Spannungsfeld privatrechtlicher und öffentlicher Instrumente zur Steuerung der wohnstandortbezogenen Mobilität

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Spannungsfeld privatrechtlicher und öffentlicher Instrumente zur Steuerung der wohnstandortbezogenen Mobilität
Spannungsfeld
   privatrechtlicher und
   öffentlicher Instrumente
   zur Steuerung der
   wohnstandortbezogenen Mobilität
   Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge
   und Mobilitätsfonds im Blick

Forschungsprojekt: Urban MoVe - Privatrechtliche Verträge (z.B. Mobilitätsverträge, -fonds, städtebauliche Verträge)
als innovative stadt- und mobilitätsplanerische Planungs- und Steuerungsinstrumente

Förderprogramm: Stadt der Zukunft, 5. Ausschreibung;
Projektart: Kooperatives F&E Projekt, industrielle Forschung, Fördergeber:

Projektkonsortium:
Spannungsfeld privatrechtlicher und öffentlicher Instrumente zur Steuerung der wohnstandortbezogenen Mobilität
Spannungsfeld privatrechtlicher und öffentlicher Instrumente zur Steuerung der wohnstandortbezogenen Mobilität
Impressum
Förderprogramm: Stadt der Zukunft, 5. Ausschreibung

„Stadt der Zukunft” ist ein Forschungs- und Technologieprogramm des Bundesministeriums
für Verkehr, Innovation und Technologie. Es wird im Auftrag des BMK von der Österreichischen
Forschungsförderungsgesellschaft gemeinsam mit der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH
und der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) abgewickelt.

Forschungsprojekt: Urban MoVe - Privatrechtliche Verträge (z.B. Mobilitätsverträge, -fonds, städtebauliche
Vertäge) als innovative stadt- und mobilitätsplanerische Planungs- und Steurerungsinstrumente

Für den Inhalt verantwortlich:
yverkehrsplanung GmbH, Erdbergstraße 34/Haus 1, 1030 Wien (wissenschaftliche Beratung Univ.-Prof. Dr.-Ing.
Martin Berger, Dipl.-Ing. Emanuel Selz, Dipl.-Ing. Mag. Mario Platzer, Dipl.-Ing.in Aurelia Kammerhofer)
Technische Universität Wien, Forschungsbereich Bodenpolitik und Bodenmanagement, Augasse 2-6, 1090 Wien
(Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Arthur Kanonier, DDipl.-Ing. Kurt Weninger, BSc)
Technische Universität Graz, Institut für Städtebau, Rechbauerstraße 12/II, 8010 Graz (Univ.-Prof. Agláee Degros,
Dipl.-Ing Michael Malderle, Dipl.-Ing. Markus Monsberger, BSc)
Grazer Energieagentur Ges.m.b.H., Kaiserfeldgasse 13/1, 8010 Graz (Mag.a Birgit Baumgartner)
UIV Urban Innovation Vienna GmbH, Operngasse 17-21, 1040 Wien (Mag. Gerald Franz, MA)

Satz: TU Graz, Institut für Städtebau
Titelfoto: Martin Grabner

Änderungen und Fehler vorbehalten.

Graz/Wien, Jänner 2021
Spannungsfeld privatrechtlicher und öffentlicher Instrumente zur Steuerung der wohnstandortbezogenen Mobilität
Spannungsfeld privatrechtlicher und öffentlicher Instrumente zur Steuerung der wohnstandortbezogenen Mobilität
Was Sie erwartet...
Einleitung
Warum ist Mobilität bei neuen Bauvorhaben so wichtig?				                              7
Warum braucht es diesen Leitfaden?							8
Welche Ziele verfolgt der Leitfaden?							9
Welche Hebel existieren?								10
Welche Trends beeinflussen Wohnen und Mobilität?					                                  11
Welche Ziele werden durch Mobilitätskonzepte am Wohnstandort verfolgt?		               13

Instrumente
Überblick über vielfältige Planungsinstrumente und Steuerungsansätze		                 15
Wohnstandortbezogenes Mobilitätskonzept mit Maßnahmen			                               16
Wie lassen sich die Maßnahmen rechtlich umsetzen?				                                  20
Mobilitätsvertrag / Städtebaulicher Vertrag						22
Mobilitätsfonds									26
Gegenüberstellung von Mobilitätsvertrag und -fonds					                                28

Prozesse und Akteur*innen
Prozesse										30
Kompetenzen und Rollen der Akteur*innen						34
Interessen, Motive und Zielkonflikte der Akteur*innen				                              35

Fazit und Empfehlungen
Empfehlungen zu öffentlich-rechtlichen Instrumenten				                                36
Empfehlungen zu privatrechtlichen Instrumenten					36
Empfehlungen zu Mobilitätskonzepten im rechtlichen Kontext			                          37

Verzeichnisse
Literaturverzeichnis									38
Rechtsquellen										39
Abbildungsverzeichnis								39
Tabellenverzeichnis									39

                                                                               Mobilitätsverträge,
                                                                          Städtebauliche Verträge
                                                                      und Mobilitätsfonds im Blick   5
Spannungsfeld privatrechtlicher und öffentlicher Instrumente zur Steuerung der wohnstandortbezogenen Mobilität
EINLEITUNG

                                            © qimby / Philipp Böhme

6   Mobilitätsverträge,
    Städtebauliche Verträge
    und Mobilitätsfonds im Blick
Spannungsfeld privatrechtlicher und öffentlicher Instrumente zur Steuerung der wohnstandortbezogenen Mobilität
Warum ist Mobilität bei neuen
   Bauvorhaben so wichtig?
Immer mehr Menschen sind in Städten multimodal                  einerseits und je nach Mobilitätssituation also Wit-
unterwegs. Daher ergeben sich an der Schnittstelle              terung, Gepäck, Begleitpersonen, Entfernung zum
von Wohnen und Mobilität neue Chancen und Mög-                  Ziel etc. anderseits wird das passende Verkehrsmittel
lichkeiten für eine klimafreundliche Mobilität. Alle            gewählt. Ein umfassendes Mobilitätsangebot vor Ort,
an Bauvorhaben Beteiligte sind gefordert, entspre-              das die vielfältigen Bedürfnisse der Bewohner*innen
chende Mobilitätsangebote zu schaffen. Zudem brau-              berücksichtigt, ist jederzeit, komfortabel, barrierefrei
chen die Planungsinstrumente eine Anpassung, um                 für eine einfache und kostengünstige, unkomplizier-
die vielfältigen Potenziale eines veränderten Verhal-           te Nutzung vorhanden. Diesen Paradigmenwechsel
tens mit weniger Autonutzung und/oder ohne eigenes              von autoorientierter zu multimodaler Mobilität ver-
Auto zu heben. Dadurch profitiert der Klimaschutz,              anschaulicht nachstehende Abbildung. Um diesen
welcher eine Mobilitätswende als wichtige Voraus-               Anspruch gerecht zu werden, gilt es vor allem die
setzung hat. Wegfallende Stellplätze sparen Kosten              rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Rah-
und machen Wohnen leistbarer, steigern aber auch                menbedingungen zu verbessern. In diesem Span-
die Qualitäten öffentlicher Räume und des Bauvorha-             nungsfeld ist der vorliegende Leitfaden verortet, der
bens. Ebenso verbessert sich die Mobilitätsinklusion            Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt Urban MoVe
aller Bewohner*innen.                                           zusammenfasst.

Dies sind starke Argumente für ein neues Grundver-
ständnis von Wohnen und Mobilität, das mit mehr Le-
bensqualität einhergeht: Auch ohne eigenes Auto steht
den Bewohner*innen das passende Mobilitätsangebot
– sei es ein Fahrrad, der Öffentliche Verkehr, ein Car-
Sharing Auto etc. – zur Verfügung. Je nach individu-
ellen Präferenzen, Einstellungen, Möglichkeiten etc.

                                                                                       Übergeordnete Ziele:
                                                                                       - Qualität des Bauvorhabens
                                                                                       - Kostenersparnis Wohnbau
                                                                                         & Leistbares Wohnen
                                                                                       - Klimaschutz
                                                                                       - Mobilitätsinklusion
                                                                                         und Erreichbarkeit
                                                                                       - Qualität Öffentlicher Raum

                     P                                                       P
                                                                                 H

   -1                                                      -1
                                                           -1

   -2

                         Früher: „Autoorientiert“                                              Heute: „Multimodal“

Abbildung 1: Paradigmenwechsel zu multimodaler Mobilität

                                                                                                      Mobilitätsverträge,
                                                                                                 Städtebauliche Verträge
                                                                                             und Mobilitätsfonds im Blick   7
Spannungsfeld privatrechtlicher und öffentlicher Instrumente zur Steuerung der wohnstandortbezogenen Mobilität
Warum braucht es diesen Leitfaden?
  Von der Problemstellung, den Ansatzpunkten und den Zielen an der Schnittstelle Wohnen und Mobilität ausgehend,
  steht im Mittelpunkt des Leitfadens die rechtliche Verankerung von Mobilitätsmaßnahmen insbesondere in die
  Vertragsraumordnung.

