risiken und Nebenwirkungen ...“ –
     Empirische Forschung als soziale Praxis der Kirche

84   Anhang
85   Zeitleiste
87   Veröffentlichungen des Sozialwissenschaftlichen Instituts Bochum
92   Veröffentlichungen der Pastoralsoziologischen Arbeitsstelle/des Pastoralsoziologischen Instituts
95   Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 1969 – 2019

                                                                                                        5
Sozialwissenschaftliche Kompetenz für Kirche und Gesellschaft - 50 Jahre Sozialwissenschaftliches Institut der EKD
Die Arbeit des Sozialwissenschaftlichen Instituts, sowohl      Denkmuster in Frage stellen und innovative Ansätze
                                                                als SWI in Bochum wie auch als SI in Hannover zeigt auf        bekannt machen. Mit der Verbindung von Sozialwis-
                                                                einem speziellen Feld die Präsenz unserer Kirche in der        senschaften und Theologie tragen wir zur Öffnung der
                                                                Gesellschaft: Im Jahr 1969, mitten in den Aufbrüchen           Theologie für den säkularen und interdisziplinären Dis-
                                                                der 68er-Zeit, wurde es mit dem Auftrag gegründet,             kurs bei. Kirchliche Selbstabschottung – so bequem sie
                                                                gesellschaftliche Entwicklungen sozialwissenschaftlich         wäre – soll, so der Auftrag an das SI, keine Chance ha-
                                                                und -ethisch zu analysieren. In den 70er Jahren war das        ben. Unter ausdrücklicher Anerkennung und Gewähr-
                                                                SWI maßgeblich an der Debatte um Umweltschutz und              leistung der wissenschaftlichen Freiheit des SI, auch in

                                  Grußwort                      an der Gründung des später einflussreichen Bundesver-
                                                                bandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) beteiligt.
                                                                                                                               der institutionellen Form als einer „unselbständigen
                                                                                                                               Einrichtung der EKD“, hat sich die EKD für den Erhalt
                                                                Auf die Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt in den 80er          dieser kritischen Institution entschieden. Die Ergebnisse
                                  Ratsvorsitzender der EKD,     Jahren reagierte man mit der thematischen Fokussierung
                                                                auf ethische Fragen einer gerechten Wirtschaftsordnung
                                                                                                                               dieser Arbeit fließen kontinuierlich in die Kirchenmit-
                                                                                                                               gliedschaftsuntersuchungen, in die Texte der Kammer
                                  Landesbischof                 und einer menschenwürdigen Arbeitswelt. Die maßgeb-
                                                                liche Mitwirkung am Ökumenischen Konsultationspro-
                                                                                                                               für soziale Ordnung, in die Stellungnahmen kirchen-
                                                                                                                               leitender Organe sowie in ökumenische Stellungnah-
                                  Dr. Heinrich Bedford-Strohm   zess zur wirtschaftlichen und sozialen Lage steht für die
                                                                Verantwortung beider christlicher Kirchen für eine so-
                                                                                                                               men ein. Wenn solche Äußerungen im öffentlichen und
                                                                                                                               kirchlichen Diskurs Relevanz gewinnen, dann ist dies
                                                                lidarische und gerechte Gesellschaft in den 90er Jahren.       immer auch dem Praxisbezug und der kommunikativen
                                                                Die Zusammenlegung des SWI mit dem Pastoralsozio-              Anschlussfähigkeit an öffentliche Diskurse geschuldet,
                                                                logischen Institut in der Evangelischen Fachhochschule         die in interdisziplinärer Arbeit am SI eingeübt wird.
                                                                Hannover und die Neugründung als SI im Jahr 2005 si-
                                                                gnalisierte, dass die gesellschaftlichen Veränderungspro-      Die Herausforderungen der 2020er Jahre zeichnen sich
                                                                zesse auch die Kirche in ihrer Sozialgestalt erreicht hat-     ab. Die konsequente Weiterentwicklung der Sozialen
    Dr. Heinrich Bedford-Strohm
    (Fotograf: epd/mck)                                         ten. Mit dieser programmatischen Neuaufstellung galt           Marktwirtschaft mit ihren starken Wurzeln im protes-
                                                                und gilt es, sozialwissenschaftlich gestützte Gesellschafts-   tantischen Geist zu einer ökologisch-sozialen Marktwirt-
                                                                analyse für theologische sozialethische Positionierungen       schaft ist zu gestalten. Der Prozess der Digitalisierung
                                                                in öffentlichen sozialpolitischen Diskursen wie auch für       ist als gesellschaftlicher und kultureller und nicht nur
                                                                verantwortliche Kirchenentwicklung zu nutzen. Dieser           als technischer Prozess zu begreifen. Als Theologie und
                                                                Durchgang durch die Geschichte des SWI/SI zeigt, mit           Kirche haben wir spätestens seit der Industrialisierung
                                                                welch hoher Sensibilität für gesellschaftliche Kontexte        zu viel Abstand zur Welt der Technik in ihrer Prägekraft
                                                                und mit welch kirchenpolitischem Weitblick institutspo-        gehalten. Hier müssen wir theologisch aufschließen. Die
                                                                litische Entscheidungen getroffen wurden.                      religiöse Vielfalt in unserem Land ist Wirklichkeit. Sie
                                                                                                                               gilt es adäquat zu erfassen, um aus Polarisierungen zwi-
                                                                Sowohl als Landesbischof wie auch als Ratsvorsitzender         schen Ablehnung und Vergleichgültigung herauszufin-
                                                                erlebe ich immer wieder, wie wertvoll, ja unverzichtbar        den. Als evangelische Kirche treten wir auf diesem Feld
                                                                die Arbeit ist, die vom SI geleistet wird. Neben einer         religionspolitisch und kirchenpolitisch in eine neue Pha-
                                                                fundierten theologischen Theoriebildung brauchen wir           se ein, für die wir Orientierungen brauchen. Die Auf-
                                                                anerkannte empirische Zugänge zur Praxis, um unsere            gaben sind groß. Die erfolgreiche Geschichte des SI wie
                                                                Theoriebildung zu stützen oder auch zu irritieren. Re-         auch die Kompetenz von Institutsleitung, Mitarbeiten-
                                                                präsentative Umfragen und sozialwissenschaftliche For-         den, Vorstand und Wissenschaftlichem Beirat geben uns
                                                                schung können und sollen in der Kirche vorherrschende          begründete Hoffnung auf tragfähige Ergebnisse.

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Sozialwissenschaftliche Kompetenz für Kirche und Gesellschaft - 50 Jahre Sozialwissenschaftliches Institut der EKD
50 Jahre SWI/SI geben Anlass zu großem Dank: Über           Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern dieses Jubi-
    die Arbeit des Institutes und dessen Mitarbeitenden in      läumsbandes Freude bei der durch Fotos und lebendi-
    den Jahren des Aufbaus in Bochum, der Etablierung, des      ge Schilderungen leicht gemachten Erinnerungsarbeit.
    Umzugs und der Neuausrichtung in Hannover gibt die          Es verwundert aufgrund des Selbstverständnisses des SI
    Jubiläumsschrift Auskunft. Stellvertretend für alle Mit-    nicht, dass neben Erinnerung zugleich der kritische und
    arbeiterinnen und Mitarbeiter möchte ich Dr. Klaus          selbstkritische Ausblick gestellt wird. Gottes Segen für
    Lefringhausen als Gründungsdirektor des SWI und             das SI und alle Menschen, die dessen Arbeit tragen!
    Prof. Dr. Günter Brakelmann als langjährigen Direktor
    in der Bochumer Zeit nennen und ihnen herzlich dan-
    ken. Die tägliche Arbeit mit aller Kreativität, mit allem
    Engagement, mit aller Kompetenz und allem wissen-
    schaftlichen Eros und auch mit aller Mühe der nötigen
    Verwaltungs- und Organisationsarbeit wurde und wird
    vom Direktor und seinen Mitarbeitenden, unterstützt
    durch das Kirchenamt der EKD, geleistet. Dass die Neu-
    gründung als SI und die Etablierung des Instituts in den
    letzten 14 Jahren gelang, ist ganz wesentlich der Leitung
    von Prof. Dr. Gerhard Wegner zu verdanken. Der Vor-
    stand unter Leitung von Vizepräsident Arend de Vries
    und der stellvertretenden Leitung von Vizepräsident Dr.
    Horst Gorski arbeitet erfolgreich an der kontinuierlichen
    Ausrichtung des Kurses der Institutsarbeit. Sehr dankbar
    sind wir für die Einbindung des SI in die Wissenschafts-
    landschaft in Theologie und Sozialwissenschaften, die
    durch den Wissenschaftlichen Beirat unter Leitung von
    Prof. Dr. Johannes Eurich wesentlich unterstützt wird.
    Die Landeskirchen tragen das SI finanziell auch in Zeiten
    von Sparmaßnahmen, weil sie die Institutsarbeit schät-
    zen und von seiner Bedeutung überzeugt sind. Dies gilt
    in besonderem Maße von der Evangelisch-lutherischen
    Landeskirche Hannovers, die als Kooperationspartner
    des SI finanziell und hinsichtlich der Mitarbeit im Vor-
    stand besondere Verantwortung übernommen hat. Das
    SI wäre nicht das SI, das wir kennen, wenn es nicht die
    Kooperationspartner unter den Universitäten und Hoch-
    schulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen,
    Gewerkschaften, Stiftungen, kirchlichen Verbänden wie
    dem Ev. Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt e.V.
    und Evangelischen Akademien gäbe. Auch diese Partner
    tragen wesentlich zum Erfolg des SI bei. Danke für Ver-
    trauen und Zusammenarbeit!

