Warum braucht es Plurale Ökonomik? - Gründe, Kritik, Herausforderungen - Claudius Gräbner ...
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Warum braucht es Plurale Ökonomik? Gründe, Kritik, Herausforderungen Vortrag für die Gesellschaft für Plurale Ökonomik Wien e.V. 09.06.2021 Claudius Gräbner Birte Strunk University of Duisburg-Essen New School for Social Research, New York Institute for Socio-Economics & ZOE. Institute for future-fit economies Johannes Kepler University Linz @BirteStrunk Institute for Comprehensive Analysis of the Economy (ICAE) ZOE. Institute for future-fit economies www.claudius-graebner.com | @ClaudiusGrabner
Übersicht • Warum eigentlich Pluralismus? Ein Einführungsbeispiel • Grundlegende Begriffe • Vier Kritikpunkte und plurale Antworten • Herausforderungen und die Relevanz inklusiver Institutionen 2
Einführendes Beispiel Die Relevanz diverser Perspektiven • Warum sind eigentlich manche Länder arm und andere reich? Individualistische Ansätze “ Es geht großteils um Anreize und Möglichkeiten. Ein Land entwickelt keinen Wohlstand, wenn es Menschen keinen Anreiz gibt zu investieren und um innovativ und produktiv zu sein. […] “ Der Kolonialismus war ausbeuterisch, aber die meisten Elemente afrikanischer Gesellschaften, die schlecht für Wachstum sind, blieben unverändert. […] Es gibt [zum Beispiel] noch immer Regeln, wo es kein privates Eigentum an Land gibt. Interview mit D. Acemoglu (2019) Quelle der Bilder: 4 Acemoglue (by Jared Charney), Robinson
Einführendes Beispiel Die Relevanz diverser Perspektiven • Warum sind eigentlich manche Länder arm und andere reich? Strukturalistische Ansätze “Die Unterentwicklung der armen Staaten ist ein sich historisch entwickelnder Bestandteil des von kapitalistischen Metropolen dominierten internationalen Wirtschaftssystems und damit der Raúl Prebisch internationalen Gesellschaft. “Die Entwicklung dieser Metropolen, der Zentren und die Geschichte der Unterentwicklung der Dritten Welt sind miteinander über das internationale System vermittelte, komplementäre Immanuel Wallerstein Vorgänge. Dieter Senghaas (1975) 5 Quelle der Bilder: Wallerstein, Prebisch
Einführendes Beispiel Die Relevanz diverser Perspektiven • Warum sind eigentlich manche Länder arm und andere reich? Individualistische Strukturalistische Ansätze Ansätze • Während individualistische Ansätze das Problem der ungleichen Entwicklung in den Institutionen einzelner Länder zu finden glauben… • …ist in strukturalistischen Ansätzen die Beziehung und Interdependenz der Länder die zentrale Erklärung • Kern-Peripherie Unterscheidung, Idee des ungleichen Tauschs, etc. • Führt zu unterschiedlichen Reformvorschlägen: • Individualistische Ansätze: Reformen in den armen Ländern • Strukturalistische Ansätze: Reformen in reichen Ländern bzw. auf Systemebene 6
Einführendes Beispiel Die Relevanz diverser Perspektiven “ [A] plurality of paradigms in economics and in social sciences in general is not only an obvious fact but also a necessary and desirable phenomenon in a very complex and continually changing subject.“ Kurt W. Rothschild (1999, S. 5) 7
Take-away aus dem Eingangsbeispiel • Unsere Sicht auf die Wirklichkeit wird u.a. davon geprägt mit welchen Theorien und Methoden wir auf ein Phänomen blicken • Theorien und Methoden als Teil unterschiedlicher Forschungsprogramme • Ein möglicher Ausgangspunkt des pluralen Programms: es ist unmöglich, aus den vielen Perspektiven die einzig richtige auszuwählen • Vielmehr ist Vielfalt von Perspektiven und konstruktiver Dialog zentral • Natürlich ist die Sache komplizierter und es gibt Gegenargumente, z.B.: • Empirie macht Pluralismus überflüssig → man kann jetzt testen ‘welche Theorie Recht hat’ • Ein pluraler Ansatz ist anarchisch → senkt das Niveau wissenschaftlicher Arbeit Um diese Debatte sinnvoll zu führen braucht es entsprechendes begriffliches Werkzeug 8
Übersicht • Warum eigentlich Pluralismus? Ein Einführungsbeispiel • Grundlegende Begriffe • Vier Kritikpunkte und plurale Antworten • Herausforderungen und die Relevanz inklusiver Institutionen 9
