Tattoos - mehr als nur kolorierte Haut? Auf der Suche nach Tattoo-Allergenen Tattoos - more than just colored skin? Searching for tattoo allergens

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Tattoos - mehr als nur kolorierte Haut? Auf der Suche nach Tattoo-Allergenen Tattoos - more than just colored skin? Searching for tattoo allergens
Review
Eingereicht: 17.8.2020                                                          DOI: 10.1111/ddg.14436_g
Angenommen: 14.10.2020                                                          English online version on Wiley Online Library
Interessenkonflikt
Keiner.

                                                                Tattoos – mehr als nur kolorierte Haut?
                                                                Auf der Suche nach Tattoo-Allergenen
                                                                Tattoos – more than just colored skin?
                                                                Searching for tattoo allergens

Katharina T. Weiß1, Ines                                        Zusammenfassung
Schreiver2, Katherina                                           Beim Tätowieren wird eine erhebliche Menge an Tinte in die Haut eingestochen. Tä-
Siewert2, Andreas Luch2, Birgit                                 towiertinten enthalten zahlreiche Inhaltsstoffe, dazu zählen Farbpigmente, Verunrei-
Haslböck1, Mark Berneburg1,                                     nigungen, Lösungsmittel, Emulgatoren und Konservierungsmittel. Schwarze amor-
Wolfgang Bäumler 1                                              phe Kohlenstoffpartikel (Carbon Black), weißes Titandioxid, Azo- oder polyzyklische
                                                                Pigmente lassen alle möglichen Farbnuancen im sichtbaren Spektrum entstehen.
(1) Klinik und Poliklinik für Dermatolo-
                                                                Einige Inhaltsstoffe von Tätowiertinten können gefährliche und allergieauslösende
gie, Universitätsklinikum Regensburg
                                                                Chemikalien mit unbekanntem Gefahrenpotenzial sein. In Deutschland sind etwa
(2) Abteilung Chemikalien- und
                                                                20 % der Bevölkerung tätowiert und es wird zunehmend über die damit einhergehen-
Produktsicherheit, Bundesinstitut für
                                                                den unerwünschten Wirkungen berichtet. Da Tätowiernadeln unweigerlich die Haut
Risikobewertung (BfR), Berlin
                                                                verletzen, können Mikroorganismen in die Wunde eindringen und Infektionen verur-
                                                                sachen. Während oder nach der Wundheilung kann es sowohl zu nichtallergischen
                                                                Entzündungsreaktionen (zum Beispiel kutanen Granulomen und Pseudolymphomen)
                                                                als auch zu allergischen Reaktionen kommen. Besonders bei den Allergien, die nach
                                                                Wochen, Monaten oder sogar Jahren auftreten können, bleibt es schwierig, den oder
                                                                die auslösenden Substanzen zu identifizieren.
                                                                     Diese Übersichtsarbeit fasst mögliche unerwünschte Wirkungen im Zusammen-
                                                                hang mit dem Tätowieren zusammen, wobei der Schwerpunkt auf der Allergieentste-
                                                                hung liegt. Bislang wurden relevante Allergene nur selten identifiziert. Im Folgenden
                                                                stellen wir etablierte Methoden vor und diskutieren aktuelle experimentelle Ansätze
                                                                zur Identifizierung von Allergenen in Tätowiertinten – über Tests am Patienten und
                                                                in vitro.

                                                                Summary
                                                                During tattooing, a high amount of ink is injected into the skin. Tattoo inks contain
                                                                numerous substances such as the coloring pigments, impurities, solvents, emulsifiers,
                                                                and preservatives. Black amorphous carbon particles (carbon black), white titanium
                                                                dioxide, azo or polycyclic pigments create all varieties of color shades in the visible
                                                                spectrum. Some ingredients of tattoo inks might be hazardous and allergenic chemi-
                                                                cals of unknown potential.
                                                                     In Germany, about 20 % of the general population is tattooed and related ad-
                                                                verse reactions are increasingly reported. Since tattoo needles inevitably harm the
                                                                skin, microorganisms can enter the wound and may cause infections. Non-allergic
                                                                inflammatory reactions (for example cutaneous granuloma and pseudolymphoma) as
                                                                well as allergic reactions may emerge during or after wound healing. Especially with
                                                                allergies occurring after weeks, months or years, it remains difficult to identify the
                                                                specific ingredient(s) that trigger the reaction.

© 2021 The Authors. Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft published by John Wiley & Sons Ltd on behalf of Deutsche Dermatologische Gesellschaft. | JDDG | 1610-0379/2021/1905
                                                                                                                                                                                                  657
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Tattoos - mehr als nur kolorierte Haut? Auf der Suche nach Tattoo-Allergenen Tattoos - more than just colored skin? Searching for tattoo allergens
Review            Tattoo-Allergene

                                                                          This review summarizes possible adverse effects related to tattooing with a focus
                                                                     on the development of tattoo-mediated allergies. To date, relevant allergens were
                                                                     only identified in rare cases. Here we present established methods and discuss current
                                                                     experimental approaches to identify culprit allergens in tattoo inks – via testing of the
                                                                     patient and in vitro approaches.

      Schmucktätowierungen – heutzutage                                                               Make-up (PMU) einschließen. PMU wird in der Regel von
                                                                                                      Kosmetikern zur Verschönerung vor allem der periorbita-
      ein weit verbreitetes Phänomen                                                                  len und perioralen Regionen eingesetzt [1]. Henna-Tattoos
                                                                                                      sind nicht Gegenstand dieses Beitrags, da diese nicht in die
      Seit Jahrtausenden tätowieren Menschen ihre Haut aus un-                                        menschliche Haut eingestochen werden.
      terschiedlichen Gründen. Anders als bei einigen Kulturen,                                           Tätowierfarben können zahlreiche gesundheitliche Pro-
      wie zum Beispiel einigen polynesischen Volksstämmen, hat-                                       bleme verursachen. Viele davon betreffen unmittelbar die
      ten Tätowierungen in der westlichen Welt in den letzten Jahr-                                   Haut, einige aber wirken sich auch auf andere Organe aus
      hunderten einen eher geringen Stellenwert und sie wurden                                        (Abbildung 1). Zu den unerwünschten Wirkungen gehören
      überwiegend mit niedrigem sozialen Status in Verbindung                                         verzögerte Wundheilung, Infektionen, toxische und mutagene
      gebracht [1, 2].                                                                                Prozesse sowie granulomatöse und allergische Reaktionen [6].
           Mittlerweile ist das Tätowieren weltweit sehr populär
      geworden. Aktuelle Umfragen zeigen, dass etwa 20 % der                                          Was mit Tätowiertinten im
      Menschen in Deutschland und 29 % in den Vereinigten Staa-
      ten von Amerika Tätowierungen tragen [2–4]. Die vielen tä-                                      menschlichen Körper geschieht
      towierten Rollenvorbilder wie Fußball-, Pop- und Filmstars
      haben zu einer breiteren kulturellen Akzeptanz von tätowier-                                    Üblicherweise werden Tätowiertinten mit Hilfe von Täto-
      ter Haut geführt. Tätowierungen werden in speziellen Studios                                    wiermaschinen und starren Nadeln passiv in die Dermis ein-
      oder auch im privaten Umfeld vorgenommen. Die Tattoos                                           gebracht. Nach dem Einstechen tritt ein Teil der injizierten
      sind schwarz oder mehrfarbig und befinden sich an fast allen                                    Tinte über die verletzte Hautoberfläche wieder aus. Einige
      Stellen des menschlichen Körpers – auch an den Schleimhäu-                                      Pigmentpartikel verbleiben jedoch in der Dermis und absor-
      ten und Augäpfeln. Eine Umfrage ergab, dass etwa 60 % der                                       bieren Licht in einem bestimmten Spektralbereich, wodurch
      Tattoos ganz oder teilweise schwarz sind [2, 5].                                                die Farbe des Tattoos entsteht. Ein weiterer Teil der injizier-
           In dieser Übersichtsarbeit steht der Begriff Tätowierung                                   ten Tätowiertinte wird über Lymph- oder Blutgefäße passiv
      für permanente Tätowierungen, die auch das Permanent                                            aus der Haut ausgeleitet oder aktiv von migrierenden Zellen

                                                                    Mit dem Tätowieren verbundene Risiken

               Risiken durch
                                                     Infektionen                  Allergische Reaktionen                                                                 Sonstige
               Chemikalien                                                                                                Fremdkörperreaktionen

           Inhaltsstoffe der Tinte           Unmittelbar nach dem              Typ I (Anaphylaxie, selten)             Oft auf einige Bereiche der            -   Reizung durch
                                             Tätowieren auftretend:            und Typ IV (Farbe reagiert              Tätowierung beschränkt,                    Sonneneinstrahlung
           -   immunotoxisch                                                   vollständig)                            häufig bei schwarzen Tattoos               (Schwellung, Brennen)
           -   kanzerogen                    -    bakteriell                                                                                                  -   Schmerz/
           -   mutagen                       -    viral                        Klinische Manifestation:                Klinische Manifestation:                   stechendes Gefühl
           -   reproduktionstoxisch          -    mykotisch                    -    lichenoid, Urtikaria               -    Granulome                         -   Juckreiz
           -   akut toxisch                                                    -    erhabene Plaques                   -    systemische Sarkoidose            -   Wärme-/Kältereaktionen
           -   sensibilisierend              0,5–6 % aller Tattoos             -    papulonodulös
           -   ätzend                                                          -    hyperkeratotisch                   ca. 1,6 % aller Tattoos                10,3–42,6 % aller Tattoos
                                                                               -    ulzeronekrotisch

                                                                               ca. 1,2 % aller Tattoos

      Abbildung 1 Mögliche unerwünschte Wirkungen von Tätowierungen. Auswirkungen können lokal in der tätowierten Haut
      auftreten oder sich systemisch ausbreiten.

