Waldbrandmanagement im Kanton Wallis und Lehren aus dem Brand von Visp im Jahr 2011
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Waldbrandmanagement im Kanton Wallis und Lehren aus dem Brand von Visp im Jahr 2011 Philipp Gerold Dienststelle für Wald, Flussbau und Landschaft (CH)* Waldbrandmanagement im Kanton Wallis und Lehren aus dem Brand von Visp im Jahr 2011 Das Wallis ist durch sein trockenes Klima mit lang ausbleibenden Niederschlägen für Waldbrände prädestiniert. Als Folge des Waldbrandes von Leuk (2003) hat der Kanton in den Jahren 2006 bis 2008 ein kantonales Wald- brandbekämpfungskonzept erarbeitet, welches neben der Schliessung von Wasserbezugslücken vor allem auf Downloaded from http://meridian.allenpress.com/szf/article-pdf/170/5/251/2571609/szf_2019_0251.pdf by guest on 08 October 2021 die Prävention zielt. Ein wichtiges Produkt dieses kantonalen Konzeptes ist die Festlegung der Regionen, in de- nen im Rahmen von regionalen Waldbrandvorsorgekonzepten weitere Massnahmen geplant und umgesetzt werden. Auf Stufe der Beurteilung der Waldbrandgefahr setzt der Kanton Wallis auf das vom Kanton Graubün- den eingekaufte Prognosesystem «Incendi», das basierend auf Wetterstationen von MeteoSchweiz die tägliche Berechnung verschiedener Waldbrandindizes erlaubt. Bei grosser Waldbrandgefahr verhängt der Vorsteher des Departements für Sicherheit, Institutionen und Sport auf der Rechtsgrundlage des kantonalen Feuergesetzes ein Verbot für das Feuern im Freien. Der Waldbrand von Visp (2011) mit seinen 110 ha war ein Referenzereignis, um das Waldbrandmanagement zu testen und die Folgen von solch grossen Bränden auf die Schutzfunktion zu prüfen. Aufgrund des sehr trockenen und heissen Jahres 2018 und der Klimaszenarien bis Mitte und gegen Ende des laufenden Jahrhunderts ist davon auszugehen, dass es im Wallis in Zukunft (noch) mehr Waldbrände geben wird. Die Wichtigkeit der Waldbrandprävention wird daher weiter zunehmen. Keywords: protection forest, forest fire prevention, climate change, large fires, Valais doi: 10.3188/szf.2019.0251 * Kantonsstrasse 275, CH-3902 Brig-Glis, E-Mail philipp.gerold@admin.vs.ch D as Wallis mit seinem kontinentalen Klima die Grundprinzipien des Waldbrandmanagements ist von langanhaltenden Trockenperioden im Wallis vor und erläutern, welche Vorkehren nach geprägt. Die Niederschlagsmengen sind ge- dem Grossereignis vom 26. April 2011 in Visp ge- ring, und der Föhn trocknet Böden und Vegetation troffen wurden. zusätzlich aus. Daher ist die Waldbrandgefahr im Wallis vergleichsweise hoch (Zumbrunnen et al 2010). Aufgrund der Siedlungsdichte in der Nähe der Grundprinzipien des Waldbrand- Wälder, der grossen und zusammenhängenden Wal- managements im Wallis dungen auf den steilen Hängen und der vielen wind- und südexponierten Lagen ist das Wallis zudem ein Hauptsächlich als Folge des Waldbrandes von ideales Terrain für Grossbrände (Wohlgemuth et al Leuk vom 13. August 2003, bei dem 300 ha Wald 2010, Zumbrunnen et al 2011). (davon 70 ha Schutzwald) in Flammen aufgingen, In Anbetracht dessen, dass 87% der rund haben die damalige Dienststelle für Wald und Land- 120 000 ha Wald im Wallis eine wesentliche Funk- schaft (DWL) – heute Dienststelle für Wald, Fluss- tion im Schutz von Menschenleben und Sachwerten bau und Landschaft (DWFL) – und das kantonale vor Naturgefahren zukommt,1 ist es naheliegend, Amt für Feuerwesen (KAF) in den Jahren 2006 bis dass man im Kanton im Sinne des integralen Risiko- managements agiert. In diesem Beitrag stellen wir 1 www.vs.ch/web/sfcep/gestion-des-forets-de-protection (11.4.2019) Schweiz Z Forstwes 170 (2019) 5: 251–257 CONNAISSANCES 251 pp1892_Gerold.indd 251 21.08.19 11:20
