Studienaufenthalt an der Huazhong University of Science and Technology in Wuhan - WS 2011/2012

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Studienaufenthalt an der
   Huazhong University of Science and Technology in Wuhan
                       WS 2011/2012
                Heimatuniversität: Julius-Maximilians-Universität Würzburg
                              Fachrichtung: Humanmedizin
                                       Alter: 22 Jahre

1. Einleitung

In der heutigen Zeit wird von vielen Berufseinsteigern erwartet, eine gewisse
Auslandserfahrung vorzuweisen. Diese Tatsache trifft nicht unbedingt für
Humanmediziner zu, was mich davon nicht abhielt, mit dem Gedanken zu spielen,
längere Zeit im Ausland zu verbringen. Neben anderen Lehr- und Lernmethoden,
sprachlichen Herausforderungen und kulturellen Neuheiten war es mein Ziel, auch
Einblicke in eine gänzlich andere Art der Patientenbehandlung zu erhalten.

Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage, in welchem Land man diese Kriterien
vorfinden kann? Für mich konnte es nur ein Land sein: China. Des Weiteren bestand
ein Freundschaftsvertrag zwischen meiner Heimatuniversität, der Julius-Maximilians-
Universität in Würzburg, und der Huazhong University of Science and Technology in
Wuhan.

Im Dezember 2010 bewarb ich mich für ein Regierungsstipendium am bayrischen
Hochschulzentrum für China in Bayreuth und bekam erst sehr spät (Ende Juli 2011)
die Zusage für ein Semester Clinical Medicine am Tongji Medical College in Wuhan.

2. Allgemeine Vorbereitung

   1. Flug

      Ich habe meinen Flug über das Internetportal www.idealo.de gebucht und bin
      mit Eastern Airlines von Frankfurt über Shanghai in circa zwölf Stunden direkt
      nach Wuhan geflogen. Bei 30 Kilogramm Gepäck kann man einiges aus der
      Heimat mit in das ferne Asien nehmen. Sicherlich gibt es günstigere
      Möglichkeiten nach Wuhan zu kommen, indem man beispielsweise einen Flug
      nach Shanghai oder Beijing bucht und dann mit dem Zug weiterreist. Da
      jedoch der Stauraum für Gepäck in Zügen eher begrenzt ist, würde ich für die
      Anreise das Flugzeug empfehlen. Eine andere Option ist, von Europa einen
      Flug nach Shanghai oder Beijing zu nehmen und dann einen deutlichen
      günstigeren Flug über die Portale www.elong.net oder www.ctrip.com zu
      buchen.

   2. Gepäck

      Wuhan gehört zu einem der drei „Hot Pots“ von China. Im Sommer wird es
      tropisch heiß und im Herbst kann es noch immer sehr warm sein. Hingegen
      wird es ab Mitte November kühler und im Winter kann es sogar schneien.
      Kurzum: man darf sich auf alle Wetterlagen einstellen. Dazu kommt, dass es
      eine recht ungewöhnliche Regelung gibt: „nördlich des Jangtsekiang gibt es

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Heizungen, südlich Klimaanlagen“. Da der Jangtsekiang Wuhan in eine
  nördliche und eine südliche Stadt teilt, kann es gut möglich sein, dass im
  Süden Heizungen eher rar sind. Also lieber ein bisschen Platz für ein warme
  Sachen lassen. Unabhängig davon kann man in Wuhan sehr gut einkaufen
  und wird sicherlich nicht frieren müssen. Die Option sich etwas anfertigen zu
  lassen besteht natürlich immer, jedoch sind die Schneider in Wuhan nicht auf
  westliche Kunden eingestellt.

3. Visum

  Ich habe mein Visum über eine Visumgesellschaft (SerVisum) beantragt.
  Hierbei übersendet man Reisepass und die Antragsformulare an die oben
  genannte Vermittlungsagentur. Die Formulare werden auf Richtigkeit
  kontrolliert und anschließend der Botschaft übersandt. Sehr unproblematisch,
  bequem und zuverlässig. Nach ca. einer Woche bekommt man Reisepass
  samt Visum zurück. Man kann sein Visum auch innerhalb von 24 Stunden
  erhalten, allerdings passen sich die Preise dann entsprechend der geforderten
  Leistung an.

