WIRKUNG VON CANNABINOIDEN AUF DIE NEUROTRANSMISSION IM CORPUS STRIATUM UND IN DER SUBSTANTIA NIGRA PARS RETICULATA
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Aus dem Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. WIRKUNG VON CANNABINOIDEN AUF DIE NEUROTRANSMISSION IM CORPUS STRIATUM UND IN DER SUBSTANTIA NIGRA PARS RETICULATA INAUGURAL - DISSERTATION zur Erlangung des Medizinischen Doktorgrades der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. Vorgelegt 2003 von Claudia Pfreundtner geboren in Lindau
Dekan: Professor Dr. med. J. Zentner 1. Gutachter: Professor Dr. med. B. Szabo 2. Gutachter: Professor Dr. med. D. Riemann Promotionsjahr: 2004
Ich möchte mich bei meinem „Doktorvater“ Professor Bela Szabo für die Überlassung des interessanten Themas bedanken. Durch seine geduldige Betreuung und Anleitung zur Gewinnung der Kenntnisse zur Durchführung der elektrophysiologischen Experimente, kam diese Arbeit zustande. Herrn Professor Klaus Starke und allen Mitarbeitern der Abteilung möchte ich danken, da ich mich in dieser Abteilung während des praktischen Teils der Doktorarbeit sehr gut aufgehoben und willkommen gefühlt habe. Besonderer Dank gilt meinen Eltern: sie begleiteten mich mit teilweise immenser Geduld durch mein gesamtes Studium, die ersten Berufsjahre und vor allem den letzten Abschnitt der Ausarbeitung dieser Arbeit. Zuletzt will ich meinem Mann Markus danken, der am Gelingen dieser Arbeit einen sehr großen Anteil hat. Durch seinen Zuspruch und seine moralische Unterstützung konnte manche „Frustphase“ überwunden werden.
Abkürzungen ABKÜRZUNGEN: ACSF Artifizielle cerebrospinale Flüssigkeit AP-5 DL-2-Amino-5-phosphonopentanosäure, NMDA-Glutamatrezeptor-Antagonist ATP Adenosin-5´-triphosphat BIC Bicucullin, GABAA-Rezeptor-Antagonist BSA Rinderserumalbumin (bovine serum albumin) CARB Carbachol-HCl, Muskarinrezeptor-Agonist CB Cannabinoid CNQX 6-cyano-7-nitroquinoxalin-2,3-dion, non-NMDA-Glutamatrezeptor-Antagonist CP55940 (-)-cis-3-[2-hydroxy-4-(1,1-dimethylheptyl)phyenyl]-trans-4-(3- hydroxypropyl)cyclohexanol, Cannabinoidrezeptor-Agonist DMSO Dimethylsulfoxid EPSC exzitatorischer postsynaptischer Strom GABA γ-Aminobuttersäure GLUT L-Glutamat GTP Guanosin-5´-triphosphat HU210 (6aR)-trans-3-(1,1-Dimethylheptyl)-6a,7,10,10a-tetrahydro-1- hydroxy-6,6-dimethyl-6H-dibenzo[b,d]pyran-9-methanol, Cannabinoidrezeptor-Agonist IPSC inhibitorischer postsynaptischer Strom MES minimal-effektive Stimulierung mRNA messenger Ribonukleinsäure MSN Medium Spiny Neuron MUSC 5-Aminomethyl-3-hydroxy-isoxazol, Muscimol, GABAA-Rezeptor-Agonist QX-314 N-ethyl-Lidocain-Bromid, Natriumkanalblocker NMDA N-Methyl-D-aspartat PRE Referenzwert der Parameter vor Substanzgabe S.E.M Standardfehler des Mittelwertes SNC Substantia nigra pars compacta SNR Substantia nigra pars reticulata SOL Solvent, Kontrolllösung, Superfusionspuffer
Abkürzungen SR141716A N-piperidino-5-(4-chlorophenyl)-1-(2,4-dichlorophenyl)-4-methyl-3- pyrazolecarboxamid-HCl, selektiver CB1-Rezeptor-Antagonist TTX Tetrodotoxin, Natriumkanalblocker ∆9-THC (-)-∆9-Tetrahydrocannabinol, natürlich vorkommender Cannabinoidrezeptor-Agonist Vh Haltepotential WIN55212-2 (R)-(+)-[2,3-Dihydro-5-methyl-3-(4-morpholinylmethyl)pyrrolo [1,2,3- de]-1,4-benzoxazin-6-yl]-1-(naphtalenyl)methanon mesylat, Cannabinoidrezeptor-Agonist
Inhaltsverzeichnis INHALTSVERZEICHNIS: Seite 1. EINLEITUNG 1 2. METHODEN 8 2.1 Präparation und Aufbewahrung von Hirnschnitten 8 2.2 Lösungen 10 2.2.1 Lösungen für die Versuche im Corpus striatum 10 2.2.2 Lösungen für die Versuche in der Substantia nigra 12 2.3 Substanzen 13 2.4 Versuchsanordnung und optisches Setup 14 2.5 Patch-Clamp-Technik 15 2.6 Versuchsprotokolle 16 2.6.1 Versuchsprotokoll zur Messung der striatalen IPSCs 17 2.6.2 Versuchsprotokoll zur Messung der striatalen muscimolinduzierten Ströme 18 2.6.3 Versuchsprotokoll zur Messung der striatalen Kalziumströme 18 2.6.4 Versuchsprotokoll zur Messung der IPSCs in der SNR 19 2.6.5 Versuchsprotokoll zur Messung der EPSCs in der SNR 19 2.6.6 Versuchsprotokoll zur Messung der minimal-effektiv stimulierten EPSCs in der SNR 20 2.6.7 Versuchsprotokoll zur Messung der glutamatinduzierten Ströme in der SNR 20 2.7 Datenaufzeichnung, Auswertung und statistische Aufbereitung 21 2.7.1 Statistische Bearbeitung der Aufzeichnung der IPSCs und EPSCs 22 2.7.2 Statistische Bearbeitung der Aufzeichnung der Kalziumströme 22 2.7.3 Statistische Bearbeitung der Aufzeichnung der muscimol- und glutamatinduzierten Ströme 23 3. ERGEBNISSE 24 3.1 Messungen im Corpus striatum 24 3.1.1 Vorversuche zur Charakterisierung der striatalen IPSCs 25 3.1.2 Wirkung von Cannabinoiden auf striatale IPSCs 26 3.1.3 Wirkung von Cannabinoiden auf striatale muscimolinduzierte Ströme 28 3.1.4 Wirkung von Cannabinoiden auf striatale Kalziumströme 29 3.2 Messungen in der Substantia nigra pars reticulata (SNR) 30 3.2.1 Vorversuche zur Charakterisierung der IPSCs in der SNR 31 3.2.2 Wirkung von Cannabinoiden auf IPSCs in der SNR 33 3.2.3 Vorversuche zur Charakterisierung der EPSCs in der SNR 34
Inhaltsverzeichnis 3.2.4 Wirkung von Cannabinoiden auf EPSCs in der SNR 35 3.2.5 Wirkung von Cannabinoiden auf minimal-effektive EPSCs in der SNR 37 3.2.6 Wirkung von Cannabinoiden auf glutamatinduzierte Ströme in der SNR 38 4. DISKUSSION 40 4.1 Wirkung von Cannabinoiden im Corpus striatum 40 4.1.1 Charakterisierung der gemessenen Ströme im Corpus striatum 41 4.1.2 Wirkung von Cannabinoiden auf striatale IPSCs und muscimolinduzierte Ströme 42 4.1.3 Wirkung von Cannabinoiden auf striatale Kalziumströme 44 4.2 Wirkung von Cannabinoiden in der Substantia nigra pars reticulata (SNR) 45 4.2.1 Charakterisierung der gemessenen inhibitorischen Ströme in der SNR 46 4.2.2 Wirkung von Cannabinoiden auf IPSCs in der SNR 47 4.2.3 Charakterisierung der gemessenen exzitatorischen Ströme in der SNR 47 4.2.4 Wirkung von Cannabinoiden auf EPSCs und glutamatinduzierte Ströme in der SNR 48 4.3 Präsynaptische Hemmung als genereller Effekt der Cannabinoide 50 4.4 Cannabinoide und Katalepsie 50 5. ZUSAMMENFASSUNG 53 6. LITERATUR 54 7. VERÖFFENTLICHUNGEN UND KONGRESSBEITRÄGE 62 7.1 Veröffentlichungen 62 7.2 Kongressbeiträge 62 8. LEBENSLAUF 63
Einleitung 1 1. EINLEITUNG Natürlich vorkommende Cannabinoide werden seit Jahrtausenden in der Medizin vieler Naturvölker eingesetzt. Die bekanntesten Cannabisprodukte sind Marihuana (getrocknete Blüten und Blätter der Hanfpflanze Cannabis sativa) und Haschisch (Harz der Hanfpflanze), die vor allem durch Rauchen oder Essen kon- sumiert werden. Die erstmalige Erwähnung eines therapeutischen Einsatzes von Cannabis in Deutschland stammt aus dem 12. Jahrhundert n. Chr.. In den folgen- den Jahrhunderten wurde Cannabis in verschiedenster Form (Pillen, Tabak, Tink- turen) medizinisch angewandt und ärztlich verschrieben. Eingesetzt wurde es bei- spielsweise zur Behandlung von Übelkeit und Appetitlosigkeit, Schlaf- und Ent- spannungsstörungen, Schmerzzuständen, Depressionen. Auch die psychotrope, berauschende Wirkung war immer wieder erwünsch- ter Effekt von Hanfprodukten. Besonders ab Mitte des 19. Jahrhunderts galt Can- nabis als bewusstseinserweiternde Droge, die in Künstlerkreisen regen Absatz Die Raupe sass mit verschränkten Armen da und rauchte genüsslich eine Wasserpfeife, als ginge sie alles um sie herum gar nichts an. Abbildung 1. Die Raupe aus „Alice im Wunderland“. Die Abbildung zeigt eine Wasserpfeife rauchende Raupe aus dem Kinderbuch „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll (1832 – 1898). In dem Buch werden mehrfach psychoaktive Substanzen, vermutlich unter anderem Cannabinoide erwähnt („Die kleine Heldin der Geschichte durchwandert Welten mit seltsamen Wesen und erlebt die erstaunlichsten Veränderungen der Sinneswahrnehmung nach dem Trinken einer ominösen Flüssigkeit (aus dem berühmten "Trink-mich"- Fläschchen) oder dem Essen eines Kekses.“ Kommentar aus: Website des Vereins für interaktive Randgruppenarbeit und Suchtproblematik: www.virus-bs.ch). Trotzdem gilt es als eines der beliebtesten Kinderbücher seit mehr als einem Jahrhundert.