Festlegung, in welchen Gebieten des Kantons Wallis und in welcher Priorität regionale Waldbrandvor- sorgekonzepte ausgearbeitet werden sollen (Abbil- Münster-Geschinnen dung 1). Für diese Festlegung wurde in einem ersten Schritt die Anfälligkeit der Wälder für das Ausbre- chen und Ausbreiten von Bränden («langfristige St-Gingolph Port- Valais Waldbrandgefahr») beurteilt. Dazu wurde zuerst der i Sierre Visp Brig-Gils allgemeine brenntechnische Zustand des Waldes, un- Sion ter anderem die Art und Menge des vorhandenen Brandgutes, analysiert. Einbezogen wurden dann po- tenzielle Zündquellen wie Siedlungen oder Picknick- Martigny plätze sowie die Geländeeigenschaften (Neigung, Ex- position, Höhe) und die klimatischen Verhältnisse. Regionen Zermatt Planungsdringlichkeit Je genauer die Statistiken über die vergangenen sehr hoch hoch Brände sind, desto besser unterstützen sie die Beur- mittel teilung der langfristigen Waldbrandgefahr. Im Kan- N gering 0 5 10 20 ausserhalb des prioritären ton Wallis existiert ein Inventar aller Brände der letz- km Planungsperimeters ten hundert Jahre. Dieses wurde nach dem Waldbrand Abb 1 Kantonale Waldbrandrisikohinweiskarte mit Angabe der Prioritäten für die regiona- von 1996 eingangs des Val d’Anniviers angelegt Downloaded from http://meridian.allenpress.com/szf/article-pdf/170/5/251/2571609/szf_2019_0251.pdf by guest on 08 October 2021 len Waldbrandvorsorgekonzepte. Quelle: DWL & KAF (2009), verändert (Bochatay & Moulin 2000, Gimmi et al 2004) und für die Analyse genutzt. In einem weiteren Schritt wurde der Schaden beurteilt, der durch einen Wald- 2008 ein kantonales Waldbrandbekämpfungskon- brand entstehen könnte (z.B. die Beeinträchtigung zept ausgearbeitet (DWL & KAF 2009). Dabei sind der Schutzfunktion des Waldes). Schliesslich wurde die Zuständigkeiten klar definiert worden: Die DWFL durch Kombination von langfristiger Waldbrandge- ist verantwortlich für den Bereich «Waldbrandprä- fahr und möglichen Schäden eine kantonale Risiko- vention», der die Elemente Vorbeugung, Organisa- hinweiskarte erstellt (Abbildung 1). Sie gibt Auskunft tion und Infrastrukturen (z.B. Forststrassen, Lösch- darüber, wie hoch die Waldbrandrisiken in den ver- wasserbecken) umfasst. Das KAF stellt sicher, dass schiedenen Regionen des Kantons Wallis sind. Die die Feuerwehr in den Gemeinden so organisiert und Risikoabstufung gibt gleichzeitig vor, in welcher Pri- ausgestattet ist, dass sie im Ereignisfall einen Brand orität regionale Waldbrandvorsorgekonzepte zu erar- rasch löschen kann. Gemeinsam beurteilen die beiten sind. DWFL und das KAF die Gefahrensituation. Bereits vor Erstellung der kantonalen Risiko- hinweiskarte wurde in einzelnen Regionen mit aus- Erfassung des Waldbrandrisikos gewiesenem, hohem Waldbrandrisiko damit begon- Ein Kernelement des kantonalen Waldbrand- nen, in Zusammenarbeit mit spezialisierten privaten bekämpfungskonzepts (DWL & KAF 2009) ist die Ingenieurbüros regionale Waldbrandvorsorgekon- zepte zu erstellen. Diese enthalten unter anderem detaillierte Risikoanalysen mit dem Ist- und dem Sektoren v Standorte mobile Becken Helikopter Sollzustand von Infrastrukturen für den Zugang der n Standorte mobile Becken Brandmaterialarme Bereiche Feuerwehr sowie den Löschwasserbezug (Abbil- Tiefe Priorität Mittlere Priorität dung 2). Sie dienen der Planung von Löscheinrich- tungen (Wasserbecken usw.), der Optimierung der 22 Hohe Priorität Einsätze im Brandfall sowie als Grundlage für Aus- 9 bildungskurse. 