Warum es bei der Risikokommunikation nicht nur auf Risiko-Zahlen ankommt! - Vortrag auf der Tagung der Herbsttagung der Deutschen Schutzkommission ...

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Warum es bei der Risikokommunikation nicht nur auf Risiko-Zahlen ankommt! - Vortrag auf der Tagung der Herbsttagung der Deutschen Schutzkommission ...
Warum es bei der
Risikokommunikation nicht nur auf
      Risiko-Zahlen ankommt!

Vortrag auf der Tagung der Herbsttagung der Deutschen
                   Schutzkommission
                         2014

               Peter M. Wiedemann
         University of Wollongong, Australia
                   WF EMF Berlin
Warum es bei der Risikokommunikation nicht nur auf Risiko-Zahlen ankommt! - Vortrag auf der Tagung der Herbsttagung der Deutschen Schutzkommission ...
Risiko ist ein Konstrukt

Der Risikobegriff
Risiko: Erwartung eines Schadens

Risiko ist eine Prognose über das
Auftreten zukünftiger Ereignisse (in
Abhängigkeit von bestimmten
Randbedingungen)

• Wahrscheinlichkeit als Maß der
  Möglichkeit

• Wahrscheinlichkeit x Schaden
Warum es bei der Risikokommunikation nicht nur auf Risiko-Zahlen ankommt! - Vortrag auf der Tagung der Herbsttagung der Deutschen Schutzkommission ...
•   Risikowahrnehmung
•   Risikozahlen
•   Risikovergleiche
•   Risiko-Stories
Warum es bei der Risikokommunikation nicht nur auf Risiko-Zahlen ankommt! - Vortrag auf der Tagung der Herbsttagung der Deutschen Schutzkommission ...
Risiko

Was nehmen wir wahr?
Und wie?
Warum es bei der Risikokommunikation nicht nur auf Risiko-Zahlen ankommt! - Vortrag auf der Tagung der Herbsttagung der Deutschen Schutzkommission ...
Risikowahrnehmung

Campos, J.J., et al. (1978). The emergence of fear on the visual
cliff. In Michael Lewis and Leonard A. Rosenblum (Eds.). The
development of affect. New York: Plenum.
Warum es bei der Risikokommunikation nicht nur auf Risiko-Zahlen ankommt! - Vortrag auf der Tagung der Herbsttagung der Deutschen Schutzkommission ...
Risikowahrnehmung
Warum es bei der Risikokommunikation nicht nur auf Risiko-Zahlen ankommt! - Vortrag auf der Tagung der Herbsttagung der Deutschen Schutzkommission ...
Risikowahrnehmung?

Bezogen auf Produkte und Technologien sind wir
nicht in der Lage, Risiken wahrzunehmen!

                                                 Vorsicht: Gentechnik!

                        taz, 15.9.2014
Warum es bei der Risikokommunikation nicht nur auf Risiko-Zahlen ankommt! - Vortrag auf der Tagung der Herbsttagung der Deutschen Schutzkommission ...
Risikowahrnehmung

• Risikowahrnehmungen sind intuitive Urteile.
• Sie können, müssen aber nicht auf „Wahrnehmung“
  beruhen.
• In vielen Fällen sind wir auf Risiko-Informationen aus der
  Wissenschaft und den Medien angewiesen.
Warum es bei der Risikokommunikation nicht nur auf Risiko-Zahlen ankommt! - Vortrag auf der Tagung der Herbsttagung der Deutschen Schutzkommission ...
Fehler und Fallen bei der Risiko-Information
Warum es bei der Risikokommunikation nicht nur auf Risiko-Zahlen ankommt! - Vortrag auf der Tagung der Herbsttagung der Deutschen Schutzkommission ...
Für das gleiche Risiko gibt es unterschiedliche
                   Risikozahlen.
„Jede zehnte Frau in Deutschland ist im Laufe
ihres Lebens von Brustkrebs betroffen.“

① Etwa 3 von 1000 Frauen, die 60 Jahre alt
  sind, bekommen im nächsten Lebensjahr
  Brustkrebs.
② Jedes 8. weibliche Neugeborene bekommt
  im Laufe seines Lebens Brustkrebs.
③ 4 von 100 Frauen, die älter sind als 24
  Jahre, bekommen bis zur Erreichung ihres
  60. Lebensjahres Brustkrebs.
Kr
                                                                                        Risiko an Brustkrebs
                                                                                        zu erkranken:

                                                                                        1 von 10 Frauen
                                                                                        1 von 8 Frauen

                                                                                        = Kumulative Risiko-
                                                                                          angabe

                                                                                        Nicht sinnvoll!

                                                                                        Für 50jährige Frau
                                                                                        Risiko im nächsten
                                                                                        Jahr an Brustkrebs
                                                                                        zu erkranken:
                                                                                         0,223%
                                                                                         2 von 1000 Frauen
Kürzl R: Evidenzbasierte Missverständnisse beim Mammakarzinom - Erkrankungsrisiko und
Mortalitätsreduktion. Dtsch Ärzteblatt (2004) 101: A 2387-2390
Risikovergleiche, ein Versuch Risiken zu
               vermitteln
Risikovergleiche

• Risikovergleiche

   – Ein unbekanntes Risiko wird mit einem bekannten Risiko
     verglichen.

