Viele Hochqualifizierte, aber auch viele Ungelernte

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Viele Hochqualifizierte, aber auch viele Ungelernte
IAB-KURZBERICHT
Aktuelle Analysen aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung                                                8 |2020

  In aller Kürze                              Einwanderung nach Deutschland

  yy In den vergangenen Jahren lag die
  Zahl der Einwanderer nach Deutsch-
  land deutlich über dem langjährigen
                                              Viele Hochqualifizierte, aber
  Durchschnitt. Hauptgründe hierfür
  sind die günstigen Arbeitsmarkt-            auch viele Ungelernte
  bedingungen, die Einführung der
  Arbeitnehmerfreizügigkeit und der           von Holger Seibert und Rüdiger Wapler
  Anstieg der Fluchtmigration.
  yy Dabei hat sich die Qualifikations-
  struktur der Neueingewanderten
  sichtbar polarisiert: Einem hohen
  Akademikeranteil steht ein hoher            Im Vergleich zur Phase der Gastarbeiter­     2010 bis 2018 lag er hingegen bei jährlich
  Anteil von Personen ohne abge-
                                              anwerbung und des Familiennachzugs           468.000 (Statistisches Bundesamt 2019).
  schlossene Berufsausbildung gegen-
  über. Zwar ist der Akademikeranteil         nach Deutschland in den Jahrzehnten          Gründe für diesen Anstieg sind der lang­
  unter den Neueingewanderten mit             danach sind Eingewanderte heute im           anhaltende Beschäftigungsaufschwung
  dem Anstieg der Migration seit 2010         Durchschnitt deutlich besser qualifiziert.   in Deutschland, die schrittweise Ein­
  gesunken, er liegt aber immer noch
  deutlich höher als in der Bevölke-          Der Akademikeranteil unter ihnen ist seit    führung der vollständigen Arbeitneh­
  rung ohne Migrationshintergrund.            2005 gestiegen und nach einem zwischen­      merfreizügigkeit für Personen aus den
  yy Der Anstieg der Fluchtmigration in       zeitlichen Rückgang besitzt am aktuellen     osteuropäischen EU-Ländern sowie die
  den Jahren 2015 und 2016 hat das            Rand etwa jeder dritte Neueingewan­          verschärfte Situation in einigen Kriegs-
  durchschnittliche Qualifikationsni-
                                              derte einen Studienabschluss. Zugleich       und Krisenländern. Zudem haben sich
  veau der Neueingewanderten kurz-
  fristig gesenkt. Allerdings ist es in den   haben zwei Fünftel von ihnen keinen          viele europäische Länder, die in der Ver­
  Folgejahren bereits wieder gestiegen.       beruflichen Abschluss. Wir untersu­          gangenheit für Einwanderer attraktiv
  yy Insgesamt dominieren Menschen            chen, wie sich die Qualifikations­struktur   waren, von der Wirtschaftskrise in den
  aus den anderen EU-Ländern das              und die nationale Zusammensetzung            Jahren 2008 und 2009 nur langsam erholt,
  Migra­tionsgeschehen. Ihr Anteil un-
                                              der Neueingewanderten verändert ha­          was eine substanzielle Umlenkung der
  ter den Neueingewanderten betrug
  zwischenzeitlich über 60 Prozent            ben und wie dies mit ihren Erwerbsaus­       Migrationsströme nach Deutschland be­
  und lag selbst auf dem Höhepunkt            sichten hierzulande zusammenhängt.           wirkt hat (Brücker 2015). Mit dem Anstieg
  der Flüchtlingszuwanderung noch
                                                                                           der Migration hat sich zugleich die Struk­
  bei knapp 40 Prozent.
                                              Die Zahl der nach Deutschland Einge­         tur der Neueingewanderten hinsichtlich
  yy Die Erwerbstätigenquoten von
                                              wan­
                                                 derten ist in den letzten Jahren          ihrer Herkunftsländer und der Qualifika­
  Neueingewanderten aus der EU sind
  deutlich höher als die von Personen         merklich gestiegen. Im Zeitraum 2000         tionsstruktur verändert.
  aus Nicht-EU-Ländern. Generell sind         bis 2009 betrug der Wanderungssaldo von        Trotz dieser gestiegenen Zahl an Ein­
  Personen mit beruflichen Bildungs-
                                              Ausländern nach Deutschland im Durch­        wanderern sind in Deutschland immer
  abschlüssen häufiger erwerbstätig
  als solche ohne Berufsabschluss.            schnitt 96.000 Personen pro Jahr, von        größere Engpässe bei der Besetzung von
Viele Hochqualifizierte, aber auch viele Ungelernte
Arbeitsplätzen zu beobachten. Es dauert aktuell       den Jahrzehnte. Da Bildungschancen in Deutsch­
                        mit durchschnittlich 124 Tagen mehr als doppelt so    land mit der sozialen Herkunft und dem Zuwan­
                        lange, offene Fachkräftepositionen zu besetzen, als   derungshintergrund zusammenhängen (Reiss et al.
                        noch vor 10 Jahren (Statistik/Arbeitsmarktbericht­    2019), sind auch unter der zweiten Generation die­
                        erstattung der Bundesagentur für Arbeit 2019).    1
                                                                              ser Eingewanderten die Anteile von Personen ohne
                        Durch den demografisch bedingten Rückgang des         abgeschlossene Berufsausbildung deutlich höher,
                        Erwerbspersonenpotenzials (Fuchs/Söhnlein/We­         die Anteile mit mittleren beruflichen Abschlüs­
                        ber 2017) könnten sich Arbeitsmarktengpässe in        sen deutlich niedriger und die mit akademischen
                        Zukunft weiter verschärfen. Zudem wird die Zahl       Abschlüssen etwas geringer als im Durchschnitt
                        der Eingewanderten aus den Mitgliedsstaaten der       der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund.
                        EU künftig durch die spürbare Ausschöpfung der        Allerdings zeichnet sich bereits seit längerer Zeit
                        Migrationspotenziale und die allmähliche Annä­        eine Trendwende unter den Neueingewanderten
                        herung der Einkommen zurückgehen. Die Bun­            – also den Personen, die im Vorjahr der jeweiligen
                        desregierung und der Gesetzgeber versuchen dem        Befragung zugezogen sind (vgl. Infobox auf Sei­
                        unter anderem mit dem jüngst beschlossenen            te 10) – ab (Seibert/Wapler 2012 und 2015). Diese
                        Fachkräfteeinwanderungsgesetz Rechnung zu tra­        lässt sich als Polarisierung der Qualifikationsstruk­
                        gen. Es zielt darauf ab, den Arbeitsmarkt nicht nur   tur beschreiben: In den Jahren 2005 bis 2010 stieg
                        für Hochqualifizierte, sondern auch für Fachkräf­     zunächst der Anteil der Neueingewanderten mit
                        te mit mittleren beruflichen Bildungsabschlüssen      akademischen Abschlüssen von 31 auf 47 Prozent
                        aus Drittstaaten stärker zu öffnen (Bundesministe­
                                        2
                                                                              (vgl. Abbildung A1 auf Seite 3). Ab 2011 ging dieser
                        rium des Innern, für Bau und Heimat 2019).            Anteil sukzessive wieder zurück und lag 2018 bei
                             Vor diesem Hintergrund untersuchen wir im        34 Prozent. Gleichzeitig stieg der Anteil der Perso­
                        Folgenden, wie sich die Qualifikationsstruktur von    nen ohne Berufsausbildung von 29 Prozent im Jahr
                        Neueingewanderten nach Deutschland im Zeitab­         2010 auf zuletzt 41 Prozent.
                        lauf verändert hat. Darüber hinaus gehen wir der          Damit war der Anteil der Akademiker und Aka­
                        Frage nach, wie sich die Arbeitsmarktintegration      demikerinnen unter den Neueingewanderten im
                        dieser Neueingewanderten im Vergleich zu allen        gesamten Untersuchungszeitraum und insbeson­
                        hier lebenden Personen mit Migrationshintergrund      dere im Jahr 2010 (47 %) deutlich höher als in der
                        und zu den Deutschen ohne Migrationshinter­           Bevölkerung ohne Migrationshintergrund (im Ana­
                        grund entwickelt. Als Datenbasis dient uns der Mi­    lysezeitraum 18 bis 24 %). Hinter diesem Polarisie­
                        krozensus der Jahre 2005 bis 2018, bei dem jährlich   rungstrend stehen verschiedene Entwicklungen:
                        ein Prozent aller Haushalte in Deutschland unter      eine Verschiebung der Herkunftsländer der Ein­
                        anderem zu ihren Bildungsabschlüssen und ihrer        wanderung weg von den traditionellen Ländern
                        Erwerbssituation befragt wird. Bei unseren Analy­     der Gastarbeiteranwerbung hin zu den neuen
                        sen liegt der Fokus auf den 25- bis 64-Jährigen, da   Mitgliedsstaaten der EU und anderen osteuropä­
                        ein Teil der Unter-25-Jährigen noch einer berufli­    ischen Ländern, eine höhere Wanderungsneigung
                        chen oder akademischen Ausbildung nachgeht.           von hochqualifizierten Personen sowie eine her­
                                                                              kunftslandspezifische Struktur der Bildungssys­
                                                                              teme und Zertifizierung (Boeri et al. 2012; OECD
                        Entwicklung der Qualifikationsstruktur
                                                                              2019). Anders als in Deutschland mit seinem Sys­
                        von Neueingewanderten
                                                                              tem der dualen beruflichen Bildung werden viele
                        Die Struktur der in Deutschland lebenden Be­          Fachkraftqualifikationen in den Herkunftsländern
                        völkerung mit Migrationshintergrund ist immer         der Migration nach Deutschland durch „Training
                        noch stark geprägt durch die Rekrutierung von ge­
                        ringqualifizierten Arbeitskräften während der Pha­    1
                                                                               Auch die IAB-Stellenerhebung, eine repräsentative Umfrage des
                                                                              gesamtwirtschaftlichen Arbeitskräftebedarfs, bestätigt diesen
                        se der Gastarbeiteranwerbung in den 1960er und        Trend (http://www.iab.de/de/befragungen/stellenangebot.aspx).
                        1970er Jahren sowie durch den Familiennachzug         2
                                                                               Mit Drittstaaten sind in diesem Bericht Staaten gemeint, die nicht
                                                                              Mitglied der EU sind. Im Analysezeitraum war das Vereinigte Kö­
                        aus den Anwerbeländern während der nachfolgen­        nigreich noch EU-Mitglied und wird entsprechend eingruppiert.

