Werkstoffkunde für Praktiker - Catrin Kammer Volker Läpple
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EUROPA-FACHBUCHREIHE für Metallberufe Werkstoffkunde für Praktiker Catrin Kammer Volker Läpple 6. Auflage VERLAG EUROPA-LEHRMITTEL · Nourney, Vollmer GmbH & Co. KG Düsselberger Straße 23 · 42781 Haan-Gruiten Europa-Nr.: 13217 .
Autoren: Dr. Catrin Kammer Goslar Prof. Dr. Volker Läpple Schorndorf Verlagslektorat: Dr. Astrid Grote-Wolff Bildbearbeitung: Verlag Europa-Lehrmittel Abt. Bildbearbeitung Ostfildern Das vorliegende Buch wurde auf der Grundlage der neuen amtlichen Rechtschreibregeln erstellt. 6. Auflage 2009 Druck 5 4 3 2 1 Alle Drucke derselben Auflage sind parallel einsetzbar, da sie bis auf die Behebung von Druckfehlern untereinander unverändert sind. ISBN 978-3-8085-1326-2 Umschlaggestaltung unter Verwendung eines Fotos der Firma Thyssen Stahl AG, Duisburg Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden. © 2009 by Verlag Europa-Lehrmittel, Nourney, Vollmer GmbH & Co. KG, 42781 Haan-Gruiten Satz und Grafik: rkt, 42799 Leichlingen Druck: Tutte Druckerei GmbH, 94121 Salzweg/Passau 2
Vorwort Werkstoffe hatten schon immer eine besondere Bedeutung für den Menschen. Das zeigt sich daran, dass ganze Zeitepochen, wie die Stein-, Bronze- und Eisenzeit, nach den hauptsächlich benutzten Werkstoffen benannt wurden. Aufgrund der Verfügbarkeit leistungsfähiger Werkstoffe und der Fähigkeit, diese Werk- stoffe zu bearbeiten, ist die Entwicklung technologisch hoch entwickelter Produkte im Maschinen- und Anlagenbau, im Automobilbau, in der Luft- und Raumfahrtechnik sowie in der Medizin und Biotechnologie erst möglich geworden. Das vorliegende Lehrbuch „Werkstoffkunde für Praktiker“ behandelt in bewährter Weise die Werkstoffkunde unter Berücksichtigung der für den Praktiker bedeutenden Fragestel- lungen. Kurz, verständlich und anhand zahlreicher Beispiele werden die wichtigsten Grundlagen über Aufbau, Eigenschaften, Normung, Verarbeitung, Prüfung und Einsatz- fähigkeit der wichtigsten Werkstoffe zur Herstellung moderner Produkte erläutert. Zahlreiche aussagekräftige Grafiken und Tabellen ergänzen die textlichen Erklärungen und tragen zum besseren Verständnis bei. Ebenso wird stets besonderer Wert auf den engen Bezug zur beruflichen Praxis gelegt. Das Buch ist bestens zum Einsatz im Unterricht geeignet, es wurde inhaltlich auf die Vor- gaben zur Ausbildung aller Berufe im Bereich Metalltechnik abgestimmt. Aber auch der Praktiker kann das Buch im Selbststudium einsetzen und auf dieser Grundlage die werk- stoffkundlichen Themen erschließen, die für ihn aufgrund betrieblicher Aufgabenstellun- gen von besonderem Interesse sind. Die wesentlichen thematischen Schwerpunkte des Buches sind: ● Metallische Werkstoffe (Stähle, Eisengusswerkstoffe, Nichteisenmetalle) ● Nichtmetallische Werkstoffe (Kunststoffe, Konstruktionsklebstoffe, keramische Werk- stoffe) ● Verbundwerkstoffe ● Hilfsstoffe ● Korrosion und Korrosionsschutz ● Werkstoffprüfverfahren ● Recycling In der vorliegenden 6. Auflage wurde vorwiegend der Bereich Nichteisenwerkstoffen aktualisiert. Die im Buch zu findenden Beispiele beziehen sich auf aktuelle europäische Normen. Aufgrund der aktuellen Gesetzgebung zur Verwendung von Metallen, beispiels- weise in den Bereichen Elektronik oder Sanitärtechnik, wurden aktuelle Beispiele zur Ent- wicklung ökologisch unbedenklicher Werkstoffe in das Buch aufgenommen. Unseren Lesern wünschen wir viel Freude und Erfolg beim Aufbau oder bei der Erweite- rung ihrer für das Bestehen in der beruflichen Praxis so wichtigen Kenntnisse im Bereich der Werkstoffkunde. Hinweise und Anregungen, die zur Weiterentwicklung des Buches beitragen, nehmen Autoren und Verlag gerne unter der Verlagsanschrift sowie per E-Mail unter lektorat@europa-lehrmittel.de entgegen. Sommer 2009 Autoren und Verlag 3
1 2 H He Wasser- stoff Helium 3 4 5 6 7 8 9 10 Li Be B C N O F Ne Beryl- Kohlen- Stick- Sauer- Lithium lium Bor stoff stoff stoff Fluor Neon 11 12 13 14 15 16 17 18 Na Mg Al Si P S Cl Ar Na- Magne- Alumi- Sili- Phos- Schwe- trium sium nium cium phor fel Chlor Argon 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr Cal- Scan- Vana- Gal- Germa- Kalium cium dium Titan dium Chrom Mangan Eisen Kobalt Nickel Kupfer Zink lium nium Arsen Selen Brom Krypton 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe Rubi- Stron- Zirko- Molyb- Tech- Ruthe- Rho- Palla- Cad- Anti- dium tium Yttrium nium Niob dän netium nium dium dium Silber mium Indium Zinn mon Tellur Iod Xenon 55 56 57 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 Cs Ba La Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn Cae- Wolf- Rhe- Os- Iri- Queck- Thal- Polo- sium Barium Lanthan Hafnium Tantal ram nium nium dium Platin Gold silber lium Blei Wismut nium Astat Radon 87 88 89 90 91 92 93 94 95 105 Fr Ra Ac Th Pa U Np Pu Am Fran- Acti- Protac- Nep- Pluto- Ame- cium Radium nium Thorium tinium Uran tunium nium ricum Leichtmetalle Schwermetalle Nichtmetalle gasförmig flüssig Periodensystem der Elemente (gekürzt) Sauerstoff O2 50,5% übrige Elemente ca. 1% Titan Ti 0,9% Wasserstoff H2 1% Magnesium Mg Silicium Si 1,3% 27,5% Natrium Na 2,1% Aluminium Al Kalium K 7,3% 2,3% Calcium Ca Eisen Fe 2,7% 3,4% Verteilung der Elemente in der Erdkruste 4