• Risikovergleiche dienen der Verständnissicherung sowie als
  Bewertungshilfe.
Risikovergleiche
 • Stimmen die Zahlen?
 • Kann man die Risiken vergleichen?
 • Hilft der Vergleich Laien?
 Dosis                 gleiches Risiko ( 5: 100 000)
 1 mSv                 200 km Motorradfahren
 1 mSv                 3750 km Autofahren
 1 mSv                 18000 km Fliegen
 1 mSv                 75 Zigaretten Rauchen

 1 mSv                  75 min Klettern
 1 mSv                  1-2 Jahre in einer Fabrik arbeiten
 1 mSv                  17 Stunden als 60-Jähriger zu leben
Tabe
Tabelle 1: Risiken im Vergleich zu einer Strahlendosis von 1 mSv. Quelle: Med. Universität Wien
http://www.meduniwien.ac.at/nuklear/information/medizinischespersonal/strahlenrisikofuerdenpatienten.html
Befunde

• Risikovergleiche werden akzeptiert. Sie haben einen positiven
  Einfluss auf das Risikoverständnis.

• Vergleiche beeinflussen die Risikowahrnehmung nur wenig.

• Vergleiche haben keine beruhigende Wirkungen.

• Vergleiche beeinflussen kaum die Risikoakzeptanz.
Alle Vergleiche hinken.

 Handy-Telefonieren ist „möglicherweise krebserregend“

Selbst dann, wenn sich Risiken vergleichen lassen, sind sie sich
nicht ähnlich! Schon gar nicht psychologisch!
Manchmal kommt es darauf an, wie gut man
             etwas lesen kann.

Was ist riskanter: Aspirin oder Acetylsalicylsäure?

Die intuitive Risikobewertung kann durch
Lesbarkeit der Information beeinflusst werden.
          H. Song & N. Schwarz (2006): If It’s Difficult to Pronounce, It Must Be
          Risky. Psychological Sciences
Was folgt daraus für die Risikokommunikation?

• Risikovergleiche helfen zwar im Prinzip,
  nutzen aber nicht wirklich.

• Es geht nicht nur um das Verständnis von
  Zahlen und Größenordnungen.

• Offenbar spielen auch andere Kriterien
  eine Rolle.
Es geht nicht nur um Risikozahlen!
Risiko-Stories
Risikoinformationen kommen in Risiko-Stories

                      Risiko-Story

                      Wer hat welches Risiko
                      warum
                      für wen
                      in die Welt gebracht?

                      Und: Jede Geschichte hat eine
                      Moral.
Story A
Am 12.6.01 trat in der Fabrik der Xeno Gmbh in Weinrich aufgrund eines
Unfalls Gase aus. Diese Gase beinhalteten den Stoff Fonotan. Es gibt einzelne
Hinweise darauf, dass der Stoff möglicherweise krebserregend ist. Wissen-
schaftlich gibt es dafür aber noch keinen schlüssigen Beweis.
Nach dem Unfall gab es erhebliche Unruhe bei den Anwohnern, obwohl keine
akuten Gesundheitsstörungen auftraten.
Die Firma Xeno GmbH, eine kleines Familienunternehmen, das seit drei Gene-
Rationen in Weinrich ansässig ist, hat nach dem Unfall sofort eine Pressekon-
ferenz einberufen und sich bei allen Anwohnern entschuldigt, obwohl der Unfall
durch eine Fremdfirma verursacht wurde.
Die Firma hat weiterhin allen Anwohnern Unterstützung bei der medizinischen
Vorsorgeuntersuchungen zugesichert.
Story B
Am 12.6.01 trat in der Fabrik der Xeno Gmbh in Weinrich aufgrund eines
Unfalls Gase aus. Diese Gase beinhalteten den Stoff Fonotan. Es gibt einzelne
Hinweise darauf, dass der Stoff möglicherweise krebserregend ist. Wissen-
schaftlich gibt es dafür aber noch keinen schlüssigen Beweis.
Nach dem Unfall gab es erhebliche Unruhe bei den Anwohnern, obwohl keine
akuten Gesundheitsstörungen auftraten.
Die Firma Xeno GmbH gehört dem weltweit operierenden Konzern Axas, der
alle Presseanfragen bislang mit Schweigen beantwortet hat. Die Geschäfts-
leitung verweist darauf, dass sie nicht bereit ist, dazu eine Stellung zu
beziehen, bis alle Ursachen geklärt sind. Allerdings gibt es offenbar Hinweise
darauf, das der Unfall Folge der Einsparpolitik des Unternehmens ist.
Die Firma lehnt bislang alle Forderungen der Anwohner auf Unterstützung ab.
Es kommt auf die Risiko-Story an!

• Je nach Story werden verschiedene Emotionen induziert.
Was passiert, wenn unterschiedliche
 Risikogeschichten erzählt werden
                      7.0

                                                                                                 Empörung

                                                                                                 Nachsicht

                      6.0
  Risikowahrnehmung

                      5.0

                      4.0
                            N=    230     229       188      188           162     164
                             Pflanzenschutzmittel    Störfall                Handy
                                                          Wiedemann, Clauberg & Schuetz (2003)
Der Kern der Risiko-Story:
   Es kommt darauf an, ob ein Risiko moralisch
                akzeptabel ist!

• Verstöße gegen Schutz und Fürsorge
   – Man darf (ohne triftigen Grund) kein
     Menschenleben riskieren!
• Verstöße gegen Fairness
   – Man darf Risiken nicht einseitig Anderen
     aufbürden!
• Verstöße gegen Loyalität
   – Man darf Risiken nicht verschweigen oder
     kleiner reden als sie sind.
Was folgt daraus für die Risikokommunikation?

Die Risiko-Zahlen sollten stimmen.
Aber das ist nicht alles.

Es kommt darauf an,

   – den Nutzen zu thematisieren,
   – sich mit den wahrgenommen
     Moralverstößen auseinanderzusetzen.
   – und die richtige Risiko-Story zu
     erzählen!
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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