Urteile und Rechtsprechung zur Kostenerstattung in der Refraktiven und Katarakt-Chirurgie (2006 bis 2020)

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Urteile und Rechtsprechung zur Kostenerstattung in der Refraktiven und Katarakt-Chirurgie (2006 bis 2020)
SONDERVERÖFFENTLICHUNG 2020

   Urteile und Rechtsprechung zur
   Kostenerstattung in der Refraktiven und
   Katarakt-Chirurgie (2006 bis 2020)
   2. erweiterte Auflage

RA Michael Zach
Kanzlei für Medizinrecht

Volksgartenstraße 222a
41065 Mönchengladbach
Tel: +49 2161 688 74 10
Fax: +49 2161 688 74 11
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www.rechtsanwalt-zach.de
Urteile und Rechtsprechung zur Kostenerstattung in der Refraktiven und Katarakt-Chirurgie (2006 bis 2020)
URTEILE UND RECHTSPRECHUNG
KOSTENERSTATTUNG IN DER REFRAKTIVEN UND KATARAKTCHIRURGIE

Vorwort zur 2. erweiterten Auflage
M       oderne Medizin ist nicht nur auf der Seite der Entwick-
        ler und Anwender mit Kostenerwägungen verwoben. Auch
der Verbraucher plant mit Behandlungskosten und trifft entspre-
                                                                         Der Kostenersatz für den Einsatz des Femtosekundenlasers
                                                                         wird von der PKV seit Jahren abgelehnt. Seit 2016 publiziert
                                                                         der Verband der PKV sogar http://docplayer.org/53399443-
chende Vorsorge. So wird der Disput um Kostenersatz (Reimbur-            Stellungnahme-des-verbandes-der-privaten-krankenversicherung-e-v-
sement) häufig nicht nur eine Feuerprobe des neuen Behandlungs-          zur-abrechnung-einer-katarakt-operationen-mit-femtosekundenlaser.
ansatzes hinsichtlich der Frage nach dem Ob der medizinischen            html, dass der Femtosekundenlaser bei der Katarakt-Operation gar
Notwendigkeit dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der             nicht abrechenbar ist und weder vom Patienten noch vom Kosten-
Frage nach dem Wie der Erstattung der Höhe nach. Klar ist,               träger zu bezahlen ist. Die Abrechnung des Femtosekundenlasers
dass ein neues Medizinprodukt, wie zum Beispiel eine verbes-             bei Katarakt bezeichnet der PKV-Verband als rechtswidrig und als
serte Intraokularlinse regelmäßig zum Einkaufspreis als Auslage          wucherisch und stützt sich hierbei auf ein Urteil des OLG Naum-
der Behandlung durch den Kostenträger zu ersetzen ist. Klar ist          burg, Urteil vom 9.5.2019, 4 U 26/19.
ebenso, dass nicht jedweder neue Behandlungsansatz, nicht jede
Verfeinerung einer chirurgischen Technik eo ipso eine Erhöhung           Bei der Verwendung dieser Sammlung von Veröffentlichungen,
des Arzthonorars nach sich zieht. Hier kommt es auf die schwer           die in der Fachzeitschrift DER AUGENSPIEGEL von 2006
zu fassenden Begriffe der Indikation, der Eigenständigkeit, der          bis 2020 erschienen sind, möge beachtet werden, dass sich die
Gleichwertigkeit und der Notwendigkeit einer ärztlichen Leistung         Texte in chronologischer Ordnung befinden: Wegen LASIK war
an. Die juristische Subsumtion der modernen Behandlungstechni-           eine PKV erstmals 2006 zur Kostentragung verurteilt worden,
ken unter diese Begriffe befasst derzeit die Rechtsprechung und          seit dem 29. März 2017 besteht insofern Klarheit durch das
kann weichenstellend für alle Beteiligten sein.                          Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH [S. 16]). Die Kostentra-
                                                                         gungspflicht der PKV für den Femtosekundenlaser bei der Kata-
Das Reimbursement-Management unterscheidet zunächst zwischen             rakt-Operation wurde erstmals 2015 ausgeurteilt. Für den kla-
den drei Kostenträgern: gesetzliche Krankenversicherung (GKV),           ren Linsentausch wurde die medizinische Notwendigkeit 2017
private Krankenversicherung (PKV) und Beihilfe. Die refraktiven          rechtskräftig durch mehrere Oberlandeslandesgerichte bejaht.
Verfahren (PRK, Smile, Lasik [S. 16, 28], CLE [S. 11, 20], phake         2019 wurde erstmals die PKV-Erstattungspflicht für die Floa-
Linse [S. 23]) werden regelmäßig ausschließlich in der PKV erstat-       ter-Behandlung mittels YAG-Lasers bestätigt (S. 6). Neue Ver-
tet. Der Einsatz des Femtosekundenlasers bei der Katarakt-Opera-         fahren wie die permanente Augeninnendruckmessung bei Glau-
tion (LCS [S. 5, 14, 21]) darüber hinaus regelmäßig auch in der Bei-     kom (S. 8) oder die lichtadjustierbaren Linsen (LAL [S. 10]) bei
hilfe (S. 24). In allen Fällen empfiehlt es sich für den Patienten, in   Katarakt stehen vor dem Durchbruch im klinischen Alltag.
der Stadt zu klagen, in der die großen PKVen ihren Sitz haben, das
heißt in Dortmund (zum Beispiel Continentale, Signal Iduna, Deut-        Mein besonderer Dank gilt Herrn Rechtsanwalt Alan Reider,
scher Ring) und Köln (zum Beispiel AXA, Central, Gothaer, DKV),          Washington D.C., der einen wertvollen Gastbeitrag geleistet hat,
da dort schon auf der Ebene der Amtsgerichte spezialisierte Richte-      in dem er einen Rückblick (Seite 18) gibt auf die medizintechni-
rinnen und Richter tätig sind.                                           sche und juristische Entwicklung der Kataraktchirurgie am Bei-
                                                                         spiel der USA.
Die ambulante refraktive Chirurgie wird tariflich fast immer mit
tariflich zu 100 Prozent seitens der PKV erstattet. Neuerdings
sind Tarife anzutreffen, die die Kostenerstattung für eine refrak-
tive Operation zum Beispiel auf höchstens 1.000 Euro deckeln.            Mönchengladbach, im Juni 2020
Häufig unterstützen die Behandlungszentren ihre Patienten bei der
Durchsetzung der Erstattungsansprüche gegenüber den Kostenträ-
gern. Aus diesem Grund ist es regelmäßig nicht angebracht, einem
Behandlungszentrum zur Durchsetzung des eigenen Anspruchs                RA Michael Zach
gegen die PKV den Streit zu verkünden, das heißt den Behandler           Kanzlei für Medizinrecht, Mönchengladbach
in den Rechtsstreit mit den Kostenträger hineinzuziehen.                 E-Mail: info@rechtsanwalt-zach.de

2 DER AUGENSPIEGEL                                                                              SONDERVERÖFFENTLICHUNG 2020
Urteile und Rechtsprechung zur Kostenerstattung in der Refraktiven und Katarakt-Chirurgie (2006 bis 2020)
URTEILE UND RECHTSPRECHUNG
                                                     KOSTENERSTATTUNG IN DER REFRAKTIVEN UND KATARAKTCHIRURGIE

DER AUGENSPIEGEL MÄRZ 2020

Die augenchirurgische Behandlung in der Begutachtung
Fast ausnahmslos erfolgt im Rahmen der gerichtlichen Durchsetzung ophthalmochirurgischer Erstattungsansprüche
gegen Kostenträger eine medizinische Begutachtung der Ausgangsbefunde und des Behandlungsverlaufs einschließlich
der Abrechnung. Für das Begutachtungsergebnis und letztlich die gerichtliche Entscheidung ist die Person des
Sachverständigen dabei nicht minder bedeutend als die Befunde des Patienten. Ein richtig verstandenes und verständig
gehandhabtes Sachverständigenwesen ist essentiell für eine an den Kriterien der Objektivität und Wissenschaftlichkeit
ausgerichtete Begutachtung. RA Michael Zach (Mönchengladbach) fasst die wesentlichen Eckpunkte zusammen.

