Basale Kommunikation in der Ergotherapie
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Basale Kommunikation in der Ergotherapie W infried M a ll Woher kommt die Hilflosig mangel bei der Geburt eine deutli keit? che Tetraspastik, kann mühsam mit einem Gehwagen gehen, schaut sich Stellen Sie sich Anna1 vor. Sie ist nach Personen und Geräuschen um. noch jung, erst 7 Jahre alt, aber Er ist sehr schreckhaft, schlägt sich schon jetzt wird kaum noch jemand dann die Hände gegen die Zähne und mit ihr fertig. Die meiste Zeit will sie schreit. Am liebsten hockt er im Fer für sich sein, hockt schaukelnd in sensitz auf dem Boden, wühlt mit den einer Ecke, in jedem Arm ein Plüsch Händen in Steinen, Klötzen oder tier. Sobald jemand etwas von ihr will Sand, oder wedelt ein Brett oder Bil - vor allem, wenn man sie berührt - derbuch vor dem Gesicht auf und ab, kann es passieren, daß sie in Erre lautiert dazu. Darüber hinaus gibt es gung ausbricht, schreit, ihren Kopf kaum etwas, was ihm offensichtlich nach hinten an die Wand schlägt. Spaß macht, aber er läßt vieles ein Scheinbar ohne Anlaß geht sie im fach über sich ergehen. mer wieder auf andere behinderte Gruppenmitglieder in der Tagesein Dann vielleicht noch Rolf: Nach ei richtung zu, zwickt sie oder reißt sie nem Herzstillstand durch Ertrinken an den Haaren. schwerst mehrfachbehindert, 12 Jah re alt: Er ist vollständig auf Pflege In ihrer Akte ist erwähnt, sie sei zu angewiesen, kann sich nicht einmal früh geboren worden, vermutlich läge drehen. Schon die Nahrungsaufnah ein frühkindlicher Hirnschaden vor, me, das Trinken, die Verdauung auch wenn er sich diagnostisch nicht machen ihm große Mühe, einen fe eindeutig nachweisen ließe. Wenn die sten Schlaf-Wach-Rhythmus hat er Mutter oder Großmutter sie nachmit auch nicht. Durch seine starke, spa tags abholt, fällt auf, daß es zwischen stische Verspannung scheint er oft beiden kaum zu einem K ontakt Schmerzen zu haben. kommt. Auch in Elterngesprächen gewinnt man den Eindruck, daß die Wie weit ihm seine Sinnesorgane - Mutter mit ihrem Kind eigentlich nicht vor allem Sehen und Hören - noch viel anzufangen weiß. Sie erzählt, sie dazu dienen, Informationen aus der sei bei der Geburt noch sehr jung Umwelt aufzunehmen, läßt sich fast gewesen, kurz vor Abschluß ihrer gar nicht sagen. Manchmal wirkt er Lehre, und meist habe sich die Groß wie blind und taub. Er liegt da, wo mutter um das Kind gekümmert. man ihn lagert, hat manchmal die Oder Karl: 16 Jahre alt, ist er schon Finger im Mund, produziert manch mal sanfte Laute. seit fast 6 Jahren im Heim, weil sei ne Mutter die Pflege nicht mehr lei Wenn Sie in Einrichtungen für Men sten konnte. Er hat nach Sauerstoff schen mit geistiger Behinderung ar beiten, werden Sie Kinder und Ju gendliche wie Anna, Karl oder Rolf kennen. Vielleicht kennen Sie dann 1 Die beschriebenen Personen sind fiktiv. Ähnliche Personen und Schicksale sind auch das Gefühl der Lähmung, das aber sicher jedem in diesem Feld Tätigen einen angesichts dieser Menschen bekannt. überkommen kann, wenn man sich 372 p r a x is e r g o th e r a p ie • Jg. 1 2 (5 ) • O ktober 1999