102 n Beurteilung der aktuellen Waldbrandgefahr 120 38 v 8 Um die Waldbrandgefahr tagesaktuell beurtei- 19 n len zu können, hat der Kanton Wallis im Jahr 2009 56 vom Kanton Graubünden das Vorhersagesystem «In- 25 cendi» (Kaltenbrunner 2010) übernommen. Dieses 6 ermöglicht es, mehrere Waldbrandindizes auf der Grundlage von Wetterdaten repräsentativer Statio- 29 N n 0 100 500 nen von MeteoSchweiz zu berechnen, um die Ge- 57 m , Abb 2 Massnahmenplan aus dem Waldbrandvorsorgekonzept Visp und Umgebung. Im fahrenlage der entsprechenden Region abschätzen Plan eingezeichnet sind die Standorte für die mobilen Löschwasserbecken sowie Flächen, zu können. Im Kanton Wallis wird vor allem der in denen die Vegetation idealerweise brandmaterialarm gehalten werden soll (rot, orange Drought Code (DC), eine Komponente des kanadi- oder gelb, in Abhängigkeit der Umsetzungspriorität). Quelle: BINA Engineering SA (2014), verändert schen Fire-Weather-Index, verwendet, der auf Nie- 252 WISSEN Schweiz Z Forstwes 170 (2019) 5: 251–257 pp1892_Gerold.indd 252 21.08.19 11:20
derschlags- und Temperaturdaten basiert und insbe- Abläufe vereinfacht werden. Neu ist das Feuerverbot sondere die Effekte von andauernder Trockenheit nur noch auf der Basis des kantonalen Feuergesetzes erfasst (van Wagner 1987). Leider stehen für das geregelt und nicht mehr auch noch auf der Grund- Gebiet des Kantons Wallis aktuell lediglich neun lage des kantonalen Gesetzes über den Wald und die Wetterstationen zur Verfügung (inkl. Station Aigle, Naturgefahren. Zuständig für den Erlass des Feuer- VD). Derzeit wird daran gearbeitet, den von der WSL verbots ist der Vorsteher des Departements für Si- entwickelten Fire-Niche-Index (De Angelis et al cherheit, Institutionen und Sport (DSIS). 2015) in Incendi zu integrieren. Das wird auch eine Bei hoher Waldbrandgefahr müssen alle rele- auf das Wallis besser zugeschnittene Prognose der vanten kantonalen Dienste, die Gemeinden, die Be- Walbrandgefahr ermöglichen. völkerung und die Medien umgehend und sachge- Der Kanton Wallis stützt sich bei der Beurtei- recht informiert werden. Wird ein Feuerverbot lung der aktuellen Waldbrandgefahr aber auch auf ausgesprochen, bereitet das KAF die entsprechende die Einschätzungen der Revierförster ab. Bei anstei- Mitteilung in Zusammenarbeit mit der DWFL vor. gender Gefahr fordert die in der Sektion Wald der Verbreitet wird sie dann vom DSIS über den Infor- DWFL für die Waldbrandprävention verantwortli- mationsdienst des Kantons. Seit 2009 ist ausserdem che Person die betroffenen Revierförster auf, den Zu- die aktuelle Waldbrandgefahrenkarte auf der Web- stand der Wälder und des Brandgutes lokal zu beur- site des Kantons Wallis veröffentlicht, 2 mit der sich teilen. Je nachdem tauscht sie sich auch mit den die Bevölkerung jederzeit über die herrschende Verantwortlichen anderer Kantone aus (v.a. Grau- Waldbrandgefahr informieren kann. Downloaded from http://meridian.allenpress.com/szf/article-pdf/170/5/251/2571609/szf_2019_0251.pdf by guest on 08 October 2021 bünden, Tessin, Bern). Handlung bei Waldbrandgefahr Umsetzungsbeispiel: der Waldbrand Bei der Waldbrandprävention setzt der Kan- in Visp im Jahr 2011 ton Wallis vorab auf Sensibilisierung, unter dem Motto gut informieren, um möglichst wenig verbie- Die Vorgeschichte ten zu müssen. Dennoch müssen immer wieder Feu- In der Region Visp und Umgebung sind die erverbote verhängt werden. In der Regel wird das Jahresniederschläge gering (600 mm/Jahr) und die Feuerverbot für das ganze Kantonsgebiet erlassen. Böden und die Vegetation, vor allem in den Som- Bei stark unterschiedlicher Waldbrandgefahr ist es mermonaten, sehr trocken. Die Region ist entspre- aber