Update-Workshop zum Abgaberecht - (Steuern und Kausalabgaben)
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Update-Workshop zum Abgaberecht (Steuern und Kausalabgaben) Dritte Biennale des Verwaltungsrechts Murten/FR, 17. Mai 2019 PD Dr. Martin Kocher, LLM (LSE, Taxation), Rechtsanwalt, dipl. Steuerexperte Lehrbeauftragter für Abgaberecht an der Universität Basel Präsidial-Gerichtsschreiber Abgaben/wissenschaftlicher Berater an der II. öffentlich-rechtli- chen Abteilung des Schweiz. Bundesgerichts Vorbemerkungen Der Update-Workshop widmet sich den Entwicklungen seit der Zweiten Biennale im Verwal- tungsrecht (Frühjahr 2017). Die nachfolgenden Übersichten enthalten die – nicht amtlichen – Leitsätze, wie sie laufend in der Zeitschrift «Archiv für Schweizerisches Abgaberecht» (ASA) veröffentlicht wurden. Die jeweilige «Lösung» zu den Fällen findet sich ebenda, wobei es im Update-Workshop darum gehen soll, die groben Linien der Entschiede zu ergründen, nachzu- vollziehen und vor allem die neuesten Rechtsprechungslinien herauszuarbeiten. Gesetzgebung Bund a. DBG Änderungen aufgrund des Bundesgesetzes vom 29. September 2017 über Geldspiele (BGS; SR 935.51): • Art. 24i DBG: «Steuerfrei sind … die Gewinne, die in Spielbanken mit Spielbankenspielen erzielt werden, die nach dem Geldspielgesetz vom 29. September 2017 (BGS) zugelassen sind, sofern diese Gewinne nicht aus selbstständiger Erwerbstätigkeit stammen» (in Kraft seit 01.01.2019). • Art. 24ibis DBG: «Steuerfrei sind … die einzelnen Gewinne bis zum Betrag von 1 Million Franken aus der Teilnahme an Grossspielen, die nach dem BGS zugelassen sind, und aus der Online-Teilnahme an Spielbankenspielen, die nach dem BGS zugelassen sind» (in Kraft seit 01.01.2019). • Art. 24iter DBG: «Steuerfrei sind … die Gewinne aus Kleinspielen, die nach dem BGS zuge- lassen sind» (in Kraft seit 01.01.2019). • Art. 24j DBG: «Steuerfrei sind … die einzelnen Gewinne aus Lotterien und Geschicklich- keitsspielen zur Verkaufsförderung, die nach Art. 1 Abs. 2 Bst. d und e BGS diesem nicht unterstehen, sofern die Grenze von 1 000 Franken nicht überschritten wird» (in Kraft seit 01.01.2019). Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 1/31
Update-Workshop zum Abgaberecht • Art. 33 Abs. 4 DBG: «Von den einzelnen Gewinnen aus der Teilnahme an Geldspielen, wel- che nicht nach Art. 24 Bst. ibis-j steuerfrei sind, werden 5 Prozent, jedoch höchstens 5 000 Franken, als Einsatzkosten abgezogen. Von den einzelnen Gewinnen aus der Online-Teil- nahme an Spielbankenspielen nach Art. 24 Bst. ibis werden die vom Online-Spielerkonto abgebuchten Spieleinsätze im Steuerjahr, jedoch höchstens 25 000 Franken abgezogen» (in Kraft seit 01.01.2019). Weitere Änderungen: • Art. 66a DBG: «Gewinne von juristischen Personen mit ideellen Zwecken werden nicht besteuert, sofern sie höchstens 20 000 Franken betragen und ausschliesslich und unwi- derruflich diesen Zwecken gewidmet sind» (in Kraft seit 01.01.2018). Bevorstehende Änderungen aufgrund des Energiegesetzes vom 30. September 2016 (EnG; SR 730.0) • Art. 32 Abs. 2 DBG: «… Das EFD bestimmt, welche Investitionen, die dem Energiesparen und dem Umweltschutz dienen, den Unterhaltskosten gleichgestellt werden können. Den Unterhaltskosten gleichgestellt sind auch die Rückbaukosten im Hinblick auf den Ersatz- neubau» (in Kraft seit 01.01.2020). • Art. 32 Abs. 2bis DBG: «Investitionskosten nach Abs. 2 zweiter Satz und Rückbaukosten im Hinblick auf einen Ersatzneubau sind in den zwei nachfolgenden Steuerperioden abzieh- bar, soweit sie in der laufenden Steuerperiode, in welcher die Aufwendungen angefallen sind, steuerlich nicht vollständig berücksichtigt werden können» (in Kraft seit 01.01.2020). Bevorstehende Änderungen aufgrund der Revision der Quellenbesteuerung des Erwerbsein- kommens • Diverse Bestimmungen, in Kraft seit 01.01.2021. b. StHG • Art. 26a StHG: «Gewinne von juristischen Personen mit ideellen Zwecken werden nicht besteuert, sofern sie höchstens 20 000 Franken betragen und ausschliesslich und unwider- ruflich diesen Zwecken gewidmet sind» (umzusetzen bis 01.01.2018). • Art. 4 Abs. 1 StHG: «Natürliche Personen ohne steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufent- halt im Kanton sind aufgrund wirtschaftlicher Zugehörigkeit steuerpflichtig, wenn sie im Kanton Geschäftsbetriebe oder Betriebsstätten unterhalten, Grundstücke besitzen, nut- zen oder damit handeln» (umzusetzen bis 01.01.2019). • Art. 4 Abs. 2 lit. g StHG: «Natürliche Personen ohne steuerrechtlichen Wohnsitz oder Auf- enthalt in der Schweiz sind aufgrund wirtschaftlicher Zugehörigkeit steuerpflichtig, wenn sie: im Kanton gelegene Grundstücke vermitteln» (umzusetzen bis 01.01.2019). • Art. 21 Abs. 1 lit. d StHG: «Juristische Personen mit Sitz oder mit tatsächlicher Verwaltung ausserhalb des Kantons sind steuerpflichtig, wenn sie: … mit im Kanton gelegenen Grund- stücken handeln» (umzusetzen bis 01.01.2019). • Art. 21 Abs. 2 lit. b StHG: «Juristische Personen mit Sitz und tatsächlicher Verwaltung im Ausland sind ausserdem steuerpflichtig, wenn sie: im Kanton gelegene Grundstücke ver- mitteln» (umzusetzen bis 01.01.2019). Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 2/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Änderungen aufgrund des Bundesgesetzes vom 29. September 2017 über Geldspiele (BGS; SR 935.51): • Art. 7 Abs. 4 lit. l StHG: entspricht Art. 24i DBG (umzusetzen bis 01.01.2019). • Art. 7 Abs. 4 lit. lbis StHG: entspricht Art. 24ibis (umzusetzen bis 01.01.2019). • Art. 7 Abs. 4 lit. lter StHG: entspricht Art. 24iter DBG (umzusetzen bis 01.01.2019). • Art. 7 Abs. 4 lit. m StHG: entspricht Art. 24j DBG, aber nur, sofern «die nach kantonalem Recht bestimmte Grenze nicht überschritten wird» (umzusetzen bis 01.01.2019). • Art. 9 Abs. 2 lit. n StHG: entspricht Art. 33 Abs. 4 DBG, aber nur «die Einsatzkosten in der Höhe eines nach kantonalem Recht bestimmten Prozentbetrags der einzelnen Gewinne aus Geldspielen, welche nicht nach Art. 7 abs.4 Bst. l-m steuerfrei sind; die Kantone kön- nen einen Höchstbetrag für den Abzug vorsehen» (umzusetzen bis 01.01.2019). Bevorstehende Änderungen aufgrund des Energiegesetzes vom 30. September 2016 (EnG; SR 730.0) • Art. 9 Abs. 3 StHG: «Bei Liegenschaften im Privatvermögen können die Unterhaltskosten, die Kosten der Instandstellung von neu erworbenen Liegenschaften, die Versicherungs- prämien und die Kosten der Verwaltung durch Dritte abgezogen werden. Zudem können die Kantone Abzüge für Umweltschutz, Energiesparen und Denkmalpflege vorsehen. Bei den drei letztgenannten Abzügen gilt folgende Regelung: a. Bei den Investitionen, die dem Energiesparen und dem Umweltschutz dienen, be- stimmt das EFD in Zusammenarbeit mit den Kantonen, welche Investitionen den Unterhaltskosten gleichgestellt werden können; den Unterhaltskosten gleichge- stellt sind auch die Rückbaukosten im Hinblick auf den Ersatzneubau» (umzusetzen bis 01.01.2020). • Art. 9 Abs. 3bis StHG: «Investitionen und Rückbaukosten im Hinblick auf einen Ersatzneu- bau nach Abs. 3 Bst. a sind in den zwei nachfolgenden Steuerperioden abziehbar, soweit sie in der laufenden Steuerperiode, in welcher die Aufwendungen angefallen sind, steuer- lich nicht vollständig berücksichtigt werden können» (umzusetzen bis 01.01.2020). Bevorstehende Änderungen aufgrund der Revision der Quellenbesteuerung des Erwerbsein- kommens • Diverse Bestimmungen, umzusetzen bis zum 01.01.2021. c. VStG • Art. 20 Abs. 3 VStG: «In den Fällen nach Art. 16 Abs. 2bis Bst. a und b wird das Meldever- fahren unabhängig davon gewährt, ob die Meldung der steuerbaren Leistung, das Gesuch um Bewilligung des Meldeverfahrens oder die Geltendmachung des Anspruchs auf ein Meldeverfahren rechtzeitig erfolgt oder nicht» (in Kraft seit 01.01.2019) • Art. 20a VStG: Meldeverfahren bei Naturalgewinnen aus Geldspielen sowie aus Lotterien und Geschicklichkeitsspielen zur Verkaufsförderung (in Kraft seit 01.01.2019) • Art. 23 VStG: Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 3/31
Update-Workshop zum Abgaberecht d. MWSTG • Erste grössere Revision (u.a. Bemessung des für die subjektive Steuerpflicht massgeben- den Umsatzes), in Kraft seit 01.01.2018 • Art. 7 Abs. 3 lit. b MWSTG: «Lex Amazon» (in Kraft seit 01.01.2019) Literatur • Yves Noël/Florence Aubry Girardin [Hrsg.], Commentaire romand zum LIFD, 2. Aufl., Basel 2017. • Martin Kocher, Die bundesgerichtliche Kontrolle von Steuernormen – Grundlagen, Anfech- tungsobjekt, Streitgegenstand, Verfahren, Fallstudien, Bern 2018. Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 4/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Bundesgerichtliche Rechtsprechung Übersicht der Fälle 1. Direkte Steuern von Bund und Kantonen Band Heft Seite Einkommenssteuer 1 2C_679/2016 / 2C_680/2016 11.07.2017 Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen; Nichtigkeit ZH 86 1_2 56 2 2C_708/2017 27.09.2017 Bewertung von Grundstücken des GV LU 86 5 328 3 2C_70/2017 28.09.2017 Ausserkantonale Ersatzbeschaffung BE/GE 86 5 330 4 2C_940/2017 28.03.2018 Begriff des land- und/oder forstwi. Grundstücks AG 86 11_12 785 5 2C_1033/2017 31.05.2018 Kosten des beruflich genutzten Privatzimmers ZH 87 1_2 65 6 2C_505/2017 21.11.2018 ASU; Verhältnis zum Veranlagungsverfahren GR 87 6_7 439 7 2C_872/2018 18.12.2018 Bedeutung der Vollmacht (Art. 116 DBG) SZ 87 6_7 447 2. Verrechnungssteuer 8 2C_1069/2018 07.12.2018 Verrechnungssteuer; Verwirkung der Rückerstattung BS 87 6_7 445 3. Kostenanlastungssteuern 9 2C_1100/2016 17.03.2017 Öffentliche Beleuchtung BS 86 1_2 47 10 2C_519/2016 04.09.2017 Kurtaxe VS 86 5 319 11 2C_672/2017 08.10.2018 Kurtaxe SZ 87 6_7 426 4. Kausalabgaben mit und ohne Lenkungswirkung 12 2C_566/2016 01.12.2017 Lenkungskausalabgabe oder Benützungsgebühr? VS 86 9 566 13 2C_399/2017 28.05.2018 Konzessionsgebühr LU 87 1_2 61 14 2C_798/2017 16.02.2018 Grundeigentümerbeitrag; Abgrenzung VS 86 9 576 15 1C_167/2017 05.07.2017 Mehrwertausgleich; Mettauertal/AG AG 86 1_2 54 16 2C_586/2016 08.05.2017 Benützungsgebühr; Mittelschule SZ 86 3 129 17 2C_206/2016 07.12.2017 Benützungsgebühr; Klassenlager TG 86 6_7 412 18 2C_604/2017 10.01.2018 Benützungsgebühr; kommunale/kantonale GR 86 8 506 19 2C_699/2017 12.10.2018 Benützungsgebühr; Parkplatz SZ 87 6_7 428 20 2C_109/2017 03.07.2018 Benützungsgebühr; Parkplatz; hfrw. RK LU 87 3 116 21 1C_20/2018 17.07.2018 Benützungsgebühr; Demonstration SG 87 3 119 22 2C_1092/2017 28.08.2018 Benützungsgebühr; Doktorierendenpauschale FR 87 5 281 23 2C_1051/2016 24.08.2017 WPEG; Art. 8 Abs. 2 BV CH 86 5 314 5. Verfahren vor BGer 24 2C_897/2018 25.10.2018 Legitimation einer Gemeinde zur BörA UR 87 5 292 Dabei handelt es sich um eine Auswahl aus den gut 700 abgaberechtlichen Entscheiden, die das Bun- desgericht seit der letzten Biennale veröffentlich hat. Ergänzend dazu ist insbesondere auf die amt- lich publizierten Fälle zu verweisen, soweit sie hier nicht behandelt werden. Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 5/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Abgaberechtlicher Verfassungsvorbehalt zugunsten der Kantone Öffentlich-rechtliche Abgabe des Bundes Steuer Kausalabgabe Kostenan- Lenkungs- Reine Gemischte Lenkungs- Fiskalsteuer lastungssteuer* steuer* Kausalabgabe Kausalabgabe kausalabgabe Ohne Lenkungskomponente Ohne Lenkungskomponente Ohne volle Rückverteilung Mit Lenkungskomponente Mit Lenkungskomponente Mit Lenkungskomponente Mit voller Rückverteilung Ohne Finanzkomponente («staatsquotenneutral») Mit Finanzkomponente Mit Finanzkomponente (staatsquotenwirksam) (Gemengsteuer)* (Gemengsteuer)* «Pflichtrecht» (Art. 126 Abs. 1 BV) Ausdrückliche Erhebungskompetenz erforderlich Sachkompetenz grundsätzlich genügend * =: soweit solche auf Bundesebene überhaupt bestehen Quelle: KOCHER, S. 512 Nichtäquivalenz – Gruppenäquivalenz – Individualäquivalenz Gemein- Gemein- Gemein- Gemein- wesen wesen wesen wesen Keine Zurechnung Keine Zurechnung Zurechnung Zurechnung Nichtäquivalenz Einfache Qualifizierte Individualäquivalenz Gruppenäquivalenz Gruppenäquivalenz Keine Identität von Gewisse Identität von Weitgehende Identität Vollständige Identität Abgabepflichtigen und Abgabepflichten und von Abgabepflichtigen von Abgabepflichtigem Nutzern; kein eigent- Nutzern; nur lockerer und Nutzern; hinreichen- und Nutzer; fester licher Zurechnungs- Zurechnungs- der Zurechnungs- Zurechnungs- zusammenhang zusammenhang zusammenhang zusammenhang Daher Steuer Daher Steuer Daher Kausalabgabe Daher Kausalabgabe Bsp.: Einkommenssteuer Bsp.: Kostenanlastungs- Bsp.: Kostenanlastungs- Bsp.: Gebühr steuer kausalabgabe Quelle: KOCHER, S. 504 Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 6/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Kausalabgaben – Anwendungsbereich der Prinzipien Lenkungs- Mehrwert- Ersatz- Gebühren Beiträge kausal- abgaben abgaben abgaben Verwal- Benüt- Sonder- tungs- zungs- nutzungs- gebühren gebühren gebühren Gewinn unzulässig Kostenabhängige, Kostenabhängige, kostenabhängige Gewinn zulässig Nicht nein nein nein G (-) nein nein G (-) nein nein G (-) nein nein KdP ja ja ja LegP ÄqP ja ja ja ja ja ja RVO G (-) G (-) G (-) G (-) G (-) KdP: Kostendeckungsprinzip, ÄqP: Äquivalenzprinzip; LegP: Legalitätsprinzip; G (-): Grundzüge im Gesetz Quelle: KOCHER, S. 474 Zulässige Ungleichbehandlung bei der Kurtaxe Sachliche Begründung für eine ungleiche Behandlung besteht fehlt Ausserkantonale Intensiv nutzende Kurgäste Kurgäste Kurgäste Kurgäste Kurgäste andere Kurgäste mit Ortsansässige Tagesausflügler extensiv nutzende Aufenthalter Wohnsitz im Kurgäste Kanton Strassenunterhalt, Strassenbeleuchtung: Eigentümer und Mieter sind gleichzustellen Datenquelle: Urteil 2C_794/2015* vom 22.02.2016 Quelle: KOCHER, S. 606 Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 7/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 1 Urteil 2C_679/2016 / 2C_680/2016 vom 11. Juli 2017 Thema Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen; Nichtigkeit Leitsatz Eine Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen hat nur, aber immerhin zu erfolgen, wenn der Sachverhalt trotz durchgeführter Untersuchung noch nicht ausreichend erstellt ist und eine Unsicherheit verbleibt, die nicht hin- genommen werden kann. Reicht eine unselbständig erwerbende Person ihre Steuererklärung nicht ein, ist die Veranlagungsbehörde solange davon ent- bunden, den bisherigen Aktenstand zu ergänzen, als sie das steuerbare Ein- kommen anhand der Vorperiode festlegt und davon – wenn überhaupt – nur in geringfügigem Ausmass abweicht. Andernfalls hat sie den Lohnausweis einzuholen. Unterlässt sie dies und fällt die Ermessensveranlagung deutlich zu hoch aus, führt dies allein nicht zur Nichtigkeit der Veranlagungsverfü- gung. Im konkreten Fall ergibt sich dennoch Nichtigkeit und zwar aus dem Umstand, dass die Veranlagungsbehörde offene Steuern in Betreibung ge- setzt hatte, in Missachtung der Betreibungsakten aber dennoch von einem weit überhöhten Einkommen ausging. Fundstelle ASA 86 S. 56 Diskussion 1. Voraussetzungen der Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen (Vorschläge) 2. Ermessensspielraum («günstige Annahme» zu wessen Gunsten?) 3. Gründe für die Nichtigkeit im vorliegenden Fall (durchschnittliches Nettoeinkommen von Fr. 250'000.–, veranlagtes Einkommen zwi- schen Fr. 350'000.– und Fr. 700'000.– ausschlaggebend?) Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 8/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 2 Urteil 2C_708/2017 vom 27. September 2017 Thema Bewertung von Grundstücken des Geschäftsvermögens Leitsatz Die Bewertung von Grundstücken des Geschäftsvermögens hat parzellen- weise zu erfolgen, wobei Boden und Gebäude separate Abschreibungsob- jekte darstellen. Eine Rechtspflicht, pro Parzelle das oder die Gebäude zu- sammen mit dem Boden als Bewertungseinheit zu behandeln, besteht je- denfalls direktsteuerlich nicht. Das sachenrechtliche Akzessionsprinzip, wo- nach Boden und Gebäude eigentumsrechtlich eine Einheit bilden, ändert nichts, nachdem das Sachenrecht keine Bestimmungen zur Bewertung auf- stellt. «Leitrecht» im Bereich der abgaberechtlichen Bewertung von Aktiven und Verbindlichkeiten ist vielmehr das Handelsrecht, das seinerseits auf der Betriebswirtschaftslehre beruht. Dadurch wird die Einheit der Rechtsord- nung gewahrt. Fundstelle ASA 86 S. 328 Diskussion 1. Massgebende Rechtsregeln hinsichtlich der Bewertung eines Akti- (Vorschläge) vums oder einer Verbindlichkeit 2. Bedeutung des Akzessionsprinzips (Art. 642 Abs. 2, Art. 667 Abs. 2 ZGB) 3. Praxis zur Bewertung von bebauten Grundstücken bzw. Mehrheiten von Grundstücken: Recht oder Pflicht zur getrennten Bewertung? Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 9/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 3 Urteil 2C_70/2017 vom 28. September 2017 Thema Ausserkantonale Ersatzbeschaffung bei selbstgenutztem Wohneigentum Leitsatz Im Fall der ausserkantonalen Ersatzbeschaffung bei Veräusserung von dau- ernd und ausschliesslich selbstgenutztem Wohneigentum steht die Kompe- tenz zur Besteuerung des latenten Steuersubstrats auch dann insgesamt dem Zuzugskanton zu, wenn das Ersatzobjekt bereits nach kurzer Zeit wieder veräussert wird. Auch im Anwendungsbereich des Verbots der interkanto- nalen Doppelbesteuerung herrscht damit die Einheitsmethode. Die Zerle- gungsmethode, welche im Umfang der aufgeschobenen Steuer ein Wieder- aufleben der Besteuerungskompetenz des Wegzugskantons zur Folge ge- habt hätte, findet keine Anwendung. Vorbehalten bleibt einzig das Rechts- missbrauchsverbot. Fundstelle ASA 86 S. 330 Diskussion 1. Absolute und relative Methode bei Ersatzbeschaffung (Vorschläge) 2. Einheitsmethode vs Zerlegungsmethode 3. Fristenfrage (fünf Jahre?) Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 10/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 4 Urteil 2C_940/2017 vom 28. März 2018 Thema Begriff des land- und/oder forstwirtschaftlichen Grundstücks Leitsatz Was unter einem «land- und/oder forstwirtschaftlichen Grundstück» zu ver- stehen sei, von welchem das Harmonisierungsrecht spricht, ergibt sich durch Rückschluss auf das einschlägige Fremdrecht, namentlich auf das bäuerliche Bodenrecht. Trotz aller angestrebten Einheit der Rechtsordnung ergeben sich aber gewisse harmonisierungsrechtliche Eigenheiten. Soweit das bäuer- liche Bodenrecht von der «Bauzone» spricht, knüpft es seinerseits an das Raumplanungsrecht an. Fundstelle ASA 86 S. 785 Diskussion 1. Verhältnis zwischen DBG/StHG und BGBB (Vorschläge) 2. Besteuerung der Veräusserung von landwirtschaftlichem Land (ge- mäss DBG einerseits, StHG anderseits) 3. Bedeutung der Unterscheidung insbesondere im dualistischen Sys- tem Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 11/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 5 Urteil 2C_1033/2017 vom 31. Mai 2018 Thema Kosten des beruflich genutzten Privatzimmers Leitsatz Verwendet eine unselbständig erwerbende Person ein in ihrer Privatwoh- nung gelegenes Zimmer regelmässig und in erheblichem Umfang zum Erle- digen beruflicher Tätigkeiten, begründet dies insoweit Gewinnungskosten. Im Berufsalltag kommt es immer häufiger zu flexiblen Arbeitsplätzen. Trotz des Raumkonzepts «smart working», bei welchem der Arbeitgeber nur für 80 Prozent der Mitarbeitenden einen Arbeitsplatz bereithält, kann vorlie- gend nicht gesagt werden, ein Arbeitszimmerabzug sei geboten. Fundstelle ASA 87 S. 65 Diskussion 1. Voraussetzungen des «Arbeitszimmerabzugs» (Vorschläge) 2. Praxis gemäss Kanton Basel-Landschaft 3. Wie verhält es sich bei selbständig erwerbenden? Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 12/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 6 Urteil 2C_505/2017 vom 21. November 2018 Thema Untersuchungen der ASU; Verhältnis zum Veranlagungsverfahren Leitsatz Die Abteilung ASU der ESTV kann im Untersuchungsverfahren nach Art. 190 ff. DBG jene strafprozessualen Zwangsmassnahmen ergreifen, die das Ver- waltungsstrafrecht vorsieht. Solche stehen der KSTV im Veranlagungsverfah- ren nicht zur Verfügung. Im vorliegenden Fall ist es nach beendeten Unter- suchungen weder zur Eröffnung eines Hinterziehungsverfahrens noch zu ei- ner Anzeige wegen Steuerbetrugs gekommen. Vielmehr hat die KSTV/GR das Veranlagungsverfahren vorgezogen. In diesem darf sie die Erkenntnisse des Untersuchungsverfahrens verwerten, sofern die Verfahrensrechte gewahrt sind. Zu verlangen ist namentlich, dass die steuerpflichtige Person alle von der ASU erhobenen Dokumente einsehen kann. Ein Anspruch darauf, dass ein umfangreicher Aktenbestand digitalisiert zur Verfügung gestellt wird, be- steht nicht. Fundstelle ASA 87 S. 439 Diskussion 1. Bedeutung von «nemo tenetur …» (Vorschläge) 2. Zulässigkeit der Chronologie «zunächst Nachsteuerverfahren, dann erst Steuerhinterziehungs- und Steuerbetrugsverfahren» 3. Bedeutung des Urteils des EGMR