WIRTSCHAFTS- UND INNOVATIONSBERICHT - BERLIN 2020/2021
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Inhalt Vorwort5 I. Wirtschaftspolitik in Berlin 6 II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin 9 III. Wirtschaft 20 1. Cluster der innoBB 2025 20 1. Gesundheitswirtschaft / Life Science 22 2. IKT, Medien und Kreativwirtschaft 24 3. Verkehr, Mobilität und Logistik 33 4. Optik und Photonik 36 5. Energietechnik 38 6. Weitere Innovationsfelder 40 2. Zukunftsorte / Liegenschaftspolitik 42 3. Startups 44 4. Soziale Ökonomie 47 5. Tourismus / Kongresse / Gastgewerbe 49 6. Außenwirtschaft / Entwicklungszusammenarbeit 51 7. Wirtschaftsrechtliche Aspekte 57 8. Services und Förderung für Unternehmen 59 1. Unternehmensservice 59 2. Gründungsförderung 61 3. Innovationsförderung 65 4. Zuschüsse für Unternehmen und Infrastruktur 68 5. Darlehen, Bürgschaften und Beteiligungen 73 IV. Energie 76 1. Energiepolitik 76 2. Energieversorgung 78 V. Betriebe 80 1. Berliner Stadtreinigungsbetriebe 81 2. Berliner Verkehrsbetriebe 84 3. Berliner Wasserbetriebe 86 VI. Berliner Wirtschaftsdaten 89 3
Vorwort Turbulente Monate liegen hinter uns, geprägt von erheblichen Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Die Berliner Wirt- Einschränkungen in vielen Teilen der Wirtschaft und des gesell- schaftsstruktur hat sich in den vergangenen Jahren enorm sta- schaftlichen Lebens, gleichzeitig aber auch der Entdeckung bilisiert, ist resilienter geworden und bei weitem nicht mehr so alternativer Formen des Arbeitens, des Lernens und der – meist krisenanfällig wie früher. Denn starke, zukunftsorientierte Wirt- – digitalen Begegnung. schaftszweige, wie die Gesundheitswirtschaft und die Digital- branche, sind in Berlin zu Hause, die Informationsdienstleistun- Vor einem Jahr waren wir noch zuversichtlich, dass die Pande- gen (+11,5 %) und die Informationstechnologie (+3,0 %) ver- mie im Herbst 2020 überwunden sei und wir mit einem eige- zeichneten steigende Umsätze. Auch im Berliner Bauhauptge- nen Berliner Konjunkturprogramm an den Start gehen würden. werbe wuchs der Umsatz (5 %); die Berliner Industrie konnte Doch die zweite und dritte Corona-Welle hat uns durch diese sich nach dem Einbruch im ersten Lockdown stabilisieren und Pläne einen dicken Strich gemacht. Es folgte ein langer, zäher erhöhte den Umsatz um 2,7 %. Berlin behauptet nach wie vor Lockdown, den wir uns so alle nicht haben träumen lassen. seinen Spitzenplatz als deutsche Gründungshauptstadt: Die Zahl der Finanzierungsrunden kletterte in Berlin im vergange- Heute aber, im Sommer 2021, erlauben uns zahlreiche neu nen Jahr um 20 %. eingeübte Routinen, sinkende Inzidenzwerte und steigende Impfquoten endlich, unsere damaligen Überlegungen umzu- Unsere Ziele sind klar: Wir werden die Energie- und Mobilitäts- setzen. Das gilt vor allem für den Tourismus sowie den Gast- wende entscheidend mitgestalten, die Vorreiterrolle der Ge- stätten- und Kongressbereich – Branchen, die stark unter den sundheitswirtschaft ausbauen, die Medien- und Kreativwirt- Lockdown-Regelungen zu leiden hatten. Berlin als weltoffene schaft stärken und die Schlüsseltechnologien IKT, Optik und Metropole hat seine Gäste schmerzlich vermisst. Ich freue Photonik voranbringen. Heute zahlt sich aus, dass wir gezielt mich sehr, dass wir nun mit den Öffnungen der Hotels für tou- auf Branchen und Technologiefelder gesetzt haben, die nach ristische Übernachtungen einen wichtigen Schritt zum Restart der Krise an Bedeutung gewinnen werden. In diesen Clustern der Tourismus- und Kongressbranche haben machen können. entwickelt Berlin mit der Innovationsstrategie innoBB 2025 seit Jahren innovative Lösungen, die gerade nach der Coro- Begleitet wird diese erfreuliche Entwicklung von zahlreichen na-Pandemie weltweit gebraucht werden. auf die Berliner Wirtschaft spezifisch ausgerichteten Förder- maßnahmen. Mit 15 unterschiedlichen Soforthilfe- und Über- Berlin ist sehr gut aufgestellt, um schnell wieder das hohe Wirt- brückungshilfsprogrammen haben Berlin und der Bund die schaftsniveau, die innovative Frische und die inspirierende Berliner Wirtschaft mit 4,25 Milliarden Euro gestützt und Kreativität zurückzuerlangen, die wir mit viel Engagement in 450.000 Arbeitsplätze gesichert. Auch wenn es vielleicht noch der Vor-Corona-Phase gemeinsam aufgebaut hatten. zu früh ist, ein Fazit zu ziehen, kann schon jetzt festgestellt wer- den, dass Berlin im Bundesländervergleich gut durch die Krise kommen wird: Bei der konjunkturellen Entwicklung stehen wir mit einem BIP-Rückgang von 3,3 % in 2020 besser da als der Bundestrend (-4,8 %). Die Arbeitsmarktdaten zeigen, dass Ber- lin kaum an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verlo- Ramona Pop ren hat. Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe 5
I. Wirtschaftspolitik in Berlin Die Wirtschaftspolitik in Berlin war 2020 und in den Folgemonaten davon geprägt, die negativen Auswir- kungen der COVID-19-Pandemie und die daraus resultierenden Eindämmungsmaßnahmen auf Berliner Un- ternehmen, deren Inhaberinnen und Inhaber sowie der Belegschaften, abzufedern. Ziel war es, gravierende Folgeschäden von der Gesamtwirtschaft abzuwenden. Noch nie wurden Unternehmerinnen und Unternehmern und orts Berlin ausrichten und die von den Bundesprogrammen deren Beschäftigten finanzielle Mittel des Landes und des nicht im ausreichenden Maße berücksichtigt werden. Bundes in so kurzer Zeit, in einem solchen Umfang und in sol- cher Breite zur Verfügung gestellt. Durch schnelles, umsichti- • Soforthilfe Gewerbemieten: Besonders hart von der Coro- ges Agieren nahm das Land Berlin dabei gleich in der ersten na-Krise betroffene Unternehmen des Berliner Mittelstan- Phase der Pandemiebekämpfung im März 2020 eine Vorrei- des mit über 10 und bis zu 249 Beschäftigten konnten Zu- terrolle unter den Bundesländern ein. In Kooperation mit der schüsse in Höhe von 50 % ihrer gewerblichen Mieten bzw. Investitionsbank Berlin (IBB), die in nur wenigen Tagen die not- Pachten für die Monate April und Mai 2020 beantragen. wendige technische und inhaltliche, digitale Administrierbar- keit eines Zuschussprogramms gewährleistete, ging Berlin • Soforthilfe für Betriebe der Schankwirtschaft: Betriebe schnell und unbürokratisch finanziell in Vorleistung. Dies war der Schankwirtschaft, die im Oktober von Umsatzeinbußen richtig und notwendig, insbesondere um die aufgrund der be- aufgrund der coronabedingten Schließzeit (23 bis 6 Uhr) sonderen Wirtschaftsstruktur Berlins überproportional hohe betroffen