VOM IQ ZUM WEQ DAS KONZEPT EMBODIMENT IN DER ERZIEHUNGSBERATUNG: WEIL REDEN NICHT REICHT!
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Vom IQ zum WeQ Das Konzept Embodiment in der Erziehungsberatung: weil reden nicht reicht! Beverly Jahn Leipzig info@praxis-jahn.com
Die einzig untrennbare Beziehung haben wir zu unserem Körper! Die meisten Menschen leben dennoch sehr auf Distanz zu ihm. Doch: Ohne Körper, kein (Er)Leben! Dualismus (Descartes) ./. Untrennbarkeit von Körper und Geist (Damasio)
Was jetzt kommt… • Rückschau: Begriffsbestimmung und Konzeptualisierung • wichtige Forscher und Forschung • Körper im Raum * Synchronie * Rhythmus * Interozeption und die Bedeutung für den Beratungsprozess • Kostproben vom Interventionsbuffet • Vorschau: Vom IQ zum WeQ über die sichere Bindung!
„Embodiment bedeutet wörtlich übersetzt Verkörperung. Im wissenschaftlichen Kontext ist eine zentrale Annahme des Embodiment-Ansatzes die Wechselwirkung von körperlichem und psychischem Geschehen. Unsere Handlungen und Gedanken, unser Urteilsvermögen, die Art und Weise, wie und was wir entscheiden, die Stimmungslage und die Gefühlsbewertung von Situationen – all dies ist aufs Engste an physiologische und motorische Prozesse gekoppelt. Wenn man diesen Ansatz konsequent weiterdenkt, ergeben sich weitreichende Auswirkungen auf die psychologische Praxis.“ Tschacher & Storch, 2010
Embodiment psychologische Untersuchung der Verkörperung des Geistes und die körperlichen Aspekte der sozialen Interaktion bezeichnet die Bidirektionalität zwischen Geist (Kognition, Erleben, Psyche) und Körper (nonverbales Verhalten, physiologische Prozesse, Motorik).
Forschungslandkarte Johannes Michalak Witten-Herdecke Hartmut Rosa Universität Jena Thomas Fuchs Uni Heidelberg Olga Pollatos Uni Ulm Manuela Macedonia MPI Leipzig/Uni Linz Fabian Ramseyer Wolfgang Tschacher Maja Storch Uni Bern Uni Bern Zürich
Bewegung beeinflusst unser Denken - und umgekehrt: Forschung zum Embodiment • Mit Händen und Füßen: Der Einsatz von Gesten steigert die Lernleistung beim Erwerb einer Fremdsprache Bringing back the body into the mind: Gestures enhance word learning in foreign language. Marcedonia, M.: Frontiers in Psychology (5), 1467, 2014
Bewegung beeinflusst unser Denken - und umgekehrt: Forschung zum Embodiment • Die Art und Weise, wie wir einen Stift über Papier bewegen verändert unser kreatives Denken (besser rund, als gezackt) Slepian, M.L., Ambady, N.,: Fluid Movement and Creativity. Journal of Experimental Psychology, 2012
Gefühl Körper/Haltung Gefühl
embodied beraten Körper Haltung Raum Der Körper als Spiegeln und Bühne der Synchronie verkörperte Beratung Gefühle Rhytmus
Zusammenhang Gang und Stimmung Johannes Michalak Universität Witten-Herdeck http://biomotionlab.ca/ Demos/BMLdepression.html
Menschen mit depressiver Erkrankung • gehen verlangsamt • zeigen weniger Rotation in den Extremitäten • ein schwungloseres Gangbild (body sway) • Haltung gekrümmter • ventrale Kopfbewegungen sind geringer Michalak et al. (2009).The Embodiment of sadness and depression. Psychosomatic Medicine
Jedes Gefühl setzt sich zusammen aus einem spezifischen Muster aus Mimik, Gestik, Atmung, Spannungszustand, Blickrichtung…… • The Darwinian stance on Scham Stolz (Tracy et al.; 2009; Randles & Tracy, 2013) expression is that dimensions
Verschiedene Emotionen unterscheiden sich signifikant in den zugehörigen Atemmustern (Bloch et al. 1987; Bloch, 1991; Boiten 1994; Philippot, 2002) Zärtlichkeit Sexuelle Erregung Ärger/Wut Angst Freude Trauer (c) Dr.Gernot Hauke München
Über den Körper Gefühle regulieren….. • Bauchdeckenspannung beachten! • Wut fixiert! Wer seine Augen schweifen läßt, kann nicht in Rage geraten! • Atmung beachten. Die Unterbrechung der Atemmuster unterbricht den Affekt! • Mit gehobenem Brustkorb und abgestützten Armen (Powerpose) ist es unmöglich Angst zu erzeugen! • Achtung: Unterscheidung zwischen Furcht und Angst!
