Warum es bei der Risikokommunikation nicht nur auf Risiko-Zahlen ankommt! - Vortrag auf der Tagung der Herbsttagung der Deutschen Schutzkommission ...
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Warum es bei der Risikokommunikation nicht nur auf Risiko-Zahlen ankommt! Vortrag auf der Tagung der Herbsttagung der Deutschen Schutzkommission 2014 Peter M. Wiedemann University of Wollongong, Australia WF EMF Berlin
Risiko ist ein Konstrukt Der Risikobegriff Risiko: Erwartung eines Schadens Risiko ist eine Prognose über das Auftreten zukünftiger Ereignisse (in Abhängigkeit von bestimmten Randbedingungen) • Wahrscheinlichkeit als Maß der Möglichkeit • Wahrscheinlichkeit x Schaden
Risikowahrnehmung Campos, J.J., et al. (1978). The emergence of fear on the visual cliff. In Michael Lewis and Leonard A. Rosenblum (Eds.). The development of affect. New York: Plenum.
Risikowahrnehmung? Bezogen auf Produkte und Technologien sind wir nicht in der Lage, Risiken wahrzunehmen! Vorsicht: Gentechnik! taz, 15.9.2014
Risikowahrnehmung • Risikowahrnehmungen sind intuitive Urteile. • Sie können, müssen aber nicht auf „Wahrnehmung“ beruhen. • In vielen Fällen sind wir auf Risiko-Informationen aus der Wissenschaft und den Medien angewiesen.
Für das gleiche Risiko gibt es unterschiedliche Risikozahlen. „Jede zehnte Frau in Deutschland ist im Laufe ihres Lebens von Brustkrebs betroffen.“ ① Etwa 3 von 1000 Frauen, die 60 Jahre alt sind, bekommen im nächsten Lebensjahr Brustkrebs. ② Jedes 8. weibliche Neugeborene bekommt im Laufe seines Lebens Brustkrebs. ③ 4 von 100 Frauen, die älter sind als 24 Jahre, bekommen bis zur Erreichung ihres 60. Lebensjahres Brustkrebs.
Kr Risiko an Brustkrebs zu erkranken: 1 von 10 Frauen 1 von 8 Frauen = Kumulative Risiko- angabe Nicht sinnvoll! Für 50jährige Frau Risiko im nächsten Jahr an Brustkrebs zu erkranken: 0,223% 2 von 1000 Frauen Kürzl R: Evidenzbasierte Missverständnisse beim Mammakarzinom - Erkrankungsrisiko und Mortalitätsreduktion. Dtsch Ärzteblatt (2004) 101: A 2387-2390
Risikovergleiche, ein Versuch Risiken zu vermitteln
Risikovergleiche • Risikovergleiche – Ein unbekanntes Risiko wird mit einem bekannten Risiko verglichen. • Risikovergleiche dienen der Verständnissicherung sowie als Bewertungshilfe.
Risikovergleiche • Stimmen die Zahlen? • Kann man die Risiken vergleichen? • Hilft der Vergleich Laien? Dosis gleiches Risiko ( 5: 100 000) 1 mSv 200 km Motorradfahren 1 mSv 3750 km Autofahren 1 mSv 18000 km Fliegen 1 mSv 75 Zigaretten Rauchen 1 mSv 75 min Klettern 1 mSv 1-2 Jahre in einer Fabrik arbeiten 1 mSv 17 Stunden als 60-Jähriger zu leben Tabe Tabelle 1: Risiken im Vergleich zu einer Strahlendosis von 1 mSv. Quelle: Med. Universität Wien http://www.meduniwien.ac.at/nuklear/information/medizinischespersonal/strahlenrisikofuerdenpatienten.html
Befunde • Risikovergleiche werden akzeptiert. Sie haben einen positiven Einfluss auf das Risikoverständnis. • Vergleiche beeinflussen die Risikowahrnehmung nur wenig. • Vergleiche haben keine beruhigende Wirkungen. • Vergleiche beeinflussen kaum die Risikoakzeptanz.
Alle Vergleiche hinken. Handy-Telefonieren ist „möglicherweise krebserregend“ Selbst dann, wenn sich Risiken vergleichen lassen, sind sie sich nicht ähnlich! Schon gar nicht psychologisch!
