WIRKUNG VON CANNABINOIDEN AUF DIE NEUROTRANSMISSION IM CORPUS STRIATUM UND IN DER SUBSTANTIA NIGRA PARS RETICULATA

 
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Aus dem Institut für Experimentelle und Klinische
              Pharmakologie und Toxikologie
                              der
          Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.

      WIRKUNG VON CANNABINOIDEN AUF
DIE NEUROTRANSMISSION IM CORPUS STRIATUM
UND IN DER SUBSTANTIA NIGRA PARS RETICULATA

               INAUGURAL - DISSERTATION
                             zur
         Erlangung des Medizinischen Doktorgrades
                  der Medizinischen Fakultät
                der Albert-Ludwigs-Universität
                        Freiburg i. Br.

                       Vorgelegt 2003
                   von Claudia Pfreundtner
                      geboren in Lindau
Dekan:    Professor Dr. med. J. Zentner
  1. Gutachter:   Professor Dr. med. B. Szabo
  2. Gutachter:   Professor Dr. med. D. Riemann
Promotionsjahr:   2004
Ich möchte mich bei meinem „Doktorvater“ Professor Bela Szabo für die
Überlassung des interessanten Themas bedanken. Durch seine geduldige
Betreuung und Anleitung zur Gewinnung der Kenntnisse zur Durchführung der
elektrophysiologischen Experimente, kam diese Arbeit zustande.

Herrn Professor Klaus Starke und allen Mitarbeitern der Abteilung möchte ich
danken, da ich mich in dieser Abteilung während des praktischen Teils der
Doktorarbeit sehr gut aufgehoben und willkommen gefühlt habe.

Besonderer Dank gilt meinen Eltern: sie begleiteten mich mit teilweise immenser
Geduld durch mein gesamtes Studium, die ersten Berufsjahre und vor allem den
letzten Abschnitt der Ausarbeitung dieser Arbeit.

Zuletzt will ich meinem Mann Markus danken, der am Gelingen dieser Arbeit einen
sehr großen Anteil hat. Durch seinen Zuspruch und seine moralische
Unterstützung konnte manche „Frustphase“ überwunden werden.
Abkürzungen

ABKÜRZUNGEN:
ACSF          Artifizielle cerebrospinale Flüssigkeit
AP-5          DL-2-Amino-5-phosphonopentanosäure,
              NMDA-Glutamatrezeptor-Antagonist
ATP           Adenosin-5´-triphosphat
BIC           Bicucullin, GABAA-Rezeptor-Antagonist
BSA           Rinderserumalbumin (bovine serum albumin)
CARB          Carbachol-HCl, Muskarinrezeptor-Agonist
CB            Cannabinoid
CNQX          6-cyano-7-nitroquinoxalin-2,3-dion,
              non-NMDA-Glutamatrezeptor-Antagonist
CP55940       (-)-cis-3-[2-hydroxy-4-(1,1-dimethylheptyl)phyenyl]-trans-4-(3-
              hydroxypropyl)cyclohexanol, Cannabinoidrezeptor-Agonist
DMSO          Dimethylsulfoxid
EPSC          exzitatorischer postsynaptischer Strom
GABA          γ-Aminobuttersäure
GLUT          L-Glutamat
GTP           Guanosin-5´-triphosphat
HU210         (6aR)-trans-3-(1,1-Dimethylheptyl)-6a,7,10,10a-tetrahydro-1-
              hydroxy-6,6-dimethyl-6H-dibenzo[b,d]pyran-9-methanol,
              Cannabinoidrezeptor-Agonist
IPSC          inhibitorischer postsynaptischer Strom
MES           minimal-effektive Stimulierung
mRNA          messenger Ribonukleinsäure
MSN           Medium Spiny Neuron
MUSC          5-Aminomethyl-3-hydroxy-isoxazol, Muscimol,
              GABAA-Rezeptor-Agonist
QX-314        N-ethyl-Lidocain-Bromid, Natriumkanalblocker
NMDA          N-Methyl-D-aspartat
PRE           Referenzwert der Parameter vor Substanzgabe
S.E.M         Standardfehler des Mittelwertes
SNC           Substantia nigra pars compacta
SNR           Substantia nigra pars reticulata
SOL           Solvent, Kontrolllösung, Superfusionspuffer
Abkürzungen

SR141716A N-piperidino-5-(4-chlorophenyl)-1-(2,4-dichlorophenyl)-4-methyl-3-
          pyrazolecarboxamid-HCl, selektiver CB1-Rezeptor-Antagonist
TTX           Tetrodotoxin, Natriumkanalblocker
∆9-THC        (-)-∆9-Tetrahydrocannabinol,
              natürlich vorkommender Cannabinoidrezeptor-Agonist
Vh            Haltepotential
WIN55212-2 (R)-(+)-[2,3-Dihydro-5-methyl-3-(4-morpholinylmethyl)pyrrolo [1,2,3-
           de]-1,4-benzoxazin-6-yl]-1-(naphtalenyl)methanon mesylat,
           Cannabinoidrezeptor-Agonist
Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS:                                                          Seite

1. EINLEITUNG                                                                   1

2. METHODEN                                                                     8

  2.1 Präparation und Aufbewahrung von Hirnschnitten                            8
  2.2 Lösungen                                                                 10
    2.2.1 Lösungen für die Versuche im Corpus striatum                         10
    2.2.2 Lösungen für die Versuche in der Substantia nigra                    12
  2.3 Substanzen                                                               13
  2.4 Versuchsanordnung und optisches Setup                                    14
  2.5 Patch-Clamp-Technik                                                      15
  2.6 Versuchsprotokolle                                                       16
    2.6.1 Versuchsprotokoll zur Messung der striatalen IPSCs                   17
    2.6.2 Versuchsprotokoll zur Messung der striatalen muscimolinduzierten
          Ströme                                                               18
    2.6.3 Versuchsprotokoll zur Messung der striatalen Kalziumströme           18
    2.6.4 Versuchsprotokoll zur Messung der IPSCs in der SNR                   19
    2.6.5 Versuchsprotokoll zur Messung der EPSCs in der SNR                   19
    2.6.6 Versuchsprotokoll zur Messung der minimal-effektiv stimulierten
          EPSCs in der SNR                                                     20
    2.6.7 Versuchsprotokoll zur Messung der glutamatinduzierten Ströme
          in der SNR                                                           20
  2.7 Datenaufzeichnung, Auswertung und statistische Aufbereitung              21
    2.7.1 Statistische Bearbeitung der Aufzeichnung der IPSCs und EPSCs        22
    2.7.2 Statistische Bearbeitung der Aufzeichnung der Kalziumströme          22
    2.7.3 Statistische Bearbeitung der Aufzeichnung der muscimol- und
          glutamatinduzierten Ströme                                           23

3. ERGEBNISSE                                                                  24

  3.1 Messungen im Corpus striatum                                             24
    3.1.1 Vorversuche zur Charakterisierung der striatalen IPSCs               25
    3.1.2 Wirkung von Cannabinoiden auf striatale IPSCs                        26
    3.1.3 Wirkung von Cannabinoiden auf striatale muscimolinduzierte Ströme    28
    3.1.4 Wirkung von Cannabinoiden auf striatale Kalziumströme                29
  3.2 Messungen in der Substantia nigra pars reticulata (SNR)                  30
    3.2.1 Vorversuche zur Charakterisierung der IPSCs in der SNR               31
    3.2.2 Wirkung von Cannabinoiden auf IPSCs in der SNR                       33
    3.2.3 Vorversuche zur Charakterisierung der EPSCs in der SNR               34
Inhaltsverzeichnis

    3.2.4 Wirkung von Cannabinoiden auf EPSCs in der SNR                   35
    3.2.5 Wirkung von Cannabinoiden auf minimal-effektive EPSCs in der SNR 37
    3.2.6 Wirkung von Cannabinoiden auf glutamatinduzierte Ströme
          in der SNR                                                       38

4. DISKUSSION                                                                  40

  4.1 Wirkung von Cannabinoiden im Corpus striatum                             40
    4.1.1 Charakterisierung der gemessenen Ströme im Corpus striatum           41
    4.1.2 Wirkung von Cannabinoiden auf striatale IPSCs und
          muscimolinduzierte Ströme                                            42
    4.1.3 Wirkung von Cannabinoiden auf striatale Kalziumströme                44
  4.2 Wirkung von Cannabinoiden in der Substantia nigra pars reticulata
      (SNR)                                                                    45
    4.2.1 Charakterisierung der gemessenen inhibitorischen Ströme in der SNR   46
    4.2.2 Wirkung von Cannabinoiden auf IPSCs in der SNR                       47
    4.2.3 Charakterisierung der gemessenen exzitatorischen Ströme
          in der SNR                                                           47
    4.2.4 Wirkung von Cannabinoiden auf EPSCs und glutamatinduzierte
          Ströme in der SNR                                                    48
  4.3 Präsynaptische Hemmung als genereller Effekt der Cannabinoide            50
  4.4 Cannabinoide und Katalepsie                                              50

