Speicherung von Bioenergie und erneuerbarem Strom im Erdgasnetz
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Dr. Specht u. a. • Speicherung erneuerbarer Energien im Erdgasnetz FVEE • AEE Themen 2009 Speicherung von Bioenergie und erneuerbarem Strom im Erdgasnetz 1. Speicherung erneuerbarer träger Methan effizient gespeichert, verteilt und ZSW zur bedarfsgerechten Nutzung bereitgestellt. Dr. Michael Specht Energien für Fluktuations- michael.specht@zsw-bw.de Die bidirektionale Konvertierbarkeit Strom/Gas ausgleich, Versorgungs- ermöglicht eine Energiespeicherung und Strom- Frank Baumgart frank.baumgart@zsw-bw.de sicherheit und Netzstabilität netzstabilisierung, indem bei Stromüberschuss negative Regelenergie durch Einspeisung von Bastian Feigl Erdgassubstitut bzw. bei Strombedarf positive bastian.feigl@zsw-bw.de Ziel eines zukünftigen Energiesystems ist eine Regelenergie durch Rückverstromung von Volkmar Frick nachhaltige Vollversorgung aus erneuerbaren volkmar.frick@zsw-bw.de Erdgassubstitut bereitgestellt wird. Ressourcen. Dabei sollen die Endenergien Strom, Bernd Stürmer Wärme und Kraftstoff jederzeit ohne Nutzungs- bernd.stuermer@zsw-bw.de beschränkungen zur Verfügung stehen. Viele Dr. Ulrich Zuberbühler erneuerbare Energien (EE) wie z. B. Windkraft 2. Energiespeicherung: ulrich.zuberbuehler@ und Solarenergie fallen jedoch fluktuierend an. Schlüsselkomponente in zsw-bw.de Die Lösung liegt in der Energiespeicherung. So kann auch zu Zeiten mit einem geringen einem nachhaltigen Fraunhofer IWES Angebot an EE (z. B. Windflaute) die Nachfrage Energiesystem Dr. Michael Sterner gedeckt werden. msterner@iset.uni-kassel.de Vorgestellt wird ein neuer Lösungsansatz zur Von den EE lässt sich Biomasse am einfachsten saisonalen Speicherung von EE. Speichermedium speichern, da diese als Brennstoff materiell vor- Solar Fuel ist Erdgassubstitut (Substitute Natural Gas, SNG), liegt. Sie ist saisonal lagerfähig, steht bei Bedarf Technology GmbH das sich über die Konversionspfade „Biogas-to- zur Wärme-, Strom- und Kraftstoffproduktion & Co. KG SNG“, „BioSyngas-to-SNG“ und das neue zur Verfügung und eignet sich damit ideal für Gregor Waldstein Konzept „Wind-to-SNG“ erzeugen lässt. die Grundlastsicherung. Biomasse deckt derzeit Hofhaymer Allee 42 A-5020 Salzburg ca. 10 % des Weltenergiebedarfs, der Beitrag Die Erzeugung von Erdgassubstitut („Biome- waldstein@solar-fuel.com am Weltenergieverbrauch kann jedoch auf than“, „Bioerdgas“) aus Biogas ist Stand der maximal ca. 20 % anwachsen. Technik. Herstellungsverfahren aus „Bio-Synthe- Ebenfalls grundlastfähig sind Geothermie und segas“ über den Weg der Biomassevergasung Laufwasserkraft, die aber nur begrenzt zur befinden sich in der Demonstrationsphase. Verfügung stehen. Die großen Potenziale der EE Neu ist der Verfahrensweg, aus CO2 und H2 bilden die quasi nicht limitierte Solarstrahlung, Erdgassubstitut zu erzeugen. Fluktuierend aber auch die Windenergie, die jedoch beide anfallende Elektrizität aus erneuerbaren Energie- stark fluktuierend anfallen, nur begrenzt regel- quellen (z. B. aus Windkraft) dient im „Wind-to- bar sind und daher der Speicherung bedürfen. SNG-Konzept“ zur elektrolytischen Erzeugung von Wasserstoff, der mit CO2 (z. B. aus Biogas) Nur mit ausreichender Energiespeicherung wird oder mit CO/CO2-Gemischen (z. B. aus dem eine gesicherte Vollversorgung mit EE gelingen. Produktgas der thermochemischen Konversion Die Potenziale und die möglichen Einsatzberei- von Biomasse) in einem Synthesereaktor zu che der verschiedenen Speicher werden durch Methan konvertiert und als Erdgassubstitut in die erforderliche Speicherkapazität und das Erdgasnetz eingespeist wird. Speicherdauer sowie die Umwandlungsverluste und die Kosten bestimmt. In der vorhandenen Erdgas-Infrastruktur wird Erst durch die Erweiterung der Stromnetze, den der erneuerbar hergestellte, chemische Energie- Zusammenschluss verschiedener Stromerzeuger 69