Chambaz gegen die Schweiz vom 5. April 2012 (11663/04) Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 13/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 7 Urteil 2C_872/2018 vom 18. Dezember 2018 Thema Bedeutung der Vollmacht (Art. 116 DBG) Leitsatz Die Regeln über die vertragliche Vertretung (Art. 117 DBG) beruhen auf dem Konzept der Generalvollmacht, wobei diese eingeschränkt werden kann. Es besteht aber die natürliche Vermutung, dass keine Stellvertretung vorliege, weshalb das Vertretungsverhältnis von der Partei, die daraus Rechte ablei- tet, nachzuweisen ist. Das Gesetz sieht für eine Bevollmächtigung keine Formvorschriften vor, sodass die Vollmacht auch mündlich erteilt werden o- der aus den Umständen hervorgehen kann. Die Spezialvollmacht gemäss StG/SZ unterscheidet sich von der Generalvollmacht des DBG hauptsächlich dadurch, dass in zeitlicher Hinsicht keine Beschränkung auf die Steuerperi- ode besteht, zu welcher die Vertretung erklärt wird. Fundstelle ASA 87 S. 447 Diskussion 1. «Natürliche Vermutung der fehlenden Bevollmächtigung» (Vorschläge) 2. Gibt es im kantonalen Recht Spezialbestimmungen? 3. Unter welchen Voraussetzungen hat die Veranlagungsbehörde bei unklarer Vertretungslage Abklärungen zu treffen? Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 14/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 8 Urteil Verfügung 2C_1069/2018 vom 7. Dezember 2018 Thema Verrechnungssteuer; Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs Leitsatz Verfahrensrechtliche Sistierung eines bundesgerichtlichen Verfahrens zur Frage der Verwirkung der Rückerstattung der Verrechnungssteuer, wobei der angefochtene Entscheid nach der Verabschiedung der Revision von Art. 23 VStG ergangen war. Den Parteien wird die Möglichkeit gegeben, sich zum Ausgang des Verfahrens – unter der Hypothese, dass die Gesetzesän- derung vom 28. September 2018 in Kraft tritt – vernehmen zu lassen. Fundstelle ASA 87 S. 445 Diskussion 1. Sistierung von Amtes wegen am Platz? (Vorschläge) 2. Übergangsregelung gemäss Art. 70d VStG 2018 3. Parallelen zur seinerzeitigen Praxis zum Meldeverfahren Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 15/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 9 Urteil 2C_1100/2016 vom 17. März 2017 Thema Kostenanlastungssteuer; öffentliche Beleuchtung Leitsatz Die Überwälzung von Kostenanteilen für die öffentliche Beleuchtung durch die Industriellen Werke Basel auf die Strom-Endverbraucher ist als Kosten- anlastungssteuer zulässig. Hingegen verletzt die Überwälzung der Konzessi- onsgebühr das abgaberechtliche Legalitätsprinzip: Die Höhe der Abgabe (Fr. 11 Mio.) wird einzig durch eine Verordnung bestimmt und das formelle Ge- setz enthält keinerlei Kriterien für die Bemessung. Es ist auch kein Marktwert bestimmbar. Da die Höhe der Konzessionsabgabe nicht anhand des Kosten- deckungs- bzw. Äquivalenzprinzips überprüft werden kann, können die An- forderungen an die gesetzliche Grundlage nicht gelockert werden. Fundstelle ASA 86 S. 47 Diskussion 1. Begriff der Kostenanlastungssteuer, Abgrenzung zur Gebühr (Vorschläge) 2. Individualanspruch darauf, Finanzsteuer statt Kostenanlastungs- steuer zu verlangen? Relevanz? 3. Bedeutung von Art. 6 Abs. 3 StromVG Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 16/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 10 Urteil 2C_519/2016 vom 4. September 2017 Thema Kostenanlastungssteuer; Kurtaxe Leitsatz Das Kurtaxenreglement der Einwohnergemeinde Leukerbad/VS sieht vor, dass die Eigentümer von Ferienwohnungen und Ferienhäusern eine von der Geräumigkeit des Objekts abhängige Jahrespauschale zu entrichten haben. Die Prüfung der Verfassungsmässigkeit, die bei hauptfrageweiser (abstrak- ter) Rechtskontrolle mit freier Beweiswürdigung vorzunehmen ist, zeigt im konkreten Fall auf, dass die vom Reglement als Durchschnitt vorgegebenen 60 Logiernächte pro Jahr nicht nachgewiesen sind. Zurzeit dürfen durch- schnittlich 46 Übernachtungen pro Jahr und Objekt als statistisch untermau- ert gelten. Mit Blick auf die «Grauziffer» ist auch ein Durchschnitt von 50 Nächten verfassungsrechtlich noch haltbar. Soll der Durchschnitt höher an- gesetzt werden, verlangt dies detaillierte und transparente Berechnungs- grundlagen. Fundstelle ASA 86 S. 319 Diskussion 1. Kompetenz zur Festsetzung der Ausgaben? (Vorschläge) 2. Zulässigkeit von Schematisierungen und Pauschalisierungen? 3. Bedeutung der «Grauziffer» (nicht erfasste Übernachtungen) Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 17/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 11 Urteil 2C_672/2017 vom 8. Oktober 2018 Thema Kostenanlastungssteuer; Kurtaxe Leitsatz Hauptsächliche Verursacher tourismusbedingter Aufwendungen sind die auswärtigen und damit nicht die ortsansässigen Personen, selbst wenn diese in der Gemeinde auch ein Ferienobjekt halten. Eine Regelung, welche sich nach dieser Abgrenzung richtet und auswärtige Eigentümer von Ferienob- jekten der Kurtaxe unterstellt, während ortsansässige Eigentümer solcher Objekte von der Kurtaxe befreit sind, ist sachlich haltbar und demnach mit der Rechtsgleichheit vereinbar, zumal die Gemeinde im konkreten Fall nach dem kantonalen Recht über einen gewissen Gestaltungsspielraum verfügt. Fundstelle ASA 87 S. 426 Diskussion 1. Innerkantonale vs ausserkantonale Feriengäste (Vorschläge) 2. «Einheimische» Feriengäste 3. Fehlende abstrakte Kostennähe der Einheimischen? Präponderanz? Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 18/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 12 Urteil 2C_701/2016 vom 1. Dezember 2017 Thema Lenkungskausalabgabe oder Benützungsgebühr? Alpstrasse Leitsatz Bei der Gebühr, welche die Gemeinde X/VS für die Benützung der mit einem allgemeinen Fahrverbot belegten Gemeindestrasse auf die Y-Alp erhebt, handelt es sich nicht um eine Lenkungskausalabgabe (auf welche das Äqui- valenzprinzip nicht anwendbar wäre), sondern um eine reine Benützungsge- bühr. Der «faire Gegenwert» der Benützung einer Strasse von rund zwölf Kilometern Länge lässt sich nicht ohne Weiteres festlegen. Der Querver- gleich verdeutlicht aber, dass die Gebühr von Fr. 350.– für das einmalige Be- fahren der Strasse mit einem Lastwagen (Schwertransporte bis 25 Tonnen) das Äquivalenzprinzip offensichtlich verletzt. In hauptfrageweiser Rechtset- zungskontrolle ist die streitbetroffene Norm des Reglements der Gemeinde X/VS aufzuheben. Fundstelle ASA 86 S. 566 Diskussion 1. Plausible Abgrenzung zwischen Lenkungskausalabgabe und Benüt- (Vorschläge) zungsgebühr? Oder liegt gar eine Kostenanlastungssteuer vor? 2. Relevanz der Unterscheidung 3. Gebührenfreiheit der Benützung öffentlicher Strassen (Art. 82 Abs. 3 BV) Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 19/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 13 Urteil 2C_399/2017 vom 28. Mai 2018 Thema Konzessionsgebühr Leitsatz Die Konzessionsgebühr für die Benützung des öffentlichen Grundes, welche die Centralschweizerische Kraftwerke AG (Konzessionärin) der Gemeinde Emmen/LU (Konzedentin) bezahlen muss, ist eine Kausalabgabe. Sie stützt sich auf Rechtsakte, die dem fakultativen Referendum unterlagen und weist daher eine genügende gesetzliche Grundlage auf. Im Umfang von 3,0 Pro- zent der Einnahmen aus der Netznutzung verletzt sie das Äquivalenzprinzip nicht. Die in das Netznutzungsentgelt integrierten Abgaben an Gemeinwe- sen (hier: Abgabe für die Benützung des öffentlichen Bodens für die Elektri- zitätsleitung) können unmittelbar gestützt auf das StromVG auf die von Roll Casting AG überwälzt werden, ohne dass es einer zusätzlichen gesetzlichen oder vertraglichen Grundlage bedarf. Fundstelle ASA 87 S. 61 Diskussion 1. Massgebende öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse (Vorschläge) 2. Bemessung der Konzessionsabgabe bei Sondernutzungskonzession 3. In das Netznutzungsentgelt integrierte Abgaben an das Gemeinwesen Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 20/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 14 Urteil 2C_798/2017 vom 16. Februar 2018 Thema Grundeigentümerbeitrag; Abgrenzung zur Kostenanlastungssteuer Leitsatz Aufgrund des eidgenössischen Raumplanungsrechts (RPG) sind die Kantone gehalten, Beiträge der Grundeigentümer an die Erschliessung ihrer Grund- stücke zu erheben. Bei den Beiträgen/Vorzugslasten handelt es sich um die Gegenleistung für die staatliche Hauptleistung, weshalb eine Kausalabgabe vorliegt. Eine solche erfordert die individuelle Zurechenbarkeit der staatli- chen Leistung (Individualäquivalenz), was sie von den Kostenanlastungssteu- ern (einfache Gruppenäquivalenz) unterscheide. Die reine Möglichkeit, den Vorteil zu nützen, reicht zwar aus, wobei der wirtschaftliche Vorteil aber nicht bloss theoretisch/abstrakter Natur sein darf. Fundstelle ASA 86 S. 576 Diskussion 1. Unterschied Beitrag/Vorzugslast vs Kostenanlastungssteuer (Vorschläge) 2. Handhabung in der Praxis? 3. Bundesgerichtliche Kognition Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 21/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 15 Urteil 1C_167/2017 vom 5. Juli 2017 Thema Mehrwertausgleich; Befugnis der Gemeinden nach aargauischem Recht Leitsatz Die Gemeinden des Kantons Aargau sind nach der dortigen Kantonsverfas- sung zur Regelung des raumplanungsrechtlichen Mehrwertausgleichs zu- ständig, solange der Kanton von seiner Regelungsbefugnis nicht Gebrauch gemacht hat. Dies ist vorliegend der Fall: Der kantonale Gesetzgeber hat im Jahr 2009 davon abgesehen, einen Mehrwertausgleich im kantonalen Bau- gesetz einzuführen, ohne den Mehrwertausgleich auf kommunaler Ebene zu verbieten. Auch Art. 5 RPG steht einer kommunalen Mehrwertregelung nicht entgegen. Fundstelle ASA 86 S. 54 Diskussion 1. Rekapitulation Münchenstein/BL (Vorschläge) 2. Unterschied AG: Negativentscheid der Legislative (Stufe Kanton) 3. Notwendigkeit eines kantonalen Einführungsgesetzes zu Art. 5 RPG? Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 22/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 16 Urteil 2C_586/2016 vom 8. Mai 2017 Thema Benützungsgebühr; Mittelschule Leitsatz Gemäss der bisherigen Mittelschulverordnung des Kantons Schwyz betrug das Schulgeld für im Kanton wohnhafte Schülerinnen und Schüler Fr. 500.– pro Schuljahr. Mit der Änderung vom 18. Mai 2016 hat der Regierungsrat die Gebühr auf Fr. 700.