S   chon bei der vorgerichtlichen Leistungsprüfung werden
    regelmäßig so genannte Beratungsärzte der Kostenträ-
ger – und im Falle der öffentlichen Beihilfe Amtsärzte – hier-
                                                                     werden und zwar selbst noch nach Vorlage des Erstgutachtens
                                                                     im gerichtlichen Verfahren.

mit betraut. Für das Begutachtungsergebnis und letztlich die         Klinische Untersuchung
gerichtliche Entscheidung ist die Person des Sachverständigen        Selbst bei der Begutachtung durch Universitäts-Augenkliniken
dabei nicht minder bedeutend als die Befunde des Patienten.          wird in etwa der Hälfte der Gerichtsaufträge von einer
Für den Patienten setzt sich so die Erfahrung fort, dass die Aus-    klinischen Untersuchung des Patienten abgesehen. Dies
wahl des Behandlers häufig den empfohlenen Behandlungs-              gilt selbst in den Fällen, in denen die Begutachtung vor der
ansatz determiniert. Dementsprechend ist ein richtig verstan-        Behandlungsausführung erfolgt, die relevanten Befunde
denes und verständig gehandhabtes Sachverständigenwesen              also noch vorhanden sind. Da die jüngste höchstrichterliche
essentiell für eine an den Kriterien der Objektivität und Wis-       Rechtsprechung der Patientenschilderung der präoperativen
senschaftlichkeit ausgerichtete Begutachtung.                        Sehbeeinträchtigungen und ihrer objektiven Nachvollziehbarkeit
                                                                     durch den Sachverständigen streitentscheidende Bedeutung
Begutachtungsgrundlagen                                              beimisst (OLG Stuttgart, Urteil vom 28.3.2019, 7 U 146/18: zur
Für eine sachgerechte Begutachtung wird die Beiziehung und           subjektiven Erheblichkeit eines Refraktionsfehlers vor CLE),
Auswertung der vollständigen Befundunterlagen unerlässlich           die Dokumentation der anamnestischen Erhebungen durch
sein (Anamnesebogen, Kartei, Topografien). Zum Teil werden           den Behandler hierzu aber häufig recht spärlich ausfällt, kann
diese Unterlagen durch das Gericht vom Behandler angefor-            das Gespräch zwischen Sachverständigem und Patient in seiner
dert, zum Teil wird hier eine Beibringungs- und Vorlagepflicht       Bedeutung kaum unterschätzt werden.
des Patienten angenommen. Zur eigenen Anspruchsdurch-
setzung ist der Patient dann auf die Kooperationsbereitschaft        Begriff der Krankheit
seines Chirurgen angewiesen, der selbstverständlich verpflich-       Von seiner Funktion her ist der Sachverständige der Gehilfe
tet ist, gemäß § 630g Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbu-       des Gerichtes, sollte also nicht dessen Aufgaben wahrnehmen
ches (BGB) die Dokumentation ohne Angabe einer Begrün-               wie zum Beispiel die Auswertung der bereits zuvor ergange-
dung und zwar gegen Ersatz der Vervielfältigungskosten an            nen Rechtsprechung zu vermeintlich gleich gelagerten Sach-
den Patienten auszuhändigen. Da der Sachverständige sich             verhalten. Als gewissenhafter Auftragnehmer sollte er um
regelmäßig auch zur Angemessenheit der Sachkosten äußern             eine möglichst genaue Instruktion bitten, insbesondere um
soll, ist schon aus diesem Grund die Angabe unerlässlich, wel-       eine Erläuterung der juristischen Begrifflichkeiten, vor allem
che Intraokularlinse genau verwendet wurde und die Beifü-            zur medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung. Diese
gung der Lieferantenrechnung notwendig. Fehlen diese Sach-           ist nicht nur in medizinischen Notfällen bei Verwendung
kostennachweise, scheitert der Patient mit seiner Klage, weil        von Martinshorn und Blaulicht zu bejahen. Sie beginnt in
er seiner Darlegungslast nicht genügt und weil die Arztrech-         der juristischen Bewertung bereits bei geringgradigen Fehl-
nung wegen Verstoßes gegen § 12 Abs. 2 Nr. 5 GOÄ schon               sichtigkeiten wie beispielsweise einer Myopie von -2,75 dpt,
nicht fällig geworden ist. Beanstandet der Sachverständige,          obwohl nach internationaler medizinischer Übereinkunft
dass einer Steigerungssatzerhöhung oberhalb des 2,3-fachen           und Bewertung erst ab einem Wert von -6 dpt das Vorliegen
eine Begründung nicht beigefügt worden ist, kann dies durch          einer Krankheit zu bejahen ist. Das Gericht hat aufgrund der
den Behandler noch nachgeholt oder die Begründung ergänzt            Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen der privaten

SONDERVERÖFFENTLICHUNG 2020                                                                                  DER AUGENSPIEGEL 3
URTEILE UND RECHTSPRECHUNG
KOSTENERSTATTUNG IN DER REFRAKTIVEN UND KATARAKTCHIRURGIE

Krankenversicherungen einen Krankheitsbegriff zugrunde          chen Befangenheit dann wirklich die Entpflichtung des Sach-
zu legen, der von dem medizinischen Begriffsverständnis des     verständigen zur Folge hat, entscheidet das Gericht. Teilt der
Arztes abweicht (BGH, Urteil vom 29.3.2017, IV ZR 533/15).      Sachverständige den aus seiner Sicht potentiellen Interessen-
Eine sachgerechte Instruktion durch das Gericht im Beweisbe-    konflikt dem Gericht aber gar nicht erst mit, kann sein Vergü-
schluss wird regelmäßig den Hinweis enthalten, dass eine Ver-   tungsanspruch selbst dann entfallen, wenn eine Besorgnis der
weisung des Refraktivpatienten auf Heilhilfsmittel wie Brille   Befangenheit objektiv nicht bestanden hat.
oder Kontaktlinse weder aus Gründen geringeren Behand-
lungsrisikos (BGH, Urteil vom 4.12.2019, IV ZR 323/18) noch     KRC-Empfehlungen
aufgrund geringerer Kosten (BGH, Urteil vom 12.3.2003, IV       Die KRC-Empfehlungen dienen als Richtschnur bei der Begut-
ZR 278/01) zulässig ist. Eine Nachrangigkeit der Ophthal-       achtung der individuellen Befundlage des betroffenen Patien-
mochirurgie hinter Heilhilfsmitteln ist aus Rechtsgründen       ten. Soweit sie eine Indikationsausweitung infolge aktueller
nicht gegeben.                                                  wissenschaftlicher Studienlage vorsehen, wie dies etwa für die
                                                                Anwendung phaker Linsen seit der Fassung der Empfehlun-
Methodenbeherrschung                                            gen vom Februar 2019 der Fall ist (zum Beispiel Anwendungs-
Der Sachverständige sollte dem Gericht mitteilen, wenn er       bereich Myopie ab -3 dpt), kann dies dafür sprechen, diese
oder sie das zu beurteilende Operationsverfahren nicht beur-    Indikationsausweitung gutachterlich auch für Altfälle anzu-
teilen kann, sei es mangels eigener hinreichender theoreti-     nehmen, die vor diesem Datum operiert worden waren, aber
scher Befassung hiermit oder sei es, weil eigene praktische     erst jetzt zu begutachten sind. Die Beweggründe des Behand-
Erfahrungen hierzu nicht vorliegen. Denn bei der Auswahl        lers sind jedenfalls im Einzelfall zu ermitteln und zu bewerten,
von ärztlichen Sachverständigen sind die Gerichte gehalten,     warum er sich etwa zu einer Abweichung von den Empfeh-
sich solcher Gutachter zu bedienen, die über die erforderli-    lungen veranlasst gesehen hat. Hierbei können eigene Erfah-
che medizinische Fachkompetenz und damit auf dem ein-           rungswerte und Behandlungstechniken ebenso eine Rolle
schlägigen Fachgebiet über eine Spezialausbildung und Erfah-    spielen wie patientenindividuelle Befunde oder Wünsche oder
rung verfügen (BGH, Urteil vom 6.6.2019, III ZB 98/18). Für     auch Vorgaben der Medizinproduktehersteller zum Anwen-
die Begutachtung von Verwendung und Abrechnung eines            dungsbereich ihrer Produkte.
Femtosekundenlasers halten Teile der Rechtsprechung die
Begutachtung gerade durch einen Methodenanwender und            Fazit
zwar in der Regel durch einen Direktor einer Universitäts-      Die modernen augenchirurgischen Behandlungstechniken
Augenklinik für erforderlich (Landgericht Köln, Beschluss       haben sich weitgehend auch in den Erstattungslagen der
vom 4.10.2019, 23 T 5/19).                                      Kostenträger durchgesetzt, sofern nicht generell ein gesetz-
                                                                licher Erstattungsausschluss für refraktive Maßnahmen in
Objektive und neutrale Begutachtung                             der gesetzlichen Krankenversicherung und der öffentlichen
Der Sachverständige ist gemäß § 407a Abs. 2 der Zivilpro-       Beihilfe vorgesehen ist. Diese Entwicklung war nur mög-
zessordnung (ZPO) gehalten, von sich aus auf Unvereinbar-       lich durch Behandler, die ihre Patienten nicht nur von den
keiten hinzuweisen, die aus Sicht eines verständigen Dritten,   modernen medizinischen Behandlungstechniken überzeugt,
den berufenen Sachverständigen als befangen erscheinen las-     sondern ihre Patienten postoperativ und vorprozessual in der
sen könnten: Hierzu gehört beispielsweise der Umstand, wenn     Anspruchsdurchsetzung gegen deren Kostenträger tatkräftig
ein Augenchirurg/Physiker in der Vergangenheit als Bera-        unterstützt haben. n
tungsarzt von einer Privaten Krankenversicherung oder einer
der für diese regelmäßig tätigen gewerblichen Beratungs-
gesellschaft Aufträge entgegengenommen und ausgeführt
hatte. Es sind Fälle bekannt geworden, in denen Beratungs-
ärzte 800 Gutachtensaufträge per annum für Kostenträger
verfasst haben. Die Besorgnis der Befangenheit kann ferner
dann anzunehmen sein, wenn der Sachverständige an der Ent-
wicklung des zu beurteilenden Medizinproduktes oder eines
seiner Konkurrenzprodukte selbst beteiligt war oder hieran
Rechte besitzt. Ob die Mitteilung eines Grundes einer mögli-