2   IAB-Kurzbericht 8|2020
on the Job” und nicht durch formale Berufsab­                                             gehörige aus Drittstaaten wurde Deutschland ein
schlüsse erworben. So haben mehr als vier Fünf­                                           attraktiveres Migrationsziel.
tel der Geflüchteten in Deutschland in ihren Her­                                           Dieser Wandel ist mit einem deutlichen Anstieg
kunftsländern qualifizierte Fachkrafttätigkeiten                                          der Einwanderungszahlen verbunden (vgl. Abbil­
oder komplexe und hochkomplexe Spezialisten-                                              dung A1). Zugleich ist der Anteil der Akademiker
und Expertentätigkeiten ausgeübt (Brücker et al.                                          und Akademikerinnen schrittweise von gut zwei
2019). Zudem setzt die Ausübung vieler Berufe in                                          Fünftel der Befragten im Jahr 2011 auf rund ein
anderen Ländern akademische Abschlüsse voraus,                                            Drittel im Jahr 2015 gesunken. So hatten unter den
während in Deutschland duale oder schulische                                              (hochgerechnet) 291.000 Neueingewanderten im
Ausbildungsabschlüsse genügen (z. B. im Pflege­                                           Alter von 25 bis 64 Jahren, die 2014 zugezogen und
bereich).                                                                                 vom Mikrozensus im Jahr 2015 befragt wurden (also
      Mit dem Ende der Wirtschaftskrise im Jahr 2010                                      ein Jahr vor dem starken Anstieg der Zuzüge von Ge­
haben sich die Ausgangsbedingungen für die Mi­                                            flüchteten nach Deutschland), 96.000 (33 %) einen
gration nach Deutschland grundlegend verändert:                                           akademischen Abschluss und 76.000 (26 %) eine be­
Zum einen hat sich Deutschland nach der Krise                                             rufliche Ausbildung. Die Zahl der Personen ohne
schnell erholt und verzeichnete ein höheres Be­                                           formale Berufsbildungsabschlüsse ist dagegen von
schäftigungswachstum und eine geringere Arbeits­                                          33.000 (30 %) im Befragungsjahr 2011 auf 108.000
losigkeit als die meisten anderen Zielländer in der                                       (37 %) im Jahr 2015 gestiegen. In Ausbildung oder
EU. Die Arbeitsmärkte in Spanien und Italien – vor                                        im Studium befanden sich 2015 gut 8.000 (4 %) Neu­
der Wirtschaftskrise die beiden wichtigsten Ein­                                          eingewanderte in der untersuchten Altersgruppe.
wanderungsländer in der EU – waren hingegen                                                 Dieser Rückgang des Qualifikationsniveaus im
weit überdurchschnittlich und langanhaltend von                                           Vergleich zum Jahr 2010 kann auf verschiedene
der Krise betroffen. Zum anderen hat die Einfüh­                                          Ursachen zurückgeführt werden. Die Zusammen­
rung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für die Länder,                                        setzung der Herkunftsländer hat sich verändert,
die 2004 in die EU eingetreten sind, zum 1. Mai                                           insbesondere der Anteil von Bulgaren und Rumä­
2011 und für Bulgarien und Rumänien zum 1. Ja­                                            nen hat unter den Neueingewanderten deutlich
nuar 2014 die Umlenkung der Migrationsströme                                              zugenommen. Zudem ist der Anteil der Akade­
nach Deutschland begünstigt. Auch für Staatsan­                                           miker und Akademikerinnen auch innerhalb der

                                                                                                                                                                                  A1
Qualifikationsstruktur von Neueingewanderten1)
Befragungsjahre 2005 bis 2018, 25- bis 64-Jährige in Tausend und Anteile in Prozent

          Personen in Tausend (gerundet)                                                                           Anteile in Prozent2)
500
                                                                        484
450                                      alle Neueingewanderten
                                                                                                                   31                                                        27
                                                                                                                        34   37                                    38   33        34   34
400                                                                                 392      mit akademischem                     41      43        40   41   40
                                                                                                                                               47
                                                                              362                 Abschluss
350
300                                                               291                                                                                                        23
                                                                                                                   32                                                   26        23   22
250                                                                                                                     31                                         27
                                                                                            mit Berufsausbildung             31                     26   25   26
                                                            219                                                                   29      25   20
200                                                   192
150142       146                                157
                         135 136   132                                                                                                                                       47
                   118                    114                                              ohne Berufsausbildung                                                        37        38   41
100                                                                                                                32   31   28                29   30             32
                                                                                                                                  25      28             30   30
     50
                                                                                               in Ausbildung
     0                                                                                                              5    5    5    5    4    5    5    3    3    3    3    3    4    4
                                                                                               oder Studium
     2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018                                         2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

1)
     Neueingewanderte: Einreise jeweils im Vorjahr der Befragung (ohne Personen in Gemeinschaftsunterkünften, Personen, die angeben, als deutsche Staatsangehörige eingereist zu sein und
     Personen, die erst im Befragungsjahr eingereist sind); der Rückgang der Einwanderungszahlen im Jahr 2011 ist auf die Umstellung des Statistischen Bundesamts auf die Zensusdaten 2011
     zurückzuführen.
2)
     Ohne Personen mit unbekannten Bildungsabschlüssen. Abweichungen von 100 Prozent sind rundungsbedingt.
Quelle: Mikrozensus der Jahre 2005 bis 2018, eigene Berechnungen. © IAB