waren, erhielten bis zu 3.000 € Zuschuss pro Be- Zahl an Soloselbstständigen aus dem Veranstaltungs- und triebsstätte für die Kosten der Gewerbemieten. Kreativsektor, die durch den ersten Lockdown besonders hart getroffen wurden, gezielt und wirksam zu unterstützen. Unter- • Coronahilfen für Modelabels: Zinslose Darlehen wurden stützt wurden und werden selbstverständlich auch die zahllo- von der IBB an Berliner Modelabels vergeben, die bedingt sen Einzelhandelsbetriebe, Galerien und Gastbetriebe, die durch die Coronakrise einen Einbruch ihrer Umsätze zu das spezielle Berliner Lebensgefühl prägen. verzeichnen hatten und dadurch nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügten, um die kommende Kollektion Die in dieser Phase konzipierten, flexibel einsetzbaren und bzw. Teile derer vorzufinanzieren. schnell wirkenden Soforthilfen I, II, IV, und V, die anschließend durch zahlreiche Bundesprogramme ergänzt bzw. fortgeführt • Soforthilfe IV 2.0: Hart von der Corona-Krise betroffene wurden, trugen neben dem Kurzarbeitergeld maßgeblich dazu Kultur- und Medienunternehmen mit mind. 2 Beschäftigten bei, die Berliner Wirtschaftsstruktur in ihrer gesamten Breite zu konnten Zuschüsse bis zu 25.000 € zur Überwindung einer stabilisieren und damit Arbeitsplätze und Einkommen zu si- existenzbedrohenden Wirtschaftslage beantragen. In be- chern. (s. Übersicht S. 91) gründeten Ausnahmefällen konnten bis zu 500.000 € be- antragt werden. Kern des bereits Ende März 2020 gestarteten Programms Soforthilfe I war die Öffnung und Verschlankung der Berliner Die vier aufgeführten Hilfsprogramme sind mittlerweile beendet, Liquiditätshilfen für alle kleinen und mittleren durch die Pande- eine Antragstellung ist nicht mehr möglich. Weiter aktuell sind fol- mie in Not geratenen Unternehmen. Parallel richtete das Zu- gende Unterstützungsmaßnahmen, die neben den weiterhin lau- schussprogramm Soforthilfe II in Kombination mit dem ent- fenden Bundesprogrammen auf Landesebene konzipiert wurden: sprechenden Bundesprogramm seinen Fokus auf die kurzfristi- ge Liquiditätssicherung von Kleinstunternehmen, Freiberufle- • Digitalprämie: Mit der stetigen Veränderung der Arbeits- rinnen und Freiberuflern und Soloselbstständigen. Mit der So- und Wirtschaftswelt hin zu einer immer stärker ausgepräg- forthilfe IV und V schlossen sich im Mai Maßnahmen an, die ten Digitalisierung werden die Nutzung zeitgemäßer digi- zum einen auf kulturelle Einrichtungen und Betriebe sowie zum taler Anwendungen und die Innovation des eigenen Ge- anderen auf die finanziellen Probleme des Berliner Mittel- schäftsmodells zunehmend überlebenswichtig. Nicht im- stands ausgerichtet waren. mer stehen hierfür ausreichend Zeit und Ressourcen zur Verfügung, schon gar nicht, wenn das betriebliche Tages- Nachdem im weiteren Jahresverlauf 2020 und bis heute zu- geschäft aufgrund von externen Einflüssen zusätzlich unter nehmend die mit großen finanziellen Volumina ausgestatteten Druck steht. Im Rahmen der umfassenden Hilfs- und Unter- Hilfsprogramme des Bundes — Überbrückungshilfen I, II, III stützungsmaßnahmen zur Abmilderung der wirtschaftli- sowie die November- und Dezemberhilfen — aufgelegt wur- chen Folgen der Corona-Pandemie legte das Land Berlin den, sah Berlin seine vordringlichste Aufgabe darin, gemein- deshalb, wie im August 2020 angekündigt, das Wirt- sam mit der IBB Unterstützungsprogramme aufzulegen, die schaftsförderprogramm „Digitalprämie Berlin“ auf und un- sich an den Spezifika des Wirtschafts- und Innovationsstand- terstützt damit aktiv den laufenden Digitalisierungsprozess 6
I. Wirtschaftspolitik in Berlin des Berliner Mittelstands. So werden mit der Digitalprämie fen verzögert, werden zu deren Vorfinanzierung Bürgschaf- Berlin im Zuge eines vollständig digitalisierten Förderverfah- ten die Kreditvergabe der Hausbanken an Berliner Unter- rens unbürokratische Direktzuschüsse von bis zu 17.000 € nehmen um bis zu 90 % entlasten. Die Hausbanken erhal- für konkrete Digitalisierungsvorhaben gewährt. ten hierbei in einem schlanken Verfahren eine 90 %ige Bürgschaft der Bürgschaftsbank zu Berlin Brandenburg • Coronahilfen für Startups: Das Land Berlin unterstützt ge- (BBB) für Zwischenfinanzierungen bis zu 250.000 €. Bund meinsam mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und Land verbürgen diese Bürgschaft zu 100 % im Verhält- Startups und kleine mittelständische Unternehmen in Ber- nis 6 % Bund und 3 % Land rück. Dafür ist ein Bürgschafts- lin, die infolge der Corona-Krise in Schwierigkeiten gera- rahmen von 100 Mio. € vorgesehen, was bei einer ange- ten sind. Die Mittel in Höhe von maximal 800.000 € je nommenen Ausfallquote von 10 % bis zu 10 Mio. € Kosten Unternehmen bzw. Unternehmensgruppe werden je nach bedeutet. Mit der Zwischenfinanzierung werden unter Ein- Einzelfall über einen oder mehrere der drei Finanzierungs- bezug Dritter bei der Bundesplattform eingereichte und wege — IBB Ventures GmbH, private Risikokapitalgeber automatisiert positiv vorgeprüfte Anträge begleitet. Die (Intermediäre) oder mittels Berlin Mezzanine (direkt bei der Zwischenfinanzierung wird nach Erhalt der Bundeshilfe aus IBB) vergeben. dieser zurückgezahlt werden. Durch diese Maßnahmen wird das Ausfallrisiko begrenzt. • Kongressfonds Berlin: Der Kongressmarkt ist von den Aus- wirkungen der Corona-Pandemie besonders betroffen. Die • Berlin Invest: Berlin legt ein eigenes zeitlich befristetes, re- Umsetzung sicherer Veranstaltungen wird auch in abseh- gionales Förderprogramm auf, mit dem Anreize für kleine barer Zukunft geboten sein und einen höheren Ressource- und mittlere Unternehmen geschaffen werden, Investitio- neinsatz der Veranstalterinnen und Veranstalter erfordern. nen zum Erhalt oder der Schaffung von Arbeitsplätzen vor- Der mit 10 Mio. € ausgestattete Fonds unterstützt den zunehmen. Ausbildungsplätze können wie Dauerarbeits- ReStart und die Planung von Veranstaltungen, wenn die plätze gefördert werden. Dies gilt auch für Arbeitsplätze, Bekämpfung der Pandemie Kongresse und Veranstaltun- die mit Menschen mit Behinderungen besetzt werden. Das gen wieder ermöglicht. Gewährt wird bei Fachveranstaltun- Programm soll grundsätzlich branchenoffen gestaltet wer- gen in Berlin (ab 50 Teilnehmende) ein Zuschuss von 25 € den, richtet sich aber insbesondere an die besonders von pro Präsenz-Teilnehmerin und -Teilnehmer. Bei Veranstal- der Pandemie betroffenen Branchen der Gastronomie, der tungen, die analog und hybrid stattfinden, erhöht sich der Tourismuswirtschaft und des stationären, regionalen