Wasserstoff - Zukunft der Gasnetzbetreiber? - Deloitte
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Wasserstoff – Zukunft der Gasnetzbetreiber? Ausgangslage 04 Die gegenwärtige Wasserstoffinfrastruktur und die Wärmewende als ein Treiber der Marktentwicklung 06 Der Markthochlauf und der Bedarf an Regulierung 10 Gas- und Wasserstoffinfrastruktur – unterschiedlicher Entwicklungsstand 14 Zusammenfassung 17 Ansprechpartner 18 03
Ausgangslage Wasserstoff nimmt eine Schlüsselrolle in erzeugung jenseits der Prozesswärme in Vor diesem Hintergrund soll auch der der Energiewende ein. der Industrie – also für Raumwärme und Frage nach der Ausgestaltung einer zielori- Warmwasser – auch in privaten Haus- entierten Regulierung für die Wasserstoff- Überall dort, wo grüner Strom technisch halten zum Einsatz kommen wird, hängt infrastruktur – welche die Dekarbonisie- nicht sinnvoll zum Einsatz kommen maßgeblich vom Preis und von der dann rung fördert und wirtschaftliche Prinzipen kann, stellt klimafreundlich hergestellter zur Verfügung stehenden Infrastruktur ab. sicherstellt – nachgegangen werden, die Wasserstoff ein Alternative im Dekar- mitunter die Marktentwicklung maßgeb- bonisierungsprozess dar. Dies betrifft Kann Wasserstoff in Zukunft, wie Erdgas lich mitbeeinflusst. unterschiedliche Bereiche der Industrie, heute, die Masse an Verbrauchern mit insbesondere die chemische und die Energie versorgen? Die Beantwortung Stahlindustrie. Auch in Teilbereichen des dieser zentralen Frage entscheidet Verkehrssektors muss über den Einsatz schlussendlich über den Bedarf an einer von Wasserstoff oder anderen klimaneu- breitflächigen Infrastruktur und den benö- tralen Gasen immer dann nachgedacht tigten Umfang einer Regulierung. Nicht werden, wenn erneuerbarer Strom nicht zuletzt deshalb wird derzeit auch intensiv sinnvoll zur Dekarbonisierung beitragen diskutiert, inwieweit das vorhandene kann. Dies ist z.B. in vielen Bereichen des Erdgasnetz weiter erhalten und in Zukunft Schwerlastverkehrs der Fall. Inwieweit für die Durchleitung von Wasserstoff Wasserstoff im Rahmen der Wärme- genutzt werden soll. 04
Wasserstoff – Zukunft der Gasnetzbetreiber? Gem. BDEW wurden im Jahr 2020 74,5 Prozent des deutschen Wohnungsbestandes mit Erdgas (rd. 49,5%) und Öl (rd. 25%) beheizt. BDEW, Beheizungsstruktur des Wohnungsbestandes in Deutschland 2020, Januar 2021. 05
Die gegenwärtige Wasserstoffinfrastruktur und die Wärmewende als ein Treiber der Marktentwicklung In Deutschland gibt es bislang drei größere langfristig auch einem breiten Wärme- regionale Wasserstoffcluster, in denen markt und einer Vielzahl an Verbrauchern aufgrund des Bedarfs der chemischen zur Verfügung stehen könnte. Solch eine Industrie eine leitungsgebundene Infra- Entwicklung würde im Wesentlichen struktur ausgebaut ist (vgl. nachstehende durch den Wärmesektor bzw. durch die Abbildung). Ausgestaltung der Wärmewende getrieben sein, indem Erdgas als Energieträger durch Diese sog. Inselnetze befinden sich grünen Strom oder andere klimaneutrale, in privater Hand und versorgen eine grüne Gase (wie z.B. Biogas und Wasser- begrenzte Zahl von Abnehmern. Verhand- stoff) ersetzt wird, um die Klimaziele zu lungen über Zugang zu und Lieferung von erreichen. Wasserstoff finden bilateral zwischen Infra- struktureigentümer und Abnehmer statt, mit Vertragslaufzeiten zwischen zehn und 15 Jahren. Der Markt „funktioniert“. Anders stellt sich die Situation dar, wenn die Wasserstoffinfrastruktur perspektivisch die Bedeutung bekommt, wie sie in der nationalen Wasserstoffstrategie des BMBF1 skizziert wird. In dieser stellt Wasserstoff eine Schlüsseltechnologie der Energie- wende dar, welche bis 2030 insbesondere im Industrie- und