Begriffliche Klarstellungen Pluralität und Pluralismus • Analytisch ist die Unterscheidung von Mäki (1997) sehr hilfreich: Pluralität Pluralismus Pluralität ist eine deskriptive Kategorie, Pluralismus steht für eine normativen welche die Vielfältigkeit einer Sache, eines Kategorie, welche eine bestimmte Vielfalt Konzepts oder einer Idee beschreibt. fordert oder begründet. Unterschiedliche Arten von Pluralität Unterschiedliche Begründung von Pluralität ‘Pluralität’ kann durch Verweis auf ‘Pluralität’ kann sich auf die Vielfalt verschiedene Werte oder Theorien verschiedener Dinge beziehen begründet werden 11
Begriffliche Klarstellungen Paradigmen und Forschungsprogramme • Paradigma/Forschungsprogramm als eine Konkrete Modelle/ gewisse theoretische Perspektive Anwendungen • Fassen für eine Gruppe impliziten Konsens auf den Meta-Ebenen zusammen Methodologie: wie kann Wissen • Theoretische Grundsätze praktisch hergestellt werden? • Eigene Begriffsinstrumentarien • Spezifischen Institutionen (Journale, Konferenzen - soziologische Dimension) Epistemologie: wie können wir prinzipiell Wissen über den UG generieren? • Eigene Methoden • Werden in der Forschungspraxis nicht mehr diskutiert Ontologie: Was ist der Untersuchungsgegenstand? • Effizienzsteigerung in der ‘Normalwissenschaft’ 12
Vor-Überlegungen und Vokabular • Pluralität versus Pluralismus: deskriptiv versus normativ Arten von Pluralität Referenzierter Gegenstand Epistemologisch Kriterien für (gute) Erklärungen Methodisch Verwendete Methoden Ontologisch Annahmen über Realität Personell Vielfalt der Wissenschaftler:innen Zweck Als relevant erachtete Fragen und Probleme Theoretisch Verwendete Theorien und Modelle Thematisch Adressierte Themen • Pluralität & Pluralismus als eine Frage des Grades: Substituierende oder komplementäre Methoden/Theorien/Themen? • Art von Pluralismus im Folgenden: epistemologisch begründet 13
Wrap up Grundbegriffe • Debatten über Pluralismus scheitern (zu) oft an Begrifflichkeit • Pluralität als eine deskriptive Kategorie, welche die Vielfältigkeit einer Sache, eines Konzepts oder einer Idee beschreibt. • Pluralismus steht für eine normativen Kategorie, welche eine bestimmte Vielfalt fordert oder begründet. • Für Pluralität und Pluralismus gibt es jeweils unterschiedliche Dimensionen • Pluralität von Methoden, Themen, Theorien, Paradigmen,… • Begründung über Epistemologie, Pädagogik, Ethik, etc. • Paradigmen als wissenschaftliche Communities mit implizitem Konsens auf meta-theoretischer Ebene und eigenen Institutionen • Mit diesem begrifflichen Werkzeug können wir uns nun der Kritik am Pluralismus und möglichen Antworten darauf widmen 14
Übersicht • Warum eigentlich Pluralismus? Ein Einführungsbeispiel • Grundlegende Begriffe • Vier Kritikpunkte und plurale Antworten • Herausforderungen und die Relevanz inklusiver Institutionen 15
Vier Kritikpunkte und Plurale Antworten
Mögliche Kritikpunkte am Pluralismus • Pluralismus kann auf diverse Arten und Weisen begründet werden • Jetzt: Fokus auf Kritik am Pluralismus • Die Ökonomik ist ohnehin eine plurale Wissenschaft • Das Wissenschaftssystem sorgt selbst für den besten Grad an Pluralität • Der ‘empirical turn’ macht Pluralismus überflüssig • Pluralismus führt zu Relativismus • Pluralismus ist ein ideologisches Projekt der Linken • Potenzielle Schwierigkeit: häufig nicht akademisch, sondern in Social Media o.ä. formuliert → Wie kann man der Kritik entgegnen? → Was können Pluralist@s von der Kritik lernen? 17
Mögliche Kritikpunkte am Pluralismus Kritik 1: Die VWL ist doch bereits plural! • Die Beurteilung von diesem Argument hängt von zwei Punkten ab • Welche Dimension wird betrachtet? • Plural im Sinne von Themen (‘ökonomischer Imperialismus’) • Nicht plural im Sinne von Epistemologien und Methoden - quasi per definitionem • Welchen Grad an Pluralismus fordert man? • Die neue Verhaltensökonomik ist häufig ein Beispiel für mehr Pluralität • Aufgenommen wurden nur die Teile, welche den maximization-cum-equilibrium Kern nicht infrage stellen → “Neoclassical Economics in Disguise” (Berg & Gigerenzer 2010) • Substitutive verhaltenspsychologische Ansätze werden kaum gelehrt, zitiert, publiziert oder Gerd Gigerenzer Richard Thaler wertgeschätzt Quelle der Bilder: Gigerenzer, Thaler 18
