Wer forscht warum wozu? Transparenz über Förderung, Interessen und Motive als Herausforderung für die Wissenschaftskommunikation
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Ricarda Ziegler, Markus Weißkopf Wer forscht warum wozu? Transparenz über Förderung, Interessen und Motive als Herausforderung NETZWERK WISSENSCHAFT für die Wissenschaftskommunikation IMPULSPAPIER FÜR DIE FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG Auf Transparenz über Förderungen, Interessen und hänge im Blick zu behalten. Die Daten des Wissen- Motive wird in der Wissenschaftskommunikation in schaftsbarometers und die Ergebnisse qualitativer Deutschland bisher wenig Wert gelegt. Gleichzeitig Auswertungen von Fokusgruppengesprächen im zeigen Studien aber, dass Misstrauen und Skepsis Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung liefern dazu vor allem dann entstehen, wenn der Wissenschaft eine gute Grundlage. eine mangelnde Gemeinwohlorientierung oder Ein- fluss von außen – sei es durch Politik oder Wirt- Unter Bezug auf das Konzept der scientific literacy schaft – unterstellt wird. wird in diesem Papier für eine verstärkte und pro- aktive Thematisierung von Interessen(-skonflikten), Vor dem Hintergrund einer steigenden Bedeutung Motiven und Förderungen argumentiert. Abschlie- des Vertrauens in Wissenschaft in Zeiten von Pan- ßend werden Handlungsempfehlungen für die Wis- demie und Klimakrise gilt es, diese Zusammen- senschaftskommunikation formuliert. Viele dachten, dass sich durch die große Aufmerksam- EINLEITUNG keit in scheinbar allen Teilen der Gesellschaft auch ge- nerell das öffentliche Interesse an und die Informiert- Wissenschaftler_innen und ihrer Forschung wurde heit über wissenschaftliche Themen erhöhen könnte. während der Coronapandemie in Deutschland genau Weiterhin war die Hoffnung groß, dass langfristig wie in vielen anderen Ländern eine bis dahin selten die scientific literacy – die wissenschaftliche (Grund-) gekannte öffentliche Aufmerksamkeit zuteil. Die große Bildung der Bürger_innen zu Wissenschaft und For- Relevanz wissenschaftlichen Wissens, die neu erwor- schung – anwachse; dass es endlich gelänge, auch bene Prominenz verschiedener Virolog_innen und For- verstärkt Methoden und Prozesse der Wissenschaft scher_innen sowie die vielfältige Kommunikation über zu vermitteln und dass Wissenschaft und Forschung Wissenschaft in Nachrichtensendungen, Talkshows eine neue gesellschaftliche Wertschätzung entgegen- oder Podcasts ließen unter Wissenschaftskommunika- gebracht werde. tor_innen und Vertreter_innen des Wissenschaftssy- stems auch weitergehende Hoffnungen aufkommen.
