Von Rüppells Blausteiß papagei bis zum Fuß des Archaeopteryx
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Wissenschaftsgeschichte Von Rüppells Blausteißpapagei bis zum Fuß des Archaeopteryx von Stephan M. Hübner Ornithologische Notizen aus Frankfurts Geschichte D ie Vogelkunde besitzt in Frankfurt eine weitreichende Tradition. So zum Beispiel enga- rung geblieben. Der Sprössling ei- ner eingesessenen Frankfurter Bankiersfamilie erlernte zunächst gierten sich Naturforscher und das Bankwesen, studierte aber -liebhaber schon lange vor Grün- auch Mineralogie in Lausanne so- dung der Universität im Jahre wie Naturwissenschaften in Padua 1914 in Vereinigungen wie der und Florenz. Aufgrund seiner Fa- Senckenberg Gesellschaft für Na- milienverhältnisse finanziell unab- turforschung (SGN, gegründet hängig, unternahm Rüppell bereits 1817) oder der Zoologischen Ge- in jungen Jahren ausgedehnte Ex- sellschaft Frankfurt (ZGF, gegrün- peditionen durch Nordostafrika, det 1858). Biografische Skizzen insbesondere Ägypten und Äthio- zeichnen den Weg von den Pio- pien. Die dabei zusammengetrage- nierzeiten der Frankfurter Orni- nen wissenschaftlichen Sammlun- thologie bis heute nach. gen wurden zum Grundstock für Eduard Wilhelm Peter Simon das Frankfurter Senckenbergmuse- Rüppell (1794 – 1884) 1 ist vor al- um, das er von 1850 bis 1862 leite- lem als Afrikaforscher in Erinne- te; bereits 1841 war Rüppell zwei- ter Direktor der von ihm 1818 mitbegründeten SGN geworden. Fünf Tiergattungen und 79 Tier- 1 Nach Eduard Rüppell, dem großen und Pflanzenarten sind nach ihm Afrikaforscher, sind zahlreiche Vögel be- benannt worden, wissenschaftlich nannt. Auch als begnadeter Illustrator hat er seine Spuren in der Biologie hin- wie im Populärnamen, darunter terlassen, im Bild die mit den Krani- zahlreiche Vogelarten zumeist afri- chen verwandte Schwarzbauchtrappe kanischer Provenienz wie Rüppells (Lissotis melanogaster). Rüppell hatte Blausteißpapagei (Poicephalus ruep- diese Art 1835 nach einem Exemplar pellii), Rüppellmeise (Melaniparus aus Äthiopien erstmals wissenschaftlich leucomelas), Rüppellschmätzer beschrieben. Eine weitere Trappe, Eupo- (Oenanthe lugubris), Rüppelltrappe dotis rueppellii, wurde 1856 ihm zu Ehren benannt. (Eupodotis rueppellii), Rüppelldross- ling (Turdoides rubiginosus) und Sperbergeier (Gyps rueppellii) 2. Aus Rüppells Feder stammen bis heute bedeutsame Werke wie »Neue Wirbelthiere zu der Fauna von Abyssinien gehörig« (1835 – 1840) oder »Systematische Über- sicht der Vögel Nord-Ost-Afrikas« (1845) (Jahn 2004). Der Paläontologe Christian Erich Hermann von Meyer (1801 – 1869) 3 wurde bereits mit 24 Jahren, 1825, Mitglied der noch jungen SGN. In ihr wirkte er von 1838 bis 1843 als Sektionär für Osteologie und 1851 / 1852 als erster Direktor. Nach dem Besuch des Frankfurter Lessing-Gymnasiums hatte der Sohn des Frankfurter Bürgermeis- ters Johann Friedrich von Meyer Naturwissenschaften in Heidelberg, 76 Forschung Frankfurt 1/2009 05 UNI S071_081 2009_01.indd 76 20.03.2009 17:15:48 Uhr