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Sozialwissenschaftliche Kompetenz für Kirche und Gesellschaft - 50 Jahre Sozialwissenschaftliches Institut der EKD
7000 Menschen zogen am 7. Juni 1967 durch Hannover.                                                    2004 wurde die Pastoralsoziologische Arbeitsstelle, mitt-
                                                               Sie gaben dem Studenten und Christen Benno Ohne-                                                       lerweile an der Evangelischen Fachhochschule Hannover
                                                               sorg das letzte Geleit, der am Rande einer Demonstra-                                                  angesiedelt, mit dem 1969 gegründeten Sozialwissen-
                                                               tion von einem Polizisten erschossen worden war. Der                                                   schaftlichen Institut der EKD am Standort Hannover
                                                               Berliner Bischof und EKD-Ratsvorsitzende Kurt Scharf                                                   zusammengeführt. Die Voraussetzungen hatten sich seit
                                                               hielt die Trauerrede. Er suchte die Schuld für die Eskala-                                             den Gründungsjahren grundlegend geändert: 1971 ver-
                                                               tion nicht bei den Studierenden und nicht beim Staat, er                                               standen wir uns als „Volkskirche“, sahen uns mitten in
                                                               suchte nach tieferen Ursachen: Nach Ursachen, die „in                                                  dieser Gesellschaft, die wir besser verstehen wollten. 2004
                                                               der Struktur unserer Gesellschaft, der Gesellschaft der                                                dagegen erlebte sich die Kirche vielmehr als Gegenüber

                                  Grußwort                     freien Welt und in Westeuropa“ gegründet sind, in der
                                                               „Art, wie wir Gemeindeverantwortung wahrnehmen
                                                                                                                                                                      der Gesellschaft: Von der Forschung an der Schnittstelle
                                                                                                                                                                      von Sozialwissenschaft und Theologie erhoffte sie sich, in
                                                               oder auch versäumen“.1                                                                                 die Gesellschaft hinein zu wirken, Zielgruppen zu identi-

                                  Landesbischof Ralf Meister   Die Studierenden dieser Jahre haben die Gesellschaft
                                                                                                                                                                      fizieren und passgenau anzusprechen. Das war realistisch
                                                                                                                                                                      gedacht. Zum Jubiläum ist es allerdings ebenso berechtigt

                                  Evangelisch-lutherische
                                                               und auch die Kirche verändert – und die Kirche hat sich                                                zu fragen, wie wir uns als Kirche etwas von dem Opti-
                                                               verändern lassen. In Hannover waren es die Vikarinnen                                                  mismus und der Aufbruchsstimmung unserer Vorgänge-

                                  Landeskirche Hannovers
                                                               und Vikare, die mehr wissenschaftlichen Anspruch in der                                                rinnen und Vorgänger vor 50 Jahren erhalten können.
                                                               praktischen Ausbildungsphase vor dem zweiten theolo-
                                                               gischen Examen forderten. Sie wollten die Situation der                                                Für mich sind die Analysen des Sozialwissenschaftlichen
                                                               Menschen verstehen, die sie später als Seelsorgerinnen                                                 Instituts unverzichtbar. Seine Studien greifen die aktu-
                                                               und Seelsorger begleiten würden. Das war kein Selbst-                                                  ellen Herausforderungen für die Kirche auf. In Fragen
                                                               zweck: Es ging darum, Gesellschaft und Gemeinde zu                                                     des demographischen Wandels, der Situation der Men-
                                                               reformieren, die Partizipation der Gläubigen zu stärken.                                               schen auf dem Land und des Wandels zu einer multikul-
                                                                                                                                                                      turellen und multireligiösen Gesellschaft sensibilisieren
                                                               Dr. Karl-Fritz Daiber übernahm 1971 die sozialwis-                                                     die Forschungsergebnisse und konfrontieren die Kirche
     Landesbischof Ralf Meister
                                                               senschaftlichen Kurse in der Aus- und Fortbildung der                                                  auch mit Wahrheiten, die schmerzen. Präzise und schnell
     (Fotograf: Heiko Preller)                                 Seelsorgerinnen und Seelsorger. Die Hannoversche Lan-                                                  werden aktuelle Entwicklungen untersucht. In unserem
                                                               deskirche hatte das Glück, mit ihm einen Kollegen zu                                                   Engagement für Geflüchtete, die in Niedersachsen eine
                                                               gewinnen, der sich mit der Rolle nicht zufriedengab, die                                               Zukunft suchen, hat uns eine Studie des SI den Rücken
                                                               man ihm zunächst zubilligte. Bereits drei Monate nach                                                  gestärkt, die belegt: Mehr Niedersächsinnen und Nieder-
                                                               seinem Start konnte er eine Pastoralsoziologische Arbeits-                                             sachsen als andere Bundesbürger glauben, dass ihr Land
                                                               stelle aus der Taufe heben. Sie diente bald nicht nur der                                              mit der Aufnahme der Geflüchteten zurechtkommt. Für
                                                               Aus- und Fortbildung, sondern stellte Forschungsergeb-                                                 solche Ermutigungen, für alle Denkanstöße und Heraus-
                                                               nisse zur Verfügung, die über die Hannoversche Landes-                                                 forderungen sage ich danke.
                                                               kirche hinaus fruchtbar waren und auch von der akade-
                                                               mischen Sozialwissenschaft wahrgenommen wurden. So
                                                               nahm das Team die Kommunikation zwischen Prediger
                                                               und Zuhörenden unter die Lupe und erforschte die oft in-
                                                               nige Beziehung von Christinnen und Christen zur Bibel
                                                               als Objekt, als Erinnerungsstück und Lebensbegleiterin.

                                                               1 Zitiert nach: Harmjan Dam, Katharina Kunter, Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts im Religions-
                                                                  unterricht, Göttingen 2018, S. 76

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Sozialwissenschaftliche Kompetenz für Kirche und Gesellschaft - 50 Jahre Sozialwissenschaftliches Institut der EKD
„Das Fortwirken einer Institution gründet sich auf ihre
                                                                                                       gesellschaftliche Anerkennung als ‚permanente‘ Lösung
                                                                                                                                                                    „Sozialer Strukturwandel erfordert kirchliche
                                                                                                       eines ‚permanenten‘ Problems“: Diese Einsicht in die         Forschung“
                                                                                                       Grundbedingung für die Relevanz und Dauer von In-
                                                                                                       stitutionen stammt von Peter L. Berger und Thomas            Die Etablierung des Sozialwissenschaftlichen Instituts
                                                                                                       Luckmann (Berger / Luckmann 1969: 74). Die deutsche          in Bochum 1969
                                                                                                       Übersetzung ihres programmatischen Werks „Die ge-
                                                                                                       sellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“ erschien      Zum ersten Mal trat das Bochumer Sozialwissenschaft-
                                                                                                       im Jahr 1969, also just im Gründungsjahr des (damals so      liche Institut am 10. November 1969 mit einem Empfang

                                                                    50 Jahre institutionalisierte      genannten) Sozialwissenschaftlichen Instituts der evan-
                                                                                                       gelischen Kirchen in Deutschland (SWI).
                                                                                                                                                                    an die Öffentlichkeit, nachdem es bereits zum 1. Sep-
                                                                                                                                                                    tember seine Arbeit aufgenommen hatte. Das Institut,

                                                                    Sozialwissenschaft in der Kirche   Von daher lädt das genannte Zitat von Berger und Luck-
                                                                                                       mann gleich zu einer ganzen Reihe von Fragen ein: Für

                                                                    Von der Gründung des
                                                                                                       welches „Problem“ erhofften sich kirchenleitende Gre-
                                                                                                       mien 1969 eine „Lösung“, indem sie sozialwissenschaft-

                                                                    Bochumer SWI bis zur Arbeit
                                                                                                       liche Reflexion im Bereich der evangelischen Kirche
                                                                                                       institutionalisierten? Wie veränderte sich die Problem-
                                                                                                       wahrnehmung in den wechselvollen fünf Jahrzehnten bis
                                                                    des SI in Hannover                 heute? Welche Perspektiven und Akzente setzten hier die
                                                                                                       Mitarbeitenden, vielleicht auch in Spannung zu den of-
                                                                                                       fiziellen Erwartungen? Wie sah es mit der „gesellschaft-
                                                                                                       lichen Anerkennung“ aus, die im Fall eines kirchlichen
                                                                    Gunther Schendel                   Instituts ja auch die kirchliche Akzeptanz impliziert?
                                                                                                       Und schließlich: Welche Strukturen wurden etabliert
     Dr. Gunther Schendel
                                                                                                       und z. T. auch verändert, um bestimmte Handlungen
     nach Jahren als Gemeindepastor im Kirchenkreis Uelzen seit                                        und Erwartungen auf Dauer zu stellen?
     2011 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im SI der EKD tätig.
                                                                                                       In diesem Sinn soll im Folgenden ein – notgedrungen
                                                                                                       kurzer – Blick auf die kirchliche Institutionalisierung
                                                                                                       von Sozialwissenschaft geworfen werden, die 1969 mit
                                                                                                       der Gründung des Bochumer SWI begann und 2004 mit
                                                                                                       der Etablierung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der
                                                                                                       EKD (SI) in Hannover eine Fortsetzung erlebte. Dabei
                                                                                                       gerät auch eine andere wichtige Institutionalisierung
                                                                                                       der sozialwissenschaftlichen Perspektive in den Blick,
                                                                                                       nämlich die Pastoralsoziologische Arbeitsstelle (PSA)
                                                                                                       der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers,
                                                                                                       deren Nachfolgeeinrichtung, das Pastoralsoziologische
                                                                                                                                                                    Eröffnung des SWI Bochum am 10. November 1969
                                                                                                       Institut in der Evangelischen Fachhochschule Hannover        Oben links: Dr. Klaus Lefringhausen (Leiter des SWI); Oben rechts: Präses D. Dr. Joachim Beckmann
                                                                                                       (PSI), 2004 in das neugegründete SI der EKD einging.         (2.v.l.; rheinische Kirche), Präses D. Dr. Hans Thimme (3.v.l.; westfälische Kirche), Erich Brühmann
                                                                                                                                                                    (5.v.l., Superintendent des Kirchenkreises Bochum).
                                                                                                                                                                    (QUELLE: LkA EKvW 25A 64)