Mögliche Kritikpunkte am Pluralismus Kritik 2: gute Pluralität setzt sich schon von selbst durch • Argument: alle guten Ideen werden in der Ökonomik gehört und diskutiert → alles was nicht Mainstream ist ist schlecht • Setzt ein ‘level playing field’ oder einen ‘freien Markt der Ideen’ voraus • Tatsächlich ist dies eine Forderung der pluralen Bewegung • In der Praxis ist die Akkumulation von akademischer Macht durch Paradigmen extrem pfadabhängig • z.B. Dobusch & Kapeller (2009); Gräbner (2017); Gräbner & Strunk (2020) • Gründe dafür sind: • Monistische Ausbildung → Nachwuchswissenschaftler:innen kennen Alternativen nicht • Anreize für individuelle Forscher:innen klar zugunsten von Mainstream-Forschung (gleiche Diagnose u.a. von Nobelpreisträger George Akerlof 2020) • Selbstverstärkende Effekte von Kommissionen, Rankings etc. 19
also a very narrow definition of what economics is and, thereby, serves as a self-reinforcing selec- tion mechanism, where the greater the bias toward mathematical analysis within the framework of utility maximization, ‘the greater will be selection into it of those with intrinsic tastes in that direc- Mögliche Kritikpunkte am Pluralismus tion’ (Akerlof, 2020, p. 407). The narrow metric of success in economics may hence deter scholars with other perspectives on economics from publishing in economic journals or applying to econ- omic positions. Thus, the forum for a ‘market of ideas’ is simply not given to the extent claimed by proponents of this argument. Finally, a perfect ‘market for ideas’ would also require that students in economics are exposed to a Kritik 2: gute Pluralität setzt sich schon von selbst durch variety of research approaches. They only have a serious choice of what research orientation to follow • Kommunikationswege in der VWL sind extrem asymmetrisch (≠ level playing field) • Plurale Ansätze außerhalb des Mainstreams werden de 12 F. GLÖTZL AND E. AIGNER facto nicht beachtet 10 F. GLÖTZL AND E. AIGNER Figure 1. Citations from and to heterodox journals (Aistleitner et al., 2017). Daten: Aistleitner et al. (2019) • Spiegelt sich auch am Zitationsverhalten der WU wider (vgl. Glötzl & Aigner 2018) • Auch: deutlich weniger interdisziplinärer Figure 4. Citation network of the SocEcon-WU. Green (light-gray): orthodox journals. Red (dark-gray): Austausch Kern-Periphery Zitationsnetzwerk Zitationsnetzwerk am WU-SocEcon heterodox journals. Blue (gray): non-categorized journals. Node size: weighted in-degree. Edge width: number of citations. Number: journal ID; see Table A4, Appendix. am WU-Econ Figure 2. Citation network of the Econ-WU. Green (light-gray): orthodox journals. Red (dark-gray): het- erodox journals. Blue (gray): non-categorized journals. Node size: weighted in-degree. Edge width: Non-categorized journals play a major role. The greater importance of the heterodox number of citations. Number: journal ID; see Table A4, Appendix. group at the SocEcon-WU is strongly linked to Ecological Economics (1), which is the most important journal in the network. There are significantly more heterodox journals Economic Forecasting with an Agent-based Model to the weighted in-degree, i.e., the number of connections directed to the respective node, weighted by the respective frequency (for a ranking by weighted in-degree, see Table A3). present in the network than for the economics departments; however, the Cambridge • In vielen Kriterien besser performende Modelle werden The journals corresponding to the ID numbers on the nodes can be found in Table A4 in Journal of Economics is the only other heterodox journal ranked under the Top 20 in the Appendix. Below, the ID numbers are listeda,b,c,f,⇤in brackets next to the journal name. e,a,b,gterms of weighted in-degree. d,h,i The most important non-categorized journals include The key feature of theSebastian Poledna citation networks , Michael for the two economics GregorisMiess departments that they , Cars Hommes Environmental Values (21), Climate Change (122), Urban Studies (43), Regional Studies reveal a similar ‘orthodox core–heterodox periphery’ structure. This is underlined by the (23) and European Planning Studies (30). nicht in Top-Journalen publiziert, weil sie nicht zum a yellow (bold) ellipses International Institute added to the network for Applied graphs. Systems Orthodox journalsAnalysis, Schlossplatz predominantly lie 1, 2361 Laxenburg, The dominant Austria journals cited by the three departments suggest that the departments not b Institute for Advanced Studies, Josefstädter Straße 39, 1080 Wien, Austria within them, while heterodox journals and non-categorized