Einleitung 2 und eine Vielzahl von Erwähnungen in literarischen Werken fand. Als einige die- ser Künstler, die sich von Cannabis neue Inspiration erhofften, sollen an dieser Stelle Lewis Carroll (1832 – 1898), der Autor des Kinderbuches „Alice im Wunder- land“ (Abbildung 1) und Charles Baudelaire (Mitglied des „Haschischclubs“, 1821 – 1867) mit einem seiner Gedichte „Die Pfeife“ aus seinem Werk „Blumen des Bösen“ (Abbildung 2) genannt sein. Die Pfeife Ich bin die Pfeife, die ein Dichter raucht, An meinem Aussehn kann man schaun - Äthiopisch ist es oder kaffernbraun -, Wie tüchtig mein Gebieter mich gebraucht. Wenn er vom Schmerze überwältigt leidet, Wie eine Bauernhütte qualm ich dann, Wo schon die Küche für den Ackersmann, Der bald vom Felde kehrt, das Mahl bereitet. Ich schlinge ein und schaukle seine Seele In einem Netz aus blaubewegter Luft, Die leichthin meinem Feuermaul entquillt. Ich wälze einen mächtigen Balsamduft, Der seinem Herzen zur Erquickung schwele, Lindernd die Qual, die seinen Geist erfüllt. Abbildung 2. „Die Pfeife“. Der Dichter Charles Baudelaire (1821 – 1867) war Mitglied des Haschischclubs, einer Gruppe von Künstlern, vorwiegend Schriftstellern, die sich in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts im Hôtel Pimodan, Paris trafen und dort gemeinsam Drogen (Haschisch und Opium) zur Bewusstseinserweiterung und Inspiration konsumierten. „Die Pfeife“ ist eins seiner Gedichte, die in dieser Zeit entstanden sind. Es stammt aus dem Werk „Die Blumen des Bösen“ (Les fleurs du mal). Zu Beginn des 20. Jahrhunderts trat eine deutliche Wandlung ein: Cannabis wurde zunehmend verteufelt, als „Einstiegsdroge“ bezeichnet, und schließlich der Konsum von Cannabisprodukten durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
Einleitung 3 Anfang der 60er Jahre weltweit verboten. Missachtung wurde mit heftigen Strafen geahndet. Heute werden wieder medizinische Einsatzmöglichkeiten von Cannabinoi- den intensiv diskutiert. Beispielsweise profitieren Patienten mit konsumierenden Krankheiten (Malignome, HIV-Infektion) von der appetitanregenden, übelkeitsmin- dernden Wirkung von Hanfprodukten. Durch den momentan noch bestehenden rechtlichen Status der Droge, deren Besitz in größeren Mengen und Veräußerung derselben in Deutschland verboten ist, begeben Patienten und ihre behandelnden Ärzte sich immer wieder in rechtliche Grauzonen. Mittlerweile existieren syntheti- sche Substanzen, die als Medikament verschrieben werden können, allerdings unter das Betäubungsmittelgesetz fallen oder nur aus dem Ausland bezogen wer- den können (Nabilon = Cesamet®, Marinol = Dronabinol®). Die Entwicklung von synthetischen Cannabinoiden in den letzten zwei Jahr- zehnten ermöglichte somit zum einen den „kontrollierten“ Einsatz in der Medizin, zum anderen schließlich die gezielte Erforschung der Angriffspunkte und Wirkweise der Cannabinoide. In der vorliegenden Studie setzten wir die in Abbildung 3 gezeigten synthe- tischen Cannabinoide CP55940, HU210 und WIN55212-2 ein. Bemerkenswert sind die z.T. frappierenden Unterschiede in der chemischen Struktur zum natürlich vorkommenden Vorbild ∆9-THC. Während CP55940 und HU210 noch strukturelle Ähnlichkeit zum ∆9-THC zeigen, gehört das Aminoalkylindol-Derivat WIN55212-2 einer anderen Substanzgruppe an und besitzt doch cannabinomimetische Aktivität (Kuster et al. 1993). Den genannten synthetischen Cannabinoiden und dem natürlich vorkom- menden ∆9-THC sind die Angriffspunkte, nämlich die – mittlerweile molekulargene- tisch aufgeschlüsselten – Cannabinoidrezeptoren CB1 und CB2 gemein (erstmals Matsuda et al. 1990 und Munro et al. 1993): es handelt sich hierbei um membran- ständige Rezeptoren mit sieben transmembranären Helices, die je nach Rezeptor- untergruppe in unterschiedlichen Geweben verschieden stark vertreten sind. CB1- Rezeptoren, die in unserer Studie von Interesse waren, sind vorwiegend zentral nachweisbar; CB2-Rezeptoren kommen in peripheren Geweben, vor allem in Milz und Zellen des Immunsystems vor.
Einleitung 4 HO OH HU 210 OH ∆ 9-THC O O OH O OH CP 55940 N O WIN 55212- 2 N HO O SR 141716A N HN O N N Cl Cl Cl 9 9 Abbildung 3. Chemische Struktur von Cannabinoidrezeptor-Liganden. ∆ -Tetrahydrocannabinol (∆ - THC) ist die wichtigste psychotrope Substanz der Cannabispflanze. CP55940, HU210 und WIN55212–2 sind synthetisch hergestellte Cannabinoidrezeptor-Agonisten, die in der vorliegenden Studie eingesetzt wurden. Außerdem ist der CB1-selektive Cannabinoidrezeptor-Antagonist SR141716A dargestellt. Nach Entdeckung der Cannabinoidrezeptoren wurden endogene Sub- stanzen gefunden, die agonistische Aktivität sowohl an CB1- als auch an CB2-Re- zeptoren besitzen. Die zwei bekanntesten Vertreter sind das Anandamid (Arachi- donylethanolamid) und das 2-Arachidonylglycerol. Diese „Endocannabinoide“ wer- den zentral aus postsynaptischen Neuronen durch Depolarisation und an- schließendem Anstieg der intrazellulären Kalziumkonzentration freigesetzt. Sie können dann zum präsynaptischen Axonterminal diffundieren und dort transmitter- freisetzungshemmende CB1-Rezeptoren aktivieren (zur Übersicht siehe Di Marzo et al. 1998; Wilson und Nicoll 2002).