12                                                                                                                                                                                                                                                                         13
Sozialwissenschaftliche Kompetenz für Kirche und Gesellschaft - 50 Jahre Sozialwissenschaftliches Institut der EKD
das sich bei dem Empfang im Bochumer „Haus der Kir-                                                                       Leiter des SWI (1970-1980), u. a. auch Friedrich Kar-         Interessant ist nun, welche zu lösenden „Probleme“ die
     che“ präsentierte, umfasste damals fünf wissenschaftliche                                                                 renberg, der langjährige Vorsitzende des Sozialethischen      offizielle Aufgabenbeschreibung enthielt und welche
     Mitarbeiter verschiedener Fachrichtungen und Fächer-                                                                      Ausschusses der EKiR, sowie die Leiter des Sozialamts         Form der Institutionalisierung die Gründungsvereinba-
     kombinationen (Wirtschaftswissenschaften und Sozio-                                                                       der EKvW sowie der Sozialakademie Friedewald (Lef-            rung vorsah. In einem ersten, allgemeinen Passus wur-
     logie, Theologie und Kirchensoziologie, Sozialethik                                                                       ringhausen 1989: 12). Auch wenn dieser Plan eines insti-      den die Aufgaben zunächst sehr deutlich an den „Auftrag
     und ökumenische Theologie, Wirtschaftswissenschaften                                                                      tutionalisierten wissenschaftlichen Dienstes für die Kam-     der Kirche“ zurückgebunden, aber auch in den Kontext
     und Sozialpolitik, Politische Wissenschaften). Mit die-                                                                   mern der EKD zunächst nicht weitergeführt wurde, zeigt        gesellschaftlichen Wandels gestellt: „Das Institut hat die
     ser Zusammensetzung wurde sofort deutlich: Das neue                                                                       sich hier die Bereitschaft von einigen Landeskirchen, zur     Aufgabe, durch sozialethische und sozialwissenschaftli-
     Institut sollte interdisziplinär arbeiten, wie es auch der                                                                Bewältigung gemeinsam wahrgenommener Aufgaben                 che Studienarbeit zur wissenschaftlichen Grundlegung
     damaligen empirischen Wende der Praktischen Theo-                                                                         eine gemeinsame „‚permanente‘ Lösung“ zu etablieren.          von Verkündigung und des Dienstes der Kirche in einer
     logie entsprach (Schröer 1997: 207f.). Eingeladen hatte                                                                   Eine erste Institutionalisierung erfolgte im Mai 1966 mit     sich wandelnden Gesellschaft beizutragen. Es dient so
     der damalige Präses der Evangelischen Kirche im Rhein-                                                                    der Gründung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der       dem Eintreten der Kirche für Gerechtigkeit und Frieden
     land (EKiR) Joachim Beckmann als Kuratoriumsvor-                                                                          EKiR in Velbert, nicht zufällig dem Wohnort von Fried-        in der Welt. Zu diesem Zweck beobachtet und analysiert
     sitzender. Zugegen waren aber auch führende Vertreter                                                                     rich Karrenberg. Karrenberg firmierte bis zu seinem           das Institut die politisch-gesellschaftlichen Entwick-
     der Evangelischen Kirche in Westfalen (EKvW) (epd                                                                         plötzlichen Tod im Herbst 1966 als Gründungsleiter die-       lungstendenzen und zeigt die für den Auftrag der Kirche
     11.11.1969). Damit wurde von kirchenleitender Seite die                                                                   ses Instituts, das die Arbeit des Sozialethischen Ausschus-   bedeutenden Fragen auf“ (Vereinbarung, 22.5.1969, §
     Unterstützung des neuen Projekts unmissverständlich                                                                       ses der EKiR und damit namentlich das umfangreiche            3.1, EZA a.a.O.).
     unterstrichen. Außerdem waren neben Vertreter*innen                                                                       sozialethische Engagement Karrenbergs (Kammer für             Bemerkenswert ist hier einerseits die gleichgewichtige
     der Stadtöffentlichkeit und der katholischen Kirche auch                                                                  soziale Ordnung, Kirchentag, Akademiearbeit, Hono-            Nennung von Sozialethik und Sozialwissenschaft, die in
                                                                        Klaus Lefringhausen, Leiter SWI 1969-1970
     die Theologie-Professoren der sieben Jahre zuvor ge-               (QUELLE epd Bild)                                      rarprofessur) wissenschaftlich begleiten und unterstützen     der Berichterstattung über die Eröffnungsfeier nicht in
     gründeten Ruhr-Universität Bochum präsent – ein Vor-                                                                      sollte (Hack 2007: 66; vgl. Schendel 2018).                   gleicher Weise deutlich wird, und andererseits der Hin-
     zeichen für die in den kommenden Jahren sehr fruchtba-       „um eine Antwort zur Gestaltung der Verhältnisse ge-                                                                       weis auf die globale Perspektive von „Frieden und Ge-
     re Vernetzung zwischen Institut und Universität.             ben zu können“ (epd 11.11.1969). Der Blick auf das in-       Aus dem Velberter Sozialwissenschaftlichen Institut der       rechtigkeit“, die über die deutsche Gesellschaft deutlich
                                                                  tendierte Arbeitsprogramm zeigt: Bei der beabsichtigten      EKiR und dem in Villigst angesiedelten Sozialamt der          hinausgeht (ebd.). Vermutlich nimmt diese globale Pers-
     Dem ersten Leiter des Instituts, dem Wirtschaftswissen-      „Gestaltung der Verhältnisse“ ging es um eine kompe-         EKvW entstand im Jahr 1969 das ausdrücklich so genann-        pektive das Erbe Friedrich Karrenbergs auf, dem ein In-
     schaftler und Soziologen Klaus Lefringhausen (1934-          tente Mitwirkung an der Diskussion gesellschaftlicher        te „Sozialwissenschaftliche Institut der evangelischen Kir-   stitut „für die großen Menschheitsfragen“ vorgeschwebt
     2009), war es vorbehalten, die ersten thematischen           Fragen, aber auch um die Reflexion der eigenen kirch-        chen in Deutschland“ mit Sitz in Bochum. Diese Grün-          hatte, u. a. zur „Ost-West-Entspannung“ und zum
     Schwerpunkte des Instituts zu präsentieren. Bereits          lichen Praxis. Damit präsentierte sich das SWI 1969, ein     dung ging auf eine Initiative der EKiR und der EKvW           „Nord-Süd-Konflikt“ (Lefringhausen 1989: 12). Aller-
     im Vorfeld waren die Eckpunkte eines ambitionierten          Jahr nach der Hoch-Zeit der Studentenproteste und nur        zurück, die aber offenbar die EKD beteiligt hatten, um zu     dings standen Fragen der globalen Gerechtigkeit längst
     „Arbeitsprogramm[s]“ veröffentlicht worden, das sich         wenige Wochen nach dem Beginn der Kanzlerschaft von          prüfen, „ob es nicht zweckmäßig sei, ein solches Institut     auch auf der Agenda der EKD: Im Februar 1969 hatte
     auf „Fortschrittsprobleme der Industriegesellschaft“         Willy Brandt, als ein Institut auf der Höhe der neuen        von Anfang an mit gesamtkirchlicher Aufgabenstellung          der Rat die Kammer für Kirchlichen Entwicklungs-
     fokussieren sollte. Dabei sollte es jedoch nicht nur um      Zeit mit ihren Leitthemen: Weiterentwicklung der In-         zu errichten und allen Gliedkirchen der Evangelischen         dienst berufen (Willems 2013: 276).
     ökonomische Folgen des „Strukturwandel[s]“ und der           dustriegesellschaft und der Demokratie, aber auch der        Kirche in Deutschland den Beitritt zu ermöglichen“ (Kir-
     wachsenden Wirtschaftsverflechtung mit den „Entwick-         Kirchenreform.                                               chenkanzlei EKD 6.6.1969 an die Leitungen der Glied-          Nach der allgemeinen Aufgabenbestimmung enthält die
     lungsländern“ gehen. Thematisiert werden sollten auch                                                                     kirchen, EZA 2-14523). Im April 1969 stimmte der Rat          Gründungsvereinbarung eine weitere Passage, die in ei-
     die Folgen für aktuelle Formen der „Demokratie“, für         Die suggestive zeitliche Nähe zu den Wegmarken „1968“        der EKD dem Beitritt in die Trägerschaft des SWI zu; die      ner eher offenen Formulierung Dienstleistungsaufgaben
     die Entwicklung „sozialethische[r] Normen“ und die           und „1969“ verdeckt jedoch die lange Vorgeschichte des       Vereinbarung über die Errichtung des Instituts wurde im       für Kirchen und kirchliche Einrichtungen beschreibt:
     „Praxis kirchlichen Lebens“ (epd 6.11.1969).                 SWI. Sie reicht bis in die erste Hälfte der Sechzigerjahre   Mai 1969 ausgefertigt (Vereinbarung über die Errichtung       Genannt wird die „Beratung“ von Rat der EKD, den
                                                                  zurück und zeigt noch einmal andere ‚permanente‘ Pro-        eines Sozialwissenschaftlichen Instituts, 22.5.1969, EZA      „Leitungen der Gliedkirchen“ sowie von „Einrichtun-
     Dieses umfangreiche Programm gibt erste Hinweise auf         bleme“, für die nach einer Lösung in Form eines Instituts    a.a.O.); der zunächst geplante Eröffnungstermin zum           gen der kirchlichen Sozial- und Industriearbeit“. Außer-
     das „‚permanente‘ Problem“, zu dessen „‚permanenter‘         gesucht wurde: 1963 fand im Bonner Büro von Hermann          1.7.1969 (Kirchenkanzlei EKD 6.6.1969, EZA a.a.O.)            dem wird eine wissenschaftliche Dienstleistungsfunktion
     Lösung“ das neue Institut etabliert wurde. Im Hinter-        Kunst, dem Bevollmächtigten des Rates der EKD bei            konnte offensichtlich nicht gehalten werden.                  für drei namentlich genannte Kammern der EKD er-
     grund stand die Wahrnehmung eines „sozialen Struktur-        der Bundesregierung, ein erstes Planungsgespräch über                                                                      wähnt (öffentliche Verantwortung, soziale Ordnung und
     wandels“ (epd 6.11.1969) bzw. von „komplizierten ge-         die Gründung eines Instituts statt, das der Zuarbeit zu                                                                    kirchlichen Entwicklungsdienst) (§ 3.2).
     sellschaftlichen Zusammenhänge[n]“, die die am Institut      den Kammern der EKD dienen sollte. Teilnehmer wa-
     beteiligten Kirchen „transparenter“ machen wollten,          ren neben Horst Zilleßen, dem späteren Mitarbeiter und