   Anlässe, sich dieser Thematik zu widmen und der Praxis einen Leitfaden zur Verfügung zu
   stellen, sind folgende:

   1.                 Privatrechtliche Instrumente gewinnen an Stellenwert, um multimodale Mobili-
                      tätsangebote vor dem Hintergrund fehlender Budgets der öffentlichen Hand anzusto-
                      ßen und zu finanzieren.

   2.                 Aktuell werden in der Praxis unterschiedliche privatrechtliche Instrumente (Mobi-
                      litätsverträge, Mobilitätsfonds etc.) mit spezifischen Vor- und Nachteilen angewandt.

   3.                 Derzeit liegen noch wenige Erfahrungen mit der tatsächlichen Umsetzung und den
                      Wirkungen umgesetzter Mobilitätsangebote mittels privatrechtlicher Instrumente
                      vor.

   4.                 Schwer standardisierbare Abläufe und rechtliche „Graubereiche“ erschweren
                      den Abschluss privatrechtlicher Verträge sowohl für die Verwaltung als auch für die
                      Bauträger*innen.

   5.                 Privatrechtliche Instrumente sind bislang stärker für Großstädte, aber weniger für
                      mittlere und kleinere Gemeinden relevant, sodass sich die Frage stellt, ob und inwie-
                      weit diese Instrumente übertragen werden können.
© Markus Monsberger

     8                   Mobilitätsverträge,
                         Städtebauliche Verträge
                         und Mobilitätsfonds im Blick
Spannungsfeld privatrechtlicher und öffentlicher Instrumente zur Steuerung der wohnstandortbezogenen Mobilität
Welche Ziele verfolgt der Leitfaden?
Ausgehend von rechtlichen Steuerungsinstrumenten im Bereich des öffentlichen Rechts und vor allem der Ver-
tragsraumordnung, die hier besonders im Fokus ist, erfolgt eine integrative Betrachtung mit den Mobilitätskon-
zepten und -maßnahmen, den Akteur*innen sowie den dazugehörigen Prozessen.

Der Leitfaden...

1.   klärt das Verhältnis privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Instrumente bei
     der Regelung, Steuerung, Finanzierung von Maßnahmen wohnstandortbezogener
     Mobilitätskonzepte,

2.   betrachtet die Eignung privatrechtlicher Instrumente für die Verankerung von
     Maßnahmen wohnstandortbezogener Mobilitätskonzepte,

3.   eruiert prozessuale Pfadabhängigkeiten im „Zusammenspiel“ von privatrechtli-
     chen Instrumenten mit öffentlich-rechtlichen Instrumenten und wohnstandortbezogen
     Mobilitätskonzepten und

4.   stellt Rollen, Motive und Kompetenzen unterschiedlicher Akteur*innen bei Pla-
     nung, Bau und Betrieb dar.

       Prozesse                         Mobilitätskonzept & - maßnahmen                                       Akteur*innen
         Strategie                                        Rad- und Fußverkehr                                        Gemeinde
         Konzept                                          Öffentlicher Verkehr                                   Bauträger*innen
      Objektplanung                                      Stellplatzmanagement                                     Fachplanungen
           Bau                                         Information und Marketing                                 Hausverwaltung
          Betrieb                                             Last-Mile-Logistik                            Mobilitätsdienstleistende
                                                              Shared Mobility                                    Bewohner*innen
                                                                                                                    Jurist*innen

                                  Öffentliches Recht                              Vertrags-
                                                                                raumordnung
                                        Raumordnung
                                    Flächenwidmungsplan                       Städtebaulicher Vertrag

                                       Bebauungsplan                               Mobilitätsvertrag

                                    Baugesetz, Bauordnung                          Mobilitätsfonds

                                     Stelllpatzordnung, ...

Abbildung 2: Themenschwerpunkte des Leitfadens

                                                                                                                 Mobilitätsverträge,
                                                                                                            Städtebauliche Verträge
                                                                                                        und Mobilitätsfonds im Blick   9
Welche Hebel existieren?
   Ansatzpunkte für eine multimodale Mobilität sind folgende:

32% aller Alltagswege der Bevölkerung sind kürzer
als 2.5 km (BMVIT 2016). Dies stellt ein wesentliches
Potenzial für die aktive Mobilität zu Fuß oder mit dem
                                                               32%
Fahrrad dar. Das heißt: Hohe Qualitäten der Nahversor-     aller täglichen Wege
gung, der Verknüpfung mit dem Öffentlichen Verkehr,        sind kürzer als 2,5km
dem Radverkehr, der Öffentlichen Räume etc. im Umfeld
des Wohnortes sind elementar.

                                                               81%
Da ein Großteil der täglich zurückgelegten Wege mit
81% am Wohnort startet oder endet (BMVIT 2016;
VCÖ 2010), ist dort ein wesentlicher Hebel vorhanden,
um kein Auto zu besitzen bzw. besitzen zu müssen oder      aller täglichen Wege
auch um dieses weniger zu nutzen und mehr zu Fuß, mit
dem Fahrrad, dem Öffentlichen Verkehr, Carsharing etc.
                                                           beginnen oder enden
unterwegs zu sein (Stiewe und Bäumler 2013; Stiewe         zu Hause
2016).

Auch wenn eine Zunahme des Autobesitzes häufig mit
der Familiengründungsphase korrespondiert und die
Immobilienwirtschaft für das Hochpreissegment immer
noch teure Tiefgaragenstellplätze baut, so ist der Trend
einer Abkehr vom Auto in urbanen Gebieten evident:
So sind beispielweise in Wien Haushalte bzw. Personen
ohne Auto bei einem abnehmenden Motorisierungsgrad
(VCÖ 2018) an sich eine sehr große Zielgruppe mit ei-
                                                               36%
nem Anteil von 36 % an allen Haushalten (BMVIT             aller Haushalte
2017: 6) und damit ein großer Markt für multimodale        ohne Auto in Wien
Mobilitätsangebote. Die Jüngeren sind darüber hinaus
stark Nachfragende für Wohnungen im Neubau. Kommt
es zum Umzug, ist die Chance groß, Routinen im Mobili-
tätsverhalten aufzubrechen, was wiederum einen Ansatz-
punkt für multimodale Mobilitätsangebote darstellt (vgl.
Langweg 2009, Lanzendorf und Tomfort 2010, Klinger
2017).

Errichtungskosten für Pkw-Stellplätze sind teuer und
reichen von ca. 1.500 € für einen ebenerdigen Kfz-Park-
platz draußen über ca. 7.000 € für einen Kfz-Stellplatz
                                                           1.500 bis
im Parkhaus bis hin zu ca. 25.000 € in der Tiefgarage
(VCD 2019). Gibt es ein Überangebot an Parkplätzen, so     25.000 €
steigen die Errichtungs- aber auch Betriebskosten ohne
Nutzen, was zu höheren Kosten für Eigentümer*innen
                                                           Baukosten für einen
und Mieter*innen führt (Metron 2019).                      Kfz-Stellplatz

10     Mobilitätsverträge,
       Städtebauliche Verträge
       und Mobilitätsfonds im Blick
Welche Trends beeinflussen
   Wohnen und Mobilität?
   Nachstehende Trends beeinflussen die Entwicklung in diesem Bereich:

Urbanisierung: Bevölkerungswachstum
in Agglomerationsräumen führt zu hohem
Siedlungsdruck und einem angespannten
Wohnungsmarkt, der zu hohen Wohnkos-
ten führt. Hohe Flächeninanspruchnahme
durch den ruhenden und fahrenden Auto-
verkehr verschärft diese Situation. (Oos-
tendorp et al. 2019: 1f)

                                               Abbildung 3: Wanderungen in Richtung Stadt und Stadtumland

Hochwertig gestaltete Freiräume, die an
die Anforderungen des Klimawandels an-
gepasst sind, spielen bei der Entwicklung
von Neubaugebieten eine wesentliche Rol-
le: Sie dienen einerseits als Verkaufsargu-
ment (HSR 2018: 61) und bilden anderer-
seits neben den Qualitäten der Wohnung
selbst und ihrer Erreichbarkeit ein weiteres
Entscheidungskriterium bei der Wahl des
Wohnortes.

                                               Abbildung 4: Vielfältige Freiräume bieten Qualität

Demografischer und gesellschaftlicher
Wandel: Ein grundlegender Wandel hin zu
einer pluralistischeren Gesellschaft zeich-
net sich ab, in der häufig unterschiedliche
Lebensstile mit unterschiedlichen Lebens-
abschnittsphasen verknüpft sind. Jede Le-
bensphase hat ihre zugehörige Wohnform,
die sich mit dem Alter, dem Familienstand
bzw. der Familienstruktur etc. ändert. Fle-
xible und innovative Wohnkonzepte (wie
zum Beispiel Wohnungstauschmöglichkei-
ten, Generationenwohnen, Gemeinschafts-        Abbildung 5: Je nach Lebenlage ergeben sich unterschiedliche Wohnbedürfnisse
und Sharing-Konzepte), die sich der je-
weiligen Lebenssituation anpassen lassen
(Geserick et al. 2016), gewinnen daher an
Stellenwert.