Ein- Zuschuss auf 35 € pro Präsenzteilnehmerin und Präsenz- zelhandels, sowie zahlreiche Dienstleistungs- und Hand- teilnehmer pro Veranstaltungstag. Die maximale Förder- werksunternehmen. Neben Unternehmen sollen auch Frei- summe pro Veranstaltung beträgt 49.950 €. beruflerinnen und Freiberufler antragsberechtigt sein, so- weit eine abschließende beihilferechtliche Prüfung diesem • Neustarthilfe Berlin: Mit der Neustarthilfe unterstützt das Ansinnen nicht entgegensteht. Analog zur Gemeinschafts- Land Berlin — ergänzend zum Bund — Soloselbstständige aufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ und kleine Unternehmen. Das Programm hat ein Volumen (GRW) werden Investitionszuschüsse von bis zu 3 % der In- von 150 Mio. €. Ziel ist, Soloselbstständige und Kleinstun- vestitionssumme übernommen. Mit dem Förderprogramm ternehmen, die den besonderen Charakter der Berliner sollen insbesondere Unternehmen gefördert werden, die Wirtschaft ausmachen und die gleichzeitig häufig stark von nicht im Rahmen der GRW gefördert werden, da ihnen die der Pandemie betroffen sind, einen besseren Start aus überregionale Ausrichtung fehlt. dem Lockdown zu ermöglichen, als dies das Bundespro- gramm allein gewährleistet. Die vom Bund angekündigte • Ausweitung der Innovationsförderung und Stärkung des Neustarthilfe in Höhe von maximal 7.500 €, die nicht auf Wirtschaftsstandorts Berlin: Mit einem Volumen von die Grundsicherung angerechnet werden soll, weist zwei 150 Mio. € soll der Neustart der Berliner Wirtschaft ange- wesentliche Nachteile auf: Zum einen werden in der Grup- stoßen werden. Das Paket zielt auf die konkreten Bedarfe pe der Soloselbstständigen die besonders betroffenen der Berliner Unternehmen sowie Chancen zur Stärkung des Gruppen mit geringen Vorjahresumsätzen nur unzurei- Innovationsstandorts Berlin und der effektiven Nutzung von chend unterstützt. Zum anderen werden gerade kleinere Kofinanzierungsmitteln des Bundes ab. Dabei sollen einer- Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe mit bis zu fünf seits bereits begonnene oder beschlossene Maßnahmen Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern, die durch die pande- mit großem Potenzial weitergeführt werden, um eine nach- miebedingten Schließungen betroffen sind und die in ihrer haltige Wirkung sicherzustellen, und andererseits neue Ini- Struktur den Soloselbstständigen ähneln, also geringe Fix- tiativen vorausschauend gefördert werden. Dies sichert die kosten haben und nach fast einem Jahr Pandemiebedin- langfristige Stärkung und Transformation der Wirtschafts- gungen über keine Rücklagen mehr verfügen, nicht ausrei- struktur Berlins. chend von der Überbrückungshilfe III begleitet. • Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle für Kleinst- • Bürgschaftshilfen: Um Liquiditätsengpässe bei Unterneh- selbstständige: Anders als für private Verbraucherinnen men zu vermeiden, weil sich die Auszahlung der Bundeshil- und Verbraucher gab es für Soloselbstständige oder Inha- 7
I. Wirtschaftspolitik in Berlin berinnen und Inhaber von Kleinstunternehmen bislang kein Wertschöpfung angekurbelt. Das Gesetzesvorhaben geht mit öffentliches Angebot einer Schuldner- und Insolvenzbera- der Umsetzung des Masterplans Solarcity — einem vielfälti- tungsstelle. Da der Bedarf aber seit Sommer 2020 abseh- gen Maßnahmenbündel zur Beschleunigung des Solaraus- bar war, fördert die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Ener- baus — einher. Dazu wurden neun Handlungsfelder mit insge- gie und Betriebe seit Ende 2020 eine kostenfreie allgemei- samt 27 Maßnahmen definiert. Die Handlungsfelder erstre- ne Schuldnerberatung für diese Zielgruppe beim Träger cken sich über die Verbesserung von Rahmenbedingungen für Berliner Stadtmission e.V. Solarenergie, die Bereitstellung von kostenfreier Information und Beratung, die Unterstützung durch Förderprogramme und Darüber hinaus hat das Land Berlin weitere stabilisierende Anreize sowie die Stärkung von Marktakteuren wie Handwerk und zugleich konjunkturfördernde Programme umgesetzt. und Architektur bis hin zu der Schaffung von Bildungsangebo- Hervorzuheben sind mehrere außerplanmäßige Kampagnen ten im Bereich der Solarenergie. zur Unterstützung der Berliner Tourismuswirtschaft (u.a. „Erlebe Deine Stadt, „Place2be“-Kampagne, „Berlin, auch das“-Kam- Die Gemeinschaftsaufgabe ”Verbesserung der regionalen pagne), die Neuausrichtung der Berliner Fashion Week und Wirtschaftsstruktur” (GRW), das bedeutendste Wirtschaftsför- des Modestandortes insgesamt, der Club- und Kulturbranche. derinstrument in Berlin, kam in 2020 erneut auf ein hohes Jah- resergebnis. 149 Mio. € Fördermittel wurden für Investitions- Die Berliner Wirtschaft hat sich angesichts der außergewöhnli- maßnahmen ausgezahlt und 204 Mio. € für neue Bewilligun- chen Umstände und der erwartbaren dramatischen Auswirkun- gen für die Jahre 2021-2023 vorgenommen. Darüber hinaus gen der Eindämmungsmaßnahmen als kreativ und resilient in hat Berlin die zusätzlichen Mittel aus dem Konjunkturpaket der der Krise erwiesen. Sie lieferte auch in diesem Ausnahmejahr Bundesregierung vollständig gebunden und in gleicher Höhe Ergebnisse, die optimistisch in die Zukunft blicken lassen. Denn Landesmittel vorgesehen. Somit konnten 74,25 Mio. € zusätz- der Wirtschafts- und Innovationsstandort Berlin bleibt trotz Kri- lich zur Stärkung des Berliner Wirtschaftsstandorts eingesetzt se in zentralen Branchen auf Erfolgskurs. So trotzt die Digital- werden. Die große Nachfrage nach GRW-Mitteln zeigt das wirtschaft eindrucksvoll der Krise und bleibt der wichtigste weiterhin große Vertrauen in den Berliner Wirtschaftsstandort. Wachstumstreiber für die Hauptstadt. Die Zuversicht der Unter- Die GRW-Mittel fließen zum einen in die Förderung von Ber- nehmen und ihr Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Berlin ge- liner Unternehmen und wird für Investitionen bei Neuansied- ben Hoffnung auf eine zügige wirtschaftliche Erholung nach lungen bzw. dem Ausbau bestehender Standorte eingesetzt. einer erfolgreichen Eindämmung der Pandemie. Zum anderen wird in die Verbesserung der wirtschaftsnahen Infrastruktur in Berlin investiert. Das Ziel ist, Arbeitsplätze zu Obgleich das Thema „COVID-19-Pandemie“ eine Vielzahl sichern und neue zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen. anderer wirtschafts-, innovations- und energiepolitscher The- men in der öffentlichen Wahrnehmung an den Rand rückte, Der Masterplan Industriestadt Berlin (MPI) brachte auch im wurden ungeachtet