4 DER AUGENSPIEGEL                                                                    SONDERVERÖFFENTLICHUNG 2020
URTEILE UND RECHTSPRECHUNG
                                                        KOSTENERSTATTUNG IN DER REFRAKTIVEN UND KATARAKTCHIRURGIE

DER AUGENSPIEGEL DEZEMBER 2019

Aktuelle Entwicklungen zur Erstattung des
Femtosekundenlasers bei Katarakt
Trotz einzelner gerichtlicher Entscheidungen verbleibt es bei dem bisherigen Tenor, dass die Zivilgerichte, hier auch die Landge-
richte, ganz überwiegend die Erstattung der Position 5855a GOÄ zusprechen, in dem verwaltungsgerichtlichen Bereich ist dies
von einer Ausnahme abgesehen sogar durchgängig der Fall. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, wenn in einzel-
nen Publikationen oder durch Vertreter der Berufspolitik von der Abrechnung dieser Position abgeraten wird. RA Michael Zach
(Mönchengladbach) stellt im Folgenden die aktuellen Entwicklungen zur Erstattung des Femtosekundenlasers bei Katarakt dar.

D      as Landgericht Bonn hat durch Beschluss vom 03.09.2019,
       8 S 30/19, festgestellt, dass die dort verklagte private Kran-
kenversicherung die Berufung gegen die Entscheidung des
                                                                        grundlagen. Da das Gericht von falschen medizinischen Prämis-
                                                                        sen ausging, sind auch die darin angeknüpften rechtlichen Bewer-
                                                                        tungen unrichtig.
Amtsgerichtes Euskirchen, Urteil vom 22.01.2019, 27 C 259/16,           Auch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hält die Position
zurückgenommen hat. Diese Entscheidung bezeichnet den tat-              5855 für den Einsatz des Femtosekundenlasers für analog
sächlichen Sachvortrag der Krankenversicherung zur Laser-               abrechenbar (Urteil vom 23.08.2019, 3 K 8492/17). Der durch
Operationstechnik, wonach angeblich lediglich das Skalpell              das Gericht konsultierte Amtsarzt bestätigte auch den in der
durch den Femto-sekundenlaser ersetzt werde, als in der Sache           Abrechnung vorgesehenen 2,5-fachen Steigerungsfaktor, der
falsch. Die Darstellung des Operationsprozederes sei auch nach          seitens des Arztes wie folgt begründet worden war: „Bei der am
der Einschätzung der beratenden Universitäts-Augenklinik                29.03.2017 durchgeführten Femtosekundenlaser-Kataraktope-
sachlich unrichtig und beruhe auf einem veralteten Kenntnis-            ration zeigte sich bei der Voroperation mit dem Femtosekun-
stand bei dem Kostenträger. Der Sachverständige habe schlüssig          denlaser zur Kataraktoperation bei Myopie und Astigmatismus
und plausibel dargelegt, dass die Stellungnahme des PKV-Ver-            die zusätzliche Notwendigkeit der mehrfach manuellen Markie-
bandes in seiner Zeitschrift Versicherungsmedizin medizinisch           rung, welche normalerweise voll automatisch erfolgt. Hierdurch
fehlerhaft und schlichtweg inkorrekt sei. Aus gutachterlicher           wurden mehrere Arbeitsschritte im Gegensatz zur herkömmli-
Sicht war ohne weiteres nachvollziehbar, dass am 24.05.2016             chen Operation mit dem Femtosekundenlaser notwendig,
eine fortgeschrittene Katarakt mit einem Visus von 0,3 bestan-          sodass die 5855a gesteigert wurde.“ Und weiter: „Da der bei uns
den hatte und der Einsatz des Femtosekundenlasers als selbst-           zur Anwendung kommende Femtosekundenlaser ein online
ständige Leistung neben Position 1375 GOÄ durch die Position            OCT-Live-Bild vor, während und nach der Operation darstellt
5855 a GOÄ abrechenbar war.                                             und die Abbildung in Hornhaut- vorder- und -rückfläche, Vor-
Konträr hierzu hatte das Landgericht Frankfurt am Main                  derkammertiefe, Linsenvorder- und -rückfläche mehrfach abge-
durch Urteil vom 31.05.2019, 2-14 S 3/18, Position bezogen              bildet und vermessen wird, ist diese Leistung mit einem entspre-
und sich den falschen tatsächlichen Angaben des PKV-                    chenden Steigerungssatz belegt worden.“
Verbandes angeschlossen. Es hatte ohne Beiziehung medizini-             Es teilte damit die Einschätzung des Verwaltungsgerichtes
schen Sachverstandes entschieden, alleine aufgrund eigener              Berlin, Urteil vom 11.12.2018, VG 8 K 917.16, wonach die mit
Recherchen zur Operationstechnik und juristischer Auswer-               dem Femtosekundenlaser ausgeführten Schnitte und Vorberei-
tung der ihm vorgelegten medizinischen Gutachten und juris-             tungsmaßnahmen als selbstständige, vorgezogene Bestandteile
tischen Entscheidungen. Es hat nicht dargelegt, woraus es den           der eigentlichen Kataraktoperation zu werten sind, an deren
hierzu erforderlichen medizinischen Sachverstand abgeleitet             medizinischer Notwendigkeit kein Zweifel bestehe. Es wies
hat und sich schlicht auf den Standpunkt zurückgezogen, dass            daraufhin, dass abweichend von der zumeist anzutreffenden
die Abrechnung einzelner Gebührenziffern die Beantwortung               Praxis der Kombinationsabrechnung von 1375 und 5855a GOÄ
einer Rechtsfrage darstelle.                                            auch eine Abrechnung unter Berücksichtigung des doppelten
Bemerkenswert erscheint, dass die übrigen zwei bis drei dutzend         Leistungsansatzes im Sinne der BGH-Rechtsprechung (Urteil
zivilgerichtlicher Entscheidungen ausnahmslos nach Einholung            vom 13.05.2004, III ZR 344/03) zulässig sei, wonach bei der
eines medizinischen Gutachtens ergangen waren, also aufgrund            Femtosekundenlaser-assistierten Kataraktoperation die Posi-
intensiver Befassung mit den medizinischen Entscheidungs-               tion 1375 GOÄ zweimal in Ansatz zu bringen sei. Dies sei