                                                                                                             Mobilitätsverträge,
                                                                                                        Städtebauliche Verträge
                                                                                                    und Mobilitätsfonds im Blick   11
Restaurant

              Repair Shop

                            e

Abbildung 6: Trends im Bereich der Mobilität wirken auch auf den Stadtraum

Autofreie Haushalte: Während der Motorisierungs-                              Neue Mobilitätsformen, wie Mobility as a Service sind
grad in Österreich nach wie vor sukzessive ansteigt                           wesentlich von technischen Entwicklungen im Bereich
und ca. 79% der Haushalte über einen PKW verfügen                             der Digitalisierung abhängig, gehen aber mit sozialen
(BMVIT 2017) stagniert bzw. sinkt der Motorisierungs-                         Innovationen wie dem Trend „Teilen statt Besitzen“,
grad in Großstädten. So besitzen 36 % der Haushalte in                        neuen Geschäftsmodellen und Dienstleistungen einher.
Wien keinen Pkw und sind daher eine erfolgversprechen-                        (Soteropoulos et al. 2019; Smith 2020).
de Zielgruppe für multimodale Mobilitätsangebote.
                                                                              Neue Antriebsysteme: Nach wie vor sind die alternati-
Multimodale Mobilitätsangebote: Diese treffen den                             ven Antriebe, die von Elektro- bis Hybridantrieben rei-
Zeitgeist eines immer stärker ausdifferenzierten, mul-                        chen, in Österreich wenig verbreitet, obwohl politische
timodalen Mobilitätsverhaltens (Streit et al. 2015): Prä-                     Zielsetzungen, insbesondere der Dekarbonisierung des
ferenzen für Shared Mobility („Teilen statt Besitzen“)                        Verkehrs, eine stärkere Marktdiffusion fordern. Dabei
und Autofreiheit, egal ob diese bewusst, freiwillig ge-                       beeinträchtigen Treibhausgasemissionen von Elektro-
wählt oder aus fehlenden Ressourcen folgt, kennzeich-                         autos weniger das Klima, wenn der Strommix weniger
net die Mobilität vor allem urbaner jüngerer Menschen,                        aus fossilen und mehr regenerativen Energiequellen
die aber als Alterskohorte älter werden und damit                             besteht und Reboundeffekten entgegengesteuert wird.
möglicherweise ihr Mobilitätsverhalten weitertragen
(Scheiner und Holz-Rau 2015).

                                                               ZIELE
            WOHNEN                                                                                       MOBILITÄT

                                                           Qualität des
                                                          Bauvorhabens
          Urbanisierung                                                                                 Multimodalität
     & leistbarer Wohnraum

                                                        Mobilitätsinklusion
                                                         & Erreichbarkeit
        Demografischer &                                                                              Autofreie Haushalte
     gesellschaftlicher Wandel

                                                            Klimaschutz
         Funktionale und                                                                             Neue Mobilitätsformen
      soziale Durchmischung

                                                     Kostenersparnis Wohnbau
                                                       & Leistbares Wohnen
      Zugängliche Freiräume                                                                          Neue Antriebssysteme

                                                     Qualität öffentlicher Räume

Abbildung 7: Ziele zu wohnstandortbezogener Mobilität im Zusammenspiel mit aktuellen Trends

12       Mobilitätsverträge,
         Städtebauliche Verträge
         und Mobilitätsfonds im Blick
Welche Ziele werden durch Mobilitäts-
   konzepte am Wohnstandort verfolgt?
An der Schnittstelle Wohnen und Mobilität lassen sich                   Sichern der Mobilitätsinklusion durch vielfältige
folgende Ziele formulieren, deren Relevanz von un-                      Mobilitätsangebote
terschiedlichen Akteur*innen unterschiedlich einge-
schätzt wird. (Siehe S.35)                                              Erreichbarkeit ist ein wesentlicher Standortfaktor im
                                                                        Wohnungsneubau, der häufig in städtischen Randlagen
Einhalten von Klimaschutzzielen durch Verände-                          erfolgt. Zudem tragen Lebensstile, sozio-demographi-
rung des Modal-Splits in Richtung Umweltverbund                         sche und sozio-ökonomische Aspekte zu unterschied-
                                                                        lichen, individuellen Mobilitätsbedürfnissen bei. (Oos-
Der Umweltverbund umfasst Formen aktiver Mobilität                      tendorp et al. 2019: 1f) Das Schaffen vielfältiger und
sowie den ÖPNV. Das Setzen von Anreizen durch viel-                     neuer Mobilitätsangebote verbessert daher die Mobili-
fältige, neu Mobilitätsangebote sowie Restriktionen                     tätsinklusion.
durch Reduktion der Flächen für das Auto trägt dazu
bei, weniger Kilometer mit dem PKW zurückzulegen                        Kosten sparen im Wohnungsbau infolge des Weg-
und so die Veränderung des Modal Split zugunsten der                    falls von Stellplätzen
Klimaschutzziele zu erreichen. Dies entspricht auch
den strategischen Zielen des Technologieprogramms                       Stellplatzerrichtung, insbesondere in Form von Tief-
„Stadt der Zukunft“ (BMK o.J.).                                         garagen, sowie der Betrieb dieser stellen wesentliche
                                                                        Kostenfaktoren dar, die sich auch monetär am Woh-
Steigern der Qualität des Bauvorhabens durch we-                        nungsmarkt abbilden (Oostendorp et al. 2019: 1f). Das
niger Flächeninanspruchnahme von Autos                                  Reduzieren von Stellplätzen ermöglicht die Nutzung fi-
                                                                        nanzieller Mittel für neue und vielfältige Mobilitätsan-
Wesentliches Ziel ist die Steigerung der Qualität des                   gebote, die Gestaltung des Wohnraums und -umfeldes
Bauvorhabens etwa durch Errichten von Gemein-                           und kann sich auch in leistbarem urbanem Wohnraum
schaftsräumen sowie private Außenflächen (z.B. Ter-                     zeigen (VCD e. V., 2019).
rassen, Balkone und Gärten). Ansatz dazu bildet die
Einsparung von Kosten durch eine geringere Anzahl an                    Aufwerten des öffentlichen Raumes durch weniger
PKW-Stellplätzen und die Nutzung dieser finanziellen                    Flächeninanspruchnahme von Autos
Mittel für die vielfältige Gestaltung des Wohnraums.
                                                                        Die geringere Inanspruchnahme von Flächen durch das
                                                                        Auto eröffnet Möglichkeiten vielfältige Nutzungs- und
                                                                        Gestaltungsansprüche an den öffentlichen Raum um-
                                                                        zusetzen, so z.B. urbane Grünräume, Barrierefreiheit,
                                                                        ausreichende Flächen für Fuß- und Radverkehr sowie
                                                                        ein gesundes Lebensumfeld (VCD e. V. 2019).

                                                                                  vielfältige,
                             strategische
                                             weniger Flächenverbrauch           kostengünstige                        weniger
                            Ansatzpunkte
                                                    durch Auto                 Mobilitätsangebote                   Autonutzung
Ziele
             Qualität des Bauvorhabens

  Mobilitätsinklusion und Erreichbarkeit

                           Klimaschutz

             Kostengünstiger Wohnbau

             Qualität Öffentlicher Raum

                                                                                               teilweise relevant       besonders relevant
Tabelle 1: Strategische Ansatzpunkte zur Zielerreichung

Tabelle 1 stellt strategische Ansatzpunkte wohnstand-
ortbezogenener Mobilitätskonzepte dar, die u.a. zur
Erreichung bestimmter Ziele beitragen.

                                                                                                                   Mobilitätsverträge,
                                                                                                              Städtebauliche Verträge
                                                                                                          und Mobilitätsfonds im Blick   13
Instrumente

