Wenn Menschen (keine) Menschen treffen: Simulation der Auswirkungen von Politikmaßnahmen zur Eindämmung der zweiten Covid-19-Welle
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
15 2020 25. November 2020 DIGITAL Florian Dorn, Janos Gabler, Hans-Martin von Gaudecker, Andreas Peichl, Tobias Raabe und Klara Röhrl Wenn Menschen (keine) Menschen treffen: Simulation der Auswirkungen von Politikmaßnahmen zur Eindämmung der zweiten Covid-19-Welle Abgeschlossen am 24. November 2020
ifo Schnelldienst digital ISSN 2700-8371 Herausgeber: ifo Institut, Poschingerstraße 5, 81679 München, Telefon +49(89)9224-0, Telefax +49(89)985369, E-Mail: ifo@ifo.de Redaktion: Dr. Marga Jennewein, Dr. Cornelia Geißler. Redaktionskomitee: Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest, Dr. Yvonne Giesing, Dr. Christa Hainz, Prof. Dr. Chang Woon Nam. Vertrieb: ifo Institut Erscheinungsweise: unregelmäßig Nachdruck und sonstige Verbreitung (auch auszugsweise): Nur mit Quellenangabe und gegen Einsendung eines Belegexemplars. Kommerzielle Verwertung der Daten, auch über elektronische Medien, nur mit Genehmigung des ifo Instituts. im Internet: http://www.ifo.de
AUSWIRKUNGEN VON POLITIKMASSNAHMEN ZUR EINDÄMMUNG DER ZWEITEN COVID-19-WELLE Florian Dorn*, Janos Gabler#,± , Hans-Martin von Gaudecker#,± , Andreas Peichl*, Tobias Raabe und Klara Röhrl# Wenn Menschen (keine) Menschen treffen: Simulation der Auswirkungen von Politikmaßnahmen zur Eindäm- mung der zweiten Covid-19 Welle Die erste Welle der Covid-19-Pandemie führte weltweit IN KÜRZE in vielen Ländern zu harten Lockdown-Maßnahmen und Kontaktbeschränkungen. Die Zahl der Infektionen konnte damit erfolgreich reduziert werden. Gleichzei- Um die zweite Corona-Welle im Herbst zu brechen, hat Deutschland tig waren jedoch die sozialen und wirtschaftlichen im November 2020 einen »Lockdown-light« verhängt. Dieser reichte Kosten während der harten Lockdown-Maßnahmen noch nicht aus, um die von der Politik selbstgesetzten Voraussetzun- enorm. Im Herbst und Winter überrollte eine zweite In- gen für eine Lockerung der Maßnahmen in Form eines Corona-Inzi- fektionswelle viele Länder. Aufgrund der Erfahrungen aus der ersten Welle wird vielerorts zur Eindämmung denzwertes von unter 50 zu erfüllen. Die Politik muss nun abwägen, der zweiten Welle zunächst eine differenziertere Poli- wie sie die Infektionen in den nächsten Wochen weiter zurückführen tik der Kontaktbeschränkungen umgesetzt, um einen möchte, wenn sie den Lockdown nicht bis ins Frühjahr verlängern erneuten harten Lockdown zu vermeiden. möchte. Mit Hilfe eines neu entwickelten mikrobasierten Modells si- Deutschland hat im November einen »Lock- mulieren wir die Wirkung verschiedener kontaktreduzierender Poli- down-light« verhängt, um den Anstieg der zweiten tikmaßnahmen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Verlängerung des Welle zu brechen: Viele Wirtschaftsbereiche im Be- reich des sozialen Konsums sowie des Hotel- und bisherigen Lockdown-light die Zahl der Neuinfektionszahlen in den Gaststättengewerbes wurden wieder weitgehend nächsten Wochen nur sehr langsam reduzieren würde. Bis Weihnach- geschlossen, und bestimmte Freizeitaktivitäten sind ten würde der Inzidenzwert deutschlandweit nicht unter 75 fallen. verboten. Im Gegensatz zum harten Lockdown wäh- Um die Inzidenz über Kontaktbeschränkungen weiter zu reduzieren, rend der ersten Welle blieb der Einzelhandel jedoch diskutiert die Politik Optionen, die von verschiedenen Verschärfungen weitgehend geöffnet. Ebenso wurden Schulen und der Restriktionen in Bildungseinrichtungen oder im Einzelhandel bis Kindergärten bisher nicht geschlossen. Die Entwicklung der Infektionszahlen im No- hin zu weitgehenden Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen reichen. vember deutet darauf hin, dass es durch den »Lock- Eine Option ist die Einführung von Wechselklassen bzw. digi- down-light« in Deutschland tatsächlich gelungen ist, talem Fernunterricht. Unsere Analysen zeigen, dass eine sol- den (exponentiellen) Anstieg an Neuinfektionen aus che Einschränkung des Schulbetriebs ausreichen könnte, um bis dem Frühherbst zu brechen. Zum Zeitpunkt des Ver- Weihnachten den 7-Tageinzidenzwert von 50 zu unterschreiten. fassens dieses Artikels scheint allerdings noch keine Allerdings drohen große Kosten im Bereich der Bildung für Schü- entscheidende Umkehr der Entwicklung einzutreten, so dass die Neuinfektionen deutlich sinken würden. ler, an deren Schulen die notwendige digitale Infrastruktur und Politische Entscheidungsträger und die Öffentlich- Konzepte für Homeschooling nicht vorhanden sind. Diese könn- keit diskutieren daher, welche Strategie zur weite- ten Deutschland