SONDERVERÖFFENTLICHUNG 2020                                                                                      DER AUGENSPIEGEL 5
URTEILE UND RECHTSPRECHUNG
KOSTENERSTATTUNG IN DER REFRAKTIVEN UND KATARAKTCHIRURGIE

gerechtfertigt, da der erhebliche technische Mehraufwand und       durchgeführten Beweisaufnahme (…) ist der Senat davon über-
der damit verbundene medizinische Zusatznutzen durch die           zeugt, dass für die hier umstrittenen Behandlungen die analoge
einmalige Abrechnung dieser Position, wie bei der konventio-       Anwendung der Abrechnungsziffer 5585 eher als die analoge
nellen Kataraktoperation, nicht erfasst sei. Auf der Grundlage     Anwendung der Abrechnungsziffer 441 zu sachgerechten Ergeb-
dieser Entscheidung kann festgehalten werden, dass dem             nissen führt (…). Denn nach dem Ergebnis der erstinstanzlich
Behandler ein Abrechnungsermessen zusteht in der Entschei-         durchgeführten Beweisaufnahme steht (…) zur Überzeugung
dung, ob er entweder 1375 zweifach berechnet oder einfach in       auch des Senates fest, dass es sich bei den hier in Rede stehenden
Kombination mit 5855a GOÄ. In jedem Fall besteht im Hinblick       LASIK-Behandlungen um zeitlich und finanziell sehr aufwän-
auf die Abrechnung des Femtosekundenlasers eine Regelungs-         dige Verfahren handelt, weil diese Behandlung sowohl an die
lücke, da 441 GOÄ nicht anwendbar ist.                             vorzuhaltenden Gerätschaften, an die sonstigen Sachmittel und
Das Landgericht Düsseldorf (Beschluss vom 01.08.2019, 8 S          an die räumlichen Gegebenheiten als auch an die Qualifikation
9/19) hat sich ebenfalls der „überwiegenden Rechtsprechung“        der Behandler recht hohe Anforderungen stellt, und dass diesem
angeschlossen, dass es sich bei der Anwendung des Femtosekun-      Aufwand eine Abrechnung auf der Basis der Abrechnungsziffer
denlasers um eine „selbständige ärztliche Leistung“ im Sinne des   5855 eher gerecht wird als eine Abrechnung auf der Basis der
§ 6 Abs. 2 GOÄ handelt. Die weitere Frage, ob die intraoperative   Abrechnungsziffer 441.“
Strahlentherapie mit dem Einsatz des Femtosekundenlasers
„nach Art, Kosten- und Zeitaufwand“ vergleichbar ist, bedarf       Fazit
ergänzender sachverständiger Bewertung durch einen Ophthal-        Die Besprechung der ebenfalls befürwortenden Rechtsprechung
mochirurgen. Für den Eximerlaser im Rahmen der LASIK war           der Landgerichte in Krefeld, Köln und Wuppertal würde den
die Vergleichbarkeit mit der intraoperativen Strahlentherapie      Rahmen dieses Beitrags sprengen. Festgehalten sei, dass heute die
bereits frühzeitig durch die Bundesärztekammer festgestellt wor-   medizinische Notwendigkeit des Lasereinsatzes von den privaten
den (Beschlüsse des Gebührenordnungsausschusses der Bundes-        Krankenversicherungen nicht mehr bestritten wird, sondern
ärztekammer Dt. Ärzteblatt, Jahrgang 99, Heft 3, 18.01.2002).      Modalitäten der Abrechnung dieser neuen Technologie im Mit-
Dieser Bewertung hatte sich das sachverständig beratene            telpunkt der streitigen Auseinandersetzung stehen. Die Verwal-
Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 24.07.2013, 5 U 43/11)          tungsgerichte haben sich für die Versicherten der öffentlichen
angeschlossen. Das Oberlandesgericht hatte dort sachverständig     Beihilfe ebenfalls für die Abrechenbarkeit der Position 5855a
beraten ausgeführt: „Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich         GOÄ ausgesprochen. n

DER AUGENSPIEGEL NOVEMBER 2019

Rechtliche Aspekte der Floaterbeseitigung mittels Laser
Während bei allgemeinmedizinischen Erkrankungen häufig die Herstellung von Beschwerde- und Schmerzfreiheit
Gegenstand des ärztlichen Behandlungsvertrages ist, kommt der Funktionsrehabilitation in der Augenheilkunde eine
besondere Bedeutung zu, insbesondere auch bei der chirurgischen Indikationsstellung. Auch wenn das chirurgische
Procedere durch den Einsatz eines Lasers dann häufig berührungsfrei erfolgt, besteht kein Zweifel daran, dass es
sich um interventionell-chirurgische Behandlungen handelt. Hierbei erhebt sich immer wieder auch die Frage der
Indikationsstellung, der Abrechnung und nicht zuletzt der Erstattungspflicht durch private Krankenversicherungen.
RA Michael Zach (Mönchengladbach) stellt rechtliche Aspekte der Floaterbeseitigung mittels Laser dar.

G     erade bei dem Auftreten von Floatern sind die subjektiven
      Angaben des Patienten möglichst zu verobjektivieren.
Vor-liegend lagen nach den Erhebungen von zwei Fachärzten
                                                                   Kataraktoperation sehr störend waren und insbesondere die
                                                                   Bildschirmarbeit deutlich erschwerten, so dass die Klägerin
                                                                   aufgrund dessen zeitweilig ihre Tätigkeit immer wieder
für Augenheilkunde zahlreiche Glaskörpertrübungen an               unterbrechen musste, da sie auf dem Monitor nichts mehr habe
beiden Augen vor, die für die Patientin nach erfolgter             erkennen können. Die hierbei erforderliche vermehrte

6 DER AUGENSPIEGEL                                                                        SONDERVERÖFFENTLICHUNG 2020
URTEILE UND RECHTSPRECHUNG
                                                    KOSTENERSTATTUNG IN DER REFRAKTIVEN UND KATARAKTCHIRURGIE