4. Versicherung

  Ich habe bei Hanse Merkur ein zusätzliches Auslandsversicherungspaket für
  sechs Monate gebucht, welches eine Unfall-, Haft- und Krankenversicherung
  beinhaltete.

5. Finanzen

  Dank der Visakarte von der DKB konnte ich ohne Gebühren an allen
  Automaten, wovon es fast an jeder Ecke einen gibt, in Wuhan Geld abheben.
  Jedoch würde ich empfehlen, schon zu Hause einige chinesische RMB zu
  tauschen, wenn man keine Garantie hat, vom Flughafen abgeholt zu werden.

  Unabhängig davon habe ich am ersten Tag meiner Ankunft ein chinesisches
  Bankkonto eröffnet, welches notwendig war um das monatliches Stipendium
  zu erhalten.

6. Kommunikation

  Natürlich kreisen die Gedanken bereits in Deutschland, wie man am besten
  vor Ort erreicht werden kann. In Wuhan hatte ich mir am ersten Tag eine
  chinesische Telefonkarte gekauft. Da ich ein Smartphone besitze, buchte ich
  die Internetfunktion hinzu, sodass ich innerhalb von Hubei, eine der 22
  Provinzen in China, Internet empfangen konnte. Weiterhin hatte ich in meinem
  Zimmer die Möglichkeit den Internetzugang des Studentenwohnheimes zu
  nutzen. Tagsüber war die Verbindung selbstverständlich sehr schlecht, nach
  24 Uhr wurde es besser. Soziale Netzwerke, Internetseiten wie Youtube und
  Google konnten nicht aufgerufen werden. Jedoch funktionierte Skype, wenn
  auch nicht immer qualitativ hochwertig.

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3. Universität

   1. Ankunft, Lage und Unterkunft

       Aufgrund diverser Unstimmigkeiten sowie Fehlkommunikationen erfuhr ich
       eine Woche vor meinem Abflug, dass das Wintersemester bereits in Wuhan
       begonnen hatte, jedoch internationale Studenten aufgrund von
       Renovierungsarbeiten erst später in das Wohnheim einziehen konnten.
       Genauere Stundenpläne konnten mir trotz mehrfacher Anfragen leider auch
       erst vor Ort mitgeteilt werden. Zusätzlich war der zuständige
       Auslandsbeauftragte eine Woche zuvor für sechs Monate nach Deutschland
       zu einem Austausch verreist. Eine adäquate Vertretung wurde nicht
       organisiert, sodass weder eine Abholung vom Flughafen (Taxifahrt 70 - 100
       RMB), ein Betreuer noch eine Einschreibung zu anfangs möglich war. Somit
       begann mein Auslandssemester bereits 10 Tage später als für alle anderen
       Studenten, glücklicherweise mit einem Dach über dem Kopf aber auch einem
       großen Fragezeichen, welche Kurse ich in den kommenden sechs Monaten
       belegen könnte.

       Da ich die erste Stipendiatin aus Deutschland mit einem Chinese Government
       Scholarship (CGS) war, hatte ich das Glück im internationalen
       Studentenwohnheim in einem Einzelzimmer unterzukommen. In diesem
       Wohnheim leben größtenteils ausländische Ärzte, manchmal auch mit Familie,
       Assistenzärzte, Lehrer und wohlhabendere Studenten. Die Zimmer sind sehr
       elementar eingerichtet: Bett, Schreibtisch, Schrank, Nachttischschrank und
       Kommode sowie eine westliche Toilette (diesen Standard habe ich im Laufe
       der Zeit wirklich schätzen gelernt...). Stromkosten und Internetkosten musste
       ich selbst übernehmen, die Miete wurde von dem Stipendium gedeckt.

       Der Tongji Medical College Campus befindet sich im Stadtteil Han Kou
       welcher sich nördlich des Jangtsekiang befindet. Der Campus befindet sich
       direkt neben dem Krankenhaus, welches eines der größten Krankenhäuser
       mit 6000 Betten in Zentralchina ist. Die Vorlesungsgebäude liegen ebenso
       keine fünf Minuten entfernt.