5. ZUSAMMENFASSUNG                                                             53

6. LITERATUR                                                                   54

7. VERÖFFENTLICHUNGEN UND KONGRESSBEITRÄGE                                     62

  7.1 Veröffentlichungen                                                       62
  7.2 Kongressbeiträge                                                         62

8. LEBENSLAUF                                                                  63
Einleitung                                                                                           1

1. EINLEITUNG
        Natürlich vorkommende Cannabinoide werden seit Jahrtausenden in der
Medizin vieler Naturvölker eingesetzt. Die bekanntesten Cannabisprodukte sind
Marihuana (getrocknete Blüten und Blätter der Hanfpflanze Cannabis sativa) und
Haschisch (Harz der Hanfpflanze), die vor allem durch Rauchen oder Essen kon-
sumiert werden. Die erstmalige Erwähnung eines therapeutischen Einsatzes von
Cannabis in Deutschland stammt aus dem 12. Jahrhundert n. Chr.. In den folgen-
den Jahrhunderten wurde Cannabis in verschiedenster Form (Pillen, Tabak, Tink-
turen) medizinisch angewandt und ärztlich verschrieben. Eingesetzt wurde es bei-
spielsweise zur Behandlung von Übelkeit und Appetitlosigkeit, Schlaf- und Ent-
spannungsstörungen, Schmerzzuständen, Depressionen.
        Auch die psychotrope, berauschende Wirkung war immer wieder erwünsch-
ter Effekt von Hanfprodukten. Besonders ab Mitte des 19. Jahrhunderts galt Can-
nabis als bewusstseinserweiternde Droge, die in Künstlerkreisen regen Absatz

                                   Die Raupe sass mit verschränkten Armen da und
                                        rauchte genüsslich eine Wasserpfeife,
                                    als ginge sie alles um sie herum gar nichts an.

Abbildung 1. Die Raupe aus „Alice im Wunderland“. Die Abbildung zeigt eine Wasserpfeife rauchende
Raupe aus dem Kinderbuch „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll (1832 – 1898). In dem Buch werden
mehrfach psychoaktive Substanzen, vermutlich unter anderem Cannabinoide erwähnt („Die kleine Heldin der
Geschichte durchwandert Welten mit seltsamen Wesen und erlebt die erstaunlichsten Veränderungen der
Sinneswahrnehmung nach dem Trinken einer ominösen Flüssigkeit (aus dem berühmten "Trink-mich"-
Fläschchen) oder dem Essen eines Kekses.“ Kommentar aus: Website des Vereins für interaktive
Randgruppenarbeit und Suchtproblematik: www.virus-bs.ch). Trotzdem gilt es als eines der beliebtesten
Kinderbücher seit mehr als einem Jahrhundert.
Einleitung                                                                                                   2

und eine Vielzahl von Erwähnungen in literarischen Werken fand. Als einige die-
ser Künstler, die sich von Cannabis neue Inspiration erhofften, sollen an dieser
Stelle Lewis Carroll (1832 – 1898), der Autor des Kinderbuches „Alice im Wunder-
land“ (Abbildung 1) und Charles Baudelaire (Mitglied des „Haschischclubs“,
1821 – 1867) mit einem seiner Gedichte „Die Pfeife“ aus seinem Werk „Blumen
des Bösen“ (Abbildung 2) genannt sein.

                                                  Die Pfeife
                                Ich bin die Pfeife, die ein Dichter raucht,
                               An meinem Aussehn kann man schaun -
                                  Äthiopisch ist es oder kaffernbraun -,
                              Wie tüchtig mein Gebieter mich gebraucht.

                              Wenn er vom Schmerze überwältigt leidet,
                                 Wie eine Bauernhütte qualm ich dann,
                              Wo schon die Küche für den Ackersmann,
                             Der bald vom Felde kehrt, das Mahl bereitet.

                               Ich schlinge ein und schaukle seine Seele
                                 In einem Netz aus blaubewegter Luft,
                               Die leichthin meinem Feuermaul entquillt.

                                Ich wälze einen mächtigen Balsamduft,
                             Der seinem Herzen zur Erquickung schwele,
                              Lindernd die Qual, die seinen Geist erfüllt.

Abbildung 2. „Die Pfeife“. Der Dichter Charles Baudelaire (1821 – 1867) war Mitglied des Haschischclubs,
einer Gruppe von Künstlern, vorwiegend Schriftstellern, die sich in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts im
Hôtel Pimodan, Paris trafen und dort gemeinsam Drogen (Haschisch und Opium) zur
Bewusstseinserweiterung und Inspiration konsumierten. „Die Pfeife“ ist eins seiner Gedichte, die in dieser Zeit
entstanden sind. Es stammt aus dem Werk „Die Blumen des Bösen“ (Les fleurs du mal).

        Zu Beginn des 20. Jahrhunderts trat eine deutliche Wandlung ein: Cannabis
wurde zunehmend verteufelt, als „Einstiegsdroge“ bezeichnet, und schließlich der
Konsum von Cannabisprodukten durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
Einleitung                                                                      3

Anfang der 60er Jahre weltweit verboten. Missachtung wurde mit heftigen Strafen
geahndet.
       Heute werden wieder medizinische Einsatzmöglichkeiten von Cannabinoi-
den intensiv diskutiert. Beispielsweise profitieren Patienten mit konsumierenden
Krankheiten (Malignome, HIV-Infektion) von der appetitanregenden, übelkeitsmin-
dernden Wirkung von Hanfprodukten. Durch den momentan noch bestehenden
rechtlichen Status der Droge, deren Besitz in größeren Mengen und Veräußerung
derselben in Deutschland verboten ist, begeben Patienten und ihre behandelnden
Ärzte sich immer wieder in rechtliche Grauzonen. Mittlerweile existieren syntheti-
sche Substanzen, die als Medikament verschrieben werden können, allerdings
unter das Betäubungsmittelgesetz fallen oder nur aus dem Ausland bezogen wer-
den können (Nabilon = Cesamet®, Marinol = Dronabinol®).
       Die Entwicklung von synthetischen Cannabinoiden in den letzten zwei Jahr-
zehnten ermöglichte somit zum einen den „kontrollierten“ Einsatz in der Medizin,
zum anderen schließlich die gezielte Erforschung der Angriffspunkte und
Wirkweise der Cannabinoide.
       In der vorliegenden Studie setzten wir die in Abbildung 3 gezeigten synthe-
tischen Cannabinoide CP55940, HU210 und WIN55212-2 ein. Bemerkenswert
sind die z.T. frappierenden Unterschiede in der chemischen Struktur zum natürlich
vorkommenden Vorbild ∆9-THC. Während CP55940 und HU210 noch strukturelle
Ähnlichkeit zum ∆9-THC zeigen, gehört das Aminoalkylindol-Derivat WIN55212-2
einer anderen Substanzgruppe an und besitzt doch cannabinomimetische Aktivität
(Kuster et al. 1993).
       Den genannten synthetischen Cannabinoiden und dem natürlich vorkom-
menden ∆9-THC sind die Angriffspunkte, nämlich die – mittlerweile molekulargene-
tisch aufgeschlüsselten – Cannabinoidrezeptoren CB1 und CB2 gemein (erstmals
Matsuda et al. 1990 und Munro et al. 1993): es handelt sich hierbei um membran-
ständige Rezeptoren mit sieben transmembranären Helices, die je nach Rezeptor-
untergruppe in unterschiedlichen Geweben verschieden stark vertreten sind. CB1-
Rezeptoren, die in unserer Studie von Interesse waren, sind vorwiegend zentral
nachweisbar; CB2-Rezeptoren kommen in peripheren Geweben, vor allem in Milz
und Zellen des Immunsystems vor.
Einleitung                                                                                                      4

                                                                           HO

                                                                                            OH         HU 210
                      OH        ∆ 9-THC

                  O                                                                 O

                OH
                                                                                                 O
                       OH
                              CP 55940
                                                                                        N
                                                                                O
                                                                                                 WIN 55212- 2
                                                                                            N
         HO

                                                                                            O

                                  SR 141716A
                                                              N

                                                     HN
                                                                       O

                                                          N
                                                     N
                                                                  Cl
                                       Cl

                                                     Cl

                                                                              9                        9
Abbildung 3. Chemische Struktur von Cannabinoidrezeptor-Liganden. ∆ -Tetrahydrocannabinol (∆ -
THC) ist die wichtigste psychotrope Substanz der Cannabispflanze. CP55940, HU210 und WIN55212–2 sind
synthetisch hergestellte Cannabinoidrezeptor-Agonisten, die in der vorliegenden Studie eingesetzt wurden.
Außerdem ist der CB1-selektive Cannabinoidrezeptor-Antagonist SR141716A dargestellt.