auch schon vorgekommen, dass Feuerverbote chend sehr anfällig für Waldbrände (BINA Engi- nur regional verhängt wurden (z.B. Verbot im Ober- neering SA 2014). Weil sich der Forstdienst dieser wallis, kein Verbot im restlichen Kantonsgebiet). Per gefährlichen Situation und der damit verbundenen 1. Mai 2018 wurde im Kanton Wallis das zweistufige hohen Risiken bewusst war, hatte er bereits um die Feuerverbot – 1. Stufe: Feuerverbot im Wald und in Jahrtausendwende den Bau von zwei Löschwasser- Waldesnähe, 2. Stufe: allgemeines Feuerverbot im becken eingangs des Vispertals veranlasst. Ein wei- Freien – abgeschafft. Seither wird nur noch ein all- teres Löschwasserbecken wurde im Jahr 2011 in der gemeines Feuerverbot im Freien erlassen. Denn den Nähe auf Boden der Gemeinde Brig-Glis erstellt (Ab- Leuten zu erklären, was Wald ist und was nicht, war schwierig. Zudem konnten so die administrativen 2 www.vs.ch/waldbrandgefahr (7.6.2019) • N N • Eyholz • Visp • • • Waldbrandfläche Brandherd Weitergang 1000 500 0 1000 • 25 • Wasserbezugsorte 12.5 0 25 m m Abb 3 Brandfläche von Visp in der Übersicht (links) und Detail der Brandausbruchsstelle (rechts). Eingezeichnet in der Grafik links sind die damaligen Was- serbezugsorte (Seen, permanente Löschwasserbecken, zwei mobile Becken im Raum Eyholz). Schweiz Z Forstwes 170 (2019) 5: 251–257 CONNAISSANCES 253 pp1892_Gerold.indd 253 21.08.19 11:20
Downloaded from http://meridian.allenpress.com/szf/article-pdf/170/5/251/2571609/szf_2019_0251.pdf by guest on 08 October 2021 Abb 4 Der Waldbrand von Visp, aufgenommen am 26. April 2011, und Einblick in die Brandfläche kurz nach der Löschung. Fotos: Madlene Brigger (links) und Werksfeuerwehr Lonza (rechts) bildung 3, links). Diese technischen Präventions- dener Forstreviere und von Bergführern (Fällen von massnahmen wurden von Kanton und Bund als Bäumen, um die Löschtätigkeit mittels Helikopter forstliche Infrastruktur mitfinanziert. zu vereinfachen) sowie vom Zivilschutz. Koordiniert Was die aktuelle Waldbrandgefahr betraf, wurde der Einsatz vom Feuerwehrkommandanten wurde seitens des Kantons aufgrund der sehr trocke- von Visp, dem das KAF und die DWL beratend zur nen Wetterbedingungen seit Anfang Jahr – weniger Seite standen. als 50 l Niederschlag in vier Monaten – auf das Os- Es dauerte mehrere Tage, bis der Brand unter terwochenende vom 23./24. April 2011 hin ein Feu- Kontrolle, und rund einen Monat, bis der Brand voll- erverbot erlassen. ständig gelöscht war. Insgesamt brannten 110 ha Wald nieder, fast alles Schutzwald. Die Löschmass- Das Waldbrandereignis nahmen von rund zwei Millionen Schweizer Fran- Am 26. April 2011 ging bei der kantonalen ken gingen zulasten der Gemeinde Visp, wobei der Alarmzentrale um 16 Uhr der Alarm «Feuer in der Kanton anschliessend einen Teil der Kosten über- Carosserie Vispa» ein. Die Autospenglerei liegt in der nahm. Es konnte kein Schuldiger für den Brand ge- Industrie- und Gewerbezone von Visp unmittelbar funden werden. am Waldrand (Abbildung 3, rechts). Die sofort aus- gerückte Visper Feuerwehr konnte das Ausbreiten Sofortmassnahmen nach Brand des Feuers auf den Wald nicht verhindern (Abbil- Durch den Brand wurde die Schutzfunktion dung 4). des Waldes gegen Naturgefahren beeinträchtigt, be- Rund 350 Feuerwehrleute, vornehmlich aus sonders stark diejenige gegen Murgänge, Rutschun- dem Oberwallis, aber auch aus anderen Regionen gen und Steinschlag. Zum Schutz der Gewerbezone des Wallis und der Schweiz, versuchten, im steilen und der Kantonsstrasse Visp-Brig mussten Sofort- Gelände das Feuer unter Kontrolle zu bringen. massnahmen getroffen werden. Geplant