– erhöht. Nachdem nicht sämtliche Kosten der staatli- chen Leistung auf die Empfänger überwälzt werden, greifen das Kostende- ckungs- und Äquivalenzprinzip nicht und es wäre daher zu verlangen, dass das Gesetz für die Gebühr eine Obergrenze festlegt. Dem Mittelschulgesetz des Kantons Schwyz vom 20. Mai 2009 lässt sich keine solche Deckelung ent- nehmen. Dies ist vorliegend nicht zu beanstanden, nachdem die Gebühr ei- ner langen Übung entspricht, bescheiden bleibt, allgemein üblich ist und die Erhöhung sich im bisherigen Rahmen bewegt. Fundstelle ASA 86 S. 129 Diskussion 1. Bedeutung der Benützungsgebühr ohne vollständige Kostenüberwäl- (Vorschläge) zung 2. Praxis bei Fehlen einer gesetzlichen Obergrenze (im Fall der nicht voll- ständig angestrebten Kostenüberwälzung) 3. Substitut für fehlende gesetzliche Normierung der betraglichen Ober- grenze bei unvollständiger Überwälzung Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 23/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 17 Urteil 2C_206/2016 vom 7. Dezember 2017 Thema Benützungsgebühr; Klassenlager Leitsatz Die Bundesverfassung gewährt einen rechtlich durchsetzbaren verfassungs- mässigen Individualanspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grund- schulunterricht (Art. 19 BV). Der Grundschulunterricht ist obligatorisch und an öffentlichen Schulen unentgeltlich (Art. 62 Abs. 2 BV). Zu den notwendi- gen und unmittelbar dem Unterrichtszweck dienenden Mittel, welche die Kantone unentgeltlich zur Verfügung zu stellen haben, gehören auch Ex- kursionen und Lager, sofern eine Pflicht zur Teilnahme besteht. Eine kanto- nale oder kommunale Kausalabgabe zur (zumindest teilweisen) Deckung sol- cher Kosten verstösst gegen übergeordnetes Recht. Verfassungskonform sind lediglich Verpflegungsbeiträge in der Grössenordnung von Fr. 10.– bis 16.– pro Tag. Fundstelle ASA 86 S. 412 Diskussion 1. Bedeutung von Art. 19 und 61 im Bereich der Kostenüberwälzung (Vorschläge) 2. Zeitliche Eingrenzung dieser Regelung 3. Zulässige Kompensation der Minderkosten der Eltern Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 24/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 18 Urteil 2C_604/2017 vom 10. Januar 2018 Thema Benützungsgebühr; Abgrenzung zur (Kostenanlastungs-)Steuer Leitsatz Gemeinden dürfen Kausalabgaben erheben, soweit ihnen im fraglichen Be- reich Rechtsetzungsautonomie zukommt und sie die Schranken des kanto- nalen Rechts einhalten. Zum Erheben kommunaler Steuern sind sie dagegen nur befugt, falls eine kantonalrechtliche Ermächtigung vorliegt. Kausalabga- ben unterliegen dem Prinzip der Individualäquivalenz. Dies trifft auch auf die Benützungsgebühren zu, sodass diese nach Massgabe der tatsächlichen Be- nützung bemessen werden. Wäre die öffentlich-rechtliche Abgabe auch bei Nichtbenützung geschuldet, so handelte es sich um eine kommunale (Kos- tenanlastungs-)Steuer und müsste damit eine Ermächtigung im kantonalen Recht vorliegen. Benützungsgebühr für das Beanspruchen von öffentlichem Grund einer Gemeinde des Kantons Graubünden. Fundstelle ASA 86 S. 506 Diskussion 1. Befugnisse der Gemeinden im abgaberechtlichen Bereich, insbeson- (Vorschläge) dere im Bereich der Steuern (BGE 140 I 176 E. 7.3 S. 185 f. zum Kanton Graubünden) 2. Entgelt für Benützung öffentlichen Grundes, wenn Individualäquiva- lenz (Variante 1) oder einfache Gruppenäquivalenz (Variante 2) vor- liegt 3. Schliesst eine erhobene Ersatzabgabe eine nachfolgende Benützungs- gebühr aus? Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 25/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 19 Urteil 2C_699/2017 vom 12. Oktober 2018 Thema Kostenanlastungssteuer; Parkplatz Leitsatz Das nicht nur kurzfristige, sondern längerdauernde Parkieren eines Fahr- zeugs auf öffentlichem Grund stellt gesteigerten Gemeingebrauch dar. Die Erhebung von Benutzungsgebühren für gesteigerten Gemeingebrauch be- darf einer formell-gesetzlichen Grundlage gemäss den allgemeinen abgabe- rechtlichen Prinzipien. Aus Art. 3 Abs. 4 SVG ergibt sich keine hinreichende gesetzliche Grundlage, es bedarf mithin eines formellen Gesetzes im kanto- nalen oder kommunalen Recht. Fundstelle ASA 87 S. 428 Diskussion 1. Erforderliche Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Gebühr bei (Vorschläge) bloss kurzfristiger Benützung öffentlichen Grundes? 2. Erforderliche Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Gebühr bei län- gerfristiger oder langfristiger Benützung öffentlichen Grundes? 3. Bedeutung von Art. 3 Abs. 4 SVG (funktionelle Verkehrsbeschränkun- gen) Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 26/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 20 Urteil 2C_109/20107 vom 3. Juli 2018 Thema Benützungsgebühr; Parkplatz (hauptfrageweise Rechtsetzungskontrolle) Leitsatz Ein kommunales Reglement, das die Eigentümer verpflichtet, Benützungsge- bühren für das Parkieren auf ihren privaten Parkplätzen zu verlangen, bedarf einer Ermächtigung durch den eidgenössischen oder kantonalen Gesetzge- ber. Eine derartige Norm stellt einen Eingriff in verfassungsmässige Individu- alrechte (namentlich Eigentumsgarantie und Wirtschaftsfreiheit) dar. Im konkreten Fall ist die Norm zu unbestimmt gehalten. Sie verstösst dadurch gegen das abgaberechtliche Legalitätsprinzip und ist aufzuheben. Norm «Das Reglement regelt die Gebühren für das Dauerparkieren und das zeitlich beschränkte Parkieren von Fahrzeugen und Anhängern ausgenommen Fahrräder und Motorfahrräder auf ... Parkierflächen von verkehrsintensiven Einrichtungen (wie beispielsweise Einkaufs- und Fachmarktzentren oder Grossparkflächen ab 20 Parkplätzen), denen die Pflicht zur Er- hebung einer Gebühr für die Benützung von Parkplätzen auferlegt wurde oder die sich frei- willig diesem Reglement unterstellt haben.» Fundstelle ASA 87 S. 116 Diskussion 1. Erforderliche Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Gebühr bei (Vorschläge) bloss Benützung privaten Grundes (Bewirtschaftungspflicht zulasten eines Einkaufszentrums)? 