dessen auch hier wichtige, zukunftsweisen- Jahr 2020 die Akteure aus Politik, Kammern, Gewerkschaften, de Fortschritte erreicht. Bildungseinrichtungen und Wirtschaft gezielt zusammen, um Berlin gemeinsam als einen wettbewerbsfähigen und innovati- Berlin will das große Solarpotenzial besser nutzen, um das ven Industriestandort zu stärken. Der aktuelle MPI 2018 — Ziel, 25 % des Berliner Strombedarfs bis spätestens 2050 aus 2021 kann inzwischen trotz anhaltender Corona-Pandemie Solarenergie zu decken, zu erreichen. Hierzu hat der Senat im eine erfolgreiche Zwischenbilanz ziehen. Die Ergebnisse des Frühjahr 2021 das Solargesetz Berlin beschlossen, das die im Herbst 2020 durchgeführten dritten Monitorings haben ge- Solarpflicht für alle Neubauten und für den Bestand bei grund- zeigt, dass 90 % der im MPI verabredeten Maßnahmen inzwi- legender Dachsanierung ab 2023 vorsieht. Die CO2-Einspa- schen aktiviert und mit konkreten Projekten entlang der vier rung innerhalb von fünf Jahren wird rund 37.000 Tonnen pro definierten Handlungsfelder „Fachkräfte und Innovation“, „Di- Jahr ausmachen. Damit leistet das Gesetz einen wichtigen gitalisierung“, „Rahmenbedingungen“ und „Marketing“ unter- Beitrag zum Klimaschutz. Darüber hinaus wird die regionale setzt sind. 8
II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin In Berlin ist das Bruttoinlandsprodukt nach sieben Jahren mit wirtschaftlichem Wachstum 2020 deutlich zu- rückgegangen. Auslöser war die Corona-Pandemie, die zu starken Rückgängen u. a. im Tourismus und Gast- gewerbe und in der Veranstaltungswirtschaft geführt hat. Andere Branchen wie bspw. die Informations- und Kommunikationswirtschaft haben sich dagegen behauptet. Durch diesen Branchenmix fiel der Rückgang der Wirtschaftsleistung in Berlin 2020 mit real 3,3 % geringer aus als im Bundesdurchschnitt. Die Entwicklung im laufenden Jahr steht unter dem Vorbehalt des weiteren Pandemiegeschehens. Bei einer schrittweisen Ein- dämmung der Pandemie kann im Jahresverlauf ein wirtschaftlicher Aufschwung gelingen. Konjunkturelle Wirtschaftsentwicklung hängen, bei einer schrittweisen Lockerung der pandemiebe- dingten Einschränkungen positive Nachfrageimpulse ein. Da- In Berlin ist das Bruttoinlandsprodukt, nachdem es zwischen mit geht eine Aufhellung des Verbraucherklimas bei gleichzei- 2013 und 2019 durchgehend gewachsen ist, im letzten Jahr tigem Abbau der Sparquote einher. Von einem zunehmenden spürbar zurückgegangen. Insgesamt lag die Wirtschaftsleis- Tourismus und geringeren wirtschaftlichen Einschränkungen tung 2020 in Berlin bei rund 154,6 Mrd. €; dies waren 2,2 Mrd. € werden zudem die Kultur- und Kreativwirtschaft, Messen und weniger als ein Jahr zuvor. In realer Betrachtung ging das Brut- Kongresse unmittelbar profitieren, was sich entsprechend po- toinlandsprodukt 2020 um 3,3 % zurück und damit weniger sitiv auf die wirtschaftlichen Dienstleistungen auswirkt. Andere stark als im Bundesdurchschnitt. Der Dienstleistungssektor, der wichtige Berliner Branchen, etwa Information und Kommunika- rund 86 % der Wertschöpfung erbringt, war in besonders star- tion und der Bereich der öffentlichen Dienstleistungen, dürften kem Maße von den Folgen der wirtschaftlichen Einschränkun- weitere Impulse auslösen. Damit ist in Berlin von den Dienst- gen durch Corona betroffen. Insgesamt ging die Wertschöp- leistungen, wie bereits vor 2020, wieder ein positiver Wachs- fung in den Dienstleistungsbranchen in Berlin 2020 um real tumsbeitrag zu erwarten. Das Land Berlin unterstützt den 4,0 % zurück, nachdem sie in den fünf Vorjahren um jahres- Restart der Wirtschaft mit Soforthilfen für Soloselbstständige durchschnittlich mehr als 4 % gewachsen war. und Kleinunternehmen. Darüber hinaus stehen die Hilfen und gesetzgeberischen Maßnahmen auf Bundesebene den Ber- Durch den Lockdown von Mitte Dezember 2020 bis Mitte 2021 liner Unternehmen zur Verfügung. ist es nach einem ungünstigeren Verlauf Ende 2020 auch zu einer schwachen Entwicklung Anfang 2021 gekommen; dies lässt eine wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung somit erst später Auswirkungen der COVID-19-Pandemie einsetzen. Laut den IHK-Konjunkturumfragen vom Jahresbe- ginn und vom Frühjahr wurde die aktuelle Geschäftslage im Berlin hat sich im Vorfeld der Corona-Pandemie wirt- Saldo der Unternehmen zwar leicht positiv bewertet, allerdings schaftlich sehr erfolgreich entwickelt. In den Jahren divergierte die Situation zwischen den Branchen in starkem 2017 bis 2019 erhöhte sich das Bruttoinlandsprodukt Maße und die IHK verwies auf bessere Ergebnisse bei größe- um jahresdurchschnittlich 3,6 %. Der Bundesdurch- ren Unternehmen als bei den KMU. Die Geschäftserwartungen schnitt lag bei 1,5 %. Beim Bruttoinlandsprodukt pro waren insgesamt leicht optimistisch, ausgelöst vor allem durch Einwohnerin und Einwohner übertraf Berlin zudem im die Dienstleistungen, aber auch das Gastgewerbe und die In- Jahr 2018 erstmals seit 2000 den Bundeswert. Damit dustrie waren positiv gestimmt. Auf Bundesebene zeigten setzte Berlin den Aufholprozess fort. Mit den wirtschaft- bspw. die ifo-Umfragen für Deutschland die wieder etwas grö- lichen Einschränkungen durch die Corona-Pandemie ßere Zuversicht der Unternehmen. wurde das wirtschaftliche Wachstum unterbrochen. Be- sonders unter Druck geraten sind dabei die konsumna- Die weitere Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes hen Branchen des Gastgewerbes und stationären Ein- in der Hauptstadtregion steht unter dem Vorbehalt, dass die zelhandels sowie die Tourismus-, Veranstaltungs- und Eindämmung der Pandemie weiter voranschreitet und auf die- Kongressbranche. Neben viel Schatten gibt es in der ser Grundlage eine konjunkturelle Besserung einsetzt. Aller- Krise aber auch Licht, denn die Wirtschaft in Berlin steht dings könnte selbst bei einer zur Jahresmitte hin einsetzenden auf mehreren Standbeinen. Die Digitalwirtschaft ist bis- konjunkturellen Erholung das wirtschaftliche Vorkrisenniveau lang stabil durch die Krise gekommen, die Industrie ist im Jahr 2021 noch nicht erreicht werden. Dies ist begründet mit deutlich weniger stark von der Krise betroffen als im dem jüngsten Lockdown, der den Aufschwung zeitverzögert Bundesdurchschnitt und öffentliche Dienstleistungen einsetzen lässt. stabilisieren. Der Rückgang der gesamten Wirtschafts- leistung fiel in Berlin 2020 mit real 3,3 % deshalb Was die einzelnen Wirtschaftszweige betrifft, stellen sich für schwächer aus als der Bundesdurchschnitt mit einem die konsumnahen Branchen des stationären Einzelhandels um 4,8 % geringeren Bruttoinlandsprodukt. und Gastgewerbes, die in starkem Maße vom Tourismus ab- 9
