Trendradar der Mobilität - Digital gewarnt: Künstliche Intelligenz für den Schutz von Bevölkerung und Infrastruktur - Emmett
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Trendradar der Mobilität Digital gewarnt: Künstliche Intelligenz für den Schutz von Bevölkerung und Infrastruktur
Trendradar Mobilität – Ausgabe #3 2 Trendradar der Mobilität Digital gewarnt: Künstliche Intelligenz für den Schutz von Bevölkerung und Infrastruktur Bei der Flut im Sommer 2021 starben in Nordrhein-West- te Straßen, durch Erdrutsche zerstörte Brücken und Gleise falen und Rheinland-Pfalz mehr als 180 Menschen und es oder auch durch das Austrocknen von Flüssen, die Teil des entstanden Sachschäden in Milliardenhöhe. Innovative Wasserverkehrsnetzes sind. Extremwetter kann so den Per- Methoden und Forschung sollen dazu beitragen, solche sonen- und Warenverkehr beeinträchtigen und sogar Orte Katastrophen in Zukunft zu verhindern und das Krisen- auf dem Land- und Wasserweg unerreichbar machen. management zu verbessern. Verfahren der Künstlichen Intelligenz dienen dabei als Schlüsseltechnologien: für Klimaforschung, für Extremwetter-Frühwarnsysteme und Inhalt effizienteres Krisenmanagement. Hintergrund: Warum wir neue Warnsysteme Das Smartphone vibriert. Auf dem Display meldet sich NINA, brauchen die „Notfall-Informations- und Nachrichten-App“ vom Bun- desamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Trend: Mit Künstlicher Intelligenz und digitalen (BBK). Die Warnmeldung ist eindeutig: Hochwasser in den Anwendungen gegen den Krisenfall kommenden Stunden, und zwar genau am aktuellen Stand- ort des Geräts. Höchste Warnstufe, Handlungsempfehlung: Fazit: Mehr Datenanalyse allein reicht nicht Verlassen Sie umgehend das betroffene Gebiet! So wie hier beschrieben soll NINA Menschenleben retten. Quellenverzeichnis Hintergrund: Warum wir neue Warnsysteme brauchen Starkregen, Sturm, schwere Gewitter oder extreme Trocken- heit und Hitze gefährden nicht nur Menschen, sie setzen auch der baulichen Infrastruktur zu. Schäden an der Verkehrsinf- rastruktur entstehen zum Beispiel durch überschwemm-
Trendradar Mobilität – Ausgabe #3 3 Warnungen kamen zuletzt nicht rechtzeitig an Ein zentraler Verteiler für Warnhinweise ist das „Modulare Warnsystem“ (MoWaS), das vom BBK betrieben wird. Mit dem MoWaS sollen Warnungen aus verschiedenen Quel- len, etwa von lokalen Behörden oder dem DWD, an Multi- plikator*innen wie Medien, Betreiber*innen von digitalen Werbetafeln oder die Deutsche Bahn verschickt werden. Sie sollen die Informationen weiterverbreiten, etwa über Nachrichtenticker, Durchsagen oder Anzeigetafeln. Aus MoWaS stammen auch die Informationen, die Warn-Apps verwenden – neben NINA gibt es beispielsweise BIWAPP oder KATWARN. Mit ihnen sollen Smartphone-Besitzer*in- nen im Katastrophenfall alarmiert werden. Wer schützt die Bevölkerung und Infrastruktur? Wer bei Extremwetter für den Schutz von Menschen und Infrastruktur zuständig ist, steht im Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes. Allgemein gilt: Der Katastrophen- und Bevölkerungs- schutz ist in Deutschland vielgliedrig organisiert. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastro- phenhilfe (BBK) ist nur bei Ernstfällen von bundeswei- ter Tragweite und militärischen Konflikten verantwort- lich. Es leistet Amts- und Katastrophenhilfe im In- und Ausland und verschickt eigene Warnungen. Grundsätzlich fällt der Katastrophenschutz in den Auf- gabenbereich der Bundesländer. Häufig ist er jedoch nicht zentral organisiert und einzelne Landkreise und Städte übernehmen die Aufgabe. Vor Ort werden Eine Alternative zu den Warn-Apps ist Cell Broadcast, auch dann die Leitstellen der Feuerwehr und der Polizei bekannt als „Warn-SMS“. Behörden können sie automatisch sowie Krisenstäbe aktiv. Sie sind auch für