langfristig großen Schaden zufügen. Jedoch ist es ren Eindämmung der zweiten Welle zu präferieren auch bei regulärem Schulbetrieb möglich, die 7-Tagesinzidenz bis wäre. Während einige die Fortsetzung des einge- Weihnachten unter 50 zu drücken: Die Simulationen zeigen, dass schlagenen Lockdown-light fordern, sehen andere die Schließung und Einschränkung weiterer Wirtschafts- und Ge- die Zeit für Lockerungen. In der Diskussion steht aber auch die Überlegung, durch weitere Einschränkun- schäftstätigkeiten mit offenen Schulen dieselbe Wirkung hätte gen die Trendumkehr zu schaffen und mit sinkenden wie die zusätzliche Schließung von Schulen bei Fortführung des Neuinfektionszahlen bzw. einer konstanten Repro- Lockdown-light. Wenn das Infektionsgeschehen also stärker re- duktionszahl der Infektionen unter 1, die Epidemie duziert werden soll, braucht es eine Abwägung, welcher Scha- noch bis Weihnachten wieder voll unter Kontrolle den wirtschaftlich und gesellschaftlich höher einzustufen ist: * ifo Institut & LMU München. der langfristige durch die Einschränkung der Schulen oder der # Universität Bonn. ± IZA. kurzfristige durch die Schließung weiterer Wirtschaftszweige. ifo Schnelldienst digital 15/2020, 25. November 2020 1
AUSWIRKUNGEN VON POLITIKMASSNAHMEN ZUR EINDÄMMUNG DER ZWEITEN COVID-19-WELLE zu bringen. Neben Schließungen von Schulen und bis Weihnachten ungefähr zu einer 7-Tagesinzidenz Kindergärten sind auch die bereits früher umgesetz- von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner füh- ten Modelle von Klassenteilungen im Gespräch.1 Auf ren. Interessanterweise würde allerdings bereits der dem Weg zu einem harten Lockdown wie im Frühjahr Übergang zu wöchentlichen Wechselklassen für alle droht auch der Lockdown von »nicht-systemrele- Schülerinnen und Schüler (4) eine nur geringfügig vanten« Geschäften im Einzelhandel und sozialem niedrigere Wirkung entfalten. Die Größenordnung Dienstleistungsbereich. ist vergleichbar mit derjenigen, die bei einem harten Politische Entscheidungen mit derart harten Lockdown mit geöffneten Schulen aufträte (5). Um Einschnitten und Konsequenzen für die Betroffenen allerdings die Fallzahlen bis Weihnachten deutlich sollten möglichst evidenzbasiert auf Basis von Infor- unter den Grenzwert von 50 zu senken, wäre ein har- mationen zur Wirkung der vorgeschlagenen Politik- ter Lockdown wie im Frühjahr mit Schulschließungen maßnahmen beruhen. Eine valide Ex-ante-Projektion oder Wechselklassen erforderlich. zur Wirkung von Politikmaßnahmen ist eine Heraus- In der aktuellen Situation scheint die Strategie forderung, da eine Vielzahl von Faktoren berücksich- der Fortführung eines leichten Lockdown mit zusätz tigt werden muss. Etablierte epidemiologische Mo- licher Einführung der Halbierung von Schulklassen delle sind nicht darauf ausgelegt, die Auswirkungen (Wechselklassen mit zusätzlich digitalem Fernunter- von Vorschriften vorherzusagen, die nur bestimmte richt) eine interessante Strategie im Spannungsfeld Kontaktarten reduzieren. Diese Modelle müssen für unterschiedlicher Zielkonflikte – einerseits Kontrolle jeden neuen Politikvorschlag erweitert werden. Wir des Infektionsgeschehens, andererseits Minimierung nutzen für die Simulation der Politikmaßnahmen der gesundheitlichen, wirtschaftlichen und gesell- ein neu entwickeltes Modell von Gabler, Raabe und schaftlichen Schäden (vgl. Dorn et al. 2020b; 2020c; Röhrl (2020). Das Modell wurde neu entwickelt, um Fuest et al. 2020) – darzustellen. Ob ergänzend wei- die Auswirkungen kontaktreduzierender Maßnahmen tere Einschränkungen wie im Frühjahr notwendig in Echtzeit vorherzusagen. Es kombiniert Elemente sind, hängt von der politischen Zielvorgabe für das von epidemiologischen SEIR-Modellen und agenten- Ausmaß des Infektionsgeschehens an Weihnachten basierten Simulationsmodellen. ab und welche wirtschaftlichen wie gesellschaftli- Nach einer kurzen Einführung in das Modell si- chen Auswirkungen hierfür in der Abwägung in Kauf mulieren wir in diesem Beitrag die Wirkung folgen- genommen werden. der Politikszenarien auf den weiteren Verlauf des Infektionsgeschehens: DAS MODELL VON GABLER, RAABE UND RÖHRL 1. planmäßiges Ende des Lockdown-light zum 1. De- Hintergrund zember 2020, 2. Verlängerung des bisherigen Lockdown-light, Das Echtzeitmodell von Gabler, Raabe und Röhrl 3. zusätzlich zu (2): Schließung von Schulen und Kitas, (2020) baut auf Erweiterungen des epidemiologischen 4. zusätzlich zu (2): Klassensplitting (Wechselklas- SEIR-Modells in Kombination mit agentenbasierter sen) für alle Schülerinnen und Schüler oder nur Simulationsmodelle auf. in weiterführenden Schulen, Das traditionelle SEIR-Modell modelliert Gesell- 5. harter Lockdown