658   © 2021 The Authors. Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft published by John Wiley & Sons Ltd on behalf of Deutsche Dermatologische Gesellschaft. | JDDG | 1610-0379/2021/1905
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Review            Tattoo-Allergene

abtransportiert. Tätowierungspigmente finden sich infolge-                                      Effekte (Abbildung 1). Tätowierfarben mit potenziell toxis-
dessen in lokalen Lymphknoten und sie werden wahrschein-                                        chen Inhaltsstoffen sind auf dem europäischen Markt weit
lich auch zu anderen Organen wie Leber, Lunge oder Niere                                        verbreitet. Zu den bedeutendsten Gefahrenstoffen, die in den
transportiert [1, 2, 7, 8]. Experimente an Mäusen zeigen,                                       untersuchten Proben nachgewiesen wurden, gehören polyzy-
dass Pigmentpartikel aus Tattoo-Suspensionen in der Leber                                       klische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) (43 %), pri-
von Kupffer-Zellen aufgenommen werden, was durch elekt-                                         märe aromatische Amine (PAA) (14 %), Schwermetalle (9 %)
ronenmikroskopischen Nachweis der Partikel bestätigt wer-                                       und Konservierungsstoffe (6 %) [1, 6].
den konnte [9].
      Histologische Untersuchungen nach abgeschlossener Ab-                                     Pigmente
heilung der Haut belegten Pigmentpartikel im Zytoplasma
verschiedener Zellen, darunter Fibroblasten und Makropha-                                       Die chemische Industrie stellt Pigmentmoleküle her, die
gen [1, 2, 10]. Eine kürzlich durchgeführte Studie an Mäusen                                    winzige Feststoffpartikel mit Durchmessern von weniger
stellte ein Pigment-Aufnahme-Freigabe-Wiederaufnahme-­                                          als 100 Nanometer (Nanopartikel) bis hin zu wenigen Mi-
Modell vor. Wenn mit Tätowierungspigmenten beladene Ma-                                         krometern bilden [15]. Es könnten sich daher auch zusätz-
krophagen im Erwachsenenalter absterben, nehmen benach-                                         liche Gefährdungspotenziale durch nanotoxikologische
barte Makrophagen die freigesetzten Pigmente wieder auf.                                        Effekte ergeben, die untersucht werden sollten [16]. Tätowie-
Dieser Mechanismus gewährleistet offenbar die makroskopi-                                       rungspigmente werden häufig auch als Farbstoffe bezeichnet,
sche Stabilität und Langzeitpersistenz von Tattoos [1, 11].                                     wobei der Begriff „Farbstoffe“ nicht verwendet werden soll-
      Experimente an Schweine- und menschlicher Haut er-                                        te, da Farbstoffe in der Regel wasserlöslich sind und keine
gaben, dass die Konzentrationen der roten Pigmente, die                                         dauerhafte Hautverzierung ermöglichen würden. Die Be-
von Tätowiermaschinen in die Haut eingebracht werden, in                                        ständigkeit einer Tätowierung in der Haut wird durch die
einem Bereich von circa 0,60 bis 9,42 mg Pigment pro cm²                                        Verwendung unlöslicher Pigmente erreicht.
Haut liegen [12]. Bei Mäusen waren etwa 30 % des intrader-                                           Pigmente werden in der Regel als Pulver an die Tinten-
mal injizierten roten Pigments innerhalb von sechs Wochen                                       hersteller verkauft. Großhändler leiten eine kleine Menge
nach Tätowierung aus der Haut verschwunden [2]. Dieser                                          dieser Industriepigmente als gebrauchsfertige Tintenproduk-
Anteil erhöhte sich auf 60 %, wenn auf die Haut der Tiere                                       te direkt an Tätowierer weiter. Um die jeweilige Farbe zu er-
zusätzlich Sonnenlicht einwirkte [13]. Im Regelfall nimmt die                                   reichen, können Tätowiertinten verschiedene anorganische
Konzentration der unlöslichen Tätowierungspigmente in der                                       oder organische Pigmente oder eine Mischung aus beiden
Haut mit den Jahren ab [14]. Die löslichen Anteile der Tinte                                    enthalten.
werden wahrscheinlich bereits in den ersten Tagen nach dem
Tätowieren ausgeschieden.                                                                       Schwarze Pigmente

Inhaltsstoffe von Tätowiertinten und                                                            Die meisten schwarzen Pigmente sind ein Produkt der un-
                                                                                                vollständigen Verbrennung von Kohlenwasserstoffen, wobei
damit einhergehende chemische Risiken                                                           Ruß entsteht – eine Mischung aus schwarzen anorganischen
                                                                                                Kohlenstoffpartikeln, die PAK enthalten. The International
Tätowiertinten sind Suspensionen, die bis zu 100 verschiedene                                   Agency for Research on Cancer (IARC) stuft Ruß als „mög-
absichtlich oder unabsichtlich beigemischte chemische Ver-                                      licherweise krebserregend“ für den Menschen (Gruppe 2B)
bindungen enthalten können. Die Farbpigmente werden mit                                         ein [2, 17]. Diese Bewertung stützt sich auf das vermehrte
Lösungs- und Konservierungsmitteln sowie verschiedenen an-                                      Auftreten von Lungenkrebs bei der Inhalation von Partikeln
deren Inhaltsstoffen gemischt. Im Gegensatz zu anderen Sub-                                     oder das vermehrte Auftreten von Hautkrebs durch Ruß-Ex-
stanzen, die in den menschlichen Körper eingebracht werden,                                     trakte in Tiermodellen. Letzteres führte zu der Annahme,
wie Medikamente oder Implantate, müssen Tätowiertinten,                                         dass insbesondere Verunreinigungen die beobachteten kreb-
obwohl sie in den menschlichen Körper injiziert werden, in der                                  serregenden Eigenschaften verursachen. In verschiedenen
Regel keine besonderen Sicherheitsanforderungen erfüllen. Die                                   handelsüblichen schwarzen Tätowiertinten wurden bis zu
vollständige Liste der Inhaltsstoffe, sofern überhaupt bekannt,                                 201 μg PAK pro Gramm Tinte gemessen, was weit über dem
hängt von der Herstellungspraxis des jeweiligen Anbieters ab.                                   derzeit von der Europäischen Union vorgeschlagenen Gren-
Tätowierer und Kosmetiker beziehen die Tattoofarben direkt                                      zwert von 0,5 μg PAK pro Gramm Tätowiertinte liegt [18].
von Lieferanten oder über das Internet [1].                                                     PAK kommen in der Tintensuspension sowohl frei als auch
     Zu den potenziell gesundheitsgefährdenden Eigen-                                           an die Oberfläche von Rußpartikeln gebunden vor [2]. Sie
schaften der chemischen Inhaltsstoffe von Tätowiertinten                                        werden bei der Metabolisierung im Körper zu ihren jeweili-
zählen karzinogene, immunotoxische und sensibilisierende                                        gen Diol-Epoxiden oxidiert. Diese binden an DNA, was zu

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                                                                                                                                                                                              659
Review            Tattoo-Allergene