Dr. Specht u. a. • Speicherung erneuerbarer Energien im Erdgasnetz FVEE • AEE Themen 2009 Randbedingungen in Deutschland sehr stark eingeschränkt sind, werden sie nur in einem begrenzten Umfang zur zukünftigen Integration Discharge time [h] der EE ins Stromnetz beitragen können. Druckluftspeicher arbeiten in mit Pumpspeich- erwerken vergleichbaren Leistungsbereichen. Weltweit sind jedoch erst zwei Anlagen in Betrieb. Die Speicherung in Schwungradspeichern oder Superkondensatoren ist insbesondere hinsicht- Storage capacity of different storage systems lich Dauer und Kapazität begrenzt. Daher be- CAES: Compressed Air Energy Storage (Druckluftspeicherkraftwerk) steht deren primäre Aufgabe in der kurzfristigen PHS: Pumped Hydro Storage (Pumpspeicherwerk) H2, SNG: Die Untertage-Ausspeicherung beinhaltet die Rückverstromung in (
Dr. Specht u. a. • Speicherung erneuerbarer Energien im Erdgasnetz FVEE • AEE Themen 2009 2.2 Speicherkapazitäten im heutigen haben dabei den Vorteil einer sehr schnellen Energiesystem und beim Ausbau der Ansprechzeit und können somit flexibel zu- und Elektromobilität abgeschaltet werden. Dadurch bieten diese mobilen Energiespeicher die Möglichkeit, Im heutigen Energiesystem wird die Vorhaltung Systemdienstleistungen zur Stabilisierung der von Energie durch die Lagerung fossiler Brenn- Netze zu übernehmen, wie z. B. die Bereitstel- stoffe gelöst (Kohle, Erdöl und Erdgas). Die lung von Regelenergie oder den Lastausgleich. Bevorratung liegt hier typischerweise in einem Zu Starklastzeiten steht diese Energie durch Bereich, der dem Verbrauch von mehreren Entladung der Traktionsbatterien zur Verfügung, Monaten entspricht. Dies gilt jedoch nicht für während sie zu Schwachlastzeiten wieder aufge- Strom. Angebot und Nachfrage müssen sich laden werden. Dies führt zu einer Glättung der stets genau die Waage halten. Bei einer über- Stromlastkurve und entlastet die Energieerzeu- wiegenden Versorgung mit EE stellt sich die gung sowie – bedingt durch die räumliche prinzipielle Frage, welche Speicher an die Stelle Verteilung der Speicher – auch die Netze. der Bevorratung fossiler Brennstoffe treten Unter der Annahme, dass 40 Mio. Fahrzeuge können. alle gleichzeitig am Stromnetz angeschlossen sind und jedes Fahrzeug 10 kWh einspeist, be- Die aufgeführten Zahlen in Tabelle 1 verdeutli- trägt die Speicherreichweite ca. 6 Stunden und chen die Problematik bei der Stromspeicherung: übertrifft damit die bisher in Form von Pump- Erzeugung und Verbrauch müssen zeitgleich speicherwerken installierte Kapazität um ein erfolgen. Die heute vorhandene Stromspeicher- Mehrfaches (Tabelle 2). kapazität beläuft sich auf nur 0,04 TWh, d. h., die vorhandenen Speicher könnten rein rechne- Durch die Einbindung von Traktionsbatterien risch den kompletten Strombedarf Deutschlands kann die Elektromobilität damit zur Stromspei- nur für weniger als eine Stunde decken. cherung und Stromnetzstabilisierung beitragen. Elektrofahrzeuge können somit zukünftig vor Werden Batterien von Elektrofahrzeugen bidi- allem als Kurzzeitspeicher zur Unterstützung des rektional in das Netz integriert und mit einem