Warnungen an alle Handys verschicken, die sich in einem ganz be- zuständig. Falls diese kommunalen Akteur*innen an ihre Grenzen stoßen, unterstützen sogenannte Lage- stimmten Gebiet befinden, eingeschaltet sind und Empfang zentren im jeweiligen Bundesland. Sie koordinieren haben. Dafür sind weder ein internetfähiges Smartphone und warnen ebenfalls. Es ist also möglich, dass meh- noch eine App notwendig, allerdings müssen die Geräte rere Stellen parallel Warnungen verschicken. vorher gegebenenfalls konfiguriert werden. In vielen EU- Staaten wird dieses System bereits genutzt, in Deutschland soll die Technik ab Ende Februar 2023 einsatzbereit sein. Bei Extremwetter und anderen Bedrohungen sind die Ein- Zuvor, am 8. Dezember 2022, testet das BBK das System satzstellen auf Daten angewiesen, die andere Einrichtun- erstmals am bundesweiten Warntag. Dieser fand zuletzt im gen erheben und bereitstellen. Bei außergewöhnlichem September 2020 statt, allerdings wenig erfolgreich: Es ver- Wetter steht der Deutsche Wetterdienst (DWD) besonders sagten viele Sirenen, Warnmeldungen erreichten die Bevöl- im Fokus. Er übernimmt die behördliche Wettervorhersage kerung teilweise erst viel zu spät. Das soll dank Cell Broad- und betreibt außerdem ein nationales Warnzentrum. Bei cast dieses Mal besser funktionieren. Jedoch sind auch die drohendem Unwetter veröffentlicht der DWD abgestufte Warn-SMS störanfällig: Wenn etwa bei Hochwasser mehre- Warnungen. Detailliertere Vorhersagen schickt er über ein re Funkmasten einer Region gleichzeitig ausfallen, funktio- internes Katastrophenschutzportal an Behörden, Rettungs- niert der Mobilfunk nicht mehr und die Nachrichten können organisationen, Feuerwehr und Polizei. Auch die Hochwas- nicht zugestellt werden. serzentralen der Bundesländer sind an dieses Netz ange- bunden.
Trendradar Mobilität – Ausgabe #3 4 Die Anlässe zum Warnen nehmen zu Das Auftreten der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz war durch den Zu Extremwetterereignissen kommt es wegen der Erd- Klimawandel um das 1,2- bis 9-Fache wahrscheinlicher. Es erhitzung immer häufiger. Auf Basis von Klimaprognosen starben mehr als 180 Menschen und es entstanden Sach- konnte zum Beispiel errechnet werden, dass in den kom- schäden in Milliardenhöhe. menden Jahrzehnten sehr heiße Perioden in Deutschland je nach Region um fünf bis 20 Tage pro Jahr länger werden, Die Auswirkungen des Klimawandels sind also auch hier- sofern die Erderhitzung ungebremst voranschreitet. Das zulande spürbar und erhöhen den Druck auf Forschung wiederum steigert die Waldbrandgefahr deutlich. Aber es und Behörden, zukünftige Wetterextreme besser vorher- geht bei Weitem nicht nur um Ereignisse in ferner Zukunft: zusagen und Gefahren abzuwenden. Sowohl die rechtzei- Hitze in Deutschland Signifikante Zunahme von Hitzereignissen Abweichung der Anzahl heißer Tage (über 30 °C) 1951-2020 (im Vgl. 1961-1990) +15 Tage +10 Tage +5 Tage + 1,6 °C +0 Tage Durchschnittstemperatur −5 Tage 1960 1980 2000 2020 seit 1881 Hitzebedingte Todesfälle steigen Grafik: Emmett, CC-BY-SA 4.0, Icon: Draftphic, Quelle: Statista, DWD proz. Änderung der hitzebedingten Todesfälle 9 von 10 2006-2019 (im Vgl. 2000-2005) Hitzetagen +50 % +40 % seit 1881 nach 2000 +30 % +20 % +10 % −10 % 2008 2010 2012 2014 2016 2018 +42 cm Die Anzahl der Sturmfluten an der Nordsee (Cuxhaven) steigt stetig Wasserspiegel Anzahl von Sturmfluten pro Saison in Cuxhaven 2022 im Vgl. zu 1951 (Juli-Juni) in Cuxhaven seit 1900 10 8 6 4 2 0 1920 1940 1960 1980 2000 2020 Naturkatastrophen durch Überschwemmungen und Mehr Mehr als als 180 180 Tote Tote Starkregen verursachen Schäden in Milliardenhöhe Grafik: Emmett, CC-BY-SA 4.0, Icon: ProSymbols, Quelle: Statista, DWD, Umweltbundesamt und 5 Milliarden und 5 Milliarden Schwerste von Starkregen und Hochwasser geprägte Euro Euro Schaden Schaden Naturkatastrophen (Stand 2021) Flutkatastrohpe Flutkatastrohpe im imAhrtal Ahrtal nach nachTief Tief Bernd Flutkatastrophe Bernd 2021 2021 nach Tief Bernd (Juli 2021) 5.500 Millionen € Hochwasser (August 2002) 4.650 Millionen € Hochwasser (Juni 2013) 2.240 Millionen € Tief Elvira II (Mai/ Juni 480 Millionen € 2016) Unwetterserie (Juni 2021) 400 Millionen € Tief Viola (August 2010) 380 Millionen € Tiefs Quintia, Renate, Susanne 360 Millionen € (Juli/ August 2014)