Wissenschaftsgeschichte München und Berlin studiert. Im rasch als das lange gesuchte »Mis- 2 Im Frankfurter Forschungsinstitut und Naturmuseum Sen- Anschluss wandte er sich der Un- sing Link« zwischen Dinosauriern ckenberg lagern über 10 000 Bälge von Vogelarten, die Eduard tersuchung von Fossilien zu und und Vögeln (Keller & Storch 2001). Rüppell dem Museum schenkte, die er erstmals beschrieb oder die ihm zu Ehren benannt wurden. Darunter, von links, Rüp- entwickelte die Paläontologie zur pell- (Turdoides r. rubiginosus) und Akaziendrossling (T. fulva eigenständigen naturwissenschaft- Erkunder der heimischen Vogelwelt acaciae), Rüppells Blausteißpapagei (Poicephalus rueppellii), lichen Disziplin. Im Laufe seiner Sebastian Pfeifer (1898 – 1982) 5 Schwarzrücken- (Oenanthe lugens, junges Männchen) und Karriere verfasste von Meyer über arbeitete 30 Jahre lang als Indus- Rüppellschmätzer (O. lugubris; schwarze Morphe). Bei den ab- 300 wissenschaftliche Publikatio- triekaufmann bei den Cassella- gebildeten Exemplaren von Akaziendrossling und Schwarzrü- nen, die sich durch große Sorgfalt Werken in Frankfurt-Fechenheim. ckenschmätzer handelt es sich um Stücke, die Rüppell selbst und Genauigkeit sowie hochwerti- Autodidaktisch erarbeitete sich der in Nordostafrika sammelte und nach Frankfurt brachte. Die später als „Rüppellschmätzer“ bezeichnete kleine Drossel be- ge, von ihm selbst erstellte Illustra- Unterfranke ein umfangreiches or- schrieb Rüppell im Jahre 1837 selbst, ebenso die auch als tionen auszeichnen – darunter das nithologisches Wissen. Seine Be- „Heuglindrossling“ bekannte Timalie T. rubiginosus (1845). dreibändige »Handbuch einer Ge- geisterung für die heimische Vogel- schichte der Natur« (1841 – 1849), das er gemeinsam mir Heinrich Georg Bronn und Johann Heinrich Robert Goeppert veröffentlichte. Von Meyers wichtigster ornitholo- gischer Erfolg war jedoch die Erst- beschreibung des jurassischen Ur- vogels Archaeopteryx lithographica 4 nach einer fossilen Feder aus dem Solnhofener Plattenkalk im Jahre 1861. Archaeopteryx offenbarte sich 3 / 4 Die Erstbeschreibung des gut els- terngroßen „Urvogels“ Archaeopteryx li- thographica nach einer fossilen Feder aus dem Solnhofener Plattenkalk gelang 1861 dem Frankfurter Paläontologen Herrmann von Meyer. Lange Zeit war man der Ansicht, der „Urvogel“ vereine mosaikartig Vogel- und Reptilienmerk- male. Zwischenzeitlich wurde jedoch je- des der „Vogelmerkmale“ (wie Federn oder Gabelbein) auch bei theropoden Dinosauriern entdeckt – der Beweis da- für, dass die theropoden Dinosaurier die Ahnen der heutigen Vögel sind. Wie die- se konnte Archaeopteryx gut auf dem Boden laufen; dies beweisen aktuelle Frankfurter Untersuchungen zum Bau seines Fußes (Mayr et al. 2007). Forschung Frankfurt 1/2009 77 05 UNI S071_081 2009_01.indd 77 20.03.2009 17:15:50 Uhr
