Wirkungsweise der BahnCard aus Kunden- und Unternehmenssicht - exeo Strategic ...

 
WEITER LESEN
Wirkungsweise der BahnCard aus Kunden- und Unternehmenssicht - exeo Strategic ...
POLITIK Intermodalität

Fahrkartenkauf im DB Reisezentrum                                                                          Foto: JET Foto/Kranert/Deutsche Bahn AG

Wirkungsweise der
BahnCard aus Kunden- und
Unternehmenssicht
Die BahnCard als wirtschaftliches Instrumentarium für
Reisende und Bahnunternehmen
BahnCard, Verkehrsmittelwahl, Intermodaler Wettbewerb, Preiswahrnehmung

Die Wirkungsweise der BahnCard wird seit langem über einen Sunk Cost-Effekt erklärt: Kunden investie-
ren in die Karte. Die Kartengebühren sind „verloren“, folglich ist nur der abgesenkte Ticketpreis für die
Verkehrsmittelwahl entscheidungsrelevant. Die Bahn erreicht damit das Niveau der variablen Kosten des
PKW und wird wettbewerbsfähig. Empirisch lässt sich die These allerdings nicht bestätigen. Offensicht-
lich greifen andere Mechanismen wie Precommitment, Vereinfachungsprozesse und die Affinität zur Bahn
bzw. der Wunsch, die Bahn in Zukunft stärker zu nutzen.

Andreas Krämer

D
            er Besitz der BahnCard führt zu        ter aus [1]. Auf längeren Strecken verstärkte   PKW-Reisen auch teilweise negativ zu Las-
            einer veränderten Verkehrsmit-         sich der Wettbewerb bei Airlines, nachdem       ten der Bahn (stark gesunkene Kraftstoff-
            telwahl zugunsten der Bahn. Sie        Ryanair eine neue Preisoffensive ankündig-      preise, BlaBlaCar als neuer Konkurrent für
            ist vorteilhaft für den Kunden –       te und gleichzeitig die angeschlagene Air-      Mitfahrgelegenheiten [3]).
je mehr Bahnreisen getätigt werden, desto          Berlin sich dem Preiswettbewerb nicht ent-         Konsequenz für die DB war in den Folge-
größer ist die Ersparnis durch die BahnCard        ziehen konnte. Auf mittleren Strecken führ-     jahren ein relativer und absoluter Nachfra-
– und für die Bahnunternehmen – je mehr            te die Liberalisierung des Marktes für Rei-     geverlust. Seit 2017 ergeben sich jedoch teil-
zusätzliche Bahnreisen getätigt werden,            sen mit dem Fernlinienbus erst zu einem         weise massive Nachfragezuwächse für das
desto eher wird der Rabatt durch die Karte         starken Kapazitätswachstum, dann zu ei-         Bahnsystem. So weist die Prognose des BAG
ökonomisch gerechtfertigt.                         nem Preiskrieg (zu Zeiten des intensivsten      für die Bahn im Linienfernverkehr bis 2021
                                                   Preiskampfes waren Preise pro km von we-        eine steigende Nachfrage auf 161 Mio. Fahr-
Bahn im Wettbewerb mit anderen                     niger als 1 Cent möglich) und in 2016 zu ei-    ten aus (ein Zuwachs von 23"% ggü. 2015).
Verkehrsmitteln                                    ner Marktbereinigung mit anschließender         Gleichzeitig wird für den Fernlinienbus
Noch vor etwa drei Jahren sahen die Pers-          Monopolsituation [2]. Gleichzeitig verän-       eine konstante bis rückläufige Nachfrage
pektiven für den DB Fernverkehr eher düs-          derten sich die Rahmenbedingungen bei           (23 Mio. Fahrten in 2021) erwartet [4]. Die

16   Internationales Verkehrswesen (70) 3 | 2018
Wirkungsweise der BahnCard aus Kunden- und Unternehmenssicht - exeo Strategic ...
Intermodalität !POLITIK