Verkehrssektor zum Einsatz kommen wird, aber darüber hinaus 06 1 Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Wasserstoff – Zukunft der Gasnetzbetreiber? Abb. 1 – Wasserstoff-Cluster in Deutschland (Quelle: Studie zur Regionalisierung von PtG-Leistungen für den Szenariorahmen NEP Gas 2020–2030, eigene Abbildung)2 Cluster A – Unterelbe/Weser/Ems Norddeutscher Wasserstoffcluster der Bundesländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen Cluster B – Mitteldeutschland Mit dem Fokus auf dem mittel- deutschen Chemiedreieck um die Städte Halle (Saale), Merse- burg, Bitterfeld und Leuna Cluster C – Ruhrgebiet Angesiedelt in Nordrhein-Westfalen mit Schwerpunkten auf den Städten Dortmund, Essen, Düsseldorf, Wuppertal, Leverkusen und Köln, hohe Dichte an industriellen Wassererzeugungsanlagen als Nebenprodukt für die chemische Industrie 2 FfE München: Studie zur Regionalisierung von PtG-Leistungen für den Szenariorahmen NEP Gas 2020–2030, Juni 2019, abgerufen am 21.09.2021. 07
Grüner Strom für die Wärme- Wasserstoff für die Wärme- versorgung versorgung Der bisherige Ansatz, den Wärmemarkt Eine grundsätzliche Alternative zur z.B. durch Wärmepumpen weitestgehend Elektrifizierung im Wärmesektor stellt zu elektrifizieren, kann inzwischen als sehr Wasserstoff dar. Aufgrund der chemischen ambitioniert 3 erachtet werden. Im Jahr Eigenschaften von Wasserstoff kann dieser 2020 gab es von ca. 21 Mio. installierten bereits heute mit der bestehenden (Erd-) Heizsystemen in der Wärmeraumgewin- Gasinfrastruktur als reiner Wasserstoff in nung nur rd. 1 Mio. Wärmepumpen. Zur getrennten Rohrleitungen oder als Bei- Erreichung der Einsparziele im Wärme- mischung zu Erdgas (derzeit bis rd. 10%7) sektor von (2020) 120 Mio. t auf 53 Mio. t zum Endkunden transportiert werden. CO2 bis 20304 werden jedoch mindestens Grüner Wasserstoff könnte somit – mit 6 Mio. Wärmepumpen benötigt.5 Trotz entsprechender technischer Umrüstung – zunehmender Effizienz (insbesondere perspektivisch auch im Wärmesektor zum bei Neubauten) zeigen Berechnungen Einsatz kommen. vereinzelter Verteilnetzbetreiber bereits auf, dass die Elektrifizierung allein dieses Dies erfordert allerdings eine grundle- Sektors den Bedarf am Ausbau des Strom- gende Weiterentwicklung des Wasserstoff- netzes verstärken würde. Inwiefern die marktes zu einem Massenmarkt, welcher Verringerung des Energieverbrauchs in Wärme für Endverbraucher in Haushalten Alt- bzw. Bestandsgebäuden z.B. durch bereitstellt. Die hierdurch resultierende Sanierungsmaßnahmen umgesetzt werden Veränderung der Angebots- und Versor- kann, ist von zentraler Bedeutung für einen gungsstruktur würde mit einer deutlich effizienten Einsatz von Wärmepumpen breiteren und kleinteiligeren Kunden- und bivalenten Wärmepumpsystemen struktur einhergehen. (als Kombination von Wärmepumpen mit einem weiteren Heizwärmeerzeuger, z.B. Öl, Gas, Holz etc.). Zum jetzigen Stand sind die aktuellen Entwicklungen hinsichtlich der für die Zielerreichung benötigten Sanierungsrate von 2 Prozent (aktuell ~1 %) bei der Gebäudesanierung unzurei- chend. Können diese Maßnahmen nicht erfolgreich umgesetzt werden, so ist das Erreichen der Einsparziele bis 2030 nur mit KWK-Systemen und Wärmepumpen nicht möglich.6 3 raunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES): Wärmewende 2030, F Februar 2017, abgerufen am 01.11.2021. 4 Die Bundesregierung: Bauen und Wohnen, abgerufen am 01.11.2021. 5 energiezukunft: Klimaneutral bis 2050, Dezember 2020, abgerufen am 01.11.2021. 6 Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES): Wärmewende 2030, Februar 2017, abgerufen am 01.11.2021. 08 7 BDEW: Mehr Wasserstoff im deutschen Gasnetz!?, Dezember 2020, abgerufen am 01.11.2021.