Trendradar Mobilität – Ausgabe #3 5 tige und präzise Warnung vor Extremwetterereignissen als Trotzdem stehen Klimaforschung und Krisenmanagement auch das Krisenmanagement setzen detaillierte Informa- vor einigen Herausforderungen: tionen voraus: Wann und wie häufig werden Wetterereig- • Erstens stehen längst noch nicht alle benötigten Daten nisse eintreten? Welche Regionen sind besonders betroffen für die Warnung vor Extremwetterereignissen zur Verfü- und warum? Welche Faktoren begünstigen wetterbeding- gung. Insbesondere das Netz der lokalen Messstationen te Krisenfälle? Die Antworten sind auch für Verkehrs- und müsste ausgebaut werden, um etwa Pegelstände auch Stadtplaner*innen wertvoll, denn eine widerstandsfähige von kleineren Gewässern kontinuierlich überwachen zu Infrastruktur wird immer wichtiger. Im Idealfall entsteht sie können und flächendeckende Prognosen zu ermögli- bereits im Planungsstadium, doch auch die bestehende Inf- chen. rastruktur kann und muss angepasst werden. • Zweitens wird bei den riesigen Datenmengen eine tech- nische Infrastruktur benötigt, die deren Auswertung Trend: Mit Künstlicher Intelligenz und überhaupt erst ermöglicht. Das Deutsche Klimarechen- zentrum etwa verfügt dafür seit neuestem über einen digitalen Anwendungen gegen den „Supercomputer“, den sogenannten Klimarechner „Le- Krisenfall vante“. Dieser soll mit einer Spitzenrechenleistung von 14 Billiarden mathematischer Operationen pro Sekunde Gerade in den letzten Jahren sind meteorologische Beob- langfristige Klimaszenarien simulieren und vorhersagen, achtungen genauer geworden. Neuartige Sensoren oder die mit welchen Formen von Extremwetter in welchen Re- Verarbeitung großer Datenmengen haben die Qualität und gionen zu rechnen ist. Analyse von Messungen verbessert. Auch die sogenannte • Drittens funktioniert das Warnsystem in Deutschland Fernerkundungstechnik hat dazu beigetragen: Sensoren, noch nicht einwandfrei, wie auch die Flutkatastrophe die an Flugzeugen, Satelliten, Ballons oder Drohnen ange- im Juli 2021 gezeigt hat. Zwar gibt es verschiedene Ins- bracht sind, können eine Vielzahl von Umweltdaten liefern, titutionen, die im Katastrophenfall warnen können, aber die mit anderen Mitteln nicht oder nur schwer erfasst wer- insbesondere bei der Kommunikation scheint es noch den können. Zudem spielt die Bodenbeobachtung weiter- große Defizite zu geben. Einen ersten Hinweis darauf, in- hin eine große Rolle. Dazu gehören etwa Wetterwarten und wieweit sich die Lage verbessert hat, wird der bundes- -stationen oder lokale Messstationen, die teilweise von Eh- weite Warntag am 8. Dezember 2022 geben. renamtlichen betrieben werden. Es liegen vermehrt präzise und detaillierte Daten vor, aus denen Software mit Verfahren Moderne Fernerkundung für bessere Klima- und der Künstlichen Intelligenz (KI) genauere Wetterprognosen Umweltdaten erstellen kann. Das trägt dazu bei, Extremwetterereignisse früher zu erkennen. Eine Vielzahl an Projekten setzt bei der ersten Herausforde- rung an: der Vergrößerung der Datenbasis für die Warnung im Katastrophenfall. Beim Extremwetter bedeutet das, mehr Künstliche Intelligenz in der Klimaforschung Messstationen aufzubauen und neue Messmethoden zu er- proben. KI-gestützte Systeme können große Datenmengen automatisiert