SPEZIAL 10 JAHRE AMNOG - DIE SUCHE NACH DEM ZUSATZNUTZEN - IQWIG

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SPEZIAL 10 JAHRE AMNOG - DIE SUCHE NACH DEM ZUSATZNUTZEN - IQWIG
OPG Spezial
                                          Operation Gesundheitswesen • 19. Jahrgang
                                          Gesundheitspolitische Nachrichten und Analysen der
                                          Presseagentur Gesundheit • ISSN 1860-8434

                                          Sonderausgabe, Januar 2021

                                          10 Jahre AMNOG
                                          Die Suche nach dem Zusatznutzen
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pag                       Presseagentur
                          Gesundheit
SPEZIAL 10 JAHRE AMNOG - DIE SUCHE NACH DEM ZUSATZNUTZEN - IQWIG
10 Jahre AMNOG • Einblicke

                                  n   „Zu wenig Zeit für grundlegende methodische Fragen“
                                      Prof. Jürgen Windeler zur AMNOG-Arbeit des IQWiG

                                  Beim AMNOG-Verfahren liegt der erste Aufschlag beim IQWiG: die Dossier-
                                  bewertung. Institutsleiter Prof. Jürgen Windeler berichtet über Lernkurven,
                                  Blockadehaltungen und warum das Verfahren im Ausland immer wieder für
                                  Erstaunen sorgt.

                                  opg: Wo hat das IQWiG bei der Einführung des AMNOG-Verfahrens die steilste Lern-
                                  kurve hinlegen müssen?

                                  Windeler: Die größte Herausforderung für uns war zweifellos die enge Frist. Für die
                                  Bewertung der Herstellerdossiers im Rahmen der frühen Nutzenbewertung erhielten
                                  wir per Gesetz gerade einmal drei Monate eingeräumt. Für sonst übliche Zwischen-
                                  schritte wie die Veröffentlichung von Berichtsplänen und Vorberichten oder auch ein
                                  Anhörungsverfahren bleibt uns im AMNOG-Verfahren keine Zeit.

                                                           opg: In der Konsequenz bedeutet das?

                                                           Windeler: Für uns hieß das: Prozesse verschlanken, struk-
          Zur Person                                       turieren und standardisieren. Dabei hilft es sehr, dass die
          Rund zwei Monate bevor der Bundestag im          Struktur- und Inhaltsanforderungen der eingereichten Her-
          November 2010 das AMNOG verabschiedet,           stellerdossiers inzwischen sehr detailliert vorgegeben sind.
          wechselt Prof. Jürgen Windeler vom Medizi-       Und natürlich hat der Professionalisierungsgrad aller am
          nischen Dienst des Spitzenverbandes Bund         Prozess Beteiligter in den ersten Jahren sehr schnell zuge-
          der Krankenkassen an die Spitze des IQWiG,       nommen. Leider bleibt aber wegen der engen Fristen auch
          wo er Prof. Peter Sawicki ablöst. Windeler       zu wenig Zeit, um grundlegende methodische Fragen zu
          ist Mediziner und hat seit 2001 eine außer-      klären.
          planmäßige Professur für Medizinische Bio-
                                                           opg: Wo hat die Industrie Ihrer Einschätzung zufolge dazu
          metrie und Klinische Epidemiologie an der
                                                           lernen müssen?
          Ruhr-Universität Bochum.
                                                           Windeler: Die Hersteller mussten zunächst einmal ihre
                                                           innere Blockadehaltung aufgeben. Was haben wir uns
                                                           damals vor dem Start des AMNOG-Verfahrens nicht alles
                                                           anhören müssen! Vor allem seien die Anforderungen an
                                                           die einzureichenden Unterlagen so hoch, dass der Nach-
                                                           weis eines Zusatznutzens für ein Medikament kaum mehr
                                                           gelingen könne. Das hat sich nicht bewahrheitet: In etwa
                                                           40 Prozent der frühen Nutzenbewertungen erkennt das
© IQWiG

                                                           IQWiG einen Zusatznutzen an, davon bei einem Fünftel in
                                                           beträchtlichem oder erheblichem Ausmaß.