Einleitung 5 SR141716A gilt als CB1-selektiver Cannabinoidrezeptor-Antagonist (Rinaldi-Carmona et al. 1995, Abbildung 3) und konnte somit in unserer Studie, in der eben diese Rezeptoren untersucht werden sollten, eingesetzt werden. Die Wirkweise der Cannabinoide ist erstmals von Howlett und Fleming (1984) als eine Gαi/O-Protein-gekoppelte, Pertussis-Toxin-sensitive Hemmung der Adenylatzyklase und somit Beeinflussung der cAMP-Konzentration beschrieben worden (siehe auch Felder et al. 1995; Tao und Abood 1998). In verschiedenen Studien mit Zellkulturen, die CB1-Rezeptoren exprimieren, aber auch in Untersuchungen mit Zellen, die mit CB1-Rezeptoren transfiziert wor- den waren, wurde eine Hemmung von spannungsabhängigen Kalziumkanälen, an der ebenfalls Gi/0-Proteine beteiligt sind, beobachtet (Caulfield und Brown 1992; Mackie und Hille 1992; Mackie et al. 1993; Pan et al. 1996). Des weiteren wurden Leitfähigkeitsveränderungen für Kaliumkanäle (Mackie et al. 1995; Deadwyler et al. 1995) und Natriumkanäle (Turkanis et al. 1991) beobachtet. Daneben wurden auch CB1- und CB2-Rezeptor-unabhängige Wirkungen beobachtet, bei denen von direkter Beeinflussung von Ionenkanälen durch Can- nabinoide ausgegangen wird: so wird der Hintergrund-Kaliumkanal TASK-1 durch Anandamid gehemmt (Maingret et al. 2001). Die Lokalisation des CB1-Rezeptors im ZNS wurde mit Hilfe von Radioligan- denbindungsstudien (Herkenham et al. 1990, 1991 a,b) und Immunohistochemie geklärt (Pettit et al. 1998; Tsou et al. 1998; Ong und Mackie 1999). Auch die Syntheseorte für die Rezeptoren sind, mit Hilfe von in situ Hybridi- sierung von CB1-Rezeptor-mRNA, identifiziert worden (Mailleux und Vander- haeghen 1992; Matsuda et al. 1993). CB1-Rezeptoren werden unter anderem im cerebralen Cortex gefunden, in sehr großer Dichte auch im extrapyramidal-motorischen System. Zwei Kerngebie- te dieses Systems, das Corpus striatum und die Substantia nigra pars reticulata (SNR) waren die Hirnareale, denen in der vorliegenden Studie unser Interesse galt. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass gerade in der SNR zwar eine große Dichte an CB1-Rezeptor-Protein vorliegt, jedoch hier keine CB1-Rezeptor-mRNA
Einleitung 6 zu finden ist. Diese Beobachtung wird an späterer Stelle noch diskutiert (siehe 4.2). Abbildung 4 soll einige der wesentlichen neuronalen Verknüpfungen des extrapyramidal-motorischen Systems, sowie die jeweilige Verteilung von CB1- Rezeptoren und CB1-Rezeptor-mRNA, schematisch darstellen. CORPUS FSN STRIATUM MSN CORTEX SUBSTANTIA NIGRA DA SNC THALAMUS GLU GP N. SUBTHALAM. GABA CS NP SNR Abbildung 4. Neuronale Verbindungen innerhalb des extrapyramidal-motorischen Systems. Dargestellt sind hier ausgewählte neuronale Verbindungen innerhalb des extrapyramidal-motorischen Systems (nach Fallon und Loughlin, 1995). Die Medium Spiny Neurone (MSN) des Corpus striatum erhalten exzitatorischen glutamatergen Input (rot) aus dem Cortex, sowie dopaminergen Input (blau) von Zellen der Substantia nigra pars compacta (SNC). MSN erhalten inhibitorischen Input (schwarz) von fast spiking parvalbuminpositiven Interneuronen (FSN) und von benachbarten MSN. Die GABAergen MSN projizieren zu Zellen der Substantia nigra pars reticulata (SNR). Der Globus pallidus (GP) erhält ebenfalls Afferenzen von MSN. Der Nucleus subthalamicus erhält zum einen inhibitorischen Input aus dem GP, zum anderen exzitatorischen glutama- tergen Input aus dem Cortex; exzitatorischer Output geht von hier zu Zellen der SNR und SNC. Die SNR ist schließlich der Hauptprojektionskern des extrapyramidal-motorischen Systems: sie projiziert mit GABAergen Afferenzen zum Thalamus, zum Colliculus superior (CS) und zum Nucleus pedunculopontine (NP). Symbo- lisch sind CB1-Rezeptoren (►) und messenger-RNA für CB1-Rezeptoren (●) dargestellt. In mehreren Tierversuchen wurden die typischen Wirkungen von Cannabi- noiden untersucht. Beschrieben ist Antinozizeption, Hypokinesie und Hypothermie, außerdem eine Katalepsie, bei der Versuchstiere in einer vorgegebenen Körper- haltung starr verharren (Martin 1985 und 1991; Compton et al. 1996). Als Angriffs- punkt für Cannabinoide, zur Auslösung dieser extrapyramidal-motorischen Stö-
Einleitung 7 rung werden unter anderem Kerne der Basalganglien und deren Projektionsareale verantwortlich gemacht, in denen, wie oben beschrieben eine hohe Dichte an CB1- Rezeptor-Protein nachweisbar ist. Das Ziel der vorliegenden Studie war, mit Hilfe von elektrophysiologischen Untersuchungen an Hirnschnitten die Effekte von Cannabinoiden in zwei Kernge- bieten des extrapyramidal-motorischen Systems zu untersuchen. Als Arbeitshypothese gingen wir von einer vermutlich präsynaptischen Lo- kalisation der CB1-Rezeptoren auf Axonterminalen in diesen Kernen aus. Wir ver - muteten, dass Cannabinoide die GABAerge Neurotransmission von Medium Spiny Neuronen des Corpus striatum und die GABAerge und glutamaterge neuronale Übertragung von Neuronen der SNR durch Hemmung der Neurotransmitterfreiset- zung beeinflussen können. Im Corpus striatum untersuchten wir außerdem den Effekt von Cannabinoi- den auf spannungsabhängige Kalziumströme im Hirnschnitt.
Methoden 8 2. METHODEN Die Methodik entspricht bezüglich der Präparation der Hirnschnitte und der Patch-Clamp-Technik weitgehend den Beschreibungen von Edwards und Konnerth (1992) und Sontheimer (1995). 2.1 Präparation und Aufbewahrung von Hirnschnitten Es wurden junge Wistar Ratten (8 - 15 Tage alt) beiden Geschlechts be- nutzt. In diesem Alter ist die Myelinisierung der Neurone noch nicht so weit fort- geschritten, und es ist möglich, einzelne Neurone in den unterschiedlichen Hirn- arealen optisch zu identifizieren (siehe 2.4). Nach Decapitierung der Ratte wurde die Kalotte vom Foramen magnum ausgehend eröffnet, das Gehirn innerhalb von 40 bis 80 s herausgelöst und an- schließend für 5 Minuten in artifizieller cerebrospinaler Flüssigkeit (ACSF, Zu- sammensetzung siehe 2.2, ähnlich der des physiologischen Liquors) plaziert, wel- che auf mindestens 0°C gekühlt und außerdem ständig mit Carbogen (95%O2 / 5%CO2) begast worden war. Die Aufbewahrung des Gehirns in eiskalter Lösung sollte den Zellmetabolismus verringern, somit eine Anhäufung von toxischen Meta- boliten verhindern und das Überleben der Neurone verbessern. Danach wurde ein Gewebeblock präpariert, der entweder das Corpus stria- tum oder die Substantia nigra enthielt. Hierzu wurde das Gehirn unter weiterer Kühlung (gekühlte Präparationsunterlage, wiederholtes Übergießen des Gehirns mit kalter ACSF), mit der kaudalen Fläche nach oben zeigend, abgelegt, und je- weils ein Block, wie in den Abbildungen 5 (Corpus striatum) und 6 (Substantia nigra) verdeutlicht, präpariert. Für die Präparation des striatalen Blocks wurde durch zwei frontale Schnitte eine etwa 3 mm starke Scheibe gewonnen, die mit der rostralen Schnittfläche auf die Präparationsunterlage gekippt wurde. Durch weitere Schnitte entstand nun der gewünschte Gewebeblock, der eine Hälfte des Corpus striatum enthielt. Ähnlich erfolgte die Präparation des nigralen Blocks: durch zwei Schnitte in frontaler Ebene konnte man eine Scheibe von etwa 4 mm Dicke gewinnen. Diese wurde auf die kaudale Schnittfläche gekippt und in der Medianlinie geteilt.