                                                                                                                                                          IAB-Kurzbericht 8|2020        3
jeweiligen Herkunftsländer im Zuge des Migrati­       senländern Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nige­
                        onsanstiegs gesunken. Dies ist theoretisch auch zu    ria, Pakistan, Somalia und Syrien.4 Ihr Anteil liegt
                        erwarten, denn der im Vergleich zur Bevölkerung       in der untersuchten Altersgruppe im Jahr 2018 bei
                        der Herkunftsländer große Anteil von Personen         fast 10 Prozent. Sichtbar rückläufig war hingegen
                        mit einem hohen Qualifikationsniveau nimmt in         der Anteil von Personen mit türkischem Migrati­
                        der Regel mit zunehmender Zahl der wandernden         onshintergrund, der zwischen 2005 und 2018 von
                        Personen ab (Borjas 1987). Dennoch ist der Anteil     knapp 20 Prozent auf gut 12 Prozent gefallen ist.
                        der Akademiker und Akademikerinnen unter den              Noch stärker hat sich im Analysezeitraum die
                        2018 befragten Neueingewanderten immer noch           Struktur der Herkunftsländer der Neueingewan­
                        deutlich höher als im Durchschnitt der Bevölke­       derten verändert (vgl. Abbildung A2). Unter den
                        rung ohne Migrationshintergrund.                      2005 befragten Neueinwanderern (Einreise im Jahr
                             Durch den starken Anstieg der Zuzüge von Ge­     2004) dominierten mit über 36 Prozent noch die
                        flüchteten, aber auch durch die zunehmende Mi­        Personen aus der Türkei und dem „restlichen Eu­
                        gration aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten, sind       ropa“. Seitdem haben die Anteile der EU-Mitglieds­
                        die Einwanderungszahlen noch einmal deutlich          staaten aber deutlich zugenommen: Zunächst
                        gewachsen. Mit der Fluchtmigration hat sich die
                                     3
                                                                              stieg zwischen 2005 und 2009 (d. h. Einreise 2004
                        Qualifikationsstruktur der Neueingewanderten          und 2008) der Anteil der Neueingewanderten aus
                        kurzfristig verändert. So fiel im Befragungsjahr      den nordwesteuropäischen EU-Staaten („sonsti­
                        2016 der Anteil der Akademiker und Akademike­         ge EU 15“) von rund 10 auf 20 Prozent. Während
                        rinnen unter den hochgerechnet 484.000 Neuein­        diese Anteile im Nachgang der Wirtschaftskrise
                        gewanderten, die im Jahr 2015 zugezogen sind, auf     wieder zurückgingen, legte die Neueinwanderung
                        27 Prozent, während der Anteil ohne abgeschlosse­     aus den stark von steigender Arbeitslosigkeit be­
                        ne Berufsausbildung auf 47 Prozent anstieg. Unter     troffenen „GIPS”-Staaten (Griechenland, Italien,
                        den 2016 und 2017 zugezogenen Personen stieg          Portugal und Spanien) von 8 auf 14 Prozent zu. Be­
                        der Anteil der Akademiker und Akademikerinnen         reits ab 2006 und besonders ab 2011 ist schließlich
                        wieder auf 34 Prozent, während sich der Anteil        eine Verschiebung des Gewichts der Neueingewan­
                        der Personen ohne formale Berufsabschlüsse bei        derten hin zu den neuen Mitgliedsstaaten aus Ost-
                        41 Prozent einpendelte.                               und Mitteleuropa zu beobachten. Zwischen 2007
                                                                              und 2014 liegt der Anteil der Neueingewanderten
                                                                              aus den EU-Ländern insgesamt durchweg bei über
                        Veränderte Zusammensetzung
                                                                              50 Prozent. Unter den 2011 bis 2013 Eingereisten
                        der Herkunftsländer
                                                                              kommen sogar über 60 Prozent aus der EU. Im Zuge
                        Betrachtet man den Bestand an Personen mit Mig­       des starken Anstiegs der Fluchtmigration fiel der
                        rationshintergrund in der Altersgruppe der 25- bis    Anteil der EU-Einwandererinnen und -Einwande­
                        64-Jährigen, so hat sich deren Zusammensetzung        rer unter den 2015 zugezogenen und 2016 befragten
                        nach Herkunftsländern seit 2005 erkennbar ver­        Neueingewanderten auf 38 Prozent, stieg aber mit
                        ändert (vgl. Abbildung A2 auf Seite 5). Der Anteil    dem Rückgang der Zuzüge von Schutzsuchenden
                        der Personen mit Migrationshintergrund aus den        im Zuzugsjahr 2016 (Befragungsjahr 2017) wieder
                        EU-Ländern insgesamt ist zwar relativ stabil ge­      auf 46 Prozent. Im Befragungsjahr 2016 zählen wir
                        blieben, jedoch hat sich darunter der Anteil von
                        Personen mit bulgarischem und rumänischem             3
                                                                                Der starke Anstieg des Zuzugs von Geflüchteten in den Jahren
                                                                              2015 und 2016 ist in den hier verwendeten Daten des Mikrozensus
                        Migrationshintergrund von 4 auf knapp 8 Prozent       erst mit einer Verzögerung von teilweise über einem Jahr zu sehen,
                        fast verdoppelt. Der Anteil der Personen mit Migra­   da dieser Personenkreis für eine Übergangszeit in Erstaufnahme­
                                                                              einrichtungen untergebracht ist. Dort wurde nur ein reduzierter
                        tionshintergrund aus den nordwesteuropäischen         Fragebogenumfang des Mikrozensus angewendet, dessen Angaben
                                                                              für unsere Analyse nicht ausreichend sind. Deshalb beziehen sich
                        EU-Ländern („sonstige EU 15”) ist hingegen von        die Auswertungen hier nur auf Angaben aus dem vollständigen
                                                                              Fragenbogen, der in Privathaushalten verwendet wurde – und dort
                        gut 7 auf unter 5 Prozent gesunken. Deutlich zuge­    leben Geflüchtete erst nach einer gewissen Zeit.
                        nommen haben besonders seit 2015 und 2016 die         4
                                                                                Wir orientieren uns bei der Abgrenzung der Kriegs- und Krisen­
                                                                              länder an der Systematik im IAB-Zuwanderungsmonitor (Brücker/
                        Anteile der Personen aus den acht Kriegs- und Kri­    Hauptmann/Vallizadeh 2020).

4   IAB-Kurzbericht 8|2020
im Mikrozensus 185.000, ein Jahr später sogar nur                                                    kern oder der von Personen mit einer abgeschlos­
noch 165.000 Eingewanderte im Alter von 25 bis 64                                                    senen Berufsausbildung (Röttger/Weber/Weber
Jahren aus EU-Ländern, die jeweils im Vorjahr nach                                                   2019). Deshalb untersuchen wir im Folgenden, wie
Deutschland gezogen sind. Aus den Kriegs- und Kri­                                                   sich die Qualifikationsstruktur der Neueingewan­
senländern liegen die Zahlen der Neueingewander­                                                     derten von derjenigen der Bevölkerung mit Migra­
ten in dieser Altersgruppe in der 2016er Befragung                                                   tionshintergrund insgesamt unterscheidet. Ferner
bei rund 167.000, ein Jahr später bei 76.000.                                                        vergleichen wir sie mit der Qualifikationsstruktur
                                                                                                     der Deutschen ohne Migrationshintergrund (vgl.
                                                                                                 Abbildung A3 auf Seite 6). Anschließend untersu­
Qualifikationsstruktur unterscheidet
                                                                                                     chen wir, ob eine bessere Qualifikationsstruktur
sich nach Herkunftsregion
                                                                                                     auch mit höheren Erwerbschancen einhergeht.
In Deutschland sind die Integrationschancen auf                                                        Dabei fassen wir Personen aus den jährlichen
dem Arbeitsmarkt stark von der formalen beruf­                                                       Mikrozensusbefragungen zusammen und bilden
lichen Qualifikation der Menschen abhängig. So                                                       entsprechende Durchschnittswerte, weil die Fall­
liegt die Arbeitslosenquote von Personen ohne                                                        zahlen der einzelnen Jahre zu gering wären. Da
Berufsausbildung deutlich über der von Akademi­                                                      sich – wie oben gezeigt – die Zusammensetzung

                                                                                                                                                                                                                          A2
Herkunftsregion der Personen mit Migrationshintergrund insgesamt im Vergleich zu Neueingewanderten
Befragungsjahre 2005 bis 2018, 25- bis 64-Jährige, Anteile in Prozent

                       Alle Personen 2005              12                   7                   16                 4                    20                                   21                        3                  17
          mit Migrationshintergrund
                                          2006         11                   7               16                     4                 19                                  20                        3                  19
                                          2007         10               6                  17                  4                18                                      22                         3                 20
     Griechenland, Italien,
     Portugal, Spanien (GIPS)             2008         9            6                  17                  4                17                                      23                             3                 20
                                          2009         9            6                  17                  4                17                                      22                         3                     21
     Sonstige EU-15-Länder1)
                                          2010         9            6                  17                  4                17                                     22                          4                     21
     Neue EU-Mitgliedstaaten
     2004–2013 (ohne Bulgarien            2011      8           6                     18                   5                16                                     22                      4                         22
     und Rumänien)2)                      2012      8           6                      18                      5            15                                     21                      4                     22

     Bulgarien und Rumänien               2013      8           6                      18                      5            15                                     21                      4                     22
                                          2014      8           5                     18                   6                15                                 21                      5                         23
     Türkei
                                          2015      8           5                     19                       6            14                                 20                      5                         23
     Restliches Europa
                                          2016      8           5                     19                       7            13                                20                       7                             22
     Kriegs- und Krisenländer3)           2017         9            5                 17                       7            12                            19                           9                             21
     Restliche Welt                       2018         9        5                     17                       8            12                            18                          10                             21

       darunter: Neueingewanderte 2005             6            10                    13              4            6                             30                               2                         28
                                          2006     7                    14                            21                    3        5                    19                  1                            30
                                          2007     7                        18                             20                    4           6                14              2                            30
                                          2008     7                        18                             21                            6       4            10         2                                 32
                                          2009      8                            20                                    20                    6        3            11            3                          28
                                          2010      8                           18                         18                    6           5                14                  6                             27
                                          2011         10                    13                       18                        9            4                13              5                             28
                                          2012         10                    13                                26                                 13               3         8         5                         22
                                          2013             13                    9                         26                                    14                3          10            4                        21
                                          2014             14                    8                             28                                11            2         11                6                         21
                                          2015         11               6                        24                                     17                2         12                     10                         19
                                          2016     6        3                   16                    12               2    11                                           35                                               15
                                          2017      8           5                     19                               14           2            12                           21                                      19
                                          2018         9            6                  18                              13        2               13                               23                                      17