Zahl der Reisenden im Fernverkehr ist in        Bei einem angenommenen Preis pro km von           dung des Kunden ein, ob er mit der Bahn
den ersten sechs Monaten 2018 um 3,8"%          0,20 EUR (Flexpreis 2. Klasse) ist dieser         oder dem Auto fährt. ... Bei jeder dieser Ent-
ggü. Vorjahr gewachsen, bedingt durch An-       Punkt bei 2550 km erreicht (oder bei Annah-       scheidungen legt er den 50-Prozent-Rabatt
gebotsveränderungen sowie eine angepass-        me einer mittleren Entfernung von 350 km          zugrunde.“ [8]. Der Erfolg der Bahn wird
te Preispolitik und stärkere Vermarktung        einfache Strecke bei ca. 3,6 Reisen). In der      demzufolge damit erklärt, dass die Bahn-
der BahnCard. So kommunizierte die Deut-        Realität wird die Berechnung des Break-           Card die Kostenstruktur des Autos nach-
sche Bahn im Fernverkehr in 2015 erstmals       even nicht nur dadurch erschwert, dass fak-       ahmt [9]. Die dann wahrgenommen Preise
Sparpreise ab 19 EUR als Aktionsangebot,        tisch statt linearer Kilometerpreise für den      (50 % des Flexpreises im Falle der Bahn-
ab August 2018 gehören Super Sparpreise         DB Fernverkehr Relationspreise vorliegen,         Card 50) liegen auf Höhe der variablen Kos-
ab 19,90 EUR zum Regelangebot. Gleichzei-       sondern auch dass durch die Einbeziehung          ten der PKW-Nutzung oder darunter. Tat-
tig erreicht die BahnCard einen Rekordwert      der BahnCard 25 als Alternative zur Bahn-         sächlich lässt sich dieses Verbraucherver-
im Bestand von ca. 5,3 Mio. Stück.              Card 50 der Break-even quasi nach rechts          halten „aus dem Lehrbuch“ empirisch nicht
                                                verschoben, also später erreicht wird als in      belegen, im Gegenteil: Sowohl die Besitzer
BahnCard: Starke Polarisierung                  der isolierten Betrachtung von Flexpreis          der BahnCard 50 beziehen nicht nur die re-
in der Bewertung                                ohne BahnCard 50 vs. Besitz der BahnCard          duzierten Ticketpreise in ihre Entschei-
Am 4. Dezember 2014 sah es kurz so aus, als     50 und 50"% Rabatt auf den Flexpreis, wie in      dung und Preisbeurteilung mit ein, auch bei
wollte die Deutsche Bahn ihr wichtigstes        Bild 1 links dargestellt [7].                     den PKW-Nutzern ist dies hinsichtlich der
Kundenbindungs-Instrumentarium,           die                                                     variablen Kosten der Fall [10]. Fixe und qua-
BahnCard, abschaffen. Nachdem zu frühen         Kostenwahrnehmung und Evoked-Set                  si-fixen Kosten werden aus Sicht der Ent-
Morgenstunden per Twitter die Meldung           Durch den Besitz der BahnCard besteht für         scheider zum Teil in die Verkehrsmittelwahl
„BahnCard soll abgeschafft werden“ ver-         den Bahnkunden der Anreiz, Fahrten ande-          und Kostenwahrnehmung mit einbezogen.
breitet wurde, entwickelte sich eine aufge-     rer Verkehrsmittel auf die Bahn zu verla-         Bereits in einer früheren Untersuchung
heizte Diskussion. Später beschreibt dies       gern. Dies formuliert Tacke wie folgt: „… Der     konnte festgestellt werden, dass die aus Ver-
DIE ZEIT wie folgt: „Den Bahnfahrern die        Kartenpreis gilt als „sunk costs“ – die sind      brauchersicht angesetzten Kosten für die
BahnCard wegzunehmen, so schien es, ist         weg. Sie fließen nicht mehr in die Entschei-      Nutzung des eigenen PKW etwa 17 bis
etwa so schlimm, wie den Autofahrern die
freie Fahrt auf Autobahnen zu verbieten.
Ein nationaler Statusverlust“ [5]. Das De-
menti der Deutschen Bahn folgte umge-
hend. Dies ist nur ein Beispiel für die ambi-
valente Bewertung der BahnCard, die in
Deutschland 1992 eingeführt wurde. Vor
diesem Hintergrund wird nachfolgend die
Wirkungsweise der BahnCard (am Beispiel
vorrangig der BahnCard 50) untersucht,
und zwar einerseits aus Sicht der Kunden,
anderseits aus Sicht des Bahnunterneh-
mens.