      Mutagenität führt und sich nicht nur auf das karzinogene Po-                                    Chrom VI, Kupfer, Blei, Zink und Nickel. Zusätzlich zu den
      tenzial, sondern auch auf die Lymphozytenaktivierung und                                        toxischen und mutagenen Wirkungen können einige Metalle
      Makrophagendifferenzierung auswirkt [19–21].                                                    (Nickel, Quecksilber, Chrom und Kobalt) als Allergene wir-
                                                                                                      ken und kutane oder systemische Kontaktallergien auslösen
      Weiße Pigmente                                                                                  [25]. Nickel, Kobalt und Chrom gehören zu den häufigsten
                                                                                                      Sensibilisatoren mit positiven Patch-Test-Reaktionen bei
      Titandioxid ist ein wirkungsvolles Deckmittel, das üblicher-                                    etwa 18 %, 6 % beziehungsweise 3 % der Patienten in Eu-
      weise in weißen Tinten und zur Veränderung der Farbinten-                                       ropa [26].
      sität anderer Tätowierungspigmente eingesetzt wird [22].
      Titandioxid tritt in der Natur in den drei Kristallmodifika-                                    Organische Farbpigmente
      tionen Rutil, Anatas und Brookit auf, wobei jedoch nur die
      ersten beiden bei der Herstellung von Pigmenten verwendet                                       Heutzutage enthalten mehr als 80 % der farbigen Tätowier-
      werden. Unter ultravioletter Bestrahlung zeigt Titandioxid,                                     tinten industrielle organische Pigmente [1, 6, 22]. Organische
      insbesondere als Anatas, eine photokatalytische Aktivität,                                      Pigmente bieten eine riesige Vielfalt an Farben, die das gesamte
      wodurch es zur Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies                                          Spektrum des Regenbogens abdecken. Diese Pigmente zeich-
      kommt. Im Jahr 2010 stufte die IARC Titandioxid, wenn es                                        nen sich durch starke Lichtabsorption aus und führen zu inten-
      eingeatmet wird, als Karzinogen der Gruppe 2B ein; das be-                                      siver Färbung und hoher Farbbrillianz in der Haut, was wahr-
      deutet, es ist „möglicherweise krebserregend“ für den Men-                                      scheinlich der Hauptgrund für ihre Anwendung in Tattoos ist.
      schen [1, 17]. Als Mechanismus der Kanzerogenität wird ein                                      Die polyzyklischen Pigmente sind im Allgemeinen kondensier-
      sogenannter Überladungseffekt vermutet, wenn die Konzen-                                        te aromatische oder heterozyklische Ringsysteme. Zwei wich-
      tration ein Niveau erreicht, bei dem die Partikel nicht mehr                                    tige Beispiele für heterozyklische Pigmente sind Phthalocya-
      ausreichend aus der Lunge ausgeleitet werden können. Es ist                                     nin- (grün, blau) und Chinacridon-Pigmente (bläulich-rot,
      daher unwahrscheinlich, dass dieser Effekt in anderen Orga-                                     rosa, violett) [1, 22]. Eine andere Gruppe, die Azopigmente,
      nen, wie zum Beispiel der Haut, ebenfalls auftritt.                                             werden jedoch immer noch am häufigsten verwendet. Sie um-
                                                                                                      fassen den gelben bis roten Farbbereich und bestehen aus kon-
      Farbige anorganische Pigmente                                                                   densierten aromatischen Aminen, die oftmals krebserregend
                                                                                                      oder sensibilisierend sind. Die Herstellung solcher Pigmente
      Die meisten anorganischen Farbpigmente werden auf Basis                                         erfordert komplexe chemische Verfahren, bei denen auch Ko-
      von Eisenoxiden in den Farben Gelb (FeO(OH)), Rot (Fe2O3)                                       lophonium, Polymere und Tenside zugesetzt werden können,
      und Schwarz (Fe3O4) synthetisiert. Da in Eisenerzen häufig                                      um deren Größe und Dispersionseigenschaften einzustellen.
      Schwermetalle wie Nickel enthalten sind, stellen diese häu-                                     Das resultierende Pigment kann verschiedene Ausgangsstoffe,
      fige Verunreinigungen von Eisenoxidpigmenten dar. Nickel-                                       Nebenprodukte und andere nicht spezifizierte Verbindungen
      verbindungen werden von der IARC als krebserregend ein-                                         enthalten. Aufgrund ihres Einsatzes bei der Synthese sind pri-
      gestuft [23].                                                                                   märe aromatische Amine (PAA) die wichtigsten Verunreini-
           Eine weitere Gruppe von Pigmenten basiert auf Schwer-                                      gungen bei organischen Pigmenten und ihre Konzentration ist
      metallen wie Cadmiumsulfid (CdS, gelb), Quecksilbersulfid                                       in Tinten, die Azopigmente enthalten, am höchsten. PAA sind
      (HgS, rot), Chromoxid (Cr2O3, grün), oder Cobaltspinell                                         entweder als Verunreinigungen in den Tinten (freie aromati-
      (CoAl 2O4, blau) [6]. Die IARC hat diese Schwermetalle als                                      sche Amine) oder sie fallen als Degradationsprodukte nach
      Karzinogene der Gruppe 1 (krebserzeugend für den Men-                                           Sonnenlicht- oder Laserbestrahlung an [27]. Da einige dieser
      schen: Chrom VI, Cadmium und Cadmiumverbindungen)                                               Amine als karzinogene, mutagene oder reproduktionstoxische
      oder der Gruppe 2B (organische Quecksilberverbindungen)                                         Stoffe eingestuft wurden, dürfen sie in Tattoo- und PMU-Pro-
      eingestuft. Die Verwendung von Pigmenten auf Schwerme-                                          dukten weder vorhanden sein noch aus Azopigmenten freige-
      tallbasis ist aufgrund ihrer gesundheitsgefährdenden Eigen-                                     setzt werden [1, 24].
      schaften zurückgegangen.
           Nach Angaben des europäischen Schnellwarnsystems                                           Auswirkungen von Licht und Laserbehandlung
      für gefährliche Verbraucherprodukte (RAPEX) wiesen 28 %
                                                                                                      auf Tätowierungspigmente
      der Tätowiertinten Schwermetallgehalte oberhalb der in
      der Entschließung des Europarates (CoE ResAP) (2008)1                                           Die lichtinduzierte Zersetzung von Pigmentmolekülen ist ein
      über die Anforderungen und Kriterien für die Sicherheit                                         wichtiger Mechanismus für den Partikelzerfall in tätowierter
      von Tätowierungen und Permanent Make-up definierten                                             Haut. Sie kann immer dann auftreten, wenn die tätowierte
      Schwellenwerte auf [24]. Die Warnhinweise bezogen sich                                          Haut Lichtquellen ausgesetzt wird, die Wellenlängen aus-
      insbesondere auf den Gehalt an Arsen, Barium, Cadmium,                                          senden, die von den Pigmentmolekülen absorbiert werden

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Review            Tattoo-Allergene