Netzbetriebs und Überbrückung kurzfristiger intelligenten Energiemanagement verknüpft, ist Schwankungen eingesetzt werden. sowohl das Laden als auch das Entnehmen von Eine mehrtägige oder sogar saisonale Strom- Energie möglich (Vehicle-to-Grid). Batterien speicherung ist jedoch im bestehenden System Strom Erdgas Flüssigkraftstoffe1) Tabelle 1 Verbrauch [TWh/a] 615 930 707 Energieverbrauch und durchschnittliche Leistung [GW] 70 106 2) 81 -speicherkapazitäten Speicherkapazität [TWh] 0,04 3) 217 4) 250 5) in Deutschland (2008) rechnerische Speicherreichweite 6) [h] 0,6 2000 3100 1) Benzin, Diesel, Kerosin 2) jahreszeitlich stark schwankend 3) Pumpspeicherwerke 4) 47 Untertage-Gasspeicher (zzgl. 79 TWh in Bau / Planung) [1] 5) Bevorratung an Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl EL 6) bezogen auf die durchschnittliche Leistung 1 Mio. Elektrofahrzeuge 40 Mio. Elektrofahrzeuge Tabelle 2 Verbrauch 2) [TWh/a] 1,9 76 Energieverbrauch und Anteil am Stromverbrauch [%] 0,3 12 Speicherkapazität 3) [TWh] 0,01 0,4 -speicherkapazitäten rechnerische Speicherreichweite 4) [h] 0,15 6 durch Elektrofahrzeuge in Deutschland 1) 1) Bezugsjahr 2008 2) 0,16 kWh/km; 12.000 km/a 3) verfügbare Speicherkapazität pro Fahrzeug: 10 kWh 4) bezogen auf die durchschnittliche Leistung von 70 GW (vgl. Tab. 1) 71
Dr. Specht u. a. • Speicherung erneuerbarer Energien im Erdgasnetz FVEE • AEE Themen 2009 selbst unter der Annahme einer vollständigen sich die ca. 10- bis 100-fache, bei regenerativ Umstellung des PKW-Bestands auf Elektrofahr- erzeugtem Erdgassubstitut sogar die ca. 30- bis zeuge nicht möglich. 300-fache Speicherkapazität gegenüber der Druckluftvariante (abhängig vom Speicher- Nach heutigem Kenntnisstand ist für die saison- druck). Ein Vergleich mit den existierenden und ale Speicherung von Energie die Erzeugung von den in Planung befindlichen Erdgasspeichern Sekundärenergieträgern eine notwendige zeigt, dass diese Speicherkapazitäten heute in Voraussetzung. Flüssige und gasförmige Brenn- der bestehenden Infrastruktur bereits Realität stoffe lassen sich im Gegensatz zu Strom direkt sind (Tabelle 1). Rein rechnerisch lassen sich aus und in großem Umfang speichern. Im Kraftstoff- 217 TWh von in Kavernen lagerndem Erdgas markt werden Benzin und Diesel über Monate mit Gas-und-Dampf-Kraftwerken zeitlich flexibel bevorratet. Die Gasspeicherkapazitäten in 130 TWh Strom erzeugen. Andere Speicher- Deutschland sind um den Faktor 5000 höher technologien mit einer Kapazität in einer Grö- als die Kapazitäten der Pumpspeicherwerke ßenordnung von > 10 TWh sind nicht in Sicht. (Tabelle 1). Da sich Erdgas in modernen Kraft- werken mit einem Wirkungsgrad von nahezu Bei der Speicherung von EE in Untertagespei- 60 % verstromen lässt, liegt es nahe, die Gas - chern bahnt sich jedoch ein Konflikt an: Die speicherkapazität für die Speicherung von EE zu Technologien Druckluftspeicher und Gasspei- nutzen. cher (Erdgas, Erdgassubstitut oder Wasserstoff) können zumindest regional mit der so genann- 2.3 Erfordernisse an die Kapazität saisonaler ten „Speicher“-Technologie CCS (Carbon Cap- Speicher ture and Storage) konkurrieren, bei der es sich Eine prinzipielle Frage ist, welche Speicherleistung um eine Entsorgung von CO2 handelt und nicht und welche Speicherkapazität des deutschen um eine Energiespeicherung. Sollte es bei der Stromnetzes bei 100 %-Vollversorgung durch EE Verstromung fossiler Energieträger in erheblichen erforderlich sind, um beispielsweise längere Umfang zu einer Deponierung von CO2 in