                                                  © qimby / Martin Randelhoff

14   Mobilitätsverträge,
     Städtebauliche Verträge
     und Mobilitätsfonds im Blick
Überblick über vielfältige Planungs-
instrumente und Steuerungsansätze
Das Spektrum an Instrumenten und Maßnahmen zur                                    Im Zusammenhang mit mobilitätsspezifischen Maßnah-
Steuerung der räumlichen Entwicklung ist vielfältig und                           men sind traditionell hoheitliche Instrumente mit ord-
wurde in den letzten Jahren deutlich differenzierter, um                          nungspolitischer oder entwicklungsstrategischer Aus-
einerseits den zunehmenden inhaltlichen Anforderungen                             richtung von besonderer Bedeutung. Ausgehend von den
zu entsprechen und andererseits umsetzungsrelevanter                              räumlichen Gegebenheiten (Grundlagenforschung) und
zu werden. Dadurch entsteht ein beachtlicher Planungs-                            den beabsichtigten Planungsvorhaben erfolgen konkrete
spielraum bezüglich mobilitätsspezifischer Maßnah-                                Maßnahmenfestlegungen (Planungsentscheidungen) zur
men. Im gegenwärtigen Planungsverständnis greift die                              Steuerung der wohnstandortbezogenen Mobilität in der
Beschränkung auf hoheitliche Pläne und Maßnahmen                                  Regel auf Gemeindeebene, dabei kommt besonders dem
zu kurz, da nicht nur die formalisierten textlichen und                           Bebauungsplan Steuerungswirkung zu. So sind auch in
planerischen Festlegungen von Maßnahmen zur Errei-                                den meisten Bundesländern etwa die Stellplatzregelun-
chung der Planungsziele beitragen. Daher ist es sinnvoll                          gen systematisch der Bebauungsplanung zugeordnet.
verschiedene Maßnahmen anlassbezogen zu kombinie-
ren und abzustimmen. Demzufolge werden – ergänzend                                Steuerungsansätze, die über die „klassische“ (hoheitli-
zu den verbindlichen Instrumenten der Hoheitsplanung                              che) Bodennutzungsplanung hinausgehen, sind konzep-
– verstärkt konzeptive und informelle (z.B. Konzepte,                             tive Planungen (z.B. Mobilitätskonzepte), fiskalische
Strategien, Masterpläne) sowie privatrechtliche Instru-                           Instrumente, Vertragsraumordnung und Koopera-
mente (z.B. Vertragsraumordnung) angewendet, die je                               tions- und Konsensinstrumente (z.B. Beteiligungsver-
nach Ausganglage inhaltlich, strukturell und räumlich                             fahren, Aushandlungsprozesse, Überzeugungsarbeit).
erheblich differieren können.                                                     Letztere zeichnen sich durch Aspekte wie flache Hier-
                                                                                  archien, Flexibilität, integrierte Planungsabläufe oder
                                                                                                       Informalität, die traditionellen Ver-
                                                                                                       waltungsstrukturen widersprechen
 Bundesebene: Ministerien, ausgelagerte Gesellschaften
                                                                                                       können, aus.
                          Fachplanungen des Bundes                          Fachkonzepte
                                                                                                      Der verstärkte Einsatz von Verträ-
                                                                                                      gen als begleitende Maßnahmen
 Landesebene, Landesregierung, Amt der Landesregierung
                                                                                                      zu hoheitlichen Festlegungen ver-
                                                                                                      deutlicht die veränderten Planungs-
                     Fachplanungen des Landes                               Fachkonzepte              aufgaben in jüngerer Zeit. Einem
                                                                                                      stärker auf Kooperation ausgerich-
                                                                                                      teten und umsetzungsrelevanten
                                           Überörtliche                   Konzeptive Planung
                                          Raumplanung                        Überörtlich              Planungsverständnis entsprechen
                                                                                                      ausverhandelte Planungsmaßnah-
                                                                                                      men, die durch die Vertragsraum-
                                                                                                      ordnung zivilrechtlich abgesichert
 Gemeindeebene: Gemeinderat
                                                                                                      werden. Alle Raumordnungsgesetze
                                            Örtliche                      Konzeptive Planung          haben die entsprechenden rechtli-
                                          Raumplanung                          Örtlich
                                                                                                      chen Grundlagen für städtebauliche
                                                Entwicklungskonzepte (REK, ÖEK, ÖRK)                  Verträge geschaffen, die in der Pra-
                                                                                                      xis vielfältig angewendet werden.
                                   Flächenwidmungsplanung
                                                                                                      Planungssystematisch ist die Ver-
                                                                      Vertrags-        Mobilitäts-    tragsraumordnung kein hoheitliches
                                                                    raumordnung        konzepte       Planungsinstrument, sondern eine
                                       Bebauungsplanung
                                                                                                      zivilrechtliche Vereinbarung, die
                                                                                                      in der Regel im Zuge einer kom-
                                        Bindende Planungen                Konzeptive Planungen        munalen Planungsmaßnahme der
                                          (Verordnungen)
                                                                                                      Flächenwidmungs- und Bebauungs-
Abbildung 8: Planungsinstrumente auf verschiedenen Planungsebenen (eigene Darstellung
                                                                                                      planung abgeschlossen wird und der
nach Schindelegger & Kanonier in Gruber et al. 2018:72)                                               eine bedeutende Ergänzungsfunkti-
                                                                                                      on zukommt.

                                                                                                                          Mobilitätsverträge,
                                                                                                                     Städtebauliche Verträge
                                                                                                                 und Mobilitätsfonds im Blick   15
Wohnstandortbezogenes Mobilitäts-
     konzept mit Maßnahmen
Wohnstandortbezogene Mobilitätskonzepte analy-                                                    tandortbezogenen Mobilitätskonzepten werden fachli-
sieren die lokalen Rahmenbedingungen und Qualitäten                                               che Grundlagen zu Maßnahmen für verbindliche Instru-
wie beispielsweise Nahversorgung, Radwegenetz, Öf-                                                mente der Hoheitsplanung erarbeitet. Die Veranlassung,
fentlicher Verkehr etc. Darauf aufbauend werden an den                                            ob ein derartiges Mobilitätskonzept erforderlich ist, geht
Standort und die potenziellen Nutzer*innen angepasste                                             in der Regel von den Gemeinden aus, ohne dass es dafür
Maßnahmen konzipiert. Auch sollte eine Qualitätssi-                                               allgemeine Standards, Richtlinien etc. gibt, welche fall-
cherung der Maßnahmen im Konzept inkludiert sein.                                                 spezifischen Konstellation (z.B. Bewohner*innenanzahl,
Das heißt: In den rechtlich nicht verbindlichen wohns-                                            Größe, Lage etc.) das Erfordernis begründen.

                                                                                   Optimiert

                                                             Standard

                                Basis

          Stellplatzmanagement
                                                                        Errichtung von Quartiers- oder Sammelgaragen
          Reduzierung des Stellplatzschlüssels                          Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge
                                                                        Parkraumbewirtschaftung

         Öffentlicher Verkehr                                           Shared Mobility                                    Sharing anderer Mobilitätsangebote
         Anpassung von                                                  Peer-to-Peer Carsharing                            Business-to-Consumer Carsharing
                   Taktzeiten                                                                                              Bikesharing
                   Linienführung                                                                                           Lastenrad-Sharing
                   Betriebsdauer

                                                                        Last-Mile-Logistik                 Paketboxen      Lieferdienste
         Rad- und Fußverkehr

          Fußläufige Erreichbarkeit
          Fahrradservice-Box
          Anbindung Radverkehrsnetz                                     Information & Marketing
          Fahrradabstellmöglichkeiten im öffentlichen Raum              Fahrradreeparaturtage                             Mieter*innen-Ticket
          Fahrradgaragen im oder am Gebäude (Fahrradraum)               ÖV-Abfahrtszeitenmonitor                          Zielgruppenspezifisches Mobilitätsmanagement

Abbildung 9: Bausteine wohnstandortbezogener Mobilität

1.   Die Bausteine nachhaltiger wohnstandortbezogener Mobilität und ihre Maßnahmen können unterschieden
     werden nach Basis-Elementen, die in Ergänzung mit der Nahversorgung eine Grundausstattung für Wohn-
     quartiere sind. Die Standard-Elemente sind charakteristisch für ein zeitgemäßes Mobilitätsangebot bei eher
     kleineren Bauvorhaben. Darüber hinaus sind die Bausteine der optimierten Mobilität eher für Projekte größe-
     rer Dimension geeignet (vgl. auch VCD 2019).

2.   Während das generelle Mobilitätskonzept in groben Zügen formuliert wird, um Ziele und die wesentlichen
     Maßnahmen als Eckpfeiler (Erschließung, …) abgestimmt zu haben, betrachtet das detaillierte Mobilitätskon-
     zept später im Prozess auch betriebliche Aspekte gerade in den für Angebote der Shared-Mobility und First-/
     Last-Mile Logistik.

16      Mobilitätsverträge,
        Städtebauliche Verträge
        und Mobilitätsfonds im Blick
Tabelle 2:
                                                                                                                                               Wohnstandortbezogene

                                                                                                                     detailliertes Konzept
                                                                                                generelles Konzept
                                                                                                                                               Maßnahmen nach
                                                                                                                                               Priorisierung und Zuordnung
                                                                                                                                               im Mobilitätskonzept

                                                                                    Optimiert
                                                                         Standard
                                                                 Basis
       Wohnstandortbezogene Mobilitätsmaßnahmen

Stellplatzmanagement

Reduzierung des Stellplatzschlüssels                             ¢                                 ¢

Errichtung von Quartiers- oder Sammelgaragen                              ¢                        ¢

Parkraumbewirtschaftung im Öffentlichen Raum                              ¢                                              ¢

Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge                                    ¢                                              ¢

Qualitätsverbesserung im öffentlichen Verkehr

Optimierung des öffentlichen Verkehrs                            ¢                                 ¢

Rad- und Fußverkehr

Fußläufige Erreichbarkeit                                        ¢                                 ¢

Anbindung Radverkehrsnetz                                        ¢                                 ¢

Fahrradgaragen im oder am Gebäude (Fahrradraum)                  ¢                                 ¢

Fahrradabstellmöglichkeiten im Öffentlichen Raum                 ¢                                 ¢

Fahrradservice Box                                               ¢                                                       ¢

Orientierungshilfen (Umgebungspläne, Informations-stelen etc.)            ¢                                              ¢

Sharing Mobility

Carsharing                                                                ¢          ¢                                   ¢

Bike-Sharing                                                                         ¢                                   ¢

Lastenrad-Sharing                                                                    ¢                                   ¢

Sharing andere Mobilitätsangebote                                                    ¢                                   ¢

First-/Last-Mile-Logistik

Paketboxen                                                                ¢

Lieferdienste                                                                        ¢                                   ¢

Abholstationen                                                                       ¢                                   ¢

Mikro-Depots                                                                         ¢             ¢

Information und Marketing

zielgruppenspezifisches Mobilitätsmanagement                                         ¢                                   ¢

Fahrradreparaturtage                                                      ¢                                              ¢

Neubürger*innenpaket mit Informationen und Gratisangeboten                           ¢                                   ¢
im Bereich Mobilität für neu Hinzugezogene.