können [27]. Laserbehandlungen von Tattoos werden im                                            gefunden [32]. N-Nitrosamine sind Verunreinigungen, die
hautärztlichen Praxis-Alltag häufig durchgeführt. Bei der                                       bei der Reaktion von sekundären Aminen mit Nitrit entste-
Tattooentfernung mit Laserlicht kann es zu einem zusätzli-                                      hen. Viele N-Nitrosamine sind bereits in geringen Konzen-
chen Effekt kommen: Pigmentpartikel des Tattoos werden in                                       trationen krebserregend, was im Tierversuch nachgewiesen
kleinere Fragmente zersprengt. Als Wirkmechanismus wird                                         wurde [1, 7].
eine Erhitzung der Pigmentpartikel durch die absorbierte                                             Kürzlich wurde über die Ablagerung von Metallrück-
Lichtenergie angenommen. Wegen der hohen Lichtintensi-                                          ständen der Tätowiernadeln in der Haut und in lokalen
tät und der kurzen Impulsdauer erfolgt die Erwärmung der                                        Lymphknoten berichtet [34]. Da die Tätowiernadeln hohe
Pigmentteilchen ausgesprochen schnell. Es entstehen hohe                                        Nickel- und Chromanteile enthalten, können diese Metall-
lokale Temperaturen von bis zu mehreren hundert Grad.                                           reste ein zusätzliches Risiko für eine Sensibilisierung oder
Die anschließende schlagartige thermische Ausdehnung be-                                        eine Allergieentwicklung darstellen.
wirkt eine Zersplitterung der Teilchen, die mit Stoßwellen
einhergeht [28]. Zusätzlich kann es durch die Erhitzung und                                     Unerwünschte Hautreaktionen auf
Fragmentierung von Pigmentpartikeln zur Spaltung chemi-
scher Bindungen innerhalb des Pigmentmoleküls kommen,                                           Tätowierungen
wodurch neue chemische Verbindungen in der Haut entste-
hen [1]. Über eine Freisetzung bedenklicher Zerfallsprodukte                                    Beginnend mit der Platzierung einer Tätowierung kann
wie Benzol oder krebserregenden aromatischen Aminen nach                                        eine Reihe von unerwünschten Reaktionen die menschliche
Sonnenlichtexposition und/oder Laserbehandlung wurde                                            Gesundheit beeinträchtigen (Abbildung 1). Unerwünsch-
von uns und anderen berichtet [13, 29, 30].                                                     te Nebenwirkungen können in der Haut auftreten oder
                                                                                                andere Organe des Körpers mit einbeziehen. Sie können
Sonstige Inhaltsstoffe                                                                          sich in einem weiten Zeitfenster von unmittelbar nach der
                                                                                                Tätowierung bis zu Jahren oder sogar Jahrzehnten danach
Das Tätowieren von Pigmentpulver ist nahezu unmöglich,                                          entwickeln.
daher muss dem Pigment ein flüssiges Medium zugesetzt
werden. Pigmentpartikel sind jedoch wasserunlöslich und                                         Verzögerte Wundheilung
müssen in wässrigen oder alkoholischen Lösungsmitteln
unter Zuhilfenahme von Emulgatoren, Bindemitteln (zum                                           Tätowieren hinterlässt auf der Haut zahlreiche Einstich-
Beispiel Polyvinylpyrrolidon, Polyethylenglykol) und Verdi-                                     kanäle, die durch die Epidermis etwa bis in die Mitte der
ckungsmitteln dispergiert werden, um eine Sedimentation                                         Dermis reichen. Die Tiefe der Einstiche variiert in Abhängig-
der Partikel zu verhindern [1, 6]. Zusätzlich werden Ent-                                       keit von der Technik des Tätowierers und der verwendeten
schäumer zugesetzt, um Schaumbildung beim Aufschütteln                                          Arbeitsgeräte. Die Weite der Einstichkanälchen hängt von
der Suspension zu vermeiden (zum Beispiel Polydimethyl-                                         den Tätowiernadeln ab, die meist einen Durchmesser von 0,2
siloxan). Die Konzentration von Pigmenten in Suspensio-                                         bis 0,4 mm aufweisen und in Bündeln von bis zu 50 Ein-
nen von Tätowiertinten liegt in der Regel zwischen 10–30                                        zelnadeln angeordnet sind. Nach einer Verletzung der Haut
Volumenprozent [1]. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2011                                         setzt sofort die Wundheilung ein, um die Integrität der Haut
ergab, dass Tätowiertinten sensibilisierende Substanzen wie                                     wiederherzustellen.
Dibutylphthalat, Gentoxine wie Hexachlor-1,3-Butadien                                                Die natürliche Wundheilung läuft in mehreren Phasen
oder 9-Fluorenon enthalten können [31]. 9-Fluorenon ist                                         ab [35]. Nach der Blutstillung hält die unmittelbar einset-
zytotoxisch und führt unter Lichteinwirkung zur Bildung re-                                     zende Entzündungsphase bis zu drei Tage an. Neutrophile
aktiver Sauerstoffspezies [1].                                                                  Granulozyten sind die ersten Immunzellen, die das verletzte
     In der Schweiz wurden in bis zu 18 % der untersuchten                                      Gewebe infiltrieren und als Reaktion auf die von geschädig-
Tattoo-Proben Konservierungsstoffe gefunden, die für die                                        ten und nekrotischen Zellen freigesetzten Alarmine (dama-
Verwendung in Kosmetika verboten sind [32]. Zu diesen ver-                                      ge associated molecular patterns, DAMPs) in großer Zahl
botenen Substanzen gehörten 1,2-Benzisothiazol-3[2H]-on,                                        ankommen. Sie setzen verschiedene Zytokine, Chemokine
2-Octyl-4-isothiazolin-3-on, Phenol und sogar das krebser-                                      und Wachstumsfaktoren frei, die über wundassoziierte Im-
regende Formaldehyd [1]. Isothiazolinone sind starke Aller-                                     munzellen und Epithelzellen das Signal zur Wundheilung ge-
gene und weisen in der europäischen Bevölkerung eine hohe                                       ben [36]. Neutrophile Granulozyten schützen darüber hinaus
Sensibilisierungsrate auf [26]. Andere Berichte konnten zei-                                    vor Infektionen, indem sie Mikroorganismen, die in die Haut
gen, dass Schellack, ein häufig verwendetes Bindemittel in                                      eingedrungen sind, abtöten. Anschließend erfolgt die Rekru-
Tätowiertinten, allergische Reaktionen hervorrufen kann                                         tierung zirkulierender Monozyten an den Ort der Gewebe-
[33]. Darüber hinaus wurden in den Proben N-Nitrosamine                                         verletzung. Aus Monozyten hervorgegangene Makrophagen

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                                                                                                                                                                                              661
Review            Tattoo-Allergene

      oder dendritische Zellen steuern die Gewebereparatur, regu-                                          Eine aktuelle Übersichtsarbeit fasste 67 Fallberichte über
      lieren die Angiogenese, beseitigen Zelltrümmer und rekru-                                       lokale Hautinfektionen und systemische Komplikationen mit
      tieren zusätzliche Immunzellen [36]. Diese späte Entzün-                                        Bakterien wie Corynebacterium diphtheriae, Pseudomonas
      dungsphase dauert bis zu zehn Tage, wobei Makrophagen                                           aeruginosa oder Staphylococcus aureus zusammen, die zwi-
      auch durch die Beseitigung apoptotischer Neutrophiler zur                                       schen 1984 und 2015 veröffentlicht wurden [41]. Eine weite-
      Wundheilung und zum Gewebeumbau beitragen [37]. Wird                                            re Übersichtsarbeit sichtete die Literatur von 1991 bis 2011
      dieses physiologische Wundheilungsmilieu durch Tätowier-                                        und listete 13 Publikationen auf, die über virale Infektionen
      tinten beeinträchtigt, könnte das zu einer abweichenden Im-                                     einschließlich Verrucae vulgares oder Hepatitis C berichte-
      munantwort und einem veränderten Wundheilungsprozess in                                         ten, sowie 25 Publikationen, die über bakterielle Infektionen
      tätowierten Hautarealen führen.                                                                 mit Mycobacterium tuberculosis, Mycobacterium leprae,
           Auch die nicht migrierenden Gewebsmakrophagen in                                           atypische Mykobakterien oder ambulant erworbenen Methi-
      der Haut reagieren über die Wahrnehmung von DAMPs auf                                           cillin-resistenten Staphylococcus-aureus-Stämmen (MRSA)
      Verletzungen oder Infektionen [36]. Langerhans-Zellen der                                       berichteten [42]. Im Jahr 2017 wurde über einen Todesfall
      Epidermis und andere antigenpräsentierende Zellen können                                        nach septischem Schock berichtet, der durch eine Vibrio-vul-
      Antigene aus der Tinte aufnehmen und in die Lymphknoten                                         nificus-Infektion nach Baden in Meerwasser mit einem frisch
      wandern, in denen sie diese dann den T-Zellen präsentieren.                                     gestochenen Tattoo verursacht wurde [43]. Als Quellen für
           Schließlich folgt die Reepithelisierung, ein wichtiger                                     mikrobielle Erreger kommen die eigene Hautoberfläche der
      Schritt in der Wundheilung, weil sie die Barrierefunktion der                                   tätowierten Person, Hände und Gerätschaften des Tätowie-
      Haut wiederherstellt [36]. Wurden in Schweinehaut Operati-                                      rers sowie ein unhygienischer Umgang mit der Haut nach
      onswunden mit spezifischen Tiefen erzeugt, ging die Reepit-                                     dem Tätowieren in Frage. Eine weitere Quelle sind Tätowier-
      helisierung von den verbleibenden Hautanhangsgebilden                                           tinten, von denen bis zu 11 % mit Keimen kontaminiert sind
      aus [38]. Ist die Hautschutzbarriere wiederhergestellt, kann                                    [6]. Daher sollte, selbst für den Fall, dass eine Tätowierungs-
      die Umbauphase für den Wiederaufbau der normalen Haut-                                          reaktion nur bei einer Farbe auftritt und somit auf eine All-
      strukturen noch mehrere Monate andauern.                                                        ergie schließen lässt, immer eine mikrobielle Infektion ausge-
           Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wundhei-                                        schlossen werden.
      lung der Haut ein effektiver, aber komplexer Prozess ist, der
      von Immunzellen orchestriert wird, deren Funktionen ent-                                        Nichtallergische entzündliche Reaktionen
      scheidend von der Mikroumgebung in der Wunde abhängen.
      Im Unterschied zu medizinischen Verfahren wie dem Einsatz                                       Gelegentlich werden Tätowierungen mit langanhaltenden lo-
      von Injektionsnadeln, dem Microneedling oder ablativen La-                                      kalen Immunreaktionen in Verbindung gebracht, die sich als
      serbehandlungen werden die kleinen Tätowierungswunden                                           granulomatöse und pseudolymphomatöse Reaktionen ma-
      mit verschiedenen zytotoxischen Chemikalien aus der Tinte                                       nifestieren, wobei es sich meist um Fremdkörpergranulome
      gefüllt. Leider fehlen bislang Studien darüber, ob und inwie-                                   handelt (Abbildungen 1, 2a) [44]. Andererseits können gra-
      weit Tätowiertinten die normale Wundheilung beeinträchti-                                       nulomatöse Läsionen in einer Tätowierung eine Manifesta-
      gen können. Über Juckreiz, Krusten und verzögerte Wund-                                         tion einer systemischen Sarkoidose sein, welche Lunge und
      heilung wird in Umfragen jedoch immer wieder berichtet,                                         Augen (Uveitis) betreffen kann [44–46]. Das kutane Pseu-
      was darauf hindeutet, dass Irritanzien, Sensibilisatoren oder                                   dolymphom stellt eine Gruppe von verschiedenen gutartigen
      auch Mikroorganismen die Wundheilung stören können [39].                                        reaktiven T- oder B-Zell-lymphoproliferativen Prozessen dar,
                                                                                                      die sowohl klinisch als auch histologisch ein kutanes Lym-
      Infektionen                                                                                     phom imitieren können. Die Pathogenese dieser Erkrankung
                                                                                                      ist noch unbekannt, aber über einen Zusammenhang mit Tä-
      Beim Tätowieren entstehen in der Haut zahlreiche Öffnun-                                        towierungen wird seit 1903 berichtet [44, 47]. Darüber hin-
      gen, die das Eindringen mikrobieller Krankheitserreger er-                                      aus kann Tätowieren das Aufblühen bestimmter Dermatosen
      leichtern. Leichte bis mittelschwere oberflächliche Hautin-                                     auf der tätowierten Haut auslösen (Köbner-Phänomen), dar-
      fektionen sollten leicht zu behandeln sein. Erreger, die in                                     unter Psoriasis, Lichen planus, kutaner Lupus erythematodes
      tiefere Hautschichten gelangen, können jedoch schwerere                                         und Pyoderma gangraenosum [48, 49].
      Infektionen verursachen, die eine umfangreichere medizini-
      sche Versorgung erfordern. Gelangen Erreger in Blutgefäße,                                      Allergische Reaktionen
      kann dies systemische Infektionen nach sich ziehen [40]. Der
      Schweregrad einer Infektion hängt von der Virulenz des Erre-                                    Obwohl ihre Diagnose nach wie vor schwierig ist, wurden
      gers, dem Immunstatus der tätowierten Person und eventuell                                      allergische Reaktionen auf Tätowierungen mit einem unter-
      bestehenden Vorerkrankungen ab [41].                                                            schiedlichen Grad an diagnostischer Evidenz berichtet.