aus- Windflauten zu überbrücken. gebeuteten unterirdischen Erdgaslagerstätten Grundlastfähige EE zur Stromerzeugung sind kommen, so stehen entsprechende Reservoire Bioenergie, Geothermie, Laufwasserkraft und zur saisonalen Speicherung von EE nicht mehr ca. 10 % der installierten Windkraftleistung. Von zur Verfügung. diesen insgesamt ca. 18 GW prognostizierter Leistung im Jahr 2050 entfallen auf Bioenergie 5 GW, Geothermie 4 GW, Laufwasserkraft 3 GW 3. Lösungsansatz: und den grundlastfähigen Anteil der Windener- gie 6 GW, berechnet nach [2]. Bei einer durch- Erdgassubstitut (SNG) als schnittlichen Last von 70 GW (siehe Tabelle 1) Speichermedium für verbleibt eine Speicherkapazität von nahezu 20 TWh, wenn die verbleibende Leistung von erneuerbare Energien ca. 50 GW über einen Zeitraum von ca. 2 Wochen abgerufen wird. Zur Stromspeicherung stehen Der regenerative Energieträger SNG lässt sich in Deutschland z. Zt. jedoch nur 0,04 TWh in über verschiedene Pfade herstellen. Form von Pumpspeicherwerken zur Verfügung. Primärressourcen sind Bei einer Vollversorgung durch erneuerbaren • „nasse“ Biomasse für die anaerobe Strom ist also ein Ausbau der Speicherkapazitä- Vergärung (Biogas-to-SNG) ten um das ca. 500-fache notwendig! • „trockene“ Biomasse für die thermochemi- sche Vergasung (BioSyngas-to-SNG) Für die erforderlichen Kapazitäten von ca. 20 TWh • regenerativ erzeugter Strom zur elektro- in Deutschland kommen nur chemische Ener- lytischen Erzeugung von Wasserstoff in gieträger infrage, die z. B. in Kavernen als Gas Kombination mit Kohlen(di)oxid aus diver- untertage gespeichert werden können. Beim sen biogenen und nicht-biogenen Quellen Vergleich eines Kavernenspeichers mit Wasser- (Wind-to-SNG) stoff als chemischem Speichermedium ergibt • Kombinationen der genannten Verfahren 72
Dr. Specht u. a. • Speicherung erneuerbarer Energien im Erdgasnetz FVEE • AEE Themen 2009 Die einzelnen Pfade werden nachfolgend AER-Verfahren (Absorption Enhanced Reforming) erläutert. wegen seines hohen H2-Gehalts von > 60 Vol.% sehr gute Voraussetzungen für eine nachge- 3.1 Biogas-to-SNG schaltete Methanisierung. Bei dieser Reaktion Bei der anaeroben Fermentation von Biomasse werden CO und CO2 durch den im Gas vorhan- wird ein Rohbiogas mit den Majorkomponenten denen Wasserstoff zu Methan konvertiert CH4 (50 – 70 Vol.%) und CO2 (30 – 50 Vol.%) (Gleichung 1 – 3). Dies erfordert ein definiertes gewonnen. Weiterhin sind Wasserdampf, die H2/CO/CO2-Verhältnis, sofern auf eine Gaskon- Minorkomponenten H2S, NH3 sowie je nach Art ditionierung/Gastrennung verzichtet werden der Vorentschwefelung auch N2 und O2 enthal- soll. Das AER-Produktgas eignet sich aufgrund ten. Eine Aufbereitung des Rohbiogases zu SNG der einstellbaren Stöchiometrie [3], seiner erfolgt durch Abtrennen von Wasser, der Minor- Bestandteile und des bereits vorhandenen komponenten und der Majorkomponente CO2, CH4-Anteils ideal zur SNG-Erzeugung, da nach bis die für die Einspeisung notwendige Qualität weitgehend quantitativem Reaktionsumsatz und (Austauschgasqualität) bezüglich der Maximal- nach Abtrennung des Reaktionswassers weitere konzentrationen der Gasbestandteile und der Prozessschritte entfallen. Werden Synthesegase brenntechnischen Eigenschaften erreicht ist. aus der Vergasung mit nicht angepasstem CO2 wird in bestehenden Anlagen durch Druck- H2-Gehalt verwendet, so ist eine nachgeschal- wechseladsorption oder verschiedene Wäscher- tete CO2-Abtrennung zwingend erforderlich. systeme entfernt. Die bei der Aufbereitung anfallenden Restgase werden meist in einem 3.3 Wind-to-SNG Brenner zur Wärmeerzeugung für den Fermen- Das Thema „Herstellung C-basierter Brennstoffe ter oder in einem Gasmotor zur gekoppelten aus CO2 und H2“ wird am ZSW seit Ende der Strom-/ Wärmeerzeugung verwertet. 