14                                                                                                                                                                                                                                                        15
Sozialwissenschaftliche Kompetenz für Kirche und Gesellschaft - 50 Jahre Sozialwissenschaftliches Institut der EKD
Diese kircheninterne Beratungs- und Dienstleistungs-
     funktion wird in der Berichterstattung über den Eröff-
                                                                   „Die Bedrohung unserer Umwelt durch                                                                                     unumstritten: Eine Landeskirche reduzierte bereits 1972
                                                                                                                                                                                           ihren Haushaltsansatz für das Institut, möglicherweise
     nungsempfang nicht eigens erwähnt. Ihre Institutiona-         die industrielle Zivilisation“                                                                                          auch wegen politischer Bedenken (vgl. Zilleßen 1989:
     lisierung zeigt jedoch, als wie dringend die beteiligten                                                                                                                              20). Dazu kam der Kürzungsdruck, unter den die EKD
     Kirchenleitungen den Bedarf an einer ständig zur Ver-         Das erste Jahrzehnt des SWI bis zu seiner Überfüh-                                                                      und einige Landeskirchen in den Jahren nach der Öl-
     fügung stehenden wissenschaftlichen Expertise hielten;        rung in die alleinige EKD-Trägerschaft (1969-1980)                                                                      preiskrise von 1973 gerieten; dieser Kürzungsdruck er-
     nicht umsonst kamen sie jetzt auf die 1963 zunächst ver-                                                                                                                              reichte auch das SWI und führte die Mitarbeitenden in
     worfenen Pläne für eine institutionalisierte Zuarbeit für     Mit Blick auf die ersten zehn Jahre des SWI lässt sich sa-                                                              eine „fünfjährige Phase intensiver Selbstrechtfertigung“
     die Kammern der EKD zurück.                                   gen: Die organisatorische und inhaltliche Institutionali-                                                               (ebd.). Offenbar war in Zeiten finanzieller Verknappung
                                                                   sierung der Bochumer Einrichtung gelang überraschend                                                                    nicht mehr allen Trägerkirchen plausibel, ob und wie das
     Zu dieser Beratungs- und Dienstleistungsfunktion passt        schnell. Der von der EKD-Kirchenkanzlei ausgespro-                                                                      SWI die geeignete „‚permanente‘ Lösung eines ‚perma-
     auch die Struktur des neuen Instituts: Es wurde als           chenen Einladung, sich der Betreibung des SWI als einer                                                                 nenten‘ Problems“ darstellte.
     „rechtlich unselbständige Einrichtung seiner Träger“          „Gemeinschaftsaufgabe“ anzuschließen (Kirchenkanzlei
     etabliert (§ 4.1). Als das zentrale Führungs- und Lei-        EKD 6.6.1969, EZA 2-14523), folgten nach den beiden                                                                     Schließlich übernahm die EKD zum Jahresbeginn 1980
     tungsgremium wurde ein Kuratorium eingerichtet, das           ersten Trägerkirchen aus Nordrhein-Westfalen in den                                                                     die „alleinige Trägerschaft“ des Instituts (Kuratorium
     im Wesentlichen aus Vertretern der Trägerkirchen und          folgenden Jahren fast alle westlichen Gliedkirchen der                                                                  an die Trägerkirchen, 7.5.1979). Entsprechende Über-
     den Vorsitzenden der drei genannten Kammern bestehen          EKD – auch wenn es Ausnahmen gab (Zilleßen 1989:                                                                        legungen hatte das Kuratorium bereits seit 1972 verfolgt
     sollte. Damit waren der Einfluss, aber auch die Verant-       15). Zugleich gelang dem SWI sehr bald eine inhaltliche                                                                 (Zilleßen 1989: 20). Mit dieser Änderung in der Träger-
     wortung der wesentlichen Nutznießer und ,Kunden‘ des          Fokussierung seiner Arbeit, die ihm eine bundesweite                                                                    schaft war jedoch nicht nur der künftige Wegfall einer
                                                                                                                                         Horst Zillessen, Leiter SWI 1970-1980
     neuen Instituts institutionalisiert. Dem Kuratorium sollte    Bedeutung einbrachte. Verantwortlich hierfür war vor                  (QUELLE Mediator GmbH)                            Personalstelle verbunden (Kirchenkanzlei an die wiss.
     die Entscheidung über die „Richtlinien für die Arbeit“        allem die Bearbeitung des Umweltthemas; hier nahm das                                                                   Mitarbeiter des SWI, 8.8.1979), sondern auch eine Ver-
     genauso obliegen wie die über Personalangelegenhei-           SWI in der ersten Hälfte der Siebzigerjahre eine wichtige     intensive Vortragstätigkeit bis zur praktischen Vernet-   änderung der Institutsordnung: Das SWI wurde jetzt zu
     ten. Allerdings sicherte die Gründungsvereinbarung den        Pionier- und Vernetzungsfunktion ein.                         zung und Unterstützung der sich formierenden Umwelt-      einer rechtlich unselbständigen Einrichtung der EKD;
     hauptamtlichen Mitarbeitenden des Instituts sowohl in                                                                       bewegung: So stand das SWI 1971 bei der Gründung          der wissenschaftliche Beirat entfiel, und der Leiter be-
     Personalangelegenheiten als auch bei der Entscheidung         Diese Fokussierung auf das Umweltthema ging auf               der „Rhein-Ruhr-Aktion gegen Umweltzerstörung“            kam ausdrücklich eine Vorgesetztenfunktion für die
     über „Forschungsaufträge“ ein Anhörungsrecht zu. Zu-          eine Entscheidung von Beirat und Kuratorium aus dem           (RRA) genauso Pate wie es 1972 bei der Gründung           Mitarbeitenden (Ordnung des SWI, 20.4.1979, §§ 2-5,
     dem sollte das Kuratorium einen Wissenschaftlichen Bei-       Herbst 1970 zurück, die das bei der Eröffnung präsen-         der „Bundesarbeitsgemeinschaft Umweltschutz“ betei-       EZA 215/31). Änderungen sah die neue Ordnung auch
     rat einrichten, der ebenfalls ein Anhörungsrecht haben        tierte, inhaltlich sehr breite Arbeitsprogramm auf die        ligt war (Zilleßen 1989: 19). Und als sich im Juni 1972   bei der Aufgabenbeschreibung vor: Die in der Vergan-
     und mit ihrem Vorsitzenden im Kuratorium vertreten            Fragestellung nach der „Bedrohung unserer Umwelt              der „Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz“        genheit von den Mitarbeitenden als sehr zeitaufwendig
     sein sollte. Die operative Leitung des Instituts sollte das   durch die industrielle Zivilisation“ konzentrierte (Zille-    (BBU) gründete, wurde Zilleßen als Sprecher der RRA       erlebte Zuarbeit zu den Kammern der EKD (Zilleßen
     Kuratorium an einen „Leiter“ delegieren, der aus dem          ßen 1989: 17). Diese Fokussierung fiel in die Zeit, als       zum BBU-Vorsitzenden gewählt (Kempf 1984: 405);           1989: 21) wurde nicht mehr explizit erwähnt; jetzt war
     hauptamtlichen Team „auf jeweils drei Jahre“ berufen          der Politikwissenschaftler Horst Zilleßen (geb. 1938)         das SWI übernahm für ein Jahr die Geschäftsführung des    allgemein von der Erfüllung von „Studien- und Bera-
     werden sollte. Die Kompetenzen dieser Leitungsperson          nach dem Ausscheiden von Klaus Lefringhausen, der in          neuen Verbands (Zilleßen 1989: 19).                       tungsaufträgen der EKD und ihrer Gliedkirchen“ die
     waren beschränkt und sollten im Wesentlichen dem En-          die Entwicklungspolitik wechselte (Willems 2013: 194),                                                                  Rede. Der Zweck des SWI und seiner „Studienarbeit“
     gagement für eine „sinnvolle Kooperation innerhalb des        zum neuen Institutsleiter bestimmt wurde. Zilleßen hat        Die erste Dekade des SWI war jedoch nicht nur durch       sollte jetzt darin bestehen, einen Beitrag zum „wirklich-
     Instituts“ und die Umsetzung von Beschlüssen dienen.          die neue Schwerpunktsetzung rückblickend mit der Er-          dieses Engagement geprägt, sondern auch durch erste       keitsnahen Zeugnis und Dienst der Kirche in der mo-
     Damit waren die direkten Einflussmöglichkeiten des Ku-        kenntnis begründet, dass es sich beim Umweltthema             Ressourcen- und Finanzprobleme. Die Verbindung von        dernen Gesellschaft“ zu leisten (§ 1). Diese Aufgabenbe-
     ratoriums auf die Institutsarbeit groß; zugleich bot sich     nicht nur um eine Frage an das „gesellschaftliche und         eigenem „Arbeitsprogramm“ und der kircheninternen         schreibung zeigt: Zehn Jahre nach der Institutsgründung
     aber auch die Möglichkeit für eine starke Teamidentität.      politische Ordnungssystem“, sondern auch an die „gel-         Beratungs- und Dienstleistungsfunktion erwies sich als    war das empirische Paradigma genauso selbstverständlich
                                                                   tende gesellschaftliche Wertordnung“ handle und damit         schwierig, wobei es jedoch als bemerkenswert bezeich-     wie das Bewusstsein, dass sich kirchliches Handeln in der
                                                                   ein für die Kirche relevantes sozialethisches Thema dar-      net werden muss, dass das Kuratorium die beschriebene     Dynamik einer „modernen Gesellschaft“ abspielt. Dass
                                                                   stelle (Zilleßen 1989: 18). Die Beschäftigung mit diesem      anwaltschaftliche Rolle des SWI für die Umweltbewe-       sich die Gesellschaft „wandelt“, musste offensichtlich
                                                                   Thema, das bis ca. 1979 einen Schwerpunkt des SWI bil-        gung und den damit verbundenen Ressourceneinsatz          nicht mehr eigens betont werden.
                                                                   dete, schlug sich in einer Vielzahl von Aktivitäten nieder:   „ausdrücklich“ billigte (Zilleßen 1989: 19). Trotz oder
                                                                   Sie reichte von einer regen Publizistik, für die 1971/72      gerade wegen dieses Engagements war die finanzielle
                                                                   der Materialdienst des SWI gegründet wurde, über eine         Förderung des SWI freilich nicht in allen Trägerkirchen