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 003 3.5.6 Kennwerte und technologische Eigenschaften 1 Naturstoffe – Rohstoffe – der Stähle sowie ihre Werkstoffe – Hilfsstoffe . . . . . 007 Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . 044 Die Zugfestigkeit . . . . . . . . . . . . 044 2 Einteilung der Werkstoffe . . . . 008 Die Druckfestigkeit . . . . . . . . . . 048 Der Einfluss des Gitteraufbaus 3 Metallische Werkstoffe . . . . . . . 009 auf die Verformung . . . . . . . . . 049 Die Dauerfestigkeit . . . . . . . . . . 052 3.1 Der Aufbau der Metalle . . . . . . 009 Die Härte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 053 3.2 Zustandsschaubilder . . . . . . . . 012 Die Kerbschlagarbeit . . . . . . . . . 056 3.3 Die Gewinnung der Metalle . . . 017 Die Härtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . 057 Die Tiefungsfähigkeit . . . . . . . . 059 3.3.1 Die Reduktion mit Kohlenstoff, Die Schweißbarkeit . . . . . . . . . . 060 Kohlenstoffmonoxid und Die Zerspanbarkeit . . . . . . . . . . 060 Wasserstoff . . . . . . . . . . . . . . . 018 3.5.7 Die Wärmebehandlung . . . . . . 061 3.3.2 Die Reduktion mit anderen Das Abschreckhärten . . . . . . . . 061 Elementen . . . . . . . . . . . . . . . . 019 Das Flamm- und 3.3.3 Die Röstreduktion . . . . . . . . . . . 019 Induktionshärten . . . . . . . . . . . 064 3.3.4 Die Reduktion durch Das Einsatzhärten . . . . . . . . . . . 065 Elektrolyse einer Das Vergüten . . . . . . . . . . . . . . . 066 Metallsalzlösung . . . . . . . . . . . 020 Das Nitrieren . . . . . . . . . . . . . . . 067 3.3.5 Die Reduktion durch Das Normalglühen . . . . . . . . . . 068 Elektrolyse im Schmelzfluss . 020 Die Alterung . . . . . . . . . . . . . . . . 070 3.3.6 Andere Verfahren . . . . . . . . . . . 021 Das Rekristallisationsglühen . . 071 3.4 Allgemeine Eigenschaften . . . . 021 Das Weichglühen . . . . . . . . . . . 072 3.4.1 Physikalische Eigenschaften . . 021 Das Hochglühen . . . . . . . . . . . . 073 3.4.2 Technologische Eigenschaften 024 Das Spannungsarmglühen . . . 073 3.4.3 Chemische Eigenschaften . . . . 025 Die Wärmebehandlung nach 3.5 Eisenwerkstoffe . . . . . . . . . . . . . 025 ZTU-Schaubildern . . . . . . . . . . 073 3.5.1 Gusseisen- und Häufige Fehler bei der Stahlgewinnung . . . . . . . . . . . 025 Wärmebehandlung . . . . . . . . . 075 3.5.2 Die Benennung der Stähle 3.5.8 Stähle für den Maschinenbau . 077 nach DIN (alt) . . . . . . . . . . . . . . 029 Unlegierte (allgemeine) Die Kurznamen nach Baustähle nach DIN EN 10025 078 DIN 17006 (in der Alterungsbeständige Stähle . . 079 zurückgezogenen Form) . . . . . 030 Schweißbare Die Werkstoffnummern nach Feinkornbaustähle . . . . . . . . . . 079 DIN 17 007 in der Stähle für Feinbleche . . . . . . . . 079 zurückgezogenen Form . . . . . 032 Automatenstähle . . . . . . . . . . . . 080 3.5.3 Die Benennung der Stähle Blanke Stähle . . . . . . . . . . . . . . . 081 nach der Einsatzstähle . . . . . . . . . . . . . . . 081 Europäischen Norm (neu) . . . 033 Vergütungsstähle . . . . . . . . . . . 082 Einteilungsmöglichkeiten Nitrierstähle . . . . . . . . . . . . . . . . 082 der Stähle . . . . . . . . . . . . . . . . . 034 Stähle für die Flamm- und Normenüberblick . . . . . . . . . . . 040 Induktionshärtung . . . . . . . . . 083 3.5.4 Handelsformen der Stähle . . . . 042 Stähle für Schrauben und 3.5.5 Der Einfluss von Muttern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 083 Legierungselementen . . . . . . . 043 Federstähle . . . . . . . . . . . . . . . . . 084 5
Verschleißfeste Stähle . . . . . . . 085 Plastomere . . . . . . . . . . . . . . . . . .116 Warmfeste Stähle . . . . . . . . . . . 085 Polymerisate . . . . . . . . . . . . . . . 116 Kaltzähe Stähle . . . . . . . . . . . . . 085 Polyaddukte . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Hochfeste Stähle . . . . . . . . . . . . 086 4.2 Konstruktionsklebstoffe . . . . . . 119 Wälzlagerstähle . . . . . . . . . . . . . 086 4.2.1 Die Theorie des Klebens . . . . . . 119 Ventilstähle . . . . . . . . . . . . . . . . . 087 4.2.2 Einteilungsmöglichkeiten von Unlegierte Werkzeugstähle . . . 087 Konstruktionsklebstoffen . . . . 119 Legierte Kaltarbeitsstähle . . . . . 087 4.2.3 Der Klebevorgang . . . . . . . . . . . 120 Legierte Warmarbeitsstähle . . . 088 4.2.4 Technisch bedeutsame Schnellarbeitsstähle . . . . . . . . . 088 Konstruktionsklebstoffe . . . . . 120 Nichtrostende (rost- und säure- 4.3 Keramiken . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 beständige) Stähle . . . . . . . . . 089 Stähle für Kunststoff- 5 Verbundwerkstoffe . . . . . . . . . . 123 bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . 089 6 Hilfsstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3.6 Nichteisenwerkstoffe . . . . . . . . 089 3.6.1 Aluminium und seine 6.1 Schleif- und Poliermittel . . . . . . 126 Legierungen . . . . . . . . . . . . . . . 089 6.2 Abschreckmittel . . . . . . . . . . . . 127 3.6.2 Kupfer und seine Legierungen 095 6.3 Schmierstoffe . . . . . . . . . . . . . . 128 3.6.3 Lote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 099 6.4 Schneid- und Kühlmittelöle . . . 130 3.6.4 Weitere wichtige Metalle . . . . . 100 3.7 Pulvermetallurgie . . . . . . . . . . . 102 7 Korrosion und 3.7.1 Die Herstellung der Pulver . . . . 102 Korrosionsschutz . . . . . . . . . . 131 3.7.2 Die Formgebung der Pulver . . . 103 7.1 Arten der Korrosion . . . . . . . . . .131 3.7.3 Das Sintern . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3.7.4 Die Nachbehandlung 7.2 Erscheinungsformen der von Sinterteilen . . . . . . . . . . . . 104 Korrosion . . . . . . . . . . . . . . . . . .132 3.7.5 Die Kennzeichnung von 7.3 Korrosionsschutz . . . . . . . . . . . .133 Sinterwerkstoffen . . . . . . . . . . 105 3.7.6 Verschiedene Sinterwerkstoffe 106 8 Werkstoffprüfverfahren . . . . . . 136 8.1 Metallografische 4 Nichtmetallische Werkstoffe . . 107 Untersuchungen . . . . . . . . . . . 136 4.1 Kunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 8.2 Schleiffunkenprobe und 4.1.1 Allgemeine Eigenschaften . . . . 107 Spektralanalyse . . . . . . . . . . . . 140 4.1.2 Einteilungsmöglichkeiten . . . . . 108 8.3 Oberflächenprüfungen nach 4.1.3 Syntheseverfahren . . . . . . . . . . 109 dem Eindringverfahren . . . . . . 141 Die Polymerisation . . . . . . . . . . 109 8.4 Röntgenprüfung . . . . . . . . . . . . 143 Die Polykondensation . . . . . . . . 110 8.5 Gammastrahlenprüfung . . . . . 144 Die Polyaddition . . . . . . . . . . . . 111 4.1.4 Eigenschaftsänderungen bei 8.6 Ultraschallprüfung . . . . . . . . . . 145 Kunststoffen . . . . . . . . . . . . . . . 111 8.7 Magnetische Rissprüfung . . . . 146 Der Einfluss der Monomeren . . 111 9 Recycling . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Der Einfluss der Herstellungsverfahren . . . . . . 112 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . 149 Der Einfluss der Weichmacher 112 Der Einfluss von Zusatzstoffen 112 Der Einfluss des Polymerisationsgrades . . . . . . 112 Der Einfluss der Wärme . . . . . . 112 4.1.5 Technisch bedeutsame Kunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Polykondensate . . . . . . . . . . . . . 114 6