80er Jahre mit der Zielsetzung bearbeitet, EE zu speichern [4 – 6]. Neue Aspekte beim Wind-to- 3.2 BioSyngas-to-SNG SNG-Konzept sind die Nutzung bestehender Werden feste Brennstoffe nicht verbrannt son- Gasnetz-Infrastrukturen für die Speicherung und dern vergast, erhält man ein Brenngas, das viel- Verstromung des erzeugten Brennstoffs sowie seitig genutzt werden kann. Der Brennstoff insbesondere die Verwendung von Windstrom, reagiert mit Luft, Sauerstoff und/oder Wasser- dessen weiterer Ausbau zurzeit durch die Auf- dampf und es entsteht das gewünschte Rohgas, nahmekapazität der Stromnetze begrenzt wird. dessen Zusammensetzung von dem Verga- Es kann aber auch Solarstrom bzw. jeder andere sungsverfahren, den Prozessbedingungen sowie erneuerbare Strom für den Prozess eingesetzt von den Einsatzstoffen abhängig ist. werden. Idealerweise ist das Gas nicht durch die Inert- komponente Stickstoff (Vergasung mit Luft) ver- Das Grundprinzip des Wind-to-SNG-Konzepts dünnt. Majorkomponenten sind H2, CO, CO2, ist die bidirektionale Verknüpfung der existieren- H2O und (je nach Vergasungstemperatur) CH4. den Infrastruktureinheiten Stromnetz und Gas- Minorkomponenten wie Schwefelverbindungen, netz mit dem Ziel, ein neuartiges Last- und Ammoniak, Teere und Staubfrachten müssen Erzeugungsmanagement zu etablieren, das die aus dem Gas entfernt werden. Aufnahme hoher Anteile fluktuierender Stromer- zeugung aus EE ins Energiesystem ermöglicht. Für die Erzeugung von SNG über die Biomasse- Bislang besteht die Verknüpfung nur durch vergasung bietet das am ZSW entwickelte Stromerzeugung aus Erdgas (Gas-to-Power), Methanisierungsreaktionen Gleichung 1 bis 3 3 H2 + CO ➞ CH4 + H2O(g) DHR = -206 kJ/mol (Gleichung 1) 4 H2 + CO2 ➞ CH4 + 2 H2O(g) DHR = -165 kJ/mol (Gleichung 2) CO-Shift-Reaktion H2O(g) + CO ➞ H2 + CO2 DHR = -41 kJ/mol (Gleichung 3) 73
Dr. Specht u. a. • Speicherung erneuerbarer Energien im Erdgasnetz FVEE • AEE Themen 2009 Abbildung 2 Wind-to-SNG-Konzept zur bidirektionalen Kopplung von Strom- und Gasnetz mit Anbindung an den Verbrauchssektor Mobilität CCPP: Combined Cycle Power Plant B-CHP: Block-Type Combined Heat and Power Station BEV: Battery Electric Vehicle FCEV: Fuel Cell Electric Vehicle CNG-V: Compressed Natural Gas Vehicle Plug-In HEV: Plug-In Hybrid Electric Vehicle; Especial: Plug-In Electric Drive Motor Vehicles/Range-Extended Electric Vehicle nicht jedoch in umgekehrter Richtung (Power- Stromerzeugungsleistung zur Verfügung stellen to-Gas). Grundlage des neuen Konzeptes ist, zu können, ist eine Kombination der Wind-to- aus Gründen der Netzstabilität nicht einspeis- SNG-Anlage mit einem Gas- oder Blockheiz- bare bzw. preiswert verfügbare Elektrizität (z. B. Kraftwerk eine geeignete Konzeption, wobei die bei hohem Windstromaufkommen) in Form von Verstromung nicht notwendigerweise am Stand- Erdgassubstitut zu speichern. Ein wesentliches ort der Wind-to-SNG-Anlage erfolgen muss. Ziel ist, die Einspeisung von Windstrom plan- und regelbar zu gestalten. Das Prinzip ist in Das Wind-to-SNG-Konzept lässt sich hervorra- Abbildung 2 dargestellt. gend in das bestehende Energiesystem integrie- ren. Ein besonderer Vorteil gegenüber anderen Das Konzept sieht vor, „überschüssigen“ Strom Optionen ist die Nutzung des Erdgasnetzes mit aus