        Nach Entdeckung der Cannabinoidrezeptoren wurden endogene Sub-
stanzen gefunden, die agonistische Aktivität sowohl an CB1- als auch an CB2-Re-
zeptoren besitzen. Die zwei bekanntesten Vertreter sind das Anandamid (Arachi-
donylethanolamid) und das 2-Arachidonylglycerol. Diese „Endocannabinoide“ wer-
den zentral aus postsynaptischen Neuronen durch Depolarisation und an-
schließendem Anstieg der intrazellulären Kalziumkonzentration freigesetzt. Sie
können dann zum präsynaptischen Axonterminal diffundieren und dort transmitter-
freisetzungshemmende CB1-Rezeptoren aktivieren (zur Übersicht siehe Di Marzo
et al. 1998; Wilson und Nicoll 2002).
Einleitung                                                                        5

       SR141716A      gilt   als   CB1-selektiver   Cannabinoidrezeptor-Antagonist
(Rinaldi-Carmona et al. 1995, Abbildung 3) und konnte somit in unserer Studie, in
der eben diese Rezeptoren untersucht werden sollten, eingesetzt werden.

       Die Wirkweise der Cannabinoide ist erstmals von Howlett und Fleming
(1984) als eine Gαi/O-Protein-gekoppelte, Pertussis-Toxin-sensitive Hemmung der
Adenylatzyklase und somit Beeinflussung der cAMP-Konzentration beschrieben
worden (siehe auch Felder et al. 1995; Tao und Abood 1998).
       In verschiedenen Studien mit Zellkulturen, die CB1-Rezeptoren exprimieren,
aber auch in Untersuchungen mit Zellen, die mit CB1-Rezeptoren transfiziert wor-
den waren, wurde eine Hemmung von spannungsabhängigen Kalziumkanälen, an
der ebenfalls Gi/0-Proteine beteiligt sind, beobachtet (Caulfield und Brown 1992;
Mackie und Hille 1992; Mackie et al. 1993; Pan et al. 1996). Des weiteren wurden
Leitfähigkeitsveränderungen für Kaliumkanäle (Mackie et al. 1995; Deadwyler et
al. 1995) und Natriumkanäle (Turkanis et al. 1991) beobachtet.
       Daneben wurden auch CB1- und CB2-Rezeptor-unabhängige Wirkungen
beobachtet, bei denen von direkter Beeinflussung von Ionenkanälen durch Can-
nabinoide ausgegangen wird: so wird der Hintergrund-Kaliumkanal TASK-1 durch
Anandamid gehemmt (Maingret et al. 2001).

       Die Lokalisation des CB1-Rezeptors im ZNS wurde mit Hilfe von Radioligan-
denbindungsstudien (Herkenham et al. 1990, 1991 a,b) und Immunohistochemie
geklärt (Pettit et al. 1998; Tsou et al. 1998; Ong und Mackie 1999).
       Auch die Syntheseorte für die Rezeptoren sind, mit Hilfe von in situ Hybridi-
sierung von CB1-Rezeptor-mRNA, identifiziert worden (Mailleux und Vander-
haeghen 1992; Matsuda et al. 1993).
       CB1-Rezeptoren werden unter anderem im cerebralen Cortex gefunden, in
sehr großer Dichte auch im extrapyramidal-motorischen System. Zwei Kerngebie-
te dieses Systems, das Corpus striatum und die Substantia nigra pars reticulata
(SNR) waren die Hirnareale, denen in der vorliegenden Studie unser Interesse
galt. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass gerade in der SNR zwar eine große
Dichte an CB1-Rezeptor-Protein vorliegt, jedoch hier keine CB1-Rezeptor-mRNA
Einleitung                                                                                             6

zu finden ist. Diese Beobachtung wird an späterer Stelle noch diskutiert (siehe
4.2). Abbildung 4 soll einige der wesentlichen neuronalen Verknüpfungen des
extrapyramidal-motorischen Systems, sowie die jeweilige Verteilung von CB1-
Rezeptoren und CB1-Rezeptor-mRNA, schematisch darstellen.

                                                                        CORPUS
                                                   FSN                 STRIATUM
                                                              MSN

     CORTEX

                                                                           SUBSTANTIA NIGRA

                                                                    DA
                                                                                             SNC
      THALAMUS
                        GLU
                                         GP

                                               N. SUBTHALAM.
                                  GABA
        CS
        NP

                                                                                              SNR

Abbildung 4. Neuronale Verbindungen innerhalb des extrapyramidal-motorischen Systems. Dargestellt
sind hier ausgewählte neuronale Verbindungen innerhalb des extrapyramidal-motorischen Systems (nach
Fallon und Loughlin, 1995). Die Medium Spiny Neurone (MSN) des Corpus striatum erhalten exzitatorischen
glutamatergen Input (rot) aus dem Cortex, sowie dopaminergen Input (blau) von Zellen der Substantia nigra
pars compacta (SNC). MSN erhalten inhibitorischen Input (schwarz) von fast spiking parvalbuminpositiven
Interneuronen (FSN) und von benachbarten MSN. Die GABAergen MSN projizieren zu Zellen der Substantia
nigra pars reticulata (SNR). Der Globus pallidus (GP) erhält ebenfalls Afferenzen von MSN. Der Nucleus
subthalamicus erhält zum einen inhibitorischen Input aus dem GP, zum anderen exzitatorischen glutama-
tergen Input aus dem Cortex; exzitatorischer Output geht von hier zu Zellen der SNR und SNC. Die SNR ist
schließlich der Hauptprojektionskern des extrapyramidal-motorischen Systems: sie projiziert mit GABAergen
Afferenzen zum Thalamus, zum Colliculus superior (CS) und zum Nucleus pedunculopontine (NP). Symbo-
lisch sind CB1-Rezeptoren (►) und messenger-RNA für CB1-Rezeptoren (●) dargestellt.

        In mehreren Tierversuchen wurden die typischen Wirkungen von Cannabi-
noiden untersucht. Beschrieben ist Antinozizeption, Hypokinesie und Hypothermie,
außerdem eine Katalepsie, bei der Versuchstiere in einer vorgegebenen Körper-
haltung starr verharren (Martin 1985 und 1991; Compton et al. 1996). Als Angriffs-
punkt für Cannabinoide, zur Auslösung dieser extrapyramidal-motorischen Stö-
Einleitung                                                                     7

rung werden unter anderem Kerne der Basalganglien und deren Projektionsareale
verantwortlich gemacht, in denen, wie oben beschrieben eine hohe Dichte an CB1-
Rezeptor-Protein nachweisbar ist.

       Das Ziel der vorliegenden Studie war, mit Hilfe von elektrophysiologischen
Untersuchungen an Hirnschnitten die Effekte von Cannabinoiden in zwei Kernge-
bieten des extrapyramidal-motorischen Systems zu untersuchen.
       Als Arbeitshypothese gingen wir von einer vermutlich präsynaptischen Lo-
kalisation der CB1-Rezeptoren auf Axonterminalen in diesen Kernen aus. Wir ver -
muteten, dass Cannabinoide die GABAerge Neurotransmission von Medium Spiny
Neuronen des Corpus striatum und die GABAerge und glutamaterge neuronale
Übertragung von Neuronen der SNR durch Hemmung der Neurotransmitterfreiset-
zung beeinflussen können.
       Im Corpus striatum untersuchten wir außerdem den Effekt von Cannabinoi-
den auf spannungsabhängige Kalziumströme im Hirnschnitt.
Methoden                                                                           8

2. METHODEN
       Die Methodik entspricht bezüglich der Präparation der Hirnschnitte und der
Patch-Clamp-Technik weitgehend den Beschreibungen von Edwards und
Konnerth (1992) und Sontheimer (1995).

2.1 Präparation und Aufbewahrung von Hirnschnitten
       Es wurden junge Wistar Ratten (8 - 15 Tage alt) beiden Geschlechts be-
nutzt. In diesem Alter ist die Myelinisierung der Neurone noch nicht so weit fort-
geschritten, und es ist möglich, einzelne Neurone in den unterschiedlichen Hirn-
arealen optisch zu identifizieren (siehe 2.4).
       Nach Decapitierung der Ratte wurde die Kalotte vom Foramen magnum
ausgehend eröffnet, das Gehirn innerhalb von 40 bis 80 s herausgelöst und an-
schließend für 5 Minuten in artifizieller cerebrospinaler Flüssigkeit (ACSF, Zu-
sammensetzung siehe 2.2, ähnlich der des physiologischen Liquors) plaziert, wel-
che auf mindestens 0°C gekühlt und außerdem ständig mit Carbogen (95%O2 /
5%CO2) begast worden war. Die Aufbewahrung des Gehirns in eiskalter Lösung
sollte den Zellmetabolismus verringern, somit eine Anhäufung von toxischen Meta-
boliten verhindern und das Überleben der Neurone verbessern.
       Danach wurde ein Gewebeblock präpariert, der entweder das Corpus stria-
tum oder die Substantia nigra enthielt. Hierzu wurde das Gehirn unter weiterer
Kühlung (gekühlte Präparationsunterlage, wiederholtes Übergießen des Gehirns
mit kalter ACSF), mit der kaudalen Fläche nach oben zeigend, abgelegt, und je-
weils ein Block, wie in den Abbildungen 5 (Corpus striatum) und 6 (Substantia
nigra) verdeutlicht, präpariert.
       Für die Präparation des striatalen Blocks wurde durch zwei frontale Schnitte
eine etwa 3 mm starke Scheibe gewonnen, die mit der rostralen Schnittfläche auf
die Präparationsunterlage gekippt wurde. Durch weitere Schnitte entstand nun der
gewünschte Gewebeblock, der eine Hälfte des Corpus striatum enthielt.
       Ähnlich erfolgte die Präparation des nigralen Blocks: durch zwei Schnitte in
frontaler Ebene konnte man eine Scheibe von etwa 4 mm Dicke gewinnen. Diese
wurde auf die kaudale Schnittfläche gekippt und in der Medianlinie geteilt.
Methoden                                                                                                    9

