Verdichten mit ISOS Rechtliche Grundlagen und Praxis - SEMINAR Der rechtliche Rahmen - EspaceSuisse
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
SEMINAR Verdichten mit ISOS Rechtliche Grundlagen und Praxis Der rechtliche Rahmen Eingriffe in ISOS-Schutzobjekte: Verfahren, Interessenabwägung und Rolle des Bundes Barbara Jud, Juristin, EspaceSuisse 2. September 2021, Rüti ZH
Eingriffe ins ISOS: Verfahren, Interessenabwägung, Rolle des Bundes Seminar «Verdichten mit ISOS», Rüti ZH EspaceSuisse Barbara Jud, Juristin lic.utr.iur. 02. September 2021 Ablauf ISOS - rechtlicher Stellenwert ISOS und Interessenabwägung Rolle der Fachkommissionen EspaceSuisse 2
Ortsbildschutz und Verdichtung Verfassungsauftrag Art. 78 Natur- und Heimatschutz 1 Für den Natur- und Heimatschutz sind die Kantone zuständig. 2 Der Bund nimmt bei der Erfüllung seiner Aufgaben Rücksicht auf die Anliegen des Natur- und Heimatschutzes. Er schont Landschaften, Ortsbilder, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler; er erhält sie ungeschmälert, wenn das öffentliche Interesse es gebietet. 3-5 (…) EspaceSuisse 3 Ortsbildschutz und Verdichtung Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz Art. 5 Inventare des Bundes von Objekten mit nationaler Bedeutung 1 Der Bundesrat erstellt nach Anhören der Kantone Inventare von Objekten von nationaler Bedeutung (…). 2 (…) EspaceSuisse 4
Ortsbildschutz und Verdichtung Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz Art. 6 Bedeutung des Inventars 1Durch die Aufnahme eines Objektes von nationaler Bedeutung in ein Inventar des Bundes wird dargetan, dass es in besonderem Masse die ungeschmälerte Erhaltung, jedenfalls aber unter Einbezug von Wiederherstellungs- oder angemessenen Ersatzmassnahmen die grösstmögliche Schonung verdient. 2 Ein Abweichen von der ungeschmälerten Erhaltung im Sinne der Inventare darf bei Erfüllung einer Bundesaufgabe nur in Erwägung gezogen werden, wenn ihr bestimmte gleich- oder höherwertige Interessen von ebenfalls nationaler Bedeutung entgegenstehen. EspaceSuisse 5 Interessenabwägung Unterschiedliche Verfahren Erfüllung einer Bundesaufgabe Erfüllung einer kantonalen / schwerwiegende Beeinträchtigung kommunalen Aufgabe Art. 6 NHG ist direkt anwendbar ISOS ist «zu berücksichtigen» ungeschmälerte Erhaltung oder Bundesgerichtsurteil Rüti ZH grösstmögliche Schonung des Schutzobjekts Indirekt anwendbar, Umsetzung über die Richt- und (Sonder-) Zweistufige Interessenabwägung Nutzungsplanung; Spielraum bei Nachweis nationales der Baubewilligung gering. Eingriffsinteresse Normale Interessenabwägung Gutachten der Fachkommission nach Art. 3 RPV des Bundes ENHK, EKD EspaceSuisse 6
Interessenabwägung Methode bei kantonalen/kommunalen Aufgaben ISOS-Inventar = Interessen Ortsbildschutz aus nationaler Sicht Interessen ermitteln – bewerten – abwägen Grafik: Felix Wyss, EspaceSuisse EspaceSuisse 7 Interessenabwägung Methode bei Bundesaufgaben Eingriff in ein ISOS/BLN/IVS Erhebliche / schwerwiegende Veränderung, die keine Schutzziele Beeinträchtigung tangiert, leichter Eingriff Interessenabwägung Interessenabwägung angelehnt 1. Stufe an Art. 3 RPV Gleich- oder höherwertiges Kein gleich- oder höherwertiges Gutheissung ev. mit Ablehnung Eingriffsinteresse von nationaler Eingriffsinteresse von nationaler Bedingungen und Auflagen Bedeutung Bedeutung Interessenabwägung Keine Interessenabwägung: 2. Stufe angelehnt an Art. 3 RPV Ablehnung Gutheissung ev. Mit Bedingungen und Ablehnung Auflagen EspaceSuisse 8