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Review            Tattoo-Allergene

Abbildung 2 Häufige unerwünschte Reaktionen auf Tätowierungen. Granulomatöse Reaktion in einer schwarzen Tätowierung
(a). Plaqueartige Typ-IV-Reaktion in den rot gefärbten Bereichen einer Tätowierung (b).

Antikörper-vermittelte Reaktionen bei                                                           damit als Allergien vom verzögerten Typ (Typ IV) nach der
                                                                                                historischen Klassifikation von Gell und Coombs einzu-
Tätowierungen
                                                                                                ordnen sind. Mit ihrem T-Zell-Rezeptor erkennen T-Zellen
Nur wenige Studien deuten auf eine Rolle von Antikörpern                                        Epitope chemisch modifizierter Selbstantigene, die in einem
bei chemikalieninduzierten Überempfindlichkeitsreaktionen                                       als Haptenisierung bezeichneten Vorgang gebildet werden.
hin [50]. Im Zusammenhang mit Tätowierungen wurde über                                          Haptenisierungen wurden insbesondere bei lokalem Kontakt
einige seltene Fälle berichtet, bei denen es sich vermutlich                                    mit chemischen Substanzen beschrieben, der eine allergische
um Antikörper-vermittelte Reaktionen handelt [51–53]. Ein                                       Kontaktdermatitis zur Folge hatte, oder nach Medikamen-
erster Fall in der neueren medizinischen Literatur beschreibt                                   teneinnahme (Medikamentenüberempfindlichkeit) [54, 55].
eine 30-jährige Frau mit einem farbigen Tattoo aus dem Jahr                                     Sowohl CD4+- als auch CD8+-T-Zellen scheinen an diesem
1993 und einem schwarzen Tattoo aus dem Jahr 1999 [51].                                         Prozess beteiligt zu sein [56, 57].
Einen Monat nach der letzten Tätowierung wurde zusätz-                                               Die Entwicklung einer Typ-IV-Allergie wird in eine Sen-
liche Farbe eingearbeitet. Zwölf Stunden danach verspürte                                       sibilisierungsphase und eine Auslösungsphase (Elizitation)
die Patientin ein „brennendes“ Hautgefühl, woraufhin sich                                       unterteilt. Während der Sensibilisierungsphase wandern die
Quaddeln bildeten, die sich über mehrere Körperregionen                                         dendritischen Zellen in die drainierenden Lymphknoten und
ausbreiteten. Die Patientin wurde anschließend auf 13 ver-                                      aktivieren spezifische naive T-Zellen, die sich vermehren und
schiedene Tintenfarben mittels Hautpricktest getestet und                                       sich in zirkulierende und geweberesidente Effektor- und Ge-
war auf zwei davon, eine lila und eine blaue Tinte, positiv,                                    dächtniszellen differenzieren [58, 59]. Die Migration und Rei-
was auf eine IgE-vermittelte Hypersensibilität hindeutet [44].                                  fung dendritischer Zellen kann durch das chemische Allergen
Bei einem anderen Patienten ohne bekannte Allergien kam                                         selbst (sterile Entzündung) oder durch eine begleitende he-
es sechs Stunden nach dem Stechen einer zweiten Tätowie-                                        terologe Immunstimulation ausgelöst werden [55]. Während
rung zu einer anaphylaktischen Reaktion, die mit Schwellun-                                     der Auslösungsphase initiieren und moderieren T-Zellen
gen und Rötungen in mehreren Körperregionen einherging                                          die Entzündungsreaktion unter Beteiligung verschiedener
[52]. Ein dritter Fall, eine verzögerte Anaphylaxie, ereig-                                     Effektormoleküle, Immun- und anderer Zellen [59–61]. Im
nete sich nach einer Laserbehandlung zur Entfernung von                                         Allgemeinen manifestiert sich eine akute Kontaktdermatitis
Tätowierungen [53]. Dieser Patient entwickelte nach der ers-                                    innerhalb von circa 1–3 Tagen nach dem lokalen Chemika-
ten Laserbehandlung eine allergische Hautreaktion in einer                                      lienkontakt und klingt nach Entfernung des verursachenden
entfernten, noch nicht behandelten Tätowierung, der drei                                        Allergens wieder ab. Im Falle von Tätowierungen allerdings
Tage nach der zweiten Laserbehandlung eine anaphylakti-                                         ist das potenzielle Allergen dauerhaft vorhanden, was zu erns-
sche Episode folgte.                                                                            ten Komplikationen führen kann, zum Beispiel durch eine
                                                                                                Chronifizierung der Entzündung. Der Zeitpunkt, zu dem Al-
Zellvermittelte Allergie vom Typ IV                                                             lergien vom verzögerten Typ auftreten, kann von kurz nach
                                                                                                der Tätowierung bis zu mehreren Jahren danach variieren
Man nimmt an, dass allergische Reaktionen auf Tätowie-                                          [2]. Dies hängt zum Teil davon ab, ob die betreffende Person
rungen hauptsächlich durch T-Zellen vermittelt werden und                                       bereits auf eine entsprechende Verbindung sensibilisiert ist.

