"Er ist unser Friede, der aus beiden EINES gemacht hat." - Zum 200-jährigen Unionsjubiläum der Badischen Landeskirche 1821 2021
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„Er ist unser Friede, der aus beiden EINES gemacht hat.“ (Epheserbrief 2,14a) Zum 200-jährigen Unionsjubiläum der Badischen Landeskirche 1821 - 2021
Ein Gruß an die Badische Landeskirche Liebe Badische Landeskirche! Du hast Geburtstag – du bist jetzt 200 Jahre alt. Dazu gratulieren wir und das wollen wir feiern. 200 Jahre: das ist gemessen an der Weltgeschichte nicht viel; gemessen an den 2000 Jahren Christentum nur 10%. Und die Entstehung der evangelischen Kirchen vor 500 Jahren liegt zweieinhalb mal so lange zurück wie du alt bist. Und doch ist das ein Grund zum Feiern: dein 200ster Geburtstag. Deine Geburt kam zwar nicht aus dem Nichts, aber mit dir ist etwas Neues entstanden: deine Geburt war eine Fusion und eine Union aus zwei vorher getrennten Kirchen, die sich in ihrer theologischen Ausrichtung deutlich unterschieden und in den Zeiten davor auch ablehnend und feindlich gegenüberstanden. Als vor über 500 Jahren mit Martin Luther die Reformation begann und dann die reformatorische Bewegung sich von der Römisch-katholischen Kirche abgrenzte und abspaltete, da entstand ja nicht eine einzige homogene evangelisch-protestantische Kirche, sondern es gab auch unter den Protestanten sehr unterschiedliche Richtungen die dann zu Konfessionskirchen wurden, darunter die lutherische Richtung und die reformierte Richtung als die beiden wichtigsten. Und diese beiden gab es auch im Südwesten: die reformierte Konfessionskirche in der Kurpfalz und die lutherische Konfessionskirche im Großherzogtum Baden. Aus dem Zusammenschluss dieser beiden bist du entstanden, liebe Badische Landeskirche: in einem günstigen Moment der Weltgeschichte, weil da Menschen waren, die nicht mehr auf Trennung und Abgrenzung aus waren, sondern auf das Zusammenkommen und Zusammensein; weil da Menschen waren, die nicht mehr die Unterschiede betonen wollten, sondern das Gemeinsame und Verbindende; weil da Menschen waren, die erkannten, wie wichtig und tragend der gemeinsame Glaube ist und die nicht auf den eigenen Glaubenstraditionen beharrten, und weil da Menschen waren, die - erfüllt und inspiriert durch den Heiligen Geist – die Kirche voranbringen wollten. So bist du entstanden: vor 200 Jahren. Und wir gratulieren und erkennen dankbar, wie Menschen damals nach so vielen Kirchenspaltungen und Trennungen ein Zeichen für die Einigkeit des Glaubens gesetzt haben. Das wollen wir nicht vergessen, und das ist es wert, gefeiert zu werden, ohne dass wir damit bei dir alles nur schönreden oder die schwierigen Dinge in deinen 200 Jahren ignorieren. „Unisono“ – das ist dein Geburtstagsmotto: „Vielstimmig eins“ – das soll dich und uns prägen! Wir danken Gott, der dich entstehen ließ und in dir gewirkt hat, und sagen: Herzlichen Glückwunsch!
Als die entscheidenden Verhandlungen über die Union der beiden evangelischen Konfessionskirchen, der lutherischen Kirche des Großherzogtums Baden und der reformierten Kirche der Kurpfalz Anfang Juli 1821 begannen, da wurde zu Beginn das Lied gesungen „O Heil’ger Geist, kehr bei uns ein“. O Heil'ger Geist, kehr' bei uns ein O Heil'ger Geist, kehr' bei uns ein und lass uns deine Wohnung sein, o komm, du Herzenssonne! Du Himmelslicht, lass deinen Schein bei uns und in uns kräftig sein zu steter Freud' und Wonne, Sonne, Wonne, himmlisch Leben willst du geben, wenn wir beten, zu dir kommen wir getreten. Du Quell, draus alle Weisheit fließt die sich in fromme Seelen gießt lass deinen Trost uns hören, dass wir in Glaubenseinigkeit auch können alle Christenheit dein wahres Zeugnis lehren! Höre, lehre, dass wir können Herz und Sinnen dir ergeben dir zum Lob und uns zum Leben.
