Vom "Pisswinkel" ins MOCA und retour

Die Seite wird erstellt Dustin Geisler
 
WEITER LESEN
Vom "Pisswinkel" ins MOCA und retour
Naturgewalt im Straßendschungel - news.ORF.at                                     14.10.11 17:22

           Naturgewalt im Straßendschungel
           Vom „Pisswinkel“ ins MOCA
           und retour
           Vor ein, zwei Jahren wurde bereits gemunkelt, jetzt
           verdichten sich die Hinweise: Street-Art könnte das
           „Next Big Thing“ werden, auch auf dem Kunstmarkt.
           Die Straße und die Populärkultur sind ohnehin längst
           erobert. Jean-Michel Basquiat und Keith Haring
           bekommen eine junge Generation an würdigen
           Nachfolgern zur Seite gestellt. Einer davon ist der
           belgische Künstler Roa.

           Er ist derzeit für einen Monat Artist in Residence im Wiener
           MuseumsQuartier (MQ), stellt in der Galerie Inoperable im
           siebenten Bezirk seine Bilder aus und malt auf legalen Flächen in
           der Stadt seine riesenhaften, gespenstisch anmutenden Tierfiguren.
           Die auf ein Monat ausgelegte Kooperation war längst ausgemacht
           und erwies sich als Glücksfall. Vor allem für die Galerie Inoperable
           hat sich ihr langjähriges Engagement im Bereich Street-Art
           ausgezahlt.

           Foto/Grafik:ORF.at/Dominique Hammer
           Werk von Roa in der Galerie Inoperable

http://orf.at/stories/2077753/2077542/                                              Seite 1 von 5
Vom "Pisswinkel" ins MOCA und retour
Naturgewalt im Straßendschungel - news.ORF.at                                         14.10.11 17:22

           Nicht nur die Starparade
           Denn Roa war heuer im Frühsommer einer der interessantesten
           Künstler in der ersten großen Sammelausstellung
            für „Art In
           The Streets“ in einem international anerkannten Haus - im Museum
           of Contemporary Art (MOCA) in Los Angeles. Dort wurde einem
           internationalen Publikum neben den beiden Superstars Banksy
           (mittlerweile in der Szene verhasst) und Shepard Fairey (er ist für
           das ikonische Obama-Bild verantwortlich) einige Künstler vorgestellt,
           die nicht minder spannende Werke abliefern - darunter Know Hope,
           RAMM:ELL:ZEE, Os Gemeos und eben Roa.

                                         Werke von Roa sind in Wien in der
           Nicht mehr                    Siebensterngasse zu sehen, in der
                                         Bandgasse gleich ums Eck von der
                                         Westbahnstraße (über das Tor in den
                                         Innenhof blicken), am Naschmarkt und auf
                                         dem Liftturm der „Street Art Passage
                                         Vienna“ im MQ. Zwei Riesenbilder sollen
                                         nächsten Frühling in der Nähe von Wien
                                         entstehen. Genaueres wird noch nicht
                                         verraten.

                                         Ausstellungshinweis
                                         Roa Decomposition, noch bis 29. Oktober,
                                         Galerie Inoperable, Burggasse 24, 1070
                                         Wien, dienstags bis freitags von 13.00 bis
                                         18.00, samstags von 13.00 bis 17.00 Uhr.

           herumwurschteln müssen
           Anhand seiner Biografie lässt sich die Geschichte der Street-Art
           rekonstruieren. Der 1976 geborene Künstler hat als 13-Jähriger
           Graffiti kennengelernt, die Hip-Hop-Variante von Street-Art mit den
           fetten, bunten Schriftzügen. Er und seine Freunde fuhren
           Skateboard und hätten anfangs nicht einmal gewusst, dass der Witz
           bei Graffiti sein hätte sollen, immer wieder den eigenen
           Künstlernamen an die Wände zu sprühen, erzählte Roa im
           Interview mit ORF.at. Sie hätten eben irgendwelche Ausdrücke an
           die Wand gesprayed, die sie gerade cool gefunden hätten, in
           bunten Farben, mit Blasen drumherum.

           Den klassischen Style der von New York ausgehenden Graffiti-
           Szene perfektionierte er im Lauf der Jahre - und verdiente erstmals
           auch Geld damit, nicht so sehr mit Aufträgen für Wände, sondern
           mit Graffiti-Workshops für Kinder. Das reichte noch nicht zum
           Leben, weitere Nebenjobs mussten her - und irgendwann war Roa
           frustriert, von Belgien, der Kunst und seinem Leben. Knapp dreißig

http://orf.at/stories/2077753/2077542/                                                  Seite 2 von 5
Vom "Pisswinkel" ins MOCA und retour
Naturgewalt im Straßendschungel - news.ORF.at                                     14.10.11 17:22

           und noch immer herumwurschteln, zwar mit Kunst Geld verdienen -
           aber auf welche Weise? Es musste sich etwas ändern. Und was
           sich änderte, war sein Stil.

           Fressen und
           gefressen
           werden
           Schon als Kind war
           Roa von Tieren
           fasziniert gewesen und
           hatte Skelettteile mit
           nach Hause
           genommen, oder junge,
           aus dem Nest gefallene
           Vögel, die dann leider
           doch nie durchkamen.
           Die Faszination blieb,
           immer wieder malte er
           für sich selbst Tiere.
                                          Foto/Grafik: ORF.at/Dominique Hammer
           Nun sollten sie sein
                                          Häufiges Motiv: Hängende Kadaver
           großes Thema werden
           und das Graffiti-Writing ablösen. Es sind archaische, rohe, riesige
           Bilder in Schwarz-Weiß, die Roa malt - verrottende Tiere, Tiere,
           denen die Haut abgezogen wurde, Tiere, die kurz davor sind,
           gefressen zu werden. Je nachdem, wie viel Platz ist, können die
           Bilder bis zu dreißig Meter hoch werden.