Praxis Er/Sie erlebt eine Ihr/e Partner/in Antwort auf tut irgend etwas vornimmt, ihnen zu helfen, sie zu sein/ihr Tun fördern oder zu therapieren. Ich habe zwar ein breites Repertoire an För der- und Therapieansätzen, aber es kommt irgendwie nie zu dem Erleb nis: „Ja, das ist es, damit kann ich ihn/sie erreichen, das hilft ihr/ihm weiter!“ Entweder verfalle ich dann in Resignation und breche den Be handlungsversuch früher oder spä Sie nehmen Sie antworten ter wieder ab, oder ich „ziehe“ halt meine Übungen „durch“ und stelle sein/ihr Tun als mit einem mich darauf ein, daß sich wohl kei Äußerung wahr passenden Tun ne größeren Verbesserungen erge ben werden. Dann gehe ich auf die Suche nach einem „noch besseren“ Förderansatz, nur um nach einigen Monaten wie Sensomotorische Phase seiner Ent takt und Kommunikation fort - der der am selben Punkt zu stehen. Um wicklung die Balance zu finden zwi Mensch lebt in ständiger Ambivalenz, uns zu trösten, versichern wir uns im schen - wie P ia g e t es nennt - Assimi in immer neu wiederholter Frustrati Team gegenseitig, daß es sich eben lation und Akkommodation, zwischen on und Enttäuschung. um sehr schwer beeinträchtigte Men „Ich passe die Welt mir an.“ und „Ich Kommunikation, so verstanden, setzt schen handelt, bei denen Verbesse passe mich der Welt an.“ Wenn wir keine Kompetenz meines Partners rungen kaum zu erwarten sind. von Urvertrauen sprechen, meinen wir voraus. Es ist nicht so, daß ein Worauf ich hinaus will: Es müssen eben diese tief liegende Sicherheit, Mensch erst etwas lernen muß, be nicht die Förderansätze sein, die daß unsere Äußerungen beantwortet, vor er zu Kommunikation fähig ist. falsch oder unangemessen wären. Es unser Bedürfnis befriedigt, unsere Not Im Gegenteil, erst in der Kommuni kommt auch nicht in erster Linie dar erkannt und gestillt wird. kation erfährt er von ihrer Möglich auf an, noch bessere Ansätze zu fin keit und lernt damit umzugehen, so Kreislauf der Kommunikation den. Sondern - ich habe die Grund daß er eine immer selbstbestimmte lage außer Acht gelassen, auf der Es ist wohl erforscht, welche zentra re Rolle darin übernehmen kann. Therapie und Förderung überhaupt le Rolle in der Entwicklung diese Er Konkret: Damit es nach der Geburt erst stattfinden können, und diese fahrung des Verstandenwerdens ein zur Kommunikation zwischen Mutter heißt Kommunikation. nimmt. Ohne sie fehlt dem Menschen und Baby kommt, ist nur die Präsenz eine wichtige Voraussetzung für je und die Kommunikationsbereitschaft Kommunikation steht am des Lernen, für die Bereitschaft, sich der Mutter nötig. Sie macht den Anfang! relativ angstfrei Neuem öffnen zu Schritt, das Schreien ihres Kindes können, und anstatt den Ausgleich zu nicht als reflexhaftes Lungentraining Die erste Erfahrung nach der Geburt finden zwischen Assimilation und abzutun, sondern es als Äußerung ist Kommunikation: Das Baby schreit. Akkommodation, bleibt er der Assi wahrzunehmen und sich davon be - Für die Mutter heißt sein Schrei milation verhaftet. treffen zu lassen. Sie trifft die Ent en: „Ich bin allein, zeig’ mir deine Nähe!