Methoden 9 5 6 1 3 2 Corpus striatum 4 Ventrale Ventrale Ansicht Ansicht Coronale Coronale Ansicht Ansicht Abbildung 5. Schnittführung zur Herstellung von einem Gewebeblock, der das Corpus striatum ent- hält. Linke Abbildung (ventrale Ansicht): durch Schnittführung in frontaler Ebene, rostral des Chiasma opticum (Schnittlinie 1) und direkt durch das Chiasma opticum (Schnittlinie 2) Gewinnung einer Gewebescheibe. Rech- te Abbildung (coronale Ansicht, Gehirn auf der rostralen Schnittfläche liegend): durch Schnitte entsprechend den Schnittlinien 3 – 6 Abtrennen der Cortex-Anteile und der zweiten Hemisphäre. Der jeweilige Block wurde mit Cyanoacrylat-Kleber (Loctite 414®) auf einen Schlitten geklebt, der in ein vibrierendes Schneidegerät (Vibratom 1000, Plano, Marburg, Deutschland) geklemmt wurde. Anschließend wurden sechs (Corpus striatum) bzw. vier (Substantia nigra) coronale Schnitte mit einer Dicke von 300 µm hergestellt. Während des Schneidevorganges war der Gewebeblock ebenfalls von gekühlter ACSF bedeckt. Die Herstellung der Schnitte erfolgte bei niedriger Vorschubgeschwindigkeit des Vibratomschlittens, mit der maximalen Amplitude der Klingenbewegung (ca. 1.5 mm) und einer Frequenz von 50 Hz. Wir verwendeten Rasierklingen der Firma Rotbart. Die Schnitte wurden in der gewon- nenen Reihenfolge in einer Gibb-Kammer aufbewahrt; während der ersten 20 – 40 Minuten bei 35.5°C, später dann bei 20 – 24°C unter ständiger Begasung mit Carbogen. Mit den elektrophysiologischen Versuchen wurde innerhalb der folgen- den 6 Stunden begonnen.
Methoden 10 3 2 Substantia nigra 1 Ventrale Ansicht Coronale Ansicht Abbildung 6. Schnittführung zur Herstellung von einem Gewebeblock, der die Substantia nigra enthält. Linke Abbildung (ventrale Ansicht): durch Schnittführung in frontaler Ebene, durch die Pons (Schnittlinie 1) und kaudal des Chiasma opticum (Schnittlinie 2). Rechte Abbildung (coronale Ansicht, Gehirn auf der kaudalen Schnittfläche liegend): einmaliger Schnitt in der Medianlinie (Schnittlinie 3). 2.2 Lösungen Die Zusammensetzung der intra- und extrazellulären Lösungen, die in den verschiedenen Protokollen verwendet wurden, ist in den Tabellen 1 und 2 gezeigt. In allen Lösungen war der pH-Wert auf 7.3 – 7.4 und die Osmolarität auf 310 – 320 mosmol/l eingestellt. Für die Herstellung und Aufbewahrung der Hirnschnitte benutzten wir ACSF, deren Zusammensetzung ähnlich der des physiologischen Liquors ist (Ta- belle 2). Diese Lösung wurde in den meisten Experimenten auch als Superfu- sionspuffer eingesetzt, d. h. als Kontrolllösung SOL oder als Trägerlösung für die verschiedenen Substanzen, die während der Aufzeichnung von z.B. postsynapti- schen Strömen benutzt wurden. 2.2.1 Lösungen für die Versuche im Corpus striatum Der Tabelle 1 ist die Zusammensetzung der intrazellulären Lösung für die Aufzeichnung der inhibitorischen postsynaptischen Ströme (IPSCs) und der mus-
Methoden 11 cimolinduzierten Ströme zu entnehmen. Ein Teil der intrazellulären Chloridionen wurde durch Fluoridionen ersetzt, um die Registrierung stabiler zu machen (Regehr et al. 1992). Die Zusammensetzung der intrazellulären Lösung für die Aufzeichnung von Kalziumströmen ist ebenfalls in Tabelle 1 zu finden. Kreatinphosphat und Kreatin- phosphokinase dienen hier der Konstanthaltung der intrazellulären ATP-Konzen- tration. Cäsium und Tetraethylammonium wurden hinzugegeben, um Kaliumkanäle zu hemmen. HEPES diente als pH-Puffer, EGTA – ein Kalzium-entziehender Che- lator – sollte ein Healing der Zellmembran im Bereich der Pipettenspitze durch Puffern von intrazellulären Kalziumionen verhindern (Sontheimer 1995). Intrazellulärer Puffer (INT) Intrazellulärer Puffer Messung von IPSCs, EPSCs (INT) muscimol- und glutamat- Messung von induzierten Strömen Kalziumströmen (mM) (mM) CsCl 107 75 CsF 35 MgCl2 1 4 Glukose - 10 HEPES 10 40 EGTA 10 10 TEA-Cl - 10 ATP-Na2 4 - ATP-Mg - 5 GTP-Tris - 0.3 Kreatinphosphat-Na2 - 14 Kreatinphosphokinase - 50 U/ml pH (titriert mit) 7.4 (CsOH) 7.4 (CsOH) Tabelle 1. Zusammensetzung der intrazellulären Lösungen
Methoden 12 Als Superfusionspuffer (Tabelle 2) während der Versuche, wurden der oben genannten ACSF der NMDA-Glutamatrezeptor-Antagonist AP-5 (25 µM) und der non-NMDA-Glutamatrezeptor-Antagonist CNQX (10 µM) zur Hemmung glutama- terger Ströme zugesetzt. Für die Versuche zur Bestimmung der Kalziumströme wählten wir eine an- dere Zusammensetzung des Superfusionspuffers (Tabelle 2). Tetrodotoxin wurde in dieser Versuchsanordnung zur Hemmung von spannungsabhängigen Natrium- kanälen zugegeben. 2.2.2 Lösungen für die Versuche in der Substantia nigra Für die Aufzeichnung der inhibitorischen und exzitatorischen postsynapti- schen Ströme (IPSCs und EPSCs) und der glutamatinduzierten Ströme wählten wir für die intrazelluläre Lösung dieselbe Zusammensetzung wie für die striatalen Versuche (Tabelle 1). Artifizielle cerebrospinale Superfusionspuffer zur Flüssigkeit / Superfu- Messung der Kalziumströme sionspuffer (mM) (mM) NaCl 126 144 NaH2PO4 1 - KCl 3 3 MgCl2 1 1 CaCl2 2.5 5 NaHCO3 26.2 - Glukose 10 10 HEPES - 10 Tetrodotoxin - 0.0002 pH (titriert mit) 7.3 – 7.4 7.4 (NaOH) Tabelle 2. Zusammensetzung der extrazellulären Lösungen
Methoden 13 Für die Ableitung der minimal-effektiv stimulierten EPSCs setzten wir der intrazellulären Lösung N-ethyl-lidocain-Bromid (QX-314) in der Konzentration von 2 mM zu. Mit Hilfe dieser Substanz konnten spannungsabhängige Natriumkanäle inaktiviert werden. In Experimenten, in denen GABAerge Ströme (IPSCs) registriert wurden, enthielt der Superfusionspuffer den NMDA-Glutamatrezeptor-Antagonisten AP-5 (25 µM) und den non-NMDA-Glutamatrezeptor-Antagonisten CNQX (10 µM) zur Hemmung spontaner und evozierter glutamaterger Ströme. In Experimenten, in denen glutamaterge Ströme (EPSCs) registriert wur- den, enthielt der Superfusionspuffer den GABAA-Rezeptor-Antagonisten Bicucullin (10 µM) zur Hemmung spontaner und evozierter GABAerger Ströme. 2.3 Substanzen Die verschiedenen Substanzen wurden von folgenden Quellen bezogen. Alamone (Jerusalem, Israel): N-ethyl-Lidocain-Bromid (QX-314); Calbiochem (Bad Soden, Deutschland): Tetrodotoxin (TTX); Fluka (Buchs, Schweiz): 5-Aminomethyl -3-hydroxy-isoxazol (Muscimol), Merck (Darmstadt, Deutschland): Tetraethylam- monium-Cl (TEA); Pfizer (Groton, CT, USA): (-)-cis-3-[2-hydroxy-4-(1,1- dimethylheptyl)phyenyl]-trans-4-(3-hydroxypropyl)cyclohexanol (CP55940); RBI (Köln, Deutschland): R-(+)-[2,3-dihydro-5-methyl-3-[4morpholinylmethyl]pyrrolo [1,2,3-de]-1,4-benzoxazin-6-yl]-(1-naphthalenyl)methanon mesylat (WIN55212-2); Sanofi Research (Montpellier, Frankreich): N-piperidino-5-(4-chlorophenyl)-1-(2,4- dichlorophenyl)-4-methyl-3-pyrazolcarboxamid-HCl (SR141716A); Sigma (Deisen- hofen, Deutschland): Tetrodotoxin (TTX), ATP-Mg, ATP-Na2, Bicucullin, Rinderse- rumalbumin (BSA), Carbachol-HCl, Kreatinphosphat-Na2, Kreatinphosphokinase, GTP-Tris, 4-(2-hydroxyethyl)-1-piperazin-ethan-Sulfonsäure (HEPES), Ethylengly- kol-bis(β-Aminoethylether)-N,N,N´,N´-tetraessigsäure (EGTA), Dimethylsulfoxid (DMSO), Sigmacote, L-Glutamat; Tocris Cookson (Bristol, England): 6-cyano-7- nitroquinoxalin-2,3-dion (CNQX), DL-2-Amino-5-phosphonopentanosäure (AP-5), (6aR)-trans-3-(1,1-Dimethylheptyl)-6a,7,10,10a-tetrahydro-1-hydroxy-6,6,-dime- thyl-6H-dibenzo[b,d]pyran-9-methanol (HU210), N-ethyl-lidocain Bromid (QX-314).