   2. Einschreibung und Lehrbedingung

       An dem Tongji Medical College werden neben den chinesischen Kursen alle
       medizinischen Kurse auch in einem internationalen Programm auf Englisch
       angeboten. Hier konnte ich zwischen dem MBBS (Bachelor of Medicine and
       Bachelor of Surgery) Jahrgang 2007 und 2008 wählen. Hierbei war es für mich
       als Kurzzeitstudentin ohne Probleme möglich, beiden Jahrgängen
       beizuwohnen. Zusätzlich belegte ich einen Anfängerkurs für Chinesisch im
       Masterprogramm für bereits approbierte Ärzte aus aller Welt.

       Die Lehrbedingungen sind gut: große Räume mit normaler technischer
       Ausstattung (Overhead Projektor, Beamer, Tafel etc.).

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3. Kurse

  Die Dozentin für Chinesisch war sehr motiviert und hat sich beständig bemüht
  uns auch außerhalb des Unterrichts mit der chinesischen Sprache vertraut zu
  machen.

  Ich belegte neben meinem Chinesisch Kurs die Kurse Dermatologie und
  Gesundheitsökonomie, wobei ich mir im Moment noch nicht sicher bin, ob mir
  die Kurse in Würzburg anerkannt werden und ob es für mich nicht sinnvoller
  wäre, sie noch einmal in Deutschland als Wiederholung zu belegen. Die
  medizinischen Vorlesungen wurden nicht von ausgebildeten Professoren,
  sondern von teilweise zufällig ausgewählten Ärzten oder Krankenschwestern
  in schlechtem Englisch gehalten. Zwangsläufig kam es zu starken
  Qualitätsschwankungen und fachlich teils inkorrekten Vorlesungen, Be-
  schreibungen und Therapiemethoden. PowerPoint Präsentationen wurden zu
  90% Wort für Wort vorgelesen, Interaktion im Unterricht war ein Fremdwort
  und Patientenkontakt gab es nur in Dermatologie. Der Forderung nach mehr
  Patientenkontakt kam die medizinische Verwaltung des Colleges jedoch erst
  nach, nachdem 80% aller Studenten die Vorlesung boykottiert hatten und eine
  Demonstration am Hauptbüro ins Leben gerufen hatten. Seitdem gibt es nun
  geregelte Hospitationen auf den Stationen in verschiedenen Fächern wie
  Dermatologie, HNO- Heilkunde, Ophthalmologie und Gynäkologie. Ich denke
  diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen und
  verbessern. Wir wurden in kleine Gruppen aufgeteilt und folgten mehrere
  Nachmittage den Stationsärzten und besprachen anhand der Patienten
  verschiedene Krankheitsbilder, Diagnoseverfahren und Therapieformen.

  Zusätzlich dazu organisierte ich mir ein Praktikum bei einer Ärztin auf der
  Ambulanz für Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), um einen Einblick in
  ein mir bis dahin vollkommen fremdes Feld der medizinischen Behandlung zu
  bekommen. Hierbei übersetze mir die Ärztin vom Chinesischen ins Englische
  und erklärte mir sehr geduldig, die Behandlungsformen der Akkupunktur, des
  Schröpfens und Moxibustion. Hierbei war die Betreuung sehr gut und
  engagiert, während von Seiten des Internationalen Office weder Interesse
  noch Bemühungen bestanden, mir bei meinen Problemen zu helfen.

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4. Leben in Wuhan

Wie bereits weiter oben erwähnt, war ich die erste Studentin aus Deutschland, die
länger als eine Famulatur (= ein Pflichtpraktikum für Mediziner im klinischen
Abschnitt) in Wuhan verweilte. Zu Beginn waren noch circa zehn weitere deutsche
Famulanten vor Ort, die bis Ende September blieben. Ansonsten gab es sehr viele
indische, arabische und afrikanische Studenten, mit denen ich meine Kurse belegte.
Unabhängig davon gibt es am Tongji Medical College ein deutsches
Bachelorprogramm. Das heißt, chinesischen Studenten wird angeboten, ihren
Bachelor of Medicine nicht in fünf, sondern in sechs Jahren zu absolvieren und dabei
im ersten Jahr die deutsche Sprache zu erlernen. So kam es also, dass ich vielerorts
auf Deutsch angesprochen wurde und ich meine erlernten Chinesisch Kenntnisse mit
den deutschlernenden Chinesen austauschen konnte.