wie im Frühjahr mit den drei schaften nicht detailreich genug, um nuancierte Po- Szenarien für Schulen aus (2)–(4). litikmaßnahmen abbilden zu können. Dies hat eine große Zahl von Forschern veranlasst, das Standard- Die Ergebnisse zeigen, dass eine Lockerung der Maß- modell zu erweitern, um mehr Heterogenität und nahmen (1) auf dem aktuellen Niveau schnell zu stark Flexibilität zuzulassen (vgl. Avery et al. 2020). Grimm steigenden Infektionszahlen führen würde. Die Fort- et al. (2020) oder Acemoglu et al. (2020), entwickeln führung des Lockdown-light (2) würde hingegen zu beispielsweise Mehrgruppen-SEIR-Modelle, um die leicht sinkenden Neuinfektionszahlen führen. Um Auswirkungen gezielter Lockdowns zu analysieren. unter den von der Politik angestrebten bundeswei- Berger et al. (2020) erweitern das SEIR-Modell, um ten 7-Tagesinzidenz-Grenzwert von 50 Neuinfektio- Tests und bedingte Quarantänen zu analysieren. An- nen pro 100 000 Einwohner zu kommen, müsste der dere nutzen Ergebnisse von SEIR-Modellen als Input Lockdown-light mehrere weitere Wochen fortgeführt für ökonomische Analysen, um die gesundheitlichen werden. Verschärfungen des Lockdown-light durch und wirtschaftlichen Kosten von Politikmaßnahmen weitere Maßnahmen würden zu schneller sinkenden zu schätzen (z.B. Dorn et al. 2020). Die Erweiterungen Infektionszahlen und somit schnellerem Unterschrei- der SEIR-Modelle sind teils recht komplex, und es ist ten des Grenzwerts führen. Die zusätzliche Schlie- unwahrscheinlich, dass es ein SEIR-Modell geben wird, ßung von Schulen und Kindergärten (3) würde zu das alle vorgeschlagenen Erweiterungen kombiniert deutlich sinkenden Neuinfektionszahlen führen und und die Echtzeitabschätzung der Effekte von Politik- maßnahmen erlaubt.2 1 Siehe z.B. https://www.zeit.de/news/2020-11/16/halbie- 2 rung-der-schulklassen-nrw-minister-stamp-ist-dagegen (16. Novem- Darüber hinaus gehen die Erweiterungen nicht auf andere Schlüs- ber 2020). selfragen ein: Der Hauptparameter des SEIR-Modells, die Basis-Re- 2 ifo Schnelldienst digital 15/2020, 25. November 2020
AUSWIRKUNGEN VON POLITIKMASSNAHMEN ZUR EINDÄMMUNG DER ZWEITEN COVID-19-WELLE Eine weitere häufig verwendete Modellklasse Zu den Hintergrundmerkmalen jedes simulierten In in der Epidemiologie sind agentenbasierte Simula- dividuums im Modell gehören Alter, Landkreis und Be- tionsmodelle. In diesen Modellen werden Individuen ruf. Kontaktmodelle sind Funktionen, die individuelle als sich bewegende Partikel simuliert. Infektionen Merkmale auf eine vorhergesagte Anzahl von Kontak- finden statt, wenn sich zwei Partikel näher als ei- ten abbilden.6 Diese Anzahl an Kontakten wird durch nen bestimmten Kontaktradius kommen (z.B. Silva einen Matching-Algorithmus in Infektionen übersetzt. et al. 2020; Cuevas 2020). Die Struktur dieser Modelle Es gibt verschiedene Matching-Algorithmen für wie- macht es jedoch schwierig, Heterogenität in den Be- derkehrende Kontakte (z.B. Klassenkameraden, Fa- gegnungsmustern abzubilden. Politikmaßnahmen milienmitglieder) und nicht wiederkehrende Kontakte werden als Änderungen des Kontaktradius oder der (z.B. Kunden, Kontakte in Supermärkten). Die Infek- Bewegungsgesetze der Partikel modelliert. Die Über- tionswahrscheinlichkeit kann für jeden Kontakttyp setzung von realen Politiken in entsprechende Modell- unterschiedlich sein. Alle Arten von Kontakten kön- parameter ist schwierig.3 nen hinsichtlich geografischer und demografischer Merkmale assortativ sein, z.B. sind Arbeitskontakte Modell häufiger mit Menschen aus dem gleichen Landkreis.7 Das Krankheitsmodell berücksichtigt asympto- Gabler, Raabe und Röhrl (2020) nutzen viele Ansätze matische Fälle, leichte Symptome und Symptome, von agentenbasierten Simulationsmodellen, ersetzen die einen Krankenhausaufenthalt erfordern und Al- aber die Kontakte zwischen sich bewegenden Teilchen tersgradienten, bspw. in den Wahrscheinlichkeiten durch Kontakte zwischen Personen, die arbeiten, zur für schwere Krankheitsverläufe. Individuen können ihr Schule gehen, in einem Haushalt leben und Freizeitak- Verhalten anpassen. Beispielsweise gehen Kinder mit tivitäten ausüben. Zum Zeitpunkt der Abfassung die- Symptomen in unserem Modell meist nicht zur Schule. ses Berichts weist es die folgenden Merkmale auf:4 Anwendung 1. Im Mittelpunkt des Modells steht die Begegnung von Menschen mit Menschen auf der Grundlage Das Modell macht es sehr einfach, Politikmaßnahmen eines Matching-Algorithmus. Das Modell unter- in Modellannahmen zu übertragen. Zum Beispiel be- scheidet verschiedene Arten von Kontakten, wie deuten Schulschließungen die vollständige Aussetzung bspw. Haushalte, Freizeitaktivitäten, Schulen, der Schulkontakte. Eine