journals tend to be located in only differ with respect to the role of heterodox and non-categorized journals within their c Institute for Advanced Study, University of Amsterdam, Oude Turfmarkt 147, 1012 GC Amsterdam, The Netherlands the periphery of the networks. networks, but also focus on different research areas. In the following, we use the modular- The dominant core of the networksd CeNDEF, consists of University of Amsterdam, several heavily cited orthodox Amsterdam, journals. Netherlands ity algorithm to identify clusters in the network in order to investigate the thematic and Lakatos’schen Kern passen e Institute for Ecological Economics, Vienna University of Economics and Business, Welthandelsplatz 1, 1020 Wien, Austria For both economics departments, the American Economic Review (2) is the most impor- disciplinary orientation of the departments. tant journal in this respect.f Earthquake Together with Research Institute, the Quarterly TheofUniversity Journal Economicsof Tokyo, (9), Econ-Bunkyo-ku, Tokyo, Japan ometrica (10), as well as the gReview Complexity Scienceand of Economics HubStatistics Vienna,(15)Josefstädter Straße 39, 1080 Wien, Austria for the Econ-WU and the Journal of Political Economy (16) for hthe 3.3. Citation community analysis Tinbergen Econ-UV, Institute, Amsterdam, it constitutes Netherlands the center of the core group. The primary heterodox journal present i Bank in of both networks Canada, is the Canada Ottawa, Journal Only 25 percent of citations at the Econ-WU and 19 percent at the Econ-UV are to non- of Economic Behavior and Organization (6), which is located in the periphery but categorized journals (see Table A2). This is indicative of a mono-disciplinary research shows strong ties to the core of the network. The Journal of Evolutionary Economics focus. In contrast, non-categorized journals are of great importance at the SocEcon- (66) is located next to it. The most relevant non-categorized journal in both departments is the Journal of Finance (28). Abbildung oben: Aistleitner et al. (2019) stract 20 Abbildungen unten: Glötzl und Aigner (2018)
Mögliche Kritikpunkte am Pluralismus Kritik 3: die richtigen Ansätze werden empirisch identifiziert Möglicher Einwand: die Forderung nach Pluralität ist überflüssig. Was gut ist zeigt sich empirisch, und da ist die VWL seit dem empirical turn meritokratisch! • Empirische Forschung wird in der VWL sehr speziell verstanden • Quantitative, häufig im optimization-cum-equilibrium Ansatz verwurzelte Verfahren • Zudem: wenig empirische Evidenz für einen “empirical turn” (Cherrier 2016) • Zudem könnte eine Vielfalt in der Empirie ohnehin keinen theoretischen Monismus ausgleichen → Theoriegeladenheit der Beobachtung Quelle der Abbildung 21
Mögliche Kritikpunkte am Pluralismus Kritik 3: die richtigen Ansätze werden empirisch identifiziert It is absolutely wrong to build a theory only on observations. Because it is only the prior theory that decides what we can actually observe. Albert Einstein Quelle der Abbildung 22
Mögliche Kritikpunkte am Pluralismus Kritik 3: die richtigen Ansätze werden empirisch identifiziert • Auch Messverfahren und Beobachtungsdaten sind „theoriegeladen“: greifen auf bestimmte konzeptionelle Ideen bzw. theoretische Vorannahmen zurück • Unterschiedliche theoretische Ausgangsperspektiven → unterschiedliche Maßgrößen/Beobachtungsaussagen (Beispiel globale Ungleichheit) • So begrüßenswert der ‘empirical turn’ an manchen Stellen sein mag - er stellt an keiner Stelle eine ernsthafte Herausforderung für epistemologisch begründeten Pluralismus dar • Vielmehr ist ein pluraler Ansatz eine konstruktive Antwort auf die Unsicherheit, die empirischer Forschung notwendigerweise innewohnt: “ Our truth is the intersection of independent lines. Levins (1966, S. 423) Richard Levins Quelle der Abbildung 23
Mögliche Kritikpunkte am Pluralismus Kritik 4: Pluralismus führt zu wissenschaftlicher Anarchie • Die Suche nach der Wahrheit im Sinne der intersection of indepenendent lines setzt independent lines und damit Vielfalt voraus • Klassisches Gegenargument: das führt zu Relativismus und schlechter Forschung! • Tatsächlich wird die Abschaffung von Qualitätsstandards von pluralen Ökonom:innen nicht gefordert, im Gegenteil → klassischer Strohmann • Dennoch zwei Herausforderungen, die plurale Forschungspraxis erschweren Herausforderung der Herausforderung der Kommunikation Qualitätssicherung 24