Wissenschaftsgeschichte Frankfurter Ornithologen der Gegenwart P rof. Dieter Stefan Peters wurde 1976 Nachfolger Joachim Steinbachers als Leiter der ornithologi- schen Sektion des Naturmuseums und Forschungs- Ebenso stellte Prinzinger an Kolibris, Nektar- und Maus- vögeln umfangreiche Unter- instituts Senckenberg. Peters’ besonderes Interesse suchungen zu physiologischen gilt bis heute dem Grenzbe- Lethargiezuständen wie dem reich zwischen rezenter Vo- Torpor an. Prinzinger ist Co- gelkunde und Paläornitholo- Autor des aktuellen deutschen gie, der Evolution der Vögel Standardlehrbuchs der Vogel- sowie der Biodiversität fossi- kunde. Seine engste Mitarbei- ler Vogelfaunen, insbesonde- terin, Privat-Dozentin Elke re jener der Grube Messel bei Schleucher, widmet sich un- Darmstadt. Er ist Mitbegrün- ter anderem der Ökophysiologie der Tauben und der der sogenannten „Frank- Papageien sowie Themen der Naturschutzbiologie. furter Evolutionstheorie“ Prof. Wolfgang Wiltschko entwickelte an der (Mollenhauer 1997), und er Goethe-Universität Anfang der 1960er Jahre Appa- erarbeitete das „Hanggleiter- raturen, in denen Vögel künstlich veränderten Mag- Modell“ zur Evolution des Vogelflugs. Schon vor netfeldern ausgesetzt wurden. Auf diese Weise ge- den entsprechenden Fossilfunden postulierte es, lang ihm der erste experimentelle Nachweis, dass dass Archaeopteryx ein befiederter, laufender Saurier sich Vögel am Mag- gewesen sein musste (zum Beispiel Peters 1994). netfeld der Erde ori- Seit 1997 führt Dr. Gerald Mayr den von Peters be- entieren können gründeten Schwerpunkt »Paläornithologie« mit (Wiltschko 1968). großem Erfolg fort; neben der Vogelfauna Messels Gemeinsam mit sei- widmete er sich bislang unter ner Frau, Prof. Ros- anderem der Stammesge- witha Wiltschko, schichte der Papageien, Koli- erforscht er seitdem bris und Rackenvögel sowie die funktionellen Ei- dem Urvogel Archaeopteryx. Er genschaften des Ma- bestätigte, gemeinsam mit gnetkompasses der anderen Forschern, die Rich- Vögel, seine neuro- tigkeit von Peters´ „Hangglei- biologische Basis und sein Zusammenwirken mit ter-Modell“ und dass Archeop- Himmelsfaktoren wie Sonne und Sternen; den ent- teryx als Teil einer sprechenden Magnetrezeptor lokalisierten Wiltsch- morphologischen Reihe an- kos im rechten Vogelauge. Die Kooperation mit der zusehen ist, in deren Abfolge Frankfurter Abteilung »Neurobiologie circadianer sich kleine theropode Dinosaurier schrittweise zu Rhythmen« (Prof. Günther und Dr. Gerta Fleissner) dem entwickelten, was wir heute als Vögel verste- führte 2003 zur Entdeckung eines weiteren Mag- hen (zum Beispiel Mayr et al. 2007). netrezeptionsorgans im Schnabel der Brieftaube Prof. Roland Prinzinger, Stoffwechselphysiologe (Fleissner et al. 2003). an der Goethe-Universität, forscht insbesondere Bis 2005 war der Abteilung Wiltschko auch die zum Energiehaushalt und zur Thermoregulation der 1977 gegründete »Ökologische Außenstelle Vögel. Dabei nimmt er Bezug zur ontogenetischen Schlüchtern« angeschlossen; insbesondere durch Entwicklung dieser physiologischen Parameter. Von den Biologen Dr. Karl-Heinz Schmidt wurden dort besonderer Bedeutung sind die gemeinsam mit dem Maßstäbe setzende Untersuchungen zur Populati- Zoo Frankfurt angestellten Untersuchungen zur Ei- onsdynamik höhlenbrütender Singvögel, wie Kohl- entwicklung des Nördlichen Streifenkiwis (Apteryx meise (Parus major) und Trauerschnäpper (Ficedula mantelli) (zum Beispiel Prinzinger & Dietz 2002). hypoleuca), angefertigt. welt führte