wurden Gleichzeitig standen zeitweise bis zu zehn Helikop- diese vom Forstdienst in Zusammenarbeit mit der ter von lokal ansässigen privaten Firmen im Einsatz. Gemeinde, der Polizei und dem Strassenmeister. Von der Armee beigezogen wurde ein Grossheli- Noch im Jahr 2011 wurden verbrannte Baumstämme kopter des Typs Super Puma für die Nachlöschung als Erosionsschutz quergelegt und rund 200 Laufme- sowie eine Wärmebildkamera für die Lokalisierung ter Steinschlag- und Murgangschutznetze erstellt. unterirdischer Stockbrände. Unterstützt wurde die Ein besonderes Augenmerk musste auch auf Feuerwehr von der Kantonspolizei (Verkehrsführung den Borkenkäfer gelegt werden. Erfahrungsgemäss in den ersten Stunden), von Mitarbeitern verschie- wirken nach einem Waldbrand die nicht ganz abge- 254 WISSEN Schweiz Z Forstwes 170 (2019) 5: 251–257 pp1892_Gerold.indd 254 21.08.19 11:20
brannten, stark geschwächten Bäume enorm anzie- durchgeführt werden. Aufgegeben wurde aus dem hend. Sie wurden daher rasch entfernt, um eine mas- gleichen Grund auch eine Monitoringfläche der Vo- senhafte Ausbreitung des Borkenkäfers in die noch gelwarte Sempach. intakten, aber vorbelasteten Schutzwälder oberhalb von Visp und Eyholz zu verhindern. Was hat man aus dem Waldbrand von Visp gelernt? Mittelfristige Massnahmen Der gemeinsame Einsatz während der Lösch- Gestützt auf eine sorgfältige Risikoanalyse phase hat die Feuerwehr sowie den Forstdienst nä- wurde ein Aufforstungs- und Verbauungsprojekt her zusammengebracht. In der Folge wurden part- ausgearbeitet. Dieses beinhaltete die stützpunktar- nerschaftlich das Waldbrandvorsorgekonzept für die tige Pflanzung von 11 000 Bäumchen sowie weitere Region Visp und Umgebung erarbeitet (BINA Engi- Schutzbauten. So wurden im Brandperimeter Mur- neering SA), womit vom Know-how beider Fachbe- gangnetze errichtet sowie im Eyholzerchi oberhalb reiche profitiert werden konnte. Ebenfalls konnten des Dorfes Eyholz zwei Geschiebesammler und ein dank der Zusammenarbeit wesentliche Verbesserun- Ablenkdamm gebaut. gen bei den Sofortmassnahmen und beim Wieder- Trotz der zum Teil noch sehr guten Holzqua- instandstellungsprojekt erzielt werden. lität wurden die stehenden verbrannten Bäume nicht Trotz der getätigten Sofortmassnahmen führte gefällt. Zum einen gewährleisteten sie noch immer bereits im ersten Jahr ein Starkniederschlag im Au- einen gewissen Schutz vor Steinschlag und Lawinen, gust zu drei Murgängen, die bis auf die Kantonsstrasse Downloaded from http://meridian.allenpress.com/szf/article-pdf/170/5/251/2571609/szf_2019_0251.pdf by guest on 08 October 2021 zum anderen hätten die Erntekosten die Holzerlöse hinunterkamen. Nachdem die Wurzeln der abge- klar überstiegen. Wegen der Gefahr von umstürzen- brannten Bäume ihre bodenverstärkende Wirkung den Bäumen wurden sämtliche Wanderwege durch total verloren hatten, führte der niederschlagsreiche die Brandfläche gesperrt. Winter 2017/2018 zu erneuten Murgängen (Abbil- Die Wiederinstandstellungsmassnahmen in dung 5, links), die den Geschiebesammler und den der Höhe von drei Millionen Schweizer Franken wur- Ablenkdamm wie vorgesehen beanspruchten (Abbil- den basierend auf dem eidgenössischen Waldgesetz dung 5, rechts). Allerdings gelangte Material auch und dem kantonalen Forstgesetz von Bund, Kanton bis nach Eyholz hinunter, weshalb derzeit die An- sowie von der politischen Gemeinde und der Bur- lage weiterer Auffangbecken geprüft wird. gergemeinde Visp getragen. Der Brand war auch Das Ökosystem hat sich auf der nordexponier- Auslöser für die Erarbeitung des regionalen Wald- ten Brandfläche von Visp mit einer