Mieter*innenticket zur Verknüpfung von Wohnen und Verkehr                            ¢                                   ¢

ÖV-Abfahrtszeitmonitor                                                    ¢                                              ¢

                                                                                                       ¢ trifft zu

                                                                                                                                                      Mobilitätsverträge,
                                                                                                                                                 Städtebauliche Verträge
                                                                                                                                             und Mobilitätsfonds im Blick   17
Qualitäten:
•       Vom generellen zum detaillierten Mobilitätskon-            •    Nutzer*innen und ihre Bedürfnisse anhand de-
        zept im Prozess stufenweise vertiefen und konse-                finierter Zielgruppen berücksichtigen, damit eine
        quent so durcharbeiten, dass die konkrete Umset-                Akzeptanz von Mobilitätsangeboten erreicht wird;
        zung vor Ort im Fokus ist; welche Maßnahmen eher                die potentiellen Bedürfnisse der Nutzer*innen sind
        im generellen und welche eher detaillierten Konzept             dabei frühzeitig zu erkennen und besonders Gender-
        verankert sind, zeigt Tabelle 2 (siehe auch Kapitel             aspekte zu berücksichtigen.
        Prozesse und Akteur*innen)
                                                                   •    Handlungsbezogene Maßnahmen des Mobilität-
•       Mobilitätskonzept sowohl als integrierter Teil                  managements besonders in Verknüpfung mit Maß-
        der Gemeinde-, Stadt- und Grätzelentwicklung                    nahmen der Shared Mobility beachten.
        als auch lokaler Situationen begreifen, da der Aus-
        gangspunkt immer Basisqualitäten der Nahversor-            •    Auch andere Nutzungen wie Arbeiten, Freizeit,
        gung, Bedienungsqualität des Öffentlichen Ver-                  Bildung im Sinne einer Nutzungsmischung („Stadt
        kehrs, des Radverkehrs und des Fußverkehrs sind.                der kurzen Wege“) bei standortbezogenen Mobili-
                                                                        tätskonzepte berücksichtigen; gerade das betrieb-
•       Maßnahmen der Mobilität integriert mit Nahver-                  liche Mobilitätsmanagement ist bislang selten
        sorgung, Städtebau, Freiraum, Wegenetze etc. pla-               Teil der Bearbeitung entsprechender Konzepte.
        nen, um Synergien zu nutzen: z.B. Nahversorger*in
        betreibt Car-Sharing, Nahversorger*in profitiert           •    Neben der top-down Sicht im Sinne einer vor-
        von der Bushaltestelle in unmittelbarer Nähe                    sorgenden Bereitstellung, lassen sich in Abgren-
                                                                        zung dazu viele Maßnahmen selbstorganisiert in
•       Baufeld-übergreifende        Mobilitätskonzepte                 Nachbarschaften am Baufeld umsetzen. Dabei
        entwickeln und umsetzen, da von Maßnahmen                       greift das Potential sozialer Innovationen bspw. im
        im Wohnumfeld viele Baufelder profitieren kön-                  Bereich des privaten peer-to-peer Sharing-Mobili-
        nen und sich aufgrund einer größeren Zahl an                    ty oder der Crowd Logistik. Bottom-up-Prozesse
        Nutzer*innen viele Mobilitätsangebote leichter                  tragen zu Identifikation, Gemeinschaft bei etc. und
        umsetzen lassen (z.B. kritische Masse an Shared                 schaffen damit Akzeptanz der Mitmachenden.
        Mobility Nutzer*innen).
                                                                   •    Potenziale der Digitalisierung bei der Organisati-
•       Finanzierungs-, Organisations- und Betriebsmo-                  on, Buchung, Bezahlung etc. von Mobilitätsange-
        delle für Shared Mobility-Angebote, Last-Mile Lo-               boten nutzen, dabei ist auch die User Experience
        gistik etc. im detaillierten Mobilitätskonzept veran-           zu beachten.
        kern, um Organisation, Kosten und Zuständigkeiten
        zu klären.                                                 •    Flexible, adaptierbare Mobilitätskonzepte mit-
                                                                        denken, die offen sind für Veränderungen in der
•       Verwaltung in die Vergabe, Beauftragung und Be-                 Nutzer*innenakzeptanz bzw. dem Mobilitätsver-
        treuung von Mobilitätskonzepten stärker einbezie-               halten und flexibel auf die Entwicklung und Eta-
        hen und mehr initiierende und koordinierende Rolle              blierung unterschiedlicher Mobilitätsangebote am
        einnimmt.                                                       Markt reagieren können.

                                                                   •    Qualitäten sichern, Erfolge kontrollieren und
                                                                        Potenziale zukünftiger technologischer, sozialer
                                                                        etc. Entwicklungen nutzen, um über die Zeit per-
                                                                        manent zu lernen, bestehende Angebote anzupas-
                                                                        sen und ggf. neue zu implementieren

    Literaturlinks :

    •      Stadt Salzburg: Mobility Points: Realisierung von multimodalen Mobilitätsangeboten in Wohnbauten und Stadt-
           teilen. Salzburg, 2020. Online unter: https://www.stadt-salzburg.at/smartcity/smarte-mobilitaet/mobility-points/
           (abgerufen am 13.01.2021; 18:09].
    •      Stadt Graz, Abteilung für Verkehrsplanung: Leitfaden Mobilität für Bauvorhaben. Graz, 2016. Online unter: https://
           www.graz.at/cms/dokumente/10299565_7759220/ea3f774e/Leitfaden%20Mobilit%C3%A4t%20f%C3%BCr%20
           Bauvorhaben.pdf (abgerufen am 13.01.2021; 18:07).

18         Mobilitätsverträge,
           Städtebauliche Verträge
           und Mobilitätsfonds im Blick
Anwendungshinweise zu Maßnahmen des Mobilitätskonzeptes
•   Prioritäten der Maßnahmen, wie in Tabelle 2           •    Nur wenn sich das Mobilitätsverhalten der
    dargestellt ergeben sich aus Voraussetzungsket-            Bewohner*innen langfristig Richtung mehr Mul-
    ten, Wirkungsintensitäten und Kosten. Zu beach-            timodalität verändert, gelingt es die umfassenden
    ten ist: Die Stellplatzreduktion für KFZ und ggf.          Ziele an der Schnittstelle Wohnen und Mobilität zu
    der Bau von Sammelgaragen ist Voraussetzung                erreichen. Gerade kleine, kostengünstige Maß-
    für den Erfolg weiterer Maßnahmen („Schlüssel-             nahmen, wie Fahrradreparaturtage oder die ÖV-
    maßnahme“). Kosteneinsparungen aufgrund nicht              Abfahrtmonitore bieten Komfort, erleichtern die
    erreichter Stellplätze im Wohnbau, bilden die              Nutzung von Fahrrad bzw. ÖV und tragen zu einer
    Finanzierungbasis für alternative Mobilitätsan-            Stabilisierung von Routinen der Nutzer*innen bei.
    gebote. Gleichwohl sind weniger Stellplätze für
    Bewohner*innen ein Grund, auf das eigene Auto         •    Da E-Commerce boomt, gewinnen Angebote der
    zu verzichten, wenn ausreichende Alternativen für          First- und Last-Mile Logistik stärker an Stel-
    ihre Mobilitätsbedürfnisse bestehen.                       lenwert. Paketboxen und Abholstationen, die eine
                                                               stärkere Bündelung von Lieferungen ermöglichen,
•   Die Maßnahmen müssen zur räumlichen, ver-                  sind alternative Zustellmöglichkeiten, zumal die
    kehrlichen und sozialen Situation vor Ort passen;          Zustellung nach Hause immer seltener gelingt.
    beispielsweise können Mobilitätsangebote der ers-
    ten und letzten Meile, wie Scooter, Fahrräder etc.    •    Shared Mobility zeichnet sich durch viele Um-
    und deren Abstellmöglichkeiten, Standortnachteile          setzungsvarianten aus, die je nach Fallkonstellati-
    wie Mängel in der Nahversorgung; Haltestellener-           on aufgrund unterschiedlicher Auswirkungen auf
    reichbarkeit etc. teilweise kompensieren. Oder ist         Kosten, Organisationform, Verstetigung etc. in Be-
    die Bedienungsqualität des Öffentlichen Verkehrs           tracht gezogen werden müssen.
    am Standort nicht optimal, kann ein besseres Car-         »»   Außer Car-Sharing zählen insbesondere Pedelecs,
    Sharing Angebot zusätzliche Mobilitätsoptionen                 Lastenräder, Scooter zu den Angeboten, die ge-
    schaffen.                                                      teilt werden können, aber geringere Kosten ver-
                                                                   ursachen.
•   Auch ist ein breiter Mix an komplementären                »»   Kommerzielles, standortbezogenes Car-Sharing
    Maßnahmen im Konzept vorzusehen: Unter-                        ist teuer, aber gut zu verstetigen; hingegen schafft
    schiedliche Maßnahmen entfalten unterschiedli-                 peer-2-peer Car-Sharing Identifikation, ist kos-
    che Wirkungen (z.B. Flächenverbrauch, Inklusion,               tengünstiger aber die Verstetigung des Betriebs
    Klimaschutz etc.) – so spart Car-Sharing viel Flä-             ist eine organisatorische Herausforderung.
    che für das Autoabstellen – und erreicht spezifi-
    sche Zielgruppen (z.B. Personen mit Führerschein
    ohne eigenen Pkw).