strikte Sperrung impliziert Kindergärten und verschiedene Arten von Kon- die Schließung der Arbeitskontakte aller Personen, takten am Arbeitsplatz. Die Kontaktarten können die nicht in einem systemisch relevanten Sektor be- zufällig oder wiederkehrend sein und variieren in schäftigt sind. Es ist auch möglich, komplexere Maß- ihrer Häufigkeit. nahmen abzubilden, die die Anzahl der Kontakte von 2. Politikmaßnahmen können im Modell so umge- beobachtbaren Merkmalen, Risikokontakten oder Ge- setzt werden, dass Kontaktarten ganz oder teilweise sundheitszuständen abhängig machen. abgeschaltet werden. Die Reduzierung von Kon- takten kann zufällig oder systematisch erfolgen, ERGEBNISSE UND DISKUSSION DER WIRKUNG z.B. um wichtige Arbeitskräfte zu berücksichtigen. DER POLITIKMASSNAHMEN 3. Die Infektionswahrscheinlichkeiten variieren je nach Kontaktart, sind aber bei den Politikmaß- Abbildungen 1 bis 3 zeigen die Vorhersagen des Simu- nahmen zur Kontaktreduzierung invariant. lationsmodells zu verschiedenen Politikmaßnahmen 4. Das mit der medizinischen Literatur und Kon- ab dem 23. November 2020. taktzahlen aus früheren Erhebungen kalibrierte Belgien, den Niederlanden und Luxemburg kalibriert (Mossong et al. Modell erzielt mit wenigen frei geschätzten An- 2008). Die medizinischen Parameter wurden anhand von Berichten steckungswahrscheinlichkeiten eine gute Über- des Robert Koch-Instituts sowie mehrerer publizierter Arbeiten (z.B. He et al. 2020) kalibriert. Um eine Überanpassung zu vermeiden und einstimmung mit den deutschen Infektions- und das numerische Optimierungsproblem zu vereinfachen, sind gegen- Sterberaten. 5 wärtig im Modell nur vier verschiedene Ansteckungswahrscheinlich- keiten möglich: 1) für Kontakte in Schulen, Vorschulen und Kinder- produktionszahl (R0), ist nicht politikinvariant. Sie ist eine Zusam- gärten, 2) für Arbeitskontakte, 3) für Haushalte, 4) für Freizeitaktivi- mensetzung aus der Anzahl der Kontakte, die jede Person hat, und täten. Das Modell weist laut Validierungsanalysen (Gabler, Raabe der Infektionswahrscheinlichkeit der Kontakte. Tatsächlich werden und Röhrl 2020) einen guten In-Sample- und Out-of-Sample-Fit auf. Politiksimulationen durchgeführt, indem R0 auf einen anderen Wert Insbesondere sagt das Modell den Effekt des Lockdown-light, der gesetzt wird, aber es ist schwierig, eine reale Politik in den Wert von nicht die Schätzperiode des Modells fällt, hervorragend voraus. 6 R0 zu übersetzen, den sie induzieren wird. Derzeit unterscheidet das Modell acht Arten von Kontakten (vgl. 3 Hinch et al. (2020) ist eine aktuelle Erweiterung des prototypi- Gabler, Raabe und Röhrl 2020). 7 schen agentenbasierten Simulationsmodells, das bewegte Partikel Die Anzahl der Kontakte, die eine Person von jedem Kontakttyp hat, durch Kontaktnetzwerke für Haushalte, Arbeit und Zufallskontakte kann anhand öffentlich zugänglicher Daten kalibriert werden neu platziert. Dieses Modell ähnelt vom Geist her Gabler et al. (2020), (Mossong et al. 2008). Dadurch können politikinvariante Infektions- konzentriert sich aber eher auf die Ermittlung von Kontakten als auf wahrscheinlichkeiten aus Zeitreihen von Infektions- und Todesraten eine Politik der sozialen Distanzierung. mit der Methode der simulierten Momente geschätzt werden. Da die 4 Das Modell nutzt einen weit entwickelten Python-Code, der unter Infektionswahrscheinlichkeiten zeitinvariant sind, können Daten, die https://github.com/covid-19- impact-lab/sid frei verfügbar und gut seit Beginn der Pandemie gesammelt wurden, zur Schätzung herange- dokumentiert ist und laufend weiterentwickelt wird. zogen werden. Da zu jedem Zeitpunkt die vorhandenen Teststrategien 5 Die Parameter für die prognostizierten Kontaktzahlen wurden modelliert werden können, können im Modell die Schätzungen für die aus Kontakttagebüchern von über 2 000 Personen aus Deutschland, Tatsache korrigieren, dass nicht alle Infektionen beobachtet werden. ifo Schnelldienst digital 15/2020, 25. November 2020 3