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Herausforderungen und die Relevanz inklusiver Institutionen
Eine epistemologischer Trade-Off • Jetzt: Fokus auf eine epistemologische Begründung • → Reaktion auf die epistemologischen Herausforderungen Herausforderung der Herausforderung der Kommunikation Qualitätssicherung Zielkonflikt zwischen Diversität und Konsens • Beide Herausforderungen als Teil eines allgemeineren Trade-Offs • Auch der Grund dafür warum Pluralismus eine Sache des Maßes ist 27
Der Trade-Off zwischen Diversität und Konsens Extremfall I Extremfall II • Maximal monistische Wissenschaft • Maximal diverse Wissenschaft • Konsens bezüglich Methode • Keinerlei geteilte Methoden • Eindeutiges Theoriegebäude • Kein gemeinsamer Theorierahmen • Sehr effiziente ‘Normalwissenschaft’ • Keinerlei ‘Normalwissenschaft’ • Sehr gute Kommunikation • Kommunikation nicht möglich • Eindeutige Qualitätskriterien • Keine geteilten Qualitätskriterien • Kaum Innovation, viele blinde • Kaum vertiefende Erkenntnis, kein Flecken sozialer Erkenntnisfortschritt 28
Der Trade-Off zwischen Diversität und Konsens Extremfall I Extremfall II • Maximal monistische Wissenschaft • Maximal diverse Wissenschaft • Beide Fälle sind aus epistemologischer Sicht dysfunktional • Die monistische Community profitiert massiv von ein bisschen mehr Diversität • Die dadurch entstehenden Kosten sind minimal • In der diversen Community genau andersrum a) Kosten und Nutzen von Pluralität b) Epistemologische Netto−Nutzen • Ein gewisser Grad von Konsens Epistemologische Netto−Nutzen (Nutzen − Kosten) ist notwendig… Epistemologischer Nutzen/Kosten • …aber zu viel verhindert Innovation Grad der Pluralität Grad der Pluralität Nutzen Kosten Nutzen − Kosten 29 Quelle der Abbildungen
Kommunikation in einer pluralen Ökonomik • Vertreter:innen verschiedener Paradigmen verstehen sich oft nicht • Häufig liegt der Dissens auf tieferen, meta-theoretischen Ebenen • Oberflächliche Diskussion über die Qualität konkreter Forschungspapiere • Ursache: Uneinigkeit darüber was überhaupt als ‘gute Erklärung’ zählt • Ökonom:innen brauchen die analytische Sprache um Dissens zu benennen • Durch die richtigen a) Kosten und Nutzen von Pluralität b) Netto−Nutzen von Pluralität Institutionen wird mehr Epistemologische Netto−Nutzen (Nutzen − Kosten) Epistemologischer Nutzen/Kosten Pluralität möglich Degree of plurality Grad der Pluralität Nutzen Institutionenqualität schlecht Institutionenqualität gut Institutionenqualität mittel 30 Quelle der Abbildungen
Die Rolle von Institutionen in der Pluralen Ökonomik • Ökonom:innen brauchen die analytische Sprache um Dissens zu benennen • Kurse in HET und PoE können dieses Vokabular vermitteln • Kommunikation als Praxis → Konstruktion von Begegnungsforen • Es bleibt aber eine Abwägung → Pluralität hat immer (epis.) Kosten und Nutzen • Pluralismus muss sich die Frage nach dem gewünschten Grad an Pluralität stellen • Aber: wie bei der Gerechtigkeit brauchen wir keine perfekte Theorie zum besten Grad an Pluralismus um festzustellen, dass es aktuell zu wenig Pluralität gibt • Bedarf Änderungen auf individueller und systemisch-institutioneller Ebene • Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung an der WU eher ein Schritt in die falsche Richtung 31
Qualitätssicherung in einer pluralen Ökonomik • Wie die hermeneutische Analyse mit dem DSGE Modell vergleichen? • Leider muss das manchmal sein → Verteilung von Prestige, Stellen, Forschungsgeldern… • Verwendung sowohl inhaltlicher als auch prozeduraler Kriterien Beurteilung des Prozesses in Beurteilung der Idee an sich dem die Idee entstand Institutionen ermöglichen Kritik wird aufgenommen Artikulation von Kritik → Reaktion 1. Schritt: wiss. Tugenden (Konsistenz, Transparenz, …) Longino’s Critical Contextual Empiricism Norms* 2. Schritt: spezifische Kriterien Inhaltliche anstatt zeremonieller Transparenz der gemäß d. Anwendungsgebiets Evaluation von Kritik Qualitätskriterien *: Longino (2002) 32
