Spannungsfeld privatrechtlicher und öffentlicher Instrumente zur Steuerung der wohnstandortbezogenen Mobilität
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Spannungsfeld privatrechtlicher und öffentlicher Instrumente zur Steuerung der wohnstandortbezogenen Mobilität Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick Forschungsprojekt: Urban MoVe - Privatrechtliche Verträge (z.B. Mobilitätsverträge, -fonds, städtebauliche Verträge) als innovative stadt- und mobilitätsplanerische Planungs- und Steuerungsinstrumente Förderprogramm: Stadt der Zukunft, 5. Ausschreibung; Projektart: Kooperatives F&E Projekt, industrielle Forschung, Fördergeber: Projektkonsortium:
Impressum Förderprogramm: Stadt der Zukunft, 5. Ausschreibung „Stadt der Zukunft” ist ein Forschungs- und Technologieprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie. Es wird im Auftrag des BMK von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft gemeinsam mit der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH und der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) abgewickelt. Forschungsprojekt: Urban MoVe - Privatrechtliche Verträge (z.B. Mobilitätsverträge, -fonds, städtebauliche Vertäge) als innovative stadt- und mobilitätsplanerische Planungs- und Steurerungsinstrumente Für den Inhalt verantwortlich: yverkehrsplanung GmbH, Erdbergstraße 34/Haus 1, 1030 Wien (wissenschaftliche Beratung Univ.-Prof. Dr.-Ing. Martin Berger, Dipl.-Ing. Emanuel Selz, Dipl.-Ing. Mag. Mario Platzer, Dipl.-Ing.in Aurelia Kammerhofer) Technische Universität Wien, Forschungsbereich Bodenpolitik und Bodenmanagement, Augasse 2-6, 1090 Wien (Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Arthur Kanonier, DDipl.-Ing. Kurt Weninger, BSc) Technische Universität Graz, Institut für Städtebau, Rechbauerstraße 12/II, 8010 Graz (Univ.-Prof. Agláee Degros, Dipl.-Ing Michael Malderle, Dipl.-Ing. Markus Monsberger, BSc) Grazer Energieagentur Ges.m.b.H., Kaiserfeldgasse 13/1, 8010 Graz (Mag.a Birgit Baumgartner) UIV Urban Innovation Vienna GmbH, Operngasse 17-21, 1040 Wien (Mag. Gerald Franz, MA) Satz: TU Graz, Institut für Städtebau Titelfoto: Martin Grabner Änderungen und Fehler vorbehalten. Graz/Wien, Jänner 2021
Was Sie erwartet... Einleitung Warum ist Mobilität bei neuen Bauvorhaben so wichtig? 7 Warum braucht es diesen Leitfaden? 8 Welche Ziele verfolgt der Leitfaden? 9 Welche Hebel existieren? 10 Welche Trends beeinflussen Wohnen und Mobilität? 11 Welche Ziele werden durch Mobilitätskonzepte am Wohnstandort verfolgt? 13 Instrumente Überblick über vielfältige Planungsinstrumente und Steuerungsansätze 15 Wohnstandortbezogenes Mobilitätskonzept mit Maßnahmen 16 Wie lassen sich die Maßnahmen rechtlich umsetzen? 20 Mobilitätsvertrag / Städtebaulicher Vertrag 22 Mobilitätsfonds 26 Gegenüberstellung von Mobilitätsvertrag und -fonds 28 Prozesse und Akteur*innen Prozesse 30 Kompetenzen und Rollen der Akteur*innen 34 Interessen, Motive und Zielkonflikte der Akteur*innen 35 Fazit und Empfehlungen Empfehlungen zu öffentlich-rechtlichen Instrumenten 36 Empfehlungen zu privatrechtlichen Instrumenten 36 Empfehlungen zu Mobilitätskonzepten im rechtlichen Kontext 37 Verzeichnisse Literaturverzeichnis 38 Rechtsquellen 39 Abbildungsverzeichnis 39 Tabellenverzeichnis 39 Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick 5
EINLEITUNG © qimby / Philipp Böhme 6 Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick
Warum ist Mobilität bei neuen Bauvorhaben so wichtig? Immer mehr Menschen sind in Städten multimodal einerseits und je nach Mobilitätssituation also Wit- unterwegs. Daher ergeben sich an der Schnittstelle terung, Gepäck, Begleitpersonen, Entfernung zum von Wohnen und Mobilität neue Chancen und Mög- Ziel etc. anderseits wird das passende Verkehrsmittel lichkeiten für eine klimafreundliche Mobilität. Alle gewählt. Ein umfassendes Mobilitätsangebot vor Ort, an Bauvorhaben Beteiligte sind gefordert, entspre- das die vielfältigen Bedürfnisse der Bewohner*innen chende Mobilitätsangebote zu schaffen. Zudem brau- berücksichtigt, ist jederzeit, komfortabel, barrierefrei chen die Planungsinstrumente eine Anpassung, um für eine einfache und kostengünstige, unkomplizier- die vielfältigen Potenziale eines veränderten Verhal- te Nutzung vorhanden. Diesen Paradigmenwechsel tens mit weniger Autonutzung und/oder ohne eigenes von autoorientierter zu multimodaler Mobilität ver- Auto zu heben. Dadurch profitiert der Klimaschutz, anschaulicht nachstehende Abbildung. Um diesen welcher eine Mobilitätswende als wichtige Voraus- Anspruch gerecht zu werden, gilt es vor allem die setzung hat. Wegfallende Stellplätze sparen Kosten rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Rah- und machen Wohnen leistbarer, steigern aber auch menbedingungen zu verbessern. In diesem Span- die Qualitäten öffentlicher Räume und des Bauvorha- nungsfeld ist der vorliegende Leitfaden verortet, der bens. Ebenso verbessert sich die Mobilitätsinklusion Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt Urban MoVe aller Bewohner*innen. zusammenfasst. Dies sind starke Argumente für ein neues Grundver- ständnis von Wohnen und Mobilität, das mit mehr Le- bensqualität einhergeht: Auch ohne eigenes Auto steht den Bewohner*innen das passende Mobilitätsangebot – sei es ein Fahrrad, der Öffentliche Verkehr, ein Car- Sharing Auto etc. – zur Verfügung. Je nach individu- ellen Präferenzen, Einstellungen, Möglichkeiten etc. Übergeordnete Ziele: - Qualität des Bauvorhabens - Kostenersparnis Wohnbau & Leistbares Wohnen - Klimaschutz - Mobilitätsinklusion und Erreichbarkeit - Qualität Öffentlicher Raum P P H -1 -1 -1 -2 Früher: „Autoorientiert“ Heute: „Multimodal“ Abbildung 1: Paradigmenwechsel zu multimodaler Mobilität Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick 7