Interessenabwägung Spielraum für Interessenabwägungen Je konkreter das Vorhaben, umso kleiner ist der Spielraum für Interessenabwägungen 1. Verfassung/Gesetzgebung → Biotopschutz, Ermessen Wald, Lärmschutz, NHG/Ortsbildschutz, Kulturland… 2. Richtplanung (kantonal, regional, kommunal) → Standortfragen, Infrastrukturprojekte, Verdichtungsgebiete, Entwicklungsschwerpunkte… 3. Nutzungsplanung (Kernzonen, Quartiererhaltungszonen) Sondernutzungsplanung 4. Baubewilligungsverfahren → Anwendung von Ästhetikvorschriften EspaceSuisse 9 Interessenabwägung Bundesaufgabe, kantonale/kommunale Aufgabe? Ersatzneubau Kantonalbank OW, Verdichtung Villenquartier Steig, Sarnen Schaffhausen [Urteil BGer 1C_118/2016 vom 21. [Urteil BGer 1C_130/2014, 1C_150/2014 März 2017] EspaceSuisse vom 6. Januar 2015] 10
Urteil Sarnen Bundesaufgabe, kantonale/kommunale Aufgabe? Erteilung Baubewilligung: grundsätzlich kommunale Aufgabe EspaceSuisse 11 Urteil Sarnen Bundesaufgabe, kantonale/kommunale Aufgabe? Einstellhalle, benötigt Bundesgericht bejaht Gewässerschutzbewilligung «nationales Aufgabeninteresse»: (Grundwasser) > Bundesaufgabe Innenentwicklung, öfftl. Verkehr. Erhöhte Anforderungen an die Der Ersatzneubau ist aber nicht Interessenabwägung ortsbildverträglich (zu voluminös / zu hoch) und kann daher nicht bewilligt werden. Urteil stützt sich auf ein Gutachten der ENHK und EKD. EspaceSuisse 12
Gesetzliche Grundlagen Bundesaufgaben (Art. 2 Abs. 1 NHG) Planung, Errichtung und Veränderung von Werken und Anlagen durch den Bund, seine Anstalten und Betriebe Bauten der Bundesverwaltung, Nationalstrassen, Eisenbahnbauten… Erteilung von Konzessionen und (Spezial-) Bewilligungen touristische Transportanlagen, Energie- und Gasleitungen, Rodungsbewilligungen… Gewährung von Beiträgen an Planungen, Werke und Anlagen Meliorationen, Gewässerschutzmassnahmen, Verkehrsanlagen EspaceSuisse 13 Rechtsprechung Bundesaufgaben – Vollzug durch Kantone Eine Bundesaufgabe liegt auch dann vor, wenn sich ein kantonaler oder kommunaler Entscheid auf hinreichend detailliertes, direkt anwendbares Bundesrecht stützt und im engen Zusammenhang mit dem Natur- und Heimatschutz steht [BGE 144 II 220, E. 3.3 (Pflanzenschutzmittel); Urteil BGer 1C_116/2020 vom 21.4.2021 (Courtepin FR)] Bewilligungen für: Bauten ausserhalb der Bauzonen; Zivilschutzbauten; Mobilfunkantennen Gewässerschutzbewilligungen, Rodungsbewilligungen Bewilligungen für Zweitwohnungen in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von mehr als 20% Ausscheidung neuer Bauzonen (RPG 1), nicht aber Um- und Aufzonungen [BGE 142 II 509, Adligenswil LU] EspaceSuisse 14
Urteil Schaffhausen Kommunale Aufgabe: Erlass eines Quartierplans Keine Bundesaufgabe, keine direkte Anwendung NHG, einfache Interessenabwägung, kein Gutachten ENHK/EKD EspaceSuisse 15 Urteil Schaffhausen Erwägungen Bundesgericht Der Quartierplan «Steig» bezweckt im Sinne der inneren Verdichtung eine architektonisch hochstehende Bebauung des südwestlichen Quartierplangebiets unter Wahrung der Qualitäten des schutzwürdigen Ensembles, insbesondere der erhaltenswerten Villa "Steig«. eine harmonische Integration der neuen Überbauung in den Park der Villa und in die weiteren, quartierprägenden Bauten und Aussenräume. Die im Quartierplan vorgesehene Konzentration der Bausubstanz in den Randbereichen stellt die Freihaltung von Umgebungsbereichen schutzwürdiger Bauten sicher. EspaceSuisse 16