Konzentration sowie die reaktiven Kopf- und Augen-                  analoger Anwendung vereinbart (947,17 Euro je Auge) und
bewegungen hatten in weiterer Folge zu unerträglichen Kopf-         wegen des Laser-einsatzes die Zuschlagsziffern 441, 440, 444
schmerzen geführt. Durch diese Einschränkungen habe sie sich        GOÄ abgerechnet. Dies stieß auf den Protest der Kranken-
in ihrer beruflichen Existenz bedroht gefühlt.                      versicherung, da nicht einsehbar sei, warum die Leistungs-
Trotz Bestreitens der privaten Krankenversicherung lag damit für    position der viel aufwändigeren Vitrektomie auf die berüh-
den universitären Sachverständigen und das angerufene Gericht       rungslose Laser-Vitreolyse anwendbar sein solle. Der
auf der Hand, dass hier das seitens des BGH (Urteil vom             Sachverständige erläuterte das Vorliegen einer Regelungs-
20.03.2017, IV ZR 533/15) aufgestellte Kriterium der erheblichen    lücke, er verwies auf das vergleichbare Therapieziel und die
funktionellen Beeinträchtigung gegeben war. Denn der durch-         Komplexität eines jedweden Lasereinsatzes, sowie ferner auf
schnittliche Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche       die diesbezügliche Abrechnungsempfehlung des sachnächs-
Spezialkenntnisse wird davon ausgehen, zum Normalzustand der        ten Berufsverbandes.
Sehfähigkeit gehöre ein beschwerdefreies Lesen und eine gefah-      Allerdings konzedierte er, dass ein Lasereinsatz hier nicht
renfreie Teilnahme am Straßenverkehr. Sofern eine nicht nur         durch 441 GOÄ abrechenbar sei, da bei direkter Anwendung
ganz geringfügige Beein-trächtigung dieser körperlichen Nor-        der Position 1383 GOÄ dieser Ziffer dies ja auch ausgeschlos-
malfunktion vorliege, sei eine bedingungsmäßige Krankheit zu        sen sei. Dies ist rechtlich nicht ganz zweifelsfrei, denn es kann
bejahen. Dies hat die Recht-sprechung bereits in zweifacher Hin-    eine doppelte Analogie in Betracht kommen, wenn dies ord-
sicht ausgeweitet: Die Pres-byopie sei in diesem Sinne ebenfalls    nungsgemäß begründet wird, vorliegend etwa dergestalt, dass
eine Krankheit, auch wenn jeder hiervon betroffen sei, und fer-     der bei direkter Anwendung dieser Gebührenziffer geltende
ner, dass jedwede erhebliche Funktionsbeeinträchtigung in           Ausschluss der Laserposition bei analoger Anwendung eben
Bezug auf die individuellen beruf-lichen Anforderung geeignet       nicht eingreifen kann, da zur Leistungserbringung die Laseran-
sei, die Erstattungspflicht der Ver-sicherung auszulösen. Für       wendung notwenige Bedingung ist und Position 441 GOÄ bei
einen Bildschirmarbeitsplatz in einem Büro hatte die Klägerin       der traditionellen Nachstarbehandlung ja auch unstreitig zur
ihre Beeinträchtigung zur Überzeugung des Gerichts zu schil-        Abrechnung gelangt.
dern vermocht.
Der Einwand der Versicherung, eine YAG-Laser-Vitreolyse sei         Private Krankenversicherung
eine nicht geeignete Therapie, da die Vitrektomie vorrangig sei,    Die private Krankenversicherung vermochte sich auch nicht mit
vermochte hingegen nicht zu überzeugen. Denn die Patientin          dem Einwand durchzusetzen, dass seitens des Behandlers die
war über die geringere Invasivität der Vitreolyse ärztlich aufge-   Beifügung des Wörtchens „analog“ oder des Kürzels „a“ hinter
klärt worden und hatte sich eben für diese Behandlung entschie-     der Abrechnungsziffer 1383 GOÄ versehentlich unterblieben
den. Die generelle Eignung dieses Behandlungsansatzes stand         war und in der Folge die Fälligkeit der Rechnung nicht eingetre-
für den medizinischen Sachverständigen auch gerade in Anbe-         ten sei. Zwar muss die analoge Anwendung einer Abrechnungs-
tracht der bei der Patientin angetroffenen Befunde fest und er      ziffer hervorgehoben werden (§ 12 Abs. 4 GOÄ). Fehlt diese
verwies auf die Publikation von Brasse et al. (YAG-Laser-Vitreo-    Hervorhebung, so ist die Abrechnung dennoch nicht falsch,
lyse zur Behandlung von störenden Glaskörpertrübungen,              sondern durchaus fällig geworden, da es sich um einen heilba-
Springer-Verlag, Der Ophthalmologe, 10. September 2018 pub-         ren Formverstoß handelt, der eben nicht zur Leistungsfreiheit
lished online). Jedenfalls für die hier angetroffenen Trübungen     der Versicherung führt.
im mittleren Glaskörperraum beziehungsweise assoziiert mit          Im Ergebnis nachvollziehbar gelangte das Amtsgericht so zu
dem Weiß`schen Ring hielt der Sachverständige die Laser-            dem Ergebnis, dass die Krankheit der Klägerin geheilt werden
Vitreolyse für effektiv und sicher und bejahte eindeutig die        konnte und der Einsatz des Ellex YAG-Laser Ultra Q Reflex
medizinische Indikation dieser Floaterbehandlung. Der vorlie-       transparent und zutreffend abgerechnet wurde, so dass die
gend verwendete Ellex YAG-Laser Ultra Q Reflex ist für Behand-      Erstattungspflicht der privaten Krankenversicherung ausgelöst
lungen am vorderen und hinteren Augenabschnitt vorgesehen           wurde.
und hat auch im vorliegenden Behandlungsfall die therapeuti-
schen Ziele herbeizuführen vermocht.                                Fazit
                                                                    Das Vitreolyse-Verfahren ist nach Einschätzung des befragten
Leistungsziffern                                                    Sachverständigen effektiv und sicher. Ein erhöhtes Risiko für ein
Der Behandler hatte mit der Patientin gemäß § 2 Abs. 1 GOÄ          zystoides Makulaödem als Folge der Laser-Vitreolyse zur Des-
den 6,5-fachen Steigerungsfaktor zur Position 1383 GOÄ in           truktion von Glaskörpertrübungen bestehe nicht. n

SONDERVERÖFFENTLICHUNG 2020                                                                                DER AUGENSPIEGEL 7
URTEILE UND RECHTSPRECHUNG
KOSTENERSTATTUNG IN DER REFRAKTIVEN UND KATARAKTCHIRURGIE

DER AUGENSPIEGEL OKTOBER 2019

Die permanente Augeninnendruckmessung
Die potenziell permanente Augeninnendruckmessung mittels des Eyemate-IO-Implantates erfreut sich wachsender Anwenderzahlen und
verspricht aus ärztlicher Perspektive die Möglichkeit einer früheren und substantielleren Intervention. Die Einbindung des Patienten in den
technischen Vorgang der Befunddatenerhebung führt nachweislich zu einer erhöhten Patientencompliance und damit wiederum zu einer
Erhöhung der Kontrollfrequenz durch häufig wiederholte Messungen. RA Michael Zach (Mönchengladbach) erörtert, inwieweit die
Implantation und die Behandlung mit dem Medizinprodukt zu einem Paradigmenwechsel bei den Kostenträgern führen kann.

D      ie Glaukomerkrankung weist einige Spezifika auf, die sowohl
       für die Behandlung als auch für die Kostenerstattung Rele-
vanz besitzen. Die Erkrankung verläuft regelmäßig zunächst unbe-
                                                                              und damit wiederum zu einer Erhöhung der Kontrollfrequenz durch
                                                                              häufig wiederholte Messungen. Eine im Ausnahmefall unterbliebene
                                                                              Mitwirkung wird sogleich dokumentiert durch das Fehlen entspre-
merkt, da sie nicht mit Schmerzen oder Beschwerden bei dem                    chender Messergebnisse. Im Bereich der Kieferorthopädie ließ sich
Patienten einhergeht. Die einmal eingetretene Schädigung des                  ein ähnlich günstiger Effekt auf die Compliance erzielen, indem in
Sehnervs ist nicht reversibel. Zur Abwendung einer Progression                die zu tragende kieferorthopädischen Apparaturen entsprechende
bieten sich diverse Ansätze an: das Management des Augeninnen-                Wärmesensoren eingebaut wurden, die nachweisen, wie sorgfältig
drucks durch Arzneimittelapplikation oder die Implantation eines              der Jugendliche diese Apparatur täglich zum Einsatz brachte. Bei gut
Stents und der Ableitung des Kammerwassers (in den Schlemm-                   eingestellten und führbaren Patienten sollte die Eigenauswertung
schen Kanal, unter die Bindehaut oder in den suprachoroida-                   der Daten im Dialog mit der Anwendung drucksenkender Tropfen
len Raum). Demgegenüber bestand diagnostisch zur ärztlichen                   unmittelbar möglich sein, jedenfalls aber nach einer diesbezüglichen
Tonometrie bislang keine Alternative. Die potenziell permanente               fernmündlichen Abstimmung mit dem Behandler.
Augeninnendruckmessung mittels des Eyemate-IO-Implantates
als aktives implantierbares Medizinprodukt steht nun auf breiter              Die Sicht des behandelnden Augenarztes
Front in der praktischen Anwendung zur Verfügung und dürfte                   Durch die potenziell permanente Augeninnendruckmessung
zu einem Paradigmenwechsel führen. Der Hersteller (Implan-                    wird die Therapie zielgenauer und auf eine viel breitere Grundlage
data Ophthalmic Products GmbH) sieht die Implantation bei dem                 gestellt. Ihr wird der Zufälligkeitscharakter der sonst praktizierten
primären Offenwinkelglaukom in den Sulcus Cilliaris vor, die im               bloßen Stichprobenmessung genommen, die mit einer nur gele-
Rahmen einer simultanen Katarakt-operation mit Linsenimplan-                  gentlichen Abnahme der Augeninnendruckwerte zwangsläufig ver-
tation in den Kapselsack erfolgt. Das chirurgische Prozedere der              bunden ist und ihr wird die Chance eröffnet, durch die Auswertung
Einbringung dieses Implantates im Zuge der Kataraktoperation                  auch der Spitzen dieser Werte eine wirklich zielführende Therapie
ist mit der Einbringung einer intraokularen Linse vergleichbar                einzuleiten und eine optimale therapeutische Einstellung zu bewir-
(Dtsch Ärztebl, Jahrgang 114, Heft 51-52 vom 25.12.2017, A 2488).             ken entlang der konstant erhobenen Augeninnendruckwerte.
Künftig soll generell eine suprachoroidale Implantation erfolgen,             Gerade wegen der katastrophalen Folgen einer verspäteten Diag-
wenn eine Indikation zur Kataraktoperation nicht besteht. Die chi-            nose findet sich in der Judikatur eine Fülle gerichtlicher Entschei-
rurgische Einbringung erfolgt mittels Injektor und die Auslesung              dungen zur ärztlichen Standardabweichung bei der Erkennung und
der Daten sodann mittels des handgehaltenen Mesograph-Gerätes                 der Behandlung von Glaukompatienten. Nahezu jede Facette des
in der Eigenanwendung durch den Patienten. Die so erhobenen                   diagnostischen Regimes hat hier bereits zur Bejahung einer Haf-
Befundwerte werden durch den Patienten laienhaft gesichtet und                tung des Augenarztes geführt: Zu nennen sind hier die gänzlich
durch unmittelbare Übermittlung an den niedergelassenen Fach-                 unterbliebene oder verspätete Erhebung der Augeninnendruck-
arzt für Augenheilkunde fachkundig ausgewertet.                               werte sowie die zu geringe Kontrollfrequenz nachdem erstmals
                                                                              abklärungswürdige Werte gewonnen worden waren (vgl. OLG
Die Sicht des Patienten                                                       Hamm, Urteil vom 16.01.2016, 26 U 48/14), und sodann die feh-
Dem Patienten wird der regelmäßige Besuch der Augenarztpraxis                 lerhafte Einordnung der erhobenen Werte in die objektiv beste-
zur Erhebung der Augeninnendruckmesswerte erspart, da diese                   hende Befundlage, da die wenigen erhobenen Werte keine verläss-
Werte von ihm selbst zu Hause erhoben werden können. Die Einbin-              liche Entscheidungsgrundlage für das Gesamtbild gaben. Völlig
dung des Patienten in den technischen Vorgang der Befunddaten-                ungeklärt ist die Bewältigung der Erkenntnis, dass starke – nicht
erhebung führt nachweislich zu einer erhöhten Patientencompliance             erhobene – Druckfluktuationen noch schädlicher (und damit