dazu, dass er 1924 die nach dem Zweiten Weltkrieg ent- Frankfurter Flughafens, der direkt Vogelkundliche Beobachtungsstati- scheidend vorantrieb. Ab 1952 lei- unter einer Zugroute des Graukra- on Untermain e. V. (heute geleitet tete er gemeinsam mit Werner Keil nichs (Grus grus) liegt. Pfeifers wo- von Ulrich Eidam) und 1937 die einen Großversuch zur Steigerung möglich größter und nachhaltigster Südwestdeutsche Vogelschutzwarte der Siedlungsdichte von frei- oder Erfolg war jedoch die Gründung (heute Staatliche Vogelschutzwarte höhlenbrütenden Vogelarten zur der Internationalen Union für an- für Hessen, Rheinland-Pfalz und biologischen Schädlingsbekämp- gewandte Ornithologie im Jahr Saarland, Leitung Dr. Klaus fung. Weiterhin entwickelte Pfeifer 1954. Nach seiner Pensionierung Richarz) mitbegründete. 1944 eine »akustische Vogelscheuche« 1964 wirkte Pfeifer als Präsident wurde Pfeifer Direktor und wissen- für Weinberge und er befasste sich des Bundes für Vogelschutz. Er schaftlicher Leiter der Vogelschutz- mit der Vermeidung vogelflugbe- hinterließ rund 300 Veröffentli- warte, deren Wiederaufbau er dingter Unfälle im Bereich des chungen über die Vögel der Hei- 78 Forschung Frankfurt 1/2009 05 UNI S071_081 2009_01.indd 78 20.03.2009 17:15:52 Uhr
Wissenschaftsgeschichte 5 1944 wurde Sebastian Pfeifer (zwei- ter von rechts) Direktor und wissen- schaftlicher Leiter der Frankfurter Vogel- schutzwarte, deren Wiederaufbau er nach dem Zweiten Weltkrieg entschei- dend vorantrieb. 1937 hatte er bereits zu den Gründungsvätern der heute noch bestehenden Einrichtung gehört. Orientierungsvermögen auf dem Erdmagnetfeld beruhen müsse. Sein Schüler Wolfgang Wiltschko [siehe »Frankfurter Ornithologen der Gegenwart«, Seite 78] konnte Mitte der 1960er-Jahre mit einem weiterentwickelten Experimentier- käfig tatsächlich als Erster die Ori- entierung von Zugvögeln am Erd- Magnetfeld nachweisen. Im Ruhestand widmete sich Merkel unter anderem der Verhaltensbio- logie von Staren (Sturnus vulgaris), von denen er eine Beobachtungs- mat, Fragen des angewandten Na- torvater Prof. Hermann Giersberg kolonie in seinem Privatgarten an- turschutzes und das hessische von Breslau an die Goethe-Univer- siedelte. Naturschutzgebiet »Rheininsel sität. Kurz nach Beginn des Zwei- Kühkopf-Knoblochsaue«. Das Ver- ten Weltkriegs wurde Merkel je- Pioniere der Vogelhaltung und einsheim der Vogelkundlichen Sta- doch zur Wehrmacht eingezogen des Artenschutzes tion Untermain am Berger Hang in und kehrte nach sowjetischer In etwa parallel zu Merkels Frankfurt heißt heute Sebastian- Kriegsgefangenschaft erst 1950 Amtszeit an der Goethe-Universität Pfeifer-Haus. nach Frankfurt zurück. Er war ei- war Dr. Joachim Steinbacher Die Vögel der Heimat spielen ner der Ersten, die auf die Rolle (1911 – 2005) 7 Vogelkustos am auch eine wesentliche Rolle im der Fotoperiode als Zeitgeber für Naturmuseum und Forschungsins- Werk von Prof. Friedrich Wilhelm den Vogelzug hinwiesen. Außer- titut Senckenberg. Auch seine Be- Merkel (1911 – 2002). Merkel ent- dem bahnte er den Weg für den geisterung für die Ornithologie stammte einer biologisch sehr