Das Leben in Wuhan ist meiner Meinung nach nicht mit denen von Shanghai oder
Beijing vergleichbar. Da Wuhan touristisch nicht so viel zu bieten hat, verlaufen sich
nur sehr wenige Urlauber in die Millionenstadt. Mit Englisch kommt man nicht weit,
Straßenschilder sind nur in chinesischen Zeichen und man wird als Ausländer
angestarrt, manchmal auch angefasst. Man kann ohne Sorgen stundenlang durch
die Stadt laufen und wird kaum einen europäisch aussehenden Menschen treffen.
Kurzum: man ist noch eine kleine Besonderheit. Um die chinesische Sprache zu
lernen und um einen tieferen kulturellen Einblick, fernab von den touristischen
Hochburgen, zu bekommen: perfekt.

Sehenswert ist neben der Kranichpagode und dem Jangtsekiang Fluss, die erste von
Sowjets erbaut Brücke über den Fluss, der Ostsee, einige kleine Pagoden und eine
sehr schöne Frühstücksstraße in Wuchang (ein Stadtteil von Wuhan). Es gibt
beeindruckend große Einkaufsmöglichkeiten in denen von Gucci bis zu chinesischen
Produkten alles angeboten wird. Im Moment ist Wuhan eine einzige Baustelle, da ein
U-Bahnsystem gebaut wird, was den so schon einmalig chaotischen Straßenverkehr
nur noch mehr lahm legt. Da kann es gut sein, dass man über zwei Stunden für
10km unterwegs ist.

Ein weiteres Highlight für mich war das Essen. Es ist in China unglaublich gut,
vielfältig und so erlebenswert. Es ist wirklich keine Mahlzeit vergangen, bei der ich
nicht etwas anderes probiert oder gekostet habe. Essen bekommt man übrigens
überall: Straßenessen, kleine Gaststätten aber auch edle Restaurants im 23. Stock
hat Wuhan zu bieten. Glutamat als Geschmacksverstärker ist vielerorts vertreten und
unumgänglich. Die Mahlzeiten sind bei weiten nicht so fettig und gehaltvoll, wie
westliches Essen, sodass ich sehr selten Verdauungsschwierigkeiten hatte. Mensen
gibt es auf dem Campus an jeder Ecke (sogar zwei im internationalen Wohnheim)
und der Preis für ein Essen belief sich zwischen 5 und 13 RMB (0,60€ bis 1,50€).

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5. Fazit

Trotz vieler Ungereimtheiten zu Beginn meines Aufenthaltes kann ich nur jedem ans
Herz legen, eine längere Zeit in dieser komplett andersartigen Kultur zu verbringen.
Selten habe ich in so einer kurzen Zeit so verschiedenartige Erfahrungen gesammelt.
Vor allem das alltägliche Leben und die Möglichkeit, die Vielseitigkeit des Landes auf
einigen Reisen zu erkunden hat meine Zeit in China geprägt und bereichert. Es gibt
sicherlich Universitäten, die eine koordiniertere Ausbildung bieten und Orte, an
denen das Leben leichter von der Hand geht, doch die Einblicke, die ich in Wuhan
gewonnen habe, haben mir das „wahre“ China gezeigt und mich persönlich geprägt.

Die Auseinandersetzung mit der chinesischen Kultur, die Konfrontation mit anderen
Lebensweisen und die eigene Wahrnehmung von den Unterschieden der
chinesischen und deutschen Lebensart sind erlebenswert, empfehlenswert. und für
mich persönlich unvergessen bleiben.

6. Tipps/nützliche Links:

       •   http://www.hust.edu.cn/

       •   http://blog.sina.com.cn/tongjiforeignstudents
       •   http://wikitravel.org/en/Wuhan
       •   www.elong.net
       •   www.ctrip.com
       •   http://chinatrainguide.com/

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