1)
   Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Großbritannien, Irland, Dänemark, Schweden, Finnland, Österreich.
2)
   Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern, Kroatien.
3)
   Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia, Syrien.
Anmerkung: Nicht berücksichtigt wurden Personen in Gemeinschaftsunterkünften, Personen, die erst im Befragungsjahr eingereist sind, und Personen, die
angeben, als deutsche Staatsangehörige eingereist zu sein. Als neueingewandert gelten Personen, die jeweils im Vorjahr der Befragung eingereist sind.
Quelle: Mikrozensus der Jahre 2005 bis 2018, eigene Berechnungen. © IAB

                                                                                                                                                                                                                               IAB-Kurzbericht 8|2020   5
der Neueingewanderten nach Herkunftsländern                                               meisten Herkunftsländergruppen, mit Ausnahme
                        über die Jahre merklich verändert hat, konzent­                                           von Bulgarien und Rumänien sowie der Kriegs-
                        rieren wir uns auf die zweite Beobachtungshälfte,                                         und Krisenländern, weisen die Neueingewander­
                        also die Befragungsjahre 2012 bis 2018, um Aus­                                           ten höhere Akademikeranteile auf als die hier le­
                        sagen über die jüngere Einwanderung treffen zu                                            benden Personen mit Migrationshintergrund aus
                        können. Wie zuvor betrachten wir die Gruppe der                                           den jeweiligen Herkunftsländern insgesamt.
                        25- bis 64-Jährigen.                                                                            Am unteren Ende des Qualifikationsspektrums
                             Am oberen Ende des Qualifikationsspektrums                                           sind die Anteile ohne abgeschlossene Berufsaus­
                        liegen die Akademikeranteile unter den Personen                                           bildung bei den Personen mit Migrationshinter­
                        mit Migrationshintergrund insgesamt (20 %) auf                                            grund insgesamt sowie unter den Neueingewan­
                        einem ähnlichen Niveau wie bei Deutschen ohne                                             derten mit jeweils 39 Prozent deutlich höher als
                        Migrationshintergrund (23 %). Bei den Neueinge­                                           bei den Personen ohne Migrationshintergrund
                        wanderten fällt der Akademikeranteil mit 34 Pro­                                          (9 %). Besonders hoch sind diese Anteile unter
                        zent hingegen deutlich höher aus. Auch bei den                                            den Neueingewanderten aus den Kriegs- und Kri­

                                                                                                                                                                                                            A3
                        Qualifikationsstruktur nach Migrationsstatus und Herkunftsregion
                        im Durchschnitt der Jahre 2012 bis 2018, 25- bis 64-Jährige, Anteile in Prozent

                                  in Ausbildung oder Studium1)            ohne Berufsausbildung                         mit Berufsausbildung                          mit akademischem Abschluss

                         Deutsche ohne Migrationshintergrund                          1            9                                              67                                                   23

                         Alle Personen mit Migrationshintergrund                       2                           39                                                 40                                    20
                         darunter: Neueingewanderte                                    3                           39                                       24                                   34

                                                           Alle Personen mit
                         Griechenland, Italien,                                       1                                   53                                                    30                              16
                                                           Migrationshintergrund
                         Portugal, Spanien (GIPS)          dar.: Neueingewanderte         4                        36                                  21                                   40

                                                           Alle Personen mit
                                                                                      1                18                                39                                                43
                         Sonstige EU-15-Länder2)           Migrationshintergrund
                                                           dar. Neueingewanderte       3               14                 22                                                     61

                         Neue EU-Mitgliedstaaten   Alle Personen mit
                                                                                      1                 22                                              59                                                  18
                         2004–2013 (ohne           Migrationshintergrund
                         Bulgarien und Rumänien)3) dar. Neueingewanderte              1                      30                                             47                                             22

                                                           Alle Personen mit
                                                                                      1                      32                                              45                                            22
                         Bulgarien und Rumänien            Migrationshintergrund
                                                           dar. Neueingewanderte      1                                  50                                                 31                              18

                                                           Alle Personen mit
                                                                                      1                                                 69                                                      25                   5
                         Türkei                            Migrationshintergrund
                                                           dar. Neueingewanderte       2                                      54                                           16                         28

                                                           Alle Personen mit
                                                                                       2                      33                                                 45                                        20
                         Restliches Europa                 Migrationshintergrund
                                                           dar. Neueingewanderte       3                           37                                   24                                      36

                                                           Alle Personen mit
                                                                                          4                                        57                                            17                        22
                         Kriegs- und Krisenländer4)        Migrationshintergrund
                                                           dar. Neueingewanderte           5                                            63                                            10                   22

                                                           Alle Personen mit
                                                                                       3                          35                                         36                                        25
                         Restliche Welt                    Migrationshintergrund
                                                           dar. Neueingewanderte               8                  26                         10                                      57

                        1)
                             Anteile von Neueingewanderten in Ausbildung oder Studium aus der sonstigen EU 15, aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten 2004–2013 und der Türkei beruhen
                                                                                         .
                             auf sehr kleinen Fallzahlen und sind daher mit höherer Unsicherheit   behaftet.
                        2)
                             Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Großbritannien, Irland, Dänemark, Schweden, Finnland, Österreich.
                        3)
                             Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern, Kroatien.
                        4)
                             Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia, Syrien.
                        Anmerkung: Nicht berücksichtigt wurden Personen in Gemeinschaftsunterkünften, Personen, die erst im Befragungsjahr eingereist sind, und Personen, die
                        angeben, als deutsche Staatsangehörige eingereist zu sein. Als neueingewandert gelten Personen, die jeweils im Vorjahr der Befragung eingereist sind.
                        Abweichungen von 100 Prozent sind rundungsbedingt.
                        Quelle: Mikrozensus der Jahre 2012 bis 2018, eigene Berechnungen. © IAB

6   IAB-Kurzbericht 8|2020
senländern mit 63 Prozent. Allerdings fällt deren                 besonders viele geringqualifizierte Arbeitskräfte
(schulisches) Bildungsniveau im Vergleich zur be­                 ohne formale Berufsabschlüsse für einfache In­
ruflichen Bildung sehr viel höher aus. So besitzen                dustrietätigkeiten rekrutiert wurden und auch die
laut der von uns ausgewerteten Mikrozensusdaten                   zweite Generation in dieser Gruppe häufig keine
etwa 40 Prozent der Migrantinnen und Migranten                    beruflichen Abschlüsse erworben hat (Herwig/Ko­
aus den Kriegs- und Krisenländern eine Fachhoch­                  nietzka 2012; Granato/Kalter 2001).
schul- oder Hochschulreife (zu vergleichbaren Er­
gebnissen kommen auch die Studien von Althoff
                                                                  EU-Migrantinnen und -Migranten haben
et al. 2018 oder Brücker et al. 2019).
                                                                  bessere Erwerbschancen
    Mittlere Bildungsabschlüsse sind bei den Perso­
nen mit Migrationshintergrund – und insbesonde­                   Die Qualifikationsstruktur der Neueingewander­
re bei den Neueingewanderten – deutlich seltener                  ten unterscheidet sich zumeist sichtlich von der
vertreten als bei Personen ohne Migrationshin­                    der jeweiligen Gesamtbevölkerung aus denselben
tergrund. Das ist, wie oben bereits beschrieben,                  Herkunftsländern. In diesem Abschnitt untersu­
vor allem darauf zurückzuführen, dass die duale                   chen wir die Erwerbsbeteiligung der Neueinge­
Berufsausbildung fast ausschließlich im deutsch­                  wanderten und der Personen mit Migrationshin­
sprachigen Raum verbreitet ist, nicht aber in den                 tergrund insgesamt im Vergleich zu den Deutschen
meisten Herkunftsländern der Zuwanderung.                         ohne Migrationshintergrund. Dabei werden die
    Neben den dargestellten Unterschieden zwi­                    Ergebnisse getrennt dargestellt für Personen, die
schen Neueingewanderten und in Deutschland le­                    eine Ausbildung beziehungsweise ein Studium ab­
benden Personen mit Migrationshintergrund ins­                    geschlossen haben, und solche, die keinen forma­
gesamt sind vor allem große Differenzen zwischen                  len beruflichen Abschluss besitzen.
Personen aus den unterschiedlichen Ländergrup­                      Unterschiede bei den Erwerbschancen erwarten
pen zu beobachten. So sind die Akademikeranteile                  wir einerseits in Abhängigkeit von den vorliegen­
bei Personen aus den sonstigen EU-15-Staaten so­                  den Bildungsabschlüssen. Andererseits dürfte die
wie aus der restlichen Welt besonders hoch. Letzte­               Erwerbsbeteiligung gerade bei Neueingewander­
re Gruppe ist gegenüber EU-Staatsangehörigen mit                  ten, die primär aus humanitären Gründen nach
deutlich höheren Restriktionen konfrontiert, wenn                 Deutschland gekommen sind, deutlich niedriger
es um Arbeitsgenehmigungen in Deutschland geht.                   ausfallen als unter den Migrantinnen und Mig­
Ausnahmeregelungen bestanden hier – abgesehen                     ranten aus den gleichen Herkunftsländern, die im
von der Westbalkanregelung – bislang vor allem
                                    5
                                                                  Durchschnitt schon länger in Deutschland leben
für Hochqualifizierte und in geringerem Ausmaß                    und somit bereits mehr Zeit für die Integration
für Eingewanderte auf Facharbeiterniveau. Mit                     hatten.
dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz wer­                        Wie bei den vorangegangenen Analysen unter­
den die Einreisemöglichkeiten zu Erwerbszwecken                   scheiden wir auch hier zwischen den in Deutsch­
für letztere Gruppe erweitert.                                    land lebenden Personen mit Migrationshinter­
    In Abbildung A3 ist zudem deutlich zu erkennen,               grund insgesamt und Neueingewanderten, die in
dass es vor allem unter den Personen mit einem                    den Jahren 2011 bis 2017 eingewandert sind und
türkischen Migrationshintergrund oder solchen                     in den Jahren 2012 bis 2018 befragt wurden. Be­
aus den GIPS-Staaten, die schon länger in Deutsch­                trachtet wird weiterhin die Altersgruppe der 25- bis
land leben, relativ hohe Anteile ohne Berufsausbil­               64-Jährigen. Den Grad der Arbeitsmarktintegration
dung gibt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in                messen wir anhand der Erwerbstätigenquote, hier
den Anwerbejahren bis 1973 aus diesen Ländern                     definiert als Anteil der Erwerbstätigen an der gleich­
                                                                  altrigen Bevölkerung. Aus Fallzahlgründen kön­
5
  Seit dem 1. Januar 2016 können Menschen aus Albanien, Bosnien   nen wir bei Berücksichtigung der Qualifikations-
und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien
                                                                  struktur keine getrennte Analyse für Männer und
in Deutschland für jede Beschäftigung eine Aufenthaltserlaubnis
erhalten. Ausgenommen sind Tätigkeiten als Leiharbeitnehmerin­    Frauen vornehmen. Generell gilt aber, dass die
nen und -arbeitnehmer. Die Westbalkanregelung ist befristet bis
zum 31. Dezember 2020.                                            Erwerbstätigenquoten der Frauen niedriger ausfal­