aus Psalm 33* Freuet euch des Herrn, ihr Gerechten; die Frommen sollen ihn recht preisen! Danket dem Herrn mit Harfen! Spielt schön auf den Saiten mit fröhlichem Schall! Denn des Herrn Wort ist wahrhaftig, und was er zusagt, das hält er gewiss. Wenn er spricht, so geschieht's; wenn er gebietet, so steht's da. Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist! Wohl dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat! Der Herr schaut vom Himmel und sieht alle Menschenkinder. Von seinem festen Thron sieht er auf alle, die auf Erden wohnen. Siehe, des Herrn Auge achtet auf alle, die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen, dass er sie errette vom Tode und sie am Leben erhalte in der Not. Unsre Seele harrt auf den Herrn; er ist uns Hilfe und Schild. Denn unser Herz freut sich seiner, und wir trauen auf seinen heiligen Namen. Deine Güte, Herr, sei über uns, wie wir auf dich hoffen. Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Gebet zum Unionsjubiläum Herr, unser Gott! Du wirkst durch deinen Heiligen Geist in deiner Kirche. Du versammelst Menschen in deiner Kirche als die Gemeinschaft der Heiligen. Du bringst Menschen zusammen im gemeinsamen Glauben. Deine sichtbare Kirche in dieser Welt hat eine sehr wechselvolle Geschichte. Da war und ist viel Helles und Schönes, da haben viele Menschen in der Kirche und durch die Kirche Gutes erfahren; da gab und gibt es aber auch das Dunkle und Unschöne, da gab und gibt es Missachtung deines Willens und falsche Entscheidungen da war uns ist auch Schuld und Versagen. Wir danken dir für deine Treue zu deiner Kirche, wir danken dir, dass du in deiner Barmherzigkeit und Gnade deine Kirche trägst und auch erträgst und wir wissen, dass wir für so vieles auch deine Vergebung brauchen. Nun ist diese Badische Landeskirche vor 200 Jahren entstanden in einer Union zweier evangelischer Kirchen. Du weißt, wie sie in diesen 200 Jahren gewesen ist und wie sie heute dasteht. du kennst die Menschen, die zu ihr gehörten und gehören; du kennst die Menschen, die sie geprägt haben und prägen.
Wenn wir dieses Unionsjubiläum feiern, dann wollen wir dabei zuerst und zuletzt auf dich schauen als den einen Herrn der Kirche; wollen unser Vertrauen auf dich und deine Liebe setzen, wollen dein Wort und deinen Willen gelten lassen, wollen dankbar auf dein Wirken schauen, das Heil und Leben schenkt durch die Kraft des Kreuzes deines Sohnes und die Macht der Auferstehung. Und darum bitten wir dich: Lass uns immer wieder erkennen, worauf es im Glauben an dich ankommt; lass uns immer wieder erkennen, wie du deine Kirche haben willst; lass uns immer wieder erfahren, wie wichtig und heilvoll die Einheit des Glaubens ist in unserer Landeskirche und in den Beziehungen zu anderen Kirchen. Lass deinen Heiligen Geist kräftig wirksam bleiben, dass deine eine Kirche hier für uns in der Gestalt dieser Landeskirche wie auch in anderen Konfessionskirchen dieser Welt in den großen Herausforderungen dieser Zeit lebendig und stark, klar und beherzt, fröhlich und zuversichtlich tatkräftig und menschenfreundlich dich verkündigt und dir dient und dich erkennt und ernstnimmt und wir damit dir die Ehre geben, der du in der heiligen Gemeinschaft von Vater, Sohn und Heiligem Geist lebst und wirkst von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Informationen