AUSWIRKUNGEN VON POLITIKMASSNAHMEN ZUR EINDÄMMUNG DER ZWEITEN COVID-19-WELLE Ersatzloses Ende des Lockdown-light seiner bestehenden Form bis Weihnachten verlängert wird. Das Simulationsmodell sagt voraus, dass so die Hinsichtlich einer möglichen Aufhebung der Ein- 7-Tage-Neuinfektionszahlen bis Weihnachten sukzes- schränkungen sprechen die Simulationen eine deut- sive auf knapp 75 pro 100 000 Einwohner zurückge- liche Sprache (vgl. Abb. 1). Wenn der Lockdown-light hen würden. Es würde somit folglich der Grenzwert ohne Ersatz wie geplant am 30. November 2020 endet, von 50 bis Weihnachten noch nicht unterschritten. werden im Dezember die täglichen Neuinfektionen Allerdings wäre zumindest gewährleistet, dass die wieder steil ansteigen und nach wenigen Tagen die- Infektionszahlen bei weiterhin leichteren Einschrän- jenige Zahl der Neuinfektionen deutlich übersteigen, kungen sinken, das Gesundheitssystem entlastet wird die zu Beginn des Lockdown im November in Deutsch- und die wirtschaftlichen Kosten vergleichsweise über- land gemeldet wurden. Die wirtschaftlichen Kosten schaubar bleiben. Nach Berechnungen des ifo Insti- des Lockdown-light wären somit versenkt, ohne dass tuts dürfte der Lockdown im November einen Ausfall sie nachhaltige Wirkung auf den Gesundheitsschutz der gesamtwirtschaftlichen Produktion von etwas entfaltet hätten. Das Gesundheitssystem hätte nur mehr als 10 Mrd. Euro zur Folge haben.8 In dieser Grö- eine kurze Verschnaufpause erhalten und würde bis ßenordnung sind auch die versprochenen Hilfen der Weihnachten wohl an die Kapazitätsgrenzen gelan- Bundesregierung für die betroffenen Branchen. Diese gen. Eine Überforderung des Gesundheitssystems Kosten würden bei Fortführung des Lockdown-light mit hohen gesundheitlichen Kosten sowie die sich weiter steigen. Ein harter Lockdown wie im Frühjahr daraus ergebende Notwendigkeit eines harten Lock- würde jedoch weitaus höhere ökonomische Kosten down mit massiven wirtschaftlichen Kosten könnte verursachen (vgl. Dorn et al. 2020d). die unabwendbare Folge sein (vgl. Dorn et al. 2020d; Ragnitz 2020). Lockdown-light mit zusätzlicher Schließung von Schulen und Kitas Fortsetzung des Lockdown-light Schulen und Kindergärten/Kitas waren während Abbildung 1 zeigt zudem den Verlauf der Infektions- des ersten Lockdowns im Frühjahr geschlossen und zahlen, wenn der gegenwärtige Lockdown-light in wurden anschließend in einer mehrwöchigen Phase schrittweise für immer mehr Schülerinnen und Schü- Abb. 1 ler geöffnet. Zusätzliche Kontaktbeschränkungen Projizierter Effekt der Aufhebung oder Verlängerung der leichten Lockdown-Maßnahmen bei Schulen und Kindergärten/Kitas wandern nun Kurzer Lockdown-light wieder in den Fokus der aktuellen Debatte mög- Langer Lockdown-light 300 Wöchentliche Infektionen pro 100 000 Einwohner Berechnete Falldaten nach RKI licher weiterer Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens. Abbildung 2 zeigt, dass mit der zusätzlichen 200 Schließung der Schulen und Kindergärten/Kitas das Infektionsgeschehen zusätzlich reduziert werden könnte. Ein Inzidenzwert von 50 wäre bis Weihnach- 100 ten im Bereich des Möglichen. Erfahrungen aus dem ersten Lockdown im Frühjahr zeigten jedoch, dass die vollständige Schließung der Schulen sowie Kin- 0 dergärten/Kitas mit zahlreichen negativen Auswir- Oktober 2020 November 2020 Dezember 2020 kungen einherging: (i) Eltern mussten ihre eigene Ar- Quelle: Robert Koch-Institut (RKI); Berechnungen der Autoren. © ifo Institut beitstätigkeit einschränken, um die Kinder zu Hause zu betreuen und Homeschooling zu übernehmen. Abb. 2 Dies hat sowohl negative wirtschaftliche Auswirkun- Schulszenarien bei Beibehaltung des Lockdown-light gen, kann aber auch zu höherem Stress bis hin zu Wöchentliche Infektionen Langer Lockdown-light, höhere Klassen halbiert erhöhter häuslicher Gewalt in den Familien führen Langer Lockdown-light, alle Klassen halbiert pro 100 000 Einwohner Langer Lockdown-light, Schulen und Kitas zu (u.a. Amaral et al. 2020); (ii) viele Schulen und Leh- 150 Langer Lockdown-light rer waren im ersten Lockdown nicht darauf einge- Berechnete Falldaten nach RKI stellt, (qualitativen) Schulunterricht zu gewährleis- ten. Bildung bleibt dadurch auf der Strecke, und Bil- 100 dungsungleichheiten verschärften sich (vgl. Grewenig et al. 2020; Wößmann 2020); (iii) ausbleibendes Lernen 50 führt zu geringeren Lebenschancen der betroffenen Kohorten und langfristig zu hohen volkswirtschaft- lichen Kosten (vgl. Hanushek und Wößmann 2020; 0 Wößmann 2020). Oktober 2020 November 2020 Dezember 2020 8 ifo Institut: Neuer Lockdown setzt konjunktureller Erholung ein Quelle: Robert Koch-Institut (RKI); Berechnungen der Autoren. © ifo Institut abruptes Ende. 30. Oktober 2020. https://www.ifo.de/node/59169 4 ifo Schnelldienst digital 15/2020, 25. November 2020