Transparenz über Förderung, Interessen und Motive als Herausforderung für die Wissenschaftskommunikation Seite 02 /8 NETZWERK WISSENSCHAFT Dass es auch gelingen kann, mit Einblicken in den Pro- Teilnehmer_innen durchgeführten Fokusgruppenge- duktionsprozess von Wissenschaft ein größeres Publi- spräche liegt nun eine qualitative Ergänzung dieser kum zu erreichen, zeigt dabei der Podcast des NDR mit quantitativen Erfassungen vor. Diese ermöglicht es, die Christian Drosten und Sandra Ciesek. Gleichzeitig war Ergebnisse zu vergleichen, zusammenzuführen und zu erkennen, dass auch Herausforderungen damit ein- neu zu interpretieren. hergehen, wenn Wissenschaft plötzlich auf Seite eins stattfindet. Beispielsweise in der Auseinandersetzung zwischen der BILD und Christian Drosten oder auch im Interesse an und Verständnis von Rahmen der Kommunikation rund um die Heinsberg- Wissenschaft und Forschung Studie wurde deutlich, dass eine verstärkte öffentliche Präsenz von Wissenschaftler_innen das Verhältnis von Die bevölkerungsrepräsentativen Befragungsdaten des Forschung und Gesellschaft und das öffentliche Ver- Wissenschaftsbarometers zeigen, dass das generel- trauen in Wissenschaft auch gefährden kann. le Interesse an wissenschaftlichen Themen 2020 auf einem ähnlichen Niveau wie in den Vorjahren lag. So Im folgenden Beitrag wird die Entwicklung der öf- gaben im November 2020 60 Prozent der Bürger_in- fentlichen Meinung gegenüber Wissenschaft und nen ein eher großes oder sehr großes Interesse an Wis- Forschung in Deutschland vor dem Hintergrund der senschaft und Forschung an, womit dieses wie auch in nun seit eineinhalb Jahren andauernden Coronapan- den vorherigen Jahren beispielsweise über dem berich- demie nachgezeichnet. Hierfür wird auf Daten des teten Interesse der Befragten an Politik liegt (vgl. WiD Wissenschaftsbarometers 1 – einer bevölkerungsreprä- 2020a). sentativen Meinungsumfrage zu Wissenschaft und Forschung von Wissenschaft im Dialog (WiD) – und Dass die Bürger_innen Wissenschaft und Forschung die Ergebnisse der von der Friedrich-Ebert-Stiftung häufig über den wissenschaftlichen Prozess definie- (FES) in Auftrag gegebenen Fokusgruppengespräche ren, zeigen die Ergebnisse der Fokusgruppengespräche zur öffentlichen Wahrnehmung von Wissenschaft im Auftrag der FES. Zu diesem Verständnis der Be- zurückgegriffen. Erkenntnisse zum öffentlichen Ver- fragten von Wissenschaft berichten die Autor_innen trauen in Wissenschaft und zum Entstehen von Miss- des Ergebnisberichts: „[…] Wissenschaft [wird] häufig trauen und Skepsis gegenüber einer mit Politik und mit dem assoziiert […], was sie tut: forschen und ent- Wirtschaft verflochtenen Forschung werden aus Sicht wickeln, und wie sie dies tut: über Methode, Beweis- der Wissenschaftskommunikationspraxis reflektiert führung, Standards, und dessen Konsequenzen für die und Empfehlungen für deren zukünftige Gestaltung Allgemeinheit: Fortschritt, Innovation, Erleichterung. abgeleitet. Im besonderen Fokus steht die Frage, wel- […] Kaum Erwähnung finden wissenschaftliche Ak- chen Einfluss vermutete finanzielle Abhängigkeiten teur_innen selbst sowie deren Arbeitsorte und Titel, auf das Vertrauen in die Wissenschaft haben. interne Selektionsmechanismen oder Publikations- praktiken” (FES/pollytix 2021: 6). Demzufolge hätten „[die] meisten [der Fokusgruppenteilnehmenden] […] BEFUNDE de facto keine Kenntnisse über den Ablauf des Wis- senschaftsbetriebs […]. Nur eine Person benannte das UND EINORDNUNG Finanzierungssystem über Drittmittel und die damit verbundene Aufgabe, diese einzuholen und Werbung Das Wissenschaftsbarometer befasst sich seit 2014 für