zum Unionsjubiläum Vor fast ganz exakt 200 Jahren - am 26 Juli 1821 - wurde in Karlsruhe die „Unionsurkunde“ verabschiedet und unterzeichnet und damit geschah die Gründung der Badischen Landeskirche als Zusammen- schluss der bisher getrennten beiden Kirchen, der lutherischen Kirche des Großherzogtums Baden und der reformierten Kirche der Kurpfalz. Es war eine „echte“ Union, eine „Bekenntnisunion“, eine „Konsensus- Union“, denn es wurde ein Kompromiss gefunden für die theologischen Unterschiede, die beide Kirchen über lange Zeit getrennt hatten, und es gab eine gemeinsame theologische Grundlage. Diese Union von 1821 war also viel mehr und etwas Anderes als nur die Zusammenlegung der kirchlichen Verwaltungen. Und in ihr trat ein neuer gemeinsamer kirchlichen Geist zutage. Der Verabschiedung der Unionsurkunde am 26.Juli 1821 war eine etwa vierwöchige intensive Zeit der Verhandlungen auf der „Generalsynode“ vorausgegangen mit insgesamt 44 Delegierte der beiden Konfessions- kirchen unter der Leitung des großherzoglichen Staatsministers Karl Christian Freiherr von Berckheim. Dem wiederum war ein langer Prozess der Annäherungen und Unionsbestrebungen vorausgegangen, aber auch eine Zeit der Vorbehalte und der Skepsis und der Abwehr und der Verzögerungen. Über 20 Jahre hatte dieser Prozess gedauert. Ein formaler „Zwischenschritt“ war im Jahr 1807 die Einführung einer „Verwaltungsunion“ der beiden Kirchen; diese war „von oben“ verordnet worden durch den badischen Großherzogs Karl Friedrich und bedeutete die Bildung eines gemeinsamen Oberkirchenrats, der in der Residenz Karlsruhe ansässig war. Viel wichtiger und entscheidender war aber die seit dem Ende des 18.Jahrhunderts einsetzende intensive theologische Diskussion über die wesentlichen theologischen Differenz- und Streitfragen, die die beiden Kirchen bisher getrennt hatten und einen Zusammenschluss der beiden Kirchen als unmöglich hatten erscheinen lassen. Das war vor allem drei Punkte: - die Frage der Gottmenschheit Jesu Christi also die Frage, wie Jesus in seinem Wesen „wahrer Gott“ ist oder nicht; - die Frage der göttlichen Vorherbestimmung zum Heil also die Frage nach der göttlichen Prädestination; - die Frage des Abendmahls mit der Frage, wie Jesus Christus im Vollzug des Abendmahls gegenwärtig ist.
Immer mehr Theologen und Pfarrern waren nun der Ansicht, dass diese theologischen Punkte eigentlich kein Grund für eine Kirchentrennung sein können. Es gab freilich auch viele Vorbehalte und skeptische Haltungen. Einen besonderen Impuls für einen Zusammenschluss der beiden Kirchen war das 300-jährige Reformations-Jubiläum im Jahr 1817 mit der Rückbesinnung auf die Grundlagen der Reformation, vor allem die verstärkte Einsicht, dass es in allen theologischen Streitfragen darauf ankommt, auf die Bibel als Wort Gottes zu hören und in theologischen Fragen auch die Freiheit des Gewissens vor Gott anzuerkennen. So wurde dann ein Prozess des Zusammenschlusses der beiden Kirchen ganz konkret begonnen mit intensiven Konsultationen in den Gemeinden und in den Synoden der Diözesen (= Kirchenbezirken). Es wurden umfangreiche schriftliche Vorüberlegungen gemacht, und schließlich in einem komplizierten Verfahren die Besetzung der Generalsynode erarbeitet, wo dann im Jahr 1821 die entscheidenden Unionsverhandlungen stattfinden