AUSWIRKUNGEN VON POLITIKMASSNAHMEN ZUR EINDÄMMUNG DER ZWEITEN COVID-19-WELLE Lockdown-light mit zusätzlichem Klassensplitting treuungseinrichtungen. Es darf jedoch erwartet wer- (Wechselklassen) den, dass ein Klassensplitting höherer Klassen relativ gesehen geringere negative Auswirkungen auf Bildung In der Öffnungsphase des ersten Lockdown im Früh- und Wirtschaft haben als die vollständige Schließung jahr wurden auch Erfahrungen mit Wechselklassen der Einrichtungen. gemacht, d.h., Schulklassen und Kindergartengruppen wurden halbiert. Die halbierten, festen Schülergrup- Harter Lockdown mit unterschiedlichen Szenarien pen wurden dabei im wöchentlichen Wechsel abwech- für Schulen selnd unterrichtet, die eine Hälfte jeweils analog im Klassenzimmer, die andere digital via Fernunterricht. Als nächstes untersuchen wir, auf welches Niveau die Es gibt drei Hauptkanäle, die diese Maßnahme Fallzahlen bis Weihnachten sänken, wenn es wieder zu der Kontaktreduzierung wirksam machen könnten: einem harten Lockdown käme, d.h. einer Reduzierung Erstens werden die Klassen kleiner, so dass jedes in- des Wirtschaftsgeschehens auf systemrelevante Bran- fizierte Kind weniger Klassenkameraden bzw. Kinder chen und einer starken Reduzierung privater Kontakte in derselben Gruppe im Kindergarten/Kita oder dem wie vom 22. März bis 20. April 2020. gemeinsamen Schulweg anstecken kann. Zweitens, Die wesentlichen Unterschiede des leichten Lock- bei Kindern, die sich in der zweiten Hälfte ihrer Schul- down wie im November und dem harten Lockdown woche anstecken, fällt die gefährliche Phase (schon vom Frühjahr sind, dass beim Lockdown-light … infektiös, aber noch symptomlos) auf das Wochenende bzw. die Woche, wo sie sowieso nicht zur Schule gehen ‒ Schulen, Vorschulen und Kindergärten geöffnet (diesen Effekt gibt es nicht, wenn die Klassen täglich blieben, wechseln). Drittens, wenn ein Kind in der Schule oder ‒ einige Geschäfte offenbleiben, die beim harten auf dem Weg zur Schule infiziert wird, ist es wahr- Lockdown als »nicht systemrelevant« eingestuft scheinlich, dass die Symptome in der freien Woche und daher geschlossen wurden, einsetzen und die Quarantänen wirksam vor einer ‒ Freizeit- und andere Kontakte weniger stark redu- weiteren Infektion anderer umgesetzt werden können. ziert wurden, zum Teil weil die Geschäfte geöffnet Diese Kanäle lassen sich in unserem Modell realistisch sind, zum Teil aufgrund einer Lockdown-Müdig- und mit geringem Aufwand modellieren. Eine einfache keit, die wir als eine schwächere Reduzierung der Halbierung der Übertragungsrate würde hingegen den Freizeitkontakte modellieren. zweiten und dritten Effekt nicht erfassen. Um den Effekt der Halbierung von Schulklassen Abbildung 3 zeigt, dass die Umsetzung eines kurzen zu simulieren, haben wir im Modell einmal alle Schüle- harten Lockdown mit geschlossenen Schulen wie im rinnen und Schüler und einmal nur Schülerinnen und Frühjahr das Infektionsgeschehen deutlich reduzieren Schüler in weiterführenden Schulen in ein Wechsel würde. Ein harter Lockdown könnte bis Weihnachten klassensystem geschickt. Folglich wechseln sich die den 7-Tagesinzidenzwert bis auf 25 pro 100 000 Ein- beiden Schulgruppen wöchentlich im Präsenzunter- wohner reduzieren. richt ab, während die jeweils andere Schülergruppe Ein harter Lockdown würde jedoch bedeuten, durch digitalen Fernunterricht weiter von den Lehre- dass neben den bereits geschlossenen Wirtschafts- rinnen und Lehrern betreut werden. In unserer Simu- bereichen weitere »nicht-systemrelevante« Geschäfte lation bleiben die jüngeren Kinder jedoch im Präsenz mit sozialen Kontakten, vor allem im Einzelhandel und unterricht bzw. in der Kindergarten- und Kita-Gruppe im sozialen Dienstleistungsbereich, ihre Geschäftstä- der Einrichtungen. Wir haben uns in der Simulation tigkeiten einstellen oder stark einschränken müssten. zunächst auf die älteren Schülergruppen konzentriert, Die Erfahrungen des Frühjahrs zeigten, dass die Ein- da bei einem Alter von zehn Jahren und älter davon auszugehen ist, dass sie aufgrund einer höheren Selb- Abb. 3 ständigkeit sowohl am digitalen Fernunterricht besser Schulszenarien bei Rückkehr zu einem harten Lockdown teilnehmen können und gleichzeitig weniger Betreu- Wöchentliche Infektionen Harter Lockdown, Schulen und Kitas offen Harter Lockdown, höhere Klassen halbiert ung durch die eigenen Eltern benötigen. Es ist daher pro 100 000 Einwohner Harter Lockdown, alle Klassen halbiert bei älteren Schülerinnen und Schülern anzunehmen, 150 Harter Lockdown, Schulen und Kitas zu Langer Lockdown-light dass Eltern durch diese Politikmaßnahme weniger Berechnete Falldaten nach RKI von ihrer eigenen Arbeitstätigkeit abgehalten würden. 100 Abbildung 2 zeigt die Simulationsergebnisse der sanften Lockdown-Strategie mit halbierten höheren Klassen. Die Simulation zeigt ein interessantes Er- 50 gebnis: Die Strategie der zusätzlichen Einführung hal- bierter Klassen und ein Teilunterricht über digitale Techniken hätte bis Weihnachten nahezu den gleichen 0 Effekt auf die Reduzierung des Infektionsgeschehens Oktober 2020 November 2020 Dezember 2020 wie die vollständige Schließung der Bildungs- und Be- Quelle: Robert Koch-Institut (RKI); Berechnungen der Autoren. © ifo Institut ifo Schnelldienst digital 15/2020, 25. November 2020 5