Methoden 14 Alle übrigen Substanzen bezogen wir von Roth Chemikalien (Karlsruhe, Deutsch- land). Die lipophilen synthetischen Cannabinoidrezeptor-Agonisten WIN55212-2, CP55940 und HU210 und der CB1-Rezeptor-Antagonist SR141716A wurden in 100% Dimethylsulfoxid (DMSO) gelöst und in Vorratsportionen bei – 20°C aufbe- wahrt. Die Verdünnung erfolgte am Tag der geplanten Versuche mit Superfusions- puffer (SOL), dem Rinderserumalbumin (BSA) in einer Konzentration von 1 g/l zu- gesetzt wurde. Gewünschter Effekt des BSA war, die Adsorption der Substanzen an Gefäße und Schläuche zu verhindern (Kuster et al. 1993; Mackie und Hille 1992). Entsprechend der Konzentration von DMSO von 0.1% und 1 g/l BSA in den Cannabinoid-haltigen Lösungen, setzten wir den Kontrolllösungen DMSO und BSA (in den Abbildungen nicht explizit erwähnt) zu. CNQX und Bicucullin wurden ebenfalls in 100% DMSO gelöst; Carbachol, AP-5, Glutamat, Muscimol und Tetrodotoxin in destilliertem Wasser. Auch hier wurden Vorratslösungen bei – 20°C aufbewahrt, die weiteren Verdünnungen wurden mit Superfusionspuffer durchgeführt. 2.4 Versuchsanordnung und optisches Setup Für die Patch-Clamp-Versuche wurden die Schnitte in einer Superfusions- kammer mit Hilfe eines Platin-Nylon-Gitters (aus Platindraht und Fäden einer Ny- lon-Strumpfhose selbst hergestellt) am Boden der Kammer gehalten. Die Schnitte wurden bei 20 – 24°C superfundiert. Mit einer Pumpe (Ismatec IPC-4; Ismatec La- boratoriumstechnik, Wertheim-Mondfeld, Deutschland) wurde die Superfusionsge- schwindigkeit auf 1.3 ml/min eingestellt. Die Superfusion erfolgte über Schläuche aus Teflon oder Tygon (Novodirect, Kehl, Deutschland). Die Superfusionskammer enthielt neben einem Zulauf und einem Absaugstutzen eine Halterung für die Bad- elektrode aus Silberchlorid (Clark Electromedical Instruments, Pangbourne, Eng- land). Die Absaugung erfolgte über eine Wasserstrahlpumpe. Mit Hilfe eines Zeiss Axioskop FS Mikroskops (Zeiss, Göttingen, Deutsch- land) – ausgestattet mit einem 5-fach-Objektiv und einer Wasser-Immersions-Lin- se (40 x 0.75W Ph 2) – wurde die gewünschte Hirnregion aufgesucht. Im Corpus striatum oder in der Substantia nigra pars reticulata wählten wir ein passendes
Methoden 15 Neuron für das „Patchen“ aus. Hierzu wurde der Schnitt in der Superfusionskam- mer von unten mit Infrarotlicht (λmax = 780 nm) durchleuchtet. Mit der zweiten Op- tik des Mikroskops, einer Differential-Interferenz-Kontrast (DIC)-Optik, welche mit einer infrarotlichtsensitiven Videokamera (Newvicon C 2400-07-C; Hamamatsu, Herrsching, Deutschland) verbunden war, wurde der Schnitt auf einem ange- schlossenen Videomonitor (W-5410 Panasonic, Tokio, Japan) betrachtet und ein- zelne Neurone identifiziert. Die Versuchsanordnung (Superfusionskammer, Mikroskop, Elektrodenhal- terungen) war auf einem schwingungsgedämpftem Tisch untergebracht, der wäh- rend der Versuche Erschütterungen von außen abfing. Außerdem waren durch das Setup in einem Faradayschen Käfig, in dem sich an elektrischen Geräten nur der Mikromanipulator und die Lampe des Mikroskops befanden, die Messungen gegen elektrische Störeinflüsse geschützt. 2.5 Patch-Clamp-Technik Für das Patchen der ausgewählten Neurone verwendeten wir Glaspipetten, die wir aus Borosilikatglas-Rohlingen (äußerer Durchmesser 2 mm, Glasstärke 0.3 mm; Hilgenberg, Malsfeld, Deutschland) mit Hilfe eines Vertikalpullers (L/M-3P-A, List-electronic, Darmstadt, Deutschland) in zwei Schritten herstellten. Jede Patchpipette wurde auf zweierlei Arten mit der ständig gekühlten in- trazellulären Lösung gefüllt: Die Füllung der Spitze erfolgte unter Ausnutzung des Kapillarsogs durch Eintauchen in die Lösung; die Füllung der Restpipette durch Injektion von gefilterter intrazellulärer Flüssigkeit (Filter 0.2 µm). Der Widerstand der Patchpipetten betrug 3 – 5 MΩ (bei Experimenten mit Medium Spiny Neuronen des Corpus striatum) bzw. 2 – 5 MΩ (bei Experimenten mit Neuronen der SNR). Zur Isolierung der Patchpipettenspitze beschichteten wir diese mit Bienenwachs; um die Oberflächeneigenschaften zu verbessern, wurde die Pipette anschließend mit Sigmacote, einer Silikonlösung, benetzt. Die so fertiggestellte Patchpipette wurde nun auf eine Silberchlorid-Mess- elektrode gesteckt, die bereits in den motorangetriebenen Mikromanipulator (Combi25, Luigs & Neumann, Ratingen, Deutschland) eingespannt war. Diese Sil-
Methoden 16 berchloridelektroden stellten wir monatlich aus 0.25 mm starkem Silberdraht her, der hierzu anfangs für etwa 30 Minuten in 0.9 %ige NaCl-Lösung getaucht wurde. Um den Draht schließlich zu chlorieren, wurde ein Strom von ca. 1 mA zwischen diesem und einer weiteren Silberelektrode (sich auch im Kochsalzbad befindend) angelegt. Die erfolgreiche Chlorierung war an einer rehbraunfarbenen Beschich- tung des Drahtes erkennbar. Durch Anlegen eines positiven Drucks an die Patchpipette konnten wir ver- hindern, dass die Pipettenspitze durch Verunreinigungen der Badlösung oder Gewebereste des Hirnschnittes verstopfte. Die Annäherung an das gewählte Neuron erfolgte mit dem Mikromanipula- tor unter ständiger optischer Kontrolle: so ließ sich die Berührung der Zelle mit der Patchpipette durch eine deutliche Eindellung der Zelloberfläche erkennen. Zu die- sem Zeitpunkt wurde der positive Druck zurückgenommen und durch negativen Druck, d.h. Sog, der gewünschte „Gigaseal“ von 2 – 10 GΩ hergestellt. Unter die- sem sogenannten Gigaseal versteht man den Widerstand, der zwischen dem In- neren der Patchpipette (verschlossen durch die angesaugte Zellmembran) und der Badlösung besteht. Anschließend wurde die „Whole-cell“-Konfiguration durch loka- les Einreißen der Zellmembran durch einen kurz andauernden Sog an der Patch- pipette hergestellt. Änderungen von Strömen verschiedener Ionen über die Zell- membran waren nun messbar. 