                                                                                   5           6

                                       1

                                            3
                                       2
                                                              Corpus
                                                              striatum

                                             4

       Ventrale
     Ventrale     Ansicht
              Ansicht                                           Coronale
                                                               Coronale     Ansicht
                                                                        Ansicht

Abbildung 5. Schnittführung zur Herstellung von einem Gewebeblock, der das Corpus striatum ent-
hält. Linke Abbildung (ventrale Ansicht): durch Schnittführung in frontaler Ebene, rostral des Chiasma opticum
(Schnittlinie 1) und direkt durch das Chiasma opticum (Schnittlinie 2) Gewinnung einer Gewebescheibe. Rech-
te Abbildung (coronale Ansicht, Gehirn auf der rostralen Schnittfläche liegend): durch Schnitte entsprechend
den Schnittlinien 3 – 6 Abtrennen der Cortex-Anteile und der zweiten Hemisphäre.

        Der jeweilige Block wurde mit Cyanoacrylat-Kleber (Loctite 414®) auf einen
Schlitten geklebt, der in ein vibrierendes Schneidegerät (Vibratom 1000, Plano,
Marburg, Deutschland) geklemmt wurde. Anschließend wurden sechs (Corpus
striatum) bzw. vier (Substantia nigra) coronale Schnitte mit einer Dicke von
300 µm hergestellt. Während des Schneidevorganges war der Gewebeblock
ebenfalls von gekühlter ACSF bedeckt. Die Herstellung der Schnitte erfolgte bei
niedriger Vorschubgeschwindigkeit des Vibratomschlittens, mit der maximalen
Amplitude der Klingenbewegung (ca. 1.5 mm) und einer Frequenz von 50 Hz. Wir
verwendeten Rasierklingen der Firma Rotbart. Die Schnitte wurden in der gewon-
nenen Reihenfolge in einer Gibb-Kammer aufbewahrt; während der ersten 20 – 40
Minuten bei 35.5°C, später dann bei 20 – 24°C unter ständiger Begasung mit
Carbogen. Mit den elektrophysiologischen Versuchen wurde innerhalb der folgen-
den 6 Stunden begonnen.
Methoden                                                                                                 10

                                                                                3

                                              2
                                                               Substantia
                                                                 nigra

                                              1

            Ventrale Ansicht                                      Coronale Ansicht

Abbildung 6. Schnittführung zur Herstellung von einem Gewebeblock, der die Substantia nigra enthält.
Linke Abbildung (ventrale Ansicht): durch Schnittführung in frontaler Ebene, durch die Pons (Schnittlinie 1)
und kaudal des Chiasma opticum (Schnittlinie 2). Rechte Abbildung (coronale Ansicht, Gehirn auf der
kaudalen Schnittfläche liegend): einmaliger Schnitt in der Medianlinie (Schnittlinie 3).

2.2 Lösungen
        Die Zusammensetzung der intra- und extrazellulären Lösungen, die in den
verschiedenen Protokollen verwendet wurden, ist in den Tabellen 1 und 2 gezeigt.
In allen Lösungen war der pH-Wert auf 7.3 – 7.4 und die Osmolarität auf 310 –
320 mosmol/l eingestellt.
        Für die Herstellung und Aufbewahrung der Hirnschnitte benutzten wir
ACSF, deren Zusammensetzung ähnlich der des physiologischen Liquors ist (Ta-
belle 2). Diese Lösung wurde in den meisten Experimenten auch als Superfu-
sionspuffer eingesetzt, d. h. als Kontrolllösung SOL oder als Trägerlösung für die
verschiedenen Substanzen, die während der Aufzeichnung von z.B. postsynapti-
schen Strömen benutzt wurden.

2.2.1 Lösungen für die Versuche im Corpus striatum
        Der Tabelle 1 ist die Zusammensetzung der intrazellulären Lösung für die
Aufzeichnung der inhibitorischen postsynaptischen Ströme (IPSCs) und der mus-
Methoden                                                                            11

cimolinduzierten Ströme zu entnehmen. Ein Teil der intrazellulären Chloridionen
wurde durch Fluoridionen ersetzt, um die Registrierung stabiler zu machen
(Regehr et al. 1992).
        Die Zusammensetzung der intrazellulären Lösung für die Aufzeichnung von
Kalziumströmen ist ebenfalls in Tabelle 1 zu finden. Kreatinphosphat und Kreatin-
phosphokinase dienen hier der Konstanthaltung der intrazellulären ATP-Konzen-
tration.
        Cäsium und Tetraethylammonium wurden hinzugegeben, um Kaliumkanäle
zu hemmen. HEPES diente als pH-Puffer, EGTA – ein Kalzium-entziehender Che-
lator – sollte ein Healing der Zellmembran im Bereich der Pipettenspitze durch
Puffern von intrazellulären Kalziumionen verhindern (Sontheimer 1995).

                            Intrazellulärer Puffer (INT)   Intrazellulärer Puffer
                            Messung von IPSCs, EPSCs       (INT)
                            muscimol- und glutamat-        Messung von
                            induzierten Strömen            Kalziumströmen
                            (mM)                           (mM)
CsCl                                         107                      75
CsF                                           35
MgCl2                                         1                        4
Glukose                                        -                      10
HEPES                                         10                      40
EGTA                                          10                      10
TEA-Cl                                         -                      10
ATP-Na2                                       4                        -
ATP-Mg                                         -                       5
GTP-Tris                                       -                      0.3
Kreatinphosphat-Na2                            -                      14
Kreatinphosphokinase                           -                   50 U/ml

pH (titriert mit)                        7.4 (CsOH)               7.4 (CsOH)

Tabelle 1. Zusammensetzung der intrazellulären Lösungen
Methoden                                                                          12

        Als Superfusionspuffer (Tabelle 2) während der Versuche, wurden der oben
genannten ACSF der NMDA-Glutamatrezeptor-Antagonist AP-5 (25 µM) und der
non-NMDA-Glutamatrezeptor-Antagonist CNQX (10 µM) zur Hemmung glutama-
terger Ströme zugesetzt.
        Für die Versuche zur Bestimmung der Kalziumströme wählten wir eine an-
dere Zusammensetzung des Superfusionspuffers (Tabelle 2). Tetrodotoxin wurde
in dieser Versuchsanordnung zur Hemmung von spannungsabhängigen Natrium-
kanälen zugegeben.

2.2.2 Lösungen für die Versuche in der Substantia nigra
        Für die Aufzeichnung der inhibitorischen und exzitatorischen postsynapti-
schen Ströme (IPSCs und EPSCs) und der glutamatinduzierten Ströme wählten
wir für die intrazelluläre Lösung dieselbe Zusammensetzung wie für die striatalen
Versuche (Tabelle 1).

                          Artifizielle cerebrospinale Superfusionspuffer zur
                          Flüssigkeit / Superfu-      Messung der Kalziumströme
                          sionspuffer                 (mM)
                          (mM)
NaCl                                   126                         144
NaH2PO4                                 1                          -
KCl                                     3                         3
MgCl2                                   1                         1
CaCl2                                  2.5                        5
NaHCO3                                26.2                         -
Glukose                                10                         10
HEPES                                   -                         10
Tetrodotoxin                            -                       0.0002
pH (titriert mit)                  7.3 – 7.4                 7.4 (NaOH)

Tabelle 2. Zusammensetzung der extrazellulären Lösungen
Methoden                                                                             13

         Für die Ableitung der minimal-effektiv stimulierten EPSCs setzten wir der
intrazellulären Lösung N-ethyl-lidocain-Bromid (QX-314) in der Konzentration von
2 mM zu. Mit Hilfe dieser Substanz konnten spannungsabhängige Natriumkanäle
inaktiviert werden.
         In Experimenten, in denen GABAerge Ströme (IPSCs) registriert wurden,
enthielt der Superfusionspuffer den NMDA-Glutamatrezeptor-Antagonisten AP-5
(25 µM) und den non-NMDA-Glutamatrezeptor-Antagonisten CNQX (10 µM) zur
Hemmung spontaner und evozierter glutamaterger Ströme.
         In Experimenten, in denen glutamaterge Ströme (EPSCs) registriert wur-
den, enthielt der Superfusionspuffer den GABAA-Rezeptor-Antagonisten Bicucullin
(10 µM) zur Hemmung spontaner und evozierter GABAerger Ströme.