sollen. Diese Synode begann dann am 2.Juli 1821. Nach der feierlichen Eröffnung durch Prälat Johann Peter Hebel wurde in Fachgruppen gearbeitet. Schon nach gut einer Woche wurde die schwierigste Hürde genommen, nämlich die Vereinbarung über das Abendmahl, die so genannte „Abendmahlskonkordie“. In acht Fragen und Antworten wurde im Stil eines Katechismus eine Abendmahlslehre formuliert, der sowohl Lutheraner als auch Reformierte zustimmen konnten. Das ist auch in unseren Gemeindegesangbüchern abgedruckt: EG 886. Damit war „das Eis gebrochen“, und auch bei den anderen Aufgaben, die sich die Generalsynode vorgenommen hatte, wurden schnell Fortschritte gemacht: - beim Katechismus für die unierte Kirche - bei der Kirchenverfassung (heute „Grundordnung“ genannt) - bei der Gottesdienstordnung (Agende) - bei der Gemeinde-Ordnung - bei der Vermögensordnung Viele Einzelheiten wurden besprochen und entschieden, so zum Beispiel, wie das Abendmahlsbrot vorbereitet wird (nämlich als weißes, in längliche Stücke geschnittenes Brot) oder wie das weiße Beffchen am liturgischen Gewand des Pfarrers aussehen soll (nämlich nicht gespreizt wie bei den Lutherischen, aber auch nicht geschlossen wie bei den Reformierten, sondern „halboffen“) oder wie die Pfarrer und Gemeinde im Gottesdienst im Wechsel sprechen bzw. singen.
Außerdem wurde an der Unionsurkunde gearbeitet, also dem Gründungsdokument der Landeskirche. Dort wurde festgehalten, dass die Heilige Schrift die einzige sichere Quelle des christlichen Glaubens und Wissens sei; daneben wurden als Bekenntnisschriften festgelegt: das Augsburger Bekenntnis und gleichberechtigt der Kleine Katechismus Martin Luthers und der Heidelberger Katechismus (mit kleinen Änderungen). Und dann kam der Moment der feierlichen Verabschiedung der Unionsurkunde am 26.Juli 1821. In ihr heißt es in Paragraph 1: „Beide bisher getrennten evangelisch protestantischen Kirchen im Großherzogtum Baden bilden hinfort Eine vereinigte evangelisch protestantische Kirche, die alle evangelischen Kirchengemeinden in dem Maße in sich schließt, dass in derselben jetzt und in Zukunft keine Spaltung in unierte und nicht-unierte Kirche stattfinden kann und darf; sondern die evangelische Kirche des Landes nur Ein wohl- und innig vereintes Ganzes darstellt“. Und die Unionsurkunde schließt mit den Worten: „Solcherweise einig in sich selbst und mit allen Christen in der Welt befreundet erfreut sich die evangelisch-protestantische Christenheit im Großherzogtum Baden der Glaubens- und Gewissensfreiheit, nach welcher die großen Vorfahren strebten und worin sie sich entzweiten. Die Eifersucht, womit sie und ihre Nachkommen sich einander gegenübersahen, ist erloschen, die Ängstlichkeit, mit der sie ihre Unterscheidungslehren bewachten, verschwunden; die Freiheit des Glaubens ist erreicht und mit ihr die Freiheit im Glauben und die durch kein Misstrauen fortan zu störende Freudigkeit in einem gottgefälligen Leben.“ Das war die Geburtsstunde der Badische Landeskirche. Seither sind wir in Baden eine „Unierte Kirche“ neben anderen Unierten Kirchen in Deutschland. Am 28.Oktober 1821 gab es dann ein großes „Einigungsfest“. Und heute feiern wir, dass es diese Unierte Badische Landeskirche 200 Jahre lang Bestand gehabt hat und wünschen ihr – und uns in ihr – eine von Gott gesegnete Zukunft.