2. Bedeutung von Art. 11 («Emissionen; Grundsatz») und 12 USG («Emissionsbegrenzungen»)? 3. Eingriff in Art. 26 und 27 BV; wirtschafts- vs sozialpolitische Eingriffe Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 27/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 21 Urteil 1C_20/2018 vom 17. Juli 2018 Thema Benützungsgebühr; politische Kundgebung («Demonstration») Leitsatz Beantragt eine ideelle Gruppierung eine Bewilligung für die Durchführung einer Kundgebung («Demonstration») auf öffentlichem Grund, dann darf das Gemeinwesen für die administrativen Aufwendungen und die Benüt- zung des öffentlichen Raums eine Gebühr erheben. Die üblichen abgabe- rechtlichen Prinzipien (Kostendeckung und Äquivalenz) werden aber durch die betroffenen verfassungsmässigen Individualrechte (Versammlungs- und Meinungsfreiheit) beschränkt. Nicht auf die Veranstalter überwälzbar sind namentlich Kosten, die anfallen, weil die ideelle Versammlung polizeilich ge- schützt, Absperrungen errichtet oder der Verkehr geordnet werden muss. Dies alles ist Gegenstand des staatlichen Leistungselements der Versamm- lungsfreiheit. Fundstelle ASA 87 S. 119 Diskussion 1. Abgrenzung zwischen überwälzbaren und nicht überwälzbaren Kos- (Vorschläge) ten 2. «chilling effect» und daher «bescheidene Kanzleigebühr» 3. Was, wenn die Kundgebung «ausartet» und dies Kosten verursacht? Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 28/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 22 Urteil 2C_1092/2017 vom 28. August 2018 Thema Benützungsgebühr; Doktorierendenpauschale Leitsatz Es ist verfassungsrechtlich haltbar, dass der Regierungsrat des Kantons Frei- burg die an der Universität Freiburg Doktorierenden neu verpflichtet, eine semesterweise Einschreibegebühr zu entrichten. Der Umstand, dass dies bisher nicht der Fall war, zeigt einzig auf, dass der Verordnungsgeber bisher von der ihm zustehenden Regelungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat. Neben dem Grundsatz ist auch die Höhe von Fr. 180.– pro Semester nicht zu beanstanden. Fundstelle ASA 87 S. 281 Diskussion 1. «Schlafende» Kompetenz der Exekutive (Vorschläge) 2. Grundgebühr von Fr. 115.–, Einschreibegebühr von Fr. 180.-- 3. Art. 13 Abs. 2 lit. c UNO-Pakt I (Verpflichtung, den Hochschulunter- richt «jedermann gleichermassen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich zu machen») Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 29/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 23 Urteil 2C_1051/2016 vom 24. August 2017 Thema Wehrpflichersatzabgabe; Art. 8 Abs. 2 BV Leitsatz Die Pflicht, Militärdienst zu leisten, erfasst nur Schweizer, nicht Schweizerin- nen. Dasselbe gilt für die Pflicht zur Leistung von zivilem Ersatzdienst oder Zivilschutz. Entsprechend ist die Pflicht, bei Nichterfüllen der Hauptpflicht eine Wehrpflichtersatzabgabe zu leisten, ebenso auf Schweizer beschränkt. Dies steht zwar in Widerspruch zu Art. 8 Abs. 2 und 3 BV, beruht aber auf Verfassungsbestimmungen, die gegenüber dem Rechtsgleichheitsgebot das speziellere Recht bilden. Die Konzeption, wonach nur Schweizer der Wehr- pflicht bzw. Wehrpflichtersatzabgabepflicht unterliegen, verstösst auch nicht gegen das konventionsrechtliche Verbot der Zwangs- oder Pflichtar- beit. Fundstelle ASA 86 S. 314 Diskussion 1. Ersatzabgaben als Kausalabgaben (und nicht Steuern) (Vorschläge) 2. Verhältnis von Art. 8 Abs. 2 und 3 zu Art. 59 und 61 BV 3. «biologische und funktionale Unterschiede» 4. Bedeutung von Art. 14 EMRK Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 30/31
Update-Workshop zum Abgaberecht Fall 24 Urteil Urteil 2C_897/2018 vom 25. Oktober 2018 Thema Legitimation einer Einwohnergemeinde zur Beschwerde in öff.-rtl. Ang. Leitsatz Eine Einwohnergemeinde (hier: Altdorf/UR) ist nicht legitimiert, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht zu erheben in einem Fall, in welchem sie die persönliche Zugehörigkeit einer natürlichen Person bejaht, das Obergericht dies aber verneint hat. Fundstelle ASA 87 S. 292 Diskussion 1. Voraussetzungen, damit Gemeinden im Bereich des DBG/StHG an das (Vorschläge) Bundesgericht gelangen können 2. Voraussetzungen, damit ein Kanton legitimiert ist, insbesondere im Bereich des nicht harmonisierten Steuerrechts von Kantonen und Ge- meinden (Beispiel: 2C_827/2014 vom 1. September 2015; amtliche Bewertung gegenüber einer juristischen Person) Notizen Dritte Biennale des Verwaltungsrechts, Murten/FR, 17. Mai 2019 31/31
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