bemerkenswer- brandvorsorgekonzeptes Visp und Umgebung (BINA ten Kraft und Vielfalt und auch viel rascher als in Engineering SA 2014). der südexponierten Brandfläche von Leuk erholt. Die ersten Pflanzen, darunter auch seltene Arten, ge- Begleitende Beobachtungs- und diehen bereits schon auf der Asche. Im zweiten Jahr Forschungsaktivitäten lag die Bodenbedeckung bei 20%. Auch der Wald er- Auf der Brandfläche wurden verschiedene Be- holte sich schnell. Zwei Jahre nach dem Brand wa- obachtungs- und Forschungsaktivitäten durchge- ren die Verjüngungszahlen in der Fläche von Visp führt. Ähnlich wie in der Brandfläche von Leuk 2003 fünf- bis zehnmal grösser als in derjenigen von Leuk. (Wohlgemuth & Moser 2018) hat die Eidgenössische Allerdings setzten sich zuerst Pionierbäume wie Wei- Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft den und Pappeln fest. Während in unteren Höhen- (WSL) auch in Visp ein permanentes Stichproben- lagen oft auch Stockausschläge vorkommen, sind es netz für Vegetationsaufnahmen eingerichtet. Auf- in höheren Lagen vermehrt Kernwüchse. Die mitt- nahmen fanden bisher in den Jahren 2013 und 2018 lere Höhe der Verjüngung betrug 2013 zwischen statt. In einem von der Hochschule für Agrar-, Forst- 70 cm in tieferen Lagen und 40 cm in höheren La- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) koordinier- gen. Zwei Jahre später war die Verjüngung teils be- ten Projekt wurde der Einfluss des Waldbrandes auf reits mehr als mannshoch (Wohlgemuth et al 2015). die bodenstabilisierende Wirkung von Föhrenwur- Die Verbisssituation ist aufgrund des enormen zeln untersucht (Vergani et al 2017). Es ist davon Äsungsangebots derzeit kein Problem. Der Wildbe- auszugehen, dass die Brandfläche noch über Jahr- stand muss aber unter Kontrolle gehalten werden. zehnte anfällig auf oberflächliche Rutschungen Um dies trotz der dichten Verjüngung zu ermögli- bleibt. Ausgehend von der Hypothese, dass die chen, wurden 2017 Schussschneisen ausgeholzt. Brandfläche im Laufe der Jahre zu einem optimalen An vielen Orten im Wallis, gerade im Talbo- Wildlebensraum mit viel Futter wird, wurde im Jahr den des Haupttals, ist es schwierig, die Gefahrenstel- 2014 auf einer Teilfläche von rund 50 ha im Rah- len für den Ausbruch von Feuern einzudämmen. men einer Stichprobenaufnahme der Wildverbiss Zahlreiche Gebäude und Werkstätten – die poten- erfasst (Rüegg 2014). Die für 2018 geplante Folge- ziellen Zündquellen – befinden sich sehr nahe am aufnahme konnte jedoch aufgrund des dichten Un- Wald – dem potenziellen Brandgut. Die Kontaktzone terwuchses und des erschwerten Zuganges nicht zwischen Siedlung und Natur (urban-wildland-in- Schweiz Z Forstwes 170 (2019) 5: 251–257 CONNAISSANCES 255 pp1892_Gerold.indd 255 21.08.19 11:20
Abb 5 Murgang vom Januar 2018: Entstehungsgebiet (links); prall gefüllter Geschiebesammler (rechts). Im Hintergrund erkennbar ist die potenzielle Ablage- Downloaded from http://meridian.allenpress.com/szf/article-pdf/170/5/251/2571609/szf_2019_0251.pdf by guest on 08 October 2021 rungszone im Wohn- und Industriegebiet Eyholz, Visp. Fotos: Alban Brigger terface; Conedera et al 2015) ist entsprechend gross. von auszugehen, dass die Waldbrandgefahr im Wal- Im konkreten Fall von Visp ist die Situation genauso. lis stark ansteigt. Die Waldbrandprävention und die Der schmale Streifen Industrie- und Gewerbezone Fähigkeit, rasch und effizient mit Löschaktionen zu zwischen der Kantonsstrasse und der Waldflanke intervenieren, werden dadurch noch wichtiger. (Abbildung 3, rechts) bringt Zündpotenzial und Hauptziel wird auch in Zukunft das Verhindern von Brandgut in eine