8 DER AUGENSPIEGEL                                                                                       SONDERVERÖFFENTLICHUNG 2020
URTEILE UND RECHTSPRECHUNG
                                                          KOSTENERSTATTUNG IN DER REFRAKTIVEN UND KATARAKTCHIRURGIE

haftungsträchtiger) sein können, als ein konstanter aber überhöh-            Die Sicht der Kostenträger
ter Augeninnendruck (Dtsch Ärztebl 2016; 113(39): A-1710).                   Private Krankenversicherungen werden eine Kostenerstattung für die
Insgesamt kann sicher festgestellt werden, dass im Kontext der Glau-         systematische Auswertung der erhobenen Befunddaten nach 1257a
komerkrankung deutlich mehr Behandlungsfehler bejaht worden                  GOÄ allenfalls dann ablehnen können, wenn die Befunddatenerhe-
sind, als in den Bereichen der Behandlung refraktiver Erkrankungen           bung rein prophylaktischen Zielsetzungen dient. Richtig daran ist,
oder der Kataraktoperation. Zudem zeichnet sich die arzthaftungs-            dass die Kostenerstattung lediglich für die Behandlung von Krank-
rechtliche Situation bei der Glaukomerkrankung dadurch aus, dass             heiten gewährt wird, nicht aber für eine frühzeitige, rein prophylakti-
in den Fällen, in denen die Haftung wegen Behandlungsfehlers dem             sche Vorsorgeuntersuchung. In diesem Punkt besteht eine deutliche
Grunde nach bejaht worden ist, auch höhere Entschädigungssummen              Abweichung von dem System der gesetzlichen Krankenversicherun-
zugesprochen worden sind, als in jedem anderen Bereich der augen-            gen, die bekanntlich bei bestimmten Krankheitsbildern für genau
heilkundlichen Behandlung (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.05.2016,             abgegrenzte Personenkreise auch Vorsorgeuntersuchungen vorsieht
26 U 107/15). Das durch Eyemate-IO-Implantat ermöglichte Gesamt-             und im Wege der Sachkostenerstattung dann die Leistungen hierfür
monitoring und die dem Augenarzt so verschaffte Möglichkeit einer            trägt. Eine vorangegangene Genomanaylse im Hinblick auf ein Glau-
früheren und substantielleren Intervention dürften auch in forensi-          komrisiko oder eine familiäre Vorbelastung können jedoch bereits
scher Hinsicht aus ärztlicher Perspektive höchst willkommen sein.            initiale Befunderhebungen indizieren und somit medizinisch not-
Der Patient besucht weiterhin regelmäßig die Augenarztpraxis und             wendig sein.
übergibt die zu Hause erhobenen Augeninnendruckwerte in Tabel-               Nach einmal festgestellter Glaukomerkrankung hingegen ist die
lenform dem Arzt zur Auswertung. Auch wenn die Befunderhe-                   Implantation (abrechenbar nach Position 1356 analog GOÄ) und
bung zum Teil in die Hände des Patienten gelegt wird, verbleibt die          die Behandlung mit dem Eyemate-IO-System zweifellos medizinisch
Behandlungsverantwortung bei dem Augenarzt. Die Digitalisierung              notwendig und zu erstatten, da die sachgerechte Diagnostik, und
des Arzt-Patienten-Verhältnisses hält hier Einzug in die Praxis des          dazu gehört sicherlich auch die engmaschige Diagnostik, der Abwen-
konservativ tätigen Augenarztes. Dies ist zeitgemäß und entspricht           dung einer Verschlimmerung des Leidens dient. Die möglichst früh-
der bereits vom Sozialgesetzbuch V geforderten Einrichtung einer             zeitige Glaukomerkennung kann aus Kostenträgersicht auch die auf-
Telematik-Infrastruktur in der niedergelassenen Praxis. Das Verfah-          wendige Einbringung der oben genannten Stent-Implantatsysteme
ren eröffnet dem Arzt die Möglichkeit, sich im Arzt-Patienten-Kon-           vermeiden oder die Durchführung einer Dauer-medikation, sodass
takt in der Praxis der systematischen Auswertung der Befundwerte             auch aus wirtschaftlichen Gründen für den Kostenträger ein Anreiz
und der Therapie der Begleiterkrankungen zu widmen. Durch den                bestehen dürfte, nicht nur die Kosten des Eyemate-IO-Implantates zu
konstanten Datenaustausch wird die Patientenbindung zur Praxis               tragen, sondern seine Versicherten im Hinblick auf diese neu gewon-
erhöht und qualitativ verdichtet.                                            nene Option auch proaktiv zu beraten. n

DER AUGENSPIEGEL SEPTEMBER 2019

Die konventionelle Kataraktchirurgie in der
zivilrechtlichen Rechtsprechung
Angesichts der Häufigkeit der Kataraktchirurgie in konventioneller Ausführung verblüfft die geringe Zahl der hierzu ergangenen gerichtlichen
Entscheidungen. Dies wird im Wesentlichen daran liegen, dass hier das chirurgische Prozedere seit vielen Jahren eingespielt und die
Abrechnung des Arzthonorars längst gesichert und etabliert ist. Grundsätzliches ist hier von der Rechtsprechung aktuell nicht weiter
zu erwarten. Ein Zustand der Rechtssicherheit, an den man sich gewöhnt hat und auf den man sich auf Dauer einrichten könnte. RA
Michael Zach (Mönchengladbach) erörtert die konventionelle Kataraktchirurgie in der zivilrechtlichen Rechtsprechung.

S   eit der Einführung der Mehrkostenregelung in § 33 Abs. 9 SGB
    V ist für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung
weitestgehende Klärung erreicht worden, so dass das Konfliktfeld
                                                                             des erstattungsfähigen Linsenaufwandes dort geklärt ist. Der Mate-
                                                                             rialkostenfaktor „Linse“ sorgt bei privaten Krankenversicherungen
                                                                             aber nach wie vor zu erheblichen Unsicherheiten. Auf ganz breiter

SONDERVERÖFFENTLICHUNG 2020                                                                                              DER AUGENSPIEGEL 9
URTEILE UND RECHTSPRECHUNG
KOSTENERSTATTUNG IN DER REFRAKTIVEN UND KATARAKTCHIRURGIE