Zusammenfassung • Debatten über Pluralismus scheitern (zu) oft an Begrifflichkeit • Für Pluralität und Pluralismus gibt es jeweils unterschiedliche Dimensionen • Viel Kritik an der Pluralen Ökonomik substanziell nicht haltbar • In methodologischen und epistemologischen Dimensionen ist die VWL nicht plural • Pfadabhängigkeiten und ungleiche Machtverhältnisse verhindern Pluralismus • Empirie alleine kann uns nicht retten, Beobachtungen sind theoriegeladen • Pluralismus impliziert nicht ‘Anything Goes’ sondern erstmal nur breitere Standards • Vor allem in der aktuellen Situation bringt Pluralismus epistemologische Vorteile. Wenn viel Pluralität herrscht, wird der Trade-Off zwischen Konsens und Diversität relevanter • Kommunikation und Qualitätssicherung erschwert • Aber: Mit angemessenen Institutionen ist (noch) mehr Pluralität möglich! 33
Referenzierte Literatur Aistleitner, M., Kapeller, J., & Steinerberger, S. (2019). Citation patterns in economics and beyond. Science in Context, 32(4), 361–380. https://doi.org/ 10.1017/s0269889720000022 Akerlof, G. A. (2020). Sins of Omission and the Practice of Economics. Journal of Economic Literature, 58(2), 405–418. https://doi.org/10.1257/ jel.20191573 Berg, N., & Gigerenzer, G. (2010). As-If Behavioral Economics: Neoclassical Economics in Disguise? History of Economic Ideas, 18(1), 133–165. Cherrier, B. (2016). Is there really an empirical tun in economics?, INET Blog, 29. Sept., online: https://www.ineteconomics.org/perspectives/blog/is- there-really-an-empirical-turn-in-economics Dobusch, L., & Kapeller, J. (2009). “Why is Economics not an Evolutionary Science?” New Answers to Veblen’s Old Question. Journal of Economic Issues, 43(4), 867–898. https://doi.org/10.2753/jei0021-3624430403 Glötzl, F., & Aigner, E. (2018). Orthodox Core–Heterodox Periphery? Contrasting Citation Networks of Economics Departments in Vienna. Review of Political Economy, 30(2), 1–34. https://doi.org/10.1080/09538259.2018.1449619 Gräbner, C. (2017). The Complexity of Economies and Pluralism in Economics. Journal of Contextual Economics, 137(3), 193–225. https://doi.org/ 10.3790/jce.137.3.193 Gräbner, C., & Strunk, B. (2020). Pluralism in economics: its critiques and their lessons. Journal of Economic Methodology, 27(4), 311–329. https:// doi.org/10.1080/1350178x.2020.1824076 Levins, R. (1966). The Strategy of Model Building in Population Biology. American Scientist, 54(4), 421–431. Mäki, U. (1997). The one world and the many theories (A. Salanti & E. Screpanti, Eds.; pp. 37–47). Edward Elgar. Rothschild, K. W. (1999). To Push and to Be Pushed. The American Economist, 43(1), 1–8. https://doi.org/10.1177/056943459904300101 Senghaas, D. (1975). Peripherer Kapitalismus. Analysen über Abhängigkeit und Unterentwicklung. Suhrkamp. 34
Weiterführende Literatur (Auswahl) Zur Begründung von Pluralismus: Dobusch, L., & Kapeller, J. (2012). Heterodox United vs. Mainstream City? Sketching a Framework for Interested Pluralism in Economics. Journal of Economic Issues, 46(4), 1035–1058. https://doi.org/10.2753/jei0021-3624460410 Gräbner, C. (2017). The Complexity of Economies and Pluralism in Economics. Journal of Contextual Economics, 137(3), 193–225. https://doi.org/ 10.3790/jce.137.3.193 Zum Status Quo in der VWL: Aistleitner, M., Kapeller, J., & Steinerberger, S. (2019). Citation patterns in economics and beyond. Science in Context, 32(4), 361–380. https://doi.org/ 10.1017/s0269889720000022 Akerlof, G. A. (2020). Sins of Omission and the Practice of Economics. Journal of Economic Literature, 58(2), 405–418. https://doi.org/10.1257/ jel.20191573 Dobusch, L., & Kapeller, J. (2009). “Why is Economics not an Evolutionary Science?” New Answers to Veblen’s Old Question. Journal of Economic Issues, 43(4), 867–898. https://doi.org/10.2753/jei0021-3624430403 Glötzl, F., & Aigner, E. (2019). Six Dimensions of Concentration in Economics: Evidence from a Large-Scale Data Set. Science in Context, 32(4), 381– 410. https://doi.org/10.1017/s0269889720000034 Zur Kritik am Pluralismus: Becker, J. (2017). Die Plurale Ökonomik setzt ihren Erfolg aufs Spiel, Makronom. Online-Magazin für Wirtschaftspolitik Verfügbar online. Dobusch, L. (2017). Standardsituationen der Ökonomiekritik, Makronom. Online-Magazin für Wirtschaftspolitik. Verfügbar online. Gräbner, C., & Strunk, B. (2020). Pluralism in economics: its critiques and their lessons. Journal of Economic Methodology, 27(4), 311–329. https:// doi.org/10.1080/1350178x.2020.1824076 Gräbner, C., & Strunk, B. (2020). Kritik an der Pluralen Ökonomik – Was ist dran und warum ist das wichtig? Oekonomenstimme. Verfügbar online 35