Warum braucht es diesen Leitfaden? Von der Problemstellung, den Ansatzpunkten und den Zielen an der Schnittstelle Wohnen und Mobilität ausgehend, steht im Mittelpunkt des Leitfadens die rechtliche Verankerung von Mobilitätsmaßnahmen insbesondere in die Vertragsraumordnung. Anlässe, sich dieser Thematik zu widmen und der Praxis einen Leitfaden zur Verfügung zu stellen, sind folgende: 1. Privatrechtliche Instrumente gewinnen an Stellenwert, um multimodale Mobili- tätsangebote vor dem Hintergrund fehlender Budgets der öffentlichen Hand anzusto- ßen und zu finanzieren. 2. Aktuell werden in der Praxis unterschiedliche privatrechtliche Instrumente (Mobi- litätsverträge, Mobilitätsfonds etc.) mit spezifischen Vor- und Nachteilen angewandt. 3. Derzeit liegen noch wenige Erfahrungen mit der tatsächlichen Umsetzung und den Wirkungen umgesetzter Mobilitätsangebote mittels privatrechtlicher Instrumente vor. 4. Schwer standardisierbare Abläufe und rechtliche „Graubereiche“ erschweren den Abschluss privatrechtlicher Verträge sowohl für die Verwaltung als auch für die Bauträger*innen. 5. Privatrechtliche Instrumente sind bislang stärker für Großstädte, aber weniger für mittlere und kleinere Gemeinden relevant, sodass sich die Frage stellt, ob und inwie- weit diese Instrumente übertragen werden können. © Markus Monsberger 8 Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick
Welche Ziele verfolgt der Leitfaden? Ausgehend von rechtlichen Steuerungsinstrumenten im Bereich des öffentlichen Rechts und vor allem der Ver- tragsraumordnung, die hier besonders im Fokus ist, erfolgt eine integrative Betrachtung mit den Mobilitätskon- zepten und -maßnahmen, den Akteur*innen sowie den dazugehörigen Prozessen. Der Leitfaden... 1. klärt das Verhältnis privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Instrumente bei der Regelung, Steuerung, Finanzierung von Maßnahmen wohnstandortbezogener Mobilitätskonzepte, 2. betrachtet die Eignung privatrechtlicher Instrumente für die Verankerung von Maßnahmen wohnstandortbezogener Mobilitätskonzepte, 3. eruiert prozessuale Pfadabhängigkeiten im „Zusammenspiel“ von privatrechtli- chen Instrumenten mit öffentlich-rechtlichen Instrumenten und wohnstandortbezogen Mobilitätskonzepten und 4. stellt Rollen, Motive und Kompetenzen unterschiedlicher Akteur*innen bei Pla- nung, Bau und Betrieb dar. Prozesse Mobilitätskonzept & - maßnahmen Akteur*innen Strategie Rad- und Fußverkehr Gemeinde Konzept Öffentlicher Verkehr Bauträger*innen Objektplanung Stellplatzmanagement Fachplanungen Bau Information und Marketing Hausverwaltung Betrieb Last-Mile-Logistik Mobilitätsdienstleistende Shared Mobility Bewohner*innen Jurist*innen Öffentliches Recht Vertrags- raumordnung Raumordnung Flächenwidmungsplan Städtebaulicher Vertrag Bebauungsplan Mobilitätsvertrag Baugesetz, Bauordnung Mobilitätsfonds Stelllpatzordnung, ... Abbildung 2: Themenschwerpunkte des Leitfadens Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick 9
Welche Hebel existieren? Ansatzpunkte für eine multimodale Mobilität sind folgende: 32% aller Alltagswege der Bevölkerung sind kürzer als 2.5 km (BMVIT 2016). Dies stellt ein wesentliches Potenzial für die aktive Mobilität zu Fuß oder mit dem 32% Fahrrad dar. Das heißt: Hohe Qualitäten der Nahversor- aller täglichen Wege gung, der Verknüpfung mit dem Öffentlichen Verkehr, sind kürzer als 2,5km dem Radverkehr, der Öffentlichen Räume etc. im Umfeld des Wohnortes sind elementar. 81% Da ein Großteil der täglich zurückgelegten Wege mit 81% am Wohnort startet oder endet (BMVIT 2016; VCÖ 2010), ist dort ein wesentlicher Hebel vorhanden, um kein Auto zu besitzen bzw. besitzen zu müssen oder aller täglichen Wege auch um dieses weniger zu nutzen und mehr zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Öffentlichen Verkehr, Carsharing etc. beginnen oder enden unterwegs zu sein (Stiewe und Bäumler 2013; Stiewe zu Hause 2016). Auch wenn eine Zunahme des Autobesitzes häufig mit der Familiengründungsphase korrespondiert und die Immobilienwirtschaft für das Hochpreissegment immer noch teure Tiefgaragenstellplätze baut, so ist der Trend einer Abkehr vom Auto in urbanen Gebieten evident: So sind beispielweise in Wien Haushalte bzw. Personen ohne Auto bei einem abnehmenden Motorisierungsgrad (VCÖ 2018) an sich eine sehr große Zielgruppe mit ei- 36% nem Anteil von 36 % an allen Haushalten (BMVIT aller Haushalte 2017: 6) und damit ein großer Markt für multimodale ohne Auto in Wien Mobilitätsangebote. Die Jüngeren sind darüber hinaus stark Nachfragende für Wohnungen im Neubau. Kommt es zum Umzug, ist die Chance groß, Routinen im Mobili- tätsverhalten aufzubrechen, was wiederum einen Ansatz- punkt für multimodale Mobilitätsangebote darstellt (vgl. Langweg 2009, Lanzendorf und Tomfort 2010, Klinger 2017). Errichtungskosten für Pkw-Stellplätze sind teuer und reichen von ca. 1.500 € für einen ebenerdigen Kfz-Park- platz draußen über ca. 7.000 € für einen Kfz-Stellplatz 1.500 bis im Parkhaus bis hin zu ca. 25.000 € in der Tiefgarage (VCD 2019). Gibt es ein Überangebot an Parkplätzen, so 25.000 € steigen die Errichtungs- aber auch Betriebskosten ohne Nutzen, was zu höheren Kosten für Eigentümer*innen Baukosten für einen und Mieter*innen führt (Metron 2019). Kfz-Stellplatz 10 Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick
Welche Trends beeinflussen Wohnen und Mobilität? Nachstehende Trends beeinflussen die Entwicklung in diesem Bereich: Urbanisierung: Bevölkerungswachstum in Agglomerationsräumen führt zu hohem Siedlungsdruck und einem angespannten Wohnungsmarkt, der zu hohen Wohnkos- ten führt. Hohe Flächeninanspruchnahme durch den ruhenden und fahrenden Auto- verkehr verschärft diese Situation. (Oos- tendorp et al. 2019: 1f) Abbildung 3: Wanderungen in Richtung Stadt und Stadtumland Hochwertig gestaltete Freiräume, die an die Anforderungen des Klimawandels an- gepasst sind, spielen bei der Entwicklung von Neubaugebieten eine wesentliche Rol- le: Sie dienen einerseits als Verkaufsargu- ment (HSR 2018: 61) und bilden anderer- seits neben den Qualitäten der Wohnung selbst und ihrer Erreichbarkeit ein weiteres Entscheidungskriterium bei der Wahl des Wohnortes. Abbildung 4: Vielfältige Freiräume bieten Qualität Demografischer und gesellschaftlicher Wandel: Ein grundlegender Wandel hin zu einer pluralistischeren Gesellschaft zeich- net sich ab, in der häufig unterschiedliche Lebensstile mit unterschiedlichen Lebens- abschnittsphasen verknüpft sind. Jede Le- bensphase hat ihre zugehörige Wohnform, die sich mit dem Alter, dem Familienstand bzw. der Familienstruktur etc. ändert. Fle- xible und innovative Wohnkonzepte (wie zum Beispiel Wohnungstauschmöglichkei- ten, Generationenwohnen, Gemeinschafts- Abbildung 5: Je nach Lebenlage ergeben sich unterschiedliche Wohnbedürfnisse und Sharing-Konzepte), die sich der je- weiligen Lebenssituation anpassen lassen (Geserick et al. 2016), gewinnen daher an Stellenwert. Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick 11