auswerten. Dabei verknüpfen sie Wetter- daten aus der Vergangenheit und Gegenwart (Echtzeit) miteinander. Den Systemen liegen Verfahren des Ma- schinellen Lernens zugrunde. Das ist ein Prozess, bei dem Software große Datensätze auf Muster und Ge- setzmäßigkeiten hin untersucht. Aus den so erkannten Mustern werden dann Algorithmen abgeleitet, also Vorgehensweisen, um eine Problemstellung zu lösen. Ein KI-System, das beispielsweise Sturmfluten vorher- sagen soll, lernt aus den Daten vergangener Sturmflu- ten. Es leitet daraus ab, welche Kriterien (meist) erfüllt sind, wenn eine Sturmflut eintritt, etwa eine bestimmte Windstärke oder eine Veränderung des Wasserstands. Diese Datenpunkte gleicht das System dann im Einsatz mit Echtzeitdaten ab. So lässt sich die Wahrscheinlich- keit von Wettertrends und Extremwetterereignissen wie Sturmfluten errechnen. KI gewinnt zunehmend an Bedeutung, um Extremwetterereignisse vorherzusa- Dass die Fernerkundungstechnik noch Entwicklungspoten- gen und zu analysieren. Sie kann Behörden und Hilfs- zial hat, zeigt das mFUND-Projekt cAIR. Dort wird getestet, organisationen dabei unterstützen, schneller und ziel- ob die Flugdaten von Segelflugzeugen dafür geeignet sind, gerichteter auf Krisen zu reagieren und frühzeitig vor räumlich und zeitlich genauere Wettervorhersagen zu tref- ihnen zu warnen. fen und vor Starkregen und Gewittern zu warnen. Im Fokus stehen vertikale Luftbewegungen, die für die Entstehung von Gewittern bedeutsam sind. Eine KI-gestützte Anwen- dung hilft, die gesammelten Flugdaten mit Geo- und Wetter- daten zu verknüpfen. Dafür trainierte Algorithmen erkennen die genauen Faktoren, die die Entstehung starker Gewitter
Trendradar Mobilität – Ausgabe #3 6 +11 Tage Die durchschnittliche Anzahl der Waldbrände und die Waldbrandflächen steigt Waldbrandgefahr Die Anzahl und die Fläche (in Hektar) von Waldbränden 38 Tage statt 27 Tage in Deutschland von 2000 bis 2022 (Stand 31.08.2022) im Durchschnitt (1961-1990) Waldbrandfläche Anzahl Waldbrände in Hektar 3000 2500 2500 2000 2000 1500 1500 1000 1000 500 500 0 Grafik: Emmett, CC-BY-SA 4.0, Icon: Ayub Irawan, Quelle: Statista, DWD, Umweltbundesamt, Zeit 2005 2010 2015 2020 20 20 Mio Mio €€ Holzschaden Holzschaden und und 600 600 Mio Mio €€ Die Kosten für die die verursachten Gesamtschaden Schäden steigen sprunghaft an Gesamtschaden Stand StandAugust August 2022 2022 Quantifizierte Schäden an Holzwert verursacht durch Waldbrände von 2000 bis 2022 (Stand 31.08.2022) 15.000.000€ 10.000.000€ 5.000.000€ 2005 2010 2015 2020 an einem bestimmten Ort begünstigen. Um möglichst lange Intelligente Datenanalyse und -bereitstellung für Zeitreihen zu erfassen und umfangreiche Datensätze auf- den Krisenfall zubauen, sollen nicht nur aktuelle, sondern auch zurücklie- gende Flugdaten von Privatpilot*innen verwendet werden. Für das zweite Problem – die riesigen Datenmengen – wer- Ähnliche Crowdsourcing-Ansätze gibt es bereits bei den eh- den in den seltensten Fällen Supercomputer benötigt. Um renamtlich betriebenen lokalen Bodenmessstationen. Krisenfälle vorhersagen und handhaben zu können, reicht es in der Regel, wenn Daten gut auffindbar sowie ohne wei- Fernerkundungsdaten kommen beispielsweise auch bei tere Aufbereitung unkompliziert und schnell zu verwenden der Analyse von Waldschäden zum Einsatz. Das mFUND- sind. Der DWD zum Beispiel verfügt über außerordentlich Projekt FirSt 2.0 nutzt Satellitendaten, um eine Zustandsbe- umfangreiche Klima- und Wetterdaten, die allerdings erst wertung deutscher Wälder zu erstellen und abzugeben. Eine einmal gefunden, je nach Anwendungsfall gefiltert und dann dafür programmierte Software analysiert die Satellitendaten in die gewünschte Form gebracht werden müssen. Entwick- kontinuierlich und flächendeckend, um automatisiert eine lungen wie