© PAG, Januar 2021 • Seite 32
SPEZIAL 10 JAHRE AMNOG - DIE SUCHE NACH DEM ZUSATZNUTZEN - IQWIG
OPG Spezial

opg: Was sind die drängendsten aktuellen Herausforderungen für das AMNOG-
Verfahren?

Windeler: Organisatorisch eine große Herausforderung ist und bleibt die interne
Ressourcenplanung bei stark schwankender Auftragslage. Wie viele neue Arznei-
mittel drängen nächstes Jahr auf den deutschen Markt? Und wie viele Wissenschaft-
lerinnen und Wissenschaftler benötigen wir als Institut, um die entsprechenden
Herstellerdossiers zu bewerten?

opg: … und inhaltlich?

Windeler: Inhaltlich wird es immer dann schwierig,
wenn die Datenlage es nicht zulässt, einen Zusatznut-
zen zu attestieren bzw. zu quantifizieren. Das Problem:
Die klinischen Studien der Hersteller sind weiterhin pri-
mär auf die Anforderungen der Zulassungsbehörden
ausgerichtet und weniger auf für die Nutzenbewertung
wichtige Fragestellungen. Vom Hersteller zusätzliche
Evidenz einzufordern, ist immer noch sehr schwierig
und im Ergebnis unbefriedigend. Vor diesem Hinter-
grund ist es gut, dass der Gesetzgeber dem G-BA mit
dem GSAV 2019 die neue Option eingeräumt hat, bei neu zugelassenen Orphan              Prof. Jürgen Windeler während
                                                                                       eines Gesprächs in der Presse-
Drugs vom Hersteller zur Zusatznutzenbestimmung eine anwendungsbegleitende             agentur Gesundheit, Archivauf-
Datenerhebung zu fordern. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.         nahme 2016 © pag, Fiolka

opg: Das AMNOG wird als lernendes System bezeichnet. Mal umgekehrt gefragt:
Was hat das AMNOG Sie gelehrt?

Windeler: Einfach nur in ein Gesetz schreiben, dass alles schnell gehen muss, reicht
nicht. Wichtig ist, die Rahmenbedingungen auch so zu setzen, dass es schnell ge-
hen kann – und das möglichst ohne Qualitätsverluste. Es lohnt sich, ein Verfahren
wie die frühe Nutzenbewertung von neuen Arzneimitteln sorgfältig zu planen und
in sich konsistent mit einem konkreten Ziel aus einem Guss gesetzlich zu regeln.

opg: Was haben Sie persönlich gelernt?

Windeler: Persönlich habe ich vor allem in den ersten Jahren erfahren, dass das
AMNOG international einmalig ist. Mehr als einmal habe ich vor internationalem
Publikum über das AMNOG referiert und nach dem Ende des Vortrags in erwar-
tungsvolle Augen geschaut. Nach dem Motto: Ja, und dann? Die Zuhörer waren
dann oft sehr erstaunt, wenn ich erklärte, dass die IQWiG-Bewertung „kein Zu-
satznutzen“ für einen neuen Wirkstoff keine Konsequenzen auf das „Ob“ der
Erstattung in der Krankenversicherung hat, sondern nur auf die Höhe des Erstat-
tungspreises. Das gibt es so sonst nirgendwo.                                     t

                                                                                       © PAG Januar 2021 • Seite 33
OPG Spezial

Mitarbeiter dieser Ausgabe, von links: Antje Hoppe, Michael Pross, Anna Fiolka und Julia Frisch © pag, Fiolka

IMPRESSUM
OPG – Operation Gesundheitswesen, ISSN 1860-8434, 2020, 19. Jahrgang; Presse-
agentur Gesundheit GmbH, Albrechtstraße 11, 10117 Berlin Tel.: 030 - 318 649-0,
Mail: news@pa-gesundheit.de, Web: www.pa-gesundheit.de

Herausgeberin: Lisa Braun. Redaktion: Lisa Braun (verantwortlich), Anna Fiolka, Michael
Pross (Layout, Bildredaktion), Julia Frisch, Antje Hoppe

Druck: PIEREG Druckcenter Berlin GmbH

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