Projekte und Universitäten zu machen” (FES/polly- mit den Einstellungen der deutschen Bevölkerung in tix 2021: 9). Bezug auf Wissenschaft und Forschung. Ein zentrales Interesse ist das Nachzeichnen der Entwicklung des Auf Basis bevölkerungsrepräsentativer Daten wird dies öffentlichen Vertrauens in Wissenschaft sowie die Er- durch eine Analyse einer offenen Frage zum Verständ- fassung von Gründen für ein Ver- oder Misstrauen in nis von Wissenschaftlichkeit im Wissenschaftsbarome- Wissenschaftler_innen. Weiterhin wurden in den ver- ter 2017 bestätigt: Hier gaben die Befragten vor allem gangenen Jahren auch Einschätzungen und Wissen Antworten, die sich mit der Ergebnis- und Erkenntnis- über Methoden und Prozesse sowie über die Finanzie- orientierung sowie mit einem systematischen, regel- rung von Forschung erfragt. Mit den Ergebnissen der geleiteten und analytischen Vorgehen in Wissenschaft von pollytix im Auftrag der FES im April 2021 mit 48 und Forschung befassen. Andere Aspekte, die sich mit 1 Informationen unter www.wissenschaftsbarometer.de
Transparenz über Förderung, Interessen und Motive als Herausforderung für die Wissenschaftskommunikation Seite 03/8 NETZWERK WISSENSCHAFT der kritischen, reflexiven oder gemeinwohlorientierten Forschung 5 vertrauen. Der Aussage, dass man Wissen- Natur von Wissenschaft oder der Rolle von Nachvoll- schaftler_innen vertrauen kann, weil sie im Interes- ziehbarkeit, Transparenz und Kollaboration in der For- se der Öffentlichkeit forschen – also aufgrund ihres schung befassen, wurden deutlich seltener genannt Wohlwollens gegenüber der Gesellschaft oder ihrer (vgl. Ziegler et al. 2018). Gemeinwohlorientierung – stimmen vor und wäh- rend der Coronapandemie allerdings weniger als die Hälfte der Befragten zu. Ein relevanter Anteil von cir- Vertrauen in Wissenschaft und Forschung (im ca 40 Prozent zeigt sich hier unentschieden (vgl. WiD Kontext der Coronapandemie) 2020a). Eine sehr positive Bewertung von Wissenschaft und Nach Misstrauensgründen gefragt, stimmen 2020 we- Forschung durch die Bürger_innen in Deutschland niger Befragte als in den Vorjahren zu, dass fehlende ließ sich im konkreten Kontext der Coronapandemie Expertise6 oder mangelnde Integrität 7 Gründe sind, beobachten. So stimmten im „Corona Spezial” des Wis- Wissenschaftler_innen zu misstrauen. Auch die Aussa- senschaftsbarometers im Frühjahr 2020 knapp 90 Pro- ge, dass man Wissenschaftler_innen misstrauen kann, zent der Befragten zu, dass das Wissen von Wissen- weil sie stark abhängig von ihren Geldgeber_innen schaftler_innen2 wichtig sei, um die Verbreitung des sind, womit eine Orientierung an deren Interessen und Coronavirus zu verlangsamen. Circa drei Viertel der nicht am Interesse der Öffentlichkeit naheliegt, erfährt Befragten vertraten die Meinung, dass politische Ent- 2020 weniger Zustimmung. Aber unter den erfassten scheidungen zum Umgang mit der Coronapandemie Misstrauensgründen ist dies – mit circa der Hälfte der auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen sollten Befragten – immer noch der am häufigsten benannte (vgl. WiD 2020b). Grund (vgl. WiD 2020a). Weiterhin zeigen die bevölkerungsrepräsentativen Da- In den von der FES beauftragten Fokusgruppengesprä- ten des Wissenschaftsbarometers auch, dass in 2020 chen ist für die Teilnehmer_innen zentral, dass Wis- ein erhöhtes öffentliches Wissenschaftsvertrauen vor- senschaftler_innen bei ihrer Forschung generell und herrschte. Ausgehend von einem Anteil von circa 50 auch im besonderen Kontext der Erforschung und Be- Prozent, die in den Vorjahren angaben, eher oder voll kämpfung der Coronapandemie das Gemeinwohl im