Restaurant Repair Shop e Abbildung 6: Trends im Bereich der Mobilität wirken auch auf den Stadtraum Autofreie Haushalte: Während der Motorisierungs- Neue Mobilitätsformen, wie Mobility as a Service sind grad in Österreich nach wie vor sukzessive ansteigt wesentlich von technischen Entwicklungen im Bereich und ca. 79% der Haushalte über einen PKW verfügen der Digitalisierung abhängig, gehen aber mit sozialen (BMVIT 2017) stagniert bzw. sinkt der Motorisierungs- Innovationen wie dem Trend „Teilen statt Besitzen“, grad in Großstädten. So besitzen 36 % der Haushalte in neuen Geschäftsmodellen und Dienstleistungen einher. Wien keinen Pkw und sind daher eine erfolgversprechen- (Soteropoulos et al. 2019; Smith 2020). de Zielgruppe für multimodale Mobilitätsangebote. Neue Antriebsysteme: Nach wie vor sind die alternati- Multimodale Mobilitätsangebote: Diese treffen den ven Antriebe, die von Elektro- bis Hybridantrieben rei- Zeitgeist eines immer stärker ausdifferenzierten, mul- chen, in Österreich wenig verbreitet, obwohl politische timodalen Mobilitätsverhaltens (Streit et al. 2015): Prä- Zielsetzungen, insbesondere der Dekarbonisierung des ferenzen für Shared Mobility („Teilen statt Besitzen“) Verkehrs, eine stärkere Marktdiffusion fordern. Dabei und Autofreiheit, egal ob diese bewusst, freiwillig ge- beeinträchtigen Treibhausgasemissionen von Elektro- wählt oder aus fehlenden Ressourcen folgt, kennzeich- autos weniger das Klima, wenn der Strommix weniger net die Mobilität vor allem urbaner jüngerer Menschen, aus fossilen und mehr regenerativen Energiequellen die aber als Alterskohorte älter werden und damit besteht und Reboundeffekten entgegengesteuert wird. möglicherweise ihr Mobilitätsverhalten weitertragen (Scheiner und Holz-Rau 2015). ZIELE WOHNEN MOBILITÄT Qualität des Bauvorhabens Urbanisierung Multimodalität & leistbarer Wohnraum Mobilitätsinklusion & Erreichbarkeit Demografischer & Autofreie Haushalte gesellschaftlicher Wandel Klimaschutz Funktionale und Neue Mobilitätsformen soziale Durchmischung Kostenersparnis Wohnbau & Leistbares Wohnen Zugängliche Freiräume Neue Antriebssysteme Qualität öffentlicher Räume Abbildung 7: Ziele zu wohnstandortbezogener Mobilität im Zusammenspiel mit aktuellen Trends 12 Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick
Welche Ziele werden durch Mobilitäts- konzepte am Wohnstandort verfolgt? An der Schnittstelle Wohnen und Mobilität lassen sich Sichern der Mobilitätsinklusion durch vielfältige folgende Ziele formulieren, deren Relevanz von un- Mobilitätsangebote terschiedlichen Akteur*innen unterschiedlich einge- schätzt wird. (Siehe S.35) Erreichbarkeit ist ein wesentlicher Standortfaktor im Wohnungsneubau, der häufig in städtischen Randlagen Einhalten von Klimaschutzzielen durch Verände- erfolgt. Zudem tragen Lebensstile, sozio-demographi- rung des Modal-Splits in Richtung Umweltverbund sche und sozio-ökonomische Aspekte zu unterschied- lichen, individuellen Mobilitätsbedürfnissen bei. (Oos- Der Umweltverbund umfasst Formen aktiver Mobilität tendorp et al. 2019: 1f) Das Schaffen vielfältiger und sowie den ÖPNV. Das Setzen von Anreizen durch viel- neuer Mobilitätsangebote verbessert daher die Mobili- fältige, neu Mobilitätsangebote sowie Restriktionen tätsinklusion. durch Reduktion der Flächen für das Auto trägt dazu bei, weniger Kilometer mit dem PKW zurückzulegen Kosten sparen im Wohnungsbau infolge des Weg- und so die Veränderung des Modal Split zugunsten der falls von Stellplätzen Klimaschutzziele zu erreichen. Dies entspricht auch den strategischen Zielen des Technologieprogramms Stellplatzerrichtung, insbesondere in Form von Tief- „Stadt der Zukunft“ (BMK o.J.). garagen, sowie der Betrieb dieser stellen wesentliche Kostenfaktoren dar, die sich auch monetär am Woh- Steigern der Qualität des Bauvorhabens durch we- nungsmarkt abbilden (Oostendorp et al. 2019: 1f). Das niger Flächeninanspruchnahme von Autos Reduzieren von Stellplätzen ermöglicht die Nutzung fi- nanzieller Mittel für neue und vielfältige Mobilitätsan- Wesentliches Ziel ist die Steigerung der Qualität des gebote, die Gestaltung des Wohnraums und -umfeldes Bauvorhabens etwa durch Errichten von Gemein- und kann sich auch in leistbarem urbanem Wohnraum schaftsräumen sowie private Außenflächen (z.B. Ter- zeigen (VCD e. V., 2019). rassen, Balkone und Gärten). Ansatz dazu bildet die Einsparung von Kosten durch eine geringere Anzahl an Aufwerten des öffentlichen Raumes durch weniger PKW-Stellplätzen und die Nutzung dieser finanziellen Flächeninanspruchnahme von Autos Mittel für die vielfältige Gestaltung des Wohnraums. Die geringere Inanspruchnahme von Flächen durch das Auto eröffnet Möglichkeiten vielfältige Nutzungs- und Gestaltungsansprüche an den öffentlichen Raum um- zusetzen, so z.B. urbane Grünräume, Barrierefreiheit, ausreichende Flächen für Fuß- und Radverkehr sowie ein gesundes Lebensumfeld (VCD e. V. 2019). vielfältige, strategische weniger Flächenverbrauch kostengünstige weniger Ansatzpunkte durch Auto Mobilitätsangebote Autonutzung Ziele Qualität des Bauvorhabens Mobilitätsinklusion und Erreichbarkeit Klimaschutz Kostengünstiger Wohnbau Qualität Öffentlicher Raum teilweise relevant besonders relevant Tabelle 1: Strategische Ansatzpunkte zur Zielerreichung Tabelle 1 stellt strategische Ansatzpunkte wohnstand- ortbezogenener Mobilitätskonzepte dar, die u.a. zur Erreichung bestimmter Ziele beitragen. Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick 13
Instrumente © qimby / Martin Randelhoff 14 Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick
Überblick über vielfältige Planungs- instrumente und Steuerungsansätze Das Spektrum an Instrumenten und Maßnahmen zur Im Zusammenhang mit mobilitätsspezifischen Maßnah- Steuerung der räumlichen Entwicklung ist vielfältig und men sind traditionell hoheitliche Instrumente mit ord- wurde in den letzten Jahren deutlich differenzierter, um nungspolitischer oder entwicklungsstrategischer Aus- einerseits den zunehmenden inhaltlichen Anforderungen richtung von besonderer Bedeutung. Ausgehend von den zu entsprechen und andererseits umsetzungsrelevanter räumlichen Gegebenheiten (Grundlagenforschung) und zu werden. Dadurch entsteht ein beachtlicher Planungs- den beabsichtigten Planungsvorhaben erfolgen konkrete spielraum bezüglich mobilitätsspezifischer Maßnah- Maßnahmenfestlegungen (Planungsentscheidungen) zur men. Im gegenwärtigen Planungsverständnis greift die Steuerung der wohnstandortbezogenen Mobilität in der Beschränkung auf hoheitliche Pläne und Maßnahmen Regel auf Gemeindeebene, dabei kommt besonders dem zu kurz, da nicht nur die formalisierten textlichen und Bebauungsplan Steuerungswirkung zu. So sind auch in planerischen Festlegungen von Maßnahmen zur Errei- den meisten Bundesländern etwa die Stellplatzregelun- chung der Planungsziele beitragen. Daher ist es sinnvoll gen systematisch der Bebauungsplanung zugeordnet. verschiedene Maßnahmen anlassbezogen zu kombinie- ren und abzustimmen. Demzufolge werden – ergänzend Steuerungsansätze, die über die „klassische“ (hoheitli- zu den verbindlichen Instrumenten der Hoheitsplanung che) Bodennutzungsplanung hinausgehen, sind konzep- – verstärkt konzeptive und informelle (z.B. Konzepte, tive Planungen (z.B. Mobilitätskonzepte), fiskalische Strategien, Masterpläne) sowie privatrechtliche Instru- Instrumente, Vertragsraumordnung und Koopera- mente (z.B. Vertragsraumordnung) angewendet, die je tions- und Konsensinstrumente (z.B. Beteiligungsver- nach Ausganglage inhaltlich, strukturell und räumlich fahren, Aushandlungsprozesse, Überzeugungsarbeit). erheblich differieren können. Letztere zeichnen sich durch Aspekte wie flache Hier- archien, Flexibilität, integrierte Planungsabläufe oder Informalität, die traditionellen Ver- waltungsstrukturen widersprechen Bundesebene: Ministerien, ausgelagerte Gesellschaften können, aus. Fachplanungen des Bundes Fachkonzepte Der verstärkte Einsatz von Verträ- gen als begleitende Maßnahmen Landesebene, Landesregierung, Amt der Landesregierung zu hoheitlichen Festlegungen ver- deutlicht die veränderten Planungs- Fachplanungen des Landes Fachkonzepte aufgaben in jüngerer Zeit. Einem stärker auf Kooperation ausgerich- teten und umsetzungsrelevanten Überörtliche Konzeptive Planung Raumplanung Überörtlich Planungsverständnis entsprechen ausverhandelte Planungsmaßnah- men, die durch die Vertragsraum- ordnung zivilrechtlich abgesichert Gemeindeebene: Gemeinderat werden. Alle Raumordnungsgesetze Örtliche Konzeptive Planung haben die entsprechenden rechtli- Raumplanung Örtlich chen Grundlagen für städtebauliche Entwicklungskonzepte (REK, ÖEK, ÖRK) Verträge geschaffen, die in der Pra- xis vielfältig angewendet werden. Flächenwidmungsplanung Planungssystematisch ist die Ver- Vertrags- Mobilitäts- tragsraumordnung kein hoheitliches raumordnung konzepte Planungsinstrument, sondern eine Bebauungsplanung zivilrechtliche Vereinbarung, die in der Regel im Zuge einer kom- Bindende Planungen Konzeptive Planungen munalen Planungsmaßnahme der (Verordnungen) Flächenwidmungs- und Bebauungs- Abbildung 8: Planungsinstrumente auf verschiedenen Planungsebenen (eigene Darstellung planung abgeschlossen wird und der nach Schindelegger & Kanonier in Gruber et al. 2018:72) eine bedeutende Ergänzungsfunkti- on zukommt. Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick 15
Wohnstandortbezogenes Mobilitäts- konzept mit Maßnahmen Wohnstandortbezogene Mobilitätskonzepte analy- tandortbezogenen Mobilitätskonzepten werden fachli- sieren die lokalen Rahmenbedingungen und Qualitäten che Grundlagen zu Maßnahmen für verbindliche Instru- wie beispielsweise Nahversorgung, Radwegenetz, Öf- mente der Hoheitsplanung erarbeitet. Die Veranlassung, fentlicher Verkehr etc. Darauf aufbauend werden an den ob ein derartiges Mobilitätskonzept erforderlich ist, geht Standort und die potenziellen Nutzer*innen angepasste in der Regel von den Gemeinden aus, ohne dass es dafür Maßnahmen konzipiert. Auch sollte eine Qualitätssi- allgemeine Standards, Richtlinien etc. gibt, welche fall- cherung der Maßnahmen im Konzept inkludiert sein. spezifischen Konstellation (z.B. Bewohner*innenanzahl, Das heißt: In den rechtlich nicht verbindlichen wohns- Größe, Lage etc.) das Erfordernis begründen. Optimiert Standard Basis Stellplatzmanagement Errichtung von Quartiers- oder Sammelgaragen Reduzierung des Stellplatzschlüssels Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge Parkraumbewirtschaftung Öffentlicher Verkehr Shared Mobility Sharing anderer Mobilitätsangebote Anpassung von Peer-to-Peer Carsharing Business-to-Consumer Carsharing Taktzeiten Bikesharing Linienführung Lastenrad-Sharing Betriebsdauer Last-Mile-Logistik Paketboxen Lieferdienste Rad- und Fußverkehr Fußläufige Erreichbarkeit Fahrradservice-Box Anbindung Radverkehrsnetz Information & Marketing Fahrradabstellmöglichkeiten im öffentlichen Raum Fahrradreeparaturtage Mieter*innen-Ticket Fahrradgaragen im oder am Gebäude (Fahrradraum) ÖV-Abfahrtszeitenmonitor Zielgruppenspezifisches Mobilitätsmanagement Abbildung 9: Bausteine wohnstandortbezogener Mobilität 1. Die Bausteine nachhaltiger wohnstandortbezogener Mobilität und ihre Maßnahmen können unterschieden werden nach Basis-Elementen, die in Ergänzung mit der Nahversorgung eine Grundausstattung für Wohn- quartiere sind. Die Standard-Elemente sind charakteristisch für ein zeitgemäßes Mobilitätsangebot bei eher kleineren Bauvorhaben. Darüber hinaus sind die Bausteine der optimierten Mobilität eher für Projekte größe- rer Dimension geeignet (vgl. auch VCD 2019). 2. Während das generelle Mobilitätskonzept in groben Zügen formuliert wird, um Ziele und die wesentlichen Maßnahmen als Eckpfeiler (Erschließung, …) abgestimmt zu haben, betrachtet das detaillierte Mobilitätskon- zept später im Prozess auch betriebliche Aspekte gerade in den für Angebote der Shared-Mobility und First-/ Last-Mile Logistik. 16 Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick
Tabelle 2: Wohnstandortbezogene detailliertes Konzept generelles Konzept Maßnahmen nach Priorisierung und Zuordnung im Mobilitätskonzept Optimiert Standard Basis Wohnstandortbezogene Mobilitätsmaßnahmen Stellplatzmanagement Reduzierung des Stellplatzschlüssels ¢ ¢ Errichtung von Quartiers- oder Sammelgaragen ¢ ¢ Parkraumbewirtschaftung im Öffentlichen Raum ¢ ¢ Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge ¢ ¢ Qualitätsverbesserung im öffentlichen Verkehr Optimierung des öffentlichen Verkehrs ¢ ¢ Rad- und Fußverkehr Fußläufige Erreichbarkeit ¢ ¢ Anbindung Radverkehrsnetz ¢ ¢ Fahrradgaragen im oder am Gebäude (Fahrradraum) ¢ ¢ Fahrradabstellmöglichkeiten im Öffentlichen Raum ¢ ¢ Fahrradservice Box ¢ ¢ Orientierungshilfen (Umgebungspläne, Informations-stelen etc.) ¢ ¢ Sharing Mobility Carsharing ¢ ¢ ¢ Bike-Sharing ¢ ¢ Lastenrad-Sharing ¢ ¢ Sharing andere Mobilitätsangebote ¢ ¢ First-/Last-Mile-Logistik Paketboxen ¢ Lieferdienste ¢ ¢ Abholstationen ¢ ¢ Mikro-Depots ¢ ¢ Information und Marketing zielgruppenspezifisches Mobilitätsmanagement ¢ ¢ Fahrradreparaturtage ¢ ¢ Neubürger*innenpaket mit Informationen und Gratisangeboten ¢ ¢ im Bereich Mobilität für neu Hinzugezogene. Mieter*innenticket zur Verknüpfung von Wohnen und Verkehr ¢ ¢ ÖV-Abfahrtszeitmonitor ¢ ¢ ¢ trifft zu Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick 17
Qualitäten: • Vom generellen zum detaillierten Mobilitätskon- • Nutzer*innen und ihre Bedürfnisse anhand de- zept im Prozess stufenweise vertiefen und konse- finierter Zielgruppen berücksichtigen, damit eine quent so durcharbeiten, dass die konkrete Umset- Akzeptanz von Mobilitätsangeboten erreicht wird; zung vor Ort im Fokus ist; welche Maßnahmen eher die potentiellen Bedürfnisse der Nutzer*innen sind im generellen und welche eher detaillierten Konzept dabei frühzeitig zu erkennen und besonders Gender- verankert sind, zeigt Tabelle 2 (siehe auch Kapitel aspekte zu berücksichtigen. Prozesse und Akteur*innen) • Handlungsbezogene Maßnahmen des Mobilität- • Mobilitätskonzept sowohl als integrierter Teil managements besonders in Verknüpfung mit Maß- der Gemeinde-, Stadt- und Grätzelentwicklung nahmen der Shared Mobility beachten. als auch lokaler Situationen begreifen, da der Aus- gangspunkt immer Basisqualitäten der Nahversor- • Auch andere Nutzungen wie Arbeiten, Freizeit, gung, Bedienungsqualität des Öffentlichen Ver- Bildung im Sinne einer Nutzungsmischung („Stadt kehrs, des Radverkehrs und des Fußverkehrs sind. der kurzen Wege“) bei standortbezogenen Mobili- tätskonzepte berücksichtigen; gerade das betrieb- • Maßnahmen der Mobilität integriert mit Nahver- liche Mobilitätsmanagement ist bislang selten sorgung, Städtebau, Freiraum, Wegenetze etc. pla- Teil der Bearbeitung entsprechender Konzepte. nen, um Synergien zu nutzen: z.B. Nahversorger*in betreibt Car-Sharing, Nahversorger*in profitiert • Neben der top-down Sicht im Sinne einer vor- von der Bushaltestelle in unmittelbarer Nähe sorgenden Bereitstellung, lassen sich in Abgren- zung dazu viele Maßnahmen selbstorganisiert in • Baufeld-übergreifende Mobilitätskonzepte Nachbarschaften am Baufeld umsetzen. Dabei entwickeln und umsetzen, da von Maßnahmen greift das Potential sozialer Innovationen bspw. im im Wohnumfeld viele Baufelder profitieren kön- Bereich des privaten peer-to-peer Sharing-Mobili- nen und sich aufgrund einer größeren Zahl an ty oder der Crowd Logistik. Bottom-up-Prozesse Nutzer*innen viele Mobilitätsangebote leichter tragen zu Identifikation, Gemeinschaft bei etc. und umsetzen lassen (z.B. kritische Masse an Shared schaffen damit Akzeptanz der Mitmachenden. Mobility Nutzer*innen). • Potenziale der Digitalisierung bei der Organisati- • Finanzierungs-, Organisations- und Betriebsmo- on, Buchung, Bezahlung etc. von Mobilitätsange- delle für Shared Mobility-Angebote, Last-Mile Lo- boten nutzen, dabei ist auch die User Experience gistik etc. im detaillierten Mobilitätskonzept veran- zu beachten. kern, um Organisation, Kosten und Zuständigkeiten zu klären. • Flexible, adaptierbare Mobilitätskonzepte mit- denken, die offen sind für Veränderungen in der • Verwaltung in die Vergabe, Beauftragung und Be- Nutzer*innenakzeptanz bzw. dem Mobilitätsver- treuung von Mobilitätskonzepten stärker einbezie- halten und flexibel auf die Entwicklung und Eta- hen und mehr initiierende und koordinierende Rolle blierung unterschiedlicher Mobilitätsangebote am einnimmt. Markt reagieren können. • Qualitäten sichern, Erfolge kontrollieren und Potenziale zukünftiger technologischer, sozialer etc. Entwicklungen nutzen, um über die Zeit per- manent zu lernen, bestehende Angebote anzupas- sen und ggf. neue zu implementieren Literaturlinks : • Stadt Salzburg: Mobility Points: Realisierung von multimodalen Mobilitätsangeboten in Wohnbauten und Stadt- teilen. Salzburg, 2020. Online unter: https://www.stadt-salzburg.at/smartcity/smarte-mobilitaet/mobility-points/ (abgerufen am 13.01.2021; 18:09]. • Stadt Graz, Abteilung für Verkehrsplanung: Leitfaden Mobilität für Bauvorhaben. Graz, 2016. Online unter: https:// www.graz.at/cms/dokumente/10299565_7759220/ea3f774e/Leitfaden%20Mobilit%C3%A4t%20f%C3%BCr%20 Bauvorhaben.pdf (abgerufen am 13.01.2021; 18:07). 18 Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick
Anwendungshinweise zu Maßnahmen des Mobilitätskonzeptes • Prioritäten der Maßnahmen, wie in Tabelle 2 • Nur wenn sich das Mobilitätsverhalten der dargestellt ergeben sich aus Voraussetzungsket- Bewohner*innen langfristig Richtung mehr Mul- ten, Wirkungsintensitäten und Kosten. Zu beach- timodalität verändert, gelingt es die umfassenden ten ist: Die Stellplatzreduktion für KFZ und ggf. Ziele an der Schnittstelle Wohnen und Mobilität zu der Bau von Sammelgaragen ist Voraussetzung erreichen. Gerade kleine, kostengünstige Maß- für den Erfolg weiterer Maßnahmen („Schlüssel- nahmen, wie Fahrradreparaturtage oder die ÖV- maßnahme“). Kosteneinsparungen aufgrund nicht Abfahrtmonitore bieten Komfort, erleichtern die erreichter Stellplätze im Wohnbau, bilden die Nutzung von Fahrrad bzw. ÖV und tragen zu einer Finanzierungbasis für alternative Mobilitätsan- Stabilisierung von Routinen der Nutzer*innen bei. gebote. Gleichwohl sind weniger Stellplätze für Bewohner*innen ein Grund, auf das eigene Auto • Da E-Commerce boomt, gewinnen Angebote der zu verzichten, wenn ausreichende Alternativen für First- und Last-Mile Logistik stärker an Stel- ihre Mobilitätsbedürfnisse bestehen. lenwert. Paketboxen und Abholstationen, die eine stärkere Bündelung von Lieferungen