1 Naturstoffe – Rohstoffe – Werkstoffe – Hilfsstoffe Naturstoffe bietet die Natur an. An ihnen ist noch keine menschliche Arbeit verrichtet worden. Dazu zählen z.B. Vorkommen an Erdöl, Erzen, Holz, Kohle und Mineralien. Naturstoffe entstehen ohne menschlichen Einfluss in der Natur. Rohstoffe liegen vor, wenn Menschen Naturstoffe gewonnen haben um sie anschließend nutzbar zu machen. Gefördertes Erdöl, geförderte Erze, gefällte Bäume, geförderte Kohle und gebrochene Mineralstoffe gehören als sogenannte Primärrohstoffe dazu. Ebenso sind es jedoch auch Sekundärrohstoffe, z.B. Schrott, Metallspäne, Altpapier und Alttex- tilien, die dem Produktionsprozess wieder zugeführt werden sollen. Primärrohstoffe werden durch menschliche Arbeit aus Naturstoffen gewonnen. Werkstoffe entstehen durch Verarbeitung der Rohstoffe zu solchen Produkten, die unmit- telbar vor ihrer Endverarbeitung zu einem Fertigprodukt stehen. Aus Erdöl können z.B. die Kunststoffe Polyethen und Polypropen, aus Erzen können die verschiedensten Stähle, aus gefällten Bäumen können Bretter und Balken, aus Kohle können Rohteer und Koks und aus bestimmten Mineralien können Baustoffe hergestellt werden. Werkstoffe werden aus Rohstoffen hergestellt und zu Fertigprodukten verarbeitet. Hilfsstoffe sind erforderlich, um Werkstoffe und Fertigprodukte aus Roh- und Naturstoffen zu gewinnen. Hilfsstoffe ermöglichen den Prozess der Herstellung von Fertigprodukten aus Rohstoffen (z.B. die Formgebung eines Metalls mit Hilfe von Schleifmitteln) sie gehen aber in das Fertigprodukt nicht ein. Hilfsstoffe werden zur Herstellung von Werkstoffen und von Fertigprodukten benötigt. Die Entscheidung, ob ein Material Werkstoff oder Hilfsstoff ist, hängt von seiner Stellung zum Fertigprodukt ab. So ist Ethin (früher Acetylen) beim Gasschmelzschweißen als Wärmelieferant ein Hilfsstoff, bei der Gewinnung von Chlorethen (umgangssprachlich Vinylchlorid) dagegen ein Werkstoff. Ebenso ist Benzin beim Antrieb von Verbrennungs- motoren ein Hilfsstoff, als Ausgangsprodukt für die Herstellung von Kunststoffen jedoch ein Werkstoff. Menschliche oder Produktions- Fertigungs- maschinelle Arbeit prozesse prozesse Fertig- Naturstoffe Rohstoffe Werkstoffe produkt Beispiele: Beispiele: Beispiele: • Erdölvorkommen • gefördertes Erdöl • Stahlblech • Erzlagerstätten • gebrochene Mineralstoffe • Epoxidharz • Kohleflöze • geförderte Kohle • Kunststoffgranulat Hilfsstoffe Beispiele: • Betriebsstoffe • Schmierstoffe • Schleifstoffe Bild 1: Veranschaulichung der Begriffe „Naturstoff“, „Rohstoff“, „Werkstoff“ und „Hilfsstoff“ 7
2 Einteilung der Werkstoffe Werkstoffe sind für die Konstruktion nützliche feste Stoffe. Damit ein Stoff als Werkstoff verwendet wird, muss er eine günstige Kombination aus physikalischen Eigenschaften (z.B. Dichte und Festigkeit) aufweisen, gut zu verarbeiten, wirtschaftlich zu beschaffen und gut zu entsorgen sein. Bild 1 zeigt die heute übliche Einteilung der Werkstoffe. Die größte technische Bedeutung haben hierbei die Metalle, insbesondere aufgrund ihrer in der Regel hohen Festigkeit und ihres plastischen Verformungsvermögens. Aufgrund ihrer technischen Bedeutung unter- teilt man die Metalle üblicherweise weiter in die Eisenmetalle und Nichteisenmetalle. Die Nichtmetalle werden eingeteilt in die organisch-nichtmetallischen und die anorga- nisch-nichtmetallischen Werkstoffe. Die größte Bedeutung in der Gruppe der organisch- nichtmetallischen Werkstoffe haben die Kunststoffe und in der Gruppe der anorganisch- nichtmetallischen Werkstoffe die Keramiken. Verbundwerkstoffe entstehen durch eine Kombination von mindestens zwei Werkstoffen aus gleichen oder unterschiedlichen Gruppen. Ein bekanntes Beispiel stellen die glas- faserverstärkten Kunststoffe dar. Werkstoffe Metalle Nichtmetalle Eisenmetalle Nichteisenmetalle Anorganisch Organisch3) Eisen- Leichtmetalle Schwermetalle Natürlich Synthetisch Natürlich Synthetisch Stahl Gusswerkstoffe und deren und deren z.B. Glimmer Legierungen Legierungen Graphit Keramik Kunststoffe z.B. Magnesium z.B. Nickel Talkum (Polymere) Aluminium Chrom Asbest Titan Mangan Bau- und Kon- Stahlguss Pflanzlich Wolfram struktionsstähle Kupfer Silicat- z.B. Holz Weißes Gusseisen keramik Harze Thermoplaste Unleg. Baustähle Kork Hartguss z.B. Techn. Baum- z.B. Polyethylen Feinkornbaustähle Porzellan wolle Polyamid Edelmetalle Cordierit Temperguss Vergütungsstähle Steatit Thermoplast. z.B. Gold T ierisch Elastomere Graues Gusseisen Silber Einsatzstähle Platin Oxid- z.B. Leder z.B. thermopl. mit Lamellengraphit keramik Wolle Polyurethan Nitrierstähle Buntmetalle1) z.B. Al2O3 mit Kugelgraphit ZrO2 Duroplaste Federstähle z.B. Messing Bronze Al2TiO5 z.B. Epoxidharz Sondergusseisen Rotguss MgO Phenolharz Warmfeste Stähle Weißmetalle2) Nichtoxid- Elastomere Kaltzähe Stähle keramik z.B. Butadien- Nichtrost. Stähle z.B. SiC kautschuk Si3N4 Automatenstähle Umgewandel. Naturstoffe Gläser z.B. Cellulose Werkzeugstähle Anorganische Bindemittel Kaltarbeitsstähle z.B. Kalk, Gips, Zement Warmarbeitsstähle Schnellarbeitsstähle 1) 3) Legierungen auf Cu-Basis Verbindungen des Kohlenstoffs mit Ausnahme der 2) Legierungen auf Sn- oder Pb-Basis Verbundwerkstoffe Kohlenstoffoxide, Carbonate, Carbide und Metallcyanide. Bild 1: Einteilung der Werkstoffe 8