die des mFUND-Projekts FAIR haben dieses Risikobewertung vorzunehmen. So werden etwa Dürre oder komplizierte Vorgehen als Problem erkannt und sorgen für Schädlingsbefall frühzeitig erkannt, das Risiko für Schäden barrierearme Zugänge zu den DWD-Datensätzen. Darüber durch Waldbrand oder Stürme sinkt – angemessenes und hinaus will FAIR die Nutzer*innen bei der individuellen Su- schnelles Handeln vorausgesetzt. che und Aufbereitung von Daten unterstützen und ihnen zudem ermöglichen, dem DWD eigene Messwerte zu über- Das an First 2.0 beteiligte Start-up LiveEO hat darüber hinaus geben. eine Software entwickelt, die auf der Grundlage von Satelli- tendaten die Vegetation und den Untergrund im Umfeld von Andere Akteur*innen wollen Daten so aufbereiten und zur Bahngleisen überwacht. Damit können Gefahren frühzeitig Verfügung stellen, dass sie zu einer größeren Widerstands- erfasst und präventive Maßnahmen eingeleitet werden, um fähigkeit von Versorgungsnetzen beitragen. Das vom Fraun- den sicheren Eisenbahnverkehr zu gewährleisten – ganz hofer-Institut für offene Kommunikationssysteme geführte ohne zeit- beziehungsweise CO2-intensive Inspektion am Konsortium, das hinter dem Projekt ResKriVer steht, setzt Boden oder aus dem Helikopter heraus. dabei auf eine Plattform, die verschiedene Services bündelt. Dazu gehören die Bewertung und die Simulation der Versor- gungssicherheit oder eine ausfallsichere Kommunikation im Krisenfall. Zu diesem Zweck laufen dort verschiedenste Daten zusammen, zum Beispiel aus Unternehmen oder der Wissenschaft. Sie werden – zum Teil KI-basiert – zielgerich- tet analysiert. Darüber hinaus wertet eine Software Social- Media-Kommunikation aus, um akute oder sich anbahnen-
Trendradar Mobilität – Ausgabe #3 7 Im besten Falle werden Prognose Auftrittswahrscheinlichkeit von Starkregenereignissen zeigt erhöhte Starkregenereignisse Wahrscheinlichkeit Grafik: Emmett, CC-BY-SA 4.0, Icon: P Thanga Vignesh, Quelle: DWD, Stellungsnahme ClimXtreme 1,2 mal wahrscheinlicher Veränderung der Auftrittswahrscheinlichkeiten von bei 1,2 °C erhöhter globaler Starkregenereignissen bei 1,2 °C und 2 °C Temperaturanstieg Durchschnittstemperatur Auftrittswahrscheinlichkeit Im Im schlimmsten schlimmsten Falle Falle bei 1,2 °C Temperaturanstieg werden Starkregenereignisse werden Starkregenereignisse Auftrittswahrscheinlichkeit 9 9 mal mal wahrscheinlicher wahrscheinlicher bei 2 °C Temperaturanstieg bei bei 1,2 1,2 °C °C erhöhter erhöhter globaler globaler Durchschnittstemperatur Durchschnittstemperatur +200% +400% +600% +800% de Krisensituationen schnell zu erkennen. Ergänzend sollen Liegen Warnungen vor Extremwetterereignissen oder an- spezifische Informationen aus einzelnen Social-Media- deren Katastrophen vor, bleibt den Behörden und Einsatz- Posts zu einer Krisensituation so aufbereitet werden, dass kräften häufig nur wenig Zeit, um darauf zu reagieren. Eine sie zum Beispiel von Krisenstäben direkt in ihre Entschei- schnelle Reaktions- und Einsatzfähigkeit sowie eine zügige dungen einbezogen werden können. Über Dashboards für Entscheidung über die Verteilung der verfügbaren Ressour- verschiedene Zielgruppen können relevante Einrichtungen, cen sind essenziell für die Versorgung und den Schutz der Krisenstäbe oder auch die Bevölkerung im Fall eines eintre- Bevölkerung. Dafür ist es notwendig, ein Gesamtbild der tenden Krisenfalls vorgewarnt werden. Situation zu erstellen, was wiederum eine Bündelung und Auswertung aller verfügbaren Informationen voraussetzt. Wichtig ist außerdem, dass alle beteiligten Organisationen auf die benötigten Informationen zugreifen und sich mit an- deren Beteiligten vernetzen können. Genau dies strebt das Projekt SPELL an, das an einer Plattform arbeitet, die KI-ge- stützt Informationen aufbereitet und Leitstellen sowie