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Der Markthochlauf und der Bedarf an Regulierung Zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch Wasserstoff wird im größeren Umfang nur Massenmarkt, welcher über z.T. bereits noch nicht sicher absehbar, in welcher im Industriesektor eingesetzt, d.h. in den bestehende Verbundnetze (die heutigen Ausprägung und in welchem Umfang sich bestehenden Inselnetzen bzw. regionalen Gasnetze) abgedeckt werden kann. ein Wasserstoffmarkt etablieren wird. Clustern. Die Notwendigkeit von umfang- Aufgrund der hohen Anzahl von Marktteil- Aufgrund der prinzipiellen Unsicherheit reichen regulatorischen Vorgaben ist nicht nehmern könnte es in diesem Fall bzgl. des Einsatzes von Wasserstoff in gegeben, solange es zu keinem Marktmiss- perspektivisch zu einer Form der Anreiz- den verschiedenen Sektoren sind zwei brauch kommt bzw. sich kein Marktver- regulierung kommen, wie sie bereits bei unterschiedliche Szenarien zu betrachten, sagen8 einstellt. Strom- und Gasnetzen Anwendung findet. welche jeweils eine andere Anforderung an Für den erfolgreichen Hochlauf eines eine Regulierung haben. Im zweiten Szenario nimmt Wasserstoff Wasserstoffmarktes zum Massenmarkt eine zentrale Schlüsselrolle der Energie- ist eine funktionsfähige Wasserstoff- Im ersten Szenario wird Wasserstoff nur im wende ein und kommt flächendeckend infrastruktur von zentraler Bedeutung. Industrie- und Verkehrssektor eingesetzt in allen Sektoren (insbesondere auch im Hierbei werden allerdings verschiedene und findet im Wärmemarkt keine flächen- Wärmemarkt) zum Einsatz. Durch die Entwicklungsphasen durchlaufen mit deckende Anwendung. Die bisherige Verwendung u.a. für Gebäudewärme unterschiedlichen Anforderungen an die Ausprägung des Wasserstoffmarktes (als klimaneutrales Substitut oder als leitungsgebundene Infrastruktur und Regu- bleibt im Wesentlichen daher unverändert. Beimischung zu Erdgas) entsteht ein lierungsform. 8 Vereinfacht: Die Marktressourcen werden nicht effizient verteilt, da die Preisbildung über Angebot und 10 Nachfrage nicht angemessen funktioniert.
Wasserstoff – Zukunft der Gasnetzbetreiber? Abb. 2 – Marktphasen und Infrastrukturform Marktentwicklung/-aufbau Markthochlauf Marktreife Massenmarkt Phase 1: Inselnetze Übergang Phase 2: Regionale Cluster Übergang Phase 3: Verbundnetze Regulierungsform A Regulierungsform B Regulierungsform C Regulierungsform D · Entflechtung · Entflechtung · Entflechtung · Entflechtung · Verhandelter Netzzugang · Netzzugangsregulierung · Netzzugangsregulierung · Netzzugangsregulierung · Cost-plus · ARegV (vereinfacht) · ARegV (vollständig) · Yardstick · Gemeinsame EOG · Getrennte EOG Um eine marktbegleitende funktions- geschaffen, um Transparenz insbesondere • Effizienzanreize für Kosteneinsparungen fähige Regulierung in Abhängigkeit von der in Bezug auf Kosten- und Entgeltbestim- z.B. durch Entkopplung von Erlösen und Marktphase einzuführen, kommen grund- mung sowie im (Netz-) Betrieb sicherzu- Kosten innerhalb eines festgelegten sätzlich drei sich ergänzende Instrumente stellen. Inwiefern der gesamte Umfang der Zeitraums) oder durch Sanktionen (z.B. zum Einsatz. Hierzu zählen: aufeinander aufbauenden Entflechtungs- durch Effizienzvergleiche) regelungen zum Einsatz kommt, ist situativ • Unterschiedliche Formen der Entflech- zu entscheiden. Zusätzlich wird durch die • Anreize zur Steigerung der Ver- tung (u.a. informationell, buchhalterisch, Netzzugangsregulierung gewährleistet, sorgungsqualität (durch eine Bonus/ rechtlich, operationell) der vor- und dass Dritte (Unternehmen, Privatpersonen Malus-Systematik bzgl. der Versorgungs- nachgelagerten Wertschöpfungsstufen, etc.) diskriminierungsfrei, d.h. ohne sicherheit und Versorgungszuverlässig- um