und ganz in Wissenschaft und Forschung zu vertrau- Blick haben und sich am Interesse der Öffentlichkeit en, stieg das Vertrauen auf 73 Prozent im April 2020 und nicht an wirtschaftlichen Interessen orientieren. bzw. 66 Prozent im Mai 2020 und lag im Herbst 2020 Allerdings hatten einige Fokusgruppenteilnehmer_in- noch bei 60 Prozent. Das kommt zwar einem Rückgang nen den Eindruck, dass dies in der Coronapandemie im Vergleich zum Frühjahr gleich, liegt aber noch im- nicht immer der Fall war (vgl. FES/pollytix 2021: 11). mer über den Werten der Vorjahre (vgl. WiD 2020a). Bemerkenswert ist, dass sich bei den Teilnehmer_in- nen der Fokusgruppengespräche vor allem dann Miss- Gründe für Misstrauen in und Skepsis trauen zu regen scheint, wenn Wissenschaft und For- gegenüber Wissenschaft und Forschung schung mit anderen gesellschaftlichen Akteur_innen in Kontakt kommen. Zum Beispiel, wenn von Journa- Die Expertise3 und die Integrität4 von Wissenschaftler_ list_innen vermeintlich selektiv über neue Forschungs- innen sind für die meisten Befragten im Wissenschafts- ergebnisse berichtet wird, wenn sich Politiker_innen barometer die Gründe, weshalb sie Wissenschaft und bei ihren Entscheidungen nur auf bestimmte wissen- 2 Um die Länge und grammatikalische Komplexität der verschiedenen Fragen und Items für die Erhebung als Telefoninterviews zu redu- zieren, wird im Fragebogen des Wissenschaftsbarometers keine genderneutrale Sprache verwendet. Da WiD dies generell unterstützt, werden die Ergebnisse hier dennoch unter Verwendung des Gender-Gaps berichtet. 3 Operationalisiert über die Zustimmung zur Aussage „Weil Wissenschaftler Experten auf ihrem Feld sind“ 4 Operationalisiert über die Zustimmung zur Aussage „Weil Wissenschaftler nach Regeln und Standards arbeiten“ 5 Die Basis der Fragen zu Gründen für Ver- und Misstrauen in Wissenschaftler bildet das Muenster Epistemic Trustworthiness Inventory und die dort identifizierten Dimensionen von Expertise, Integrität und Wohlwollen als Grundlage von Vertrauenswürdigkeitseinschät- zungen gegenüber Personen, die ihr Wissen öffentlich verfügbar machen (vgl. Hendriks et al. 2017). 6 Operationalisiert über die Aussage „Weil Wissenschaftler häufig Fehler machen“ 7 Operationalisiert über die Aussage „Weil Wissenschaftler oft Ergebnisse ihren eigenen Erwartungen anpassen“
Transparenz über Förderung, Interessen und Motive als Herausforderung für die Wissenschaftskommunikation Seite 04 /8 NETZWERK WISSENSCHAFT schaftliche Erkenntnisse beziehen oder wenn Wirt- 2017) spielen diese Punkte unserer Wahrnehmung schaftsakteur_innen ausgewählte Wissenschaftler_in- nach in der aktuellen Praxis der Wissenschaftskommu- nen fördern. Dabei richtet sich interessanterweise der nikation noch eine sehr untergeordnete Rolle. Hauptvorwurf an diejenigen, die Wissenschaft für ihre Zwecke missbrauchen und erst nachrangig gegen die Stellt man sich hingegen die Frage, ob eben jene Trans- Wissenschaft selbst, die sich benutzen lässt oder im parenzaspekte Teil öffentlicher Kommunikation über Sinne der Medialisierungs- oder Politisierungsannah- Forschung sein sollten, liefert das in der Wissenschafts- men (an andere Systemlogiken) anpasst (vgl. FES/pol- kommunikation viel diskutierte Konzept der scientific lytix 2021: 11ff.). literacy von Jon D. Miller (1983) und insbesondere des- sen dritte Dimension eine mögliche Antwort.8 Eine teilnehmende Person resümiert, dass für sie vor diesem Hintergrund die Coronapandemie „nicht viel Scientific literacy thematisiert, was die Bürger_innen mit Wissenschaft zu tun [habe]. [Sie] ist überlagert von über Wissenschaft und Forschung wissen sollten (auch