ermöglichen, • Die Maßnahmen müssen zur räumlichen, ver- sind alternative Zustellmöglichkeiten, zumal die kehrlichen und sozialen Situation vor Ort passen; Zustellung nach Hause immer seltener gelingt. beispielsweise können Mobilitätsangebote der ers- ten und letzten Meile, wie Scooter, Fahrräder etc. • Shared Mobility zeichnet sich durch viele Um- und deren Abstellmöglichkeiten, Standortnachteile setzungsvarianten aus, die je nach Fallkonstellati- wie Mängel in der Nahversorgung; Haltestellener- on aufgrund unterschiedlicher Auswirkungen auf reichbarkeit etc. teilweise kompensieren. Oder ist Kosten, Organisationform, Verstetigung etc. in Be- die Bedienungsqualität des Öffentlichen Verkehrs tracht gezogen werden müssen. am Standort nicht optimal, kann ein besseres Car- »» Außer Car-Sharing zählen insbesondere Pedelecs, Sharing Angebot zusätzliche Mobilitätsoptionen Lastenräder, Scooter zu den Angeboten, die ge- schaffen. teilt werden können, aber geringere Kosten ver- ursachen. • Auch ist ein breiter Mix an komplementären »» Kommerzielles, standortbezogenes Car-Sharing Maßnahmen im Konzept vorzusehen: Unter- ist teuer, aber gut zu verstetigen; hingegen schafft schiedliche Maßnahmen entfalten unterschiedli- peer-2-peer Car-Sharing Identifikation, ist kos- che Wirkungen (z.B. Flächenverbrauch, Inklusion, tengünstiger aber die Verstetigung des Betriebs Klimaschutz etc.) – so spart Car-Sharing viel Flä- ist eine organisatorische Herausforderung. che für das Autoabstellen – und erreicht spezifi- sche Zielgruppen (z.B. Personen mit Führerschein ohne eigenen Pkw). • Maßnahmen, die viel Platz bedürfen, sind rela- Anwendungsbeispiele mit Link tiv teuer, gerade wenn diese Flächen in Gebäuden liegen. So ist das Fahrradparken mit hoher Quali- Beispiele für innovative wohnstandortbezogene tät und ausreichender Stellplatzzahl eine wesent- Mobilitätskonzepte sind folgende: liche Schlüsselmaßnahme im Mobilitätskonzept, stellt aber auch hohe Ansprüche an ausreichende • Mannheim, Franklin-Siedlung: https:// Flächen, Lage und Zugänglichkeit. Mikrodepots franklin-mannheim.de/quartier/mobilitaet/ sowie multimodale Mobilitätsstationen, die un- (abgerufen am 13.01.2021; 18:05) terschiedliche Mobilitätsangebote – vor allem der • Darmstadt, Lincoln-Siedlung: www.darm- Shared Mobility - an einem Ort bündeln, zählen stadt.de/leben-in-darmstadt/mobilitaet- ebenso zu den flächenintensiven Angeboten. Diese und-verkehr/verkehrsentwicklung-und-pro- notwendigen Flächenbedarfe sind frühzeitig in den jekte/mobilitaetskonzept-lincoln-siedlung/ Planungen im generellen Mobilitätskonzept zu be- (abgerufen am 13.01.2021; 18:12) rücksichtigen, um kostenoptimiert und zielkonflikt- minimiert vorzugehen. Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick 19
Wie lassen sich die Maßnahmen rechtlich umsetzen? In der Kombination unterschiedlicher Instrumente und Öffentlich-rechtliche Instrumente bieten wenig Flexibi- Maßnahmen ist es sinnvoll, diese anlassbezogen abzu- lität, daher empfiehlt es sich hier etablierte Maßnahmen stimmen. Durch Kombination unterschiedlicher Instru- festzulegen. Maßnahmen, die ein flexibles Adaptieren mente kann das Spektrum verbindlicher Instrumente der und Erweitern erfordern, können in privatrechtlichen Hoheitsplanung ausgenutzt werden und durch konzep- Instrumenten wie einem Mobilitätsfonds zugeordnet tive und informelle sowie privatrechtliche Instrumente werden. Grundsätzlich eignen sich organisatorische und ergänzt werden – siehe Tabelle 3. handlungsorientierte Maßnahmen, die auch die Finan- zierung eines laufenden Betriebs benötigen, besser für Das Mobilitätskonzept gibt auf konzeptiver und infor- die Verankerung in privat-rechtlichen Instrumenten. Die meller Ebene relevante Maßnahmen für ein Quartier Verankerung eines multimodalen Sharing-Systems, das vor. Insbesondere infrastrukturelle Maßnahmen der längerfristig umgesetzt und betrieben werden soll und Basis-Mobilität (z.B. fußläufige Erreichbarkeit, Fahr- dessen Flotte hinsichtlich Zusammensetzung und Aus- radgaragen, PKW-Stellplätze) sowie die Reduzierung maß entsprechend den Bedürfnissen der Nutzer*innen des Stellplatzschlüssels, als Schlüsselmaßnahme für das adaptiert werden soll, eignet sich für die Verankerung in Schaffen vielfältiger Mobilitätsangebote, sind in öffent- privatrechtlichen Instrumenten wie einem Mobilitätsver- lich-rechtlichen Instrumenten verbindlich zu verankern. trag und/oder Mobilitätsfonds. Tabelle 3: Maßnahmen wohnstandortbezogener Mobilität nach Instrumenten Privatwirtschaft und Öffentlich.rechtliche Privat-rechtliche öffentliche Hand Instrumente, Instrumente Instrumente Konzeptive Vertrag/Mobilitätsvertrag Wohnstandortbezogenes Flächenwidmungsplan Privatwirtschaftliche Mobilitätskonzept Stellplatzsatzung Städtebaulicher Bebauungsplan Mobilitätsfonds Öffentliche Hand Lösungen Wohnstandortbezogene Mobilitätsmaßnahmen Stellplatzmanagement Reduzierung des Stellplatzschlüssels ¢ ¢ ¢ Errichtung von Quartiers- oder Sammelgaragen ¢ ¢ ¢ £ Parkraumbewirtschaftung im Öffentlichen Raum £ Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge ¢ ¢ ¢ Qualitätsverbesserung im öffentlichen Verkehr Anpassung der Taktzeiten des öffentlichen Verkehrs £ ¢ Anpassung der Linienführung des öffentlichen Verkehrs £ ¢ ¢ Anpassung der Tarife des öffentlichen Verkehrs £ ¢ Anpassung der Betriebsdauer öffentlichen Verkehrs £ ¢ Rad- und Fußverkehr Fußläufige Erreichbarkeit ¢ ¢ ¢ 20 Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge Anbindung undRadverkehrsnetz Mobilitätsfonds im Blick ¢ ¢ ¢ ¢ Fahrradgaragen im oder am Gebäude (Fahrradraum) ¢ ¢ ¢