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Sozialwissenschaftliche Kompetenz für Kirche und Gesellschaft - 50 Jahre Sozialwissenschaftliches Institut der EKD
„Arbeit – Technologie – Wirtschaftsordnung“                                                                                In zahlreichen Publikationen wurden die Themen Ar-
                                                                                                                                beit und Technologie neu in den Blick genommen, z. B.
                                                                                                                                                                                             Kirche (1997) zu nennen. Das SWI war hier über Jah-
                                                                                                                                                                                             re vielfach involviert, unter anderem auch mit der Aus-
     Die weitere Entwicklung des SWI bis zu seiner Über-                                                                        auch Fragen der Digitalisierung („Hilfe durch Bruder         wertung der zahlreichen Stellungnahmen. Das Institut
                                                                                                                                Computer?“, 1987). Als neues Thema wurde die „Zeit-          flankierte diese Diskussion durch die Herausgabe von
     führung in das SI (1980-2004)                                                                                              politik“ entdeckt, also all die Themen, die heute unter      Publikationen, die sich kritisch mit der damaligen neo-
                                                                                                                                dem Stichwort „Arbeitszeitsouveränität“ im Diskurs um        liberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik auseinandersetz-
     Nach der Übernahme des Instituts in die volle Träger-                                                                      „gute Arbeit“ eine Rolle spielen. Das SWI hatte hier we-     ten (Brakelmann 2004: 29f.). Besondere Unterstützung
     schaft der EKD war eine wichtige strukturelle Frage                                                                        sentlichen Anteil an der Gründung der Deutschen Ge-          und Wertschätzung erfuhr die damalige Arbeit des SWI
     geklärt. In den Jahren bis 1983 erfolgten weitere wich-                                                                    sellschaft für Zeitpolitik (2002). In späten Achtziger und   durch Oberkirchenrat Tilman Winkler, den Referenten
     tige Weichenstellungen, die die Entwicklung des SWI                                                                        frühen Neunziger Jahren rückten auch Geschlechterfra-
     bis zur Jahrtausendwende prägten. Dazu gehören zwei                                                                        gen verstärkt in den Blickpunkt, zunächst mit dem Blick
     Wechsel in der Leitung des Instituts: Nachdem Horst                                                                        auf die Arbeit von Frauen, dann auch auf Männerthemen
     Zilleßen 1980 als Universitätspräsident nach Olden-                                                                        („Männliche Religiosität und Lebenspraxis“) (Brakel-
     burg gegangen war, hatte der Rat der EKD zunächst                                                                          mann 2004: 27f.). Fragen zukünftiger Wirtschaftpolitik
     Michael Bartelt (1933-1984) zum Leiter berufen, bevor                                                                      wurden z. B. 1989 bei einer prominent besetzten Ko-
                                                                                                                                operationstagung zum „Wirtschaften im Jahr 2000“ dis-
                                                                                                                                kutiert. Neben dem Blick auf Gegenwart und Zukunft
                                                                                                                                galt das Interesse des SWI aber auch der Geschichte des
                                                                                                                                „Sozialen Protestantismus“ des 19. Jahrhunderts, um
                                                                            Günter Brakelmann, Leiter SWI 1983-1999
                                                                            (QUELLE: epd Bild)                                  die „protestantischen Wurzeln der Sozialen Marktwirt-
                                                                                                                                schaft“ (so ein Buchtitel aus dem SWI) besser einord-
                                                                   auf die „Zusammenarbeit mit der Sozialkammer der             nen zu können (Brakelmann 2004: 27). Dementspre-
                                                                   EKD und den kirchlichen Diensten in der Arbeitswelt“         chend stand das SWI 1998 auch hinter der Initiative zur
                                                                   (KDA) erfolgen (Kuratorium: Grundriss der Konzep-            Gründung eines neuen Evangelisch-Sozialen Kongresses
                                                                   tion, 3.5.1983, EZA 215/31). Der Abschied vom Leit-          (zweiter und letzter Kongress 2000) (Brakelmann 2004:
                                                                   thema Ökologie wurde rückblickend mit der 1977 er-           30f.), und es ist sehr wahrscheinlich, dass das im Grün-
                                                                   folgten Gründung des Öko-Instituts Freiburg begründet        dungsaufruf formulierte Selbstverständnis, „Impulsge-
                                                                   (Brakelmann 1989: 22). Jetzt sollte die Frage nach der       ber für soziale Verantwortung“ zu sein (ebd., 30), exakt
                                                                   „Zukunft der Industriegesellschaft“ neu in den Blick         dem damaligen Selbstverständnis des SWI und seiner                Tilman Winkler
                                                                   genommen werden, und zwar mit dem ausdrücklichen             Mitarbeitenden entsprach. Mit Sicherheit galt das für das         (QUELLE: epd Bild)