marktbeherrschende Stellungen von Ungleichbehandlung einen Netzzugang zu keit) vertikal integrierten Unternehmen zu angemessenen und veröffentlichten Bedin- unterbinden gungen erhalten. • Anreize für Innovationen durch implizite (durch innovative Kostensenkungen • Eine Netzzugangsregulierung z.B. wenn Die Implementierung einer Entgeltregu- innerhalb einer festgelegten regulato- es zu einer Verweigerung von Durchlei- lierung nimmt einen zentralen Stellenwert rischen Dauer) und explizite Maßnahmen tungen oder des (Netz-)Zugangs bzw. der in einem Regulierungssystem ein, da (durch Förderungen spezieller Vorge- Abnahme von Wasserstoff von Dritten hierdurch Preissignale für die Nutzung der hensweisen) kommt Infrastruktur gesetzt werden. In Abhän- gigkeit von der jeweiligen Marktphase • Eine Entgeltregulierung, bei der eine und langfristigen Entwicklung der Infra- (regulatorisch) vorgegebene Preissetzung struktur muss der regulatorische Rahmen dazu führt, dass Monopolstellungen nicht daher verschiedene Schwerpunkte bzw. ausgenutzt werden, um erhöhte Preise Ziele festlegen, um ein entsprechendes durchzusetzen und Monopolrenditen (wünschenswertes) Verhalten anzureizen. zu realisieren.9 Die bekanntesten sind Hierzu gehören u.a. folgenden Zielset- hierbei Cost-plus-Regulierung, Anreiz- zungen10: regulierung und Yardstick-Regulierung. • Anreize für Investitionen (durch eine Insbesondere in den ersten Marktphasen angemessene Verzinsung) eignet sich der Einsatz der Entflechtung sowie der Netzzugangsregulierung. Durch die verschiedenen Formen der Entflechtung wird frühzeitig eine Grundlage 9 Bundesnetzagentur: Regulierung von Wasserstoffnetzen, Juli 2020, abgerufen am 01.11.2021. 10 E-Bridge Consulting GmbH: Moderne Verteilernetze für Deutschland, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), September 2014, abgerufen am 01.11.2021. 11
Darüber hinaus sind auch weitere nach- rangige Kriterien bei der Anwendung zu berücksichtigen. Hierzu zählen insbe- sondere Transparenz, Einfachheit und Verlässlichkeit. Nur unter Berücksichtigung dieser „weichen“ Zusatzkriterien wird die Akzeptanz bei den relevanten Akteuren der Branche geschaffen, sodass ein konstruk- tiver Dialog hinsichtlich Fehl- und Weiterent- Die europäischen wicklungen der Regulierung entstehen kann. Regulierungsbehörden Eine exemplarische Einordnung der Rele- vanz unterschiedlicher Zielschwerpunkte für die jeweiligen Phasen fasst die nachfolgende empfehlen einen dynamischen Abbildung nochmals zusammen. Regulierungsansatz auf der Der Übergang zum Massenmarkt stellt aus Regulierungsgesichtspunkten die zentrale Herausforderung dar. Da in der Phase Grundlage eines regelmäßigen bereits ein Großteil der Investitionen zur Errichtung der Infrastruktur getätigt worden Marktmonitorings. ist, kommt es zu einer Verschiebung der durch die Regulierung zu setzenden Schwer- European Union Agency for the Cooperation of Energy Regulators, ACER and CEER punkte. Ein effizienter Netzbetrieb mit recommend when and how to regulate pure hydrogen networks, Februar 2021. einem entsprechenden Qualitätskriterium rückt in den Fokus, um potenziellen Mono- polrenditen bei Netzbetreibern entgegen- zuwirken. 12
Wasserstoff – Zukunft der Gasnetzbetreiber? Abb. 3 – Exemplarische Einordnung nach Relevanz der regulatorischen Ziele entlang der Marktphasen Marktentwicklung/-aufbau Markthochlauf Marktreife Massenmarkt Anzahl Marktteilnehmer Regulatorische Ziele Phase 1: Inselnetze Übergang Phase 2: Regionale Cluster Übergang Phase 3: Verbundnetze Investition Qualität Effizienz Innovation Cost-plus Anreizregulierung Niedrige Relevanz Mittlere Relevanz Hohe Relevanz 13