           Roa malt an jedem Ort genau die Tiere, die es früher dort gegeben
           hat oder immer noch gibt. Die Menschen, sagt er, hätten die Natur
           reguliert und kontrolliert, so weit, dass viele Arten ausgerottet
           worden seien oder aus ihren Territorien verdrängt wurden. Er bringt
           sie zurück, riesenhaft und gespenstisch und zwingt Passanten dazu,
           sich mit ihnen auseinanderzusetzen. In unterschiedlichen Ländern
           hätten Tiere außerdem unterschiedliche Bedeutungen - der
           Interpretationsspielraum sei unermesslich. Oft ist der Künstler, der
           im Interview leise und bedacht spricht, überrascht, welche Wirkung
           er mit seinen Bildern im Straßenraum erzielt und welche Bedeutung
           ihnen zugemessen wird.

           An den Rand gedrängt
           Die Tiere sind wegreguliert worden - und dasselbe versucht man
           auch mit Graffiti und mit „Problemvierteln“ in großen Städten. Bei

http://orf.at/stories/2077753/2077542/                                              Seite 3 von 5
Naturgewalt im Straßendschungel - news.ORF.at                                      14.10.11 17:22

           Roa trifft sich das alles - die Straße, die schwierigen Gegenden, die
           „Pisswinkel“, wie er das nennt, und die Tiere. Das Konzept hatte
           von Anfang an Erfolg, durch das Internet verbreiteten sich seine
           Bilder rasant und vor zwei, drei Jahren begann seine Karriere
           durchzustarten. Angebote kamen aus aller Welt, und Roa nahm sie
           gerne an. Die Ausstellung im MOCA war der jüngste Höhepunkt.

           Krawatten statt
           Kapuzenpullis
           In der Galerie
           Inoperable waren die
           Werke in der
           Ausstellung bereits am
           Eröffnungsabend so gut
           wie ausverkauft. Wie
           bei Street-Art
           mittlerweile häufig, war
           auch diesmal mehr
           klassisches Kunst- als
           Graffiti-Publikum
           anwesend. Man sah
           mehr Krawatten als
                                         Foto/Grafik: ORF.at/Dominique Hammer
           Hoodies. Auch die
                                         Das Prinzip Gunther von Hagens
           Werke um einige
           Tausend Euro pro Stück gingen weg, Sammler waren auf
           Einkaufstour. Dreht man da nicht durch, wenn man sich gerade
           noch mit Kinderworkshops durchgeboxt hat?

           Roa sitzt im siebenten Bezirk in Wien in einem Innenhof zwischen
           zwei Häusern, die demnächst abgerissen werden sollen, dreht sich
           eine Zigarette und lässt seinen Blick vom gerade eben vollendeten
           Riesenfuchs hin zu seinem verbeulten, uralten VW Polo schweifen.
           Er brauche keine Limousine und keinen Pool. Aber die Perspektive,
           sein Leben lang so Kunst machen zu können, wie er das will,
           weiterhin herumreisen und dabei viele Menschen abseits von
           Touristenpfaden kennenlernen zu können, die mache ihn glücklich.

           Kommerzfalle zugeschnappt?
           Die Debatte innerhalb der Street-Art-Szene, ob es verwerflich sei,
           neben den unverkäuflichen Bildern an Wänden im urbanen Raum
           auch verkäufliche Bilder für Galerien und Museen zu malen, läuft
           seiner Meinung nach in die falsche Richtung. Wer einfach nur seine

http://orf.at/stories/2077753/2077542/                                               Seite 4 von 5
Naturgewalt im Straßendschungel - news.ORF.at                                    14.10.11 17:22

           Straßenbilder auf Leinwand sprühe, produziere meist langweilige
           Kunst.

           Wer sich aber auf andere Medien einlasse und mit ihnen spiele,
           dem würden sich hingegen neue kreative Möglichkeiten eröffnen.
           Das sieht man auch den Werken in der Galerie an - die sich mit
           dem Raumkonzept und dem Medium Papier auseinandersetzen.

           „Heat-seeking missile“
           Die Ausstellung im kalifornischen MOCA mit Street-Art war übrigens
           ein Volltreffer von dessen neuem Direktor Jeffrey Deitch. Die Show
           war so erfolgreich, dass sie nicht nur die bei weitem meistbesuchte
           in der Geschichte des Hauses war, sondern sogar dafür gesorgt
           haben dürfte, dass sich der Besucherstrom des MOCA im Vergleich
           zum Vorjahr verdoppeln wird. Wie sangen Chicks on Speed 2007
           im Lied „Art rules“  ?
           „Always in the front row, it’s Jeffrey Deitch, the heat-seeking
           missile.“ Und in der Hitze der Stadt ist Street-Art am heißesten,
           zumindest bis zum nächsten Hype.

           Simon Hadler, ORF.at

           Links:
                    Roa Decomposition
                     (Galerie
                    Inoperable)
                    Roa im MuseumsQuartier
                    
                    Roa’s Work 
                    Art in the Streets
                    
                    (MOCA)
                    Banksy im MOCA
                    
           Publiziert am 13.09.2011

http://orf.at/stories/2077753/2077542/                                             Seite 5 von 5
Sie können auch lesen