AUSWIRKUNGEN VON POLITIKMASSNAHMEN ZUR EINDÄMMUNG DER ZWEITEN COVID-19-WELLE stellung der Wirtschaftstätigkeit zu massiven volks- Videospiele. Auch sind nicht überall die notwendige wirtschaftlichen Kosten führte und hohe staatliche Infrastruktur und/oder die Fähigkeiten vorhanden, Finanzhilfen erforderte. Aufgrund des zusätzlichen um Homeschooling sinnvoll umzusetzen. Schnelle, drohenden Ausfalls des Weihnachtsgeschäfts wäre massive und längst überfällige Investitionen in die di- ein harter Lockdown mit hohen ökonomischen Folgen gitale Schule scheinen daher bildungs-, gesundheits- verbunden, selbst wenn er nur für wenige Wochen gilt. und wirtschaftspolitisch die optimale und nachhal- Es ist daher fraglich, ob ein derart harter Lockdown tige Strategie zu sein. Hier wurde leider der Sommer in der Vorweihnachtszeit im gemeinsamen Interesse nicht genutzt, um die Schulen in der Fläche fit für die von Gesundheit und Wirtschaft wäre (vgl. Dorn et al. zweite Welle zu machen. 2020b; 2020c). Darüber hinaus gilt es, alle Möglichkeiten der Ein harter Lockdown wie im Frühjahr würde zu- Nachverfolgung von Infektionsketten z.B. durch eine dem mit der Schließung von Schulen und Kindergär- Erweiterung der Möglichkeiten der Corona-Warn-App ten/Kitas und den damit verbundenen negativen Aus- zu nutzen. Auch sollten Massentests in Hochrisikoregi- wirkungen einhergehen (vgl. vorherige Ausführungen). onen und Verbesserungen in der Datenerhebung (z.B. Wir haben daher auch die Auswirkung eines harten regionale Vergleichbarkeiten etc.) genutzt werden, um Lockdown simuliert, der zwar die harten Einschnitte das Virus mit modernen Technologien zu bekämpfen. und Schließung weiterer Branchen wie im Frühjahr Die Ausweitung dieser Möglichkeiten wäre vergleichs- vorsieht, aber dafür die Schulen und Kindergärten/ weise kosteneffizienter, wenn dadurch flächende- Kitas im vollen Betrieb weiterlaufen lässt. Abbil- ckende Lockdown-Maßnahmen vermieden werden dung 3 zeigt, dass diese Strategie voraussichtlich den können. gleichen Effekt auf die Infektionszahlen hätte, wie die zuvor diskutierte Strategie eines leichten Lockdown LITERATUR mit zusätzlicher Schließung von Schulen und Kinder- Acemoglu, D., V. Chernozhukov, I. Werning und M. D. Whinston (2020), betreuungseinrichtungen. Der wöchentliche Inziden- »Optimale zielgerichtete Sperren in einem Multi-Gruppen-SIR-Modell«, Arbeitspapier 27102, Nationales Büro für Wirtschaftsforschung, verfüg- zwert pro 100 000 Einwohner könnte auch auf diese bar unter: http://www.nber.org/ papers/w27102. Weise bis Weihnachten auf etwa 50 reduziert wer- Amaral, S., V. Endl-Geyer und H. Rainer (2020), »Familiäre Gewalt und den. Aufgrund gleicher Eindämmungswirkung würde die Covid-19-Pandemie: Ein Überblick über die erwarteten Auswirkungen und mögliche Auswege,« ifo Schnelldienst 73(7), 52–56. dies unweigerlich zu einer Debatte führen, welcher Avery, C., W. Bossert, A. Clark, G. Ellison und S. Fisher Ellison (2020), Schaden wirtschaftlich und gesellschaftlich höher »An Economist‘s Guide to Epidemiology Models of Infectious Disease« einzustufen wäre: Schließung und Einschränkung wei- (Leitfaden für Ökonomen zu epidemiologischen Modellen von Infektions- krankheiten), Zeitschrift für Wirtschaftsperspektiven 34(4), 79–104. terer Wirtschafts- und Geschäftstätigkeiten oder die Berger, D. W., K. F. Herkenhoff und S. Mongey (2020), »Ein SEIR-Infekt Schließung von Bildungs- und Kinderbetreuungsein- ionskrankheitsmodell mit Tests und bedingter Quarantäne«, Arbeitspa- richtungen. In unserem Modell zeigt sich wieder die pier 26901, Nationales Büro für Wirtschaftsforschung, verfügbar unter: http://www.nber.org/papers/ w26901. Einführung von Wechselklassen als optimaler mögli- Cuevas, E. (2020), »Ein agentenbasiertes Modell zur Bewertung der Über- cher Mittelweg: Bei ähnlichen Infektionszahlen wie im tragungsrisiken von COVID-19 in Einrichtungen«, Computer in Biologie Falle der kompletten Schließung von Einrichtungen und Medizin 121, S. 103827, verfügbar unter: https://doi.org/10.1016/j. compbiomed. 2020.103827. fiele der gesamtgesellschaftliche Schaden deutlich Dorn, F., C. Fuest, M. Göttert, C. Krolage, S. Lautenbacher, S. Link, geringer aus. A. Peichl, M. Reif, S. Sauer, M. Stöckli, K. Wohlrabe und T. Wollmershäu- ser (2020d), »Die volkswirtschaftlichen Kosten des Corona-Shutdown für Deutschland: Eine Szenarienrechnung«, ifo Schnelldienst 73(4), 29–35. SCHLUSSFOLGERUNGEN Dorn, F., C. Fuest, D. Gstrein, A. Peichl und M. Stöckli (2020a), »Corona- Infektionen und die Dunkelziffer: Vergleichen wir Äpfel mit Birnen?