“ - Sie „antwortet“, indem sie Er wird sich in sich verschließen, scheidung, auf sein Schreien zu rea ihr Kind am Körper hält, es streichelt, nichts an sich heran lassen, alles gieren und nicht abzulassen, bis sie zu ihm spricht, es „stillt“. - Das Kind, Neue abwehren und zu Panik neigen. an der Reaktion des Kindes merkt: kaum geboren, erlebt sich „verstan Seine Aktivität wird sich in Stereoty „Ja, jetzt haben wir uns verstanden!“ den“, beruhigt sich, entspannt sich, pien und Selbststimulation erschöp saugt, schläft, schaut herum. - Die fen, da alles, was von außen kommt, Abbruch von Kommunikati Mutter, gerade erst Mutter geworden, keinen positiven Sinn ergibt, keinen on verursacht Behinderung erlebt sich als kompetent, ihr Kind Neugierimpuls auslöst, sondern nur Um es gleich klarzustellen: Es geht zu verstehen und zu „stillen“. Angst macht. hier nicht um Schuld, schon gar nicht Dieser Kreislauf der Kommunikation Da in der Folge die Umwelt weiter um die Schuld von Müttern. Weder ist der Schlüssel, der dem Kind den unverständlich bleibt, wird sich diese Annas Mutter, noch die von Karl oder Zugang zur Welt eröffnet. Vermittelt Entwicklung im Sinn eines Teufels Rolf haben es verdient, Vorwürfe über die erste, zuverlässige Bezugs kreises selbst verstärken. Gleichzei gemacht zu bekommen. Wer das tut, person findet es den Weg, über die tig besteht das Bedürfnis nach Kon soll erst einmal sich selbst in der Si p r a x is e r g o th e r a p ie • Jg. 12 (5 ) • O ktober 1999 373
tuation erleben, daß sein Kind nicht schon gerne mit einem Kind, das je kennen, sind Sie erst einmal offen so ist wie erträumt, und daß dessen desmal steif wird wie ein Brett? für das, was kommt. Vor allem ha Versorgung und Pflege ihn über den ben Sie nicht vor, Ihr Gegenüber zu Und für Rolf war nach seinem Unfall Rand seiner Kräfte hinaus fordert. Es verändern, sondern wollen ihm erst das Leben einfach zu schwer, um kann aber andererseits auch nicht einmal da begegnen, wo er ist, wol sich ihm wieder öffnen zu können. darum gehen, die Augen vor einem len ein Gespür dafür bekommen, wie Jeder Atemzug, jeder Schluck, jede der - für Mutter und Kind - schmerz es ihm geht, was seine Bedürfnisse B ew egung, a lle s w ar Kam pf, haftesten Aspekte im Umgang mit sein könnten, um sich dann vielleicht Schmerz und Mühe, nichts ging mit dem Problemkomplex „Behinderung“ gemeinsam auf den Weg zu machen. Lust. Seine Mutter trug weiter die zu schließen, gerade weil er so zen Das bedeutet, der Partner muß kei Erinnerung in sich, wie er vor dem trale Bedeutung hat. ne Voraussetzungen mitbringen, da Unfall war, und so war sie eigentlich mit Sie mit ihm in Kontakt treten kön Annas Mutter war hoffnungslos da nur noch traurig, wenn sie sich um nen. mit überfordert, ihn küm m erte. mit 17 Jahren, Hätte sie es ge Als Ausdruck können Sie alles wahr mitten in der Leh „ . . . spüren zu lassen, wagt, ehrlich vor nehmen, was an Verhalten vom Part re, ein Kind zu wie schön es sein kann, sich se lb st zu ner kommt: Seine Laute, seine Be bekommen, zu sein, hätte sie oft wegungsrhythmen, seine „stereoty mal als es dann da zu sein . . . “ den Impuls ge pen Verhaltensweisen“, sein Spiel. noch viel zu früh spürt, diesem Ähnlich wie Sie es ganz intuitiv bei zur Welt kam. Um nicht selbst dar Leiden ein