Die Beeinflussung der Verkehrs-
mittelwahl durch den Besitz der
BahnCard

Entscheidung unter Unsicherheit: Wann ist
der Break-even erreicht?                        Bild 1: Break-even-Betrachtung zur BahnCard 50
Für den Bahnreisenden ergibt sich durch
den Kauf der Rabattkarte die Möglichkeit,
Planbarkeit in Bezug auf den erreichbaren
Rabatt zu erhalten (50"% Rabatt auf den
Flexpreis bei der BahnCard 50). Sofern der
Flexpreis eine bekannte Größe darstellt, be-
deutet dies für den Kunden Planungssicher-
heit in Bezug auf den Endpreis des Tickets,
nicht jedoch zwingend auf die Gesamtaus-
gaben für Bahnreisen [6].
   Bei isolierter Entscheidung bezüglich der
BahnCard 50 ist abschätzbar, dass der Break-
even der Karte bei etwa 510 EUR Umsatz im
Flexpreis erreicht ist (2. Klasse). In diesem
Fall sind die Ausgaben mit BahnCard 50
(255 EUR für die Karte und 255 EUR für Ti-
ckets) so hoch wie die Ausgaben für nicht
rabattierte Tickets im Flexpreis (510 EUR).     Bild 2: Entscheidung für die Bahn oder für das Auto

                                                                                                 Internationales Verkehrswesen (70) 3 | 2018   17
Wirkungsweise der BahnCard aus Kunden- und Unternehmenssicht - exeo Strategic ...
POLITIK Intermodalität