Wünsche für die Badische Landeskirche formuliert von Jugendlichen der Kirchengemeinde Ich wünsche der Badischen Landeskirche dass es in ihr gute Gemeinschaft gibt, in der man sich wohlfühlt. Ich wünsche der Badischen Landeskirche, dass sie es Jugendlichen ermöglicht, den Glauben zu erfahren. Ich wünsche der Badischen Landeskirche, dass sie auch Mitglieder im normalen Leben bei Problemen unterstützt. Ich wünsche der Badischen Landeskirche, dass sie ein Ort ist, der offen ist für jedermann. Ich wünsche der Badischen Landeskirche, dass sie ein Ort der Geborgenheit ist. Ich wünsche der Badischen Landeskirche, dass es sie auch in 200 Jahren noch gibt. Ich wünsche der Badischen Landeskirche, dass Sie Ideen hat, wie man Jugendliche für den Glauben begeistern kann. Ich wünsche der Badischen Landeskirche, dass es in ihr mehr gute (moderne) Musik gibt. Ich wünsche der Badischen Landeskirche, dass wieder mehr Leute in die Kirche eintreten als austreten. Ich wünsche der Badischen Landeskirche, dass sie ihren Glauben nicht den Wünschen der Leute anpasst. Ich wünsche der Badischen Landeskirche, dass sie so von ihrem Glauben so redet, dass die Leute etwas damit anfangen können. Ich wünsche der Badischen Landeskirche, dass sie nicht nur Programm für bestimmte Bevölkerungsgruppen macht. Ich wünsche der Badischen Landeskirche, dass sie auch offen ist für die Bedürfnisse von Jugendlichen ohne die Bedürfnisse von den Anderen zu vergessen. Ich wünsche der Badischen Landeskirche, dass sie auch Gottesdienste zu Zeiten anbietet, in denen man nicht ‚mitten in der Nacht‘ aufstehen muss. Ich wünsche der Badischen Landeskirche Vertrauen auf Gott, auch wenn es in Zukunft schwieriger wird. Ich wünsche der Badischen Landeskirche Freude am und durch den Glauben. Ich wünsche der Badischen Landeskirche Gottes Segen!
Wieland Bopp-Hartwig Predigt über Epheser 4,3-6.13 zum Unionsjubiläum der Badischen Landeskirche: 200 Jahre Badische Landeskirche 1821 - 2021 im Gottesdienst am 24.7.2021 in Dogern am 25.7.2021 in Waldshut Liebe Gemeinde! In der langen Geschichte der christlichen Kirche - also in den letzten knapp 2000 Jahren - hat es ziemlich viele Trennungen und Spaltungen gegeben. Nicht nur die große Kirchenspaltung durch Martin Luther und die Reformation, sondern auch zu vielen anderen Zeiten: etwa vor tausend Jahren die Spaltung der Kirche in die Ostkirche und in die (römische) Westkirche; oder die Abspaltung der Altkatholischen Kirche von der Römisch-Katholischen Kirche im Jahr 1872; und auch die Aufspaltung der Protestanten in verschiedene Kirchen: Lutheraner, Reformierte, Anglikaner - und diese wiederum in weitere Einzelkirchen. Wenn wir heute nun die Union der Badischen Landeskirche vor 200 Jahren feiern, dann feiern wir damit nicht zuletzt, dass es auch einmal anders sein kann: dass Einzelkirchen sich auch verbinden können zu einer gemeinsamen unierten Kirche, die tatsächlich auch längere Zeit Bestand hat und nicht wieder sofort auseinandergeht und zerfällt. Nun ist es wohl an sich noch nicht wirklich problematisch, wenn es unter- schiedliche Einzelkirchen gibt mit eigenen Frömmigkeitsformen und eigenen liturgischen Gepflogenheiten, mit eigenen Schwerpunkten in der Gottesdienstgestaltung, auch mit eigenen theologischen Schwerpunkt- setzungen. Problematisch wird es dann aber, wenn diese verschiedenen Kirchen einander feindlich und ablehnend gegenüberstehen, einander das Christsein absprechen und dann vielleicht sogar - was es leider auch immer wieder gegeben hat – die Mitglieder der einen Kirche die Mitglieder der anderen Kirche verfolgen. Und das ist nicht nur für das Zusammenleben ein Problem, das ist vor allem auch theologisch ein Problem, ein Problem des Glaubens als solchem. Wenn wir heute das Unionsjubiläum begehen, dann will uns das in dieser Tiefe bewusst werden - weil wir dann auch verstehen, wie sehr ein friedliches konstruktives Zusammenkommen von Kirchen und ein gutes Miteinander und Zusammenwirken in einer ökumenischen Gemeinschaft auch für den Glauben wichtig ist und zum Glauben gehört und für das, was Gott von uns will als „Gemeinschaft der Glaubenden“.