2.3 Substanzen
         Die verschiedenen Substanzen wurden von folgenden Quellen bezogen.
Alamone (Jerusalem, Israel): N-ethyl-Lidocain-Bromid (QX-314); Calbiochem (Bad
Soden, Deutschland): Tetrodotoxin (TTX); Fluka (Buchs, Schweiz): 5-Aminomethyl
-3-hydroxy-isoxazol (Muscimol), Merck (Darmstadt, Deutschland): Tetraethylam-
monium-Cl      (TEA);     Pfizer   (Groton,   CT,   USA):   (-)-cis-3-[2-hydroxy-4-(1,1-
dimethylheptyl)phyenyl]-trans-4-(3-hydroxypropyl)cyclohexanol         (CP55940);    RBI
(Köln,    Deutschland):     R-(+)-[2,3-dihydro-5-methyl-3-[4morpholinylmethyl]pyrrolo
[1,2,3-de]-1,4-benzoxazin-6-yl]-(1-naphthalenyl)methanon mesylat (WIN55212-2);
Sanofi Research (Montpellier, Frankreich): N-piperidino-5-(4-chlorophenyl)-1-(2,4-
dichlorophenyl)-4-methyl-3-pyrazolcarboxamid-HCl (SR141716A); Sigma (Deisen-
hofen, Deutschland): Tetrodotoxin (TTX), ATP-Mg, ATP-Na2, Bicucullin, Rinderse-
rumalbumin (BSA), Carbachol-HCl, Kreatinphosphat-Na2, Kreatinphosphokinase,
GTP-Tris, 4-(2-hydroxyethyl)-1-piperazin-ethan-Sulfonsäure (HEPES), Ethylengly-
kol-bis(β-Aminoethylether)-N,N,N´,N´-tetraessigsäure        (EGTA),    Dimethylsulfoxid
(DMSO), Sigmacote, L-Glutamat; Tocris Cookson (Bristol, England): 6-cyano-7-
nitroquinoxalin-2,3-dion (CNQX), DL-2-Amino-5-phosphonopentanosäure (AP-5),
(6aR)-trans-3-(1,1-Dimethylheptyl)-6a,7,10,10a-tetrahydro-1-hydroxy-6,6,-dime-
thyl-6H-dibenzo[b,d]pyran-9-methanol (HU210), N-ethyl-lidocain Bromid (QX-314).
Methoden                                                                      14

Alle übrigen Substanzen bezogen wir von Roth Chemikalien (Karlsruhe, Deutsch-
land).
         Die lipophilen synthetischen Cannabinoidrezeptor-Agonisten WIN55212-2,
CP55940 und HU210 und der CB1-Rezeptor-Antagonist SR141716A wurden in
100% Dimethylsulfoxid (DMSO) gelöst und in Vorratsportionen bei – 20°C aufbe-
wahrt. Die Verdünnung erfolgte am Tag der geplanten Versuche mit Superfusions-
puffer (SOL), dem Rinderserumalbumin (BSA) in einer Konzentration von 1 g/l zu-
gesetzt wurde. Gewünschter Effekt des BSA war, die Adsorption der Substanzen
an Gefäße und Schläuche zu verhindern (Kuster et al. 1993; Mackie und Hille
1992). Entsprechend der Konzentration von DMSO von 0.1% und 1 g/l BSA in den
Cannabinoid-haltigen Lösungen, setzten wir den Kontrolllösungen DMSO und
BSA (in den Abbildungen nicht explizit erwähnt) zu.
         CNQX und Bicucullin wurden ebenfalls in 100% DMSO gelöst; Carbachol,
AP-5, Glutamat, Muscimol und Tetrodotoxin in destilliertem Wasser. Auch hier
wurden Vorratslösungen bei – 20°C aufbewahrt, die weiteren Verdünnungen
wurden mit Superfusionspuffer durchgeführt.

2.4 Versuchsanordnung und optisches Setup
         Für die Patch-Clamp-Versuche wurden die Schnitte in einer Superfusions-
kammer mit Hilfe eines Platin-Nylon-Gitters (aus Platindraht und Fäden einer Ny-
lon-Strumpfhose selbst hergestellt) am Boden der Kammer gehalten. Die Schnitte
wurden bei 20 – 24°C superfundiert. Mit einer Pumpe (Ismatec IPC-4; Ismatec La-
boratoriumstechnik, Wertheim-Mondfeld, Deutschland) wurde die Superfusionsge-
schwindigkeit auf 1.3 ml/min eingestellt. Die Superfusion erfolgte über Schläuche
aus Teflon oder Tygon (Novodirect, Kehl, Deutschland). Die Superfusionskammer
enthielt neben einem Zulauf und einem Absaugstutzen eine Halterung für die Bad-
elektrode aus Silberchlorid (Clark Electromedical Instruments, Pangbourne, Eng-
land). Die Absaugung erfolgte über eine Wasserstrahlpumpe.
         Mit Hilfe eines Zeiss Axioskop FS Mikroskops (Zeiss, Göttingen, Deutsch-
land) – ausgestattet mit einem 5-fach-Objektiv und einer Wasser-Immersions-Lin-
se (40 x 0.75W Ph 2) – wurde die gewünschte Hirnregion aufgesucht. Im Corpus
striatum oder in der Substantia nigra pars reticulata wählten wir ein passendes
Methoden                                                                          15

Neuron für das „Patchen“ aus. Hierzu wurde der Schnitt in der Superfusionskam-
mer von unten mit Infrarotlicht (λmax = 780 nm) durchleuchtet. Mit der zweiten Op-
tik des Mikroskops, einer Differential-Interferenz-Kontrast (DIC)-Optik, welche mit
einer infrarotlichtsensitiven Videokamera (Newvicon C 2400-07-C; Hamamatsu,
Herrsching, Deutschland) verbunden war, wurde der Schnitt auf einem ange-
schlossenen Videomonitor (W-5410 Panasonic, Tokio, Japan) betrachtet und ein-
zelne Neurone identifiziert.
      Die Versuchsanordnung (Superfusionskammer, Mikroskop, Elektrodenhal-
terungen) war auf einem schwingungsgedämpftem Tisch untergebracht, der wäh-
rend der Versuche Erschütterungen von außen abfing. Außerdem waren durch
das Setup in einem Faradayschen Käfig, in dem sich an elektrischen Geräten nur
der Mikromanipulator und die Lampe des Mikroskops befanden, die Messungen
gegen elektrische Störeinflüsse geschützt.

2.5 Patch-Clamp-Technik
      Für das Patchen der ausgewählten Neurone verwendeten wir Glaspipetten,
die wir aus Borosilikatglas-Rohlingen (äußerer Durchmesser 2 mm, Glasstärke 0.3
mm; Hilgenberg, Malsfeld, Deutschland) mit Hilfe eines Vertikalpullers (L/M-3P-A,
List-electronic, Darmstadt, Deutschland) in zwei Schritten herstellten.
      Jede Patchpipette wurde auf zweierlei Arten mit der ständig gekühlten in-
trazellulären Lösung gefüllt: Die Füllung der Spitze erfolgte unter Ausnutzung des
Kapillarsogs durch Eintauchen in die Lösung; die Füllung der Restpipette durch
Injektion von gefilterter intrazellulärer Flüssigkeit (Filter 0.2 µm). Der Widerstand
der Patchpipetten betrug 3 – 5 MΩ (bei Experimenten mit Medium Spiny
Neuronen des Corpus striatum) bzw. 2 – 5 MΩ (bei Experimenten mit Neuronen
der SNR).
      Zur Isolierung der Patchpipettenspitze beschichteten wir diese mit
Bienenwachs; um die Oberflächeneigenschaften zu verbessern, wurde die Pipette
anschließend mit Sigmacote, einer Silikonlösung, benetzt.
      Die so fertiggestellte Patchpipette wurde nun auf eine Silberchlorid-Mess-
elektrode gesteckt, die bereits in den motorangetriebenen Mikromanipulator
(Combi25, Luigs & Neumann, Ratingen, Deutschland) eingespannt war. Diese Sil-
Methoden                                                                          16

berchloridelektroden stellten wir monatlich aus 0.25 mm starkem Silberdraht her,
der hierzu anfangs für etwa 30 Minuten in 0.9 %ige NaCl-Lösung getaucht wurde.
Um den Draht schließlich zu chlorieren, wurde ein Strom von ca. 1 mA zwischen
diesem und einer weiteren Silberelektrode (sich auch im Kochsalzbad befindend)
angelegt. Die erfolgreiche Chlorierung war an einer rehbraunfarbenen Beschich-
tung des Drahtes erkennbar.
      Durch Anlegen eines positiven Drucks an die Patchpipette konnten wir ver-
hindern, dass die Pipettenspitze durch Verunreinigungen der Badlösung oder
Gewebereste des Hirnschnittes verstopfte.
      Die Annäherung an das gewählte Neuron erfolgte mit dem Mikromanipula-
tor unter ständiger optischer Kontrolle: so ließ sich die Berührung der Zelle mit der
Patchpipette durch eine deutliche Eindellung der Zelloberfläche erkennen. Zu die-
sem Zeitpunkt wurde der positive Druck zurückgenommen und durch negativen
Druck, d.h. Sog, der gewünschte „Gigaseal“ von 2 – 10 GΩ hergestellt. Unter die-
sem sogenannten Gigaseal versteht man den Widerstand, der zwischen dem In-
neren der Patchpipette (verschlossen durch die angesaugte Zellmembran) und der
Badlösung besteht. Anschließend wurde die „Whole-cell“-Konfiguration durch loka-
les Einreißen der Zellmembran durch einen kurz andauernden Sog an der Patch-
pipette hergestellt. Änderungen von Strömen verschiedener Ionen über die Zell-
membran waren nun messbar.