Anhang zu Zitationsverhalten nach Glötzl & Aigner (2018) REVIEW OF POLITICAL ECONOMY 5 8 F. GLÖTZL AND E. AIGNER Table 1. Publications by department and journal category. Table 2. Citations by department and orthodoxy of cited journal. SocEcon-WU Econ-WU Econ-UV SocEcon-WU Econ-WU Econ-UV Number % of total number % of total Number % of total Number % of total Number % of total Number % of total Publications O 16 9.9 106 57.9 144 65.8 Citations O 858 23.84 3,205 71.88 3,012 77.87 H 27 16.8 14 7.7 24 11.0 H 425 11.81 139 3.12 113 2.92 N 118 73.3 63 34.4 51 23.3 N 2,316 64.35 1,115 25.01 743 19.21 T 161 100 183 100 219 100 T 3,599 100 4,459 100 3,868 100 O – Orthodox, H – Heterodox, N – Non-categorized, T – Total. O – Orthodox, H – Heterodox, N – Non-categorized, T – Total. Table 3. H–O citation ratios by department and type of journal. Ähnliche Anzahl At the time of data collection, an Publikationen the two bei departments at the WU were ähnlicher of similar size. In Department GrößeSocEcon-WU (~83, UV:Econ-WU 31) Econ-VU Total total, 83 post-doctoral researchers and professors worked in each11 department. The econ- Orthodox publication 0.222 0.014 0.035 0.034 REVIEW OF POLITICAL ECONOMY Heterodox publication 12 1.762 F. GLÖTZL AND E. AIGNER 0.597 0.089 0.729 omics department at the University of Vienna was smaller and included 31 researchers. Non-categorized publication 0.175 0.024 0.024 0.060 The journals in which the researchers published vary significantly between departments. Total 0.495 0.043 0.038 0.101 We used Lee et al.’s (2010) classification of 254 major economics journals to assign jour- nals to a heterodox, an orthodox or a non-categorized group, respectively. The Econ-WU the citations are to orthodox journals, while citations to orthodox journals account for 72 published 58 percent of its articles in orthodox journals and 8 percent in heterodox jour- percent at the Econ-WU and 78 percent at the Econ-UV. Conversely, for the SocEcon- ← nals. At the Econ-UV, 66 percent of articles were published in orthodox journals and 11 Kern-Peripherie Zitationsnetzwerk WU, 12 percent of the citations are to heterodox journals. In the economics departments, percent in heterodox journals. In contrast, the SocEcon-WU published only 10 percent of this is only 3 percent. The largest share of citations at the SocEcon-WU is to non-categor- its articles in orthodox journals and 17 percent in heterodox outlets. The share of articles published in non-categorized journals, which include journals from other disciplines, Weniger dichtes und ized journals (64 percent), whereas this share is only 25 and 19 percent for Econ-WU and Econ-UV, respectively. amounted to 73 percent at the SocEcon-WU, 34 percent at the Econ-WU diversesandZitationsnetzwerk 23 → of the citations by department and by journal category reveals some A decomposition percent at the Econ-UV (Table 1). remarkable differences. To illustrate these differences we calculated the ratio of citations to The publication patterns suggest that both economics departments are mainstream- heterodox journals to citations to orthodox journals: oriented, which reinforces the criticism leveled by students. The SocEcon-WU’s publi- Citations to heterodox journals cation patterns, with a larger share of articles published in heterodox and non-categorized H − Ocitation ratio = journals, is congruent with the department’s goal of pursuing critical and interdisciplinary Citations to orthodox journals approaches. This different orientation of the departments constitutes an adequate basis on A ratio higher than one denotes more citations to heterodox journals than to orthodox which to investigate similarities and differences in the discourse structure between the two journals and vice versa. Table 3 shows the respective ratios for each journal category mainstream departments and the SocEcon-WU, as well as the links to other disciplines of and department. heterodox and orthodox economics. For the total data set, the ratio is 0.101. Thus, overall, authors cite orthodox journals ten times more often than heterodox journals. Orthodox articles are cited more frequently in 2.2. Research method all three journal categories. With a