                                                                                                                      IAB-Kurzbericht 8|2020   7
len als die der Männer – und zwar gerade bei Per­                               Dieses Gefälle ist unter anderem darauf zurückzu­
                        sonen mit Migrationshintergrund (Seibert/Wapler                                  führen, dass die Erwerbstätigenquoten von Einge­
                        2012 und 2015).                                                                 wanderten in den ersten Jahren im Durchschnitt
                              Die in Abbildung A4 dargestellten Ergebnis­                               geringer ausfallen, sich dann aber im Zeitverlauf
                        se zeigen zunächst, dass – unabhängig von der                                    an diejenigen von Personen ohne Migrationshin­
                        Herkunftsregion – die Erwerbstätigenquoten von                                   tergrund annähern (Lehmer/Ludsteck 2015).
                        Personen mit beruflichen Abschlüssen zum Teil                                        Von den befragten Erwerbspersonen ohne be­
                        deutlich über den Quoten von Personen ohne Ab­                                   ruflichen Bildungsabschluss sind unter den Deut­
                        schluss liegen. Ferner fallen die Erwerbstätigen­                                schen ohne Migrationshintergrund 61 Prozent er­
                        quoten von Personen aus EU-Ländern deutlich                                     werbstätig. Personen mit Migrationshintergrund
                        höher aus als die von Personen aus Nicht-EU-                                    erzielen in dieser Gruppe eine vergleichbare Er­
                        Regionen – sowohl bei Befragten mit als auch bei                                werbstätigenquote von 59 Prozent, Neueingewan­
                        denen ohne Abschluss.               6
                                                                                                        derte ohne beruflichen Abschluss sind demgegen­
                             Von den Erwerbspersonen mit beruflichen Bil­                               über zu 42 Prozent erwerbstätig.
                        dungsabschlüssen sind unter den Deutschen ohne                                       Generell sind hinsichtlich der Arbeitsmarktinte­
                        Migrationshintergrund 84 Prozent und unter den                                  gration sehr deutliche Unterschiede im Hinblick
                        Personen mit Migrationshintergrund 79 Prozent                                    auf die EU-Zugehörigkeit erkennbar: So fallen die
                        im betrachteten Zeitraum erwerbstätig. Der ent­
                        sprechende Anteil unter den Neueingewanderten                                   6
                                                                                                         Unabhängig von ihren Abschlüssen sind 76 Prozent der Neuein­
                                                                                                        wanderer aus den EU-Ländern und 33 Prozent aus den Nicht-EU-
                        mit beruflichen Abschlüssen liegt bei 63 Prozent.                               Ländern erwerbstätig.

                                                                                                                                                                                  A4
                        Erwerbstätigenquoten nach Migrationsstatus, beruflicher Qualifikation und Herkunftsregion
                        im Durchschnitt der Jahre 2012 bis 2018, 25- bis 64-Jährige, Anteile in Prozent

                                        Personen mit Berufsausbildung                                                               Personen ohne abgeschlossene
                                           oder Hochschulabschluss                                                                        Berufsausbildung

                             84                                                  Deutsche ohne Migrationshintergrund                                               61
                                  79                                            Alle Personen mit Migrationshintergrund                                           59
                                            63                                        darunter: Neueingewanderte                                     42

                             83                                                      Griechenland, Italien, Portugal,                                                                       71
                                  79                                                        Spanien (GIPS)                                                                             70

                             83                                                                                                                                         65
                                                                                        Sonstige EU-15-Länder1) 2)
                              82                                                                                                                                                  76

                              82                                                  Neue EU-Mitgliedstaaten 2004–2013       )
                                                                                                                                                                             69
                                79                                                 (ohne Bulgarien und Rumänien)3                                                                 75

                             84                                                                                                                                              71
                                                                                        Bulgarien und Rumänien
                                   76                                                                                                                                   67

                                   77                                                                                                                        52
                                                                                                  Türkei1)
                                                      49                                                                                       34

                                   78                                                                                                                              61
                                                                                            Restliches Europa1)
                                                 57                                                                                                 39

                                                 57                                                                                            35
                                                                                       Kriegs- und Krisenländer1) 4)
                                                                     18                                                         7

                                   76                                                                                                                              62
                                                                                              Restliche Welt1)
                                                      50                                                                                      32

                        1)
                             Erwerbstätigenquoten für Neueinwanderer beruhen auf sehr kleinen Fallzahlen und sind daher mit höherer Unsicherheit behaftet.
                        2)
                             Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Großbritannien, Irland, Dänemark, Schweden, Finnland, Österreich.
                        3)
                             Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern, Kroatien.
                        4)
                             Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia, Syrien.
                        Anmerkung: Nicht berücksichtigt wurden Personen in Gemeinschaftsunterkünften, Personen, die erst im Befragungsjahr eingereist sind, und Personen, die
                        angeben, als deutsche Staatsangehörige eingereist zu sein. Als neueingewandert gelten Personen, die jeweils im Vorjahr der Befragung eingereist sind.
                        Quelle: Mikrozensus der Jahre 2012 bis 2018, eigene Berechnungen. © IAB