Ende zu machen. Es ist einem Kleinkind machen würden, über verrückt zu werden, mußte sie gut vorstellbar, daß Rolf in ihrer Art, können Sie diese Äußerungen auf sich vor dieser Überforderung ab mit ihm umzugehen, etwas davon greifen, nachahmen, kommentieren, schirmen, indem sie innerlich gar spürte. damit spielen. Auch seine Körperhal nicht erst zu Anna in Kontakt trat Das tung, Muskelspannung, Körpertem Alle drei Kinder hatten vielfältige w urde noch durch den langen peratur und Hautfeuchtigkeit gibt Ih Förderbemühungen erlebt: Kranken Krankenhausaufenthalt begünstigt, nen Hinweise, wie er sich fühlen gymnastik, Frühförderung, Förderung der für Anna sofort nach der Geburt könnte, so daß Sie sich auf ihn ein in Kindergarten und Schule, auch nötig war, bis die Vitalfunktionen sich stellen können. Sogar sein Atem Ergotherapie. Doch waren die Fach stabilisiert hatten. rhythmus spiegelt unmittelbar, wie es leute vor allem von ihren Defiziten - ihm geht. Auch die Großmutter hatte eigentlich ihrer „Behinderung“ - geblendet und „keinen Nerv“ mehr für das Enkelkind, sahen nicht, daß dahinter eine Per Bei Anna stelle ich mir vor, ich halte das so unpassend zur Welt gekom son darauf wartete, endlich „wahr mich erst einmal sehr zurück und men war. Sie versuchte zwar zu tun, genommen“, als Partner ernst- und beobachte sie. Nimmt sie mit mir was sie als ihre Pflicht ansah, aber angenommen zu werden, endlich Kontakt auf, lasse ich ihr Verhalten als Anna auch noch so schwierig „Antwort“ - das passende „Gegen- auf mich wirken, kommentiere viel wurde, war sie am Ende ihrer Mög Wort“ - auf ihre Äußerungen zu er leicht, was ich erlebe, versuche, vor lichkeiten. leben. sichtig zu antworten. Wenn sie mich berührt, fasse ich sie vielleicht auch Auch Karls Mutter konnte erst nach Stattdessen waren Annas Aggressi kurz an; wenn ich spüre, wie sie wie Wochen ihr Kind zu sich nehmen, und onsausbrüche „Verhaltensstörungen“, der weg strebt, halte ich sie vielleicht obwohl sie sich so sehr darauf ge die mit Zuwendungsentzug „gelöscht“ ganz kurz und gebe dann ihrem Im freut hatte, blieb es ihr fremd. Sie werden sollten, Karls stereotypes We puls zum Rückzug nach. Ich kann hatte bald gespürt, daß etwas nicht deln war sinnloses Verhalten, das ihren Schaukelrhythmus mit einigen in Ordnung war, aber Ärzte und Fach Förderbemühungen im Weg war, und Tönen untermalen, vielleicht sogar leute verweigerten ihr die Aufklärung. Rolfs sanfte Laute verhallten unge mitschaukeln. Vielleicht gefällt es ihr, Ihr Mann zog sich von ihr zurück und hört unter dem Lärm der anderen Kin wenn ich ihren Namen in ihren Rhyth ließ sie mit dem Kind allein, ihr Kin der. mus hinein singe - „Lie-be, klei-ne derarzt vertröstete sie. An-na.“ (sicher hat sie noch nicht oft Kommunikation - Sie kön gehört, daß sie lieb sei ...). Von keiner Seite erhielt sie Unterstüt zung. Dazu kam, daß bei Karl das nen den ersten Schritt tun! Dabei beobachte ich ständig ihr Ver instinktive Verhalten einer Mutter ins Basale Kommunikation heißt, Sie halten, registriere jedes Anzeichen für Leere lief. Zum Beispiel waren kei gehen auf Ihren Partner/Ihre Partnerin Interesse, Ablehnung oder Angst. ne spontanen Zärtlichkeiten möglich, zu und nehmen sie/ihn wahr, so wie Gleichzeitig mute ich ihr auch immer da seine Spastik ihn daran hinderte, er/sie ist. Wie in jeder Begegnung mit wieder kleine Annäherungen meiner passend zu reagieren. Wer schmust einem Menschen, den Sie noch nicht seits zu, immer wach für Signale von 374 p r a x is e r g o th e r a p ie • Jg. 12 (5) • O ktober 1999