                                                                   Willen, zukünftig relevante Themen zu antizipieren und       in diesem Zusammenhang formulierte Verständnis der
                                                                   zu erforschen (Brakelmann 1989: 22f.).                       Sozialen Markwirtschaft, demzufolge „die Systemlogik         für soziale und gesellschaftliche Fragen im Kirchenamt
                                                                                                                                des Marktes und das Gewinnstreben der Unternehmen            der EKD; nach seinem Tod im Jahr 2001 würdigten die
                                                                   Mit dieser Schwerpunktsetzung erarbeitete sich das           als partielle Konstitutionselemente in eine wohlgeordne-     Mitarbeitenden des SWI sein stetes Bemühen, „die unter-
             Michael Bartelt, Leiter SWI 1980-1983
                                                                   SWI in den folgenden Jahren ein Profil, das einerseits       te Gesellschaft eingebettet“ werden sollten, damit sie mit   schiedlichen Interessen von EKD und SWI miteinander zu
             (QUELLE: LkA EKvW 1 neu Nr. 105)                      an bestehende Strukturen wie den KDA anschloss und           ihrem „Absolutheitsanspruch“ nicht das „Gemeinwohl           vermitteln“ (SWI 2001: 6).
                                                                   andererseits neue Bündnispartner wie z. B. die Gewerk-       gefährden“ (ebd.).
     dann 1983 der Sozialethiker Günter Brakelmann (geb.           schaften gewann (mehrfach Projektförderung durch die                                                                      Den sozialpolitischen Diskussionsprozess im Kontext
     1931), der seit 1972 an der Ruhr-Universität Bochum           Hans-Böckler-Stiftung, vgl. Brakelmann 2004: 27) und         Die Eigen- und Kooperationsprojekte waren das eine;          des Sozialwortes hat Günter Brakelmann, der das Insti-
     als Professor für Christliche Gesellschaftslehre tätig war,   innovative Themenfelder für die Sozialethik erschloss.       daneben spielte das SWI auch in seiner Funktion als Be-      tut bis 1999 leitete, rückblickend als „Höhepunkt“ der
     nebenamtlich die Leitung übernahm. Damit war auf              Hier können nur einige Schlaglichter auf die breit entfal-   ratungs- und Dienstleistungseinrichtung eine wichtige        SWI-Geschichte bezeichnet (Brakelmann 2004: 30).
     Vorschlag des Kuratoriums eine neue inhaltliche Aus-          tete Tätigkeit des SWI in den Jahren bis 2004 geworfen       Rolle. Neben der Mitarbeit an mehreren EKD-Denk-             Freilich stand damals schon ein drastischer Kürzungs-
     richtung und „Konzentration“ der Institutsarbeit ver-         werden (ausführlich siehe den Beitrag von Sigrid Reihs       schriften zu Arbeitsthemen und der Sozial- und Wirt-         druck im Raum, der 2004 zur Schließung des Bochumer
     bunden. Den neuen Themenschwerpunkt markierten                in dieser Broschüre).                                        schaftsordnung ist hier vor allem die intensive Mit-         SWI und zur Neugründung des SI in Hannover führte.
     die Leitbegriffe „Arbeit – Technologie – Wirtschaftsord-                                                                   wirkung am ökumenischen Konsultationsprozess für             Der Rat und die Finanzgremien der EKD hatten bereits
     nung“; dementsprechend sollte auch eine Konzentration                                                                      das Sozialwort der evangelischen und der katholischen        „in der intensiven Sparrunde in der Mitte der neunziger

18                                                                                                                                                                                                                                                       19
Jahre“ für das SWI ein Einsparziel von 40 Prozent for-
     muliert; im Mai 2002 war der Rat auf dieses Ziel zurück-
                                                                   Ratssitzung vom 5./6.9.2003, Kirchenamt EKD, Az.
                                                                   4647/4). Die Konferenz der Ruhr-Superintendenten
                                                                                                                                 „Der Status quo kirchlicher Institution kann
     gekommen und hatte erneut die schon ältere Idee einer         erinnerte die Bedeutung des SWI für die Bewältigung           nicht als gegeben vorausgesetzt werden“
     „Zusammenführung“ mit der Heidelberger Forschungs-            des Strukturwandels im Ruhrgebiet. Und das SWI-Ku-
     stätte evangelische Studiengemeinschaft (FEST) aufge-         ratorium plädierte mit anderen kirchlichen Einrichtun-        Die Pastoralsoziologische Arbeitsstelle und das
     worfen (Niederschrift EKD-Ratssitzung 21./22.2.2003,          gen aus dem Bereich Sozialethik und Arbeitswelt (KDA,         Pastoralsoziologische Institut Hannover 1971-2004
     Kirchenamt EKD, Az. 0232/4). Insofern war die fünf-           Bundesverband evangelischer Arbeitnehmerorganisa-
     jährige Amtszeit des neuen Leiters, des Theologen und         tionen, Evangelische Sozialakademie Friedewald) für die       Die pastoralsoziologische Arbeit, die seit 1971 in Han-
     Sozialwissenschaftlers Hartmut Przybylski-Lohausen            Schaffung eines „Kompetenzzentrum[s]“ an mehreren             nover erst unter dem Dach der Landeskirche und dann
     (1944-2015), von Stellenkürzungs- und Fusionsdebatten         Standorten (ebd.). Der Rat schloss sich diesem Vorschlag      im Rahmen der Evangelischen Landeskirche erfolgte,
                                                                   nicht an, vermerkte in seinem Verlegungsbeschluss aber        war ebenfalls ein Kind der empirischen Wende und der
                                                                   ausdrücklich die Notwendigkeit einer weiteren konzep-         gesellschaftlichen und kirchlichen Umbrüche der späten
                                                                   tionellen und organisatorischen Klärung. Sie sollte sich      Sechziger Jahre. Und dennoch hatte diese Arbeit, die
                                                                   an den „veränderten Aufgaben und Bedürfnissen“ orien-         2004 in das neugegründete SI integriert werden sollte,
                                                                   tieren (ebd.). Damit war angedeutet, dass sich aus Sicht      ein anderes Profil. Sie war deutlich dezidierter als das
                                                                   des Rates die Herausforderungen und damit auch die            SWI religions- und kirchensoziologisch ausgerichtet (vgl.
                                                                   Anforderungen an die Institutionalisierung von Sozial-        den Beitrag von Karl-Fritz Daiber in dieser Broschüre).
                                                                   wissenschaften in der Kirche geändert hatten.                 Das hängt mit der spezifischen Entstehungsgeschichte
                                                                                                                                 dieses Arbeitsfelds in der hannoverschen Landeskirche
                                                                                                                                                                                                      Karl-Fritz Daiber
                                                                   Eine neue Richtung nahm die Diskussion, als sich zu           zusammen: Sein Entstehungskontext sind die Kirchen-                  (QUELLE: LKArchivH)
                                                                   Jahresbeginn 2004 die Möglichkeit einer „Kooperation          reformbestrebungen um 1970, besonders aber die Über-
                                                                   mit dem Pastoralsoziologischen Institut der hannover-         legungen zur Reform des Vikariats. 1968 hatte der zu-        Institutionalisierung, auch wenn die Gründung eines
                                                                   schen Landeskirche“ (sic) verdichtete (Niederschrift          ständige Ausbildungsdezernent im Landeskirchenamt            Instituts erst 1998, zwei Jahre nach seinem Ruhestand,
                                                                   EKD-Ratssitzung 20./21.2.2004, Kirchenamt EKD, Az.            eine „Reform des landeskirchlichen Vorbereitungsdiens-       erfolgte. Zwar beriefen sich Vertreter des Landeskirchen-
                                                                   0232/4). Diese Gespräche mit der hannoverschen Kir-           tes“ diskutiert (Fuhrmann 1968); als wesentliche Treiber     amtes darauf, „dass zunächst ‚klein‘ begonnen werden
                                                                   chenleitung führten sehr schnell zum Ergebnis: Im April       dieser Reform erwiesen sich die Vikar*innen, die 1969        solle und später erst die die Errichtung eines Amtes in
                                                                   2004 begrüßte der Rat der EKD die „Bereitschaft der           zur Stärkung der Human- und Sozialwissenschaften die         Frage kommen könne“ (Nachweis Schendel 2015: 377).
                                                                   evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und           Errichtung mehrerer Fachinstitute vorgeschlagen hatten.      Doch trotz dieser eher tastenden Amtslogik konnte Dai-
                                                                   der Evangelischen Fachhochschule Hannover, das Pasto-         Analog zum bereits bestehenden Religionspädagogi-            ber erreichen, dass zunächst die Idee einer Arbeitsstelle
                                                                   ralsoziologische Institut als einen besonderen Arbeitsbe-     schen Institut plädierten sie auch für die Schaffung eines   weiterverfolgt wurde; im Frühjahr 1972 konnte er au-
              Hartmut Przybylski-Lohausen, Leiter SWI 1999-2004
              (QUELLE: epd Bild)                                   reich in das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD ein-    sozialwissenschaftlichen Instituts (zum folgenden vgl.       ßerdem die „Ausschreibung von zwei Soziologenstellen
                                                                   zufügen“ (Niederschrift EKD-Ratssitzung 23.4.2004,            Schendel 2015: 376ff.).                                      für den Bereich der Aus- und Fortbildung“ (Nachweis
     geprägt. Als die Fusion mit der FEST sich in den Augen        Kirchenamt EKD, Az. 0232/4). Auf dieser Grundlage                                                                          ebd.) erwirken. Damit blieben die Zusagen hinter den
     aller Beteiligten als ein wenig sinnvoller Plan erwies, be-   wurde ein Kooperationsvertrag mit der hannoverschen           Zu diesem Grad der Institutionalisierung kam es lan-         weitgespannten Institutsplänen zurück, die Daiber im
     schloss der Rat im März 2003, „die Verlagerung des SWI        Landeskirche ausgehandelt, den der Rat der EKD im Juni        ge nicht: Als der aus Württemberg berufene Theologe          Landeskirchenamt unter Verweis auf entsprechende Zu-
     an den Standort des Kirchenamtes der EKD zu prüfen“           2004 billigte. Zugleich beschloss der Rat die Schließung      und Sozialwissenschaftler Karl-Fritz Daiber (geb. 1931)      sicherungen vorstellte: Neben der Aus- und Fortbildung
     (ebd.). Im September 2003 fiel im Rat die Entscheidung        des SWI in Bochum zum 30. September 2004 und die              im September 1971 nach Hannover kam und in der               schlug er den Aufbau von zwei weiteren Arbeitsfeldern
     über die Verlegung des Instituts nach Hannover (Nieder-       Neugründung des SI „mit Sitz in Hannover“ (Nieder-            Vikarsausbildung den neugeschaffenen Schwerpunkt             vor; sie sollten der „Soziologischen Beratung“ in der
     schrift EKD-Ratssitzung 5.9.2003, Kirchenamt EKD,             schrift EKD-Ratssitzung 23.4.2004, Kirchenamt EKD,            „Gemeindeaufbau/Sozialwissenschaften“         übernahm,      Landeskirche und der „Theologische Sozialethik“ gel-
     Az. 0232/4).                                                  Az. 4647/10). Nach 35-jährigem Wirken am Standort             musste er sich die Strukturen für seine Arbeit erst schaf-   ten (Nachweis ebd.). Freilich konnte 1974 auch für Fra-
                                                                   Bochum nahm das SWI im September 2004 mit einer               fen. Das Landeskirchenamt hatte das neue Arbeitsfeld,        gen der Gemeindeberatung eine Soziologin eingestellt
     Dieser Entscheidung waren mehrere Eingaben voraus-            Tagung zum „Funktions- und Bedeutungswandel der               in dem Daiber als „Ein-Mann-Institut“ (Daiber) ohne          werden; sie trieb in den Folgejahren den Aufbau des
     gegangen, die die Verlegung verhindern wollten: Lei-          Arbeit“ Abschied – nicht ohne Hinweis darauf, dass auch       weitere Ausstattung begann, rechtlich dem Aus- bzw.          Arbeitsbereichs Gemeindeberatung und Organisations-
     tung und Mitarbeitervertretung verwiesen auf die hohen        künftig „so etwas wie ein[...] sozial engagierte[r] Protes-   Fortbildungsdezernat und sachlich dem Sozialpfarramt         entwicklung voran, der bis heute zahlreiche Gemeinde-
     Kosten einer Verlegung, vor allem aber auf die Härten         tantismus“ nötig sei (Brakelmann 2004: 32).                   zugeordnet. Jedoch gelangen Daiber im ersten halben          berater*innen qualifiziert und koordiniert.
     für die Mitarbeitenden des SWI (vgl. Vorlage für die                                                                        Jahr seiner Arbeit wesentliche Schritte auf dem Weg zur