20 Cent pro km betragen (auch bei Besitzern           anteilig einbezogen werden, erscheint die        konträre Sicht folgte sogleich: „Das gegen-
der BahnCard) und damit deutlich über die             Bahnreise kostengünstiger als der PKW            wärtige Preissystem ist das dümmste, das es
reinen variablen Kosten der Nutzung hin-              (vgl. Bild 2). Dabei sind andere Nutzenele-      gibt“ lautete die Gegenthese (Ilgmann).
ausgehen [11]. In einer erneuten Messung              mente wie die bessere Verwendung der Rei-           Ein Argument gegen die BahnCard:
wurde dies in 2018 noch einmal bestätigt.             sezeit und Komfortaspekte noch nicht be-         Wenn das Unternehmen Zahlungsbereit-
   Offensichtlich greifen andere Mechanis-            rücksichtigt.                                    schaften der Kunden ungenutzt lässt, weil
men wie Precommitment, Vereinfachungs-                    Die so erzeugte zusätzliche Nachfrage        überproportional hohe Rabatte an die Kun-
prozesse und die Affinität zur Bahn bzw. der          (Mehrverkehr) kann im Falle der BahnCard         den ausgeschüttet werden, kann möglicher-
Wunsch, die Bahn in Zukunft stärker zu                50 zwischen 30 und 35"% des Bahnreisevolu-       weise keine ausreichende Rendite erzielt
nutzen, die rational begründbar sind oder             mens liegen. Entsprechende Quoten wur-           werden. In diesem Kontext erscheint die
eher nicht-rationale Faktoren wie die Über-           den in der Studie MobilitätsTRENDS 2018          BahnCard 50 besonders problematisch. Sie
schätzung des eigenen Reisevolumens und               nicht nur für die BahnCard 50 sondern auch       steht z."B. im Widerspruch zur Zielsetzung
der Wunsch, nicht den vollen Flexpreis zah-           für die „Schwester-Produkte“ der ÖBB (Vor-       der Deutschen Bahn, Nachfrage zu „steu-
len zu müssen [12].                                   teilscard) und der SBB (Halbtax-Abonne-          ern“ und gleichmäßiger auf die Kapazität zu
                                                      ment) gemessen.                                  verteilen, dadurch Auslastungsspitzen zu
Die Entstehung von Mehrverkehr                                                                         vermeiden und gleichzeitig den Komfort für
Der Besitz der BahnCard führt dazu, dass              Die Unternehmenssicht: Loyalität                 die Reisenden zu erhöhen.
die Verkehrsmittelwahl vereinfacht wird. So           der Kunden, Einnahmensicherung
nimmt die Anzahl der wahrgenommenen                   und Grundauslastung                              Hoher Grundnutzen für Heavy-User = nicht
Alternativen zur Bahn deutlich ab, d."h. es                                                            ausgeschöpfte Zahlungsbereitschaften
folgt eine stärkere Fokussierung auf die              Die BahnCard 50 im Expertenstreit                Gerade für Vielreisendende bestehen gute
Bahn als Verkehrsmittel. Diese Nachfrage-             Die Wirkungsweise des Instrumentariums           Möglichkeiten, das individuelle Budget für
verlagerung führt wiederum zu einem hö-               BahnCard entpuppt sich damit als komple-         Reisen deutlich zu reduzieren. Die nichtli-
heren Bahn-Modalanteil. Je mehr Reisen                xer und vielschichtiger als allgemein ange-      neare Preisbildung (Jahresgebühr plus abge-
der BahnCard-Besitzer zur Bahn verlagert,             nommen. Gleichzeitig zeigt sich eine starke      senkter km-Preis) begünstigt Personen mit
desto eher wird der Break-even der Bahn-              Polarisierung in der Beurteilung. Besonders      einem planbaren hohen Reisevolumen. Bei
Card erreicht und überschritten. In diesem            deutlich wurde dies, als im Nachgang zur         Zugrundelegung einer Bahnnutzung von ca.
Fall steigt die effektive Rabattierung des            vermeintlichen Abschaffung der BahnCard          12"000 km (20 Reisen mit je 300 km einfache
Bahn-Flexpreises mit jeder Bahnreise. Im              im Dezember 2014 in der Wochenzeitung            Entfernung, km-Preis ca. 20 ct.) würden sich
Endeffekt tätigt der BahnCard-Besitzer so-            DIE ZEIT (v. 22. 1.2015) eine Experten-Dis-      bei Nutzung des Flexpreises Kosten von ca.
mit deutlich mehr Reisen mit der Bahn als             kussion dazu ins Leben gerufen wurde.            2400 EUR p.a. ergeben. Mit Kauf der Bahn-
in einer Situation ohne BahnCard-Angebot,                 Darin wurde einerseits die BahnCard 50       Card 50 (Jahresgebühr 2. Klasse: 255 EUR)
allerdings zu einem deutlich abgesenkten              als „ziemlich cleveres“ Instrumentarium (Ta-     sinken die Ausgaben bei sonst gleichen Um-
Preis. Durch die Rabattierung des Flexprei-           cke) beschrieben, welches den Kunden einen       ständen auf 1455 EUR, d."h. um 40"%.
ses liegt der Ticketpreis im Falle der Bahn-          effektiven Rabatt von 30"% gewährt (wenn            Dies ist für das Bahnunternehmen solan-
Card 50 bei etwa 10 Cent pro km und er-               die Kosten der Karte in die Berechnung ein-      ge wirtschaftlich, wie mit der Nutzung der
reicht damit ein Niveau, bei dem die Ver-             bezogen werden), während der Kunde in der        BahnCard 50 ein entsprechender Mehrver-
braucher Bahnreisen als preisgünstig emp-             Verkehrsmittelwahl einen 50-prozentigen          kehr verbunden ist. Reicht dieser nicht aus,
finden. Selbst wenn die Kartengebühren                Rabatt auf den Normalpreis wahrnimmt. Die        kann die Wirtschaftlichkeit des Rabattinst-
                                                                                                       ruments für das Unternehmen leicht negativ
                                                                                                       werden. Je höher demzufolge die Rabattie-
                            Aus Sicht des                              Aus Sicht des                   rung des Flexpreises ist, desto höher ist auch
                            Bahnkunden                               Bahnunternehmens                  das wirtschaftliche Risiko für das Unterneh-
                                                                                                       men. Ein weiterer Nachteil ist aus Sicht der
                    Planbarer Rabatt und Sicherstel-             Verstärkung der Kundenloyalität /     Deutschen Bahn mit der BahnCard 50 ver-
                    lung eines attraktiven Preisniveaus          Basis für CRM und kundenbezo-
                    Vereinfachung der Entschei-                  gene Daten                            bunden: Den Möglichkeiten, Nachfrage
                    dungsfindung in der Verkehrs-                Erhöhung des Modalanteils durch       durch ein dynamisches Pricing zu steuern,
                    mittelwahl (geringe Suchkosten)              zusätzliche Bahnreisen                sind bei einem großen BahnCard 50-Be-
                    Individuelle Budgetentlastung für            Steigerung des Kundendeckungs-        stand Grenzen gesetzt (vgl. Bild 3).
                    Mobilität                                    beitrags (Lifetime-Value)