•   Maßnahmen, die viel Platz bedürfen, sind rela-                 Anwendungsbeispiele mit Link
    tiv teuer, gerade wenn diese Flächen in Gebäuden
    liegen. So ist das Fahrradparken mit hoher Quali-
                                                                   Beispiele für innovative wohnstandortbezogene
    tät und ausreichender Stellplatzzahl eine wesent-
                                                                   Mobilitätskonzepte sind folgende:
    liche Schlüsselmaßnahme im Mobilitätskonzept,
    stellt aber auch hohe Ansprüche an ausreichende                •    Mannheim, Franklin-Siedlung: https://
    Flächen, Lage und Zugänglichkeit. Mikrodepots                       franklin-mannheim.de/quartier/mobilitaet/
    sowie multimodale Mobilitätsstationen, die un-                      (abgerufen am 13.01.2021; 18:05)
    terschiedliche Mobilitätsangebote – vor allem der              •    Darmstadt, Lincoln-Siedlung: www.darm-
    Shared Mobility - an einem Ort bündeln, zählen                      stadt.de/leben-in-darmstadt/mobilitaet-
    ebenso zu den flächenintensiven Angeboten. Diese                    und-verkehr/verkehrsentwicklung-und-pro-
    notwendigen Flächenbedarfe sind frühzeitig in den                   jekte/mobilitaetskonzept-lincoln-siedlung/
    Planungen im generellen Mobilitätskonzept zu be-                    (abgerufen am 13.01.2021; 18:12)
    rücksichtigen, um kostenoptimiert und zielkonflikt-
    minimiert vorzugehen.

                                                                                                    Mobilitätsverträge,
                                                                                               Städtebauliche Verträge
                                                                                           und Mobilitätsfonds im Blick   19
Wie lassen sich die Maßnahmen
   rechtlich umsetzen?
In der Kombination unterschiedlicher Instrumente und                                                   Öffentlich-rechtliche Instrumente bieten wenig Flexibi-
Maßnahmen ist es sinnvoll, diese anlassbezogen abzu-                                                   lität, daher empfiehlt es sich hier etablierte Maßnahmen
stimmen. Durch Kombination unterschiedlicher Instru-                                                   festzulegen. Maßnahmen, die ein flexibles Adaptieren
mente kann das Spektrum verbindlicher Instrumente der                                                  und Erweitern erfordern, können in privatrechtlichen
Hoheitsplanung ausgenutzt werden und durch konzep-                                                     Instrumenten wie einem Mobilitätsfonds zugeordnet
tive und informelle sowie privatrechtliche Instrumente                                                 werden. Grundsätzlich eignen sich organisatorische und
ergänzt werden – siehe Tabelle 3.                                                                      handlungsorientierte Maßnahmen, die auch die Finan-
                                                                                                       zierung eines laufenden Betriebs benötigen, besser für
Das Mobilitätskonzept gibt auf konzeptiver und infor-                                                  die Verankerung in privat-rechtlichen Instrumenten. Die
meller Ebene relevante Maßnahmen für ein Quartier                                                      Verankerung eines multimodalen Sharing-Systems, das
vor. Insbesondere infrastrukturelle Maßnahmen der                                                      längerfristig umgesetzt und betrieben werden soll und
Basis-Mobilität (z.B. fußläufige Erreichbarkeit, Fahr-                                                 dessen Flotte hinsichtlich Zusammensetzung und Aus-
radgaragen, PKW-Stellplätze) sowie die Reduzierung                                                     maß entsprechend den Bedürfnissen der Nutzer*innen
des Stellplatzschlüssels, als Schlüsselmaßnahme für das                                                adaptiert werden soll, eignet sich für die Verankerung in
Schaffen vielfältiger Mobilitätsangebote, sind in öffent-                                              privatrechtlichen Instrumenten wie einem Mobilitätsver-
lich-rechtlichen Instrumenten verbindlich zu verankern.                                                trag und/oder Mobilitätsfonds.

Tabelle 3: Maßnahmen wohnstandortbezogener Mobilität nach Instrumenten

                                                                                                                                                                               Privatwirtschaft und
                                                                                                       Öffentlich.rechtliche

                                                                                                                                                                               Privat-rechtliche

                                                                                                                                                                               öffentliche Hand
                                                                                                                                                                               Instrumente,
                                                         Instrumente

                                                                                                       Instrumente
                                                         Konzeptive

                                                                                                                                                   Vertrag/Mobilitätsvertrag
                                                         Wohnstandortbezogenes

                                                                                 Flächenwidmungsplan

                                                                                                                                                                                                 Privatwirtschaftliche
                                                         Mobilitätskonzept

                                                                                                                               Stellplatzsatzung

                                                                                                                                                   Städtebaulicher
                                                                                                           Bebauungsplan

                                                                                                                                                                               Mobilitätsfonds

                                                                                                                                                                                                                         Öffentliche Hand
                                                                                                                                                                                                 Lösungen

 Wohnstandortbezogene Mobilitätsmaßnahmen

 Stellplatzmanagement

 Reduzierung des Stellplatzschlüssels                         ¢                                            ¢                   ¢
 Errichtung von Quartiers- oder Sammelgaragen                 ¢                                            ¢                                            ¢                      £
 Parkraumbewirtschaftung im Öffentlichen Raum                 £
 Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge                       ¢
                                                                                                           ¢                                            ¢
 Qualitätsverbesserung im öffentlichen Verkehr

 Anpassung der Taktzeiten des öffentlichen Verkehrs           £                                                                                                                                      ¢
 Anpassung der Linienführung des öffentlichen Verkehrs        £                                                                                                                                      ¢                   ¢
 Anpassung der Tarife des öffentlichen Verkehrs               £                                                                                                                                      ¢
 Anpassung der Betriebsdauer öffentlichen Verkehrs            £                                                                                                                                      ¢
 Rad- und Fußverkehr

 Fußläufige Erreichbarkeit                                    ¢                                            ¢                                            ¢
20      Mobilitätsverträge,
        Städtebauliche Verträge
 Anbindung
        undRadverkehrsnetz
            Mobilitätsfonds im Blick                          ¢                  ¢                         ¢                                            ¢
 Fahrradgaragen im oder am Gebäude (Fahrradraum)              ¢                                            ¢                                            ¢
Wohnstandortbezogene Mobilitätsmaßnahmen

                                                                                                           B

                                                                                                                                                                                                                                  Öff
                                                                                                                               S

                                                                                                                                                   S
                                                                                                                                                   V
                                                                                 F

                                                                                                                                                                                                          Pri
                                                                                                                                                                                                          Lö
 Stellplatzmanagement

 Reduzierung des Stellplatzschlüssels                         ¢                                            ¢                   ¢

                                                                                                                                                                                   Privatwirtschaft und
                                                                                                       Öffentlich.rechtliche
 Errichtung von Quartiers- oder Sammelgaragen                 ¢                                            ¢                                           ¢                           £

                                                                                                                                                                                   Privat-rechtliche

                                                                                                                                                                                   öffentliche Hand
                                                                                                                                                                                   Instrumente,
                                                         Instrumente

                                                                                                       Instrumente
                                                         Konzeptive
 Parkraumbewirtschaftung im Öffentlichen Raum                 £
 Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge                       ¢                                            ¢                                           ¢
 Qualitätsverbesserung im öffentlichen Verkehr

                                                                                                                                                   Vertrag/Mobilitätsvertrag
                                                         Wohnstandortbezogenes

                                                                                 Flächenwidmungsplan
 Anpassung der Taktzeiten des öffentlichen Verkehrs           £                                                                                                                                               ¢

                                                                                                                                                                                                          Privatwirtschaftliche
                                                         Mobilitätskonzept

                                                                                                                               Stellplatzsatzung

                                                                                                                                                   Städtebaulicher
                                                                                                           Bebauungsplan

                                                                                                                                                                                   Mobilitätsfonds
 Anpassung der Linienführung des öffentlichen Verkehrs        £                                                                                                                                               ¢                   ¢