inte- Nachweis des Magnetsinns der Tie- reichte bis in die Schulzeit zurück, ressierten Breslauer Familie: Sein re. Schon als Doktorand hatte er als er mit seinem Onkel Friedrich Großvater Eduard galt als Kapazität einen speziellen »Orientierungskä- und dessen Sohn Georg [siehe auf dem Gebiet der Biologie heimi- fig« entwickelt, in dem er beobach- S. 80] lange Exkursionen ins Berli- scher Weichtiere, sein Vater war ten konnte, ob Zugvögel beim Um- ner Umland unternahm. Nach sei- viele Jahre Vorsitzender der Bres- herfliegen eine mögliche ner Gymnasialzeit hospitierte lauer Ortsgruppe des »Vereins Vorzugsrichtung wählen. Im Un- Steinbacher an der Vogelwarte Hel- Schlesischer Ornithologen«. Auf terschied zur Lehrmeinung bis hin- goland, 1931 nahm er das Studium diese Weise kam Merkel schon als ein in die 1960er-Jahre konnte in Göttingen auf, wechselte aber Schüler mit engagierten Vogel- Merkel anhand von Freilandbeob- bald nach Berlin. In seinen Semes- kundlern zusammen, darunter mit achtungen nachweisen, dass Zug- terferien arbeitete er mehrfach an Karl Gustav Johannes Waldemar vögel ihre Zugrichtung auch ohne Trettau, dem das Rittergut Grimmel Himmelsmarken (Sonnen- oder im Landkreis Oels gehörte. Dort Mondstand, Sterne) finden kön- fing Merkel während seines Studi- nen; hieraus leitete er ab, dass ums Versuchsvögel, und er begann, dieses damals zunächst neutral die Brutbiologie und Populations- als »nicht-visuell« bezeichnete dynamik des Trauerschnäppers (Ficedula hypolenca) 6 zu erfor- 6 Der Trauerschnäpper (Fice- schen. dula hypoleuca) gehört zu den In seiner Doktorarbeit, die Mer- Vogelarten, an denen Friedrich kel 1937 an der Universität Breslau Wilhelm Merkel seine ersten abschloss, beschäftigte er sich mit ornithologischen Untersuchun- der Physiologie des Vogelzugs. Sie gen durchführte. Der kleine Singvogel ist in den Laub- und wurde zum Mittelpunkt seiner Mischwäldern, Parks und Gär- weiteren wissenschaftlichen Lauf- ten Nord- und Mitteleuropas bahn. Hierzu angeregt hatten ihn verbreitet und ein typischer mehrere studienbegleitende Auf- Höhlenbrüter. So lag es nahe, dass er später auch in der Ar- enthalte in den Vogelwarten von beit der »Ökologischen Außen- Rossitten und Hiddensee. 1938 stelle Schlüchtern« eine zent- wechselte Merkel mit seinem Dok- rale Rolle spielte. Forschung Frankfurt 1/2009 79 05 UNI S071_081 2009_01.indd 79 20.03.2009 17:15:53 Uhr
Wissenschaftsgeschichte gelhaltung und -zucht in Men- Prof. Bernhard Klemens Maria schenobhut. Dies führte dazu, dass Grzimek (1909 – 1987), der wohl er 1938 Herausgeber der »Gefie- berühmteste Direktor des Frank- derten Welt« wurde, der bis heute furter Zoos, setzte sich zu Beginn bedeutendsten Fachzeitschrift für seiner Laufbahn ebenfalls mit orni- Vogelhaltung im deutschsprachi- thologischen Fragestellungen aus- gen Raum. Fast 67 Jahre lang, bis einander: Nicht nur, dass er bereits zu seinem Tod, hatte Steinbacher als Student einen landwirtschaftli- dieses Amt inne. chen Betrieb mit Geflügelfarm lei- Im Jahr 1940 wechselte Stein- tete, als promovierter Tierarzt ar- bacher an das Museum Alexander beitete Grzimek unter anderem