Front wird derzeit noch die Linsenerstattung auf pauschal 200 Euro    Verfehlung der angestrebten Zielrefraktion
je Stück gedeckelt. Ein Begriff, der der Punktwertberechnung in der   Dennoch verbleiben zwei Konstellationen, die auch in
GKV entnommen ist und so ist es auch der hierfür als Höchstbe-        der forensischen Praxis immer wieder zu erheblichen
trag genannte Erstattungsbetrag. Natürlich ist eine solche Decke-     Auseinandersetzungen führen. Dies ist einerseits das Problem
lung im System der privaten Krankenversicherung an keiner Stelle      der Verfehlung der angestrebten Zielrefraktion und andererseits
vorgesehen und stellt sich als reine Fiktion der Versicherungen im    eine enttäuschte Patientenerwartung trotz annährungsweise
Rahmen der Kostenverweigerung dar. Selbst der aufgeklärte und         getroffener Zielrefraktion. Die erstgenannte Thematik ließe sich
um Verständnis bemühte durchschnittliche Versicherungsnehmer          wohl treffend mit dem Bonmot Churchills beschreiben, wonach
ist häufig geneigt, diese Deckelung zu akzeptieren, da ihm aus sei-   jede Form der Planung letztlich nur die Ersetzung des Zufalls
nem Tarif derartige Deckelungen aus der Hilfsmittelversorgung,        durch einen Irrtum darstelle. Danach könnte auch der Einsatz
insbesondere im Kontext der Brille und der Kontaktlinse, vertraut     neuester Technologien, mit denen die Kataraktoperation geplant
sind. Dabei verkennt er leicht, dass die Intraokularlinse mit ihrer   werde, nichts daran ändern, dass die Umsetzung der Planung
Implantation kein bloßes Hilfsmittel ist. Darunter sind nämlich       zeigt, dass stets das Planungsziel nicht getroffen werde, sondern
nur äußerlich und vorübergehend angewendete Medizinprodukte           ein mehr oder weniger großer Planungsirrtum unvermeidbar zu
zu verstehen, nicht aber solche, die chirurgisch in den Körper ein-   einer Zielabweichung führt.
gebracht werden und zum dauerhaften Verbleib dort bestimmt            Trotz ausgereifter refraktiver Linsentechnik, IOL-Master, Bio-
sind. Da es sich insofern bei den Intraokularlinsen um Auslagen im    metrie und diverser Kalkulationshilfen (zum Beispiel Hai-
Sinne des § 10 GOÄ handelt, sind die nachgewiesenen Gestehungs-       gis-Konstante) findet sich so in der Diskussion immer wieder
kosten durch den Patienten, und damit durch den Versicherer, an       der Begriff der unerwünschten „refraktiven Überraschung“.
den Arzt oder die Klinik in vollem Umfang zu erstatten. Auch diese    Darunter ist die Abweichung der präoperativ bestimmten Ziel-
Rechtsfrage ist zwischenzeitlich geklärt.                             refraktion von dem dann tatsächlich erreichten Operationser-
                                                                      gebnis zu verstehen. Solche Zielwertverfehlungen von bis zu
Erstattung der Linsenkosten                                           1 Dioptrien wurden hingenommen als noch standardgemäße
Diese Klärung ist erfolgt anhand der einzelnen Linsentypen:           „Streubreite“ eines OP-Outcomes (Deutsches Ärzteblatt 2014;
Das Amtsgericht Köln hatte in einem Rechtsstreit des Versi-           111(19)). Nach früherem Verständnis besteht eine Indikation
cherungsnehmers gegen die private Krankenversicherung die             zur Astigmatismuskorrektur im Rahmen einer konventionell
Kosten der Tecnis Symfony ERV 1-Piece IOL (ERV = Extended             ausgeführten Kataraktoperation ebenfalls erst ab einem Wert
Range of Vision = asphärische EDOF-Linse; EDOF = Extended             von ebenfalls 1 Dioptrien.
depht of Focus) von Johnson & Johnson Vision zum Preis von
856,00 Euro je Auge (Behandlungsjahr 2018) zugesprochen, die          Lichtadjustierbare Linse (LAL)
im Wege konventioneller Operationstechnik eingebracht wor-            Derartige Abweichungen vermag die so genannte lichtad-
den war (AG Köln, Urteil vom 1.7.2019, 118 C 44/19).                  justierbare Linse (LAL) von RxSight auszuschließen, indem
Das Landgericht Köln bestätigte aufgrund sachverständiger             ihre Brechkraft postoperativ durch den Behandler exakt jus-
Beratung die medizinische Notwendigkeit der Hinterkammer-             tiert werden kann, so dass die Zielrefraktion exakt getroffen
linse AT Lisa tri von Carl Zeiss Meditec mit einem Stückpreis         wird und eine Abweichung ärztlich ausgeschlossen werden
von 995,10 Euro je Auge (Behandlungsjahr 2014). Der Einsatz           kann. Das lichtempfindliche Kunststoffmaterial kann mit einer
der trifokalen torischen Intraokularlinse sei zu erstatten, da so     gezielten UV-Bestrahlung einige Wochen nach der Implanta-
eine effektive Wiederherstellung für das Sehen im Nah-, Inter-        tion in seiner Brechkraft so verändert werden (abrechenbar
mediär- und Fernbereich bei guter Rotationsstabilität der Linse       nach 1369 analog GOÄ), dass eine nach der Kataraktoperation
gewährleistet werde. Die Linsen dienten dazu, den vorhandenen         etwa verbliebene restliche Kurz- oder Weitsichtigkeit ausgegli-
Astigmatismus auszugleichen und eine gute Sehschärfe sowohl           chen wird.
in der Ferne als auch im mittleren und im Nahbereich zu ermög-
lichen (LG Köln, Urteil vom 28.02.2018, 23 O 159/15).                 Erfüllte Patientenerwartung
Schließlich ist für die sphärische phake ICL-Linse EVO                Die zweitgenannte Thematik betrifft die subjektive Seite einer
Visian zur Myopiekorrektur von Staar Surgical geklärt, dass           Zielwertabweichung. Zuweilen weicht die Patientenerwartung
Linsenkosten von 909,50 Euro je Auge (Behandlungsjahr                 von dem erreichten Outcome ab. Manchmal besteht patien-
2014) nicht zu beanstanden sind (LG Mannheim, Urteil vom              tenseitig eine Unzufriedenheit trotz eines metrisch befriedi-
20.9.2017, 1 O 168/17).                                               genden Ergebnisses. Auch die intensive präoperative Darstel-

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URTEILE UND RECHTSPRECHUNG
                                                        KOSTENERSTATTUNG IN DER REFRAKTIVEN UND KATARAKTCHIRURGIE

lung des postoperativen Ergebnisses hat dieses Problem bislang            Es handelt sich zwar nicht um eine Erklärung im Sinne einer
nicht ansatzweise gelöst. Das Verfahren der lichtadjustierbaren           werkvertraglichen Abnahme, wohl aber um eine Quittung, dass
Linse löst dieses Dilemma, indem nach mehrfacher postopera-               das ärztliche Bemühen erfolgreich war. Auf diesem Wege tritt
tiver Linsenanpassung an die Erwartung des Patienten der pati-            eine Kongruenz ein zwischen dem objektiven OP-Outcome und
entenseitig als gewünscht bestätigte Brechkraftwert, dann durch           der subjektiven Patientenerwartung. Die lichtadjustierbare Linse
einen so genannten Log-in-beam ärztlich fixiert werden kann.              ist seitens der privaten Krankenversicherung zu erstatten, da sie
Damit bestätigt der Patient Wochen nach der Operation, dass               eine Heilung höherer Ordnung verspricht, indem sie nicht nur die
das Ergebnis der refraktiven Kataraktchirurgie seinen Vorstel-            Erreichung der objektiven Zielrefraktion, sondern auch der sub-
lungen und Erwartungen entspricht.                                        jektiven Patientenzufriedenheit zu gewährleisten vermag. n

DER AUGENSPIEGEL AUGUST 2019

Presbyopie als Krankheit im Sinne des Versicherungsrechts
Die private Krankenversicherung legt ihrer Leistungspflicht einen viel weiteren Krankheitsbegriff zugrunde, als dies in der Medizin der
Fall ist. Während es hier auf die subjektiv wahrgenommene funktionelle Beeinträchtigung ankommt, bejahen Mediziner eine Krank-
heit erst dann, wenn objektiv eine deutliche Abweichung vom Zustand des Gesunden festzustellen ist. RA Michael Zach (Mönchen-
gladbach) erläutert die Presbyopie als Krankheit im Sinne des Versicherungsrechts und stellt ein jüngst ergangenes Urteil dar.