fluktuierenden Quellen mittels Elektrolyse seiner hohen Speicher- und Transportkapazität. zunächst zu Wasserstoff und in einer anschlie- Während eine Hochspannungs-Gleichstrom- ßenden Synthesestufe mit CO2 (und/oder CO) übertragung (HGÜ) auf Leistungen < 7 GW be- zu Erdgassubstitut umzusetzen. Der energetische schränkt ist, beträgt diese bei einer Gaspipeline Wirkungsgrad beläuft sich hierbei auf > 60 % bis zu 70 GW. (kWhSNG /kWhel ). Hohe Windkrafterträge können als „Wind-SNG“ sowohl saisonal gespeichert, als auch mit hohen Eine Wind-to-SNG-Anlage kann überschüssigen Energieübertragungsleistungen über große Windstrom über das Anfahren der Elektrolyse Entfernungen transportiert werden. Für die aufnehmen und als SNG im Erdgasnetz Verstromung bieten sich Gaskraftwerke mit elek- zwischenspeichern. Durch gezieltes Drosseln trischen Wirkungsgraden von bis zu 60 % an. oder Abschalten der Elektrolyse kann in Zeiten Mit steigendem Anteil EE im Stromnetz benötigt schwächeren Windstromangebots bzw. höherer Deutschland den Zubau dieser hocheffizienten Stromnachfrage die Elektrolyseleistung gesenkt Kraftwerke, um schnell auf Lastschwankungen werden. Um zu jeder Zeit – auch bei Windflaute – reagieren zu können. Im Gegensatz zu Atom- 74
Dr. Specht u. a. • Speicherung erneuerbarer Energien im Erdgasnetz FVEE • AEE Themen 2009 und Kohlekraftwerken lassen sich Gaskraftwerke Wasserstoff aus der Elektrolyse von Wind-to- schnell und problemlos regeln. SNG-Anlagen kann einerseits über H2-Netze ver- teilt und für die Mobilität bereitgestellt werden. Hervorzuheben ist zudem die besondere Flexibi- Andererseits ist eine Bereitstellung von Wasser- lität hinsichtlich der Nutzungsoptionen der ge- stoff durch dezentrale Erzeugung an Tankstellen speicherten Energie, denn SNG kann nicht nur durch Reformieren von SNG unter Nutzung rückverstromt, sondern auch im Wärme- oder existierender Infrastruktur möglich, ohne dass Kraftstoffmarkt eingesetzt werden. Letzteres ist eine großflächige Verteilungsinfrastruktur für vor dem Hintergrund des geplanten steigenden Wasserstoff erforderlich wird. Anteils von regenerativen Kraftstoffen im Ver- kehrsbereich von besonderem Interesse. 3.4 Biogas/Wind-to-SNG Die Bereitstellung des für die Methanisierung Das Wind-to-SNG-Konzept weist verschiedene benötigten Kohlendioxids kann aus verschiede- Schnittstellen zum Mobilitätsbereich auf nen Quellen erfolgen (CO2-Abtrennung bei („Wind-to-Tank“ in Abbildung 2), da drei rege- Verstromung fossiler Energieträger, Kalk-/ nerative Energieträger für Fahrzeuge bereitge- Zementherstellung, Prozesse der chemischen stellt werden können: Industrie, etc.). Als „Off-Gas“ entsteht CO2 bei • (gespeicherter) Strom für batterieelektrische der Aufbereitung von Biogas zu „Bio-Methan“ Fahrzeuge (BEV) (CO2-Abtrennung). Da dieses biogene CO2 • H2 für Brennstoffzellenfahrzeuge (FCEV) nicht mit klimarelevanten Emissionen belastet • SNG für Erdgasfahrzeuge (CNG-V) ist, eignet es sich besonders als Edukt für die Methanisierung (Abbildung 3.1). Alternativ kann Die chemischen Energieträger H2 und SNG CO2 aus Biogas auch ohne vorherige Abtren- eignen sich darüber hinaus für Plug-In-Hybrid- nung direkt genutzt werden, indem das Biogas Fahrzeuge (Plug-In HEV), mit denen kurze Fahr- direkt einer Methanisierungseinheit zugeführt distanzen rein elektrisch zurückgelegt werden wird (Abbildung 3.2). Eine optimale Kombina- können – erst bei längeren Fahrdistanzen kom- tion ist die Kopplung Windpark/Biogas-/Wind-to- men H2 bzw. SNG durch Verstromung in einem SNG-Anlage an Stellen, an denen Stromnetz- „Range Extender“ zum Einsatz. engpässe den weiteren Windkraftzubau verzögern Abbildung 3 Steigerung des Methanertrags von Biogasanlagen durch H2-Zugabe und anschließende Methanisierung 75