Koenig in Bonn; nach dem Zwei- auch von 1938 bis 1945 im Reichs- ten Weltkrieg kam er nach Frank- ernährungsministerium und war furt, wo er bis zu seinem Lebens- dort vor allem mit der Bekämp- ende wirkte. Dort erschien 1951 fung von Rinder- und Geflügelseu- sein erfolgreiches, populäres Buch chen sowie der Verbesserung der über den Vogelzug, dem sogar un- Lagerung von Hühnereiern be- authorisierte Versionen in Russisch schäftigt. Sein »Handbuch der Ge- und Chinesisch folgten; als begab- flügel-Krankheiten« (1936) wurde ter Populärautor war Steinbacher noch in den 1960er Jahren neu auch Mitherausgeber der Vogel- aufgelegt. Grzimek war Mitbegrün- bände von »Grzimeks Tierleben«. der des Bundes für Umwelt und 1954 wurde er schließlich Vogel- Naturschutz Deutschland (BUND) kustos am Senckenbergmuseum. sowie der ZGF. Überregional be- 7 Dr. Joachim Steinbacher war von Dort befähigte ihn sein breites Wis- kannt wurde er als Schriftsteller, 1954 bis 1976 Vogelkustos am Natur- museum und Forschungsinstitut Sen- sen zu Forschungen in zahlreichen Fernsehmoderator und Dokumen- ckenberg. Besondere Verdienste erwarb Bereichen, von Anatomie und Bio- tarfilmer: 1960 erhielt er für »Se- er sich als Herausgeber der »Gefiederten geografie bis Ökologie und Arten- rengeti darf nicht sterben« den Os- Welt«, die er ab 1938 fast 67 Jahre schutz. Besonderes Interesse car (Sewig 2009). lang betreute. entwickelte Steinbacher für die Vö- Gewissermaßen im Schatten gel Südamerikas; in den Tropen Grzimeks standen unberechtigter- der Vogelwarte Rossitten. Als be- (unter anderem auf den Seychel- weise sein Vorgänger Dr. Georg sonderes Verdienst Steinbachers len) initiierte und betreute er Ar- Steinbacher sowie sein Nachfolger gilt, dass er 1936 gemeinsam mit ten- und Naturschutzprojekte. Dr. Richard Faust. Georg Steinba- Helmut Sick die ersten Vinyl-Auf- Steinbacher erhielt zahlreiche Eh- cher (1910 – 1979) 8, der Cousin nahmen von Vogelgesängen pro- rungen, darunter das Bundesver- des bereits erwähnten Joachim duzierte. 1937 beendete Steinba- dienstkreuz. Stete Unterstützung Steinbacher, war schon als Schüler cher seine Doktorarbeit zur fand er bei seiner Ehefrau Elfriede, ein hervorragender Kenner der Vo- Anatomie und Systematik der insbesondere bei der Arbeit an der gelwelt der Mark Brandenburg. Pa- Glanz- und Faulvögel (Galbulidae, »Gefiederten Welt« (Peters 2006). rallel dazu entwickelte er ein aus- Bucconidae) bei dem berühmten An beider Wirken erinnert der geprägtes Interesse für die Berliner Ornithologen Erwin »Steinbacher-Preis« für herausra- Zoobiologie und die Anatomie der Stresemann. Als Praktikant am gende Publikationen der ange- Tiere. Während seines Wirkens für hauptstädtischen Zoo entwickelte wandten, interdisziplinären Vogel- den Frankfurter Zoo legte Steinba- Steinbacher sein Interesse für Vo- kunde. cher ein Hauptaugenmerk auf Än- derungen in der Vogelhaltung. Um die Vögel für den Besucher besser sichtbar zu machen, ließ er Pflan- zen und ähnliche »dekorative« Ge- 8 Der Vorgänger hegeeinrichtungen entfernen, was Bernhard Grzi- zugleich die pflegerische Arbeit er- meks, Dr. Georg