2.6 Versuchsprotokolle Die Experimente wurden randomisiert durchgeführt. So wurde die Reihen- folge der Applikation von Substanz oder Kontrolllösung an jedem Tag zufällig aus- gewählt. In Versuchen mit Substanzen, bei denen kein „washout“-Effekt erkennbar war (z.B. bedingt durch die zuvor erwähnte hohe Lipophilie von Cannabinoidre- zeptor-Liganden und Haften am Gewebe), wurden für jeden weiteren Versuch neue Schnitte verwendet; in Experimenten mit SOL oder reversiblen Substanzwir- kungen wurde meist in demselben Schnitt ein weiteres Neuron gepatcht. Mit der Aufzeichnung der gemessenen Ströme wurde erst 5 – 8 Minuten nach Erreichen der Whole-cell-Konfiguration begonnen. So konnten instabile Neu- rone meist schon herausgefiltert werden, allerdings bedeutete dies auch, dass
Methoden 17 sich die Neurone mindestens 30 – 40 Minuten in Whole-cell-Konfiguration befan- den. Zur Generierung der Reizpulse (nähere Beschreibung siehe 2.6.1, 2.6.4 – 2.6.5) wurden zweierlei Reizgeräte eingesetzt. Zum einen verwendeten wir den isolierten Stimulator ST – 02/ISO-100 (Experimetria, Budapest, Ungarn), zum an- deren den Stimulator DS2 (Digitimer Ltd., Herts, England). Da sich die Reizant- worten je nach Gerät nicht unterschieden, wurden die Ergebnisse zusammenge- fasst; in den einzelnen Versuchsprotokollen ist nicht erwähnt, welcher Stimulator zum Einsatz kam. Die Steuerung der Reizimpulse und die anschließende Daten- aufzeichnung der Patch-Clamp-Versuche erfolgte mittels eines EPC-9-Verstärkers (List-electronic, Darmstadt, Deutschland), der mit einem Personalcomputer ver- bunden war. 2.6.1 Versuchsprotokoll zur Messung der striatalen IPSCs Initial führten wir eine Serie von Experimenten durch, mit denen wir eine Strom-Spannungskurve erhielten (Abbildung 8): wir variierten das Haltepotential der gepatchten Neurone in 10 mV-Schritten von – 70 mV bis + 40 mV und appli- zierten pro Potentialschritt, der jeweils 6 s gehalten wurde, je zweimal einen Reiz- puls (Reizung im Folgenden beschrieben), um postsynaptische Ströme zu evozie- ren. Gereizt wurde die Umgebung, d.h. präsynaptische Afferenzen des gepatch- ten Neurons. Hierzu setzten wir einzelne Rechteckspulse von 0.1 ms Länge und 2 – 16 V Spannungsstärke ein, die alle 15 s generiert wurden. Als Reizelektrode ver-wendeten wir eine konzentrische bipolare Elektrode (aus rostfreiem Stahl), die in etwa 100 – 200 µm Entfernung vom gepatchten Neuron 20 – 40 µm tief in den Hirnschnitt gesenkt wurde. Die Experimente zur Untersuchung der Effekte des Natriumkanalblockers Tetrodotoxin (Abbildung 9) und der verschiedenen Cannabinoidrezeptor-Liganden (Abbildungen 10 und 11) auf die IPSCs wurden 20 Minuten lang aufgezeichnet. Hierbei wurden die gepatchten Zellen auf ein Haltepotential von – 40 mV ge- klemmt (zur Inaktivierung von spannungsabhängigen Natriumkanälen).
Methoden 18 Nach einer Vorlaufzeit von 5 Minuten (PRE) mit der Kontrolllösung (SOL oder SOL mit Zusatz von SR141716A 10-6 M), wurden die verschiedenen Sub- stanzen oder SOL appliziert. Tetrodotoxin (2 x 10-7 M) wurde für 10 Minuten, die Cannabinoidrezeptor-Liganden WIN55212-2 (10-5, 10-6, 10-7, 10-8 M) und SR141716A (10-6 M) wurden während der Minute 5 bis 20 superfundiert. 2.6.2 Versuchsprotokoll zur Messung der striatalen muscimolinduzierten Ströme Für die Experimente dieser Versuchsreihe wurden die gepatchten Neurone auf ein Haltepotential von – 40 mV geklemmt. Die Versuche dauerten 35 Minuten, wobei die ersten (Minute 0 – 5) und die letzten 5 Minuten (Minute 30 – 35) des Versuchs aufgezeichnet wurden (Abbildung 12). Die Schnitte wurden während der ersten 15 Minuten mit Kontrolllösung superfundiert, nach der 15. Minute wurde entweder weiterhin SOL oder WIN55212-2 (10-6 M) superfundiert. Zudem wurde zusätzlich der postsynaptisch wirkende GABAA-Rezeptor- Agonist Muscimol in der Konzentration von 10-6 M ab der 1. bzw. 31. Minute superfundiert. Die Länge der Muscimol-Superfusion (60 – 110 s) wählten wir so, um den größtmöglichen GABAergen Strom zu erhalten. 2.6.3 Versuchsprotokoll zur Messung der striatalen Kalziumströme Die Aufzeichnung der Kalziumströme dauerte insgesamt 20 Minuten (Abbil- dung 13). Nach einer Vorlaufzeit von 5 Minuten (PRE) mit der Kontrolllösung, wurde der Cannabinoidrezeptor-Agonist WIN55212-2 (10-6 M) oder ebenfalls SOL appliziert. In dieser Versuchsreihe wurde der Superfusionslösung Tetrodotoxin (2 x 10-7 M) als Natriumkanalblocker zugesetzt. Die Zellen wurden auf ein Haltepotential von – 80 mV geklemmt. Um spannungsabhängige Kalziumkanäle zu aktivieren, wurden die Zellen über die Patchpipette mit Hilfe von „Rampen“ von – 80 mV auf + 60 mV innerhalb von 280 ms (alle 30 s appliziert) depolarisiert. Um mögliche Leckströme von den tatsächlichen Kalziumströmen zu unterscheiden, wurden hyperpolarisierende Rampen von – 80 mV bis – 108 mV 5 s nach den depolarisierenden Rampen appliziert.