                                                                                                       Ausblick – Die BahnCard als Wett-
                    Ausgaben für die Rabattkarte                 Hohe Flexpreis-Rabattierung           bewerbsinstrumentarium
                    zeitlich vorgeschaltet zur Inan-             Systemkosten und unterneh-            Vor diesem Hintergrund erscheint eine
                    spruchnahme der Rabattleistung               merisches Risiko                      Kombination der BahnCard- und der Spar-
                    Unsicherheit bezüglich der effek-            Beschränkte Möglichkeiten zur
                    tiven Rabattierung (Intransparenz            Nachfragesteuerung (volle
                                                                                                       preis-Rabattierung nicht nur für die Kun-
                    zum Reisevolumen p.a.)                       Flexibilität zum reduzierten Preis)   den, sondern auch für das Unternehmen
                                                                                                       interessant:
                                                                                                       • Die Deutsche Bahn bietet bereits seit
                       Entscheidung unter Unsicherheit /           Positive Einnahmenwirkungen nur
                       Ökonomisch vorteilhaft, sobald der          bei ausreichendem Mehrverkehr /
                                                                                                          2002 eine BahnCard 25 an, die zwar nur
                       Break-even überschritten wird               Erhöhung Grundauslastung               den „halben“ Rabatt auf Flexpreise ge-
                                                                                                          währt, allerdings die Verknüpfung der
Bild 3: Bewertung des Instrumentariums BahnCard 50 aus Sicht der Bahnkunden und des                       Rabattierung mit dem Sparpreis ermög-
Bahnunternehmens                                                                                          licht. Gleichzeitig wurde die BahnCard

18   Internationales Verkehrswesen (70) 3 | 2018
Wirkungsweise der BahnCard aus Kunden- und Unternehmenssicht - exeo Strategic ...
Intermodalität !POLITIK