leichterte. Damit gab er die visio- Steinbacher, ließ näre, von seinem Vorgänger Pflanzen und ähn- Dr. Kurt Primel verfolgte Linie, in liche »dekorative« Elemente aus den Vogelgehegen kleine Landschafts- Vogelgehegen des ausschnitte darzustellen, konse- Frankfurter Zoos quent auf. Heute gelten diese Vor- entfernen, damit stellungen Steinbachers als nicht die Besucher die mehr zeitgemäß. In der Artenaus- Tiere besser sehen wahl setzte er vor allem auf far- konnten. Bei der benprächtige Arten wie Papageien Auswahl der Vögel setzte er auf far- (Psittaciformes) und Paradiesvögel benprächtige Ar- (Paradisaeidae). Während des ten wie Papageien Zweiten Weltkriegs wurde Steinba- und Paradiesvögel. cher eingezogen und schwer ver- 80 Forschung Frankfurt 1/2009 05 UNI S071_081 2009_01.indd 80 20.03.2009 17:15:55 Uhr
Wissenschaftsgeschichte letzt. Mit seiner Entlassung aus dem Lazarett schied er 1945 aus vorgeblich gesundheitlichen Grün- den aus dem Dienst der Stadt Frankfurt aus, arbeitete in Folge aber einige Zeit im Zoo Köln, bevor er von 1947 bis 1978 die Leitung des Tierparks Augsburg übernahm (Scherpner 1983). Dr. Richard Faust (1927 – 2000) 9 trat 1952 am Frankfurter Zoo zunächst eine Stelle als wissen- schaftliche Hilfskraft an und entwi- ckelte sich im Laufe der Jahre zu einem der maßgeblichen Wegge- fährten Bernhard Grzimeks. 1958 wurde er dessen Stellvertreter, 9 / 0 Dr. Richard Faust war viele Jahre ein wichtiger Weggefährte Bernhard Grzimeks. 1974 trat er Grzimeks Nachfolge 1974 trat er dessen Nachfolge als Frankfurter Zoodirektor an. Während seiner Amts- als Zoodirektor an und folgte ihm zeit wurde das nach wie vor größte Nachttierhaus der Welt (»Grzimek-Haus«) fertig- 1987 auch als Präsident der ZGF. In gestellt. Zur Eröffnung des Hauses 1978 schenkte die neuseeländische Regierung Fausts Amtszeit fiel unter anderem dem Zoo ein Pärchen Nördlicher Streifenkiwis. Sie wurden zu den Stammeltern der die Fertigstellung des heute heute florierendsten Zuchtgruppe dieser Zwerglaufvögel außerhalb ihrer Heimat. »Grzimek-Haus« genannten 24- Stunden-Hauses. Für dieses nach Viel Arbeit und Energie inves- nicht fortpflanzen, wenn ihnen wie vor größte Nachttierhaus der tierte Faust auch in die generelle kein großer, deckungsreicher Flug- Welt gelang es Faust, als Geschenk Verbesserung der Vogelhaltung im raum zur Verfügung steht – führ- der neuseeländischen Regierung Frankfurter Zoo: Die Vergrößerung ten zu bemerkenswerten Haltungs- ein Pärchen Nördlicher Streifenki- von Gehegen, die Professionalisie- und Fortpflanzungserfolgen, wis (Apteryx mantelli) 0 nach rung der Fütterung, die bedachte darunter zahlreichen Welterstzuch- Frankfurt zu holen. Heute besitzt Vergesellschaftung verschiedener ten. Parallel intensivierte er in Be- der Frankfurter Zoo die florie- Vogelarten und die Umsetzung da- mühungen um das künstliche Er- rendste Zuchtgruppe dieser Zwerg- mals neuster wissenschaftlicher Er- brüten und die künstliche laufvögel außerhalb ihrer Heimat kenntnisse – beispielsweise, dass Aufzucht von Vögeln. Ebenfalls (Wicker 2002). sich auch kleine Vogelarten oft kam unter Faust wohl erstmals im Frankfurter Zoo die Auswertung von Chromosomenbildern zur Literatur Feststellung des Geschlechts äußer- Fleissner, G., E. von Meyer. Frank- W. F., D. Mollen- Frankfurt am Main lich kaum unterscheidbarer Vogel- Holtkamp-Rötz- furter Bürger und hauer & D. S. Pe- Frankfurt am arten zum Einsatz. 