II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin Arbeitsmarkt unter Druck menden Rückführung von Kurzarbeit könnten sich den Unter- nehmen im Zeitverlauf auch Spielräume für Einstellungen er- Die wirtschaftlichen Brüche infolge COVID-19 belasten in star- öffnen, die positiv auf die Arbeitslosenzahlen ausstrahlen. kem Maße den Berliner Arbeitsmarkt. Die Zahl der Arbeitslo- sen, die im ersten Lockdown sprunghaft gestiegen war, hat Corona hat auch Spuren bei der sozialversicherungspflichti- sich zwar seitdem stabilisiert. Allerdings bewegt sich die Ar- gen Beschäftigung hinterlassen, die im letzten Frühjahr im beitslosenzahl durch die starke Zunahme vom letzten Frühjahr Zuge des ersten Lockdowns gesunken ist. Wurde im Januar auf einem deutlich höheren Niveau. Die Arbeitslosenquote be- 2020 die Beschäftigtenzahl des Vorjahres in Berlin um 49.300 trug im Jahr 2020 in Berlin 9,7 %, gegenüber 7,8 % ein Jahr übertroffen, waren es im Dezember noch 3.600. Gleichwohl zuvor. Bei den Frauen lag sie 2020 bei 9,0 % und bei den bewegte sich die Beschäftigung damit noch etwa auf dem Männern bei 10,4 %. Im Jahresdurchschnitt 2020 wurden in Vorjahresstand, wozu die Inanspruchnahme des arbeitsmarkt- Berlin 192.600 Arbeitslose gezählt; dies waren 26,3 % mehr politischen Instruments der Kurzarbeit beigetragen hat. Die als 2019. Gesamtzahl der Erwerbstätigen sank allerdings in Berlin 2020 um jahresdurchschnittlich 8.000 bzw. 0,4 % auf 2,059 Mio., Die nach wie vor schwierige Lage am Arbeitsmarkt wird an der wozu besonders der deutliche Rückgang bei den marginal Be- auch Anfang 2021 noch schwachen Arbeitskräftenachfrage schäftigten beigetragen hat. und dem hohen Niveau an Kurzarbeit ersichtlich. Im März 2021 gab es in Berlin insgesamt rund 122.900 Kurzarbeitende aus Dienstleistungen uneinheitlich konjunkturellen Gründen. Dies waren 7,8 % der Beschäftigten; bundesweit lag dieser Anteil bei 8,0 %. Die Kurzarbeit ist da- Im Dienstleistungssektor hatte die Corona-Pandemie teils mit, nachdem sie im Herbst im Zuge des zweiten Lockdowns schwerwiegende Folgen. Gegenüber der Finanzkrise wieder zugenommen hatte, aber zuletzt wieder gesunken und 2008/09, von der insbesondere die Industrie betroffen war, bewegte sich deutlich unter dem Höchststand von 239.500 wirkte sich der Schock durch die Corona-Pandemie besonders Kurzarbeitenden im April letzten Jahres. in den für Berlin bedeutenden Branchen Tourismus und Veran- staltungs-, Kultur- und Kongresswirtschaft aus. Insbesondere Damit gibt es Hoffnungsschimmer auf eine weitere Stabilisie- durch die Kontaktbeschränkungen konnten viele Unternehmen rung am Arbeitsmarkt, zumal im Juni von nur noch rund 200 ihre Tätigkeit gar nicht oder nur eingeschränkt ausüben. Berliner Betrieben neue Anzeigen zur konjunkturellen Kurzar- beit eingingen und damit weniger als in den Vormonaten. Den Die Einbrüche zeigen sich in besonderem Maße an den Zah- Höchstwert gab es im April letzten Jahres mit 27.700 Anzei- len beim Tourismus. Nach positiven Werten Anfang 2020 war gen. Mit einem voranschreitenden Abbau der Infektionsschutz- der weitere Jahresverlauf geprägt durch die Maßnahmen zur maßnahmen, einer wirtschaftlichen Erholung und einer zuneh- Bekämpfung der Corona-Pandemie. Luise Nesbeda Phillip Haverkamp Bereich Einzelhandel; Projektleiter Senatsverwaltung Energiesparnetzwerk für Wirtschaft, Energie des Berliner Handels; und Betriebe Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. „Zur Unterstützung des Berliner Handels bei der Umsetzung „Kleine und mittelständische Einzelhändlerinnen und –händ- von Energieeffizienz- und Klimaschutzmaßnahmen im eige- ler haben aufgrund fehlender personeller und finanzieller nen Ladengeschäft, haben wir in Zusammenarbeit mit dem Ressourcen Energieeffizienz und Klimaschutz häufig noch Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. und der Klima- nicht im Fokus. Das Energiesparnetzwerk des Berliner Han- schutzoffensive des Handelsverbands Deutschland das dels unterstützt hier durch passgenaue Angebote wie gut- „Energiesparnetzwerk des Berliner Handels“ gegründet. Fi- scheinbezogene Effizienzchecks, Workshops und Informati- nanziert wird das Projekt aus Mitteln des Berliner Energie- onsmaterial. Das Projekt vereint die lokalen Netzwerke des und Klimaschutzprogramms. Das innovative Netzwerk bietet Handelsverbandes Berlin-Brandenburg und das fachliche kleinen und mittelständischen Händlerinnen und Händlern Know-how der Klimaschutzoffensive des Handels. So errei- praxisnahe Informationen, Veranstaltungen sowie Experten, chen wir den Berliner Handel mit zielgerichteten Lösungen um die eigenen Energiesparpotenziale zu erkennen.“ und Informationen.“ 10
II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin Von Anfang März bis zur Lockerung des Beherbergungsver- bots am 25. Mai 2020 und durch den zweiten Lockdown ab November kam der Tourismus fast vollständig zum Erliegen. Auswirkungen der COVID-19-Pandemie Messen und Veranstaltungen mussten abgesagt werden. Wäh- rend 2019 noch über 34 Mio. Übernachtungen registriert wur- Die Wirtschaft ist in starkem Maße von den Folgen der den, waren es 2020 gerade einmal 12,3 Millionen. Dies ent- Corona-Pandemie betroffen. Die Zahl der Unterneh- sprach einem Rückgang von 64,0 %; bei den Gästen fiel das mensinsolvenzen hat den Wirtschaftseinbruch infolge Minus mit 64,6 % ähnlich hoch aus. In den letzten Jahren lagen der ausgesetzten Insolvenzantragspflicht 2020 dage- die Umsätze allein aus den durch Touristen getätigten Einkäu- gen noch nicht widergespiegelt. Im letzten Jahr gab es fen bei bis zu 5 Mrd. €. In 2020 dürfte dieser Anteil fast gänz- in Berlin insgesamt 1.233 Unternehmensinsolvenzen (er- lich entfallen sein. Mit dem sich hinziehenden Lockdown war öffnet oder mangels Masse abgelehnt), dies waren 149 auch der Auftakt 2021 noch von einem tiefen Minus geprägt; bzw. 10,8 % weniger als im Vorjahreszeitraum. Auch am im ersten Quartal brach die Übernachtungszahl um 82,4 % Jahresanfang 2021 war noch keine auffällige Zunahme gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein. Im Vergleich zum ers- bei den Insolvenzzahlen zu erkennen. Insgesamt lässt ten Quartal 2019, als die Pandemie noch nicht relevant war, sich nicht belastbar abschätzen, wie viele Insolvenzen lag der Rückgang sogar bei 86,4 %. im laufenden Jahr zu erwarten sind. Aber selbst wenn Unternehmen eine längere Durststrecke durchstehen, Einbußen