Methoden 19 2.6.4 Versuchsprotokoll zur Messung der IPSCs in der SNR Das Versuchsprotokoll zur Messung der nigralen IPSCs entspricht bezüg- lich der Stimulierung weitgehend dem Vorgehen zur Bestimmung der striatalen IPSCs (rechteckige Reizpulse alle 15 s von 0.1 ms Dauer, 1 – 11 V Amplitude). Als Reizelektrode verwendeten wir entweder die oben beschriebene konzentrische bipolare Elektrode oder eine parallele bipolare Platinelektrode, die so auf der Hirn- schnittoberfläche plaziert wurde, dass sich das gepatchte Neuron zwischen den beiden gabelförmigen Elektrodenarmen befand. Die Ergebnisse der Versuche mit den beiden unterschiedlichen Elektroden waren ähnlich und wurden deshalb zusammengefasst. Die Experimente zur Untersuchung der Effekte des Muskarinrezeptor-Ago- nisten Carbachol (Abbildung 15), des GABAA-Rezeptor-Agonisten Bicucullin (Ab- bildung 16) und des Cannabinoidrezeptor-Agonisten WIN55212-2 (Abbildung 17) auf die IPSCs wurden 20 Minuten lang aufgezeichnet. Hierbei wurden die ge- patchten Zellen auf ein Haltepotential von – 40 mV geklemmt. Nach einer Vorlaufzeit von 5 Minuten (PRE) mit der Kontrolllösung, wurden die verschiedenen Substanzen oder SOL appliziert. Carbachol (10-5 M) und Bicu- cullin (10-5 M) wurden für 10 Minuten, der Cannabinoidrezeptor-Agonist WIN55212-2 (10-6 M) wurde während der Minute 5 bis 20 superfundiert. 2.6.5 Versuchsprotokoll zur Messung der EPSCs in der SNR Die Stimulation des Hirnschnittes erfolgte über eine parallele bipolare Elek- trode mit 0.1 ms dauernden Rechteckspulsen von 3 – 19 V Amplitude, alle 15 s. Die Experimente zur Untersuchung der Effekte des NMDA-Glutamat- rezeptor-Antagonisten AP-5 und des non-NMDA-Glutamatrezeptor-Antagonisten CNQX (Abbildung 18, nicht bis zum Versuchsende abgebildet) auf die EPSCs wurden 30 Minuten lang, die zur Untersuchung der Effekte von Cannabinoid- rezeptor-Liganden (Abbildungen 19 und 20) 20 Minuten lang aufgezeichnet. Hier- bei wurden die gepatchten Zellen auf ein Haltepotential von – 40 mV geklemmt. Nach einer Vorlaufzeit von 5 Minuten (PRE) mit der Kontrolllösung, wurden anschließend die verschiedenen Substanzen oder SOL superfundiert. AP-5 (5 x 10-5 M) und CNQX (10-5 M) wurden für 5 Minuten, die Cannabinoidrezeptor-
Methoden 20 Agonisten HU210 10-6 M und WIN55212-2 (10-5, 10-6, 10-7, 10-8 M) wurden wäh- rend der Minute 5 bis 20 superfundiert. 2.6.6 Versuchsprotokoll zur Messung der minimal-effektiv stimulierten EPSCs in der SNR Für die nächste Experimentenserie wurde ein Haltepotential von – 70 mV an die gepatchten Neurone angelegt; spannungsabhängige Natriumkanäle wurden durch Zusatz des Natriumkanalblockers QX-314 (2 x 10-3 M) in der intrazellulären Lösung inaktiviert. Die Art der Reizung unterschied sich zu den obenbeschriebe- nen Versuchen: sie erfolgte mit Hilfe einer Glaspipette, welche mit SOL gefüllt wurde. Diese Pipette wurde in einer Entfernung von ca. 20 – 40 µm vom abgeleite- ten Neuron in den Hirnschnitt plaziert, und so nur die direkte Umgebung des ge- patchten Neurons gereizt. Die Experimente wurden 20 Minuten aufgezeichnet. Die Reizung erfolgte mit rechteckigen Reizpulsen von 20 – 50 µs Dauer und einer Amplitude von max. 100 V. Diese hohe Reizstärke war nötig, um Reiz- antworten von mindestens 10 pA zu erhalten. Nach einer Vorlaufzeit von 5 Minuten (PRE) mit der Kontrolllösung (SOL oder SR141716A), wurden die Cannabinoidrezeptor-Liganden oder SOL appliziert (Abbildung 21). Die Cannabinoidrezeptor-Liganden WIN55212-2 (10-6 M), CP55940 (10-6 M) und SR141716A (10-6 M) wurden während der Minute 5 bis 20 superfundiert. 2.6.7 Versuchsprotokoll zur Messung der glutamatinduzierten Ströme in der SNR Für die Experimente dieser Versuchsreihe wurden die gepatchten Neurone auf ein Haltepotential von – 40 mV geklemmt. Die Versuche dauerten 35 Minuten, wobei die ersten (Minute 0 – 5) und die letzten 5 Minuten (Minute 30 – 35) des Versuchs aufgezeichnet wurden (Abbildung 22). Die Schnitte wurden während der ersten 15 Minuten mit Kontrolllösung superfundiert, ab der 15. Minute wurde wei- terhin SOL oder WIN55212-2 (10-6 M) superfundiert. Zudem wurde zusätzlich Glutamat, als postsynaptisch wirkender exzitatori- scher Agonist in der Konzentration von 3 x 10-4 M ab der 1. bzw. 31. Minute super-
Methoden 21 fundiert. Die Länge der Glutamat-Superfusion (60 – 210 s) wählten wir so, um den größtmöglichen glutamatergen Strom zu erreichen. 2.7 Datenaufzeichnung, Auswertung und statistische Aufberei- tung Mit Hilfe eines Personalcomputers wurden alle gewonnenen Daten aufge- zeichnet und mit der TIDA für Windows-Software 3.1 (HEKA Elektronik, Lam- brecht, Deutschland) ausgewertet. Wir führten eine Kompensation des Serienwiderstandes von 50 – 60 % durch. Die Membranpotentialwerte wurden nicht mit dem „liquid junction potential„ korrigiert. Die Membranströme wurden mit 1 kHz oder 2.9 kHz (Corpus striatum oder Substantia nigra) gefiltert und mit einer Aufnahme-Frequenz von 5 kHz auf- gezeichnet. Diese Zeit-Strom-Kurven wurden als ASCII-Datei in das Statistikprogramm SPSS für Windows 6.12 (SPSS, Chicago, USA) übertragen und in Tabellenform gebracht. Die Auswertung erfolgte in drei Schritten: erstens wurden die Werte be- stimmter Zeitabschnitte der einzelnen Versuche gemittelt (z.B. alle 2.5 Minuten; Details siehe folgende Abschnitte). Zweitens wurden aus den ersten beiden dieser gemittelten Werten der Referenzwert (PRE) vor Substanzgabe gemittelt. Drittens wurden alle übrigen Werte als Prozentwert von PRE berechnet, des weiteren der Standardfehler dieses Wertes (S.E.M). Mit Hilfe des nicht-parametrischen zweisei- tigen Mann-Whitney-Tests bzw. des Wilcoxon-Tests bestimmten wir, ob Unter- schiede statistisch signifikant waren. Bei multiplen Vergleichen mit derselben Kon- trollgruppe wurde die Bonferroni-Korrektur angewendet. P < 0.05 wurde als Signi- fikanzgrenze gewählt. In den Abbildungen sind signifikante Änderungen mit „ * “ gekennzeichnet, auch dann, wenn das Signifikanzniveau < 0.01 oder < 0.001 war. Die Grafiken, in denen Mittelwerte und Standardfehler des Mittelwertes dar- gestellt sind, wurden mit Hilfe des Grafikprogramms SIGMA-Plot für Windows 2.01 (SPSS, Chicago, USA) erstellt. Originalkurven wurden direkt aus den ASCII-Da- teien in SIGMA-Plot eingefügt. Bereits vor der statistischen Auswertung der einzelnen Versuchsdaten, wur- den einige Experimente ausgeschlossen. Als Ausschlusskriterium betrachteten wir
Methoden 22 eine mehr als 30%-ige Zunahme des Serienwiderstandes (Rs), was z.B. auf einen Wiederverschluss der Zellmembran und somit Verlust der Whole-cell- Konfiguration, zurückzuführen war. Ein weiterer Grund für den Ausschluss von einzelnen Experimenten war eine Abnahme von Rs um mehr als 50% des Ausgangswertes. 2.7.1 Statistische Bearbeitung der Aufzeichnung der IPSCs und EPSCs Zur Erstellung einer Strom-Spannungs-Kurve wurden je Haltepotential- schritt (Dauer 6 s) zwei IPSCs generiert, die anschließend gemittelt wurden und mit den entsprechenden Haltepotentialen in Verhältnis gesetzt wurden. Die statistische Bearbeitung der substanzabhängigen IPSCs im Corpus striatum und in der Substantia nigra pars reticulata und der EPSCs (herkömmliche und minimal-effektive Stimulierung) in der Substantia nigra erfolgte auf die gleiche Weise: es wurden die Ströme, die alle 15 s erzeugt worden waren, aus 2.5 Minu- ten (d.h. zehn postsynaptische Ströme) gemittelt. Aus den ersten beiden Mittel- werten vor Substanzgabe erhielten wir einen gemittelten Referenzwert (PRE); das Verhältnis aller weiteren Messwerte zu PRE wurde nun dazu prozentual dargestellt. 2.7.2 Statistische Bearbeitung der Aufzeichnung der Kalziumströme Bei der Messung der Kalziumströme enthielt das Originalregistrat nicht nur den eigentlichen Kalziumstrom, sondern auch den sogenannten Leckstrom (ein Strom, der nicht über den spannungsabhängigen Kalziumkanal fließt). Durch fol- gendes Verfahren eliminierten wir den Leckstrom aus dem Originalregistrat. Wir applizierten 5 s nach der 140 mV-Depolarisierung (der Trigger für die Kalziumka- nalaktivierung) eine 28 mV-Hyperpolarisierung (ein Fünftel der Amplitude). Den isolierten, leckstromfreien Kalziumstrom erhielten wir, in dem wir zu dem Original- registrat das Fünffache des Stroms addierten, der während der Hyperpolarisierung gemessen wurde. Es wurden die Ströme, die alle 30 s erzeugt worden waren, aus 2.5 Minuten (d.h. 5 gemessene Kalziumströme) gemittelt. Aus den ersten beiden Mittelwerten
Methoden 23 vor Substanzgabe erhielten wir einen gemittelten Referenzwert (PRE); das Ver- hältnis aller weiteren Messwerte zu PRE wurde nun dazu prozentual dargestellt. 2.7.3 Statistische Bearbeitung der Aufzeichnung der muscimol- und glutamatinduzierten Ströme Wir mittelten die jeweils maximalen, gemessenen, muscimol- und glutamat- induzierten Ströme aller Experimente während des anfänglichen Versuchsab- schnitts (Minute 0 – 5, PRE). Die Strommaxima der zweiten Aufzeichnungsperiode (Minute 30 – 35) wurden ebenfalls absolut bestimmt, gemittelt und prozentual im Verhältnis zu PRE dargestellt.