                                                                                                                                                                                                                                  Öffentliche Hand
 Anpassung der Tarife des öffentlichen Verkehrs               £                                                                                                                                               ¢

                                                                                                                                                                                                          Lösungen
 Wohnstandortbezogene
 Anpassung               Mobilitätsmaßnahmen
           der Betriebsdauer öffentlichen Verkehrs            £                                                                                                                                               ¢
 Rad- und Fußverkehr
 Stellplatzmanagement

 Fußläufige
 ReduzierungErreichbarkeit
              des Stellplatzschlüssels                        ¢                                            ¢                   ¢                       ¢
 Anbindung  Radverkehrsnetz
 Errichtung von Quartiers- oder Sammelgaragen                 ¢                  ¢                         ¢                                           ¢                           £
 Fahrradgaragen im oder am im
 Parkraumbewirtschaftung   Gebäude  (Fahrradraum)
                              Öffentlichen Raum               ¢
                                                              £                                            ¢                                           ¢
 Fahrradabstellmöglichkeiten   im Öffentlichen Raum
 Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge                       ¢                                                                                        ¢                                                                          ¢
                                                                                                           ¢                                           ¢
 Fahrradservice Box
 Qualitätsverbesserung im öffentlichen Verkehr
                                                              ¢                                                                                        £                           ¢
 Orientierungshilfen (Umgebungspläne, Informations-
 Anpassung der Taktzeiten des öffentlichen Verkehrs           £
                                                              £                                                                                                                                               ¢                   ¢
 stelen etc.)
 Anpassung der Linienführung des öffentlichen Verkehrs
 Sharing Mobility                                             £                                                                                                                                               ¢                   ¢
 Anpassung der Tarife des öffentlichen Verkehrs
 Carsharing                                                   £
                                                              ¢                                                                                        ¢                           ¢                          ¢
                                                                                                                                                                                                              ¢
 Anpassung der Betriebsdauer öffentlichen Verkehrs            £                                                                                                                                               ¢
 Bike-Sharing                                                 ¢                                                                                        ¢                           ¢                          ¢
 Rad- und Fußverkehr
 Lastenrad-Sharing                                            ¢                                                                                        ¢                           ¢                          ¢
 Fußläufige Erreichbarkeit                                    ¢                                            ¢                                           ¢
 Sharing andere Mobilitätsangebote                            £                                                                                        ¢                           £                          ¢
 Anbindung Radverkehrsnetz                                    ¢                  ¢                         ¢                                           ¢
 First-/Last-Mile-Logistik
 Fahrradgaragen im oder am Gebäude (Fahrradraum)              ¢                                            ¢                                            ¢
 Paketboxen                                                   ¢                                                                                         ¢                          £                          ¢
 Fahrradabstellmöglichkeiten im Öffentlichen Raum             ¢                                                                                         ¢                                                                         ¢
 Lieferdienste                                                £                                                                                                                                               ¢
 Fahrradservice Box                                           ¢                                                                                         £                          ¢
 Abholstationen
 Orientierungshilfen (Umgebungspläne, Informations-           £
                                                              £                                                                                         £                          £                          ¢                   ¢
 stelen etc.)
 Mikrodepot                                                   ¢                                                                                         ¢                          ¢                          £                   £
 Sharing Mobility
 Information und Marketing
 Carsharing                                                   ¢                                                                                         ¢                          ¢                          ¢
 zielgruppenspezifisches Mobilitätsmanagement                 ¢                                                                                         £                                                     ¢                   ¢
 Bike-Sharing                                                 ¢                                                                                         ¢                          ¢                          ¢
 Fahrradreparaturtage                                         £                                                                                         £                          ¢
 Lastenrad-Sharing                                            ¢                                                                                         ¢                          ¢                          ¢
 Erstbürgerpaket mit Informationen und                        ¢                                                                                         £                          ¢
 Gratisangeboten
 Sharing         im Bereich Mobilität für neu
         andere Mobilitätsangebote                            £                                                                                         ¢                          £                          ¢
 Hinzugezogene.
 First-/Last-Mile-Logistik
 Mieter*innenticket zur Verknüpfung von Wohnen und            £                                                                                         £                          ¢
 Verkehr

 ÖV-Abfahrtszeitmonitor                                       ¢                                                                                         ¢

                                                                                                                                                                               ¢ trifft zu | £ trifft tlw. zu

Mobilitätsvertrag /städtebaulicher Vertrag
                                                                                                                                                                                                              Mobilitätsverträge,
                                                                                                                                                                                                         Städtebauliche Verträge
                                                                                                                                                                                                     und Mobilitätsfonds im Blick                    21
Charakteristika
Mobilitätsvertrag /
    Städtebaulicher Vertrag
Charakteristika
Unter Vertragsraumordnung werden privatrecht-                             Österreichs möglich. Jedoch besteht ein enger rechtli-
liche Vereinbarungen zwischen Gemeinden und                               cher Rahmen für die Vertragsraumordnung insb. in der
Grundeigentümer*innen verstanden, die als wichtige                        konkreten Vertragsausgestaltung. Mobilitätsverträge
Ergänzung zu den hoheitlichen Planungsmaßnahmen                           stellen eine besondere Form dieser privatrechtlichen
im Zusammenhang mit Baulandwidmungen dienen                               Vereinbarungen dar. Bislang sind jedoch weder der
können und beträchtliches Anwendungspotential auf-                        Begriff „Mobilitätsvertrag“ noch mögliche Inhalte von
weisen. Derartige privatrechtliche Vereinbarungen ori-                    solchen Verträgen in den Raumordnungsgesetzen ex-
entieren sich im Wesentlichen an deutschen Vorbildern                     plizit verankert.
(Kleewein 2014: 101) und sind in allen Bundesländern

                                               Wohnstandortbezogene Mobilitätsmaßnahmen

                                                                                                         Privatrechtliche
                                          infrastrukturell   organisatorisch         handlungsbezogen    Instrumente
     Hoheitliche
                                                                                                         Städtebaulicher Vertrag,
     Instrumente                                                                                         Mobilitätsvertrag und -fonds
     Flächenwidmungsplan,                                       Optimiert
     Bebauungsplan, ....                                                                                 + Innovativ
                                                                                                         + Erfahrungen sammeln
     + Etabliert                                                                                         + Adaptiv
                                                                Standard
     + Erfahrungswerte                                                                                   + Flexibel
     + Kenngrößen                                                                                        + Neue Rollen
     + Zeitlich begrenzt                                                                                 + Neue Prozessee
                                                                  Basis
     + Klare Zuständigkeiten
     + Definierte Prozesse

Abbildung 10: Handlungsspielraum mittels privatrechtlicher Instrumente

Qualitätsmerkmale

Folgende rechtliche Eckpunkte von zivilrechtlichen
Vereinbarungen im Zusammenhang mit kommunalen
Planungsakten sind zu beachten:                                           •    Die unterschiedlichen zulässigen Vertragsinhal-
                                                                               te sind idR nicht taxativ, sondern demonstrativ
Legalitätsprinzip gemäß Art 18 B-VG                                            aufgezählt, was den Verhandlungsspielraum der
                                                                               Gemeinden erhöht. Eine Beschränkung besteht
•     Entsprechend dem Legalitätsprinzip gemäß § 18                            dennoch, da Verträge, die keinen sachlichen Zu-
      B-VG gilt, wenn öffentliche Aufgaben durch den                           sammenhang mit öffentlich-rechtlichen Planungs-
      Staat mit privatrechtlichen Mitteln verfolgt wer-                        zielen aufweisen oder bloß zur Umgehung von
      den, ist ein entsprechender rechtlicher Rahmen                           hoheitlichen Handlungsformen dienen, rechtswid-
      erforderlich. Die Raumordnungsgesetze aller ös-                          rig sind. Die von der Verwaltung abgeschlossenen
      terreichischen Bundesländer enthalten Ermäch-                            Verträge unterliegen damit einem beschränkten
      tigungen zu privatwirtschaftlichen Maßnahmen                             Inhaltszwang. (Kleewein 2003: 287, Kleewein
      durch die Gemeinden.                                                     2014: 102)