I  m Falle der Myopie liegt eine Krankheit erst bei Dioptrien-
   werten von -6,0 vor. Die Leistungspflicht der privaten Kran-
kenversicherung besteht hingegen schon dann, wenn seitens
                                                                          Krankenvollversicherungsvertrages unvereinbar und letztlich für
                                                                          den aufgeschlossenen und um die verständige Auslegung des Ver-
                                                                          trages bemühten Versicherungsnehmer überraschend und damit
des Versicherungsnehmers Einschränkungen unterhalb dieser                 unwirksam ist.
Schwelle beklagt werden, die in gleicher Weise bei 40 Prozent
der Menschen entsprechenden Alters auftreten (BGH, Urteil                 Urteil OLG Stuttgart
vom 29.03.2017, IV Z R 533/15: für eine Fehlsichtigkeit von -2,75         In dem jüngst vom OLG Stuttgart (Urteil vom 11.04.2019, 7
Dioptrien). Nach den Formulierungen der Versicherungsbedin-               U 146/18) entschiedenen Sachverhalt eines bei der Operation
gungen der privaten Krankenversicherung erweist sich somit der            im Dezember 2016 48-jährigen selbstständigen Schreinermeis-
gesunde Versicherungsnehmer als krasse Randerscheinung, wenn              ters lagen präoperativ folgende Werte vor: RA: +0,75 c, -0,25, A
nicht gar als pure Fiktion. Dies ist jedoch keine Situation, die von      65°/1,00; LA: +1,00 c, -0,50, A 98°/1,00. Es bestätigte zunächst
den ärztlichen Behandlern verursacht wird oder durch die Neu-             die Einschätzung der sachverständig beratenden ersten Ins-
erung der Medizintechnikindustrie, sondern sie wurzelt in der             tanz, wonach auch die Presbyopie Krankheit sei, das Postulat
ganz offensichtlich zu generösen Formulierung der Versicher-              der Versicherung, Alter sei keine Krankheit treffe also nicht
ungsbedingungen, an deren Versprechungen die Versicherun-                 zu, sofern die altersbedingte Fehlsichtigkeit ein beschwerde-
gen in diesen Tagen der boomenden Augenchirurgie nur ungerne              freies Lesen unmöglich mache. Dem Kläger war hier zwar eine
erinnert werden.                                                          gefahrenfreie Teilnahme am Straßenverkehr noch ohne weite-
Zwischenzeitlich sehen manche privaten Krankenversiche-                   res möglich, auch wenn er angab, dass er den Tachostand prä-
rungsverträge deshalb tariflich Deckelungsklauseln vor, wonach            operativ nicht mehr habe gut erkennen können. Das Gericht
refraktive Eingriffe mit zum Beispiel maximal 1.000 Euro erstat-          stellte klar, dass auch die Beeinträchtigungen in der Berufsaus-
tet werden. Orientiert hat man sich hierbei offensichtlich an den         übung geeignet sind, eine Krankheit im Sinne des funktionsori-
Klauseln zur Hilfsmittelversorgung mit Brille oder Kontaktlinse.          entierten Krankheitsbegriffs der privaten Krankenversicherung
Da ambulante Chirurgie jedoch üblicherweise uneingeschränkt               zu bejahen. Vorliegend waren beispielsweise die Arbeiten mit
und tariflich mit 100 Prozent versichert ist, erscheint es frag-          der Kreissäge und das Einstellen von Schranktüren zur Errei-
lich, ob eine solche gravierende Beschränkung der grundsätzli-            chung eines gleichen Fugenverlaufs kaum noch möglich gewe-
chen Leistungspflicht nicht mit wesentlichen Grundgedanken des            sen. Selbst die Verwendung einer Gleitsichtbrille habe bei den

SONDERVERÖFFENTLICHUNG 2020                                                                                         DER AUGENSPIEGEL 11
URTEILE UND RECHTSPRECHUNG
KOSTENERSTATTUNG IN DER REFRAKTIVEN UND KATARAKTCHIRURGIE

häufig anfallenden Überkopfarbeiten und einem dabei gefor-           des Behandlers im Rahmen der Risikoaufklärung über die Ope-
derten Sehabstand von 70 cm keine Abhilfe geschaffen.                ration umfassend informiert worden.
Das Gericht verurteilte die private Krankenversicherung, die         Wenn diese Operation des refraktiven Linsenaustausches mit
Kosten des refraktiven Linsenaustausches (RLA; Clear-Lens-           dem Femtosekundenlaser ausgeführt wird, so waren schon zuvor
Extraction=CLE) in Höhe von 5.026,77 Euro und der Anäs-              die medizinische Notwendigkeit und die Richtigkeit der Abrech-
thesie in Höhe von 535,65 Euro zu erstatten. Die Abrechnung          nung der Position 5855a GOÄ wiederholt bestätigt worden (OLG
der Positionen 1375, 1345 und 1353a GOÄ (Stabilisierung der          Köln, Beschluss vom 25.07.2017, 20 U 191/16; LG Köln, Urteil
Linse im Kapselsack) war zutreffend erfolgt, Kontraindikationen      vom 28.02.2018, 23 O 159/15).
griffen nicht ein und der Indikationsrahmen der KRC-Empfeh-
lungen (Stand: Februar 2019) war getroffen, der freilich für die     Schlussfolgerung
Indikation eines refraktiven Linsenaustausches ein bestimmtes        Nach dieser Rechtsprechung kommt es für die Frage der Erstat-
Mindestmaß der Fehlsichtigkeit nicht einmal fordert. Dort heißt      tungspflicht einer privaten Krankenversicherung dann unter
es: „Beim refraktiven Linsenaustausch wird das Auge am Rand          Umständen nicht mehr auf die im Einzelnen mitunter schwie-
der Hornhaut eröffnet und es wird wie bei der modernen Kata-         rige Bewertung an, ob (bereits) eine Katarakterkrankung vorliegt,
raktchirurgie die Augenlinse entfernt und durch eine Kunstlinse      sofern jedenfalls nur eine erhebliche refraktive Fehlsichtigkeit
ersetzt. Die Kunstlinse verfügt entweder über einen Brennpunkt       präoperativ besteht, die zu einer in dem obigen Sinne relevanten
(monofokale IOL) oder aber über zwei oder mehr Brennpunkte           funktionellen Beeinträchtigung des Patienten führt.
(multifokale IOl). Zudem kann sie asphärisch sein und gegebe-        Ferner wird hier bei der Befundung und Therapieempfehlung
nenfalls auch einen Zylinder korrigieren. Bei vorbestehender         künftig auch verstärkt dem Beruf des Patienten eine gewisse
Myopie wird das Risiko einer Netzhautablösung erhöht, beson-         Relevanz zukommen, da sich hierdurch häufig die subjekti-
ders bei Anwendung unterhalb des 50. Lebensjahres bezie-             ven Anforderungen und Erwartungen des Patienten an das
hungsweise bei unvollständiger Glaskörperabhebung.“ Damit            Operationsergebnis und zugleich die präoperative Linsenauswahl
war der Versicherung der Einwand genommen, dass die Ope-             definieren. Die präoperative Bestimmung der Stärke der zu ver-
rationsrisiken des refraktiven Linsenaustausches generell oder       wendenden Intraokularlinse ist naturgemäß schon objektiv eine
bei dem Patienten individuell außer Relation zu dem verfolg-         Herausforderung; gleiches gilt in zumindest demselben Maße für
ten therapeutischen Nutzen stünden. Denn dem Patienten bot           die Erreichung der postoperativen Zufriedenheit des Patienten
sich hier gar keine Behandlungsalternative und er war seitens        mit dem erzielten refraktiven Ergebnis. n

DER AUGENSPIEGEL JANUAR 2019

Der Augenchirurg zwischen Kostenträger,
Bewertungsportal und Patient
Der Arztvertrag wird häufig in tradierter Umgangssprache umschrieben als „geschütztes Arzt-Patienten-Verhältnis“. Dem
Patienten ist gemeinhin die freie Arztwahl und in Abstimmung mit ihm die freie Methodenwahl eröffnet. Die vor dem Zugriff
Dritter besonders schützenswerten Gesundheitsdaten haben erst kürzlich durch das Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverord-
nung (DSGVO) besondere Aufmerksamkeit erfahren. Und auch die Bedenken, die bei einem übermäßigen Vordringen gewerb-
licher Anbieter oder Kapitalgeber in die Kernbereiche der Ausübung des Arztberufes bestehen, werfen die Frage nach dem
effektiven Schutz der augenärztlichen Heilberufsausübung auf. Ein Beitrag von RA Michael Zach (Mönchengladbach).

D     ie öffentliche Bewertung eines Arztbesuches aus Patien-
      tensicht dient der Förderung des anerkannten Gemein-
wohlbelanges der Verbraucherinformation: Sie erfordert
                                                                     weitgehende Wertungsspielräume im Rahmen der freien Mei-
                                                                     nungsäußerung andererseits. Das ist geklärt und die Abgabe
                                                                     dieser Bewertungen durch den Patienten sowie das Handling
einerseits die Benennung des bewerteten Arztes und eröffnet          dieser Bewertungen durch den Portal-Anbieter folgen den Kri-

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