3 Metallische Werkstoffe Um die Eigenschaften der zu verarbeitenden Werkstoffe zu verstehen, sind chemische und physikalische Grundkenntnisse erforderlich. Soweit es nötig ist, soll darum zunächst das Basiswissen vermittelt werden, das später am konkreten Fall zu erweitern ist. 3.1 Der Aufbau der Metalle Alle Stoffe bauen sich aus Atomen auf. Atome bestehen aus – einem Kern und einer Hülle. Der Kern wiederum setzt sich zu- – – – sammen aus positiv geladenen Protonen und neutralen Neutronen. In der Hülle umkreisen elektrisch negativ geladene 8+ Elektronen den Kern. Die Anzahl der Protonen und der Elektro- nen ist in jedem Atom eines Elementes gleich groß. Darum ist – – – jedes Atom elektrisch neutral. – Metallatome und Nichtmetallatome unterscheiden sich unter anderem durch die Anzahl der Elektronen auf den äußeren Bah- Bild 1: Modell eines nen: Metallatome haben immer weniger als vier, Nichtmetall- Sauerstoffatoms atome immer mehr als vier Außenelektronen. – Charakteristisch für Metallatome ist, dass sie Außenelektronen – abgeben, wenn sie sich verbinden. Magnesiumatome z.B. ver- – – fügen über zwei Außenelektronen, die sie als freie Elektronen abgeben: Mg ¡ Mg2+ + 2e–. Dadurch entstehen positive Ionen, – – 12+ – – die auch als Atomrümpfe bezeichnet werden, sowie ungebun- dene, bewegliche freie Elektronen (sog. Elektronengas). – – – Die Bindung von positiv geladenen Atomrümpfen und den – negativ geladenen, freien Elektronen durch elektrostatische Bild 2: Modell eines Kräfte bezeichnet man als Metallbindung. Magnesiumatoms Nachfolgend wird zur Vereinfachung von Atomen anstelle von Atomrümpfen gespro- chen. Es ist zulässig, in Modellen die Atome vereinfacht als Kugeln darzustellen. In einer Metallschmelze können sich die Atome frei bewegen. Beim Abkühlen werden bei Erreichen der Erstarrungstemperatur stärkere Bindungskräfte wirksam, die dazu führen, dass sich die Atome in einem regelmäßigen Kristallgitter anordnen. – – – – – – Bild 3: 3 Atomrümpfe Schmelze ungeordnet Kristall geordnet des Magnesiums mit 6 „freien“ Bild 4: Die Entstehung eines Metall- Bild 5: Kubisch-flächenzen- Elektronen gitters aus der Schmelze trierte Elementarzelle Die kleinsten Einheiten dieses Kristallgitters sind die Elementarzellen, die bei Metallen auf unterschiedliche Grundformen zurückgeführt werden können. Die meisten Metalle weisen ein kubisches Kristallgitter auf, bei dem die Eckpunkte des Würfels mit Atomen 9
besetzt sind. Im Fall des kubisch-raumzentrierten Git- ters findet sich ein zusätzliches Atom in der Mitte des Würfels, bei kubisch-flächenzentrierten (kfz) Metallen finden sich neben den Eckatomen weitere Atome auf den Flächenmitten. Weitere Gitterformen sind das he- kfz krz xagonale und das tetragonale Gitter. Kubisch flächenzentrierte Gitter (kfz) besitzen Alumini- um, Blei, Gold, Kupfer und Silber. Kubisch raumzentrierte Gitter (krz) gibt es bei Chrom, Molybdän, Vanadin und Wolfram. Hexagonale Gitter (hex) weisen Beryllium, Cadmium, hex tetragonal Magnesium und Zink auf. Tetragonale Gitter findet man im β-Zinn und im γ-Man- Bild 1: Verschiedene Formen von Elementarzellen gan. Einige Metalle, z.B. Eisen und Zinn, haben in betsimmten Temperaturbereichen unter- schiedlich aufgebaute Elementarzellen. Diese Erscheinung bezeichnet man als allotrope Modifikation (gr. állos = ein anderer; trépein = wechseln; lat. modus = Art und Weise; fictus = entstanden). Die verschiedenen Modifikationen eines Metalls werden durch kleine grie- chische Buchstaben gekennzeichnet, die man zusammen mit einem Bindestrich dem Namen oder dem chemischen Symbol voranstellt, z.B. α-Eisen (α-Fe, krz) oder γ-Eisen (γ-Fe, kfz). Ein Einkristall liegt vor, wenn ein Kristall allseitig über freie Oberflächen verfügt und keine Korngrenzen besitzt. Einkristalle finden z.B. in der Mikroelektronik als Siliciumkristalle Anwendung. Weitere technisch wichtige Einkristalle sind sog. Whisker (engl. = Barthaar), die etwa 3 mm lang sind. Ihr Durchmesser liegt im μm-Bereich. Im Aufbau von Einkristal- len sind immer Fehler nachzuweisen, z.B. können unbesetzte Gitterplätze oder Fremdato- me auftreten. In der Regel erstarren Metalle jedoch als Vielkristall. Das bedeutet, dass in der Schmelze viele einzelne Kristalle gleichzeitig von sog. Keimen ausgehend zu wachsen beginnen, bis sie aufeinander treffen. Schließlich ist auf diese Weise das gesamte Metall erstarrt, es besteht aus vielen Kristallen, die als Kristallite oder Körner bezeichnet werden und den Stoßstellen, den sog. Korngrenzen. Diese Anordnung wird Gefüge genannt. Jedes Korn ist dabei für sich gesehen ein einzelner Kristall, in dem die Atome in einer bestimmten Richtung ausgerichtet sind. Der Korndurchmesser beträgt im Durchschnitt 3 μm bis 3 mm. Die Erstarrungsbedin- Idealkristall gungen sowie Umformungen und Wärmebehandlungen beeinflussen die Korngröße und Kornformen. Alle Kristalle mit Fehlern werden als Realkristalle bezeich- net. Damit sind alle in einem metallischen Werkstück vor- kommenden Kristallite Realkristalle, aber auch alle tech- nisch hergestellten Einkristalle. Idealkristalle sind gegenwärtig nur theoretisch vorstellbar. Realkristall Es gibt sie in der Praxis nicht. Als Modelle sind sie jedoch geeignet, den Feinaufbau der Metalle und ihre physika- Bild 2: Schematische Darstel- lischen Eigenschaften verständlich zu machen. So haben lung eines Ideal- und Physiker die theoretische Zugfestigkeit eines Idealkristalls eines Realkristalles aus Eisen mit 40000 N/mm2 berechnet. (Momentaufnahme) 10