der Politik und politischen und medialen Interessen im Verhältnis dazu, was sie tatsächlich wissen) (vgl. und von persönlichen Interessen der Wissenschaftler. Bauer/Allum/Miller 2007: 80f. und Durant et al. 2000: […] Das ist nur noch bedingt glaubwürdig“ (FES/polly- 135f.). Im Laufe der Verwendung des Konzepts durch tix 2021: 11). verschiedene Autor_innen unterscheidet sich dabei die Begründung, wieso eine scientific literacy notwen- Während Wissenschaft und Forschung an sich positiv dig ist: Einerseits wird normativ argumentiert, dass beurteilt werden und Wissenschaftler_innen generell Informationen über Wissenschaft und Forschung als vertraut wird, „wird besonders die Abhängigkeit und ideeller Wert beispielsweise vergleichbar mit der Fä- Beeinflussung durch Wirtschaft und externe Geldge- higkeit des Lesens oder Schreibens oder mit Bildung ber kritisiert. Ob Wissenschaft positiv oder negativ für insgesamt zu betrachten sind. Andererseits wird der die Gesellschaft und die Menschen sei, hänge maßgeb- funktionale Aspekt einer in einem Mindestmaß scienti- lich vom Auftraggeber ab – und davon, welche Interes- fic literate Bevölkerung betont, die durch Wissen über sen dieser verfolge“ (FES/pollytix 2021: 12). Wissenschaft und Forschung im Alltag, bei der Arbeit oder auf gesellschaftlicher Ebene bessere Entschei- Zitate der Fokusgruppenteilnehmer_innen verdeutli- dungen trifft (vgl. Gonçalves 2000: 61ff. und Miller/ chen dies anschaulich: „Wenn ich Statistiken lese oder Pardo 2000: 82f.). wissenschaftliche Beiträge, dann schaue ich immer, wer die finanziert hat. Ich glaube der Wissenschaft nicht Scientific literacy wird dabei zumeist als Konzept mit hundertprozentig“ (ibid.) oder „Wissenschaft ist [...] mit drei Dimensionen verwendet und beinhaltet neben wirtschaftlichen Interessen verbunden, wenn man sich (1) wissenschaftlichem Fakten- oder Ergebniswissen die vielen Drittmittelprojekte anschaut“ (ibid.). (2) ein Verständnis wissenschaftlicher Arbeitsweisen und Methoden sowie (3) das Wissen über das Wissen- schaftssystem, wissenschaftliche Institutionen und Diskussion ihre Rolle innerhalb der Gesellschaft (vgl. Bauer/Du- rant/Evans 1994: 166f.; Miller/Pardo 2000: 82ff., Stur- Betrachtet man diese Ergebnisse vor dem Hintergrund gis/Allum 2004: 55f. und Allum/Tabourazi/Brunton- der aktuellen Wissenschaftskommunikation, deren Smith 2008: 38). Ziel in Deutschland oftmals die Stärkung des öffent- lichen Vertrauens in Wissenschaft und Forschung ist Dabei wird in der Literatur durchaus von einem Zusam- (vgl. Ziegler/Fischer 2020: 20 oder BMBF 2021), fällt menhang zwischen der scientific literacy von Personen auf, dass Kommunikation über Interessen, Motive, Fi- und deren Bewertungen von und Meinungen zu Wis- nanzierungen und Förderungen selten diskutiert und senschaft und Forschung ausgegangen. Dieser kann noch seltener proaktiv angegangen werden. Trotz ei- bei kontroversen Forschungsthemen wie beispielswei- niger Aufrufe wie beispielsweise vom Siggener Kreis in se der Nanotechnologie durchaus auch konfus oder seinem Ergebnispapier von 2017 (vgl. Siggener Kreis gar negativ ausfallen, scheint aber grundsätzlich posi- 8 Der Fokus dieses Beitrags liegt dabei eher auf jener Art von Wissenschaftskommunikation, die unidirektional Informationen über Wis- senschaft und Forschung vermittelt. Dies soll nicht die Bedeutung eines dialogischen oder partizipativen Verständnisses von Wissen- schaftskommunikation schmälern, sondern ist der Beobachtung geschuldet, dass die unidirektionale Art unserer Wahrnehmung nach derzeit einen Großteil der wissenschaftskommunikativen Tätigkeiten in Deutschland ausmacht.