8   IAB-Kurzbericht 8|2020
Erwerbstätigenquoten bei allen Einwanderungs­                                       (bei Personen mit einem beruflichen Abschluss)
gruppen aus der EU ähnlich hoch oder – im Fal­                                      beziehungsweise 7 Prozent (bei Personen ohne
le der Personen ohne abgeschlossene Berufsaus­                                      abgeschlossene Ausbildung, vgl. Abbildung A4).
bildung – sogar etwas höher aus als diejenigen                                      Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich um die
der Deutschen ohne Migrationshintergrund (vgl.                                      Erwerbstätigenquote im Jahr nach dem Zuzug han­
Abbildung A4).7 Auch die Unterschiede bei der                                       delt. In diesem Zeitraum sind Asylverfahren häufig
Erwerbstätigkeit zwischen den Personen mit Mi­                                      noch nicht abgeschlossen oder die Geflüchteten
grationshintergrund insgesamt und den Neuein­                                       besuchen noch Sprach- und Integrationskurse. Im
gewanderten sind für die EU-Herkunftsregionen                                       Durchschnitt der Personen mit Migrationshinter­
relativ gering. Demgegenüber liegt die Erwerbs­                                     grund aus dieser Ländergruppe beläuft sich die
tätigkeit von Neueingewanderten aus Drittstaaten                                    Erwerbstätigenquote auf 57 Prozent (bei Personen
(alle Nicht-EU-Länder) deutlich unter der von Neu­                                  mit einem beruflichen Abschluss) beziehungswei­
eingewanderten aus EU-Ländern. Dies gilt sowohl                                     se 35 Prozent (bei Personen ohne abgeschlossene
für Personen mit als auch für die ohne berufliche                                   Ausbildung) und ist damit deutlich höher als un­
Bildungsabschlüsse. Hierfür dürften also in ers­                                    ter den Neueingewanderten. Wie Brücker/Haupt­
ter Linie institutionelle Unterschiede im Arbeits­                                  mann/Vallizadeh (2015) zeigen, haben Geflüchtete
marktzugang ursächlich sein. So hat unter den                                       in der Vergangenheit erst rund 15 Jahre nach dem
Neueingewanderten aus Drittstaaten in der Ver­                                      Zuzug die gleichen Erwerbstätigenquoten erreicht
gangenheit weniger als ein Zehntel die erwerbsbe­                                   wie der Durchschnitt der Einwanderungsgruppen,
zogenen Zugangswege genutzt (Brücker et al. 2018).                                  die auf anderen Wegen eingereist sind. Die Integ­
Es bleibt abzuwarten, ob das neu in Kraft getretene                                 ration derjenigen Geflüchteten, die ab 2015 nach
Fachkräfteeinwanderungsgesetz hier zu einer sub­                                    Deutschland gekommen sind, scheint aber erkenn­
stanziellen Erhöhung führt.                                                         bar schneller voranzugehen als in der Vergangen­
     Außergewöhnlich gering sind unter den Migran­                                  heit (Schludi/Brücker/Kosyakova 2019; Brücker/
tinnen und Migranten aus Drittstaaten die Erwerbs­                                  Kosyakova/Schuß 2020).
tätigenquoten der neueingewanderten Personen                                           Neueingewanderte sind insgesamt zwar seltener
aus den Kriegs- und Krisenländern mit 18 Prozent                                    erwerbstätig, wenn sie es sind, dann jedoch häufi­
                                                                                    ger in Vollzeit (vgl. Abbildung A5). Dies gilt sowohl
                                                                                    im Vergleich zu Personen mit Migrationshinter­
7
  Zu berücksichtigen ist hier, dass zwischen 2013 und 2018 die
                                                                                    grund insgesamt als auch gegenüber Deutschen
Beschäftigung im Bereich der Helfertätigkeiten mit 26 Prozent ge­
genüber Fachkrafttätigkeiten (+8 %) sowie Spezialisten- und Exper­                  ohne Migrationshintergrund, und zwar unabhän­
tentätigkeiten (+14 %) besonders stark gestiegen ist (Statistik der
Bundesagentur für Arbeit).                                                          gig von einem beruflichen Bildungsabschluss. Bei

                                                                                                                                               A5
Vollzeitquoten nach Migrationsstatus, beruflicher Qualifikation und Herkunftsregion
im Durchschnitt der Jahre 2012 bis 2018, 25- bis 64-Jährige, Anteile in Prozent

            Personen mit Berufsausbildung                                                               Personen ohne abgeschlossene
               oder Hochschulabschluss                                                                        Berufsausbildung
            74                                                 Deutsche ohne Migrationshintergrund                                     60
             72                                               Alle Personen mit Migrationshintergrund                                     63
       80                                                           darunter: Neueingewanderte                                                 69

            74                                                                                                                              66
                                                                             EU-Länder
       81                                                                                                                                           73

              70                                                                                                                     58
                                                                      Kriegs- und Krisenländer1)
                66                                                                                                             49

1)
     Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia, Syrien.
Anmerkung: Nicht berücksichtigt wurden Personen in Gemeinschaftsunterkünften, Personen, die erst im Befragungsjahr eingereist sind, und Personen, die
angeben, als deutsche Staatsangehörige eingereist zu sein. Als neueingewandert gelten Personen, die jeweils im Vorjahr der Befragung eingereist sind.
Quelle: Mikrozensus der Jahre 2012 bis 2018, eigene Berechnungen. © IAB

                                                                                                                                                         IAB-Kurzbericht 8|2020   9
einer Differenzierung nach Herkunftsregion zeigt                        aus den Kriegs- und Krisenländern üben hingegen,
                                        sich jedoch, dass dieser Befund vor allem auf Neu­                      wenn sie bereits erwerbstätig sind, überdurch­
                                        eingewanderte aus den EU-Ländern zutrifft. Jene                         schnittlich häufig Teilzeitjobs aus.

                                                                                                                                                                           1
     Datengrundlage und methodische Vorgehensweise
     Unsere Analysen basieren auf Mikrozensusdaten                     einem früheren Zeitpunkt eingereist sind oder die   Schließlich beschränken wir unsere Analysen
     für die Jahre 2005 bis 2018. Beim Mikrozensus                     als Kinder von Eingewanderten in Deutschland        auf die Altersgruppe zwischen 25 und 64 Jahren,
     handelt es sich um eine jährliche Befragung von                   geboren wurden. Zu den Personen mit Migrati-        also auf potenzielle Erwerbspersonen mit über-
     einem Prozent aller Haushalte in Deutschland.                     onshintergrund zählen wir sowohl alle Personen,     wiegend abgeschlossener Ausbildungsphase.
     Während bis 2004 Einwanderung im Mikrozensus                      die zum Befragungszeitpunkt eine ausländische       Die hier gewählte Altersbegrenzung sowie die
     nur über das Merkmal der Staatsangehörigkeit                      Staatsangehörigkeit hatten, als auch eingebür-      Tatsache, dass im Mikrozensus nur Personen be-
     ermittelt werden konnte, wird seit 2005 der Mi-                   gerte Deutsche. Bei Letzteren verwenden wir die     fragt werden können, die sich auch eine gewisse
     grationshintergrund detailliert abgefragt. Dabei                  Staatsangehörigkeit vor der Einbürgerung.           Mindestzeit in Deutschland aufhalten, führt dazu,
     werden alle Personen gefragt, ob sie jemals nach                                                                      dass die hier erfasste Zahl an Neueinwanderern
                                                                       Eingewanderte, die erst im Befragungsjahr selbst
     Deutschland eingewandert sind, ob sie ggf. ein-                                                                       wesentlich niedriger ausfällt als die Zahl der Zu-
                                                                       nach Deutschland gekommen sind, schließen
     gebürgert wurden und welche Staatsangehörig-                                                                          züge insgesamt (Bundesministerium des Innern,
                                                                       wir aus den Analysen aus, da ihre Zahl wegen der
     keit sie in diesem Fall zuvor besaßen. Ebenfalls                                                                      für Bau und Heimat 2020).
                                                                       unterjährigen Befragung das Einwanderungsge-
     erfragt wird das Jahr, in dem der Zuzug nach                      schehen für das gesamte Jahr nur unvollständig      Bezüglich der nationalen Herkunft unterscheiden
     Deutschland erfolgte. Auf diese Weise können                      abbilden würde. Ebenfalls ausgeschlossen wer-       wir folgende Gruppen, wobei Eingebürgerte ihrer
     nach Deutschland eingewanderte Männer und                         den Personen, die in der Befragung berichten,       früheren Staatsangehörigkeit nach zugeordnet
     Frauen in den Daten identifiziert werden.                         zugezogen zu sein und zum Zeitpunkt des Zu-         werden:
     Wir unterscheiden zwischen Neueingewanderten                      zugs die deutsche Staatsangehörigkeit besessen      zz Deutsche ohne Migrationshintergrund
     und dem Bestand an Personen mit Migrations-                       zu haben. Hierbei dürfte es sich überwiegend        zz Personenaus Griechenland, Italien, Portugal
     hintergrund. Als Neueingewanderte definieren                      um Deutsche handeln, die nach einem längeren          und Spanien (GIPS)
     wir alle Personen, die im Vorjahr der jeweiligen                  Auslandsaufenthalt in die Bundesrepublik zu-        zz Personen aus den sonstigen EU-15-Ländern
     Befragung zugezogen sind – im Jahr 2010 also                      rückkehren. Zu dieser Gruppe gehören auch           zz Personen  aus den zehn neuen EU-Mitglieds-
     jene, die im Jahr 2009 eingereist sind und 2010                   Spätaussiedler, die allerdings in dem von uns          staaten des Beitrittsjahres 2004 sowie Kroatien
     noch in Deutschland leben. Der Bestand an Per-                    betrachteten Zeitraum kein besonderes Gewicht       zz Personen aus Bulgarien und Rumänien
     sonen mit Migrationshintergrund enthält neben                     mehr haben, da ihr Zuzug nach Deutschland           zz Personen aus der Türkei
     den Neueingewanderten alle Personen, die zu                       nach 2004 stark nachgelassen hat.                   zz Personen aus dem restlichen Europa
                                                                                                                           zz Personen aus acht Kriegs- und Krisenländern
                                                                                                                              (Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakis­
                                    Fallzahlen im Datensatz                     Hochgerechnete Bevölkerung in                 tan, Somalia und Syrien)
            Befragungsjahr