20                                                                                                                                                                                                                                                        21
Vorgehen, das der Initiative Einzelner aber auch Raum        die Fachhochschule (Biermann/Kampermann 2001:                  pastoralsoziologischem und sozialethischem Schwer-
                                                                  gab. Die Probleme, für die eine Lösung gesucht wurde,        17), und zwar als eigenes Pastoralsoziologisches Institut      punkt. Im Team des neuen Instituts befanden sich vier
                                                                  lagen zunächst im Bereich der Ausbildung der Theo-           (PSI). Zur Institutsleiterin wählten die Mitarbeitenden        Mitarbeitende des PSI; außerdem waren zwei Mitarbei-
                                                                  log*innen, dann aber auch in den kirchlichen Struktu-        die Soziologin Ingrid Lukatis (geb. 1943). Allerdings          tende des SWI der Neugründung aus Bochum nach
                                                                  ren, die unter dem Eindruck der damaligen kyberneti-         war mit dieser Integration noch keine stabile neue Ins-        Hannover gefolgt. Am 12. Januar 2005 erfolgte die fei-
                                                                  schen Diskussion reformiert werden sollten. Angesichts       titutionalisierung erreicht: Der Beschluss über den Weg-       erliche Eröffnung des SI. In seinem Grußwort betonte
                                                                  der Konkretheit dieser Probleme waren die genannten          fall der PSI-Stellen (bis auf den Erhalt einer sozialwis-      der damalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber
                                                                  Arbeitsfelder der PSA – zumal im damaligen Reformkli-        senschaftlichen Professur) galt weiterhin und stellte die      die Bedeutung des neuen Instituts, nicht ohne seine An-
                                                                  ma – unmittelbar plausibel. Die Arbeitsstelle konnte sich    Arbeitsfähigkeit des Instituts nach dem Jahr 2005 infrage      erkennung für die Arbeit der Vorgängereinrichtungen
                                                                  mit ihrer umfangreichen Tätigkeit (vgl. Daiber in dieser     (Terbuyken 2001: 119). Zudem war die genaue Form
                                                                  Broschüre) schnell ein großes Renommee erwerben,             der strukturellen Eingliederung noch offen: Der dama-
                                                                  obwohl oder gerade weil Daibers pastoralsoziologischer       lige Rektor der Fachhochschule schlug 2001 die Integ-
                                                                  Ansatz von vornherein eine ideologiekritische Stoßrich-      ration in ein neuzugründendes „Institut für Forschung,
                                                                  tung implizierte, die weniger an Systemstabilisierung als    Weiterbildung und Beratung“ vor und versprach, „dass
                                                                  an der „Möglichkeit einer konfliktorientierten kirchli-      das PSI nicht abgewickelt, sondern transformiert wird“
                                                                  chen Arbeit“ interessiert war (Daiber 1973).                 (Terbuyken 2001: 120). Die Neuformierung eines ent-
                                                                                                                               sprechenden Instituts erfolgte in den folgenden Jahren
                                                                                                                               jedoch nicht (Fachhochschule Hannover 2008: 18; Lan-
                                                                                                                               deskirchenamt Hannover 2008: 294).

                                                                                                                               Angesichts dieser unklaren Perspektive ist es erklärlich,
                                                                                                                               dass die Landeskirche im Jahr 2004 so schnell bereit war,
                                                                                                                               über die Integration des PSI in das Sozialwissenschaftliche        Ratsvorsitzender Wolfgang Huber und SI-Direktor Gerhard Wegner
                                                                                                                               Institut der EKD nachzudenken und das PSI schließlich              (QUELLE: epd Bild)

                                                                                                                               in das neue SI der EKD „einzufügen“. Faktisch vollzog
                                                                                                                               sich dieser Schritt so, dass das SI in das bisherige Gebäude   und sein Verständnis für die „Enttäuschungen und Ver-
                                                                                                                               der PSI auf dem Campus der Fachhochschule einzog. Mit          letzungen“ zu betonen, mit denen der Weg zum neuen
                                                                                                                               diesem Schritt ging allerdings die Abtrennung der Ge-          Institut für die Mitarbeitenden der Vorgängerinstitute
                                                                                                                               meindeberatung und Organisationsentwicklung einher,            verbunden gewesen sei (Huber 2005).
                                                                                                                               die in das landeskirchliche Haus kirchlicher Dienste in-
                                                                                                                               tegriert wurde (Landeskirchenamt Hannover 2008: 65).           Interessant ist die Problembeschreibung, mit der Huber
                                                                                                                                                                                              und der neue Direktor in ihren Beiträgen die Etablierung
                                                                                                                                                                                              und die Notwendigkeit des neuen Instituts begründeten.
                                                                                                                               „Gesellschaftliche Präsenz der Kirche                          Huber sah die „Kooperation zwischen Landeskirche und
                                                                                                                                                                                              EKD“ als „wegweisend[es]“ Beispiel für die „intelligen-
                                                                          Elke Möller
                                                                                                                               nicht ohne sozialwissenschaftliche und                         te Bündelung von Ressourcen“ (Huber 2005), was sich
                                                                          (QUELLE: Privatbesitz)
                                                                                                                               sozialethische Kompetenz“                                      seinerseits als Beleg für die damals bewusst forcierte „Or-
                                                                                                                                                                                              ganisationswerdung“ der Kirche deuten lässt (Hauschildt
             Ingrid Lukatis, Wolfgang Lukatis
             (QUELLE: LKArchivH)                                  Dennoch geriet auch die PSI Mitte der Neunziger Jahre        Das neue Sozialwissenschaftliche Institut                      / Pohl-Patalong 2013: 214). Prägend war zugleich das
                                                                  in den Strudel der Kürzungsdebatte. Nach Einschlagen                                                                        Bewusstsein „tiefgreifend sozialer Veränderungen“, von
     Dieser Überblick zeigt: Die drei Jahre dauernde Etablie-     des Sparkurses erklärte die Landessynode vier Personal-
                                                                                                                               der EKD (SI) ab 2004                                           denen Huber „sowohl die Kirche auf allen Ebenen wie
     rung der Pastoralsoziologischen Arbeitstelle in der han-     stellen der PSA für künftig wegfallend und beschloss, „die                                                                  auch die Gesellschaft insgesamt“ geprägt sah. Konkrete
     noverschen Landeskirche verlief deutlich anders als der      PSA zur Evangelischen Fachhochschule zu verlagern“           Am 1. Oktober 2004 nahm das neuformierte Sozial-               Beispiele waren die gewandelte „Rolle von Religion“ in
     Aufbau des Bochumer SWI. Typisch für das hannover-           (Wöller 1996: 7). Diese Verlagerung wurde nach dem           wissenschaftliche Institut der EKD (SI) in Hannover            der Gesellschaft, der „religiöse Pluralismus“ und die „im-
     sche Projekt einer Institutionalisierung der Sozialwissen-   Eintritt von Karl-Fritz Daiber in den Ruhestand (1996)       seine Arbeit auf. Als Gründungsdirektor war Gerhard            mensen Herausforderungen des sozialen Wandels“ (Hu-
     schaften in der Kirche war das tastende und schrittweise     umgesetzt: 1998 erfolgte die „Integration“ der PSA in        Wegner (geb. 1953) berufen worden, ein Theologe mit            ber 2005), aber auch die damalige Sozialgesetzgebung