Transparenz über Förderung, Interessen und Motive als Herausforderung für die Wissenschaftskommunikation Seite 05 /8 NETZWERK WISSENSCHAFT tiv zu sein (vgl. Allum/Tabourazi/Brunton-Smith 2008: nikation. Dazu hat auch der Siggener Kreis in seinem 36f. und 48f.; Roberts et el. 2013: 62 und Scheufele/ Ergebnispapier von 2017 bereits einige Vorschläge un- Lewenstein 2005: 659). terbreitet und es finden sich dazu auch einige Aussa- gen in den Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR (vgl. Die berichteten Ergebnisse des Wissenschaftsbaro- WiD/BVHK 2016). meters und der Fokusgruppengespräche zum öffent- lichen Wissenschaftsvertrauen legen dabei nahe, dass Die öffentliche Kommunikation über Motive bei Finan- besonders Annahmen über die Nutzung oder Finan- zierungen und Förderungen von Wissenschaft sowie zierung wissenschaftlichen Wissens durch andere ge- ggf. auch Abhängigkeiten von Geldgebern kann dabei sellschaftliche Akteur_innen – also Aspekte, die die unterschiedliche Formen annehmen. Folgende Punkte dritte Dimension von scientific literacy betreffen – für erscheinen uns zentral: das Entstehen von Misstrauen oder Skepsis gegenüber Forschenden relevant zu sein scheinen. Leider gibt es 1. Kommunizierende Wissenschafler_innen und bisher noch keine uns bekannten Untersuchungen Kommunikationsverantwortliche sollten Transpa- der science of science communication, ob dem durch renz über Finanzierungen und Förderungen von eine explizite öffentliche Kommunikation begegnet Projekten, Studien und Forschungsgruppen her- werden kann. Denkbar wäre hier beispielsweise, dass stellen. Dies sollte für alle Stellen gelten, an denen Annahmen über die Einflussnahme von Politik oder öffentlich über Erkenntnisse und Ergebnisse be- Wirtschaft auf die Forschung korrigiert oder kontex- richtet wird. Informationen darüber sind entspre- tualisiert werden oder die gesellschaftliche Rolle von chend durch die Kommunikationsabteilungen bei Wissenschaft diskutiert wird. den verantwortlichen Wissenschaftler_innen ein- zufordern und deren öffentliche Kommunikation Doch selbst wenn das Argument aus wirkungsorien- innerhalb der Einrichtungen zu verteidigen. tierter Perspektive (noch) nicht belegt ist, so scheint doch aus normativer Perspektive eine verstärkte Kom- 2. Journalist_innen und Medien sollten – so wie es munikation und Transparenz über Finanzierungen, In- auch selbstverständlicher wird, über Methoden teressen und Motive in Wissenschaft und Forschung der Forschung zu sprechen – auch Informationen angebracht, wenn Wissenschaftskommunikation zu zu Förderungen und Finanzierungen vermitteln. einer scientific literate Bevölkerung beitragen möchte. Bei SPIEGEL Online wurden beispielsweise bereits Wenn die Bürger_innen durch Kommunikation über vor einigen Jahren unterhalb von Artikeln zu wis- Forschungsergebnisse und über die Prozesse der Wis- senschaftlichen Studien Informationen zu Förde- senschaft scientific literate sein oder werden sollten, rungen und Finanzierungen in einer Box bereitge- sollte dies auch für jene dritte Dimension gelten. stellt. Leider wurde dieses Angebot, soweit wir das recherchieren konnten, nicht fortgeführt. Und auch hier gilt: Journalist_innen sollten diese Informatio- HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN nen aktiv seitens der Wissenschaft einfordern. 