EspaceSuisse Überbauung Steig, Schaffhausen Urteil Schaffhausen Überbauung Steig EspaceSuisse
Urteil Schaffhausen Ermessensspielraum der Stadt respektieren Die Stadt Schaffhausen hat verschiedene Varianten der Überbauung geprüft. Die Stadtbildkommission und Denkmalpflege erachten den Eingriff in das Schutzobjekt als vertretbar. Die Vorinstanz (Verwaltungsgericht Schaffhausen) hat das Vorhaben abgelehnt, ihre eigene Lösung an die Stelle der vertretbaren Würdigung der kommunalen Baubehörde gesetzt und damit - gemäss Bundesgericht - die Gemeindeautonomie verletzt. EspaceSuisse 19 EspaceSuisse Urteil Rüti – ISOS Karte Rüti ZH
Urteil Rüti Neue Überbauung im Ortskern Rüti ZH (ISOS) Nördlicher Teil des Gestaltungs- 4 Wohnbauten mit je 4 plans mit dem 7-geschossigen Vollgeschossen und einem Hochhaus wurde vom Attikageschoss in der südlichen Bundesgericht beanstandet. Zentrumszone nicht beanstandet. EspaceSuisse Visualisierungen: Beat Ernst Architekt, Rüti 21 Urteil Rüti Überbauung Rüti ZH heute… EspaceSuisse 22
Ortsbildschutz und Verdichtung Einordnung Das ISOS ist – wenn man es richtig einordnet und anwendet – ein Segen, denn es fördert die Siedlungsqualität und Baukultur, schafft Identität und trägt zur Erhaltung unserer grossen Vielfalt an Dörfern und Städten bei. Prangins VD Sempach LU EspaceSuisse 23 Ortsbildschutz und Verdichtung Was heisst richtig einordnen und anwenden? Das ISOS ist eine Bestandesaufnahme und fachliche Einschätzung eines Siedlungsgefüges unter den Gesichtspunkten von Ortsbildqualität und Baukultur. Es ist eine (gewichtige) Wertungshilfe für die Interessenabwägung (Planungs- und Entscheidungsgrundlage), nicht aber die Interessenabwägung an sich. Grafik: Felix Wyss, EspaceSuisse EspaceSuisse 24 Interessen ermitteln bewerten abwägen
Ortsbildschutz und Verdichtung ISOS als Wertungshilfe Der Entscheid darüber, welches Interesse überwiegt bzw. die Frage, wie Ortsbildschutz und Verdichtung miteinander in Einklang zu bringen sind, liegt letztlich bei der Bewilligungsbehörde bzw. den Gerichten (und nicht bei den Fachkommissionen). Dies sehen im Fall Sarnen auch die Fachkommissionen des Bundes (ENHK und EKD) so: Auf die Frage des Verwaltungsgerichts Obwalden, ob gleich- oder höherwertige Interessen ausserhalb des NHG einem Schutz des ISOS-Objektes entgegenstünden, schreiben sie, dass diese Frage das Verwaltungsgericht beurteilen müsse. Die Kommissionen seien für diese Interessenabwägung nicht zuständig. EspaceSuisse 25 Ortsbildschutz und Verdichtung ISOS als Wertungshilfe ….und was sagt dazu das Bundesgericht? Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts darf eine Behörde in Fachfragen nicht ohne triftigen Grund von den Gutachten der Fachkommissionen des Bundes (Eidgenössische Natur und Heimatschutzkommission ENHK und Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege EKD) abweichen. Und wenn sie dies tut, muss sie die Abweichungen überzeugend begründen. BGE 130 I 377 E. 5.4.2 EspaceSuisse 26
Ortsbildschutz und Verdichtung Mehr dazu…. EspaceSuisse Danke für Ihre Aufmerksamkeit EspaceSuisse 28
Sie können auch lesen