Blicken wir in die Bibel und in das Neue Testament, so erkennen wir, dass es seit dem Beginn der Kirche (am ersten Pfingstfest) da auch schon unterschiedliche Richtungen gab, unterschiedliche „Konfessionen“ - wenn man so will. Die Hauptrichtungen waren da auf der einen Seite die judenchristlichen Gemeinden und auf der anderen Seite die hellenistischen Gemeinden, also die heidenchristlichen Gemeinden und dazwischen die Gemeinden, zu denen Judenchristen und Heidenchristen gehörten. Und es gab Gemeinden, die sich um einzelne charismatische Gemeindeführer versammelten, wie uns das die Korintherbriefe zeigen. Im Neuen Testament wird nun aber auch betont, dass diese unterschied- lichen Richtungen sich des einen gemeinsamen Glaubens bewusst sein sollen und sich nicht gegeneinander stellen sollen. In besonders markanter Weise wird das im Epheserbrief zum Ausdruck gebracht. Hören wir daraus einige Verse aus dem 4.Kapitel, die Vers 3 bis 6 und Vers 13, in der Übersetzung der Basis-Bibel. „Bemüht euch darum, die Einheit zu bewahren, die Gottes Geist euch geschenkt hat. Der Frieden ist das Band, das euch alle zusammenhält. Ihr seid ein Leib und ein Geist lebt in euch. So ist es ja auch eine Hoffnung, zu der Gott euch berufen hat. Es gibt nur den einen Herrn, den einen Glauben und die eine Taufe. Und ebenso gibt es nur den einen Gott, den Vater von uns allen. Er regiert über alle, wirkt durch alle und erfüllt alle. … Schließlich sollen wir alle vereint sein im Glauben und in unserer Kenntnis von Gottes Sohn. Wir sollen zu vollendeten Menschen werden und erwachsen genug, Christus in seiner ganzen Fülle zu erfassen“. Liebe Gemeinde! In diesen Versen ist der Ruf zur Einheit nicht zu überhören. Es geht dabei um die Einheit im Glauben, es geht um den einen Glauben an den einen Gott. Weil Gott einer ist, darum schenkt er auch die Einheit im Glauben durch den einen Geist Gottes und beruft zu der einen Hoffnung. Und der Friede, den Gott neu gestiftet hat durch den Tod seines Sohnes am Kreuz - dieser Friede ist das Band, das uns zusammenhält in dem einen Leib, also in der einen Kirche Gottes. Ja: Dieser eine gemeinsame Glaube an den Gekreuzigten soll uns alle zusammenhalten als Christen. Und wir sollen erkennen, dass wir als Christen gemeinsam im Glauben unterwegs sind, so unterschiedlich auch im Einzelnen die Glaubensformen sein mögen und so verschieden auch in einzelnen Dingen die Glaubenspraxis und die Glaubenstraditionen sein mögen und manchmal auch die theologischen Meinungen.