Lage- zentren bei der Entscheidungsfindung unterstützt. Anwendungen für einen sicheren Verkehr und eine widerstandsfähigere Infrastruktur Speziell auf den Schutz von Verkehr und Verkehrsinfrastruk- tur zugeschnitten sind Projekte wie SENSARE. Das mFUND- Projekt richtet sich an die Leitzentralen von Verkehrsinfra- strukturbetreibenden und Sicherheitsbehörden, die vor möglichen Überflutungen im Stadtgebiet gewarnt werden Auch das niederländische Unternehmen Crowdsense hat sollen. Sensoren an Straßen, in der Kanalisation und an Gul- mit der Anwendung PublicSonar eine KI-gestützte Lösung lideckeln messen den Wasserstand. Die Werte werden mit für die Auswertung online verfügbarer Daten, wie Posts in Simulationen abgeglichen, um zu beurteilen, wie lange ein den sozialen Medien, entwickelt. Das Ziel ist, Online-Aktivi- von Starkregen betroffenes Gebiet noch gefahrlos befahr- täten in Echtzeit zu analysieren und dadurch bei Krisen- und bar ist – insbesondere mit dem öffentlichen Personennah- Katastropheneinsätzen die Lage schneller zu erfassen oder verkehr. Auf diese Weise sollen die Verantwortlichen in die den Verlauf der Geschehnisse besser abschätzen zu kön- Lage versetzt werden, präventiv Sicherheitsmaßnahmen nen. Mithilfe eines solchen Frühwarnsystems, so die Hoff- umzusetzen oder den Verkehr umzulenken. Perspektivisch nung, können Behörden schneller und zielgerichteter als sollen die Informationen auch an Navigationssysteme in zuvor auf entsprechende Gefahrensituationen reagieren. Pkw ausgespielt werden. Die Daten aus dem Sensoren- Diese Lösung kann in verschiedenen Fällen zum Einsatz Netzwerk sollen außerdem bei Modellrechnungen genutzt kommen. Beispielhafte Anwendungsszenarien sind, neben werden, die sich für zukünftige Infrastrukturplanungen her- Unwettern und Naturkatastrophen, auch Terror- und Cyber- anziehen lassen. angriffe. Darüber hinaus setzen die Entwickler*innen darauf, Im mFUND-Projekt ISRV soll KI helfen, die unmittelbaren ein Stimmungsbild der Betroffenen zu erstellen. Das soll die Auswirkungen eines Starkregenereignisses in Echtzeit vor- Polizei oder den Bevölkerungsschutz dabei unterstützen, herzusagen (Wasserstände, Strömungsgeschwindigkeiten ihre Reaktion und ihr Krisenmanagement entsprechend an- und betroffene Verkehrsinfrastruktur). Aus Wetterdaten- zupassen. banken errechnet und erstellt eine KI-Anwendung mögliche
Trendradar Mobilität – Ausgabe #3 8 Starkregenszenarien, anhand derer sich Überflutungspro- Fazit: Mehr Datenanalyse allein reicht nicht zesse modellieren und risikoanalytisch bewerten lassen. Mit den erzeugten Daten wird eine KI-Software trainiert, sodass Derzeit liegt viel Hoffnung auf Verfahren der Künstlichen In- sie – angeschlossen an ein Niederschlagsvorhersagesys- telligenz. In der Tat steigt die Bedeutung von Maschinellem tem – präzise Überflutungsvorhersagen liefern kann. Somit Lernen für Vorhersagen aller Art an, nicht zuletzt aufgrund kann der Verkehr bei Bedarf rechtzeitig umgelenkt werden. der immer größeren verfügbaren Datenmengen und der ef- fizienteren Analyseverfahren. Bei Extremwetterereignissen Das mFUND-Projekt heavyRAIN nutzt KI-Verfahren, um ein und für den Katastrophenschutz wird sie wohl in Zukunft Starkregenfrühwarnsystem zu entwickeln, das zeitlich und weiter zunehmen. Doch auch bei der Planung und Entwick- räumlich hochpräzise ist. Dazu werden in mehreren Pilot- lung wichtiger Infrastruktur können KI-Anwendungen hel- städten lokale Messnetze durch Sensoren ergänzt, mit de- fen. Präzisere Simulationen ermöglichen, eine krisenfestere ren Hilfe Starkregenereignisse detaillierter aufgezeichnet Infrastruktur zu schaffen. Gekoppelt mit einem effektiven werden können. Diese und weitere, zurückliegende Daten Frühwarnsystem verursachen Krisenereignisse dann im bilden die Grundlage, um das