Wohnstandortbezogene Mobilitätsmaßnahmen B Öff S S V F Pri Lö Stellplatzmanagement Reduzierung des Stellplatzschlüssels ¢ ¢ ¢ Privatwirtschaft und Öffentlich.rechtliche Errichtung von Quartiers- oder Sammelgaragen ¢ ¢ ¢ £ Privat-rechtliche öffentliche Hand Instrumente, Instrumente Instrumente Konzeptive Parkraumbewirtschaftung im Öffentlichen Raum £ Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge ¢ ¢ ¢ Qualitätsverbesserung im öffentlichen Verkehr Vertrag/Mobilitätsvertrag Wohnstandortbezogenes Flächenwidmungsplan Anpassung der Taktzeiten des öffentlichen Verkehrs £ ¢ Privatwirtschaftliche Mobilitätskonzept Stellplatzsatzung Städtebaulicher Bebauungsplan Mobilitätsfonds Anpassung der Linienführung des öffentlichen Verkehrs £ ¢ ¢ Öffentliche Hand Anpassung der Tarife des öffentlichen Verkehrs £ ¢ Lösungen Wohnstandortbezogene Anpassung Mobilitätsmaßnahmen der Betriebsdauer öffentlichen Verkehrs £ ¢ Rad- und Fußverkehr Stellplatzmanagement Fußläufige ReduzierungErreichbarkeit des Stellplatzschlüssels ¢ ¢ ¢ ¢ Anbindung Radverkehrsnetz Errichtung von Quartiers- oder Sammelgaragen ¢ ¢ ¢ ¢ £ Fahrradgaragen im oder am im Parkraumbewirtschaftung Gebäude (Fahrradraum) Öffentlichen Raum ¢ £ ¢ ¢ Fahrradabstellmöglichkeiten im Öffentlichen Raum Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge ¢ ¢ ¢ ¢ ¢ Fahrradservice Box Qualitätsverbesserung im öffentlichen Verkehr ¢ £ ¢ Orientierungshilfen (Umgebungspläne, Informations- Anpassung der Taktzeiten des öffentlichen Verkehrs £ £ ¢ ¢ stelen etc.) Anpassung der Linienführung des öffentlichen Verkehrs Sharing Mobility £ ¢ ¢ Anpassung der Tarife des öffentlichen Verkehrs Carsharing £ ¢ ¢ ¢ ¢ ¢ Anpassung der Betriebsdauer öffentlichen Verkehrs £ ¢ Bike-Sharing ¢ ¢ ¢ ¢ Rad- und Fußverkehr Lastenrad-Sharing ¢ ¢ ¢ ¢ Fußläufige Erreichbarkeit ¢ ¢ ¢ Sharing andere Mobilitätsangebote £ ¢ £ ¢ Anbindung Radverkehrsnetz ¢ ¢ ¢ ¢ First-/Last-Mile-Logistik Fahrradgaragen im oder am Gebäude (Fahrradraum) ¢ ¢ ¢ Paketboxen ¢ ¢ £ ¢ Fahrradabstellmöglichkeiten im Öffentlichen Raum ¢ ¢ ¢ Lieferdienste £ ¢ Fahrradservice Box ¢ £ ¢ Abholstationen Orientierungshilfen (Umgebungspläne, Informations- £ £ £ £ ¢ ¢ stelen etc.) Mikrodepot ¢ ¢ ¢ £ £ Sharing Mobility Information und Marketing Carsharing ¢ ¢ ¢ ¢ zielgruppenspezifisches Mobilitätsmanagement ¢ £ ¢ ¢ Bike-Sharing ¢ ¢ ¢ ¢ Fahrradreparaturtage £ £ ¢ Lastenrad-Sharing ¢ ¢ ¢ ¢ Erstbürgerpaket mit Informationen und ¢ £ ¢ Gratisangeboten Sharing im Bereich Mobilität für neu andere Mobilitätsangebote £ ¢ £ ¢ Hinzugezogene. First-/Last-Mile-Logistik Mieter*innenticket zur Verknüpfung von Wohnen und £ £ ¢ Verkehr ÖV-Abfahrtszeitmonitor ¢ ¢ ¢ trifft zu | £ trifft tlw. zu Mobilitätsvertrag /städtebaulicher Vertrag Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick 21 Charakteristika
Mobilitätsvertrag / Städtebaulicher Vertrag Charakteristika Unter Vertragsraumordnung werden privatrecht- Österreichs möglich. Jedoch besteht ein enger rechtli- liche Vereinbarungen zwischen Gemeinden und cher Rahmen für die Vertragsraumordnung insb. in der Grundeigentümer*innen verstanden, die als wichtige konkreten Vertragsausgestaltung. Mobilitätsverträge Ergänzung zu den hoheitlichen Planungsmaßnahmen stellen eine besondere Form dieser privatrechtlichen im Zusammenhang mit Baulandwidmungen dienen Vereinbarungen dar. Bislang sind jedoch weder der können und beträchtliches Anwendungspotential auf- Begriff „Mobilitätsvertrag“ noch mögliche Inhalte von weisen. Derartige privatrechtliche Vereinbarungen ori- solchen Verträgen in den Raumordnungsgesetzen ex- entieren sich im Wesentlichen an deutschen Vorbildern plizit verankert. (Kleewein 2014: 101) und sind in allen Bundesländern Wohnstandortbezogene Mobilitätsmaßnahmen Privatrechtliche infrastrukturell organisatorisch handlungsbezogen Instrumente Hoheitliche Städtebaulicher Vertrag, Instrumente Mobilitätsvertrag und -fonds Flächenwidmungsplan, Optimiert Bebauungsplan, .... + Innovativ + Erfahrungen sammeln + Etabliert + Adaptiv Standard + Erfahrungswerte + Flexibel + Kenngrößen + Neue Rollen + Zeitlich begrenzt + Neue Prozessee Basis + Klare Zuständigkeiten + Definierte Prozesse Abbildung 10: Handlungsspielraum mittels privatrechtlicher Instrumente Qualitätsmerkmale Folgende rechtliche Eckpunkte von zivilrechtlichen Vereinbarungen im Zusammenhang mit kommunalen Planungsakten sind zu beachten: • Die unterschiedlichen zulässigen Vertragsinhal- te sind idR nicht taxativ, sondern demonstrativ Legalitätsprinzip gemäß Art 18 B-VG aufgezählt, was den Verhandlungsspielraum der Gemeinden erhöht. Eine Beschränkung besteht • Entsprechend dem Legalitätsprinzip gemäß § 18 dennoch, da Verträge, die keinen sachlichen Zu- B-VG gilt, wenn öffentliche Aufgaben durch den sammenhang mit öffentlich-rechtlichen Planungs- Staat mit privatrechtlichen Mitteln verfolgt wer- zielen aufweisen oder bloß zur Umgehung von den, ist ein entsprechender rechtlicher Rahmen hoheitlichen Handlungsformen dienen, rechtswid- erforderlich. Die Raumordnungsgesetze aller ös- rig sind. Die von der Verwaltung abgeschlossenen terreichischen Bundesländer enthalten Ermäch- Verträge unterliegen damit einem beschränkten tigungen zu privatwirtschaftlichen Maßnahmen Inhaltszwang. (Kleewein 2003: 287, Kleewein durch die Gemeinden. 2014: 102) 22 Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick
Gleichbehandlungsgebot • Eine obligatorische Vertragsraumordnung wird auch für Mobilitätsverträge fachlich grundsätzlich • Grundsätzlich ist aus dem Gleichheitssatz in Art 2 wenig Sinn machen, zumal die Bauvorhaben sowie StGG und Art 7 B-VG abzuleiten, dass bei verord- die verkehrlichen und städtebaulichen Rahmenbe- neten Planungsfestlegungen ausschließlich sach- dingungen in einer Stadt erheblich variieren kön- lich gerechtfertigte Differenzierungen vorgenom- nen. men werden dürfen, die sich aus den Unterschieden in den anwendungsrelevanten Tatsachen ergeben. • Überbindungsklauseln, die allfällige Umgekehrt sind an gleiche Tatbestände idente Rechtsnachfolger*innen vertraglich binden, sind Rechtsfolgen anzuknüpfen. Eine „diskriminierende wesentliche Inhalte der Raumordnungsverträge. Behandlung der privaten Vertragspartner, ein über- Demzufolge bewirkt ein Eigentümer*innenwechsel schießender Mitteleinsatz sowie ein Missbrauch der kein Auslaufen der spezifischen Vertragsinhalte. Kombination öffentlich-rechtlicher und privatrecht- Dies gewährleistet zwar die Einhaltung der Verträ- licher Handlungsformen“ soll dadurch verhindert ge, stellt aber in der Praxis eine Herausforderung werden. (Kleewein 2003: 209) dar. Beim Weiterverkauf von Grundstücken erfolgt oft kein vollständiger Transfer des Hintergrund- • Inwieweit einzelne Vertragsinhalte rechtskonform wissens. Zudem können neue Entwickler*innen sind, ist jeweils aufgrund der landesgesetzlichen alternative Vorschläge zur Mobilitätsentwicklung Vorschriften – vor dem verfassungsrechtlichen Hin- nicht immer