2.6 Versuchsprotokolle
      Die Experimente wurden randomisiert durchgeführt. So wurde die Reihen-
folge der Applikation von Substanz oder Kontrolllösung an jedem Tag zufällig aus-
gewählt. In Versuchen mit Substanzen, bei denen kein „washout“-Effekt erkennbar
war (z.B. bedingt durch die zuvor erwähnte hohe Lipophilie von Cannabinoidre-
zeptor-Liganden und Haften am Gewebe), wurden für jeden weiteren Versuch
neue Schnitte verwendet; in Experimenten mit SOL oder reversiblen Substanzwir-
kungen wurde meist in demselben Schnitt ein weiteres Neuron gepatcht.
      Mit der Aufzeichnung der gemessenen Ströme wurde erst 5 – 8 Minuten
nach Erreichen der Whole-cell-Konfiguration begonnen. So konnten instabile Neu-
rone meist schon herausgefiltert werden, allerdings bedeutete dies auch, dass
Methoden                                                                         17

sich die Neurone mindestens 30 – 40 Minuten in Whole-cell-Konfiguration befan-
den.
       Zur Generierung der Reizpulse (nähere Beschreibung siehe 2.6.1, 2.6.4 –
2.6.5) wurden zweierlei Reizgeräte eingesetzt. Zum einen verwendeten wir den
isolierten Stimulator ST – 02/ISO-100 (Experimetria, Budapest, Ungarn), zum an-
deren den Stimulator DS2 (Digitimer Ltd., Herts, England). Da sich die Reizant-
worten je nach Gerät nicht unterschieden, wurden die Ergebnisse zusammenge-
fasst; in den einzelnen Versuchsprotokollen ist nicht erwähnt, welcher Stimulator
zum Einsatz kam. Die Steuerung der Reizimpulse und die anschließende Daten-
aufzeichnung der Patch-Clamp-Versuche erfolgte mittels eines EPC-9-Verstärkers
(List-electronic, Darmstadt, Deutschland), der mit einem Personalcomputer ver-
bunden war.

2.6.1 Versuchsprotokoll zur Messung der striatalen IPSCs
       Initial führten wir eine Serie von Experimenten durch, mit denen wir eine
Strom-Spannungskurve erhielten (Abbildung 8): wir variierten das Haltepotential
der gepatchten Neurone in 10 mV-Schritten von – 70 mV bis + 40 mV und appli-
zierten pro Potentialschritt, der jeweils 6 s gehalten wurde, je zweimal einen Reiz-
puls (Reizung im Folgenden beschrieben), um postsynaptische Ströme zu evozie-
ren.
       Gereizt wurde die Umgebung, d.h. präsynaptische Afferenzen des gepatch-
ten Neurons. Hierzu setzten wir einzelne Rechteckspulse von 0.1 ms Länge und
2 – 16 V Spannungsstärke ein, die alle 15 s generiert wurden. Als Reizelektrode
ver-wendeten wir eine konzentrische bipolare Elektrode (aus rostfreiem Stahl), die
in etwa 100 – 200 µm Entfernung vom gepatchten Neuron 20 – 40 µm tief in den
Hirnschnitt gesenkt wurde.
       Die Experimente zur Untersuchung der Effekte des Natriumkanalblockers
Tetrodotoxin (Abbildung 9) und der verschiedenen Cannabinoidrezeptor-Liganden
(Abbildungen 10 und 11) auf die IPSCs wurden 20 Minuten lang aufgezeichnet.
Hierbei wurden die gepatchten Zellen auf ein Haltepotential von – 40 mV ge-
klemmt (zur Inaktivierung von spannungsabhängigen Natriumkanälen).
Methoden                                                                        18

      Nach einer Vorlaufzeit von 5 Minuten (PRE) mit der Kontrolllösung (SOL
oder SOL mit Zusatz von SR141716A 10-6 M), wurden die verschiedenen Sub-
stanzen oder SOL appliziert. Tetrodotoxin (2 x 10-7 M) wurde für 10 Minuten, die
Cannabinoidrezeptor-Liganden WIN55212-2 (10-5, 10-6, 10-7, 10-8 M) und
SR141716A (10-6 M) wurden während der Minute 5 bis 20 superfundiert.

2.6.2 Versuchsprotokoll zur Messung der striatalen muscimolinduzierten Ströme
      Für die Experimente dieser Versuchsreihe wurden die gepatchten Neurone
auf ein Haltepotential von – 40 mV geklemmt. Die Versuche dauerten 35 Minuten,
wobei die ersten (Minute 0 – 5) und die letzten 5 Minuten (Minute 30 – 35) des
Versuchs aufgezeichnet wurden (Abbildung 12). Die Schnitte wurden während der
ersten 15 Minuten mit Kontrolllösung superfundiert, nach der 15. Minute wurde
entweder weiterhin SOL oder WIN55212-2 (10-6 M) superfundiert.
      Zudem wurde zusätzlich der postsynaptisch wirkende GABAA-Rezeptor-
Agonist Muscimol in der Konzentration von 10-6 M ab der 1. bzw. 31. Minute
superfundiert. Die Länge der Muscimol-Superfusion (60 – 110 s) wählten wir so,
um den größtmöglichen GABAergen Strom zu erhalten.

2.6.3 Versuchsprotokoll zur Messung der striatalen Kalziumströme
      Die Aufzeichnung der Kalziumströme dauerte insgesamt 20 Minuten (Abbil-
dung 13). Nach einer Vorlaufzeit von 5 Minuten (PRE) mit der Kontrolllösung,
wurde der Cannabinoidrezeptor-Agonist WIN55212-2 (10-6 M) oder ebenfalls SOL
appliziert. In dieser Versuchsreihe wurde der Superfusionslösung Tetrodotoxin
(2 x 10-7 M) als Natriumkanalblocker zugesetzt. Die Zellen wurden auf ein
Haltepotential von – 80 mV geklemmt. Um spannungsabhängige Kalziumkanäle
zu aktivieren, wurden die Zellen über die Patchpipette mit Hilfe von „Rampen“ von
– 80 mV auf + 60 mV innerhalb von 280 ms (alle 30 s appliziert) depolarisiert. Um
mögliche Leckströme von den tatsächlichen Kalziumströmen zu unterscheiden,
wurden hyperpolarisierende Rampen von – 80 mV bis – 108 mV 5 s nach den
depolarisierenden Rampen appliziert.
Methoden                                                                          19

2.6.4 Versuchsprotokoll zur Messung der IPSCs in der SNR
      Das Versuchsprotokoll zur Messung der nigralen IPSCs entspricht bezüg-
lich der Stimulierung weitgehend dem Vorgehen zur Bestimmung der striatalen
IPSCs (rechteckige Reizpulse alle 15 s von 0.1 ms Dauer, 1 – 11 V Amplitude).
Als Reizelektrode verwendeten wir entweder die oben beschriebene konzentrische
bipolare Elektrode oder eine parallele bipolare Platinelektrode, die so auf der Hirn-
schnittoberfläche plaziert wurde, dass sich das gepatchte Neuron zwischen den
beiden gabelförmigen Elektrodenarmen befand. Die Ergebnisse der Versuche mit
den beiden unterschiedlichen Elektroden waren ähnlich und wurden deshalb
zusammengefasst.
      Die Experimente zur Untersuchung der Effekte des Muskarinrezeptor-Ago-
nisten Carbachol (Abbildung 15), des GABAA-Rezeptor-Agonisten Bicucullin (Ab-
bildung 16) und des Cannabinoidrezeptor-Agonisten WIN55212-2 (Abbildung 17)
auf die IPSCs wurden 20 Minuten lang aufgezeichnet. Hierbei wurden die ge-
patchten Zellen auf ein Haltepotential von – 40 mV geklemmt.
      Nach einer Vorlaufzeit von 5 Minuten (PRE) mit der Kontrolllösung, wurden
die verschiedenen Substanzen oder SOL appliziert. Carbachol (10-5 M) und Bicu-
cullin (10-5 M) wurden für 10 Minuten, der Cannabinoidrezeptor-Agonist
WIN55212-2 (10-6 M) wurde während der Minute 5 bis 20 superfundiert.