                                      (25- bis 64-Jährige)1)                 Privathaushalten (25- bis 64-Jährige)1)
                                                                                                                           zz Personen aus der restlichen Welt
                              Deutsche                                       Deutsche
                                         Personen mit    darunter:                      Personen mit      darunter:        Seit 2017 wird für die Personen in Gemein-
                                ohne                                           ohne
                                          Migrations-    Neueinge-                       Migrations-      Neueinge-        schaftsunterkünften nur noch ein verkürztes
                             Migrations-                                    Migrations-
                                          hintergrund    wanderte                        hintergrund      wanderte
                             hintergrund                                    hintergrund                                    Frageprogramm erhoben, welches die hier in-
           2005               299.472       40.394              813         36.148.000      6.034.000       142.000        teressierenden Fragen unzureichend abbildet.
                                                                                                                           Deswegen beziehen sich die Auswertungen in
           2006               311.169       44.178              870         36.151.000      6.254.000       146.000
                                                                                                                           diesem Bericht ausschließlich auf Personen in
           2007               302.240       48.226              686         35.875.000      6.930.000       118.000
                                                                                                                           Privathaushalten. Im Jahr 2016 – dem letzten
           2008               301.842       50.984              785         35.826.000      7.164.000       135.000        Jahr mit der gleichen Erhebung in privaten Haus-
           2009               302.897       52.312              801         35.588.000      7.249.000       136.000        halten und Gemeinschaftsunterkünften – werden
           2010               302.747       53.343              795         35.546.000      7.275.000       132.000        hochgerechnet 19.000 Neueingewanderte (4 %)
           2011               304.411       54.345              817         35.514.000      6.801.000       114.000        mehr identifiziert, wenn die Gesamtbevölkerung
                                                                                                                           und nicht nur Personen in Privathaushalten be-
           2012               301.968       55.056             1.067        35.456.000      7.038.000       157.000
                                                                                                                           trachtet werden.
           2013               298.392       55.722             1.247        35.308.000      7.290.000       192.000
                                                                                                                           Bei der Darstellung der Ergebnisse zur beruflichen
           2014               297.378       57.284             1.425        35.227.000      7.569.000       219.000
                                                                                                                           Bildung verzichten wir auf eine separate Darstel-
           2015               298.470       60.033             1.922        35.119.000      7.931.000       291.000        lung der fehlenden Bildungsangaben, da es sich
           2016               320.027       67.469             3.216        35.096.000      8.598.000       484.000        dabei um weniger als ein Prozent aller Befragten
           2017               324.587       67.047             2.470        34.650.000      8.376.000       362.000        handelt. Bei den Angaben zur Bildung handelt es
           2018               317.905       67.329             2.706        34.137.000      8.446.000       392.000        sich um Selbstauskünfte, die im Interview nicht
                                                                                                                           durch Zertifikate oder Anerkennungsbescheide
      1)
           Ab 2011 gebundene Hochrechnung an die laufende Bevölkerungsfortschreibung auf Basis des Zensus 2011; ab 2016    belegt werden müssen.
           Aktualisierung der Auswahlgrundlage der Stichprobe auf Basis des Zensus 2011.
      Anmerkung: Nicht berücksichtigt wurden Personen in Gemeinschaftsunterkünften, Personen, die erst im Befragungsjahr
      eingereist sind, und Personen, die angeben, als deutsche Staatsangehörige eingereist zu sein. Als neu eingewandert
      gelten Personen, die jeweils im Vorjahr der Befragung eingereist sind.
      Quelle: Mikrozensus der Jahre 2005 bis 2018, eigene Berechnungen.

10         IAB-Kurzbericht 8|2020
Fazit                                                sind und in den Jahren 2005 bis 2018 befragt wur­
                                                     den. Allerdings haben die Akademikeranteile un­
In dieser Analyse haben wir das Einwanderungs­       ter den Neueingewanderten mit der zunehmenden
geschehen nach Deutschland in den Jahren 2005        Migration nach Deutschland abgenommen, wäh­
bis 2018 untersucht. Unser Fokus lag dabei auf der   rend der Anteil der Personen ohne abgeschlossene
Qualifikationsstruktur und der Erwerbstätigkeit      Berufsausbildung gewachsen ist. Mit dem starken
von Neueingewanderten im Vergleich zu allen in       Anstieg der Zuzüge von Geflüchteten in den Jahren            Dr. Holger Seibert
                                                                                                             ist Mitarbeiter im Regionalen
Deutschland lebenden Personen mit Migrations­        2015 und 2016 ist der Akademikeranteil unter den
                                                                                                                Forschungsnetz des IAB,
hintergrund und zu Deutschen ohne Migrations­        Neueingewanderten spürbar gesunken, ab 2017                    Regionaleinheit
                                                                                                                IAB Berlin-Brandenburg.
hintergrund.                                         aber bereits wieder gestiegen. Die weitere Entwick­
                                                                                                                holger.seibert@iab.de
  Im Untersuchungszeitraum haben sich der Um­        lung der Qualifikationsstruktur wird in erster Linie
fang der Migration sowie die Herkunftsländer­        von der herkunftslandspezifischen Zusammenset­
struktur und die Qualifikation der Eingewanderten    zung der künftigen Neueinwanderer abhängen
stark verändert. Mit dem wirtschaftlichen Auf­       und davon, wie sich Bildungstrends in diesen Län­
schwung seit 2005, vor allem aber seit dem Ende      dern entwickeln.
der Wirtschaftskrise im Jahr 2010, ist Deutschland     Im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit zeigt sich
im Vergleich zu anderen europäischen Einwande­       ein deutliches Gefälle zwischen Neueingewander­
rungsländern – aber auch weltweit – zu einem der     ten aus EU-Ländern und solchen aus Drittstaaten.
wichtigsten Zielländer der Migration geworden.       Unter den verschiedenen Gruppen aus der EU
Darüber hinaus wurde der deutsche Arbeitsmarkt       zeichnen sich sehr hohe Erwerbstätigenquoten ab,             Dr. Rüdiger Wapler
                                                                                                             ist Mitarbeiter im Regionalen
mit der Einführung der vollen Arbeitnehmerfrei­      und zwar auch dann, wenn das Qualifikationsni­             Forschungsnetz des IAB,
zügigkeit für die osteuropäischen EU-Länder in       veau im Durchschnitt dieser Gruppen geringer aus­              Regionaleinheit
                                                                                                               IAB Baden-Württemberg.
den Jahren 2011 und 2014 breiter geöffnet.           fällt. Die großen Abstände bei den Erwerbstätigen­
                                                                                                                ruediger.wapler@iab.de
  Diese Entwicklungen haben zunächst zu einer        quoten von Neueingewanderten aus Drittsaaten
Umlenkung der Migrationsströme aus den nord­         gegenüber Personen mit Migrationshintergrund
westeuropäischen Staaten nach Deutschland ge­        insgesamt sprechen dafür, dass die Arbeitsmarkt­
führt, dann zu einem Anstieg der Migration aus       integration hier mehr Zeit in Anspruch nimmt als
den von der Wirtschaftskrise besonders betrof­       bei den EU-Staatsbürgern. Generell sind Personen
fenen südeuropäischen Staaten und schließlich        mit einer abgeschlossenen Ausbildung oder einem
– mit dem Ende der Übergangsfristen für die Ar­      Hochschulabschluss häufiger erwerbstätig als Per­
beitnehmerfreizügigkeit – auch aus den neuen Mit­    sonen ohne berufliche Bildungsabschlüsse.
gliedsstaaten. Zuletzt haben die Kriege und Krisen     Diese Befunde legen nahe, dass die Anreize für
im Mittleren Osten, in Afghanistan und am Horn       die Einwanderung von qualifizierten Fachkräf­
von Afrika eine deutliche Zunahme der Fluchtmig­     ten gestärkt werden sollten, wie es etwa mit dem
ration in den Jahren 2015 und 2016 bewirkt.          Fachkräfteeinwanderungsgesetz angestrebt wird.
  Mit dem Anstieg der Migration und der verän­       Insbesondere eine Vereinfachung und Beschleuni­
derten Zusammensetzung der Herkunftsländer ist       gung der vollständigen oder teilweisen Anerken­
auch ein Wandel in der Qualifikationsstruktur der    nung von im Ausland erworbenen Abschlüssen
Neueingewanderten zu beobachten. Dabei zeich­        und anderen Qualifikationen würde Deutschland
net sich ein Trend zur Polarisierung am oberen       für Fachkräfte aus dem Ausland attraktiver ma­
und unteren Ende des Spektrums beruflicher Qua­      chen. Hierbei kann die neu geschaffene Zentrale
lifikationen ab: Die Akademikeranteile, aber auch    Servicestelle Berufsanerkennung der Bundesagen­
die Anteile der Personen ohne abgeschlossene be­     tur für Arbeit helfen.
rufliche Ausbildung fallen deutlich höher aus als      Angesichts des recht hohen Anteils von Einwan­
in der deutschen Bevölkerung ohne Migrationshin­     derern ohne abgeschlossene Berufsausbildung
tergrund. Dies gilt grundsätzlich für den gesamten   sollten auch die Möglichkeiten und Anreize für
hier untersuchten Beobachtungszeitraum, also für     den Erwerb von allgemeinbildenden und berufli­
Personen, die zwischen 2004 und 2017 eingereist      chen Abschlüssen in Deutschland gestärkt werden.