© 2021 The Authors. Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft published by John Wiley & Sons Ltd on behalf of Deutsche Dermatologische Gesellschaft. | JDDG | 1610-0379/2021/1905
                                                                                                                                                                                              663
Review            Tattoo-Allergene

      Darüber hinaus ist bei manchen Allergenen ein Umbau, ein                                        einer anderen, nicht mit der Tätowierung in Verbindung
      Zerfall oder eine zusätzliche (heterologe) Immunstimulation                                     stehenden Indikation auftreten. Schwellungen, Granulom-
      erforderlich, um eine Sensibilisierung hervorzurufen. Allergi-                                  bildung und Schmerzen in tätowierten Hautarealen wurden
      sche Reaktionen der Haut manifestieren sich in der Regel als                                    nach der Behandlung mit BRAF- und MEK-Inhibitoren wie
      papulonoduläre, plaqueartige, lichenoide, hyperkeratotische                                     Dabrafenib oder Trametinib bei malignen Melanomen, die
      oder ulzeronekrotische Hautveränderungen (Abbildung 2b).                                        sich außerhalb des Tattoos befanden, berichtet [73]. Die
      Zum klinischen Erscheinungsbild gehören ebenfalls Kontak-                                       genannten Inhibitoren hemmen das übermäßige Zellwachs-
      turtikaria-ähnliche oder photoallergische Reaktionen [62].                                      tum von Tumorzellen, können aber auch die Entstehung
      Bei älteren, rot gefärbten Tattoos können Begleitreaktionen                                     von Autoimmunität begünstigen. Des Weiteren wurde über
      angestoßen werden.                                                                              granulomatöse Reaktionen im roten Bereich einer Tätowie-
           Allergische Reaktionen treten meistens lokal unter                                         rung mit zusätzlichen Augensymptomen nach einer Influen-
      Einbeziehung des gesamten mit der auslösenden Farbe täto-                                       za-Impfung mit dem quecksilberhaltigen Konservierungsmit-
      wierten Bereichs auf. Einige Autoren beschreiben aber auch                                      tel Thiomersal berichtet [74]. Die Autoren vermuteten eine
      Fälle von generalisierten Hautausschlägen oder Ekzemen,                                         Allergieauslösung durch Thiomersal, das eine allgemeine
      insbesondere bei bereits sensibilisierten Patienten. Diese                                      Entzündungsreaktion mit nachfolgender Lungensarkoidose
      Reaktionen treten früh auf (innerhalb von 1–2 Tagen nach                                        und Überempfindlichkeit gegen das rote organische Tätowie-
      dem Tätowieren) und klingen meist ohne Behandlung nach                                          rungspigment auslöste. Über eine Granulombildung durch
      einigen Wochen oder Monaten ab, was darauf hindeutet,                                           Thiomersal-haltige Impfstoffe wurde auch bei nicht tätowier-
      dass lösliche Bestandteile der Tätowiertinte beteiligt sein                                     ten Personen berichtet.
      dürften. Von anderen Autoren wurden generalisierte Reakti-                                           Hinsichtlich der Behandlung mit Allopurinol wurden
      onen beim Versuch, das Pigment mit einer Laserbehandlung                                        widersprüchliche Befunde veröffentlicht. Ein multimorbi-
      zu entfernen, beschrieben. Auch Fälle von photoallergischen                                     der 34-jähriger Patient entwickelte eine systemische Eosino-
      Reaktionen bei Tätowierungen mit gelber, Cadmium-haltiger                                       philie mit ausgeprägter Hauteruption im Bereich einer Tä-
      Tinte [63, 64] wurden veröffentlicht. Allergische Reaktionen                                    towierung, nachdem Allopurinol in die Medikamentenliste
      ohne generalisierten Hautausschlag können auch durch La-                                        aufgenommen wurde. Allopurinol ist als Ursache für ein
      serbehandlung und vermutlich auch durch Sonnenexposition                                        medikamenteninduziertes Hypersensitivitätssyndrom be-
      aufgrund der Freisetzung von Sensibilisatoren angestoßen                                        kannt. Andererseits ist Allopurinol bei allgemeinen und tä-
      werden [65–67]. Diese sogenannte Photoallergie ist nicht zu                                     towierungsassoziierten Granulomen und Sarkoidosen eine
      verwechseln mit der Phototoxizität, bei der es sich um kurz-                                    Behandlungsoption – vermutlich, weil es entweder als Radi-
      zeitige Reaktionen während der Einwirkung von Sonnenlicht                                       kalfänger wirkt oder die Bildung von Fremdkörperriesenzel-
      auf die Tätowierung handelt [68]. In einigen seltenen Fällen                                    len hemmt [75].
      können vermeintliche allergische Reaktionen, die in Zusam-                                           Grundsätzlich können Medikamente oder Erkrankun-
      menhang mit einer Tätowierung beobachtet wurden, auch                                           gen, die das Immunsystem beeinflussen, auch Reaktionen in
      durch Implantatmaterialien ausgelöst werden [69, 70]. Diese                                     Tätowierungen auslösen. So können zum Beispiel HIV-infi-
      Reaktionen klingen mit dem Entfernen des Implantats ab.                                         zierte Personen nach Beginn einer antiretroviralen Therapie
           Die Mehrzahl der chronischen Tattoo-Reaktionen ist                                         eine Typ-IV-Immunreaktion in Tattoos entwickeln [76].
      mit roten oder rötlichen Farben wie rosa, orange, violett und
      bordeaux assoziiert [39, 42, 71]. In Hautbiopsaten von Pati-                                    Diagnostische Verfahren bei
      enten mit Allergien gegen rötliche Farben wurden Azopig-
      mente am häufigsten identifiziert [72].                                                         allergischen Tattoo-Reaktionen, damit
           Differenzialdiagnostisch sollten bei Verdacht einer                                        verbundene Herausforderungen und
      Typ-IV-Sensibilisierung immer auch andere Spätreaktionen
      wie granulomatöse Fremdkörperreaktionen, systemische
                                                                                                      neue Konzepte
      Erkrankungen (Sarkoidose oder Bindegewebserkrankungen),                                         Die Diagnose allergischer Reaktionen auf Tätowiertinten
      mikrobielle Infektionen und pseudo-lymphomatoide Reakti-                                        stellt eine besondere Herausforderung dar, da die diagnos-
      onen in Betracht gezogen werden.                                                                tischen Werkzeuge und das Wissen über die auslösenden
                                                                                                      Allergene sehr begrenzt sind – ganz zu schweigen von den re-
      Tätowierungen, Medikamente und (Auto-)                                                          levanten Epitopen, die von den beteiligten T-Zell-Rezeptoren
                                                                                                      erkannt werden. Aktuelle diagnostische Tests und ein Über-
      Immunreaktionen
                                                                                                      blick über neue experimentelle Forschungsansätze zur Iden-
      Unerwünschte Reaktionen in einer Tätowierung können auch                                        tifikation von Tätowierungsallergenen sind in Abbildung 3
      nach einer systemischen medikamentösen Therapie aufgrund                                        dargestellt.

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Review            Tattoo-Allergene

                                         Aktuelle und aufkommende Methoden zur Identifizierung von Tattoo-Allergenen

                              Klinisch                                                                      Analytisch                                  In vitro

                                                                                               Analyse der Tinte/Biopsie:                   T-Zell-Assay:
       Anamnese:                                                                                                                            - mit Tinte oder einzelnen

                                                                     Nachweis der Exposition
       - sofortiges oder verzögertes Auftreten                                                                                                 Substanzen
       - Farbe/betroffene Bereiche                                                             -   organische Pigmente
       - Persistenz                                                                                (MALDI-MS/MS)
                                                                                               -   organische Inhaltsstoffe                 Proliferations-basiert:
       - therapierefraktär auf topische                                                                                                     - LTT, LPT, MELISA, hTCPA
         Glukokortikosteroide                                                                      (GC und LC-MS)
       - Sonnenexposition/Laserbehandlung                                                      -   Metalle (ICP-MS)
                                                                                                                                            Ohne Proliferation:
                                                                                                                                            - Zytokinfreisetzung (ELISA,
       Biopsie:                                                                                                                               EliSpot), Hochregulierung
       - Infektionen, zelluläres Infiltrat                                                                                                    von CD154
          (T-Zell-Infiltrat bei Typ-IV-Reaktion)

       Patch-Test:                                                                                                       Nachweis der
       - Standardreihe                                                                                                  Sensibilisierung
       - Tinte (frühes Auftreten)
       - individuelle Allergenreihe (abgeleitet                              Nachweis der
                                                                            Sensibilisierung                             Auswahl des            Test zur Anreicherung von
          aus der Analytik)
                                                                                                                     vermuteten Allergens       spezifischen T-Zell-Klonen
                                                                                                                                                    in der Hautbiopsie

Abbildung 3 Mögliche Vorgehensweise bei der Diagnose tätowierungsbedingter Allergien. Die Anamnese kann Informationen
über besondere Merkmale des vermuteten Allergens liefern, zum Beispiel einen Zusammenhang mit Lichtexposition, Pigmen-
ten oder löslichen Tintenbestandteilen. In Verbindung mit der chemischen Analyse kann das Vorhandensein eines Allergens im
Biopsat oder der Tinte und ein entsprechender positiver Epikutantest Hinweise auf die Identität des Allergens liefern. Es ist aber
durchaus möglich, dass ein Patient nur zufällig auch gegen die Substanz des positiven Epikutantests sensibilisiert ist, während
ein anderes Allergen die Reaktion in der Haut verursacht. In-vitro -Methoden können, wenn man sie mit Proben von nichtaller-
gischen Kontrollpersonen vergleicht, pathogene T-Zell-Populationen beim Patienten nachweisen. Der Nachweis einer erhöhten
Anzahl allergenreaktiver T-Zell-Klone in der entzündeten Tätowierung weist mit großer Zuverlässigkeit auf eine allergische
Typ-IV-Reaktion auf eine in der Biopsie beziehungsweise in der Tinte vorhandene Substanz hin. Zusammen mit Hochdurch-
satz-Sequenzierungs-Technologien würde dies den Nachweis liefern, dass die Hautreaktion tatsächlich durch die verdächtige
Substanz verursacht wird.
Abk.: MALDI-MS, MALDI-Massenspektrometrie; MS, Massenspektrometrie; GC, Gaschromatographie; LC-MS, Flüssigchromato-
graphie mit Massenspektrometrie; ICP-MS, Massenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma; LPT, Lymphozytenprolife-
rationstest; LTT, Lymphozytentransformationstest; MELISA, memory lymphocyte immunostimulation assay; hTCPA, human T
cell priming assay