In der Praxis erreicht man mit großem Arbeitsaufwand an Hochfestigkeitsstählen Zugfestigkeiten von etwa Korn 1500 N/mm2. Der strukturelle Aufbau der Elementarzellen erklärt physi- kalische Eigenschaften der Metalle. Die Zugfestigkeit der Korn- metallischen Bindung spürt der Praktiker sehr schnell bei grenze der Arbeit mit Säge und Feile. Die elektrische Leitfähigkeit ist mit der Beweglichkeit insbesondere der freien Elektro- nen zu begründen. Die Wärmeleitfähigkeit hat ihre Ursa- che darin, dass die Atome des Gitters in weiten Tempera- Bild 1: Unterschiedliche turbereichen um ihre Ruhelage schwingen können. Weite- Orientierung der Körner re Eigenschaften z.B. Verformungsmöglichkeiten, werden im Metallgefüge ebenfalls verständlich. Weil die Entstehung der Körner der Schmelze so schnell erfolgt, dass sich nicht alle Atome einheitlich ausrichten können, bilden sich viele kleine Körner mit systemlos an- geordneten Achsen. Es zeigt sich ein Metallgefüge mit un- terschiedlicher Orientierung der Körner. Wird in einem Einkristall eine bestimmte physikalische Größe erst in einer und dann in einer anderen Richtung gemessen, ergeben sich unterschiedliche Werte. Diese Richtungsabhängigkeit der Eingenschaften wird als An- isotropie bezeichnet. Auch jeder Kristallit des vielkristalli- Bild 2: Ähnliche Orientierung nen Gefüges verhält sich anisotrop. Werden jedoch Eigen- der Körner im schaften im Vielkristall bestimmt, ergeben sich in jeder Metallgefüge (Textur) Richtung dieselben Werte. Dies wird durch die Verkippung der einzelnen Körper gegeneinander verursacht. Durch das Messen über alle Körner hin- weg („Mittelung“) heben sich die einzelnen Anisotropien auf – die Probe verhält sich quasi-isotrop („wie isotrop“, d.h. keine Richtungsabhängigkeit der Eigenschaften). Sind alle Kristallite gleich orientiert, besitzt der Werkstoff eine Textur. Er verhält sich dann wieder anisotrop. Die Achsen der Körner sind z.B. durch eine Verformung so ausgerichtet, dass sie nahezu parallel verlaufen und dabei bevorzugte Gleitebenen entstehen, über die beim Tiefziehen der Werkstoff besonders stark fließt und wodurch die gerade Zipfel- bildung erklärt wird. Fehlstellen im Gitter (sog. Gitterbaufehler) beeinflussen mehr oder weniger die physikali- schen Eigenschaften des Metalls. Eine Fehlstelle kann ein nicht mit einem Atomrumpf be- setzter Gitterplatz oder ein eingelagertes Fremdatom sein. Aufgrund des Durchmesser- unterschiedes von Fremd- und Matrixatomen ergibt sich gewisse Verfestigung durch die Verspannung des Metallgitters. Legierungen sind Werkstoffe mit Metallcharakter aus wenigstens zwei Elementen, von denen mindestens eines ein Metall ist. Sie können pulver- oder schmelzmetallur- gisch hergestellt werden. Austauschmischkristalle (Substitutionsmischkristalle) ent- stehen, wenn Fremdatome auf Gitterplätzen des Matrixgit- ters untergebracht sind. Dazu ist Voraussetzung, dass die Atome beider Metalle annähernd gleiche Durchmesser be- sitzen und in gleicher Grundform (Modifikation) auskristalli- sieren. Die Anordnung der Fremdatome ist unregelmäßig. Mischkristalle der beschriebenen Art bilden z.B. Kupfer und Bild 3: Fehlstellen in einem Nickel. Metallgitter 11
Bei Einlagerungsmischkris- tallen befinden sich Fremd- atome auf Zwischengitter- plätzen des Wirtsgitters. Solche Kristalle können sich nur bilden, wenn die Fremd- atome wesentlich kleiner sind als die Atome des Ma- trixgitters. Das ist z.B. der Fall bei der Einlagerung von Kohlenstoffatomen in ein Eisengitter (Stahl). So löst Bild 1: Austauschmischkristall Bild 2: Kristallgemenge z.B. das kubisch raumzen- trierte α-Eisen maximal 0,02 Prozent Kohlenstoff. Ein Kristallgemisch entsteht, wenn die Legierungsele- mente im festen Zustand nicht ineinander löslich sind. Es stellt sich ein, wenn zwei Metalle nach verschiedenen Systemen auskristallisieren, z.B. in Zinn-Blei-Legierungen. Zinn bildet tetragonale, Blei kubisch-flächenzentrierte Gitter. Beide Kristallarten liegen dann getrennt neben- Bild 3: Einlagerungsmisch- einander vor. kristall 3.2 Zustandsschaubilder Jedes reine Metall zeigt beim Schmelzen einen in den Diagrammen mit Ac und beim Erstarren einen mit Ar bezeichneten Haltepunkt (A von frz. arrêt = Halt; r von refroidisse- ment = Abkühlung; c von chauffage = Erwärmung). Am Schmelzpunkt verharrt die Tempe- raturanzeige eines Thermoelementes, weil die zugeführte Wärmeenergie eine gewisse Zeit benötigt, um die chemi- schen Bindungskräfte zwischen freien Schmelze Elektronen und Atomrümpfen zu über- (flüssig) winden. Erst nach dem Schmelzen des Ac Ar Temperatur letzten festen Metallstückes steigt die Temperatur wieder an. Auch am Erstarrungspunkt bleibt die Anzeige eines Thermoelementes beim Kristall Abkühlen der Schmelze eine Zeit kons- (fest) tant. Bei dieser Temperatur bilden sich Keime, an die sich ständig weitere Atomrümpfe anlagern. So formieren sich, von vielen Stellen Zeit ausgehend, die Körner (Kristallite) des Metalls. Die dabei frei werdende Bild 4: Haltepunkte eines reinen Metalls Kristallisationswärme wird an die Um- gebung abgegeben, sodass das Thermoelement keine Temperaturabnahme anzeigt. Erst wenn die ganze Schmelze fest geworden ist, sinkt die Temperatur weiter. 12
Die Erwärmung und Abkühlung von reinen Metallen oder Legierungen und die Aufzeichnung der Temperatur in Abhängigkeit von der Zeit wird als thermische Analyse bezeichnet. Das Ergebnis sind sog. Abkühl- bzw. Aufheizkurven. Bei der Abkühlung von reinem Eisen sind mehrere Haltepunkte nachzuwei- Abkühlung Erwärmung sen. Beim Übergang vom flüssigen in den festen Aggregatzustand, entsteht TS Schmelze zunächst kubisch-raumzentriertes δ-Ei- 1536 sen. Sein Gitterparameter beträgt 0,296 d-krz nm. Die dabei auftretende Kristallisati- Temperatur in °C Ar4 A4 Ac4 onswärme ist am Haltepunkt Ar5 = 1536 1392 °C erkennbar. Bei einer Temperatur von 1392 °C fin- det eine Umgitterung (Modifikations- g-kfz wechsel) statt. Aus dem kubisch-raum- Ar3 A3 Ac3 zentriertem δ-Eisen bildet sich nun 911 paramag- netisch a-krz kubisch-flächenzentriertes γ-Eisen mit Ar2 A2 Ac2 einem Gitterparameter von 0,356 nm. 769 ferromag- Curie-Punkt netisch Die dabei entstehende Wärme macht Zeit sich als Haltepunkt Ar4 bemerkbar. Das γ-Eisen kann als Einlagerungsmisch- Bild 1: Haltepunkte des reinen Eisens kristall bis zu 2,06 Prozent Kohlenstoff lösen. Dieser Mischkristall wird nach dem englischen Forscher Roberts-Austen Austenit genannt. Ein dritter Haltepunkt Ar3 ergibt sich schließlich bei 911 °C. Jetzt wird das flächenzentrier- te γ-Eisen in das kubisch-raumzentrierte α-Eisen mit einer Gitterkonstante von 0,286 nm umgewandelt. Das α-Eisen löst höchstens 0,02 Prozent Kohlenstoff, ebenfalls als Einlage- rungsmischkristall. Dieser wird Ferrit genannt (nach ferrum = lat. für Eisen). Am Haltepunkt Ar2 = 769 °C (Curietemperatur) wird das unmagnetische Eisen magnetisch. Die hier frei werdende Energie hat ihren Grund in Veränderungen innerhalb der Elektro- nenhülle. Bei der Erwärmung des Eisens stellen sich die gleichen Haltepunkte ebenfalls ein. Sie werden jeweils mit Ac benannt (auf Grund der geringen Temperaturunterschiede zwischen den Ac- und Ar-Punkten werden wie in den Bildern 1 und 2 oft nur A-Punkte ver- merkt). 30 % 70 % 100 % Ni 1500 A2 Schmelze 1400 nie u sli uid Liq Rest- Temperatur in °C 1300 schmelze + ie Kristall lin dus 1200 S oli Kristall 1100 A1 100 % 70 % 30 % Cu 1000 Zeit 0 20 40 60 80 100 Masse-% Ni 100 80 60 40 20 0 Masse-% Cu Bild 2: Zustandsschaubild Kupfer (Cu) – Nickel (Ni) 13