value of 0.729, the H–O citation ratio of heterodox pub- lications is, however, over 10 times higher than for non-categorized publications (0.060) To test the hypotheses regarding the existence of a core–periphery pattern and the extent and over 20Figuretimes4. higher Citation than foroforthodox network publications the SocEcon-WU. (0.034).orthodox Green (light-gray): The ratio is distinctively journals. Red (dark-gray): of interdisciplinary links at the department level, we combine cognitive bibliometrics and higher for the SocEcon-WU, with 0.495, compared to 0.043 for the Econ-WU andEdge heterodox journals. Blue (gray): non-categorized journals. Node size: weighted in-degree. width: 0.038 Figure 3. Citation network of the Econ-UV. Green (light-gray): orthodox journals. Red (dark-gray): het- social erodox network journals. Blue analysis. Bibliometrics is used to calculate in-degree. impact Edge width:factors for journals and number of citations. Number: journal ID; see Table A4, Appendix. (gray): non-categorized journals. Node size: weighted number of citations. Number: journal ID; see Table A4, Appendix. for the Econ-VU, respectively. Considering the department and the journal category publications and thereby has an evaluative function. It is, nonetheless, also a tool for together reveals that only heterodox publications of the SocEcon-WU cite heterodox describing patterns of communication within science. This type of cognitive bibliometrics, articles more Non-categorized frequently thanjournals orthodox playones; a major the role. ratioThe greater importance of the heterodox is 1.762. At the Econ-WU there is a small heterodox group around the Cambridge Journal of group at the SocEcon-WU is strongly linked to Ecological Economics (1), which is the as coined by Rip and Courtial (1984), reveals which authors, journals or groups engage in a The calculated H–O citation ratios do not correct for the lower number of heterodox Economics (61) and Metroeconomica (69), which exhibits significantly weaker ties to the dialogue core than with each other. the heterodox journalsDense citation discussed structures previously. Moreover, cantherebeareatwo result otherof similar content areas, 36journals inmost Abbildungen: Glötzl und Aigner (2018) important journal in the network. There are significantly more heterodox journals comparison with orthodox journals, which is one reason for the high ratios. similar methodologies major non-categorized journals(Pieters at the coreand of theBaumgartner network, namely,2002) or ofthe the Journal social function of citations Corpor- present in the network than for the economics departments; however, the Cambridge
Anhang zu Zitationsverhalten nach Glötzl & Aigner (2018) Interdisziplinarität im Zitationsverhalten nicht erkennbar Interdisziplinarität im Zitationsverhalten deutlich erkennbar 16 F. GLÖTZL AND E. AIGNER 14 F. GLÖTZL AND E. AIGNER Figure 5. Citation networks of Econ-WU. Color according to modularity class (please refer to digital version of the article). Categorized according to dominant discipline, topic and school of thought. Figure 7. Citation networks of SocEcon-WU. Color according to modularity class (please refer to digital Node size: weighted in-degree. Edge width: number of citations. Number: journal ID; see Table A4, version of the article). Categorized according to dominant discipline, topic and school of thought. Node Appendix. size: weighted in-degree. Edge width: number of citations. Number: journal ID; see Table A4, Appendix. Journal of Evolutionary Economics. This is consistent with the notions of ‘mainstream het- periphery’ structure suggested in the literature and illustrated schematically by Dobusch erodoxy’ (Davis 2008), ‘inside-the-mainstream’ heterodoxy (Colander, Holt, and Rosser and Kapeller (2012b). The citation networks of both departments are mono-centric, where the center is made up of a few heavily-cited orthodox journals. Heterodox journals 37 Abbildungen: 2004, 2010) and ‘mainstream Glötzl und dissent’ (Dobusch Aigner2012b) and Kapeller (2018)attributed to behav- ioral economics and evolutionary economics. The community analysis of the networks are located in the periphery. The heterodox journals that exhibit the strongest ties to
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