3. Betrachtet man die direkte Kommunikation zwi- Wie diese Kommunikation über die dritte Dimension schen (einzelnen) Wissenschaftler_innen und Bür- von scientific literacy und die Vermittlung von Infor- ger_innen, sollten Chancen genutzt werden, im mationen über wissenschaftliche Institutionen, ihre persönlichen Austausch über Finanzierungen und gesellschaftliche Rolle, aber auch die öffentliche wie Förderungen von Projekten zu sprechen. In diesem auch privatwirtschaftliche Finanzierung von Forschung Zusammenhang könnte auch erklärt werden, wel- gestaltet werden soll, gilt es für die Wissenschaftskom- che Rolle Mitteleinwerbungen im Wissenschafts- munikation zu diskutieren und anzugehen. Natürlich system spielen und wie sich dies auf persönliche gibt es auch Fälle, in denen bestimmte Interessen (die Interessen und Motive in der Forschung auswirkt. auch wirtschaftlicher Art sein können), zumindest zeitweise einer Transparenz über Finanzierungen und 4. Kommunikationsmitarbeiter_innen innerhalb wis- Förderungen auch an öffentlichen Forschungseinrich- senschaftlicher Einrichtungen sollten daher nicht tungen entgegenstehen. Doch um Ausnahmen zu de- nur bei Anlässen und Gelegenheiten, die in ihrer finieren, in denen eine Transparenz nicht angemessen Verantwortung liegen, prüfen, inwiefern Finanzie- scheint, braucht es zunächst eine Diskussion gene- rungen, Abhängigkeiten und Interessen hinter der reller Transparenzanforderungen und die Etablierung Forschung Teil ihrer Kommunikation sein können. von Standards in der Praxis der Wissenschaftskommu- Sie sollten auch Wissenschaftler_innen – als zen-
Transparenz über Förderung, Interessen und Motive als Herausforderung für die Wissenschaftskommunikation Seite 06 /8 NETZWERK WISSENSCHAFT trale Akteur_innen der Wissenschaftskommunika- befördern und zum Kompetenzaufbau in Hinblick tion – hierfür sensibilisieren. Letztlich gilt es, be- auf rechtliche Rahmenbedingungen von Kommu- reits in etwaigen Vertragsgestaltungen mit Dritten nikation bei Hochschulen und wissenschaftlichen auf diese Transparenzbedarfe zu achten. Dafür ist Einrichtungen beitragen. ein Zusammenspiel von Wissenschaftler_innen, Kommunikations- und Rechtsabteilungen der wis- 7. Begleitet werden sollten diese Aktivitäten durch senschaftlichen Einrichtungen vonnöten. weitere Forschung, die den Zusammenhang zwi- schen Vertrauen und wahrgenommenen Interes- 5. Weiterhin sollte die öffentliche Wahrnehmung ei- senkonflikten sowie die Wirkungen institutioneller ner möglichen Einflussnahme auf die Wissenschaft Kommunikation in diesem Bereich untersucht. innerhalb des wissenschaftlichen Systems auch als Ausgangspunkt genommen werden, die gesell- schaftliche Rolle von Forschung und ihr Verhältnis Mit diesen Empfehlungen hoffen wir, einen Anstoß zu Politik und Wirtschaft zu reflektieren und des- zu geben, um gemeinsam mit Akteur_innen der Wis- sen Angemessenheit immer wieder neu auszutarie- senschaftskommunikation – kommunizierenden ren. Forscher_innen, Kommunikationsverantwortlichen innerhalb wissenschaftlicher Einrichtungen, (Wissen- 6. Seitens (wissenschafts-)politischer Entscheidungs- schafts-)Journalist_innen und freien Kommunikator_ träger_innen sollte dies befördert werden, indem innen sowie Vertreter_innen des Wissenschaftssystems, Prozesse zur innerwissenschaftlichen Reflexion der Forschungsförderung und der