Die Haltepunkte Ar1 und Ac1 finden sich bei Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt von 0,8% bei 723 °C am Punkt S (vergleiche Seite 15). Hinweis: In den meisten Fällen wird heute auf die c- bzw. r-Kennzeichnung verzichtet. Vollkommene Löslichkeit im flüssigen und im festen Zustand Wenn zwei Metalle vollkommen ineinander löslich sind, d.h. ohne Einschränkung Aus- tauschmischkristalle bilden, ergeben sich die Abkühlungskurven in Bild 2 der vorigen Seite, aus denen dann das Zustandsschaubild gezeichnet werden kann (z.B. Cu–Ni). Es ist deutlich erkennbar, dass die reinen Metalle feste Erstarrungstemperaturen (gekennzeich- net durch Haltepunkte), die Legierungen jedoch Erstarrungsintervalle aufweisen. Dieses Intervall ergibt sich aus der Lage zweier Knickpunkte, dem sogenannten Solidus- bzw. dem Liquiduspunkt (lat.: liquidus = flüssig, solidus = fest). Bei der thermischen Analyse zeigen reine Metalle Haltepunkte. Legierungen erstarren – von bestimmten Ausnahmen abgesehen – in einem Temperaturbereich. Die obere Linie im Schaubild heißt Liquiduslinie, die untere heißt Soliduslinie. Oberhalb der Liquiduslinie sind alle Legierungselemente flüssig, unterhalb der Soliduslinie sind sie fest. Das feste Metall besteht dann aus Austauschmischkristallen (vergleiche Seite 12). Innerhalb des linsenförmigen Feldes existieren neben der Schmelze Mischkristalle (Zwei- phasenfeld). Ein ähnliches Zustandsschaubild ergibt sich bei einer Legierung aus Gold und Silber. Fehlende Löslichkeit im festen Zustand, vollkommene Löslichkeit im flüssigen Zustand Wenn zwei Metalle im festen Zustand nicht ineinander löslich sind und darum aus zwei Kristallen bestehen (Mischkristalle also nicht gebildet werden), stellen sich die im Bild gezeigten Abkühlungskurven ein, aus denen dann ebenfalls das Zustandsdiagramm gezeichnet wird (z.B. Bi–Cd). Es ist erkennbar, dass außer den reinen Metallen auch eine bestimmte Legierung (60% Bi, 40% Cd) einen Haltepunkt aufweist. Alle anderen Legie- rungen erstarren über einen Temperaturbereich. Der Linienzug A-E-D ist die Liquiduslinie, der Linienzug P-E-K die Soliduslinie. Im Feld I befinden sich in der Schmelze Körner aus reinem Cadmium, im Feld II sind in der Schmelze Körner aus Wismut anzutreffen. 400 20 % 60 % 80 % 100 % Bi A 300 D Temperatur in °C 200 Schmelze + Schmelze + Kristall Cd Kristall Bi K P E 100 Kristall Bi + Kristall Cd Cd 100 % 80 % 40 % 20 % 0 Zeit 0 20 40 60 80 100 Masse-% Bi 100 80 60 40 20 0 Masse-% Cd Bild 1: Zustandsschaubild Wismut (Bi) – Cadmium (Cd) 14
Am Punkt S und an der Soliduslinie gehen beide Legierungselemente gleichzeitig in den kristallinen Zustand über. Sie bilden dabei ein eutektisches Gefüge, bestehend aus Wis- mut- und Cadmiumkörnern, in der Regel in lamellarer Anordnung. Am Punkt E liegt ein reines Eutektikum vor (gr.: eutektos = wohlgeformt, z.B. Pb–Sb, Al–Zn, Bi–Sn). Zustandsschaubilder erlauben Aussagen über das Verhalten der Metalle beim Erwär- men und beim Abkühlen sowie über Gefügearten und Gefügeumwandlungen. Das System Eisen – Kohlenstoff Kohlenstoff kann in unterschiedlichen Formen in Eisenwerkstoffen auftreten. Er ist atomar gelöst in α- und γ-Mischkristallen (Ferrit oder Austenit), gebunden an Eisen als Eisencarbid (Zementit) Fe3C und frei als Grafit anzutreffen. Im metastabilen System (gr.: meta = veränderlich; lat. stabil = fest) kommt Kohlenstoff an Eisen gebunden als Eisencarbid Fe3C vor. Das metastabile System trifft zu für reine Eisen- Kohlenstoff-Legierungen sowie für weißes Roheisen. Im stabilen System liegt Kohlenstoff als Grafit vor. Es gilt für graues Roheisen und für gra- fithaltiges Gusseisen. In beiden Systemen tritt gelöster (atomarer) Kohlenstoff in α- und γ-Mischkristallen auf. Das folgende, vereinfacht dargestellte Zustandsschaubild Eisen-Kohlenstoff umfasst das metastabile System. Es gilt nur bei sehr langsamer Abkühlung und Erwärmung. 0 0,3 0,8 1,5 3 4,3 6,7% C 1500 1400 S D 1300 1200 g S+g S + Fe3C 1100 E C F Temperatur in °C 1000 900 G a g + Fe3C 800 700 P S K 600 a + Fe3C 500 Zeit 0 1 3 4 5 6 6,67 0,8 2,03 4,3 Kohlenstoffgehalt in % Bild 1: Zustandsschaubild Eisen – Kohlenstoff Werden einer Eisenschmelze bis zu 4,3% Kohlenstoff zulegiert, sinken die Temperaturen des Erstarrungsbeginns stetig bis zum Punkt C. Hier bildet sich an einem Haltepunkt ein besonders gleichmäßiges – eutektisches – Gefüge aus Zementit und γ-Mischkristallen, die mit weiter sinkender Temperatur eutektoid umwandeln (vergleiche dazu weiter unten). Nach dem Metallurgen Ledebur wird dieses Gefüge Ledeburit genannt. Durch Erhöhung des Kohlenstoffgehalts über 4,3% hinaus steigen die Temperaturen des Erstarrungsbeginns. Reines Eisencarbid hat einen Kohlenstoffgehalt von 6,67% und würde am Punkt D erstarren. Es ist jedoch nicht beständig und zerfällt, so dass in reinen Eisen-Kohlenstoff-Legierungen nur Grafit entsteht. Oberhalb der Linie G-S-E liegt eine feste Lösung (Einlagerungsmischkristall) von Kohlenstoffatomen im γ-Eisen vor, der sog. Austenit. – Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die sehr langsame Abkühlung. 15