Überforderung. Gelingt es mir, mich für sie interessant zu machen, werde ich vielleicht „mutiger“ und nehme Anna ganz kurz mal auf den Schoß, halte sie eventuell sogar mit recht viel Kraft. Beginnt sie, sich zu wehren, lasse ich wieder nach. Das nächste Mal bleibt sie viel leicht schon länger. Ich kann dabei Massage-ähnliche Bewegungen über ihren Körper fließen lassen. - In meinem Beobachten werde ich auch immer wieder auf ihren Atemrhythmus achten, einen der Grundrhythmen unseres Lebens. Wenn sie auf meinem Schoß sitzt, werde ich versuchen, sie an meinem Körper ganz unterschwellig meinen Ausatem spüren zu lassen, eingepaßt in ihren eigenen Atemrhythmus. Da sie direkte Berührung nicht gern hat, werde ich sie so wenig wie möglich mit den Händen berühren, son dern eher die Arme, die Beine, den Körper einsetzen. Gelingt es ihr - sicher nicht beim ersten Mal - sich län ger auf meine Nähe einzulassen, werde ich versuchen, ihr meine Ruhe und Zentriertheit zu vermitteln, ohne mich ihr aufzudrängen. Wenn sie so drei Minuten bei mir sit zen bliebe, wäre das für mich ein großes Erfolgserleb nis. Bei Karl finden Sie vielleicht den Einstieg, indem Sie sein Wedeln und seine begleitenden Laute nachahmen. Sie können sich dazu vor ihn in sein Blickfeld oder auch direkt neben ihn setzen. Je nach seiner Reaktion wer den Sie merken, was ihm gefällt, und wie Sie für ihn interessant werden. Wenn er Vertrauen gefaßt hat, wer den Sie vielleicht auch in Körperkontakt gehen, sich z.B. hinter ihn setzen, mit ihrem Bauch an seinem Rücken. Sie können ihm anbieten, sich bei Ihnen anzulehnen, suchen sich selbst dafür eine gute Stütze im Rücken. Sind seine Impulse, sich weiter zu bewegen, sehr stark, könnte es ihm helfen, wenn Sie Ihre Arme über seine Schultern legen und ihn sanft zu sich her drücken. Wird sein Widerstand größer, geben Sie wieder nach. Auch hier beginnen Sie vorsichtig, ihn Ihren Atemrhythmus spüren zu lassen, abgestimmt auf seinen Rhythmus. Dabei ist Ihnen wichtig, sehr bewußt bei sich selbst zu sein, den eigenen Halt an Boden und Wand, das eige ne Gleichgewicht, die eigene Ruhe wahrzunehmen. Läßt Karl es zu und lehnt sich an Sie an, sind vielleicht ganz feine Schwingungen aus Ihrem Körp e r - von Schultern, Becken, Beinen - hilfreich, um Verspannungen aufzulö sen und Karl zu helfen, zur Ruhe zu kommen. Vielleicht erleben Sie - eventuell erst nach einer Reihe von Be gegnungen - wie er sich vertrauensvoll an Sie lehnen und seine Angst und Spannung ablegen kann. Dann ist Ihnen ein ganz wichtiger Schritt hin zu einer wechsel seitigen Beziehung gelungen. Auch Rolf würden Sie sich sehr vorsichtig nähern. Sie würden alles vermeiden, was ihn erschrecken könnte. Sie könnten ihn sanft ansprechen, mit Ihren Lauten sei ne Bewegungen und Laute begleiten, ihn zwar deutlich, doch sehr behutsam berühren. Liegt er auf einer schwin 375