    50 abgeschafft, aber aufgrund des öffent-
    lichen und politischen Drucks später zu
    einem deutlich höheren Preis Mitte
    2003 wieder eingeführt.
•   Der abgesenkte Kartenpreis der Bahn-
    Card 25 führt zu einem vergleichsweise
    niedrigen Break-even. Damit werden
    Personen angesprochen, die deutlich we-
    niger Bahnreisen unternehmen als Besit-
    zer der BahnCard 50. Durch Vermark-
    tungsaktionen werden diese Effekte
    noch verstärkt. Ein besonders eindrucks-
    volles Beispiel ist die Jubiläums-Bahn-
    Card 25, die im Oktober 2017 zum Preis
    von 25 EUR (2. Klasse) angeboten wurde
    (Gültigkeit 12 Monate). Für das Alters-
    segment unter 27 Jahren wird mit der
    My BahnCard ebenfalls eine stark ermä-        Bild 4: Kaufpotenzial und Preisbereitschaft für die BahnCard 25
    ßigte Karte (My BahnCard 25 für 39 EUR
    und My BahnCard 50 für 69 EUR p."a.)
    angeboten (vgl. Bild 1).
•   Das Volumen an Sparpreis-Fahrten wur-         auf hingewiesen, dass Wahrnehmungsver-                                     [5] Bund, K. (2015): Im Land der leeren Züge. DIE ZEIT online v. 22.1.2015.
    de in den letzten Jahren stark erhöht,        zerrungen für die Verbraucherentscheidung                                  [6] Ding, L., Xin, C., & Chen, J. (2005): A risk-reward com-petitive ana-
    nicht zuletzt, weil die zuggebundenen         von nicht-linearen Preismodellen verant-                                       lysis of the Bahncard problem. In International Conference on Algo-
                                                                                                                                 rithmic Applications in Management (pp. 37-45). Springer, Berlin,
    Tickets immer kundenfreundlicher ge-          wortlich sind [14]. Die Kunden entscheiden
                                                                                                                                 Heidelberg.
    staltet wurden. Gleichzeitig steigt die Ef-   sich für einen Tarif, der nicht optimal für sie
                                                                                                                             [7] Schmale, H., Ehrmann, T., & Dilger, A. (2013): Buying without
    fizienz und die Effektivität des Erlösma-     ist. Der Nachweis, dass sich die BahnCard-
                                                                                                                                 using–biases of German BahnCard buyers. Applied Economics,
    nagements im DB Fernverkehr an [13].          Besitzer überwiegend für die falsche Karte                                     45(7), S. 933-941.
•   Durch die seit August 2018 eingeführten       entscheiden [7], konnte nicht zweifelsfrei                                 [8] Tacke, G. (2015): „Durch Zwei teilen kann jeder“. Interview in der
    Super Sparpreise wird der von der DB          erbracht werden [15]. Die Entscheidung zu-                                     TAZ, 13.3.2015. Download unter http://www.taz.de/!5017032/
    eingeschlagene Weg weiter ausgebaut.          gunsten der BahnCard kann auch rational                                    [9] Simon, H., & Butscher, S. A. (2001): Individualised pricing: boosting
    Die Kombination des Preises ab                begründet sein. Selbst, wenn Unsicherheit                                      profitability with the higher art of power pricing. European Ma-
    19,90 EUR pro Strecke führt bei Bahn-         bezüglich der konkret geplanten Reisen der                                     nagement Journal, 19(2), S. 109-114.
    Card-Besitz zu einem effektiven Preis         kommenden zwölf Monate besteht, kann                                       [10] Krämer, A. (2017): Demystifying the „Sunk Cost Fallacy“: When Con-
    von weniger als 15 EUR und wird damit         die Festlegung auf das Verkehrsmittel Bahn                                      sidering Fixed Costs in Decision-Making Is Reasonable, Journal of
    bereits auf mittleren Strecken nicht nur      in Verbindung mit dem Kauf einer Bahn-                                          Research in Marketing, Vol. 7, Heft 1/2017, S. 510-517.
    sehr wettbewerbsfähig gegenüber dem           Card durchaus rational sein.                                               [11] Krämer, A. (2016): Kostenwahrnehmung bei PKW-Reisen – Empiri-
                                                                                                                                  sche Analyse zur Schätzung der PKW-Kosten und der wahrgenom-
    PKW (wahrgenommene Kosten bei                     Die zweite Facette betrifft den Zusam-
                                                                                                                                  menen Kostenkomponenten bei Autofahrern im DACH-Gebiet.
    300 km ca. 50 EUR, Kraftstoffkosten von       menhang zwischen Preis- und Kundenbe-                                           Internationales Verkehrswesen, 68 (4), 2016, S. 16-19.