Am Punkt G bildet sich aus reinem γ-Eisen α-Eisen (Ferrit). Bei Eisen-Kohlenstoff- Legierungen wird die Temperatur dieser Umwandlung abgesenkt. Der Austenit eines Stahles mit einem Kohlenstoffgehalt von 0,8% zerfällt am Punkt S bei 723 °C – einem Hal- tepunkt – in Ferrit und Zementit. Diese Umwandlung im festen Zustand wird als eutektoid bezeichnet. Sie findet bei allen Eisen-Kohlenstoff-Legierungen beim Unterschreiten der Phasengrenze P-S-K bei 723 °C statt. Bei unendlich langsamer Abkühlung, aber auch un- ter einigen technischen Abkühlungsbedingungen, z.B. beim Normalglühen, bilden Ferrit und Zementit bei der eutektoiden Reaktion eine charakteristische lamellare Anordnung. Diese wird als Perlit bezeichnet. Untereutektoide Legierungen – sie besitzen weniger als 0,8% Kohlenstoff – scheiden nach dem Unterschreiten der durch die Phasengrenzlinie G-S bestimmten Temperatur aus dem Austenit zunächst Ferrit aus. Unterhalb von 723 °C zerfällt der restliche Austenit in Ferrit und Zementit. Übereutektoide Legierungen mit Kohlenstoffgehalten zwischen 0,8% und 2,06% scheiden beim Passieren der durch die Phasengrenze S-E festgelegten Temperatur Zementit aus. Unterhalb von 723 °C entstehen wieder Zementit und Ferrit. Bei der Erwärmung verlaufen die beschriebenen Vorgänge sinnentsprechend in umgekehrter Reihenfolge. Im Zustandsschaubild Eisen-Kohlenstoff werden die Umwandlungen des bei niedrigen Temperaturen beständigen α-Eisens und des bei hohen Temperaturen beständigen γ-Eisens dargestellt. In den einzelnen Feldern des metastabilen Zustandsschaubildes sind folgende Gefüge- anteile zu finden. Feld I: Schmelze; Feld II: Schmelze und γ-Mischkristalle; Feld III: Schmelze und Fe3C; Feld IV: γ-Mischkristalle (Austenit); Feld V: γ- und α-Mischkristalle; Feld VI: γ-Mischkristalle und Fe3C; Feld VII: α-Mischkristalle (Ferrit) und Fe3C. Die Gefügebestandteile der Eisen-Kohlenstoff-Legierungen haben charakteristische Eigenschaften. Unter dem Mikroskop lassen sich die Bestandteile, wie auf S. 17 gezeigt, deutlich erkennen. Im Gleichgewichtszustand liegen vor: Ferrit: Er baut sich aus kubisch-raumzentriertem α-Eisen auf und kann bei 723 °C maximal 0,02% Kohlenstoff lösen (s.a. S. 13). Austenit: Diese Phase ist ein Einlagerungsmischkristall von kubisch-flächenzentriertem γ-Eisen mit maximal 2,06% gelöstem Kohlenstoff bei 1147 °C (s.a. S. 13). Austenit ist rela- tiv weich, gut verformbar und unmagnetisch. Zementit: Bei diesem Namen handelt es sich um eine metallografische Bezeichnung. Chemisch gesehen handelt es sich um Eisencarbid Fe3C. Er bildet komplizierte Kristalle und ist mit etwa 800 HV der härteste Gefügebestandteil des Stahles. Unter technischen Bedingungen entstehen besondere Gefügeanordnungen. Davon sol- len hier nur zwei erwähnt werden. Perlit: Er ist ein lamellares Gemenge aus Ferrit und Zementit. Je nach Entstehungsbedin- gungen hat er eine Härte von 180 HB bis 370 HB. Ledeburit: Er bildet sich in reiner Form bei einem Kohlenstoffgehalt von 4,3%. Bei Raum- temperatur setzt er sich aus Zementit und Perlit zusammen. Ledeburit ist spröde und hat von allen Eisen-Kohlenstoff-Legierungen den niedrigsten Schmelzpunkt (s.a. S. 15). Weitere Gefügearten, z.B. Bainit und Martensit, treten vor allem in legierten Stählen nach beschleunigter Abkühlung auf (s. S. 62ff.). 16
Ferritisches Gefüge Perlitkörner Kohlenstoffgehalt: bis 0,02 Prozent Kohlenstoffgehalt: 0,8 Prozent V = 200 : 1 V = 1000 : 1 Lamellare Anordnung von Zementit (dunkle Streifen) und von Ferrit (helle Bezirke) Gefüge mit je etwa 50 Prozent Ferrit (weiße Bezirke) Austenitisches Gefüge und 50 Prozent Perlit, dessen Lamellenabstand so V = 100 : 1 klein ist, dass man die Struktur nicht immer erkennen kann. Kohlenstoffgehalt: 0,4 Prozent V = 200 : 1 Ledeburit Kohlenstoffgehalt: 4,3 Prozent Die schwarzen Bereiche sind Perlit, die weißen Die Gefügeaufnahmen stellte freundlicherweise das Max-Plank-Institut für Eisenforschung GmbH, Düsseldorf, Zementit zur Verfügung V = 500 : 1 3.3 Die Gewinnung der Metalle Nur wenige Metalle, z.B. Gold, Platin, Silber und auch Kupfer, kommen in der Natur ge- diegen, d.h. in freiem, nicht gebundenem Zustand vor. Meistens treten Metalle in chemi- schen Verbindungen auf. Gesteine, in denen nutzbares Metall oder nutzbare Metallverbindungen enthalten sind, bezeichnet man als Erze. Oxidische Erze enthalten Metall-Sauerstoffverbindungen (MeO), sulfidische Erze Metall- Schwefel-Verbindungen (MeS) und carbonatische Erze (MeCO3, Me steht für Metall) an die CO3-Gruppe gebundene Metalle. 17
Die Verbindungen entstehen dadurch, dass die Metalle an die jeweiligen Reaktionspartner Elektronen abgeben. Dadurch bilden sich positiv geladene Metallionen und negativ gela- dene Nichtmetallionen, die sich gegenseitig anziehen, z.B.: Fe → Fe2+ + 2e O + 2e → O2– 冧 Fe2+O2– oder einfach FeO Aus Fe2+ und O2– baut sich das verhältnismäßig stabile Eisenoxid FeO auf. Formel der Chemischer Name der mineralogischer Erzart Metallverbindungen Metallverbindungen Name des Erzes Al2O3 · 2 H2O Aluminiumoxid Bauxit Oxidische Fe3O4 Eisen(II, III)-oxid Magneteisenstein Erze SnO2 Zinn(IV)-oxid Zinnstein FeS2 Eisen(II)-sulfid Pyrit Sulfidische ZnS Zinksulfid Zinkblende Erze PbS Bleisulfid Bleiglanz FeCO3 Eisencarbonat Spateisenstein Carbonatische MnCO3 Mangancarbonat Manganspat Erze PbCO3 Bleicarbonat Weißbleierz Um Metalle für den praktischen Gebrauch nutzbar zu machen, müssen sie aus den Erzen und aus ihren chemischen Verbindungen isoliert werden. Dazu sind verschiedene Tech- nologien üblich. Ihnen allen ist gemeinsam, dass den Metallionen unter mehr oder weniger großem Ener- gieaufwand ihre Elektronen zurückgegeben werden, die sie bei der Reaktion an ihre Re- aktionspartner abgegeben haben. Diese Rückgabe der Elektronen kann z.B. mit dem Entzug von Sauerstoff oder Schwefel verbunden sein: Fe2+ + 2e ¡ Fe Reduktion (Elektronenaufnahme) O2– ¡ O + 2e Oxidation (Elektronenabgabe) Jede Aufnahme von Elektronen wird als Reduktion bezeichnet. Die Gewinnung der Ge- brauchsmetalle erfolgt somit durch Reduktion. Wenn ein Element Elektronen aufnimmt, muss ein anderes dafür Elektronen abgeben. Jede Elektronenabgabe wird Oxidation genannt. Reduktion und Oxidation verlaufen par- allel. Man spricht darum auch von Redox-Reaktionen, die bei der Metallgewinnung erfol- gen. 3.3.1 Die Reduktion mit Kohlenstoff, Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff Dieses Verfahren findet bei der Verarbeitung oxidischer Erze Anwendung. Die Gewinnung von Roheisen aus Magneteisenstein Fe3O4 ist dafür ein praktisches Beispiel. Als Reduk- tionsmittel – das sind sauerstoffentziehende Mittel – werden Kohlenstoff und Kohlen- stoffmonoxid sowie Wasserstoff eingesetzt. Sie stammen aus dem Koks bzw. bilden sie sich beim Zerfall der bei der Verhüttung zugesetzten Erdölprodukte. 18