Manchmal kommt es darauf an, wie gut man etwas lesen kann. Was ist riskanter: Aspirin oder Acetylsalicylsäure? Die intuitive Risikobewertung kann durch Lesbarkeit der Information beeinflusst werden. H. Song & N. Schwarz (2006): If It’s Difficult to Pronounce, It Must Be Risky. Psychological Sciences
Was folgt daraus für die Risikokommunikation? • Risikovergleiche helfen zwar im Prinzip, nutzen aber nicht wirklich. • Es geht nicht nur um das Verständnis von Zahlen und Größenordnungen. • Offenbar spielen auch andere Kriterien eine Rolle.
Es geht nicht nur um Risikozahlen!
Risiko-Stories
Risikoinformationen kommen in Risiko-Stories Risiko-Story Wer hat welches Risiko warum für wen in die Welt gebracht? Und: Jede Geschichte hat eine Moral.
Story A Am 12.6.01 trat in der Fabrik der Xeno Gmbh in Weinrich aufgrund eines Unfalls Gase aus. Diese Gase beinhalteten den Stoff Fonotan. Es gibt einzelne Hinweise darauf, dass der Stoff möglicherweise krebserregend ist. Wissen- schaftlich gibt es dafür aber noch keinen schlüssigen Beweis. Nach dem Unfall gab es erhebliche Unruhe bei den Anwohnern, obwohl keine akuten Gesundheitsstörungen auftraten. Die Firma Xeno GmbH, eine kleines Familienunternehmen, das seit drei Gene- Rationen in Weinrich ansässig ist, hat nach dem Unfall sofort eine Pressekon- ferenz einberufen und sich bei allen Anwohnern entschuldigt, obwohl der Unfall durch eine Fremdfirma verursacht wurde. Die Firma hat weiterhin allen Anwohnern Unterstützung bei der medizinischen Vorsorgeuntersuchungen zugesichert.
Story B Am 12.6.01 trat in der Fabrik der Xeno Gmbh in Weinrich aufgrund eines Unfalls Gase aus. Diese Gase beinhalteten den Stoff Fonotan. Es gibt einzelne Hinweise darauf, dass der Stoff möglicherweise krebserregend ist. Wissen- schaftlich gibt es dafür aber noch keinen schlüssigen Beweis. Nach dem Unfall gab es erhebliche Unruhe bei den Anwohnern, obwohl keine akuten Gesundheitsstörungen auftraten. Die Firma Xeno GmbH gehört dem weltweit operierenden Konzern Axas, der alle Presseanfragen bislang mit Schweigen beantwortet hat. Die Geschäfts- leitung verweist darauf, dass sie nicht bereit ist, dazu eine Stellung zu beziehen, bis alle Ursachen geklärt sind. Allerdings gibt es offenbar Hinweise darauf, das der Unfall Folge der Einsparpolitik des Unternehmens ist. Die Firma lehnt bislang alle Forderungen der Anwohner auf Unterstützung ab.
Es kommt auf die Risiko-Story an! • Je nach Story werden verschiedene Emotionen induziert.
Was passiert, wenn unterschiedliche Risikogeschichten erzählt werden 7.0 Empörung Nachsicht 6.0 Risikowahrnehmung 5.0 4.0 N= 230 229 188 188 162 164 Pflanzenschutzmittel Störfall Handy Wiedemann, Clauberg & Schuetz (2003)
Der Kern der Risiko-Story: Es kommt darauf an, ob ein Risiko moralisch akzeptabel ist! • Verstöße gegen Schutz und Fürsorge – Man darf (ohne triftigen Grund) kein Menschenleben riskieren! • Verstöße gegen Fairness – Man darf Risiken nicht einseitig Anderen aufbürden! • Verstöße gegen Loyalität – Man darf Risiken nicht verschweigen oder kleiner reden als sie sind.
Was folgt daraus für die Risikokommunikation? Die Risiko-Zahlen sollten stimmen. Aber das ist nicht alles. Es kommt darauf an, – den Nutzen zu thematisieren, – sich mit den wahrgenommen Moralverstößen auseinanderzusetzen. – und die richtige Risiko-Story zu erzählen!
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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