Konsequenzen für die Beratung • Wichtig ist nicht nur WAS gesagt wird, sondern auch WIE (in welcher Haltung). Bedeutend ist die Stimmigkeit zwischen den einzelnen Instanzen, nicht ob etwas stimmt! • Der Körper ist die Bühne der Gefühle und er organisiert sich immer mit dem authentischen Gefühl. Diese können jedoch durch sekundäre Gefühle überlagert/gestoppt werden! • Jedes Gefühl ist verbunden mit einer ganz spezifischen Ausdrucksform (Mimik, Haltung, Atmung, Blick, Muskelspannung) und kann somit auch aus dem Körper heraus erzeugt werden. Auch unwillkürlich unbewusst! • Deshalb: Willst Du Dein Gefühl ändern, ändere nicht nur Deine Gedanken, sondern auch Deine Haltung!
Körper ** Schema **Raum Propriozeption Körperschema Peripersonal space • unbewusste neuronale • der Raum, der mit den Armen Repräsentation des Körpers, erreicht werden kann wird abgebildet durch verschiedene Sensor- • körperzentriert („ego-space“) Modalitäten • bei Überschreiten der (sozialen) Grenze wird Stress • ist anpassungsfähig an ausgelöst Umwelt und Zustandsänderungen • Menschen mit Abgrenzungs- (z.B. Umfang, Gewicht) problemen spüren diese Grenze auch meist körperlich nicht
Persönlicher Raum und Körper Abbildung 2.1: Rechte Seite: Grüssers Raummodell mit vier Unterräumen (Grüsser, 1983; Fig18-1, S. 328). Linke Seite: Prevics Raummodell mit vier Unterräumen (Previc, 1998; Figure 3, S. 126) „Der Raum kann über den Bewegungs- (kinästhetischen), Gleichgewichts- (vestibulären), visuellen, auditiven und den Geruchssinn wahrgenommen werden.“ Nhung Nguyen (2012)
Die Frau ohne Raum • 54jährige Musikpädagogin, geschieden, drei Kinder • stellt sich vor aufgrund massiver Probleme mit zwei der Kindern • die Tochter leidet an einer schweren Zwangsstörung; in der Therapie der Tochter (14) sei aufgekommen, dass die beiden älteren Brüder (16 und 18) sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen hätten • der jüngere Sohn ist durch eine schwere Knieverletzung an Krücken gebunden und auf die Hilfe der Mutter angewiesen; immer wieder komme es zu Wutausbrüchen, wenn die Mutter nicht „sofort springt“ • der Vater (angesehener Mediziner) habe sich seit der Trennung vollständig von der Familie zurückgezogen, der Kampf ums Geld bestimmt die Atmosphäre der elterlichen Beziehung • Selbstbeschreibung: „Ich renne immer für alle lustig ums Dorf und kümmere mich darum, dass es jedem gut geht! Jeder ist gern mit mir zusammen, weil ich stets ein offenes Ohr für alle habe. Alle kommen gern zu mir, weil ich immer was aus dem Schrank zaubere und wenn alles alle ist, dann spiele ich was auf dem Cello!“ • Die ersten Wochen und Monate kommt Pat. mit immer dem selben Kleid zur Therapie. Sie entschuldigt sich dafür, habe aber aktuell kein „übriges Geld für Klamotten“.