Messnetz zu verbessern und Idealfall weniger Schäden als bisher und Menschen können die KI-Anwendung zu trainieren, sodass sie exaktere Prog- sich rechtzeitig in Sicherheit bringen. nosen trifft. Parallel testet das Projektkonsortium ein neu- artiges Sensor- und Prognosekonzept für die Entstehung Gleichzeitig ist es unerlässlich, digitale Warnsysteme mit von Starkregenzellen. Ein Vorläuferprojekt konnte bereits ihren unterschiedlichen Datenquellen gut aufeinander ab- Erkenntnisse darüber liefern, wie sich Starkregenzellen ent- zustimmen. Wie die hier vorgestellten Projekte zeigen, sind decken und deren Bewegungsrichtungen prognostizieren bereits mehrere Anwendungen im Einsatz oder in der Ent- lassen. wicklung, die entweder ganz allgemein vor Gefahren war- nen oder Frühwarnsysteme für spezielle Einsatzfelder sind. Neben Starkregen kann auch Hitze der Infrastruktur zuset- An dieser Stelle wird es auf den Austausch zwischen den zen. Insbesondere Innenstädte können sich extrem aufhei- beteiligten Projektteams ankommen, um voneinander zu zen und im Vergleich zum Umland durchschnittlich um bis lernen und verschiedene Services sinnvoll miteinander zu zu zehn Grad Celsius heißer sein – das ist der sogenannte verknüpfen. Urbane-Hitzeinsel-Effekt (UHI). Das Projektteam von KLIPS will Sensoren und KI-Verfahren nutzen, um Temperatur- Ähnliches gilt für das datengetriebene Krisenmanagement. schwankungen und für Hitzeinseln anfällige Gebiete früh- Mit allen beteiligten Akteur*innen Erfahrungen und Daten zeitig zu erkennen. Das mFUND-Projekt soll darüber hinaus auszutauschen, ist wichtiger denn je. Sind Daten frei zu- Gegenmaßnahmen simulieren können und damit die Stadt- gänglich, können zudem Lösungen entstehen, die niemand planung unterstützen. Aktuell baut das Team in Dresden ein vorhergesagt hätte. Netz aus rund 300 Sensoren auf, die zukünftig Temperatur- daten sammeln. Zusammen mit den Daten von Satelliten, Bürger*innen dürfen darauf hoffen, dass Gefahren für Wetterstationen und aus Grundstücksverzeichnissen lassen Mensch und Infrastruktur in Zukunft früher erkannt werden – sich Gebiete mit hoher Hitzeinsel-Wahrscheinlichkeit identi- dank besserer Datengrundlage und -analyse – und dass die fizieren. Mithilfe der KI-Algorithmen sollen in Zukunft noch Informationen über Gefahren auch bei den richtigen Stellen präzisere Vorhersagen möglich werden. ankommen, und zwar in einer Form, die der schnellen, ge- zielten und koordinierten Reaktion zuträglich ist.
Trendradar Mobilität – Ausgabe #3 9 Emmett: SENSARE – Sensorbasierte Stadtgebietsanalyse Quellenverzeichnis für Starkregengefährdungen zur Warnung und Resilienzver- Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhil- besserung der Verkehrsinfrastruktur, o. D. fe: Das Modulare Warnsystem (MoWaS), o. D. Emmett: Veranstaltungsdokumentation mFUND-Fachaus- Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhil- tausch: Digital gewarnt – Potenziale von Dateninnovationen fe: Organisation der Warnung, o. D. für die Analyse und Prognose von Extremwetterereignis- sen, o. D. Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophen- hilfe: Wie funktioniert der deutsche Bevölkerungsschutz?, Fischer, Katarina: Hitzeinseleffekt. Warum es in unseren o. D. Städte[n] so heißt ist und was dagegen hilft, auf: national- geographic.de, 13.07.2022. ClimXtreme: Aktuelle Starkregenereignisse, 22.11.2021. Foken, Thomas et al.: Entwicklungen bei meteorologischen Dauber, Gregory: „Klimaforschung ist keine Sache für Messtechniken, in: Gefahrstoffe Reinhaltung der Luft 77 Angsthasen“, auf: t-online.de, 13.10.2022. (2017), H. 7/8, S. 284–289. Deutscher Wetterdienst und Extremwetterkongress IPCC: Climate Change 2022. Mitigation Report. Hamburg (Hrsg.): Was wir heute über das Extremwetter in Deutschland wissen, Stand: September 