von gut 90 % gab es Anfang 2021 auch bei den gibt es nichts zu beschönigen. Gerade in Berlin mit der Fluggastzahlen. Im letzten Jahr gingen diese an den Berliner starken Betroffenheit des Gastgewerbes und den vielen Flughäfen insgesamt um 74,5 % zurück. Kulturschaffenden ist die Not bei vielen Unternehmen und Selbstständigen sehr groß. Durch den wegfallenden Tourismus sind die Umsätze im Ber- liner Gastgewerbe eingebrochen, der in starkem Maße von Es lässt sich nicht ausschließen, dass trotz der umfang- den coronabedingten Schließungen und Frequenzverlusten reichen Unterstützungsmaßnahmen, mit denen Berlin betroffen ist. In der Gastronomie entstanden 2020 Umsatzein- und der Bund den Unternehmen auch finanziell zur Sei- bußen gegenüber dem Vorjahr von 41,5 %; im Beherbergungs- te stehen, viele in wirtschaftliche Existenznöte geraten sektor gab es ein Minus von 62,1 %. Im gesamten Berliner — darunter auch ehemalige Kleinstunternehmen und Gastgewerbe kam es dadurch zu einem Umsatzrückgang von Solo-Selbstständige. Für diese Gruppe hat die Senats- 49,2 %. Im 1. Quartal 2021 bewegte sich das Gastgewerbe um verwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe eine 68,2 % unter den Umsätzen vom Vorjahresmonat und damit spezialisierte Schuldner- und Insolvenzberatung bei auf dem Niveau vom ersten Lockdown. der Berliner Stadtmission aufgebaut. Die neue Anlauf- stelle hat zum Anfang Dezember 2020 ihre Arbeit auf- Die coronabedingt schwächere Konsumnachfrage, zu der be- genommen und im ersten Quartal bereits 500 Bera- sonders auch der eingebrochene Berlin-Tourismus beigetra- tungsgespräche mit insgesamt 141 Klienten geführt. gen hat, war vor allem mit negativen Folgen für den stationä- Neben zahlreichen anderen Maßnahmen wird auch ren Einzelhandel verbunden. Die Auswirkungen der Pandemie damit ein Beitrag geleistet, die schwerwiegenden Fol- wie rückgängige Besucherfrequenzen, geändertes Verbrau- gen der Corona-Pandemie abzumildern. cherverhalten sowie die weiter zunehmende Digitalisierung stellen daher insbesondere den stationären, inhabergeführten Innenstadthandel vor Herausforderungen. Allerdings ist das kaufsräumen (inklusive interaktiver Handel, aber ohne Kfz, Bild im Berliner Einzelhandel zweigeteilt, denn durch Zuwäch- Tankstellen, Brennstoffhandel und Apotheken) 2020 in nomi- se bei Lebensmitteln und den Onlinegeschäften konnte der naler Betrachtung ca. 18,9 Mrd. €. Einzelhandel 2020 sogar insgesamt noch ein Umsatzplus von real 2,3 % verbuchen. Dabei stieg der Umsatz beim Einzelhan- Bemerkenswert ist, dass die Neueintragungen für die Ausbil- del außerhalb von Verkaufsräumen, also im Wesentlichen dem dungsberufe Einzelhandelskauffrau/Einzelhandelskaufmann Online-Handel, im letzten Jahr besonders stark um 19,1 %. (von 900 auf 893), Verkäuferin/Verkäufer (von 552 auf 541) sowie Kauffrau/-Mann im E-Commerce (von 53 auf 56) 2020 Auch der Lebensmitteleinzelhandel befand sich im Plus mit ei- fast stabil gegenüber 2019 geblieben sind. Mit insgesamt nem Anstieg von rund 5 %. Insbesondere die Branchen des 3.222 Ausbildungsplätzen zählt der Einzelhandel weiterhin zu klassischen stationären, saisonabhängigen Innenstadthandels den stärksten Ausbildungsträgern bei den Dienstleistungsbe- wie Textil- und Schuhwaren sowie Spielwaren, sind dagegen rufen der Berliner Wirtschaft. besonders stark von Umsatzrückgängen betroffen. Der reale Umsatz im Bereich „Einzelhandel in Verkaufsräumen mit Ver- Nach dem Einbruch im Frühjahr 2020 waren die Gesamtum- lagsprodukten, Sportausrüstungen und Spielwaren sowie sätze im Einzelhandel in der Monatsbetrachtung mit dem er- sonstigen Gütern“ ist im letzten Jahr bspw. um insgesamt 8,6 % neuten Lockdown ab Dezember wieder negativ. Das Plus beim gesunken. Insgesamt betrug der geschätzte Gesamtumsatz Onlinehandel und bei Lebensmitteln konnte die erneuten des Berliner Einzelhandels innerhalb und außerhalb von Ver- Rückgänge in anderen Bereichen des stationären Einzelhan- 11
II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin dels nicht kompensieren, die im Januar teils Umsatzverluste ebenso für die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäf- um rund die Hälfte hatten. tigten, die auch im Gesundheits- und Sozialwesen stabil ge- blieben ist. Unterschiedlich verlief die Entwicklung auch bei anderen Dienstleistungsbranchen. Die sonstigen wirtschaftlichen Dienst- Insgesamt waren zum Stichtag 30.6.2020 in Berlin 1.335.000 leistungen, zu denen u. a. Messen und Kongresse, Reisebüros sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in den Dienstleis- und die Arbeitnehmerüberlassung zählen, hatten teils deutliche tungsbranchen tätig, die damit einen Beschäftigtenanteil von Einbußen und lagen bei den Umsätzen im 4. Quartal 2020 um 87 % hatten. Im Dienstleistungssektor sind weiterhin überwie- rund 23 % unter dem Stand vom Vorjahreszeitraum. Dagegen gend Frauen tätig. Rund 54 % aller in diesem Bereich sozial- zeigte sich die Branche Information und Kommunikation, die in versicherungspflichtig Beschäftigten sind weiblich. Insbeson- den Jahren bis 2019 deutliche Zuwächse verbuchen konnte, ge- dere weisen die Bereiche des Gesundheitswesens, Erbringung rade bei den Informationsdienstleistungen weiter dynamisch von Dienstleistungen der Informationstechnologie sowie die und blieb dadurch insgesamt stabil bei den Umsätzen. Dies gilt Finanzdienstleistungen einen hohen Frauenanteil auf. Bruttoinlandsprodukt (real) – Berlin im Vergleich mit Deutschland Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % 8,0 +5,1 +4,2 +3,9+3,9 +3,8 +4,3 +2,9 +3,6 4,0 +2,7 +2,2 +2,6 +2,6 +2,2 +1,5 +1,3 +0,4 +0,3 +0,4 +0,6 0,0 -0,2 -4,0 -3,3 -4,8 -8,0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Berlin Deutschland Quellen: Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“, Statistisches Bundesamt Industrie im Jahresverlauf gefestigt — Bau robust Zum Jahresauftakt 2021 zeigte sich die Berliner Industrie ge- festigt. Für die ersten drei Monate blieben die Umsätze stabil Nach dem Einbruch im ersten Lockdown hat sich die Berliner gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Industrieaufträge Industrie stabilisiert und dadurch 2020 die Umsätze um 2,7 % sind wieder angezogen und deuteten wie die Stimmungsindi- gesteigert. Zu dem noch positiven Gesamtergebnis hat die katoren auf eine günstige konjunkturelle Entwicklung hin. Da- Branchenstruktur in Berlin beigetragen. Mit der Herstellung bei hat sich für die Industrie der konjunkturelle Rahmen ins- von Gummi- und Kunststoffwaren, dem Maschinenbau, der