sehr gefährliche Nähe. Eine raum- grossen Waldbränden sein. ■ planerische Rückzonung ist nicht möglich. Disku- Eingereicht: 3. Oktober 2018, akzeptiert (ohne Review): 14. Juni 2019 tiert werden derzeit organisatorische Massnahmen sowie die Einrichtung eines Streifens, in dem die Ve- getation brandmaterialarm gehalten wird (Abbil- dung 2). Literatur Leider konnte beim Waldbrand von Visp die BINA ENGINEERING SA (2014) Bericht zum regionalen Waldbrand- Schuldfrage nicht geklärt werden, womit auch die vorsorgekonzept Visp und Umgebung. Turtmann: BINA Engi- Lösch- und Folgekosten nicht dem Verursacher bzw. neering SA. 90 p. dessen Versicherung überwälzt werden konnten. Ge- BOCHATAY J, MOULIN JB (2000) Inventaire des incendies de fo- sellschaftlich gesehen kann aber festgehalten wer- rêt dans le canton du Valais. Sion: Service des forêts et du pay- sage. 45 p. den, dass die Walliser Bevölkerung «dank» der wie- CONEDERA M, TONINI M, OLEGGINI L, VEGA OROZCO C, LEUEN- derkehrenden Grossbrände für die Wichtigkeit der BERGER M ET AL (2015) Geospatial approach for defining the Brandverhütung sensibilisiert worden und sich der Wildland-Urban Interface in the Alpine environment. Com- Schutzfunktion des Waldes durchaus bewusster ge- put Environ Urban Syst 52: 10–20. worden ist. DE ANGELIS A, RICOTTA C, CONEDERA M, PEZZATTI GB (2015) Modelling the meteorological forest fire niche in heteroge- neous pyrologic conditions. PLoS One 10: e0116875. 17 p. DWL, KAF (2009) Kantonales Waldbrandbekämpfungskonzept. Ausblick im Zeitalter des Klima- Sitten: Dienststelle für Wald und Landschaft. 45 p. wandels GIMMI U, BÜRGI M, WOHLGEMUTH T (2004) Wie oft brannte der Walliser Wald im 20. Jahrhundert? Schweiz Z Forstwes 155: Der Sommer 2018 war auch im Wallis ausge- 437–440. doi: 10.3188/szf.2004.0437 KALTENBRUNNER A (2010) Waldbrandprävention im Kanton sprochen trocken. Das Mitte Juli verhängte Feuer- Graubünden. Schweiz Z Forstwes 161: 460–464. doi: 10.3188/ verbot im Freien konnte im Oberwallis erst Ende Ok- szf.2010.0460 tober dank den Starkniederschlägen, die der Sturm RÜEGG D (2014) Verjüngungskontrolle im Kanton Wallis. Kalt- Vaia mit sich brachte, aufgehoben werden. Solch brunn: Rüegg. 23 p. lange Perioden mit Feuerverbot kannte man bisher VAN WAGNER CE (1987) Development and structure of the Ca- im Wallis kaum. Ebenso waren schneearme Winter nadian Forest Fire Weather Index System. Ottawa: Canadian Forest Service, Technical Report 35. 35 p. und damit prekäre Waldbrandsituationen zu dieser VERGANI C, WERLEN M, CONEDERA M, COHEN D, SCHWARZ M Jahreszeit bislang eine Seltenheit. Aufgrund des ra- (2017) Investigation of root reinforcement decay after a for- schen Klimawandels, der zu höheren Temperaturen est fire in a Scots pine (Pinus sylvestris) protection forest. For und noch längeren Trockenperioden führt, ist da- Ecol Manage 400: 339–352. 256 WISSEN Schweiz Z Forstwes 170 (2019) 5: 251–257 pp1892_Gerold.indd 256 21.08.19 11:20
WOHLGEMUTH T, BRIGGER A, GEROLD P, LARANJEIRO L, MO- ZUMBRUNNEN T, BÜRGI, M, BUGMANN H (2010) Le régime des RETTI M ET AL (2010) Leben mit Waldbrand. Birmensdorf: Eid- incendies de forêt en Valais: influences climatiques et anthro- genöss Forsch.anstalt WSL, Merkbl Prax 46. 16 p. piques. Schweiz Z Forstwes 161: 442–449. doi: 10.3188/ WOHLGEMUTH T, WASEM U, SCHINDLER H, TRUMMER D, ZBIN- szf.2010.0442 DEN M (2015) Baumverjüngung in der Waldbrandfläche Visp ZUMBRUNNEN T, PEZZATTI GB, MENÉNDEZ P, BUGMANN H, (2011). Birmensdorf: Eidgenöss Forsch.anstalt WSL, interner BÜRGI M ET AL (2011) Weather and human impacts on forest Bericht. 