Wissenschaftspolitik und öffentlichen Kommunikation über Forschungs- – zu diskutieren, wie zukünftig Transparenz und öf- förderungen, Abhängigkeiten von Geldgebern und fentliche Kommunikation über Forschungsförderung mögliche Zielkonflikte unterstützt und eingefor- und Motive in der Wissenschaft als Teil von Wissen- dert werden. Sie sollten konkret Rahmenbedin- schaftskommunikation für Bürger_innen gestaltet wer- gungen schaffen, die eine verstärkte Transparenz den können. LITERATURVERZEICHNIS Allum, N.; Sturgis, P.; Tabourazi, D.; Brunton-Smith, I. (2008): Bundesministerium für Bildung und Forschung (2021): Science knowledge and attitudes across cultures: a meta-ana- #FactoryWisskomm, Handlungsperspektiven für die Wissen- lysis. In: Public Understanding of Science 17 (1), S. 35–54. schaftskommunikation. Online: https://www.bmbf.de/bmbf/ shareddocs/downloads/files/factor ywisskommpublikation. Bauer, M. W.; Allum, N.; Miller, S. (2007): What can we learn pdf?__blob=publicationFile&v=1. [letzter Zugriff: 20.09.2021] from 25 years of PUS survey research? Liberating and expan- ding the agenda. In: Public Understanding of Science 16 (1), Durant, J.; Bauer, M. W.; Gaskell, G.; Midden, C.; Liakopou- S. 79–95. los, M.; Scholten, L. (2000): Two Cultures of Public Under- standing of Science and Technology in Europe. In: Dierkes, Bauer, M.; Durant, J.; Evans, G. (1994): European Public Per- M.; von Grote, C. (Hrsg.): Between understanding and trust. ceptions of Science. In: International Journal of Public Opini- The public, science and technology. Australia: Harwood Aca- on Research 6 (2), S. 163–186. demic, S. 131–156.
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Transparenz über Förderung, Interessen und Motive in der Wissenschaft als Herausforderung für die Wissenschaftskommunikation Seite 08/8 NETZWERK WISSENSCHAFT DIE AUTOR_INNEN DIESER NETZWERK WISSENSCHAFT PUBLIKATION Das Netzwerk Wissenschaft behandelt aktuelle wis- senschafts- und hochschulpolitische Fragestellungen Ricarda Ziegler leitet das Wissenschaftsbarometer und in Form von Konferenzen und Publikationen. Ziel verantwortet die Impact Unit bei Wissenschaft im der Aktivitäten ist es, zur Herstellung von Bildungs- Dialog. gerechtigkeit im Hochschulwesen, zur zukünftigen Gestaltung des deutschen Hochschulsystems und Markus Weißkopf ist Geschäftsführer von Wissen- zum Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in fort- schaft im Dialog und Mitinitiator des Siggener Kreises, schrittliche Politik beizutragen. einem Think Tank zur Zukunft der Wissenschafts- Digitale Versionen aller Publikationen: kommunikation. http://www.fes.de/themen/bildungspolitik IMPRESSUM KONTAKT UND FEEDBACK Copyright by Friedrich-Ebert-Stiftung 2021 Dr. Martin Pfafferott Hiroshimastraße 17, 10785 Berlin Leitung Bildung und Wissenschaft Abt. Analyse, Planung und Beratung Abteilung Analyse, Planung und Beratung Redaktion: Dr. Martin Pfafferott, Marion Stichler Martin.Pfafferott@fes.de Grafik Seite 1: Johannes Beck © Gestaltung & Satz: minus Design, Berlin Publikationen können Sie per E-Mail nachbestellen bei: Hochschulpolitik@fes.de Publikationen der Friedrich-Ebert-Stiftung dürfen nicht für Wahlkampfzwecke verwendet werden. Besuchen Sie unseren Bildungsblog www.fes.de/bildungsblog Folgen Sie uns auch auf twitter.
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