gesamt verbessert; die Aufträge sind bundesweit gestiegen Herstellung von DV-Geräten, elektronischen und optischen und das ifo-Geschäftsklima fällt in der Branche günstiger Erzeugnissen, Kraftwagen und Metall waren mehrere Bran- aus. Die Weltwirtschaft und wichtige Abnehmerländer wie chen in teils starken Maße mit Umsatzverlusten konfrontiert. China und die USA sind ebenfalls aufwärtsgerichtet. Dies Dagegen konnten die Industriebranchen Nahrungsmittel, sollte positiv auf die Industrie in Berlin ausstrahlen, obgleich elektrische Ausrüstungen und Pharma, die in Berlin 2020 Unsicherheiten unter anderem durch das Pandemiegeschehen rund die Hälfte der Industrieumsätze erbracht haben, im letz- verbleiben. ten Jahr zulegen und damit das gegenüber dem negativen Bundesergebnis noch leichte Umsatzplus auslösen. Die gesamte Außenhandelsbilanz Berlins zeigte sich 2020 aber schwächer. Es wurden Waren im Wert von rund 14,4 Mrd. € Auch die Auftragseingänge für die Berliner Industrie haben exportiert und damit 5,2 % weniger als 2019. Während die gegen Jahresende 2020 zugenommen und übertrafen in der Exporte bspw. in den EU-Raum und die USA geringer ausfie- Quartalsbetrachtung erstmals den Stand vom Vorjahreszeit- len, gab es gegenüber China ein Ausfuhrplus. Größtes Ab- raum. Im Gesamtjahr 2020 lagen die Bestellungen aber um nehmerland waren aber weiterhin die USA, gefolgt von 2,0 % unter dem Vorjahresstand. Frankreich und China. 12
II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin SvB der Dienstleistungsbranchen 2020 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (SvB) 2020 absolut und prozentuale Veränderung gegenüber 2019 in % Gesundheits- und Sozialwesen +2,7 Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen1 +2,0 Handel, Instandhaltung, Reparatur von Kfz -0,3 Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen2 -5,5 Information und Kommunikation +5,2 Erziehung und Unterricht +4,4 Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherungen +6,1 Erbringung von sonstigen Dienstleistungen3 +0,8 Verkehr und Lagerei -1,7 Gastgewerbe -15,7 Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen +4,6 absolute Anzahl der SvB in Tausend 25 50 75 100 125 150 175 200 225 250 1 Freiberufl., wissenschaftl. u. techn. Dienstleistungen, Immobilien 2 z. B. Vermietung von beweglichen Sachen, Vermittlung von Arbeitskräften, Reisebüros, Gebäudebetreuung. 3 z. B. Erbringung persönlicher Dienstleistungen, Reparatur von DV-Geräten und Gebrauchsgütern. Quelle: Bundesagentur für Arbeit Stand: 30.12.2020 Das Baugewerbe zeigte sich 2020 robust in der Krise und seurinnen und Friseure sowie Kosmetikerinnen und Kosmetiker konnte die Umsätze im Bauhauptgewerbe (+5,0 %) und im Aus- erlebten aufgrund des variierenden Pandemieverlaufs und der baugewerbe (+3,6 %) steigern. Insgesamt entstand im Berliner damit einhergehenden Eindämmungsmaßnahmen einen im- Baugewerbe 2020 ein Umsatzplus von 4,5 %. Ausdruck des mer wieder — auch mehrmonatigen — unterbrochenen Ge- stabilen Baugeschehens ist auch das Arbeitsvolumen in Form schäftsbetrieb. Goldschmiedinnen und Goldschmiede und der geleisteten Arbeitsstunden, das im letzten Jahr im Bau- Fotografinnen und Fotografen konnten zwar in ihren Werkstät- hauptgewerbe um 5,5 % zunahm. Obgleich das Baugewerbe ten arbeiten, aber zeitweise keine Produkte im stationären Ein- in Berlin ebenfalls von den Folgen der Pandemie betroffen zelhandel verkaufen. „Zulieferer“ (z. B. Tischlerinnen und Tisch- war, zeigte es sich somit insgesamt in stabiler Verfassung und ler für Messebau, Fotografinnen und Fotografen für Events und bewegte sich im Zuge der gestiegenen Bauaktivität auch auf Veranstaltungen, Gebäudereinigerinnen und Gebäudereini- einem höheren Beschäftigungsniveau. Bei den Auftragsein- ger, Bäckerinnen und Bäcker, Fleischerinnen und Fleischer für gängen im Bauhauptgewerbe gab es 2020 allerdings einen den Hotel- und Gaststättenbereich) haben nach wie vor feh- Rückgang um 21,8 %. Dabei sind als Basiseffekt aber starke lende Aufträge durch Einstellung oder nur eingeschränkte Ge- Auftragszuwächse aus den beiden Vorjahren zu beachten, als schäftstätigkeit der „Auftrag gebenden“ (Messen, Veranstal- die Nachfrage um 9,2 % bzw. 31,0 % gestiegen war. Die Zahl der tungen, eingeschränkte oder gänzlich eingestellte Tätigkeit Baugenehmigungen für Wohnungen lag 2020 bei 20.459 und von Hotellerie und Gastronomie etc.). Heizungsbauerinnen erreichte ebenfalls nicht das Vorjahresniveau von 22.524. Der und Heizungsbauer, Elektrikerinnen und Elektriker können ihre Auftragsbestand im Berliner Bauhauptgewerbe lag Ende De- Leistungen mit den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen an- zember 2020 bei 1,70 Mrd. €. Damit hat sich der Auftragsbe- bieten. Dachdeckerinnen und Dachdecker und Gerüstbaue- stand im Jahresverlauf 2020 etwas abgebaut (1,72 Mrd. € Ende rinnen und Gerüstbauer können ebenfalls arbeiten. Das glei- September, 1,81 Mrd. € Ende Juni und 1,95 Mrd. € Ende März), che gilt für das Bau- und Ausbaugewerbe insgesamt. aber er bewegte sich weiterhin auf einem hohen Niveau. So sind die Jahresdurchschnittswerte des Auftragsbestands seit 2016 Obwohl das Handwerk insgesamt im Unterschied zu vielen an- kontinuierlich gestiegen. Zusammen mit einer bei abnehmen- deren Branchen nicht von langen oder sogar noch anhalten- dem Pandemiegeschehen wieder anziehenden Gesamtkonjunk- den Schließungsphasen betroffen ist, sollte der Blick auf die tur trägt dies zu einer weiterhin stabilen Bautätigkeit in Berlin bei. körpernahen Dienstleistungen gelenkt werden, denn sowohl das Friseur- als auch das Kosmetikhandwerk sind von allen Das Berliner Handwerk war und ist durch die seit 2020 anhal- Gewerken am stärksten direkt betroffen. Bereits vor der Pande- tende Corona-Pandemie sehr unterschiedlich betroffen: Fri- mie waren hohe Hygienestandards Teil der Geschäftstätigkeit. 13