Dr. Specht u. a. • Speicherung erneuerbarer Energien im Erdgasnetz FVEE • AEE Themen 2009 Abbildung 4 3.5 BioSyngas/Wind-to-SNG Containerintegrierte In einer weiteren Ausführung sollen auch bio- Wind-to-SNG-Anlage gene Gase aus der thermochemischen Verga- mit Elektrolysestack [1] sung verwendet werden, deren Stöchiometrie und Methanisierungs- nicht auf die nachfolgende SNG-Erzeugung apparatur [2] adaptiert ist. Die Zugabe von H2 zum Verga- [2] sungsgas ermöglicht eine nahezu vollständige Konversion des biogenen Kohlenstoffs zu Brenn- stoffkohlenstoff. Hierdurch lassen sich biogene Ressourcen bezüglich des Brennstoffertrags wesentlich effizienter nutzen. Ein weiterer Aspekt ist die Verwendung des bei der Elektro- lyse anfallenden Sauerstoffs für die Biomassever- gasung. 4. Experimentelle Ergebnisse [1] Am ZSW wurden verschiedene Festbettreakto- ren zur SNG-Erzeugung bis zu einer Leistungs- klasse von 50 kW aufgebaut und getestet. (z. B. im Küstenbereich mit hohem Zubau an Durch die Exothermie der Methanisierung und Offshore-Windkraft). die Qualitätsanforderungen an die Gasbeschaf- fenheit zur Einspeisung in das Gasnetz In einer ersten technischen Realisierungsstufe ist (H2 < 5 Vol.%, CO2 < 6 Vol.%) ergeben sich der Aufbau einer 10 MW-Wind-to-SNG-Anlage besondere Anforderungen an die Reaktionsfüh- in Kopplung mit einer Biogasanlage geplant, in rung und das Reaktorkonzept. Diesen wird der das Biogas ohne CO2-Abtrennung durch Rechnung getragen durch die Reaktorgeome- Zudosierung von H2 zu SNG methanisiert wird. trie, das Reaktorkühlkonzept und eingestellte Ziel für die Inbetriebnahme ist das Jahr 2012. Aktivitätsprofile der Katalysatorschüttbetten. Abbildung 5 Gaszusammensetzung der Edukt- und Produktgase bei der Methanisierung Reaktorsystem: Festbett; Ni-basierter Katalysator; T = 250 – 550 °C; pabs = 8 bar; Raum- geschwindigkeit = 5000 1/h); Reaktionspfade: AER-Syngas ➞ SNG; CO2/H2 ➞ SNG; Biogas/H2 ➞ SNG 76
Dr. Specht u. a. • Speicherung erneuerbarer Energien im Erdgasnetz FVEE • AEE Themen 2009 Ziel ist ein möglichst hoher Umsatzgrad in 5. Fazit einem einstufigen Reaktorsystem ohne die Erfor- dernis einer nachgeschalteten Gaskonditionie- Die verschiedenen Methoden der SNG-Herstel- rung. Alternativ werden Reaktorkonzepte mit lung aus EE und die Nutzungsoptionen in unter- Zwischenkondensation/Wasserabtrennung un- schiedlichen Verbrauchssektoren bieten die tersucht. Chance für ein Zusammenwachsen der Energie- sektoren Stromnetz, Gasnetz und Mobilität. Eine vollständige Wind-to-SNG-Anlage in der Strom und SNG sind bidirektional ineinander Leistungsklasse 30 kW wurde im Auftrag der umwandelbar und verfügen über eine voll aus- Firma Solar Fuel Technology containerintegriert gebaute Infrastruktur mit saisonaler Gasspei- aufgebaut. Sie beinhaltet Elektrolyse, Methani- cherkapazität. Zudem lässt sich aus beiden sierung, Steuer- und Regelelektronik inklusive Energieträgern dezentral H2 erzeugen, ohne auf eines Betankungsmoduls für Erdgasfahrzeuge ein großflächiges H2-Verteilsystem mit hohen (Abbildung 4). Die Anlage wird zur Untersu- Infrastrukturkosten angewiesen zu sein. Das vor- chung von Lastprofilen für die Netzregelung gestellte Konzept zeichnet sich durch folgende eingesetzt. Nach Abschluss der Testphase wird Merkmale aus: die Wind-to-SNG-Anlage