22                                                                                                                                                                                                                                                                 23
(Hartz IV) und die „Kommunikationsprobleme der Kir-                                                                                                              Institutsidee stand) über „empirische Forschung“ (wie          und Interessen erinnert. Damit war auch die Entwick-
     che“ bei bestimmten soziokulturellen Milieus (Wegner                                                                                                             sie in der SI-Ordnung als Aufgabe genannt wird) bis zur        lung der Institutionen deutlich mehr von Veränderung
     2005). Die Herausforderungen, vor denen Huber und                                                                                                                Gestaltung öffentlichkeitswirksamer Ausstellungen, z. B.       und Diskontinuität geprägt, als der Verweis auf „50 Jahre
     Wegner die Kirche sahen, betrafen damit sowohl ihre                                                                                                              auf dem Kirchentag oder 2017 bei der Weltausstellung           Sozialwissenschaftliches Institut der EKD“ suggeriert.
     eigene Sozialgestalt als auch die Frage nach ihrer sozial-                                                                                                       der Reformation. Der Rückblick auf die letzten Jahre           Trotzdem bleibt jene Überschrift, die 1969 über dem
     ethischen Positionierung.                                                                                                                                        führt vor Augen, dass das Interesse kirchlicher Leitungs-      Bericht zur SWI-Eröffnung stand, ebenso richtig wie
                                                                                                                                                                      ebenen an der Evaluation von Arbeitsfeldern und Um-            herausfordernd und zukunftsweisend: „Sozialer Struk-
     Wozu sollte das SI in komplexer werdenden Zeiten die-                                                                                                            bauprozessen weiterhin steigt. Hier wird eine Folge der        turwandel erfordert kirchliche Forschung“.
     nen? Huber verwies auf den notwendigen Beitrag „so-                                                                                                              bereits erwähnten Organisationswerdung der Kirche
     zialwissenschaftliche[r] und sozialethischer Kompetenz“                                                                                                          deutlich; damit nimmt der Bedarf an der externen Be-
     für die „gesellschaftliche Präsenz der Kirche“: Gerade von                                                                                                       wertung, Begründung und z. T. auch Legitimierung von
     einem kirchlichen, nichtuniversitären Institut erhoffte er                                                                                                       Entscheidungen zu (vgl. den Beitrag von Birgit Kloster-
     sich eine Bündelung der Kompetenz, damit „sie unmit-                                                                                                             meier in dieser Broschüre). Hier stößt das SI auf eine ge-
     telbar für die kirchlichen Handlungsaufgaben fruchtbar                                                                                                           wachsene Nachfrage nach seinen Leistungen, aber auch
     gemacht wird“. Um die Handlungsfähigkeit der Kirche                Das erste Team des SI (2005), v.l.n.r. G. Wegner, H. Grosse, W. v. Nathusius, H. Jablo-
                                                                                                                                                                      auf ein Interesse an Beratung.
     zu gewährleisten, sei eine „solide Bestandsaufnahme und            nowski, I. Messmer-Klingen, M. Zeeb, J. Rinderspacher, P.-A. Ahrens, I. Lukatis, W. Lukatis
     eine gründliche, wissenschaftlich fundierte und kriti-             (QUELLE: SI-EKD)                                                                              Besondere Erwähnung verdienen jedoch auch die Pro-
     sche Anfragen berücksichtigende Analyse“ erforderlich.                                                                                                           jekte, die das SI-Team auf eigene Initiative durchführt.
     In diesem Sinn bezeichnete er das SI als „sozialwissen-         Eine Besonderheit des SI ist das „besondere, vertraglich                                         Als Beispiel dafür lässt sich der soziologisch und theo-
     schaftliche[s] und sozialethische[s] Kompetenzzentrum“          geregelte Kooperationsverhältnis“ zur Evangelisch-lu-                                            logisch grundierte Diskussionsprozess nennen, den das
     (Huber 2005), was über die Reduzierung auf einen rei-           therischen Landeskirche Hannovers (Ordnung, § 2), das                                            SI im Jahr 2007 nach der Veröffentlichung des EKD-Re-
     nen wissenschaftlichen Dienstleister hinausging.                sich dem Kooperationsvertrag von 2004 entsprechend                                               formpapier „Kirche der Freiheit“ angeregt hat (SI 2007).
                                                                     in mehreren Regelungen dokumentiert (Kooperations-                                               Seit einigen Jahren werden solche Eigenprojekte vor al-
     Das hier formulierte Profil des neuen Instituts erinnert        vertrag über die Nutzung des SI der EKD, Juni 2004,                                              lem in Form von „Leitprojekten“ durchgeführt. Die bis-            Nach Ablauf der Probezeit wurde der Kooperationsvertrag mit der hannoverschen
     an vieles, was 2004 bereits in der Ordnung für das SI           Kirchenamt EKD, Az. 4647/10). Die Landeskirche be-                                               herigen Leitprojekte galten der Grundlagenforschung im            Landeskirche aktualisiert, v.l.n.r. G. Wegner, Präsident H. Barth, Präsident E.v. Vietinghoff
                                                                                                                                                                                                                                        (QUELLE: SI)
     festgeschrieben war. Danach ist das Institut dezidiert für      teiligt sich am SI mit einem vereinbarten Kostenbeitrag                                          Bereich der Kirchengemeinde (Rebenstorf et al. 2015)
     beide Themenfelder zuständig, für die „Sozialethik“ incl.       und kann dafür Leistungen des SI im selben Umfang in                                             sowie dem Verhältnis von Kirche und Zivilgesellschaft.
     „Sozialpolitik“ und „Arbeitswelt“ genauso wie für die           Anspruch nehmen (dies geschieht zum Beispiel durch die                                           Das aktuelle Projekt beschäftigt sich mit zivilgesellschaft-
     „Pastoralsoziologie“ (Ordnung für das SI, 2004, § 2). Da-       Mitwirkung im Predigerseminar Loccum). Im Vorstand,                                              lichem Engagement am Beispiel des Engagements im
     mit wurden die Schwerpunkte der beiden Vorgängerins-            dem Steuerungsgremium des SI, ist die Landeskirche ge-                                           Rahmen der Flüchtlingsthematik.
     titute im SI kombiniert, und zwar unter bewusster Beto-         nauso wie die EKD mit zwei Personen vertreten. Außer-
     nung der Interdiszplinarität („insbesondere theologische,       dem ist bei der Berufung der Institutsleitung das „Ein-                                          Seit dem Jahresende 2011 hat das Institut seine Räum-
     sozialwissenschaftliche und ökonomische Kompetenz“).            vernehmen zwischen der EKD und der Landeskirche“                                                 lichkeiten in der Innenstadt Hannovers, und zwar im
     Genauso wie das SWI ist das SI eine rechtlich unselbstän-       erforderlich (§§ 4-6). Diese Regelungen (die seit 2004                                           neu konstituierten Friedrich Karrenberg Haus. In die-
     dige Einrichtung, die bestimmte Dienstleistungsfunktio-         mehrfach aktualisiert wurden) sind mehr als nur eine                                             sem Haus arbeiten auch der Evangelische Verband Kir-
     nen wahrnimmt („wird [..] auf Anforderung als wissen-           historische Reminiszenz, eine Erinnerung an die Ver-                                             che-Wirtschaft-Arbeitswelt (KWA) und das Studienzen-
     schaftlicher Dienst tätig“), ohne dass die Institutstätigkeit   schmelzung von SWI und PSI. Vielmehr zeigt sich hier                                             trum der EKD für Genderfragen. Somit bietet sich dem
     darin aufgeht. Ausdrücklich genannt sind die Vernetzung         der Wille, die neugeschaffene Struktur auch in Zukunft                                           SI heute auch in der direkten Nachbarschaft die Chan-
     und die „Kooperation“ mit Universitäten, Akademien              gemeinsam zu nutzen.                                                                             ce einer vielfachen Vernetzung (die noch intensiver ge-
     und der Fort- und Weiterbildung – ein neuer Passus im                                                                                                            nutzt werden könnte). Die Benennung des Hauses nach
     Vergleich zu den Ordnungen des SWI. Hier wird das de-           Das SI der EKD hat in den Jahren seit 2004 mit seinen                                            Friedrich Karrenberg erinnert dabei an einen Pionier je-
     zidierte Interesse an wissenschaftlicher Kompetenz deut-        Projekten, Publikationen und thematischen Akzentset-                                             ner Institutionalisierung der Sozialwissenschaften in der
     lich, das sich auch in der erneuten Einrichtung eines Wis-      zungen eine sehr vielfältige Wirkung entfaltet (s. den                                           Kirche, um die es in diesem Beitrag ging. Der Blick auf
     senschaftlichen Beirats ausdrückt.                              Beitrag von Gerhard Wegner in dieser Broschüre). Die                                             die vergangenen fünfzig Jahre hat nicht nur Kontinui-
                                                                     Aktivitäten des SI reichen von der traditionellen Mit-                                           tätslinien aufgezeigt, sondern auch an mehrfache Para-
                                                                     wirkung an Denkschriften (die 1963 am Anfang der                                                 digmenwechsel sowie an sich ändernde Problemanalysen

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