22         Mobilitätsverträge,
           Städtebauliche Verträge
           und Mobilitätsfonds im Blick
Gleichbehandlungsgebot                                    •    Eine obligatorische Vertragsraumordnung wird
                                                               auch für Mobilitätsverträge fachlich grundsätzlich
•   Grundsätzlich ist aus dem Gleichheitssatz in Art 2         wenig Sinn machen, zumal die Bauvorhaben sowie
    StGG und Art 7 B-VG abzuleiten, dass bei verord-           die verkehrlichen und städtebaulichen Rahmenbe-
    neten Planungsfestlegungen ausschließlich sach-            dingungen in einer Stadt erheblich variieren kön-
    lich gerechtfertigte Differenzierungen vorgenom-           nen.
    men werden dürfen, die sich aus den Unterschieden
    in den anwendungsrelevanten Tatsachen ergeben.        •    Überbindungsklauseln,            die      allfällige
    Umgekehrt sind an gleiche Tatbestände idente               Rechtsnachfolger*innen vertraglich binden, sind
    Rechtsfolgen anzuknüpfen. Eine „diskriminierende           wesentliche Inhalte der Raumordnungsverträge.
    Behandlung der privaten Vertragspartner, ein über-         Demzufolge bewirkt ein Eigentümer*innenwechsel
    schießender Mitteleinsatz sowie ein Missbrauch der         kein Auslaufen der spezifischen Vertragsinhalte.
    Kombination öffentlich-rechtlicher und privatrecht-        Dies gewährleistet zwar die Einhaltung der Verträ-
    licher Handlungsformen“ soll dadurch verhindert            ge, stellt aber in der Praxis eine Herausforderung
    werden. (Kleewein 2003: 209)                               dar. Beim Weiterverkauf von Grundstücken erfolgt
                                                               oft kein vollständiger Transfer des Hintergrund-
•   Inwieweit einzelne Vertragsinhalte rechtskonform           wissens. Zudem können neue Entwickler*innen
    sind, ist jeweils aufgrund der landesgesetzlichen          alternative Vorschläge zur Mobilitätsentwicklung
    Vorschriften – vor dem verfassungsrechtlichen Hin-         nicht immer einbringen, da dies vertragliche Än-
    tergrund – zu prüfen. Hierzu liegen bis dato – ins-        derungen nach sich ziehen könnte.
    besondere für Mobilitätsmaßnahmen – noch keine
    verfassungsrechtlichen Erkenntnisse vor.              Anwendungsbereich der Vertragsraumordnung

Koppelungsverbote zwischen Hoheits- und Privat-           •    Im Zusammenhang mit der Vertragsraumordnung
rechtsverwaltung                                               werden vor allem für Grundeigentümer*innen
                                                               Pflichten festgelegt. Gemeinden binden sich in
•   Der kommunale Planungsträger hat Planungsfest-             ihrem planerischen Ermessen grundsätzlich nicht
    legungen sowohl im Flächenwidmungs- als auch               durch zivilrechtliche Vereinbarungen, bzw. wäre
    im Bebauungsplan im Rahmen der gesetzlichen                es unzulässig inhaltliche Festlegungen im Flä-
    Grundsätze, Ziele und Kriterien zu treffen und die         chenwidmungsplan oder Bebauungsplan von städ-
    entsprechenden öffentlichen Interessen abzuwägen.          tebaulichen Verträgen abhängig zu machen. (Klee-
    Die Widmungsentscheidungen dürfen demnach                  wein 2014: 103)
    nicht von zivilrechtlichen Vereinbarungen abhängig
    gemacht werden. Durch die Vertragsraumordnung         •    Kommen Vertragspartner*innen den inhaltlichen
    wird (lediglich) eine bedingte Leistung der Gemein-        Vereinbarungen nicht nach, muss die Gemein-
    de, nämlich eine Umwidmung einer Liegenschaft,             de – nach einer entsprechenden Frist – rechtliche
    ausgelöst, die in der Folge eine Handlungspflicht          Schritte einleiten und die Vertragseinlösung ein-
    des/der Grundeigentümer*in bewirkt. (Binder 1995:          fordern bzw. vor Gericht einklagen.
    612; Kleewein 2000: 563) Trotzdem geben in man-
    chen Fällen in der Praxis manche Bauträger*innen      •    Privatrechtliche Verträge werden somit in der Pra-
    an, dass sie den Vertrag nur abschließen würden, da        xis von den Gemeinden eingesetzt:
    sonst mit einer Widmung nicht gerechnet werden            »»   vor Baulandwidmungen;
    könne.                                                    »»   nach Baulandwidmungen, aber vor einer Ände-
                                                                   rung des Bebauungsplanes, der eine Verbesserung
Fakultative Vertragsraumordnung                                    der baulichen Nutzung zulässt.

•   Der Rechtsprechung des VfGH im Erk. VfSlg.            •    Eine besonders aussichtsreiche Vertragsposition ha-
    15.625/1999 zur Salzburger Vertragsraumordnung             ben Gemeinden, wenn sie Grundeigentümer*innen
    folgend, verpflichten die Gesetze die Gemeinden            der entsprechenden Liegenschaften sind, da vor
    durchwegs nicht zur Vertragsraumordnung, son-              dem Liegenschaftsverkauf weitreichende Möglich-
    dern bieten ihnen nur die Möglichkeit dazu. Auch           keiten bestehen, den Inhalt des Vertrags zu gestalten
    Grundeigentümer*innen sind nicht verpflichtet,             und raumplanungs- und siedlungsentwicklungsspe-
    einen Vertrag mit der Gemeinde abzuschließen;              zifische Anliegen und Maßnahmen vertraglich zu
    sie werden aber bei keiner Vertragsunterfertigung          verankern.
    eventuell damit rechnen müssen, dass die Gemein-
    de andere Varianten von Planungsfestlegungen in
    Betracht zieht.

                                                                                                  Mobilitätsverträge,
                                                                                             Städtebauliche Verträge
                                                                                         und Mobilitätsfonds im Blick   23
Umsetzung                                                    Änderungen

•    Da die Vertragsraumordnung u.a. auch als wir-           •    Die Praxis zeigt, dass zwischen der erstmaligen Ver-
     kungsvolles Instrument zur Umsetzung und Absi-               tragserstellung und dem Abschluss des Bauvorha-
     cherung von Planungsmaßnahmen eingesetzt wird,               bens oft sehr lange Zeiträume liegen. Zunehmende
     wäre eine Nichteinhaltung von Vertragsinhalten               zeitliche Distanz zum ursprünglichen Vertragsab-
     besonders nachteilig. Daher sind vielfach Reglun-            schluss birgt die Möglichkeit, dass sich die um-
     gen über die Mittel zur Sicherstellung der verein-           setzungsrelevanten Akteur*innen sowie die Rah-
     barten Leistungspflichten der Vertragspartner*innen          menbedingungen und in der Folge die angestrebten
     wesentlicher Inhalt von Raumordnungsverträgen.               Ziele und zweckmäßigen Maßnahmen verändern –
     Als Mittel zur Absicherung von Leistungspflichten            insb. im Mobilitätsmanagement.
     sehen die Raumordnungsgesetze etwa die Verein-
     barung von Konventionalstrafen, Kautionen oder          •    Demzufolge sind vertragliche Festlegungen mit de-
     Hypotheken, die Einräumung eines Optionsrechts               taillierten Regelungen, die erst deutlich später umge-
     sowie die Übernahme einer Bürgschaft durch Dritte            setzt werden sollen, problematisch, zumal vertrag-
     vor. (Vgl. Hecht & Pekar 2016: 76) Die vorgeschrie-          liche Änderungen nur eingeschränkt möglich sind.
     benen Sicherungsmittel zur Umsetzung der Raum-               Dem Umstand wird teilweise dadurch Rechnung
     ordnungsziele müssen dabei „geeignet, erforderlich           getragen, dass zunächst nur ein Rahmenvertrag ge-
     und verhältnismäßig sein“. (Kleewein 2014: 102)              schlossen wird und detailliertere Festlegungen erst
                                                                  später ausverhandelt und festgelegt werden. Dies
•    Städtebauliche Verträge stellen nicht nur eine Her-          obliegt allerdings den Verhandlungspartner*innen,
     ausforderung bei der Vertragserstellung und -unter-          wobei das gesetzlich vorgesehene Mindestmaß an
     zeichnung dar, sondern auch bei der Umsetzung der            Determinierung der Vertragsinhalte einzuhalten ist.
     vereinbarten Inhalte. Offensichtlich scheuen einzel-
     ne Gemeinden eine umfassende Durchsetzung von
     vereinbarten Vertragsinhalten durch das Einklagen
     von Vertragsinhalten und die Durchsetzung von
     Sanktionen.

Fokus Mobilität

•    In den Raumordnungsgesetzen der Länder festgelegte Grundsätze und Ziele sind ein maßgebliches Kriterium
     für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von vertraglichen Vereinbarungen und erscheinen als Begründung zur
     Festlegung von mobilitätsbezogenen Maßnahmen besonders geeignet.

•    Bislang fehlen ausdifferenzierte Maßnahmenkataloge auf raumordnungsgesetzlicher Ebene. Mögliche Inhalte
     der Mobilitätsverträge am Beispiel des Grazer Mobilitätsvertrages zeigen, dass eine Vielzahl mobilitätsspezifi-
     scher Maßnahmen flexibel und maßgeschneidert festgelegt werden kann.

•    Aus planungsfachlicher und -rechtlicher Sicht sind folgende Aspekte der Maßnahmen zu beachten:
    »»   Konkretheit der Maßnahmen
    »»   Hoheitliche bzw. privatwirtschaftliche Maßnahmen (vgl. Tabelle 3)
    »»   Art der Maßnahme (z.B. infrastrukturell, organisatorisch oder handlungsbezogen)
    »»   Maßnahmenträger*innen (vgl. Kompetenzen und Rollen der Akteur*innen)
    »»   Umsetzungszeitpunkt und -dauer (vgl. Prozesse & Akteur*innen)
    »»   Öffentliche Interessen der Maßnahmen

24       Mobilitätsverträge,
         Städtebauliche Verträge
         und Mobilitätsfonds im Blick
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