an einer Biogasanlage betrieben. Das Biogas soll hierbei direkt (ohne • Die SNG-Erzeugung ermöglicht die saisonale vorherige CO2-Abtrennung) nach Verfahrens- Speicherung erneuerbarer Energie. Während variante 2 in Abbildung 3 methanisiert werden. sich die Speicherkapazität des Stromnetzes heute auf nur ca. 0,04 TWh beläuft – mit Die Ergebnisse der SNG-Erzeugung aus den einer Speicherreichweite von unter einer Eduktgasen „AER-Syngas“, „CO2/H2“ und Stunde –, beträgt die Speicherkapazität des „Biogas/H2“ sind in Abbildung 5 dargestellt. Der Gasnetzes in Deutschland über 200 TWh mit Reaktor wurde in allen drei Fällen mit vergleich- Speicherreichweiten im Bereich von baren Betriebsparametern betrieben. Nach ein- Monaten. fachem Reaktordurchgang werden für die • Zur Stabilisierung des Stromnetzes kann Eduktgase „AER-Syngas“ und „Biogas/H2“ die durch das Wind-to-SNG-Konzept positive Grenzkonzentrationen bzgl. H2 und CO2 im und negative Regelenergie bereitgestellt erzeugten SNG nach Trocknung ohne weitere werden (SNG-Verstromung sowie Ab- bzw. Gaskonditionierung unterschritten. Für das Zuregelung der Elektrolyse). Eduktgas „CO2/H2“ sind diese Grenzkonzentra- • Durch den Ausbau der Windenergie (insbe- tionen geringfügig zu hoch, können aber durch sondere Offshore) werden zukünftig immer Reduktion der Gasbelastung und/oder Drucker- häufiger hohe Windkraftleistungen zur Ver- höhung eingehalten werden. fügung stehen, die nicht vollständig vom Stromnetz, aber in Form von SNG im vor- Die grundsätzliche Eignung des Wind-to-SNG- handenen Gasnetz aufgenommen werden Konzeptes zur Energiespeicherung und Netz- können. regelung wurde nachgewiesen. Mit einem • Die SNG-Erzeugung aus CO2 und H2 unter- gegenüber der Fischer-Tropsch- bzw. Methanol- liegt im Gegensatz zu Bio-SNG keiner Synthese deutlich reduzierten verfahrenstechni- Flächenlimitierung durch den Anbau von schen Aufwand lässt sich SNG auch in Biomasse. dezentraler Anwendung herstellen, über das • SNG kann aus verschiedenen EE hergestellt Erdgasnetz verteilen, speichern und bedarfs- werden (Biomasse, Wind-/Solarstrom, etc.). gerecht nutzen. • Durch die Kombination der Ressourcen Bio- masse und Strom aus EE lässt sich Biomasse- Kohlenstoff nahezu vollständig in Kraftstoff-Kohlenstoff überführen, so dass die Reichweite biomassestämmiger Kraftstoffe bedeutend erhöht wird (z. B. „Verdopplung“ des Methanertrags einer Biogasanlage). 77
Dr. Specht u. a. • Speicherung erneuerbarer Energien im Erdgasnetz FVEE • AEE Themen 2009 Literatur [1] R. Sedlacek, Erdöl Erdgas Kohle 125, Nr. 11, S. 412 (2009) [2] M. Sterner, N. Gerhardt, Y-M. Saint-Drenan, A. von Oehsen, P. Hochloff, M. Kocma- jewski, P. Lindner, M. Jentsch, C. Pape, S. Bofinger, K. Rohrig, Studie für Schluchsee- werk AG, Fraunhofer IWES, Kassel, www.schluchseewerk.de/105.0.html (2010) [3] J. Brellochs, T. Marquard-Möllenstedt, M. Specht, U. Zuberbühler, S. Koppatz, C. Pfeifer, H. Hofbauer, Int. Conf. on Poly-Ge- neration Strategies, Wien, 1-4 Sept. (2009) [4] A. Bandi, M. Specht in „Landolt-Börn- stein“, Energy Technologies, Subvolume C: Renewable Energy, VIII/3C, p. 414 (2006) [5] M. Specht, U. Zuberbühler, A. Bandi, Nova Acta Leopoldina NF 91, Nr. 339, S. 239 (2004) [6] M. Specht, A. Bandi, K. Schaber, T. Weimer in „CO2 Fixation & Efficient Utilization of Energy“, Y. Tamaura, K. Okazaki, M. Tsuji, S. Hirai (Eds.), Tokyo Institute of Techno- logy, Research Center for Carbon Recycling & Utilization, Tokyo, Japan, p. 165 (1993) 78
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