Vorgänge im Hochofen Kohlenstoff Metalloxid + Kohlenstoffmonoxid ¡ Metall + Kohlenstoffdioxid + Wasser Wasserstoff a) Erzeugung von Kohlenstoffmonoxid CO: aus dem durch Verbrennung des Kokses Eisenerz Koks entstehenden Kohlenstoffdioxid bildet sich Zuschläge Kohlenstoffmonoxid CO2 + C ¡ 2 CO. b) Reduktion des Eisenerzes: Fe3O4 + 2 C ¡ 3 Fe + 2 CO2 sowie Fe3O4 + CO Gicht- 200 °C gas ¡ 3 FeO + CO2 und FeO + CO ¡ Fe + CO2. Vorwärm- Gicht Ferner Fe3O4 + 4 H2 ¡ 3 Fe + 4 H2O. Bei die- zone sen Reaktionen entsteht festes Eisen. 600 °C 700 °C Reduktions- c) Aufkohlung des Eisens: Schacht zone Eisen nimmt Kohlenstoff auf. Dadurch sinkt 1 000 °C Kohlen- Kohlungs- der Schmelzpunkt von 1536 °C auf etwa sack 1 200 °C zone Rast 1150 °C. Schmelz- Heißluft 1 400 °C zone ≈ 700° d) Schmelzen des Roheisens und des Gesteins Gestell 1 700 °C (Gangart): durch weitere Wärmezufuhr schmelzen Roheisen und Gestein. Danach erfolgt der Roh- Schlacke Abstich von Schlacke und Roheisen. Roheisen eisen Schlacke zum zur Durch Reduktion mit Kohlenstoff, Kohlenstoff- Stahlwerk Verarbeitung monoxid und Wasserstoff lassen sich aus Metalloxiden, die in manchen Fällen noch in Bild 1: Hochofen besonderen Arbeitsverfahren aus den Erzen isoliert werden müssen, die folgenden Metalle gewinnen: Cobalt aus CoO, Nickel aus NiO, Kupfer aus Cu2O, Zink aus ZnO, Zinn aus SnO2, Blei aus PbO und Wismut aus Bi2O3. 3.3.2 Die Reduktion mit anderen Elementen (Metallothermie) Nicht alle Metalloxide lassen sich mit Kohlenstoff reduzieren. Hauptgrund dafür ist die im Vergleich zu den jeweiligen Metallen nicht ausreichende Bindungskraft zwischen Kohlen- stoff und Sauerstoff. An Stelle von Kohlenstoff wird daher z.B. Aluminium als Redukt- ionsmittel verwendet, weil es sich leichter mit Sauerstoff verbindet als Kohlenstoff. Diese Art der Metallgewinnung bezeichnet man als aluminothermische Verfahren. Die Erzeugung von reinem Vanadin z.B. verläuft nach folgender Reaktionsgleichung: 3 V2O5 + 10 Al ¡ 6 V + 5 Al2O3 oder allgemein: Metalloxid + Aluminium ¡ Metall + Aluminiumoxid. Auf die gleiche Weise lassen sich Chrom aus Cr2O3 und Mangan aus Mn3O4 gewinnen. – Außer Aluminium können Natrium, Calcium, Magnesium, Wasserstoff und Silicium als Reduktionsmittel eingesetzt werden. Technische Bedeutung besitzt in diesem Zusam- menhang das Thermitschweißen, bei dem Eisenoxid durch Aluminium zu Eisen und Aluminiumoxid reduziert wird. 3.3.3 Die Röstreduktion Unter Rösten versteht man die Umwandlung von sulfidischen und carbonatischen Erzen in oxidische Erze durch Erhitzen unter Luftzufuhr. Die entstehenden Metalloxide können anschließend mit Kohlenstoff reduziert werden. Sulfidische Erze liefern außerdem Schwefeldioxid, das zu Schwefelsäure weiterverarbeitet wird. Die carbonatischen Erze geben Kohlenstoffdioxid ab. 19
Geröstet werden z.B. Bleisulfid PbS, Zinksulfid ZnS, Molybdänsulfid MoS und Eisensulfid FeS sowie Bleicarbonat PbCO3, Mangancarbonat MnCO3 und Eisencarbonat FeCO3: 4 FeCO3 + O2 ¡ 2 Fe2O3 + 4 CO2. 3.3.4 Die Reduktion durch Elektrolyse einer Metallsalzlösung Unter einer Elektrolyse versteht man die Zerlegung von Elektrolyten durch Gleichstrom in ihre Bestandteile. Elektrolyte sind elektrisch leitende Lösungen oder Salzschmelzen. Beispielsweise ist bei der Elektrolytkupfergewinnung der Elektrolyt eine mit Schwefel- säure angesäuerte Kupfersulfatlösung. Die Katode besteht meist aus Reinstkupfer, die An- ode aus Rohkupfer mit Verunreinigungen verschiedener Metalle, u.a. Gold und Silber. Es laufen die folgenden Reaktionen ab: Anode: das Rohkupfer wird aufgelöst = – + a) Die Gleichstromquelle entzieht den Kupfer- atomen je zwei Elektronen: Cu – 2e ¡ Cu2+ (Oxidation). b) die entstehenden Kupferionen wandern zur Cu2+SO42– Katode. Katode: es scheidet sich Elektrolytkupfer ab Cu2+ a) Kupferionen Cu2+ werden angezogen. b) Kupferionen nehmen pro Ion zwei Elektro- Katode – Anode + Abscheidung Auflösung nen auf: Cu2+ + 2e ¡ Cu (Reduktion). Bild 1: Elektrolytkupfergewinnung Das durch Reduktion entstandene Elektrolyt- kupfer hat einen Reinheitsgrad von etwa 99,9 Prozent. Es wird umgeschmolzen und zu Fertigprodukten weiterverarbeitet. Der an der Anode zurückbleibende Schlamm enthält u.a. Gold und Silber. Die Edelmetalle werden in einem besonderen Arbeitsschritt gewon- nen. Durch Elektrolyse ihrer wässrigen Metallsalzlösungen lassen sich außer Kupfer noch ge- winnen: Gold, Silber, Platin, Chrom, Zink und Zinn. 3.3.5 Die Reduktion durch Elektrolyse im Schmelzfluss Die der Aluminiumgewinnung ist aus einer wässrigen Lösung nicht möglich, da Alumi- nium sehr unedel ist. Daher besteht der Elektrolyt aus einer geschmolzenen Mischung von Aluminiumoxid Al2O3 und Kryolyth. Durch die Mischung wird der Schmelzpunkt des Aluminiumoxides von ca. 2000 °C auf etwa 900 °C gesenkt (Eutektikum, s. Bild 1, S. 14). In der Katode Anode – + Schmelze bewegen sich Aluminiumionen Al 3+ – = + und Sauerstoffionen O2–. Die Katode besteht aus einem grafithaltigen Schmelztiegel (Boden der Zelle), die Anode aus Kohleelektroden. Im Einzel- Elektrolyt nen laufen nach der Gleichung 2 Al2O3 ¡ 4 Al + 3 O2 die folgenden Reaktionen ab: + Al3+ O2– Anode: es bildet sich Kohlenstoffdioxid Al a) die Stromquelle entzieht den Sauerstoffionen – Elektronen: 6 O2– – 12e ¡ 6 O bzw. 3 O2 (Oxida- tion) b) der Sauerstoff reagiert mit dem Kohlenstoff Bild 2: Aluminiumgewinnung der Elektrode 3 C + 3 O2 ¡ 3 CO2. (Elektrolysezelle) 20
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