«, Die Politik muss abwägen, mit welcher Strategie sie ifo Schnelldienst Digital 1(12), 12. Oktober. die Eindämmung der zweiten Welle in den nächs- Dorn, F., S. Khailaie, M. Stöckli, S. Binder, B. Lange, S. Lautenbacher, P. Vanella, T. Wollmershäuser, A. Peichl, C. Fuest und M. Meyer-Hermann ten Wochen fortführen möchte. Hierbei gilt es, die (2020c), » The Common Interests of Health Protection and the Economy: optimale Strategie aus bildungs-, gesundheits- und Evidence from Scenario Calculations of COVID-19 Containment Policies«, medRxiv, verfügbar unter: https://doi.org/10.1101/2020.08.14.20175224. wirtschaftspolitischer Sicht zu finden. Mit Hilfe eines Dorn, F., S. Khailaie, M. Stöckli, S. Binder, B. Lange, P. Vanella, T. Woll- neu entwickelten Simulationsmodells zeigen wir, dass mershäuser, A. Peichl, C. Fuest und M. Meyer-Hermann (2020b), »Das eine Verlängerung des bisherigen Lockdown-light die gemeinsame Interesse von Gesundheit und Wirtschaft: Eine Szenarien- rechnung zur Eindämmung der Corona- Pandemie«, ifo Schnelldienst Zahl der Neuinfektionen in den nächsten Wochen nur Digital 1(6), 13. Mai. sehr langsam reduzieren würde. Die zusätzliche Ein- Fuest, C., M. J. Lohse, A. Abele-Brehm, H. Dreier, V. Grimme, führung von Wechselklassen (Klassensplitting) bzw. H. G. Kräusslich, G. Krause, M. Leonhard, A. W. Lohse, T. Mansky, A. Peichl, R. M. Schmid, G. Wess und C. Woopen (2020), »Die Bekämp- digitalem Fernunterricht könnte hingegen als zusätz- fung der Coronavirus-Pandemie tragfähig gestalten. Empfehlungen für liche Maßnahme ausreichen, um bis Weihnachten den eine flexible, risikoadaptierte Strategie«. Manuskript, verfügbar unter: https://www.ifo.de/DocDL/Coronavirus-Pandemie-Strategie-Fuest-Loh- 7-Tagesinzidenzwert von 50 zu unterschreiten. Hierbei se-etal-2020-04.pdf. gilt es jedoch bildungspolitische Kollateralschäden zu Gabler, J., T. Raabe und K. Röhrl (2020), »People Meet People – A vermeiden. Wechselklassen können nur dann funkti- Microlevel Approach to Predicting the Effect of Policies on the Spread of Covid-19«, Working Paper. onieren, wenn die Kinder im Homeschooling von zu Hause auch virtuell am Unterricht teilnehmen können und die Zeit nicht anderweitig verbringen, z.B. durch 6 ifo Schnelldienst digital 15/2020, 25. November 2020
AUSWIRKUNGEN VON POLITIKMASSNAHMEN ZUR EINDÄMMUNG DER ZWEITEN COVID-19-WELLE Grewenig, E., P. Lergetporer, K. Werner, L. Woessmann und L. Zierow Ragnitz, J. (2020), »Langfristige wirtschaftliche Auswirkungen der Coro- (2020), »Covid-19 and Educational Inequality: How School Closures Af- na-Pandemie«, ifo Schnelldienst 73(11), 25–30. fect Low- and High-Achieving Students«, CESifo Working Paper No. 8648. Silva, P. C. L., P. V. C. Batista, H. S. Lima, M. A. Alves, F. G. Guimarães Grimm, V., F. Mengel und M. Schmidt (2020), »Erweiterungen des und R. C.P. Silva (2020), »COVID-ABS: Ein agentenbasiertes Modell von SEIR-Modells für die Analyse maßgeschneiderter sozialer Distanzie- COVID-19 epidemic zur Simulation der gesundheitlichen und wirtschaft- rungs- und Rückverfolgungsansätze zur Zusammenarbeit mit COVID-19«, lichen Auswirkungen von sozial distanzierenden Interventionen«, Chaos, medRxiv, verfügbar unter: DOI: 10.1101/2020.04.24.20078113. reprint: Solitonen & Fraktale 139, S. 110088, verfügbar unter: https://www. medrxiv.org/Inhalt/früh/2020/04/29/2020.04.24.20078113. https://doi.org/10.1016/j.chaos.2020.110088. vollständig. Wößmann, L. (2020), »Folgekosten ausbleibenden Lernens: Was wir über Hanushek, E. A. und L. Wößmann (2020), »The Economic Impacts of die Corona-bedingten Schulschließungen aus der Forschung lernen kön- Learning Losses«, OECD Education Working Papers No. 225. nen«, ifo Schnelldienst 73(6), 38–44. He, X., E. H. Lau, P. Wu, X. Deng, J. Wang, X. Hao, Y. Chung Lau, Wößmann, L., V. Freundl, E. Grewening, P. Lergetporer, K. Werner, und J. Y Wong, Y. Guan, X. Tan et al. (2020), »Zeitliche Dynamik bei der L. Zierow (2020), »Bildung in der Coronakrise: Wie haben die Schulkin- Virusabgabe und Übertragbarkeit von COVID-19«, Naturmedizin 26(5), der die Zeit der Schulschließungen verbracht, und welche Bildungsmaß- 672–675. nahmen befürworten die Deutschen?«, ifo Schnelldienst 73(9), 24–39. Hinch, R. et al. (2020), »OpenABM-Covid19 – ein agentenbasiertes Modell für nicht-pharmazeutische Interventionen gegen COVID-19 einschließlich Kontaktverfolgung«, verfügbar unter: DOI: 10.1101/2020.09.16.20195925. Mossong, J., N. Hens, M. Jit, P. Beutels, K. Auranen, R. Mikolajczyk, M. Massari, S. Salmaso, G. Scalia Tomba, J. Wallinga et al. (2008), »So- ziale Kontakte und Vermischungsmuster, die für die Ausbreitung von Infektionskrankheiten relevant sind«, PLoS-Medizin 5(3). ifo Schnelldienst digital 15/2020, 25. November 2020 7
Sie können auch lesen