1992 trat Faust ler, M. Hanzlik, Begründer der Wir- ters: Morpholo- Main: Eigenverlag. M. Winklhofer, N. beltierpaläontologie gie & Evolution. als Zoodirektor in den Ruhestand, Petersen & W. in Deutschland Stuttgart, Schwei- Sewig, C. (2009) führte jedoch seine ehrenamtliche Wiltschko (2003) Stuttgart: Schwei- zerbart. (Sen- Der Mann, der die Tätigkeit als geschäftsführender Ultrastructural zerbart (Kl. Sen- ckenberg-Buch Tiere liebte – Bern- Präsident der ZGF bis zu seinem analysis of a putati- ckenberg-Reihe 70). hard Grzimek Tode fort. An sein Engagement für ve magnetoreceptor 40). Bergisch Glad- den Naturschutz erinnert heute das in the beak of ho- Peters, D. S. bach: Lübbe. »Richard-Faust-Bartgeier-Zucht- ming pigeons J. Mayr, G., B. Pohl, (2006) In memo- Comp. Neurol. S. Hartman & D. S. riam: Joachim Wicker, R. (2002) zentrum« im österreichischen Ha- 458: 350 – 360. Peters (2007) The Steinbacher, Kiwihaltung und ringsee: Der Bartgeier (Gypaetus tenth skeletal speci- 1911 – 2005 Auk Kiwizucht im Zoo- barbatus) gilt als eines der Muster- Gross, E., M. Wei- men of Archaeopte- 123: 1192. logischen Garten beispiele für die erfolgreiche Wie- ryx Zool. J. Linne- ser & S. Binger Frankfurt am Main deransiedlung bedrohter Großtiere (2008) 150 Jahre an Soc. 149: Prinzinger, Zool. Garten N. F. 97 – 116. in Europa (Scherpner 1983, Gross Zoologischer Garten R. & Dietz V. 72: 210 – 221. et al. 2008). ◆ Frankfurt. Fest- Mollenhauer, D. (2002) Pre- and schrift Frankfurt (1997) D. Stefan postnatal energetics Wiltschko, W. am Main: Eigen- Peters im Ruhe- of the North Island (1968) Über den Der Autor verlag. stand NuM 127: Brown Kiwi (Apte- Einfluss statischer 242 – 243. ryx mantelli) Magnetfelder auf Stephan M. Hübner, 34, ist Pressereferent der Universität Jahn, I. (2004) Comp. Biochem. die Zugorientierung Frankfurt und Doktorand am dortigen Fachbereich Biowissen- Geschichte der Bio- Peters, D. S. Physiol. 131A: der Rotkehlchen schaften (Professur Roland Prinzinger). Seine Hauptinteressen logie Unv. Nachdr. (1994) Die Entste- 725 – 732. (Erithacus rubecu- liegen in den Bereichen Wissenschaftskommunikation, Tier- der 3. Aufl.; Ham- hung der Vögel. la) Zeitschr. Tier- gartenbiologie und Biodiversitätsforschung. Der Beitrag folgt burg: Nikol. Verändern jüngste Scherpner, Chr. psychol. 25: einem Vortrag des Autors im Rahmen der 29. Tagung der Ge- Fossilfunde das Mo- (1983) Von Bür- 536 – 558. sellschaft für Tropenornithologie vom 11. bis 14. September Keller, dell? S. 402 – 424 gern für Bürger: 2008 im Zoologischen Garten der Stadt Frankfurt am Main. T. & G. Storch in Gutmann, 125 Jahre Zoologi- Wikipedia: (2001) Hermann scher Garten Diverse Seiten. huebner@pvw.uni-frankfurt.de Forschung Frankfurt 1/2009 81 05 UNI S071_081 2009_01.indd 81 20.03.2009 17:15:56 Uhr
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