einbringen, da dies vertragliche Än- tergrund – zu prüfen. Hierzu liegen bis dato – ins- derungen nach sich ziehen könnte. besondere für Mobilitätsmaßnahmen – noch keine verfassungsrechtlichen Erkenntnisse vor. Anwendungsbereich der Vertragsraumordnung Koppelungsverbote zwischen Hoheits- und Privat- • Im Zusammenhang mit der Vertragsraumordnung rechtsverwaltung werden vor allem für Grundeigentümer*innen Pflichten festgelegt. Gemeinden binden sich in • Der kommunale Planungsträger hat Planungsfest- ihrem planerischen Ermessen grundsätzlich nicht legungen sowohl im Flächenwidmungs- als auch durch zivilrechtliche Vereinbarungen, bzw. wäre im Bebauungsplan im Rahmen der gesetzlichen es unzulässig inhaltliche Festlegungen im Flä- Grundsätze, Ziele und Kriterien zu treffen und die chenwidmungsplan oder Bebauungsplan von städ- entsprechenden öffentlichen Interessen abzuwägen. tebaulichen Verträgen abhängig zu machen. (Klee- Die Widmungsentscheidungen dürfen demnach wein 2014: 103) nicht von zivilrechtlichen Vereinbarungen abhängig gemacht werden. Durch die Vertragsraumordnung • Kommen Vertragspartner*innen den inhaltlichen wird (lediglich) eine bedingte Leistung der Gemein- Vereinbarungen nicht nach, muss die Gemein- de, nämlich eine Umwidmung einer Liegenschaft, de – nach einer entsprechenden Frist – rechtliche ausgelöst, die in der Folge eine Handlungspflicht Schritte einleiten und die Vertragseinlösung ein- des/der Grundeigentümer*in bewirkt. (Binder 1995: fordern bzw. vor Gericht einklagen. 612; Kleewein 2000: 563) Trotzdem geben in man- chen Fällen in der Praxis manche Bauträger*innen • Privatrechtliche Verträge werden somit in der Pra- an, dass sie den Vertrag nur abschließen würden, da xis von den Gemeinden eingesetzt: sonst mit einer Widmung nicht gerechnet werden »» vor Baulandwidmungen; könne. »» nach Baulandwidmungen, aber vor einer Ände- rung des Bebauungsplanes, der eine Verbesserung Fakultative Vertragsraumordnung der baulichen Nutzung zulässt. • Der Rechtsprechung des VfGH im Erk. VfSlg. • Eine besonders aussichtsreiche Vertragsposition ha- 15.625/1999 zur Salzburger Vertragsraumordnung ben Gemeinden, wenn sie Grundeigentümer*innen folgend, verpflichten die Gesetze die Gemeinden der entsprechenden Liegenschaften sind, da vor durchwegs nicht zur Vertragsraumordnung, son- dem Liegenschaftsverkauf weitreichende Möglich- dern bieten ihnen nur die Möglichkeit dazu. Auch keiten bestehen, den Inhalt des Vertrags zu gestalten Grundeigentümer*innen sind nicht verpflichtet, und raumplanungs- und siedlungsentwicklungsspe- einen Vertrag mit der Gemeinde abzuschließen; zifische Anliegen und Maßnahmen vertraglich zu sie werden aber bei keiner Vertragsunterfertigung verankern. eventuell damit rechnen müssen, dass die Gemein- de andere Varianten von Planungsfestlegungen in Betracht zieht. Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick 23
Umsetzung Änderungen • Da die Vertragsraumordnung u.a. auch als wir- • Die Praxis zeigt, dass zwischen der erstmaligen Ver- kungsvolles Instrument zur Umsetzung und Absi- tragserstellung und dem Abschluss des Bauvorha- cherung von Planungsmaßnahmen eingesetzt wird, bens oft sehr lange Zeiträume liegen. Zunehmende wäre eine Nichteinhaltung von Vertragsinhalten zeitliche Distanz zum ursprünglichen Vertragsab- besonders nachteilig. Daher sind vielfach Reglun- schluss birgt die Möglichkeit, dass sich die um- gen über die Mittel zur Sicherstellung der verein- setzungsrelevanten Akteur*innen sowie die Rah- barten Leistungspflichten der Vertragspartner*innen menbedingungen und in der Folge die angestrebten wesentlicher Inhalt von Raumordnungsverträgen. Ziele und zweckmäßigen Maßnahmen verändern – Als Mittel zur Absicherung von Leistungspflichten insb. im Mobilitätsmanagement. sehen die Raumordnungsgesetze etwa die Verein- barung von Konventionalstrafen, Kautionen oder • Demzufolge sind vertragliche Festlegungen mit de- Hypotheken, die Einräumung eines Optionsrechts taillierten Regelungen, die erst deutlich später umge- sowie die Übernahme einer Bürgschaft durch Dritte setzt werden sollen, problematisch, zumal vertrag- vor. (Vgl. Hecht & Pekar 2016: 76) Die vorgeschrie- liche Änderungen nur eingeschränkt möglich sind. benen Sicherungsmittel zur Umsetzung der Raum- Dem Umstand wird teilweise dadurch Rechnung ordnungsziele müssen dabei „geeignet, erforderlich getragen, dass zunächst nur ein Rahmenvertrag ge- und verhältnismäßig sein“. (Kleewein 2014: 102) schlossen wird und detailliertere Festlegungen erst später ausverhandelt und festgelegt werden. Dies • Städtebauliche Verträge stellen nicht nur eine Her- obliegt allerdings den Verhandlungspartner*innen, ausforderung bei der Vertragserstellung und -unter- wobei das gesetzlich vorgesehene Mindestmaß an zeichnung dar, sondern auch bei der Umsetzung der Determinierung der Vertragsinhalte einzuhalten ist. vereinbarten Inhalte. Offensichtlich scheuen einzel- ne Gemeinden eine umfassende Durchsetzung von vereinbarten Vertragsinhalten durch das Einklagen von Vertragsinhalten und die Durchsetzung von Sanktionen. Fokus Mobilität • In den Raumordnungsgesetzen der Länder festgelegte Grundsätze und Ziele sind ein maßgebliches Kriterium für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von vertraglichen Vereinbarungen und erscheinen als Begründung zur Festlegung von mobilitätsbezogenen Maßnahmen besonders geeignet. • Bislang fehlen ausdifferenzierte Maßnahmenkataloge auf raumordnungsgesetzlicher Ebene. Mögliche Inhalte der Mobilitätsverträge am Beispiel des Grazer Mobilitätsvertrages zeigen, dass eine Vielzahl mobilitätsspezifi- scher Maßnahmen flexibel und maßgeschneidert festgelegt werden kann. • Aus planungsfachlicher und -rechtlicher Sicht sind folgende Aspekte der Maßnahmen zu beachten: »» Konkretheit der Maßnahmen »» Hoheitliche bzw. privatwirtschaftliche Maßnahmen (vgl. Tabelle 3) »» Art der Maßnahme (z.B. infrastrukturell, organisatorisch oder handlungsbezogen) »» Maßnahmenträger*innen (vgl. Kompetenzen und Rollen der Akteur*innen) »» Umsetzungszeitpunkt und -dauer (vgl. Prozesse & Akteur*innen) »» Öffentliche Interessen der Maßnahmen 24 Mobilitätsverträge, Städtebauliche Verträge und Mobilitätsfonds im Blick
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