6 p. fires: 100 years of fire history in two climatic regions of Swit- WOHLGEMUTH T, MOSER B (2018) Zehn Jahre Vegetationsdyna- zerland. For Ecol Manage 261: 2188–2199. mik auf der Waldbrandfläche von Leuk (Wallis). Schweiz Z Forstwes 169: 279–289. doi: 10.3188/szf.2018.0279 Downloaded from http://meridian.allenpress.com/szf/article-pdf/170/5/251/2571609/szf_2019_0251.pdf by guest on 08 October 2021 Gestion des incendies de forêts dans le Fire management in the canton of Valais canton du Valais et enseignements tirés de and lessons learnt from the Visp fire 2011 l’incendie de Viège en 2011 Le Valais, en raison de son climat sec avec de longues ab- Long-lasting dry weather conditions without precipitation in sences de précipitations, est prédestiné aux incendies de fo- the Valais make the area very prone to forest fires. Following rêts. Suite à l’incendie de forêts de Loèche (2003), le canton the large fire in Leuk in summer 2003, the cantonal authori- a développé entre 2006 et 2008 un concept cantonal de lutte ties developed between 2006 and 2008 a fire management contre les incendies de forêts. Ce concept, en plus de com- concept mainly focusing on prevention activities and on com- bler les lacunes de l’approvisionnement en eau, se concentre pleting the water points net on the whole territory. A very avant tout sur la prévention. Un produit important qui res- important outcome of this concept is the definition of prior- sort de ce concept cantonal est la définition des régions dans ity regions where a detailed fire prevention and control con- lesquelles des mesures complémentaires devront être plani- cept should be implemented. Concerning the fire danger rat- fiées dans le cadre de concepts régionaux de prévention des ing, the canton of Valais acquired the “Incendi” system from incendies de forêts. Au niveau de l’évaluation du danger d’in- the canton of Grisons, which uses meteorological data from cendie de forêts, le canton du Valais s’appuie sur le système the MeteoSwiss weather stations network to provide a daily de prévision «Incendi» acquis auprès du canton des Grisons, calculation of several fire weather indices. In case of high fire qui permet de calculer quotidiennement différents indices de danger, a fire ban in the open can be decreed basing on the danger d’incendie à partir des stations météorologiques cantonal fire law. The 110 ha large forest fire in Visp (2011) MétéoSuisse. En cas de danger élevé, le chef du Département represented a very good test for the new cantonal fire man- de la sécurité, des institutions et du sport interdit de faire du agement concept, especially for what concerns the impact feu à l’extérieur sur la base de la loi cantonale sur la protec- on the forest protection functions. The very dry 2018 sum- tion contre l’incendie et les éléments naturels. L’incendie de mer and the forecasted climatic change will in the future give forêts de Viège (2011), avec ses 110 ha, a été un événement a very central role to the fire prevention activities. de référence pour tester la gestion des incendies de forêts et pour examiner les conséquences de ces grands incendies sur la fonction de protection des forêts. Après l’expérience de l’année 2018 particulièrement sèche et chaude et des scéna- rios climatiques jusqu’au milieu et à la fin du siècle actuel, nous pouvons nous attendre dans le futur à (encore) plus d’in- cendies de forêts en Valais. L’importance de la prévention des incendies de forêts s’accentuera encore à l’avenir. Schweiz Z Forstwes 170 (2019) 5: 251–257 CONNAISSANCES 257 pp1892_Gerold.indd 257 21.08.19 11:20
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