2021. Lindern, Jakob von, Iser, Jurik Caspar und Peitz, Dirk: Deutschland warnt – aber leider falsch, auf: zeit.de, Deutscher Wetterdienst: Bodenbeobachtung im DWD, o. 22.07.2021. D. LiveEO: Making Rail Networks more resilient with Satellite Deutscher Wetterdienst: Der Deutsche Wetterdienst sucht Insights, o. D. ehrenamtliche Beobachterinnen und Beobachter, o. D. Müller-Brehm, Jaana und Otto, Philipp: Smarte Techno- Deutsches Klimarechenzentrum: Levante – neuer Super- logie gegen den Klimawandel, Heinrich-Böll-Stiftung, März computer für die Erdsystemforschung, o. D. 2022. Ellerhoff, Beatrice: Kann KI helfen, uns auf Extremwetter PublicSonar: Unsere KI-Lösung, o. D. besser vorzubereiten?, Heinrich-Böll-Stiftung, 07.09.2022. ResKriVer: Plattform, Architektur & Services, o. D. Emmett: cAIR – KI-basierte Flugdatenanalyse von Segel- flugzeugen zur verbesserten Vorhersage konvektiver Wet- Rodenkirch, Dirk: Nach Flutkatastrophe: Weiter Mängel bei terereignisse, o. D. Warn-Apps, auf: swr.de, 08.05.2022. Emmett: FAIR – Anwenderfreundliche Bereitstellung von SPELL: KI in der vernetzten Leitstelle der Zukunft, o. D. Klima- und Wetterdaten, o. D. Stetter, Leonie: Hitzeresilient dank KI und Temperatursen- Emmett: FirSt_2 – SaaS-Produktentwicklung zur skalen- sorik, auf: emmett.io, 06.09.2022. übergreifenden kontinuierlichen Vitalitäts- und Waldscha- TU Dresden, Professur für Geofernerkundung: Historische densanalyse mittels multisensoraler Fernerkundungsdaten Entwicklung der Fernerkundung, o. D. und künstlicher Intelligenz, o. D. Verbraucherzentrale: Cell Broadcast: Neues Warnsystem Emmett: heavyRain – Heavy Rain sensor-based Artificial für Katastrophen in Deutschland, Stand: 11.11.2022. Intelligence Nowcast, o. D. WDR: Flut-Prognose in NRW: Messstationen fehlen, Emmett: ISRV – Intelligente Starkregen-Risikowarnung im 23.09.22. Verkehrssektor, o. D. Zukunftsinstitut: Mit künstlicher Intelligenz zur Krisenresi- Emmett: KLIPS – KI-basierte Informationsplattform für die lienz, o. D. Lokalisierung und Simulation von Hitzeinseln für eine inno- vative Stadt- und Verkehrsplanung, o. D.
Trendradar Mobilität – Ausgabe #3 10 Impressum Herausgeber iRights.Lab GmbH Autor*innen Anne Lammers, Fabian Schweyher Redaktion Henry Steinhau, Jaana Müller-Brehm, Lena Rickenberg, Lukas Bergheim Datenvisualisierung David Hartmann Gestaltung Christoph Löffler Lektorat Hannah Willing Lizenz Der Emmett Trendradar steht unter der Creative-Commons-Lizenz: CC BY 4.0 International (Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz). iRights.Lab GmbH Projekt Move Mobility Oranienstraße 185 D-10999 Berlin Telefon: +49 (0)30 40 36 77 230 E-Mail: momo@irights-lab.de Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, Registernummer: HRB 185640 B Finanzamt für Körperschaften II, USt-IdNr.: DE311181302 Vertretungsberechtigt Philipp Otto (Direktor und Geschäftsführer), Dr. Wiebke Glässer (Geschäftsführerin) Über Emmett Emmett ist eine offene Kommunikations- und Vernetzungsplattform für datengetriebene Mobilitätsprojekte, initiiert und umgesetzt vom Think Tank iRights.Lab. Die Plattform bietet eine Übersicht und einen Einblick in die Projekte der Innova- tionsinitiative mFUND des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV). Emmett dient der Vernetzung und dem Austausch von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sowie allen Projekteilnehmer:innen und interessierten Bürger:innnen. Webseite: www.emmett.io Twitter: @emmettmobility LinkedIn: Emmett Über das iRights.Lab Das iRights.Lab ist ein unabhängiger Think Tank zur Entwicklung von Strategien und praktischen Lösungen, um die Verän- derungen in der digitalen Welt vorteilhaft zu gestalten. Webseite: www.irights-lab.de Twitter: iRightslab LinkedIn: Think Tank iRights.Lab Instagram: @irights.lab
Sie können auch lesen