                                                                                                        IAB-Kurzbericht 8|2020    11
Literatur
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                           Bruckmeier, Kerstin; Brücker, Herbert; Dietrich, Hans;                  Migrationsbericht der Bundesregierung: Migrationsbe­
                           Dummert, Sandra; Fuchs, Johann; Gürtzgen, Nicole;                       richt 2018. Berlin.
                           Haller, Peter; Hohendanner, Christian; Jahn, Elke; Kauf­              Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2019):
                            mann, Klara; Konle-Seidl, Regina; Kruppe, Thomas;                      Fragen und Antworten rund um das Fachkräfteeinwan­
                           Kubis, Alexander; Kupka, Peter; Lietzmann, Torsten;                     derungsgesetz. https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/
                           Philipp, Ramos Lobato; Ludewig, Oliver; Matthes, Brit­                  faqs/DE/themen/migration/fachkraefteeinwanderung/
                            ta; Moczall, Andreas; Möller, Joachim; Osiander, Chri­                 faqs-fachkraefteeinwanderungsgesetz.html, Abruf am:
                           stopher; Rauch, Angela; Reichelt, Malte; Reims, Nancy;                  13.5.2019.
                           Rhein, Thomas; Rothe, Thomas; Schwengler, Barbara;
                                                                                                 Fuchs, Johann; Söhnlein, Doris; Weber, Brigitte (2017):
                            Seibert, Holger; Sirries, Steffen; Sperber, Carina; Stüber,
                                                                                                   Projektion des Erwerbspersonenpotenzials bis 2060: Ar­
                           Heiko; Sujata, Uwe; Vallizadeh, Ehsan; Vicari, Basha;
                                                                                                   beitskräfteangebot sinkt auch bei hoher Zuwanderung,
                           Walwei, Ulrich; Weber, Enzo; Wolff, Joachim; Zika, Gerd
                                                                                                   IAB-Kurzbericht 6/2017.
                           (2018): Zentrale Befunde zu aktuellen Arbeitsmarktthe­
                            men. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung,                 Granato, Nadia; Kalter, Frank (2001): Die Persistenz eth­
                            Nürnberg.                                                              nischer Ungleichheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt.
                                                                                                   Diskriminierung oder Unterinvestition in Humankapi­
                         Boeri, Tito; Brücker, Herbert; Docquier, Frederic; Rapo­
                                                                                                   tel? In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsy­
                           port, Hillel (Hrsg.) (2012): Brain drain and brain gain:
                                                                                                   chologie Jg. 53, H. 3, S. 497–520.
                           The global competition to attract high-skilled migrants.
                           Reports for the Fondazione Rodolfo Debenedetti, Oxford                Herwig, Andreas; Konietzka, Dirk (2012): Zwischen Inte­
                           and New York: Oxford University Press.                                  gra­tion und Ausschluss. Die Klassenpositionen von
                                                                                                   Mig­ranten im Zeit- und Generationenvergleich. In: Zeit­
                         Borjas, George J. (1987): Self-selection and the earnings of
                                                                                                   schrift für Soziologie Jg. 41, H. 4, S. 295–315.
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                           S. 531–553.                                                           Lehmer, Florian; Ludsteck, Johannes (2015): Wage assimila­
                                                                                                   tion of foreigners. Which factors close the gap? Evidence
                         Brücker, Herbert (2015): Migration und Finanzkrise. Eine
                                                                                                   from Germany. In: Review of Income and Wealth Jg. 61,
                           quantitative und strukturelle Analyse der Umlenkung
                                                                                                   H. 4, S. 677–701.
                           von Wanderungsströmen. In: K. Hank & M. Kreyenfeld
                           (Hrsg.): Social Demography – Forschung an der Schnitt­                OECD (2019): Education at a glance 2019. OECD Indicators,
                           stelle von Soziologie und Demografie, Kölner Zeitschrift                Paris: OECD Publishing.
                           für Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderheft 55,                  Reiss, Kristina; Weis, Mirjam; Klieme, Eckhard; Köller, Olaf
                           Wiesbaden: Springer VS, S. 165–191.                                     (Hrsg.) (2019): PISA 2018. Grundbildung im internationa­
                         Brücker, Herbert; Croisier, Johannes; Kosyakova, Yuliya;                  len Vergleich, Münster, New York: Waxmann.
                           Kröger, Hannes; Pietrantuono, Giuseppe; Rother, Nina;                 Röttger, Christof; Weber, Brigitte; Weber, Enzo (2019): Qua­
                           Schupp, Jürgen (2019): Zweite Welle der IAB-BAMF-                       lifikationsspezifische Arbeitslosenquoten, Institut für
                           SOEP-Befragung: Geflüchtete machen Fortschritte bei                     Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Aktuelle Daten und
                           Sprache und Beschäftigung, IAB-Kurzbericht 3/2019.                      Indikatoren, 15.10.2019.
                         Brücker, Herbert; Haas, Anette; Hauptmann, Andreas;                     Schludi, Martin; Brücker, Herbert; Kosyakova, Yuliya
                           Vallizadeh, Ehsan (2018): Zur Steuerung der Erwerbsmi­                  (2019): Die Arbeitsmarktintegration von Geflüchte­
                           gration und zur Arbeitsmarktintegration Geflüchteter,                   ten läuft besser als erwartet. Nachgefragt bei Herbert
                           IAB-Stellungnahme 11/2018.                                              Brücker und Yuliya Kosyakova, IAB-Forum, 25.1.2019.
                         Brücker, Herbert; Hauptmann, Andreas; Vallizadeh, Ehsan                 Seibert, Holger; Wapler, Rüdiger (2015): Die Qualifikations­
                           (2020): Zuwanderungsmonitor, Institut für Arbeitsmarkt-                 struktur der Zuwanderer, Institut für Arbeitsmarkt- und
                           und Berufsforschung, Aktuelle Berichte.                                 Berufsforschung, Aktuelle Daten und Indikatoren.
                         Brücker, Herbert; Hauptmann, Andreas; Vallizadeh, Ehsan                 Seibert, Holger; Wapler, Rüdiger (2012): Zuwanderung
                           (2015): Flüchtlinge und andere Migranten am deutschen                   nach Deutschland – Aus dem Ausland kommen immer
                           Arbeitsmarkt: Der Stand im September 2015, Institut für                 mehr Akademiker, IAB-Kurzbericht 21/2012.
                           Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Aktuelle Berichte                  Statistik/Arbeitsmarktberichterstattung der Bundesagen­
                           14/2015.                                                                tur für Arbeit (2019): Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt
                         Brücker, Herbert; Kosyakova, Yuliya; Schuß, Eric (2020):                  – Fachkräfteengpassanalyse, Nürnberg, Dezember 2019.
                           Fünf Jahre seit der Fluchtmigration 2015: Integration in              Statistisches Bundesamt (2019): Bevölkerung und Erwerbs­
                           Arbeitsmarkt und Bildungssystem macht weitere Fort­                     tätigkeit. Wanderungen, Fachserie 1, Reihe 1.2.
                           schritte, IAB-Kurzbericht 4/2020.

                         Impressum | IAB-Kurzbericht Nr. 8, 2.4.2020 | Herausgeber: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit,
                         90327 Nürn­berg | Redaktion: Elfriede Sonntag | Graphik & Gestaltung: Monika Pickel | Foto: Jutta Palm-Nowak | Druck: MKL Druck GmbH
                         & Co. KG, Ostbevern | Rechte: Nach­druck – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung des IAB | Bezug: IAB-Bestellservice, c/o wbv Media
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                         abweichen); Fax: 0911-179-9227; E-Mail: iab-bestellservice@wbv.de | IAB im Internet: www.iab.de. Dort finden Sie unter anderem diesen
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12   IAB-Kurzbericht 8|2020
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