2.6.5 Versuchsprotokoll zur Messung der EPSCs in der SNR
      Die Stimulation des Hirnschnittes erfolgte über eine parallele bipolare Elek-
trode mit 0.1 ms dauernden Rechteckspulsen von 3 – 19 V Amplitude, alle 15 s.
      Die Experimente zur Untersuchung der Effekte des NMDA-Glutamat-
rezeptor-Antagonisten AP-5 und des non-NMDA-Glutamatrezeptor-Antagonisten
CNQX (Abbildung 18, nicht bis zum Versuchsende abgebildet) auf die EPSCs
wurden 30 Minuten lang, die zur Untersuchung der Effekte von Cannabinoid-
rezeptor-Liganden (Abbildungen 19 und 20) 20 Minuten lang aufgezeichnet. Hier-
bei wurden die gepatchten Zellen auf ein Haltepotential von – 40 mV geklemmt.
      Nach einer Vorlaufzeit von 5 Minuten (PRE) mit der Kontrolllösung, wurden
anschließend die verschiedenen Substanzen oder SOL superfundiert. AP-5
(5 x 10-5 M) und CNQX (10-5 M) wurden für 5 Minuten, die Cannabinoidrezeptor-
Methoden                                                                       20

Agonisten HU210 10-6 M und WIN55212-2 (10-5, 10-6, 10-7, 10-8 M) wurden wäh-
rend der Minute 5 bis 20 superfundiert.

2.6.6 Versuchsprotokoll zur Messung der minimal-effektiv stimulierten EPSCs in
der SNR
      Für die nächste Experimentenserie wurde ein Haltepotential von – 70 mV
an die gepatchten Neurone angelegt; spannungsabhängige Natriumkanäle wurden
durch Zusatz des Natriumkanalblockers QX-314 (2 x 10-3 M) in der intrazellulären
Lösung inaktiviert. Die Art der Reizung unterschied sich zu den obenbeschriebe-
nen Versuchen: sie erfolgte mit Hilfe einer Glaspipette, welche mit SOL gefüllt
wurde. Diese Pipette wurde in einer Entfernung von ca. 20 – 40 µm vom abgeleite-
ten Neuron in den Hirnschnitt plaziert, und so nur die direkte Umgebung des ge-
patchten Neurons gereizt. Die Experimente wurden 20 Minuten aufgezeichnet.
        Die Reizung erfolgte mit rechteckigen Reizpulsen von 20 – 50 µs Dauer
und einer Amplitude von max. 100 V. Diese hohe Reizstärke war nötig, um Reiz-
antworten von mindestens 10 pA zu erhalten.
        Nach einer Vorlaufzeit von 5 Minuten (PRE) mit der Kontrolllösung (SOL
oder SR141716A), wurden die Cannabinoidrezeptor-Liganden oder SOL appliziert
(Abbildung 21). Die Cannabinoidrezeptor-Liganden WIN55212-2 (10-6 M),
CP55940 (10-6 M) und SR141716A (10-6 M) wurden während der Minute 5 bis 20
superfundiert.

2.6.7 Versuchsprotokoll zur Messung der glutamatinduzierten Ströme in der SNR
      Für die Experimente dieser Versuchsreihe wurden die gepatchten Neurone
auf ein Haltepotential von – 40 mV geklemmt. Die Versuche dauerten 35 Minuten,
wobei die ersten (Minute 0 – 5) und die letzten 5 Minuten (Minute 30 – 35) des
Versuchs aufgezeichnet wurden (Abbildung 22). Die Schnitte wurden während der
ersten 15 Minuten mit Kontrolllösung superfundiert, ab der 15. Minute wurde wei-
terhin SOL oder WIN55212-2 (10-6 M) superfundiert.
      Zudem wurde zusätzlich Glutamat, als postsynaptisch wirkender exzitatori-
scher Agonist in der Konzentration von 3 x 10-4 M ab der 1. bzw. 31. Minute super-
Methoden                                                                        21

fundiert. Die Länge der Glutamat-Superfusion (60 – 210 s) wählten wir so, um den
größtmöglichen glutamatergen Strom zu erreichen.

2.7 Datenaufzeichnung, Auswertung und statistische Aufberei-
tung
       Mit Hilfe eines Personalcomputers wurden alle gewonnenen Daten aufge-
zeichnet und mit der TIDA für Windows-Software 3.1 (HEKA Elektronik, Lam-
brecht, Deutschland) ausgewertet.
       Wir führten eine Kompensation des Serienwiderstandes von 50 – 60 %
durch. Die Membranpotentialwerte wurden nicht mit dem „liquid junction potential„
korrigiert. Die Membranströme wurden mit 1 kHz oder 2.9 kHz (Corpus striatum
oder Substantia nigra) gefiltert und mit einer Aufnahme-Frequenz von 5 kHz auf-
gezeichnet.
       Diese Zeit-Strom-Kurven wurden als ASCII-Datei in das Statistikprogramm
SPSS für Windows 6.12 (SPSS, Chicago, USA) übertragen und in Tabellenform
gebracht. Die Auswertung erfolgte in drei Schritten: erstens wurden die Werte be-
stimmter Zeitabschnitte der einzelnen Versuche gemittelt (z.B. alle 2.5 Minuten;
Details siehe folgende Abschnitte). Zweitens wurden aus den ersten beiden dieser
gemittelten Werten der Referenzwert (PRE) vor Substanzgabe gemittelt. Drittens
wurden alle übrigen Werte als Prozentwert von PRE berechnet, des weiteren der
Standardfehler dieses Wertes (S.E.M). Mit Hilfe des nicht-parametrischen zweisei-
tigen Mann-Whitney-Tests bzw. des Wilcoxon-Tests bestimmten wir, ob Unter-
schiede statistisch signifikant waren. Bei multiplen Vergleichen mit derselben Kon-
trollgruppe wurde die Bonferroni-Korrektur angewendet. P < 0.05 wurde als Signi-
fikanzgrenze gewählt. In den Abbildungen sind signifikante Änderungen mit „ * “
gekennzeichnet, auch dann, wenn das Signifikanzniveau < 0.01 oder < 0.001 war.
       Die Grafiken, in denen Mittelwerte und Standardfehler des Mittelwertes dar-
gestellt sind, wurden mit Hilfe des Grafikprogramms SIGMA-Plot für Windows 2.01
(SPSS, Chicago, USA) erstellt. Originalkurven wurden direkt aus den ASCII-Da-
teien in SIGMA-Plot eingefügt.
       Bereits vor der statistischen Auswertung der einzelnen Versuchsdaten, wur-
den einige Experimente ausgeschlossen. Als Ausschlusskriterium betrachteten wir
Methoden                                                                         22

eine mehr als 30%-ige Zunahme des Serienwiderstandes (Rs), was z.B. auf einen
Wiederverschluss    der   Zellmembran     und   somit   Verlust   der   Whole-cell-
Konfiguration, zurückzuführen war. Ein weiterer Grund für den Ausschluss von
einzelnen Experimenten war eine Abnahme von Rs um mehr als 50% des
Ausgangswertes.

2.7.1 Statistische Bearbeitung der Aufzeichnung der IPSCs und EPSCs
       Zur Erstellung einer Strom-Spannungs-Kurve wurden je Haltepotential-
schritt (Dauer 6 s) zwei IPSCs generiert, die anschließend gemittelt wurden und
mit den entsprechenden Haltepotentialen in Verhältnis gesetzt wurden.
       Die statistische Bearbeitung der substanzabhängigen IPSCs im Corpus
striatum und in der Substantia nigra pars reticulata und der EPSCs (herkömmliche
und minimal-effektive Stimulierung) in der Substantia nigra erfolgte auf die gleiche
Weise: es wurden die Ströme, die alle 15 s erzeugt worden waren, aus 2.5 Minu-
ten (d.h. zehn postsynaptische Ströme) gemittelt. Aus den ersten beiden Mittel-
werten vor Substanzgabe erhielten wir einen gemittelten Referenzwert (PRE); das
Verhältnis aller weiteren Messwerte zu PRE wurde nun dazu prozentual
dargestellt.

2.7.2 Statistische Bearbeitung der Aufzeichnung der Kalziumströme
       Bei der Messung der Kalziumströme enthielt das Originalregistrat nicht nur
den eigentlichen Kalziumstrom, sondern auch den sogenannten Leckstrom (ein
Strom, der nicht über den spannungsabhängigen Kalziumkanal fließt). Durch fol-
gendes Verfahren eliminierten wir den Leckstrom aus dem Originalregistrat. Wir
applizierten 5 s nach der 140 mV-Depolarisierung (der Trigger für die Kalziumka-
nalaktivierung) eine 28 mV-Hyperpolarisierung (ein Fünftel der Amplitude). Den
isolierten, leckstromfreien Kalziumstrom erhielten wir, in dem wir zu dem Original-
registrat das Fünffache des Stroms addierten, der während der Hyperpolarisierung
gemessen wurde.
       Es wurden die Ströme, die alle 30 s erzeugt worden waren, aus 2.5 Minuten
(d.h. 5 gemessene Kalziumströme) gemittelt. Aus den ersten beiden Mittelwerten
Methoden                                                                         23

vor Substanzgabe erhielten wir einen gemittelten Referenzwert (PRE); das Ver-
hältnis aller weiteren Messwerte zu PRE wurde nun dazu prozentual dargestellt.