Personal space zu Therapiebeginn
Interozeption Viszerozeption Propriozeption • ist die Fähigkeit, innerliche körperliche Vorgänge bewusst wahrzunehmen (z.B. Herzschlag, Puls, Muskelspannung, Hauttemperatur). • Somatische Empfindungen bilden eine Orientierungshilfe in Entscheidungssituationen (Damasio: somatische Marker) • Interozeptive Sensitivität (z.B. Kardiosensibilität) steht in enger Verbindung mit Emotionsregulation und Verhaltenssteuerung Herbert, B. & Pollatos, O.(2008): Interozeptivität, Gefühle und Verhaltensregulation.Zeitschrift für Neuropsychologie. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen: Achtsamkeitstraining (mindfulness) fördert Interozeption und damit auch die Fähigkeit, sich in andere einzufühlen!
Gefühle sichtbar machen Gefühle Empfindungen • Ein gezieltes Training in der Wahrnehmung von Empfindungen (was geht körperliche vor?) und das Sichtbarmachen in einem Körperbild fördert nachweislich die emotionale Differenzierung und die Fähigkeit zur Emotionsregulation. • Die somatischen Marker zu kennen (z.B. für anlaufende Wut einer Mutter) ermöglicht es, den Fuss zwischen Impuls und Handlung zu bringen (Förderung von Impulskontrolle und Selbstwirksamkeit). • Worte für das finden, was ich fühle, führt zur Verständigung. • Dafür ist es notwendig, meine Gefühle korrekt auszulesen und sie von Empfindungen (dem somatischen Korrelat) zu unterscheiden.
Interventionsbuffet Gefühle und Wie ich mich fühle in Form und Farbe, in Wort und Bild….. Empfindungen sichtbar machen….
Zu Beginn der Behandlung: Ende der Behandlung
Konsequenzen für die Beratung • Probleme sichtbar machen holt die Themen aus dem Kopf und in den Raum. Hier werden sie greifbar. • Die multisensorische Problembetrachtung verbreitert den Lösungsraum • Der Körper „weiß“ oft mehr, als der Kopf denkt. Das kann trainiert werden. • Durch Sitzen allein, kommt nicht viel in Bewegung! • Achtsamkeitstraining (z.B: Bodyscan) fördert Emotionsregulation und Einfühlvermögen (siehe Hölzl, B.; Singer, T. et al.) • Deshalb: RAUS AUS DEM SESSEL!
embodied beraten Körper Haltung Raum Der Körper als Spiegeln und Bühne der Synchronie verkörperte Beratung Gefühle Rhytmus
Synchronie Resonanzphänomene zwischen zwei Systemen
Interaktionelle Synchronie Synchronie ist ein bewiesenes und grundlegendes Phänomen jeder interaktionellen Kommunikation (nicht nur lebender Systeme). Durch Synchronisation wird Kommunikation „verkörpert“, ohne dass dies als bewusste Nachahmung oder Spiegelung verstanden werden soll. • nonverbal-motorisch (Position, Gestik, Mimik, Bewegung) • physiologische Parameter (Atmung, Herzschlag) • paraverbal, semantisch (Prosodie, Semantik)
Motion Energy Analysis (MEA) mit Region of Interest (ROI), Ramseyer, Tschacher (2011)
• Die Fähigkeit der Berater*innen das Verhalten mit den Klient*innen zu synchronisieren ist ein bedeutsamer Prädiktor für das Gesprächsergebnis.(Ramseyer, Tschacher, 2014) • Das relevante Zeitfenster liegt bei 6 Sekunden. Alles darüber könnte Zufall sein. • Die Intensität der nonverbalen Synchronie (posture mirroring, imitation, mimikry) beeinflusst, wie emphatisch Berater von Klient*innen eingeschätzt werden. (Ramseyer, 2008; Maurer & Tindall, 1983; Sollen, 1983) Grenze: diese positiven Effekte können sich jedoch umkehren, wenn die Imitation bewusst wird (Verdacht des „Nachäffens“!). Das relevante Zeitfenster liegt bei 6 Sekunden!