Epikutantest                                                                                                   Um Kontaktallergien gegen Tätowierungspigmente zu
                                                                                                          ermitteln, wurde kürzlich von der Deutschen Kontaktaller-
Bei der allergischen Kontaktdermatitis ist der Epikutantest                                               giegruppe eine neue Testreihe eingeführt (Reihe 47). Dieser
der diagnostische Goldstandard. Ob dieser Test auch für                                                   Reihe beinhaltet 24 Substanzen, zum Beispiel o-Phenylphe-
die Diagnose von Typ-IV-Reaktionen geeignet ist, die durch                                                nol, Eisen(II)-sulfat und Schellack [78]. Da sich nur wenige
Allergene, die wie die Inhaltsstoffe von Tätowiertinten, in                                               Studien mit dem Nutzen von Epikutantests in dieser Situati-
die Dermis eingebracht werden, ausgelöst werden, ist nicht                                                on befassen, ist nicht vollständig geklärt, welche Allergene
zweifelsfrei geklärt. Theoretisch wäre ein Intrakutantest ein                                             aufgenommen werden müssten. Viele der veröffentlichten
spezifischeres Diagnoseinstrument für derartige Reaktio-                                                  Artikel berichten nur über einzelne klinische Fälle mit po-
nen, da er der In-vivo-Situation besser entsprechen würde.                                                sitiven Epikutantest-Ergebnissen, und nur sehr wenige ver-
Allerdings sind Intrakutantests nicht frei von Risiken. Die                                               binden dies mit einer adäquaten klinischen und analytischen
eingesetzten Pigmente könnten nach dem Test dauerhaft in                                                  Bewertung.
der Dermis verbleiben und selbst chronische Reaktionen aus-                                                    Im Jahr 2014 führten Serup et al. eine Epikutan-
lösen. Folglich wird die Durchführung dieser Tests weder als                                              test-Studie an 90 Patienten mit Tätowierungsreaktionen
angemessen noch als ethisch vertretbar angesehen [77].                                                    durch [71]. Das Fazit der Studie war, dass Patienten, die auf

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                                                                                                                                                                                              665
Review            Tattoo-Allergene

      Tätowierungen allergisch reagierten, hauptsächlich negative                                     Biopsie und Tintenanalyse
      oder inkonsistente Ergebnisse bei Epikutantests mit gängigen
      Allergenen, Textilfarbstoffen, problematischen Tätowiertin-                                     Die Allergendiagnostik bei Tätowiertinten ist sehr an-
      ten und sogar mit einigen Verursachertinten, sofern diese                                       spruchsvoll. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei diesen
      verfügbar waren, aufwiesen [71]. Wurde die Tinte Wochen                                         Tinten um komplexe Mischungen aus unlöslichen Pigmenten
      oder Monate nach der Tätowierung beschafft, war die Wahr-                                       mit Lösungsmitteln, Verdickungsmitteln, Tensiden, Konser-
      scheinlichkeit groß, dass sich die Produktcharge oder die                                       vierungsstoffen und anderen Verunreinigungen oder Zusatz-
      Zusammensetzung geändert hatte. Die negativen Epikutan-                                         stoffen. Bei temporären und früh einsetzenden allergischen
      test-Ergebnisse sprechen auch dafür, dass die meisten Aller-                                    Reaktionen können auch die löslichen Verbindungen in der
      gene, die Reaktionen nach Tätowierungen auslösen, in der                                        Tätowiertinte eine Rolle spielen. In diesen Fällen kann die
      Dermis gebildet werden. Dies geht langsam vonstatten und                                        Tätowiertinte des Patienten in einem Epikutantest positive
      kann Wochen, Monate oder Jahre in Anspruch nehmen [71].                                         Ergebnisse liefern [65]. Bei später auftretenden Reaktionen
      In einer aktuellen Studie traten 37 % der allergischen Reakti-                                  – die sich manchmal erst Jahre nach einer Tätowierung ent-
      onen innerhalb des ersten Monats nach der Tätowierung auf,                                      wickeln – können nur Substanzen, die sich noch in der Haut
      während mit 63 % der überwiegende Anteil auf Spätreakti-                                        befinden, die Allergie auslösen. Bei Allergenen, die von den
      onen entfiel [72]. Das lässt darauf schließen, dass zumindest                                   Pigmenten ausgehen, handelt es sich am ehesten um Metal-
      einige Allergene bereits in der Tinte vorhanden sein können.                                    le, organische Verunreinigungen oder Abbauprodukte von
      Bei den späten Reaktionen auf Tätowierungen können äuße-                                        organischen Pigmenten sowie deren Metabolite. Bevor ein
      re Faktoren wie Licht, welches die photochemische Spaltung                                      Allergen bestätigt werden kann, muss gezeigt werden, dass
      von Tätowierungspigmenten in situ in der Haut induziert,                                        der Patient dieser Substanz ausgesetzt war und gegen diese
      zur Allergenbildung aus Prä- oder Pro-Haptenen beitragen                                        sensibilisiert ist. Das kann durch die Analyse einer Hautbiop-
      [27, 68, 71, 79].                                                                               sie der Tätowierung oder der verwendeten Tinte erfolgen.
           Der Nachteil des Epikutantests ist, dass er nur eine As-                                   Letzteres gelingt nur selten, insbesondere bei spät einsetzen-
      soziation zwischen der Sensibilisierung und einer Einzelsubs-                                   den Allergien, die Monate oder Jahre nach der Tätowierung
      tanz, mit der der Patient Kontakt hatte, herstellen kann; zum                                   auftreten, und bei denen die Herkunft der Tinte nicht mehr
      Beispiel eine Nickelsensibilisierung, die mit Nickel in einer                                   nachvollziehbar ist oder die Tinte in der Zwischenzeit eine
      Tätowiertinte korreliert. Andererseits sind Epikutantest-Er-                                    veränderte Zusammensetzung aufweist. In früheren Ana-
      gebnisse immer mit der Unsicherheit behaftet, dass andere                                       lysen wurden die Metalle Chrom, Quecksilber, Kobalt und
      Substanzen aus der Tätowiertinte der Hauptgrund für die all-                                    Nickel als wahrscheinliche Auslöser allergischer Tätowie-
      ergische Reaktion sein könnten. Sie sind kein unumstößlicher                                    rungsreaktionen identifiziert, indem das jeweilige Epikutan-
      Nachweis eines kausalen Zusammenhanges.                                                         test-Ergebnis mit der chemischen Analyse der Hautbiopsie
                                                                                                      abgeglichen wurde [81–84]. Man findet diese Metalle häufig
      Hautbiopsie                                                                                     in den anorganischen Pigmenten. Die Bestimmung der Me-
                                                                                                      talle in Hautbiopsien oder Tinte ist vergleichsweise einfach
      Die Zusammenschau klinischer Aspekte und histologischer                                         und es existieren standardisierte Epikutantest-Präparate.
      Befunde aus Hautbiopsaten kann dem Kliniker beim Aus-                                                Bei den organischen Pigmenten lassen sich durch chemi-
      schluss von schweren Krankheitsbildern wie kutanen In-                                          sche Synthesen viele Strukturvariationen erzeugen, die eben-
      fektionen durch atypische Mikroorganismen, systemischen                                         falls beim Tätowieren eingesetzt werden können. Bis dato
      Erkrankungen oder lymphatischen Infiltraten helfen [49].                                        sind etwa 104 organische Pigmente bekannt, die in Tätowier-
      Darüber hinaus können in Biopsien mononukleäre Zellin-                                          tinten verwendet werden [85]. Ohne genau zu wissen, welche
      filtrate, zum Beispiel T-Zellen, in einem Muster nachgewie-                                     Pigmente in die Haut eines Patienten eingebracht wurden,
      sen werden, das mit dem bei der allergischen Kontaktder-                                        gleicht die Allergenbestimmung der Suche nach der Nadel im
      matitis beobachteten übereinstimmt. Solche histologischen                                       Heuhaufen.
      Muster sind jedoch nicht pathognomonisch und kommen                                                  Die Pigmentanalytik aus biologischem Gewebe oder
      zum Beispiel auch bei irritativen Kontaktdermatitiden vor.                                      Tinten wurde bislang mittels Hochleistungsflüssigkeit-
      Høgsberg et al. untersuchten 19 Biopsien von Patienten mit                                      schromatographie (HPLC) [86] oder der Matrix-unterstütz-
      chronischen Tätowierungsreaktionen auf rotes Pigment oder                                       ten      Laser-Desorptions/Ionisations-Massenspektrometrie
      Pigmentmischungen beziehungsweise rötliche Farbnuancen                                          (MALDI-MS) [87, 88] durchgeführt. Der Einsatz der HPLC
      [80]. Das vorherrschende histologische Muster war eine In-                                      ist durch die geringe Löslichkeit der Pigmente stark einge-
      terfacedermatitis mit einer erhöhten Anzahl von T-Zellen                                        schränkt, kann aber quantitative Daten liefern. In den für die
      und Langerhans-Zellen, was zu einer Allergie vom verzöger-                                      HPLC-Analyse verwendeten organischen Standardlösungs-
      ten Reaktionstyp passt.                                                                         mitteln ist nur eine begrenzte Menge an Pigment löslich. Die