2.7.3    Statistische   Bearbeitung   der   Aufzeichnung   der   muscimol-   und
glutamatinduzierten Ströme
        Wir mittelten die jeweils maximalen, gemessenen, muscimol- und glutamat-
induzierten Ströme aller Experimente während des anfänglichen Versuchsab-
schnitts (Minute 0 – 5, PRE). Die Strommaxima der zweiten Aufzeichnungsperiode
(Minute 30 – 35) wurden ebenfalls absolut bestimmt, gemittelt und prozentual im
Verhältnis zu PRE dargestellt.
Ergebnisse                                                                                             24

3. ERGEBNISSE
3.1 Messungen im Corpus striatum
        Das Corpus striatum wurde in coronalen Schnitten rostral des Chiasma op-
ticum identifiziert. Schon mit Hilfe der niedrigen mikroskopischen Vergrößerung
ließ sich das Corpus striatum als „fleckiges“, ovales Areal erkennen (siehe Abbil-
dung 7, oben).
        Die Neurone, die uns in dieser Region interessierten, waren die Medium
Spiny Neurone, die in dieser Hirnregion etwa 95 % der Zellpopulation ausmachen.
Diese Neurone haben typischerweise spindelförmigen Zellkörper mit einem länge-
ren Durchmesser von etwa 12 – 16 µm (Abbildung 7, unten).

                                     Corpus
                                     striatum

                                                                   10µm

Abbildung 7. Identifizierung des Corpus striatum und der Medium Spiny Neurone. Die obere Abbildung
ist eine Fotografie eines coronalen Hirnschnitts (Paxinos und Watson 1982). Das Corpus striatum ist gegen-
über Cortex und anderen umgebenden Hirnarealen durch seine fleckige Struktur gut abgrenzbar. Die untere
Abbildung zeigt typische striatale Medium Spiny Neurone.
Ergebnisse                                                                                                25

3.1.1 Vorversuche zur Charakterisierung der striatalen IPSCs
        Die gemessenen IPSCs waren die Antwort auf 0.1 ms dauernde elektrische
Reizpulse von 2 – 16 V Spannungsstärke, alle 15 s appliziert. Mit Hilfe einer
Strom-Spannungskurve (Abbildung 8) konnten diese näher charakterisiert werden:
es zeigte sich ein linearer Verlauf zwischen der Amplitude der Ströme und den
Haltepotentialen, mit einem Umkehrpotential bei – 10.5 mV (nach Korrektur mit
dem liquid junction potential). Es lag nahe dem errechneten Umkehrpotential (ent-
sprechend der ionischen Zusammensetzung der von uns verwendeten Lösungen)
für Chloridionen von – 5.6 mV.

                                                             IPSC (pA)
                                                              300

                                                              200
                                                    100 pA

                                                              100
                                            25 ms

                     -80       -60       -40                             20       40
                                                             -100             Vh (mV)

                                                             -200

                                                             -300

Abbildung 8. Strom-Spannungskurve: Die Beziehung zwischen der Amplitude der inhibitorischen
postsynaptischen Ströme (IPSCs) und dem Haltepotential (Vh). Die Neurone wurden für 6 s auf den Halte-
potentialen von – 70 bis + 40 mV gehalten. Pro Potentialstufe wurden je 2 IPSCs evoziert und gemittelt. Ab-
gebildet sind die Ergebnisse (Mittelwert + Standardfehler) von 9 Experimenten. Verkleinert ist eine Original-
kurve eines Experimentes dargestellt.

        Als Haltepotential wurde eine Spannung von – 40 mV an die Neurone ange-
legt, um die spannungsabhängigen Natriumkanäle zu inaktivieren. Die IPSCs er-
reichten zu Versuchsbeginn eine Amplitude von 194 ± 9 pA (n=72; PRE). Die Am-
plitude der IPSCs blieb während der 20-minütigen Versuchsdauer in der Kontroll-
gruppe (SOL) konstant (Abbildungen 9, 10 und 11).
Ergebnisse                                                                                                26

        Die Superfusion der Schnitte mit dem Natriumkanalblocker Tetrodotoxin
(2 x 10-7 M) für 10 Minuten verringerte die IPSC-Amplitude stark (Abbildung 9). Die
maximale Antwort wurde am Ende der 10-minütigen Superfusion beobachtet: eine
Abnahme auf 19 ± 7 % von PRE. Fünf Minuten nach Beendigung der TTX-Super-
fusion zeigte sich ein leichter Rückgang dieses Effekts auf 38 ± 7% von PRE.

                                                         SOL / TTX 2 x 10-7 M
                                100
                                                   1
             IPSC (% von PRE)

                                                                                                 SOL

                                50        TTX 2 x 10-7 M (2)                                 3
                                                                                                 TTX
                                                                        *            2
                                      wash
                                                                                             *
                                                               100 pA

                                      (3)
                                                                                 *       *
                                 0
                                       PRE (1)       25 ms
                                                                                     *
                                      0                                     10                   20 min

Abbildung 9. Tetrodotoxin hemmt reversibel inhibitorische postsynaptische Ströme (IPSCs) im Corpus
striatum. IPSCs wurden alle 15 s durch 0.1 ms dauernde elektrische Reize evoziert (2 – 16 V Reizstärke).
Tetrodotoxin (2 x 10-7 M, TTX) wurde von Minute 5 bis 15 superfundiert, während die Kontrollgruppe weiter mit
SOL superfundiert wurde. Die Werte der ersten 5 Minuten wurden gemittelt (PRE). Die übrigen Werte wurden
alle 2.5 Minuten gemittelt und prozentual von PRE dargestellt. Abgebildet sind die Ergebnisse (Mittelwert +
Standardfehler) aus 9 (SOL) und 10 (TTX) Experimenten. Signifikanter Unterschied zur SOL-Gruppe: * P
< 0.05. Verkleinert ist eine Originalkurve eines TTX-Experimentes abgebildet; dargestellt sind die Ströme zu
den Zeitpunkten 1 (PRE), 2 (TTX) und 3 (washout).

3.1.2 Wirkung von Cannabinoiden auf striatale IPSCs
        Die Gabe des Cannabinoidrezeptor-Agonisten WIN55212-2 (10-6 M) führte
in einer ersten Versuchsreihe zu einer signifikanten Abnahme der Amplitude der
IPSCs (Abbildung 10). Um eine Hemmung dieser IPSCs zu beobachten, war eine
mindestens fünfminütige Substanzsuperfusion nötig. 15 Minuten nach Beginn der
Superfusion von WIN55212-2 (10-6 M) hatten die IPSCs auf 53 ± 6 % von PRE ab-
genommen.
Ergebnisse                                                                                             27

        Eine gleichzeitige Superfusion mit dem spezifischen CB1-Rezeptor-
Antagonisten SR141716A (10-6 M) hob den Effekt von WIN55212-2 auf (Abbildung
10).

                                                                  -6
                                               SOL / WIN 10 M /
                                                   -6         -6
                                              SR 10 M + WIN 10 M

                               100

                                                                               SOL
            IPSC (% von PRE)

                                                                               SR + WIN

                               50                                              WIN
                                                              *        *
                                                                           *

                                0

                                     0             10                          20 min

Abbildung 10. Der CB1-Rezeptor-Antagonist SR141716A hemmt die Wirkung von WIN55212-2 auf
inhibitorische postsynaptische Ströme (IPSCs) im Corpus striatum. IPSCs wurden alle 15 s durch 0.1 ms
dauernde elektrische Reize evoziert (2 – 16 V Reizstärke). WIN55212-2 (10-6 M) bzw. die Kombination aus
                -6                       -6
WIN55212-2 (10 M) und SR141716A (10 M) wurde ab Minute 5 superfundiert, während die Kontrollgruppe
weiter mit SOL superfundiert wurde. Die Werte der ersten 5 Minuten wurden gemittelt (PRE). Die übrigen
Werte wurden alle 2.5 Minuten gemittelt und prozentual von PRE dargestellt. Abgebildet sind die Ergebnisse
(Mittelwert + Standardfehler) aus 8 (SOL), 11 (WIN) und 11 (SR+WIN) Experimenten. Signifikanter
Unterschied zur SOL-Gruppe: * P < 0.05.

        In einer weiteren Versuchsreihe superfundierten wir WIN55212-2 in vier
Konzentrationen (10-5, 10-6, 10-7 und 10-8 M), um die Beziehung zwischen Kon-
zentration und Wirkung zu untersuchen (Abbildung 11). WIN55212-2 in der nie-
drigsten Konzentration (10-8 M) zeigte entsprechend der Kontrollgruppe keinen
Effekt auf die Amplitude der IPSCs, während wir bei der Applikation von
WIN55212-2 (10-7 M) bereits eine nicht signifikante Hemmung der post-
synaptischen Ströme auf 48 ± 8 % von PRE beobachteten. Die größte Hemmung
beobachteten wir bei der Superfusion von WIN55212-2 in der Konzentration von
10-6 M: eine signifikante Abnahme der IPSC-Amplitude auf 35 ± 5 % von PRE. Bei
Superfusion von WIN 10-5 M war die IPSC-Amplitude 46 ± 7 % von PRE.
Demnach war die maximale Hemmung bereits bei 10-6 M erreicht.
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