Gas- und Wasserstoffinfrastruktur – unterschiedlicher Entwicklungsstand Die Komplexität der im vorhergehenden Tab. 1 – Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Regulierungsansätze (Auswahl) Abschnitt beschriebenen Zusammenhänge und des skizzierten Markthochlaufes Getrennte Regulierung Gemeinsame Regulierung erhöht sich, wenn es bereits eine nahezu identische Infrastruktur mit vergleichbarer Versorgungsaufgabe und in einem „reifen“ • Einklang mit der nationalen • Geschwindigkeit des Markthochlaufs Marktumfeld gibt, wie es bei Wasserstoff Wasserstoffstrategie (sowie keine (Marktentwicklung/-aufbau) und Erdgas (unions)rechtlichen Risiken) (Massenmarkt) der Fall ist. • Angemessene Regulierungsform für • Geringe Umrüst- und Investitionskosten Der regulatorische Anreiz für den einge- Marktentwicklung/-aufbau und existierende Unternehmen/(Markt-) schwungenen Erdgasmarkt bzw. dessen Prozesse Infrastruktur hat den Schwerpunkt auf einer hohen Versorgungsqualität bei gleichzeitigem effizientem Netzbetrieb. Die • Wettbewerb zwischen den • Stabile Netznutzungsentgelte Investitionskomponente, wie sie z.B. beim Energieträgern Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur der Fall ist, hat dort eine deutlich nachrangigere Dimension. • Verursachergerechtigkeit ohne • Planungssicherheit Quersubventionierung zwischen den Im Zuge der Konsultation zur EnWG- Energieträgern Novelle11 haben sich zwei unterschiedliche Ansätze (getrennte und gemeinsame Form der Regulierung von Wasserstoff- und Gasinfrastrukturen) hinsichtlich einer zukünftigen Regulierung einer Wasserstoff- infrastruktur herauskristallisiert, jeweils mit Vor- und Nachteilen, welche – um nur einige zu nennen – der nachstehenden Tabelle entnommen werden können. 14 11 Bundesnetzagentur: Wasserstoff – Bestandsaufnahme, abgerufen am 01.11.2021.
Wasserstoff – Zukunft der Gasnetzbetreiber? Für den deutschen Regulator, hier die ist die Umrüstung der Erdgasinfrastruktur für die verbleibenden Verbraucher wären Bundesnetzagentur, ist die Zukunftsfähig- auf die Wasserstoffdurchleitung möglich. die Folge. Vor dem Hintergrund der damit keit der Wasserstofftechnologie – wie sie D.h., die Eignung der bestehenden Gasin- einhergehenden Risiken würde diese Form in der nationalen Wasserstoffstrategie frastruktur für den Transport und die der (getrennten) Regulierung zu erheb- der Bundesregierung skizziert wird – von Verteilung von Wasserstoff mit etablierten lichen Investitions- und Planungsrisiken für maßgeblicher Bedeutung für die Ausge- Unternehmen und (Markt-)Prozessen die jeweiligen Betreiber führen. Darüber staltung der Regulierung. Denn mit dieser spiegelt sich – volkswirtschaftlich – in den hinaus ist es volkswirtschaftlich fragwürdig, Strategie wird das übergeordnete Ziel relativ überschaubaren Investitions- und eine bestehende Infrastruktur bei der verfolgt, dass „Deutschland bei Wasser- Umrüstkosten wider.15 zukünftigen Ausgestaltung der Wärme- stofftechnologien seine globale Vorreiter- versorgung nicht zu berücksichtigen bzw. rolle behauptet“12, 13. Da entsprechend Für eine getrennte Regulierung werden vorzeitig (wirtschaftlich) abzuschreiben. der Wasserstoffstrategie – aufgrund der insbesondere negative Markteffekte begrenzten Verfügbarkeit bis 2030 – angeführt. D.h., um einen Wettbewerb Zusammenfassend muss daher konstatiert insbesondere in den ersten Marktphasen der Energieträger Erdgas und Wasserstoff werden, dass der Markt selbst die volks- im Industriesektor zum Einsatz gebracht zu ermöglichen und eine Quersubven- wirtschaftliche Weichenstellung, auch werden soll14, leiten sich verschiedene tionierung zu vermeiden (durch verursa- aufgrund des langfristigen Charakters und Maßnahmen ab. Diese haben eine direkte chungsgerechte Zuordnung der Kosten der hohen Unsicherheiten, unter ökonomi- Implikation für den regulatorischen Gestal- zum