Ja, wir sollen erkennen: Das Gemeinsame des Glaubens ist stärker als das, worin wir uns in unseren Glaubensformen unterscheiden. Es gibt einen gemeinsamen Grund, eine gemeinsame Basis - von Gott gegeben und offenbart in der Bibel. Und wir, die wir an den Gott der Bibel glauben, sollen uns nicht eigenmächtig auseinanderdividieren und dieses Band des Friedens zerstören und die Einheit des Glaubens auflösen in kleinlichen Auseinandersetzungen. Die Badische Kirchenunion vor 200 Jahren ist ein Zeichen für diese Einheit im Glauben, die wir durch Gottes Geist haben und die von Gott gewollt ist: ein sehr markantes Zeichen. Sie ist durch günstige Umstände geworden, weil der Wille zur Einheit größer war als das Beharren auf Unterschieden. Oder besser: Sie wurde durch Gottes Geist so gefügt und gewirkt. Auch wenn die unierte Badische Landeskirche sicher weit entfernt ist von einer perfekten Kirche - die gibt es in dieser Weltzeit ohnehin nirgends – auch wenn es viele dunkle Stellen in der 200jährigen Geschichte der Badischen Landeskirche gegeben hat (etwa in der Zeit des National- sozialismus), so ist ihre Entstehung aus zwei vormals getrennten und feindlich einander gegenüberstehen Kirchen ein großes Zeichen der Ermutigung - ein sehr konkretes Erinnerungszeichen auch an das, was Gott will von uns Menschen: „Bemüht euch darum, die Einheit zu bewahren, die Gottes Geist euch geschenkt hat“. Diese Einheit ist nicht einfach immer so da und gegeben. Sie muss immer neu gesucht und gewollt werden, wir müssen uns immer neu darum bemühen, bis wir sie im Reich Gottes in vollendeter Weise erfahren. Diese Einheit wurde damals vor 200 Jahren gesucht - erfolgreich. Um diese Einheit des Glaubens müssen wir uns heute in der Badischen Landeskirche bemühen - immer wieder neu; und wir müssen uns im Zusammenleben und Zusammensein mit anderen Kirchen um diese Einheit im Glauben immer wieder neu bemühen und sie nach außen zeigen. Das ist Ökumene. In einer zunehmend säkularen Welt ist solches gute ökumenische Miteinander in dem einen christlichen Glauben eine ganz entscheidend wichtige Aufgabe - vielleicht wichtiger als jemals zuvor; und wir sind dankbar, dass wir hier vor Ort ein so gutes ökumenisches Miteinander haben, das aber auch gepflegt und weiterentwickelt werden will, nicht nur aus praktischen Gründen, sondern weil uns das von Gott als Aufgabe gegeben ist. Da kann uns das Unionsjubiläum inspirieren und neu motivieren. Und genau das wird sehr schön vom Motto des Unionsjubiläums aufgenommen: “Unisono“ – vielstimmig eins. Viele Stimmen und doch ein Ton und eine Melodie. Einheit in der Vielstimmigkeit: Vielleicht hängt das auch zusammen mit dem Geheimnis der Dreieinigkeit Gottes: Gott ist einer - und doch in dreifaltiger Gestalt; ein Gott in verschiedenen Erscheinungsweisen als Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Und so ist es der eine Glaube, der aber ganz vielfältig sich zeigen kann und ganz unterschiedlich gelebt werden kann; es ist die eine Kirche Jesu Christi, die aber in verschiedenen Kirchenformen Gestalt gewinnen kann. Erkennen wir das im Herzen und leben wir das beherzt, dann hat ein Unionsjubiläum eine ganz aktuelle Bedeutung und ist nicht nur ein historisches Ereignis; dann macht dieses Unionsjubiläum die Wohltat des Verbundenseins in Verschiedenheit deutlich; dann ist die Erinnerung an das Unionsjubiläum eine Ermutigung für die Zukunft; dann wird durch dieses Jubiläum die Freude an der bunten Vielfalt im Glauben neu geweckt; dann wird durch dieses Unionsjubiläum der Blick geschärft für die Einheit des Glaubens, zu der Gott uns ruft; dann werden wir gestärkt für ein lebendiges ökumenisches Miteinander, und dann gewinnt unser Glaube seine Weite und Tiefe und Wahrheit als Glaube an den einen Gott, den Vater von uns allen, der über alle regiert und der durch alle wirkt und mit seinem Geist alle erfüllt, damit wir - verbunden und vereint im Glauben - Christus in seiner ganzen Fülle erfassen. Amen. Nun singe Lob du Christenheit 2. der Frieden uns und Freude gibt, den Geist der Heiligkeit, der uns als seine Kirche liebt, ihr Einigkeit verleiht. 3. Er lasse uns Geschwister sein, der Eintracht uns erfreu‘n, als seiner Liebe Widerschein die Christenheit erneun. 4. Herr, mache uns im Glauben treu und in der Wahrheit frei, dass unsre Liebe immer neu der Einheit Zeugnis sei.
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