gungsfähigen Unterlage wie z.B. ei Erst wenn Sie merken, daß er Ver sen entfalten sie jedoch erst, wenn nem Wasserbett, könnten Sie ihn trauen faßt, würden Sie auch mal Therapeutin und Kind eine gemein auch über Vibrationen ansprechen, lebhafter werden, vielleicht sogar - same Basis gefunden haben, auf der wenn möglich in seinen Atemrhyth ihn ständig beobachtend - ein we das Kind die Angebote angstfrei an mus - sein Ausatmen - eingepaßt. nig mit ihm herumtollen. Ihr erstes nehmen kann, und auf der die The Wenn Sie ihn an Ihren Körper neh Ziel wäre, ihn spüren zu lassen, wie rapeutin die Sicherheit hat zu spü men wollen, würden Sie sich Zeit schön es sein kann, da zu sein, in ren, wie ihre Angebote beim Gegen lassen, Möglichkeiten des handling Kontakt zu sein. Sein erstes Lachen über ankommen - wenn sie in Kom zu entwickeln, die ihm angemessen auf einen interessanten Reiz, den Sie munikation sind. sind und keine spastischen Reflexe ihm vermitteln, wäre Ihre Belohnung, Überraschungen sind dabei wahr auslösen. oder auch, wenn er entspannt in Ih scheinlich. Erlebt sich der Partner ren Armen einschliefe. Ist es von seinem Gewicht her mög nämlich wirklich wahr- und angenom lich, würden Sie ihn vielleicht sogar men, wird er auch frei, seine Impul tragen und auf dem Arm wiegen. Ih Den Weg zusammen gehen se und Bedürfnisse nach außen tre nen wäre ständig bewußt, daß Sie Es geht mir als Heilpädagogen sicher ten zu lassen. Dabei kann es sein, es mit einem sehr verletzlichen - und nicht darum, ein neues Konzept vor daß er ganz andere Prioritäten setzt schon viel zu oft verletzten - Men zustellen und zu sagen: „So müssen als seine Therapeutin. Vielleicht ist schen zu tun haben, bei dem alles Sie es jetzt machen!“ Was Ergothe es ihm wichtiger, seine Durchset auf Ihre Einfühlung ankommt. Ent rapeuten, Krankengymnasten, Logo zungsfähigkeit zu entwickeln, als dif sprechend würden Sie sich meist päden und andere Fachleute an Kon ferenzierter greifen zu lernen. Oder langsam, fast wie in Zeitlupe bewe zepten entwickelt haben, hat selbst er zeigt deutlicher seine Vorlieben gen. verständlich seinen guten Sinn. Die und Abneigungen, was bestimmte 376
Materialien angeht. Dann bedarf es Mall, W.: Basale Kommunikation - ein Weg Zum Autor: des Respekts der Therapeutin vor der zum andern. In: Geistige Behinderung 23. Nach Studium der Heilpädagogik (Kath. FHS Jg./1984 Heft 1, Innenteil. Freiburg/Br.) ca. 10 Jahre Tätigkeit in Fach Persönlichkeit des Gegenübers, was Mall, W.: Die Wiederaufnahme der primä diensten größerer Einrichtungen für Men es diesem wieder leichter machen ren Kommunikationssituation als Basis zur schen mit geistiger Behinderung. Zusatz dürfte, schließlich doch auf ihre An Förderung schwer geistig behinderter Men ausbildung in Gestalttherapie für Menschen gebote einzugehen. schen. In: Zeitschrift für Heilpädagogik 36. mit Behinderung (Besems/Institut heel, NL- Jg./1985 Beiheft 12, S. 24-32. Megen) und in Praxisberatung in Einrich Am schönsten aber ist es, wenn beim Mall, W.: Heilpädagogische Partnerschaft tungen der Behindertenhilfe (Haisch/Diako- Partner - sogar ganz ungeplant - mit schwerstbehinderten Menschen. In: An nische Akademie Stuttgart). neue Interessen und Lernimpulse er nehmen und Verstehen - Perspektiven der Schwerpunkte: Therapie und Förderung von wachen: Wenn Anna sich plötzlich für Förderung von Menschen mit sehr schwe Menschen mit schwerer geistiger Behinde ren Behinderungen, Tagungsbericht des rung, mit autistischem Verhalten, mit her andere Menschen interessiert und Fachkongresses am 3./4.9.1992 in Duis ausforderndem Verhalten; Teamberatung Kontakt sucht, ohne zu verletzen; burg. Hürth (Landesverband Nordrhein- und -supervision; Fortbildung. Seit 11 Jah wenn Karl wirkliches Interesse an Westfalen der Lebenshilfe für geistig Be ren ambulante Begleitung chronisch psy neuen Gegenständen entwickelt und hinderte) 1992. chisch kranker Menschen in einem Sozial sie nicht nur dann greift, wenn ihn Mall, W.: Kommunikation - Basis der För psychiatrischen Dienst; freiberufliche Fort derung. In: Frei, E.X., Merz, H.-P. (Hg.): bildungs- und Supervisionstätigkeit. die Ergotherapeutin dazu auffordert; Menschen mit schwerer geistiger Behinde wenn Rolf beginnt, wacher umher zu rung - Alltagswirklichkeit und Zukunft. Lu schauen, und die Sinnesanregungen, zern (Schweiz. Zentralstelle für Heilpädago A nschrift des Verfassers: denen man ihn aussetzt, mit Lust und gik) 21993. Winfried Mall Interesse genießen kann. Mall, W.: Sensomotorische Lebensweisen Hochburger Strasse 5 - Wie erleben Menschen mit geistiger Be D-79312 Emmendingen Dann verliert die Arbeit mit diesen Telefon: +49-7641-571877 hinderung sich und ihre Umwelt? Heidel Menschen auch viel von ihrer berüch berg (Edition Schindele im Universitätsver Fax: +49-7641-571878 tigten Schwere, weil Sie als Thera lag C. Winter) 1997. eMail: kontakt@winfried-mall.de peutin nicht ständig die Last spüren: www: gtto://www.w infried-mall.de Mall, W.: Kommunikation mit schwer gei Internet: Im Internet sind auch Texte von „Ich muß ihn doch fördern, ich bin stig behinderten Menschen - ein Werkheft. Aufsätzen, sowie Angaben über Fortbil dafür verantwortlich - aber wie nur?“, Heidelberg (Edition Schindele im Universi dungsmöglichkeiten zu finden. sondern weil es zu einem echten Mit tätsverlag C. Winter) 4 .A 1998. e g fla u einander kommt und Sie sicher sind, Mall, W.: Wie kommt der Austausch in daß Ihr Partner aus eigenem Inter Gang? In: Unterstützte Kommunikation - ISAAC’S Zeitung, Heft 2-3/98, S. 41 - 44. esse lernt, begleitet von Ihrem fach lichen Können. Zwei weitere aktuelle Bücher zum Thema: Niedecken, D.: Namenlos. Geistig Behin derte verstehen. Neuwied, Kriftel: Berlin Literatur: (Luchterhand) 3 .A 1998. e g fla u Mall, W.: Entspannungstherapie mit Tho Nind, M., Hewett, D.: Access to Commu mas - erste Schritte auf einem neuen Weg. nication. Developing the basics of commu In: Praxis der Kinderpsychologie und Kin nication with people with severe learning derpsychiatrie 29. Jg./1980 Heft 8, S. 298- difficulties through Intensive Interaction. Lon 301. don (David Fulton Pub.) 1994. © Therapie: p r a x is e r g o th e r a p ie • Jg. 12 (5) • Oktober 1999 377
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