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Review            Tattoo-Allergene

MALDI-MS-Analyse ist für viele Pigmente grundsätzlich gut                                       auftritt [54, 94]. Wie bedeutsam die verschiedenen mögli-
geeignet, die Nachweisgrenzen liegen jedoch im Prozentbe-                                       chen Epitope für die allergische Immunantwort sind, ist
reich und variieren für jedes Pigment. In einer Studie, in der                                  nach wie vor unbekannt, und die Bildung der korrekten
Pigmente aus 104 Hautbiopsien von Patienten mit allergi-                                        Epitope kann mit In-vitro-Tests kaum kontrolliert werden.
schen Reaktionen analysiert wurden, erwies sich die MAL-                                        Eine pragmatische Vorgehensweise ist es, antigenpräsen-
DI-MS für den Nachweis sichtbarer Mengen von Pigmenten                                          tierende Zellen und T-Zellen aus dem Blut mit chemisch
– wie sie in tätowierter Haut vorhanden sind – als geeignet                                     modifizierten Proteinen oder Peptiden zu inkubieren. Al-
[72]. Allerdings stimmten die von den Tätowierern eingesam-                                     ternativ werden die Chemikalien direkt in das Medium der
melten Tinten nicht immer mit den in der Haut der Patienten                                     Ko-Kultur gegeben [93, 95]. Da T-Zell-Rezeptoren sowohl
vorgefundenen Pigmenten überein.                                                                hochspezifisch als auch kreuzreaktiv sind [96], können
     Zwar lassen sich die Pigmente, die im Verdacht stehen,                                     T-Zell-In-vitro-Tests auch dann noch erfolgreich sein, wenn
Tätowierungsallergien auszulösen, durch chemische Analy-                                        mit Hautpeptiden gebildete Epitope fehlen. Das Aufspüren
sen eingrenzen, es können aber auch nachgeschaltete sensi-                                      der seltenen aktivierten T-Zellen in einer Fülle von irrele-
bilisierende Abbauprodukte dieser Pigmente sowie Neben-                                         vanten reaktiven Zellen (Bystander-Zellen) ist schwierig.
produkte oder Polymere, die bei ihrer Synthese verwendet                                        Jedes Individuum hat über 100 Millionen meist einzigartige
werden, eine Rolle bei der Allergieentwicklung spielen. Für                                     T-Zell-Klonotypen, von denen nur wenige spezifisch für ein
die meisten dieser Substanzen existieren keine standardisier-                                   bestimmtes Epitop sind [97]. Um seltene allergenspezifische
ten Patch-Test-Formulierungen, um eine Sensibilisierung des                                     T-Zellen im Blut nachzuweisen, verwenden die meisten La-
Patienten nachzuweisen. Ist das Pigment in der Haut des Pati-                                   bore proliferationsbasierte Testverfahren wie Lymphozyten-
enten im Voraus bekannt, können spezifische Substanzgrup-                                       proliferations- oder Transformationstests (LPT/LTT), den
pen getestet werden (Abbildung 3).                                                              memory lymphocyte immunostimulation assay (MELISA®)
                                                                                                oder den human T cell priming assay (hTCPA) [57, 98]. Um
Nachweis Allergen-spezifischer T-Zell-Antworten                                                 die Proliferation zu erleichtern, können cytokine skewing
                                                                                                cocktails hinzugefügt oder die regulatorischen T-Zellen de-
in vitro
                                                                                                pletiert werden [99, 100]. Verfahren, die nicht auf Prolifera-
T-Zell-Reaktionen auf mutmaßliche Tätowierungsallergene                                         tion basieren, detektieren in der Regel Zytokine, zum Bei-
können, ähnlich wie bei anderen chemischen Sensibilisato-                                       spiel über Enzyme-linked Immunosorbent- oder Spot-Assays
ren, die eine allergische Kontaktdermatitis auslösen, in vitro                                  (ELISA und ELISpot). Mit Ausnahme der Priming-Assays
untersucht werden. Bei der Durchführung solcher Tests sind                                      erkennen diese Teste nur die Gedächtnis-T-Zellen, die sich
mehrere Hürden zu überwinden. Zunächst müssen relevante                                         vermehren oder die entsprechenden Zytokine exprimieren.
Allergen-induzierte Antigene hergestellt werden, die von spe-                                   Naive T-Zellen und weniger proliferative Gedächtniszellen
zifischen T-Zellen erkannt werden.                                                              oder Gedächtniszellen, die keine Zytokine produzieren, wer-
     Das Wissen darüber, wie Chemikalien T-Zell-Antwor-                                         den nicht erkannt, was zu einer Verzerrung der Ergebnisse
ten induzieren, ist immer noch sehr begrenzt [54, 55, 89].                                      führen kann.
Parkinson et al. zeigten für einige wenige Sensibilisato-                                            Unlängst wurde eine neue Methode beschrieben, die
ren, dass häufige und weniger häufige Proteine modifiziert                                      einen schnellen und umfassenden Zugriff auf antigenspezi-
werden können [90], wobei die Bedeutung für die T-Zell-­                                        fische naive und CD4+-Gedächtnis-T-Zellen ermöglicht. Sie
Epitop-Bildung weiterhin ungeklärt ist. Wahrscheinlich er-                                      basiert auf der Induktion der CD154 (CD40L)-Expression
kennen T-Zellen neben anderen möglichen Mechanismen                                             wenige Stunden nach In-vitro-Stimulation [101, 102]. Dieses
auch Allergen-modifizierte Peptide, die von den Molekü-                                         neue Verfahren wurde von uns und anderen eingesetzt, um
len des Haupt-Histokompatibilitätskomplexes (MHC) der                                           zum Beispiel Nickel- oder β-Laktam-Antibiotika-spezifische
Antigen-präsentierenden Zellen präsentiert werden [91,                                          T-Zellen nachzuweisen [103, 104]. Mit solchen T-Zell-Assays
92]. Dies wurde für das experimentelle Modellallergen                                           kann ein erhöhter Anteil spezifisch aktivierter T-Zellen nach
2,4,6-­Trinitrobenzolsulfonsäure (TNBS) gezeigt. Dieses                                         einer Behandlung mit chemischen Substanzen nachgewiesen
Modellantigen wurde von CD8+-T-Zellen in einem murinen                                          werden.
Kontakt-­ Hypersensibilisierungsmodell hauptsächlich dann                                            Damit der Test aussagekräftig wird, ist eine gleichzei-
erkannt, wenn es an Lysin an Position 4 eines MHC-prä-                                          tige Untersuchung von Kontrollpersonen ohne Allergie un-
sentierten Peptids gebunden war [93]. Alternativ können                                         erlässlich. So wurde zum Beispiel bei der p-Phenylendiamin
Chemikalien nichtkovalent an die T-Zell-Rezeptor-Pep-                                           (PPD)-induzierten Allergie bei Allergikern eine vermehrte
tid-MHC-Schnittstelle binden, was im Falle von Medika-                                          T-Zell-Proliferation nachgewiesen [95]. Das Oxidationspro-
menten als „pharmakologische Interaktion“ bezeichnet                                            dukt von PPD, die sogenannte Bandrowski-Base, induzier-
wird, die manchmal in einer HLA-Allel-restringierten Form                                       te dagegen eine vermehrte Proliferation bei Allergikern und

© 2021 The Authors. Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft published by John Wiley & Sons Ltd on behalf of Deutsche Dermatologische Gesellschaft. | JDDG | 1610-0379/2021/1905
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