jeweiligen Energieträger), besteht schen Aspekten nicht adäquat treffen kann. tungsrahmen und in der Folge auch für die die Notwendigkeit, beide Infrastrukturen Es wird Aufgabe der Politik sein, hier den Entwicklung des Marktes insgesamt. getrennt zu betrachten und zu regulieren. langfristigen Rahmen mit entsprechenden Eine getrennte Regulierung führt hier Anreizen und Marktinstrumenten zu Für eine gemeinsame Regulierung der jedoch tendenziell eher weg von der setzen. Die Regulierung ihrerseits muss beiden Infrastrukturen spricht die hohe Annahme, dass Wasserstoff breitflächiger dann mit den entsprechenden Werkzeugen strategische und volkswirtschaftliche Rele- zum Einsatz kommt. Denn aufgrund der in der Lage sein, auch gestalterisch vanz von Wasserstoff für den Wärmemarkt geringen Auslastung der Wasserstoffnetze – (ex ante) die Marktentwicklung dynamisch der Zukunft und zur Erreichung der Dekar- im Markthochlauf – wären die Netzentgelte zu begleiten, sodass die notwendigen bonisierungsziele. Ist davon auszugehen, prohibitiv hoch und ein Markthochlauf in Anreize entstehen. Der politische Wille dass Wasserstoff in Zukunft auch in der der Breite eher fraglich. Hinzukommt, dass und der Weg hin zu einer dekarbonisierten privaten Wärmeversorgung eine größere sich auch im Erdgasnetz vergleichbare Volkswirtschaft müssen klar aufgezeigt Rolle einnimmt, dann müsste der Zielmarkt negative Skaleneffekte einstellen würden, werden. bereits heute ins Blickfeld rücken, um die wenn aufgrund der CO2-Anforderungen dafür notwendige Infrastruktur in den die abgesetzten Gasmengen geringer nächsten Jahren bereitzustellen. Technisch werden. Massiv steigende Netzentgelte 12 undesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi): Wasserstoff: Schlüsselelement für die Energiewende, abgerufen am 01.11.2021. B 13 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi): Die Nationale Wasserstoffstrategie, Juni 2020, abgerufen am 01.11.2021. 14 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Wasserstoff: Schlüsselelement für die Energiewende, abgerufen am: 12.11.2021. 15 DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.: STELLUNGNAHME vom 9. April 2021 zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie, April 2021, abgerufen am 01.11.2021. 15
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Wasserstoff – Zukunft der Gasnetzbetreiber? Zusammenfassung Die Dekarbonisierungsziele in den verschiedenen Sektoren können wirt- schaftlich nur erreicht werden, wenn es zu einem Einsatz von Wasserstoff kommt. Die hierfür notwendige lang- fristige Weichenstellung muss sich in den politischen Vorgaben widerspiegeln und Die Zukunft der durch entsprechende Förderprogramme im privaten Bereich (wie es z.B. bereits bei Gasinfrastruktur ist auf Wärmepumpen, Elektrofahrzeugen etc. der Fall ist) flankiert werden. dem Prüfstand. Die damit Nur ein Massenmarkt im Wärmesektor mit Einsatz von Wasserstoff kann eine volks- verbundenen Risiken auf wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der bereits bestehenden Gasinfrastruktur und deren Weiterbetrieb ermöglichen. das Unternehmensportfolio Ist der politische Rahmen geschaffen, wird sind zu evaluieren. die größte hieraus resultierende Herausfor- derung im richtigen Zeitpunkt liegen, wann eine gemeinsame Regulierung sinnvoll umgesetzt werden kann. Es steht viel auf dem Spiel – für die Betreiber selbst, für die Kunden und für die Volkswirtschaft Deutschlands als Ganzes. Die elementare Frage nach der langfristigen Zukunftsfähigkeit der Gasin- frastruktur – und damit die Frage nach einer geeigneten Regulierung – wird u.a. im Dezember 2022 mit der Evaluierung der Wasserstoffnetzregulierung16 erneut Gegenstand der politischen Diskussion sein. Bis dahin sind die Chancen und Risiken eines zukünftigen Wasserstoffhoch- laufes zu analysieren und die Wirkung auf das Unternehmensportfolio zu bewerten. Denn in Abhängigkeit vom geografischen Standort vom zeitlichen Hochlauf und von der damit verbundenen (regionalen) Verfügbarkeit von Wasserstoff in Deutsch- land können durchaus unterschiedliche Strategien und Handlungsoptionen in Betracht kommen. 16 Bundesnetzagentur: Regulierung von Wasserstoffnetzen, abgerufen am 01.11.2021. 17