Imitation und Spiegeln • Gefühle müssen gespiegelt werden, um sie später adäquat zum Ausdruck und bei anderen erkennen zu können. Fehlende oder falsche Spiegelungsprozesse fördern psychische Störungen (postpartale Depression!!!) • Kindern lernen durch Imitation - nicht nur das Richtige! • Bewusste Imitation hilft, mich in den Anderen einzufühlen, z.B. auch als Mutter in mein Kind (Walk in your kid´s shoes!).
embodied impact Verhaltensexperimente Erst erleben, dann reden! • Nudeltanz • Personal space • Rhythmusübungen zum Führen und Folgen • Nachtrage-Übung • Verschieberitis-Übung • Handflächenparadigma vor dem Kühlschrank • Vorwurf-Übung • Powerposing • Beziehungsgestaltung und Freiraum erlebbar machen • Abgrenzübung
Bedeutung für die Beratung • Machen Sie Video-Analysen, auch mit Ihren Klient*innen und betrachten Sie die Aufnahmen zunächst ohne Ton. Wer führt? Wer folgt? Resonanz? • Auch Eltern-Kind-Gespräche können so analysiert werden. So erkennen Sie, wie die Körper miteinander kommunizieren. Muster können auch auf dieser Ebene unterbrochen werden (z.B. in Streitsituationen gemeinsam hoppsen!) • Die Anordnung der Körper im Beratungsraum sollte Synchronie überhaupt möglich machen (Sitz-, Stehposition, Mitschriften) • Vor der Lösung sollte das Problem erst auf allen Ebenen (kognitiv-emotional- körperlich) verstanden sein! • Probleme müssen erlebbar gemacht werden, bevor sie besprechbar sind. • Die Kreativität besteht darin, das Problem in konkretes Verhalten unter Einbezug des Körpers zu übersetzen, z.B
embodied beraten Körper Haltung Raum Der Körper als Spiegeln und Bühne der Synchronie verkörperte Beratung Gefühle Rhythmus
Rhythmus in der Beratung • Sprache und Stimme sind Rhythmusinstrumente und haben die Tendenz zur Synchronisation • Emotionen über Rhythmus ausdrücken und gemeinsam Rhythmus erzeugen schafft Verbindlichkeit in Beziehungen • Rhythmus erzeugt Resonanz! • Leben ist Rhythmus!
Verstehen und Verständnis Verstehen = kognitiver Akt des expliziten Sich-Eindenkens in den Anderen und erfolgreiche Verarbeitung von Informationen zur Evaluation der Situation. Verständnis = sich einfühlen als Akt zwischenleiblicher Interaktion auf der Basis von impliziter Schwingungsfähigkeit = intersubjektiver Resonanzraum, in dem sich von Geburt an soziale Kompetenzen entwickeln
Hypothesen & Schlussfolgerungen • Selbstfokus: Verbundenheit von Körper und Seele bildet den Boden für Resonanz als zwischenleibliche Erfahrung. Daraus erwachsen Einfühlvermögen, soziale Kompetenzen und Kooperationsbereitschaft. • Interaktionsfokus: Bindungsfähigkeit scheint biologisch determiniert. Sie ist die Basis für Beziehungsfähigkeit, die sich jedoch NUR in einer sicheren Bindung gesund entwicklen kann. Sicherheit ist das erste Grundbedürfnis. • Bindung wird zunächst überwiegend über den Körper erfahren und befriedigt das erste und wichtigste Grundbedürfnis eines jeden Menschen: Sicherheit! • Es wird ausreichend erfahren, wenn die Bezugsperson selbst sicher gebunden ist. • Menschen mit sicherem Bindungsstil geben diese Sicherheit an ihre Kinder weiter. • Sicher gebundene Kinder werden die Welt sicherer machen. • Erziehungsberatung der Zukunft beginnt bei der Unterstützung zukünftiger Eltern!
Nachlese:
Sicher gebundene Eltern erziehen Kinder sicher! So kommen wir vom IQ zum WeQ! Love Lessions für die Jugend! Beverly Jahn ** Leipzig info@praxis-jahn.com
Herr Janosch, wie erkennt man, ob es jemand ernst meint? Zeitmagazin 18/2019 Bei Wondrak an den Händen: Wenn er es ernst meint, faltet er sie.
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