    25 bis 30 EUR), sondern auch gegenüber        ziehungsmanagement. Es kann durchaus                                       [12] DellaVigna, S., & Malmendier, U. (2006): Paying not to go to the
    dem Fernlinienbus (Flixbus) und Mit-          wirtschaftlich sinnvoll sein, auf eine kurz-                                    gym. American Economic Review, 96(3), S. 694-719.
    fahrgelegenheiten (BlaBlaCar).                fristige Ausschöpfung der Zahlungsbereit-                                  [13] Krämer, A., Hercher, J. (2016): MobilitätsTRENDS 2016 - Sparpreise:
•   Für die BahnCard besteht ein erhebli-         schaften der Kunden zu verzichten (z.B. bei                                     Wirkungsvolles Instrument der Bahn im Wettbewerb Bonn, Dezem-
    ches unausgeschöpftes Absatzpotenzial.        Vielfahrern mit BahnCard 50), wenn mittel-                                      ber 2016. Verfügbar unter https://www.rogator.de/files/content/
    Zu dieser Erkenntnis kommt man nicht          bis langfristig durch eine stärkere Kunden-                                     Unternehmen/Studie/exeo_MobilitätsTRENDS_Sparangebote%20
    nur, wenn die BahnCard-Durchdringung          haltbarkeit und -loyalität der Customer                                         der%20Bahnen_im_D-A-CH-Gebiet.pdf
    in Deutschland mit der in Österreich          Lifetime Value erhöht wird.                  ■                             [14] Lambrecht, A., & Skiera, B. (2006): Paying too much and being hap-
                                                                                                                                  py about it: Existence, causes, and consequences of tariff-choice
    (VorteilsCard) und der Schweiz (Halb-
                                                                                                                                  biases. Journal of Marketing Research, 43(2), S. 212-223.
    Tax-Abonnement) verglichen wird. Auch
                                                                                                                             [15] Krämer, A. (2015): Rabatt- und Kundenbindungskarten im Perso-
    die Ergebnisse der eigenen Studie Mobi-        LITERATUR
                                                                                                                                  nenverkehr - Eine länderübergreifende Analyse zu den Bahn-Ra-
    litätTRENDS belegen dies (Bild 4): Per-       [1] Krämer, A. (2016): Zukunft Bahnpersonenverkehr: Wie wettbe-                 battkarten in der DACH-Region. ZEVrail, 139(9), September 2015,
    sonen ohne BahnCard-Besitz wurden da-             werbsfähig ist das deutsche Bahnsystem unter veränderten Kon-               S. 341-347.
    bei gefragt, ob der Kauf einer BahnCard           kurrenzbedingungen? ZEVrail 140 (4), S. 138-145.
    25 für sie in Frage kommt. Etwa jeder         [2] Krämer A., Wilger G., Bongaerts, R. (2017): Fernlinienbusse – eine
    zehnte Befragte in Deutschland verfügt            Erfolgsgeschichte?! Marktbedingungen – Geschäftsmodelle – Ent-
    über ein Kaufpotenzial und nennt einen            wicklungsperspektiven, KSV Verlag, Köln.
    Maximal-Preis für die BahnCard 25.            [3] Krämer, A., Bongaerts, R. (2017): Wie Digitalisierung die Wettbe-                        Andreas Krämer, Prof. Dr.
                                                      werbsposition der Bahn verändert. Internationales Verkehrswesen,                         Vorstandsvorsitzender der exeo
                                                      69(2), Feb. 2017, S. 26-30.                                                              Strategic Consulting AG, Bonn;
   Abschließend soll auf zwei wichtige Fa-
                                                  [4] BAG (2017): Kurzfristprognose Herbst 2017/18 Gleitende Mittelfrist-                      Professor für Pricing und Customer
cetten zum Verständnis der Wirkungsweise                                                                                                       Value Management/CRM an der
                                                      prognose für den Güter- und Personenverkehr des Bundesamtes
der BahnCard hingewiesen werden. Der ers-             für Güterverkehr, erscheinen am 19.09.2017, Download unter https://                      University of Applied Sciences
te Aspekt betrifft die Rationalität der Bahn-         www.bag.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Verkehrsprognose/                                Europe, Fachbereich BiTS, Iserlohn
                                                                                                                                               andreas.kraemer@exeo-consulting.com
Card-Entscheidung. Zwar wird vielfach dar-            verkehrsprognose_Winter_2017_2018.pdf?__blob=publicationFile

                                                                                                                            Internationales Verkehrswesen (70) 3 | 2018                             19
Sie können auch lesen