Ansprechpartner Dr. Andreas Langer Bastiaan Milatz Partner | Risk Advisory Manager | Risk Advisory Energy, Resources, Industrials Energy, Resources, Industrials Tel: +49 711 165547 289 Tel: +49 711 165547 541 anlanger@deloitte.de bmilatz@deloitte.de 18
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Deloitte bezieht sich auf Deloitte Touche Tohmatsu Limited („DTTL“), ihr weltweites Netzwerk von Mitgliedsunternehmen und ihre verbundenen Unternehmen (zusammen die „Deloitte-Organisation“). DTTL (auch „Deloitte Global“ genannt) und jedes ihrer Mitgliedsunternehmen sowie ihre verbundenen Unternehmen sind rechtlich selbstständige und unabhängige Unternehmen, die sich gegenüber Dritten nicht gegenseitig verpflichten oder binden können. DTTL, jedes DTTL-Mitgliedsunternehmen und verbundene Unternehmen haften nur für ihre eigenen Handlungen und Unterlassungen und nicht für die der anderen. DTTL erbringt selbst keine Leistungen gegenüber Kunden. Weitere Informationen finden Sie unter www.deloitte.com/de/UeberUns. Deloitte bietet branchenführende Leistungen in den Bereichen Audit und Assurance, Steuerberatung, Consulting, Financial Advisory und Risk Advisory für nahezu 90% der Fortune Global 500®-Unternehmen und Tausende von privaten Unternehmen an. Rechtsberatung wird in Deutschland von Deloitte Legal erbracht. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liefern messbare und langfristig wirkende Ergebnisse, die dazu beitragen, das öffentliche Vertrauen in die Kapitalmärkte zu stärken, die unsere Kunden bei Wandel und Wachstum unterstützen und den Weg zu einer stärkeren Wirtschaft, einer gerechteren Gesellschaft und einer nachhaltigen Welt weisen. Deloitte baut auf eine über 175-jährige Geschichte auf und ist in mehr als 150 Ländern tätig. Erfahren Sie mehr darüber, wie die mehr als 345.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Deloitte das Leitbild „making an impact that matters“ täglich leben: www.deloitte.com/de. Diese Veröffentlichung enthält ausschließlich allgemeine Informationen und weder die Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft noch Deloitte Touche Tohmatsu Limited („DTTL“), ihr weltweites Netzwerk von Mitgliedsunternehmen noch deren verbundene Unternehmen (zusammen die „Deloitte Organisation“) erbringen mit dieser Veröffentlichung eine professionelle Dienstleistung. Diese Veröffentlichung ist nicht geeignet, um geschäftliche oder finanzielle Entscheidungen zu treffen oder Handlungen vorzunehmen. Hierzu sollten Sie sich von einem qualifizierten Berater in Bezug auf den Einzelfall beraten lassen. Es werden keine (ausdrücklichen oder stillschweigenden) Aussagen, Garantien oder Zusicherungen hinsichtlich der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Informationen in dieser Veröffentlichung gemacht, und weder DTTL noch ihre Mitgliedsunternehmen, verbundene Unternehmen, Mitarbeiter oder Bevollmächtigten haften oder sind verantwortlich für Verluste oder Schäden jeglicher Art, die direkt oder indirekt im Zusammenhang mit Personen entstehen, die sich auf diese Veröffentlichung verlassen. DTTL und jede ihrer Mitgliedsunternehmen sowie ihre verbundenen Unternehmen sind rechtlich selbständige und unabhängige Unternehmen. Stand 11/2021
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