Ergebnisse 24 3. ERGEBNISSE 3.1 Messungen im Corpus striatum Das Corpus striatum wurde in coronalen Schnitten rostral des Chiasma op- ticum identifiziert. Schon mit Hilfe der niedrigen mikroskopischen Vergrößerung ließ sich das Corpus striatum als „fleckiges“, ovales Areal erkennen (siehe Abbil- dung 7, oben). Die Neurone, die uns in dieser Region interessierten, waren die Medium Spiny Neurone, die in dieser Hirnregion etwa 95 % der Zellpopulation ausmachen. Diese Neurone haben typischerweise spindelförmigen Zellkörper mit einem länge- ren Durchmesser von etwa 12 – 16 µm (Abbildung 7, unten). Corpus striatum 10µm Abbildung 7. Identifizierung des Corpus striatum und der Medium Spiny Neurone. Die obere Abbildung ist eine Fotografie eines coronalen Hirnschnitts (Paxinos und Watson 1982). Das Corpus striatum ist gegen- über Cortex und anderen umgebenden Hirnarealen durch seine fleckige Struktur gut abgrenzbar. Die untere Abbildung zeigt typische striatale Medium Spiny Neurone.
Ergebnisse 25 3.1.1 Vorversuche zur Charakterisierung der striatalen IPSCs Die gemessenen IPSCs waren die Antwort auf 0.1 ms dauernde elektrische Reizpulse von 2 – 16 V Spannungsstärke, alle 15 s appliziert. Mit Hilfe einer Strom-Spannungskurve (Abbildung 8) konnten diese näher charakterisiert werden: es zeigte sich ein linearer Verlauf zwischen der Amplitude der Ströme und den Haltepotentialen, mit einem Umkehrpotential bei – 10.5 mV (nach Korrektur mit dem liquid junction potential). Es lag nahe dem errechneten Umkehrpotential (ent- sprechend der ionischen Zusammensetzung der von uns verwendeten Lösungen) für Chloridionen von – 5.6 mV. IPSC (pA) 300 200 100 pA 100 25 ms -80 -60 -40 20 40 -100 Vh (mV) -200 -300 Abbildung 8. Strom-Spannungskurve: Die Beziehung zwischen der Amplitude der inhibitorischen postsynaptischen Ströme (IPSCs) und dem Haltepotential (Vh). Die Neurone wurden für 6 s auf den Halte- potentialen von – 70 bis + 40 mV gehalten. Pro Potentialstufe wurden je 2 IPSCs evoziert und gemittelt. Ab- gebildet sind die Ergebnisse (Mittelwert + Standardfehler) von 9 Experimenten. Verkleinert ist eine Original- kurve eines Experimentes dargestellt. Als Haltepotential wurde eine Spannung von – 40 mV an die Neurone ange- legt, um die spannungsabhängigen Natriumkanäle zu inaktivieren. Die IPSCs er- reichten zu Versuchsbeginn eine Amplitude von 194 ± 9 pA (n=72; PRE). Die Am- plitude der IPSCs blieb während der 20-minütigen Versuchsdauer in der Kontroll- gruppe (SOL) konstant (Abbildungen 9, 10 und 11).
Ergebnisse 26 Die Superfusion der Schnitte mit dem Natriumkanalblocker Tetrodotoxin (2 x 10-7 M) für 10 Minuten verringerte die IPSC-Amplitude stark (Abbildung 9). Die maximale Antwort wurde am Ende der 10-minütigen Superfusion beobachtet: eine Abnahme auf 19 ± 7 % von PRE. Fünf Minuten nach Beendigung der TTX-Super- fusion zeigte sich ein leichter Rückgang dieses Effekts auf 38 ± 7% von PRE. SOL / TTX 2 x 10-7 M 100 1 IPSC (% von PRE) SOL 50 TTX 2 x 10-7 M (2) 3 TTX * 2 wash * 100 pA (3) * * 0 PRE (1) 25 ms * 0 10 20 min Abbildung 9. Tetrodotoxin hemmt reversibel inhibitorische postsynaptische Ströme (IPSCs) im Corpus striatum. IPSCs wurden alle 15 s durch 0.1 ms dauernde elektrische Reize evoziert (2 – 16 V Reizstärke). Tetrodotoxin (2 x 10-7 M, TTX) wurde von Minute 5 bis 15 superfundiert, während die Kontrollgruppe weiter mit SOL superfundiert wurde. Die Werte der ersten 5 Minuten wurden gemittelt (PRE). Die übrigen Werte wurden alle 2.5 Minuten gemittelt und prozentual von PRE dargestellt. Abgebildet sind die Ergebnisse (Mittelwert + Standardfehler) aus 9 (SOL) und 10 (TTX) Experimenten. Signifikanter Unterschied zur SOL-Gruppe: * P < 0.05. Verkleinert ist eine Originalkurve eines TTX-Experimentes abgebildet; dargestellt sind die Ströme zu den Zeitpunkten 1 (PRE), 2 (TTX) und 3 (washout). 3.1.2 Wirkung von Cannabinoiden auf striatale IPSCs Die Gabe des Cannabinoidrezeptor-Agonisten WIN55212-2 (10-6 M) führte in einer ersten Versuchsreihe zu einer signifikanten Abnahme der Amplitude der IPSCs (Abbildung 10). Um eine Hemmung dieser IPSCs zu beobachten, war eine mindestens fünfminütige Substanzsuperfusion nötig. 15 Minuten nach Beginn der Superfusion von WIN55212-2 (10-6 M) hatten die IPSCs auf 53 ± 6 % von PRE ab- genommen.
Ergebnisse 27 Eine gleichzeitige Superfusion mit dem spezifischen CB1-Rezeptor- Antagonisten SR141716A (10-6 M) hob den Effekt von WIN55212-2 auf (Abbildung 10). -6 SOL / WIN 10 M / -6 -6 SR 10 M + WIN 10 M 100 SOL IPSC (% von PRE) SR + WIN 50 WIN * * * 0 0 10 20 min Abbildung 10. Der CB1-Rezeptor-Antagonist SR141716A hemmt die Wirkung von WIN55212-2 auf inhibitorische postsynaptische Ströme (IPSCs) im Corpus striatum. IPSCs wurden alle 15 s durch 0.1 ms dauernde elektrische Reize evoziert (2 – 16 V Reizstärke). WIN55212-2 (10-6 M) bzw. die Kombination aus -6 -6 WIN55212-2 (10 M) und SR141716A (10 M) wurde ab Minute 5 superfundiert, während die Kontrollgruppe weiter mit SOL superfundiert wurde. Die Werte der ersten 5 Minuten wurden gemittelt (PRE). Die übrigen Werte wurden alle 2.5 Minuten gemittelt und prozentual von PRE dargestellt. Abgebildet sind die Ergebnisse (Mittelwert + Standardfehler) aus 8 (SOL), 11 (WIN) und 11 (SR+WIN) Experimenten. Signifikanter Unterschied zur SOL-Gruppe: * P < 0.05. In einer weiteren Versuchsreihe superfundierten wir WIN55212-2 in vier Konzentrationen (10-5, 10-6, 10-7 und 10-8 M), um die Beziehung zwischen Kon- zentration und Wirkung zu untersuchen (Abbildung 11). WIN55212-2 in der nie- drigsten Konzentration (10-8 M) zeigte entsprechend der Kontrollgruppe keinen Effekt auf die Amplitude der IPSCs, während wir bei der Applikation von WIN55212-2 (10-7 M) bereits eine nicht signifikante Hemmung der post- synaptischen Ströme auf 48 ± 8 % von PRE beobachteten. Die größte Hemmung beobachteten wir bei der Superfusion von WIN55212-2 in der Konzentration von 10-6 M: eine signifikante Abnahme der IPSC-Amplitude auf 35 ± 5 % von PRE. Bei Superfusion von WIN 10-5 M war die IPSC-Amplitude 46 ± 7 % von PRE. Demnach war die maximale Hemmung bereits bei 10-6 M erreicht.
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