II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin Dadurch, dass die Dienstleistung in großer Nähe zueinander triebe von der Pandemie betroffen. Der branchenspezifische stattfinden, mussten diese Maßnahmen noch einmal erheblich Konjunkturindex verbesserte sich aber um 20 Zähler im Früh- verstärkt werden. Dieses führte auch bei der Wiederaufnahme jahrsvergleich, da 96 % der Betriebe von einer Verbesserung des Betriebes zu niedrigeren Bedien- und Behandlungszahlen bzw. Verstetigung der wirtschaftlichen Lage ausgingen. und somit großen wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Betriebsstatistik der Handwerkskammer Berlin ist dennoch Für Berlin stellt das Handwerk mit über 30.800 Betrieben nach grundsätzlich positiv: 30.852 Handwerksbetriebe zum Jahres- wie vor einen zentralen Wirtschaftssektor dar und trägt zum po- ende 2020, das sind 309 Betriebe mehr als noch im Vorjahr. sitiven Trend der Berliner Wirtschaft bei. Im Spätsommer 2020 bewerteten insgesamt 37 % der Handwerksbetriebe ihre aktu- Eine bedeutende Investition für die Zukunft, Fundament für ellen Geschäftsergebnisse als gut; 18 % urteilten mit schlecht Selbstständigkeit und beruflichen Erfolg ist ein Meistertitel im — ein Positiv-Saldo von 19 Zählern. Die Besorgnis über die Handwerk. Er steht für eine hochqualifizierte Ausbildung und Auswirkungen der Corona-Pandemie und die Verunsicherung Fachwissen, ist ein wichtiges Gütesiegel und ein Aushänge- über die Entwicklung in den kommenden Monaten war deutlich schild für jeden Betrieb, das Vertrauen erweckt. Der Meister- in den Geschäftserwartungen zu spüren. Nur noch 17 % gingen brief ist eine exzellente Garantie für handwerkliche Praxis und von einer Verbesserung der Wirtschaftslage aus, 27 % blickten betriebswirtschaftliches Denken. Er ermöglicht es Meisterinnen zurückhaltend in die Zukunft. Der Geschäftsklimaindex des und Meistern, Wissen weiterzugeben und junge Menschen für Berliner Handwerks stand bei 103 Punkten, ein Verlust von 8 berufliche Ausbildung zu begeistern. Zählern gegenüber dem Frühjahr. Bauhaupt-, Ausbau- und Gesundheitsgewerbe übertrafen noch die 100-Punkte-Marke. Die Zahl der Unternehmensgründungen ist in Berlin 2020 etwas Die abnehmende Zuversicht spiegelt sich in den allgemeinen geringer ausgefallen als im Vorjahr, zeigte sich aber insgesamt Erwartungshaltungen der Betriebe wider. 19 % rechneten mit stabil und erreichte im Vergleich mit den anderen Bundeslän- weiterem Wachstum, 24 % mit nachlassenden Geschäften. dern ein weiterhin überdurchschnittliches Niveau. In Berlin kam es im Jahr 2020 zu insgesamt 37.682 Neugründungen von Un- Auch das Nahrungsmittelhandwerk ist durch die Pandemie be- ternehmen, gegenüber 38.210 im Vorjahr. Damit fiel die Grün- troffen. Der Geschäftslage-Saldo ist von plus 7 im Vorjahr auf dungstätigkeit leicht um 1,4 % geringer aus. Zu dieser Entwick- minus 36 Punkte gefallen. Mehrheitlich erwarten die Betriebe lung dürfte unter anderem eine eher vorsichtige Gründungsnei- jedoch eine Verbesserung der Nachfrage und damit auch der gung wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit infolge der Ein- Umsätze. Auch im Gesundheitsgewerbe war ein Drittel der Be- schränkungen durch die Corona-Pandemie und die damit ver- bundene schwierigere Wirtschaftslage beigetragen haben. Meistergründungsprämie Unter den Bundesländern liegt Berlin in der Gründungsdyna- mik aber weiterhin vorne. Im Jahr 2020 gab es die meisten Um jungen Handwerksmeisterinnen und -meistern den neuen Unternehmen pro 10.000 Einwohnerinnen und Einwoh- Schritt in die Selbstständigkeit zu erleichtern, bietet das ner (103), noch vor Hamburg (87) und Hessen (74). Der Bun- Land Berlin seit vielen Jahren über das zu 50 % mit Mitteln desdurchschnitt lag bei 65. Weiterhin günstig ist Berlins Positi- der EU kofinanzierte Programm „Meistergründungsprä- on auch bei den sogenannten Betriebsgründungen, denen ein mie“ schnell und unbürokratisch finanzielle Unterstützung höheres wirtschaftliches Gewicht zugeordnet wird. Es handelt an. Die Prämie ist im Jahr 2018 erhöht worden und kann sich hierbei um Gründungen, bei denen bspw. ein Eintrag im bis zu 15.000 € betragen. Die Erhöhung hebt die Bedeu- Handelsregister oder eine Handwerkseigenschaft vorliegt tung des qualifizierten Handwerks für den Standort Berlin bzw. es mindestens eine beschäftigte Person gibt. Die Zahl der deutlich hervor. Die Auszahlung der Meistergründungs- Betriebsgründungen zeigte sich 2020 in Berlin stabil. Hier er- prämie erfolgt in zwei Stufen: In der ersten Stufe (Grün- reichte die Hauptstadt pro 10.000 Einwohnerinnen und Ein- dungsphase) erhalten die Meisterinnen und Meister 8.000 wohner einen Wert von 25 und lag damit vor Hamburg und €; in der zweiten Stufe (nach drei Jahren) weitere 5.000 €, Bremen mit Werten von 24 und 20. Ein Wert von 14 entstand im sofern sie einen Ausbildungsplatz oder sozialversiche- Bundesdurchschnitt. Auch dies unterstreicht das starke Grün- rungspflichtigen Arbeitsplatz geschaffen haben. Sollte es dungsgeschehen in Berlin. sich um einen Ausbildungsplatz in einer mit weiblichen Ar- beitskräften gering besetzten Branche handeln, beträgt die Prämie in der zweiten Stufe 7.000 €, sofern er mit einer weiblichen Auszubildenden besetzt wird. Insgesamt konn- ten im vergangenen Jahr 82 (2019: 98) Meisterinnen und Meister im Handwerk gefördert werden. Davon waren 50 Existenzgründungen und 32 Förderungen für einen Ar- beitsplatz. In deren Folge wurden ca. 117 Arbeitsplätze und 12 Ausbildungsplätze neu geschaffen. 14
II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung: wirtschaftlicher Wohl- Die positive Entwicklung und der Aufholprozess Berlins zeigen stand und ökonomische Stabilität sich auch bei dieser Kennziffer. Lag das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 2016 noch bei 37.551 €, betrug es drei Jahre später Die klassischen volkswirtschaftlichen Indikatoren wie das Brut- 42.886 €. Damit übertraf Berlin 2019 erneut den Bundes- toinlandsprodukt als Maßstab für die wirtschaftliche Entwick- durchschnitt, nachdem dieser 2018 erstmals seit dem Jahr lung und Leistungsfähigkeit fielen bis zur COVID-19-Krise in 2000 überschritten worden war. Infolge des wirtschaftlichen Berlin äußerst positiv aus. Zwischen 2016 und 2019 erhöhte Rückgangs durch die Corona-Pandemie lag das Bruttoinlands sich das Bruttoinlandsprodukt um real 11,1 %. Gerade die Ex- produkt pro Kopf im Jahr 2020 bei 42.221 € und sank damit pansion der Dienstleistungen hat dabei positiv gewirkt und um 1,6 % gegenüber dem Vorjahr; in Deutschland betrug es auch zu einem deutlichen Anstieg der Erwerbstätigenzahl bei- 40.088 €. Damit bewegte sich Berlin aber erneut oberhalb getragen. Um den Standort Berlin insbesondere auch unter des Bundesdurchschnitts. den Aspekten der Nachhaltigkeit und gesellschaftlichen Ent- wicklung differenziert und umfassend abbilden zu können, Ein wichtiger Bestimmungsfaktor für die ökonomische Leis- müssen aber weitergehende Wohlfahrtsindikatoren in die Be- tungsfähigkeit der Wirtschaft und deren Wettbewerbs- und Zu- trachtung einfließen. kunftsfähigkeit sind der Umfang und die Qualität der Infrastruk- tur. Dabei geben die Bruttoanlageinvestitionen Hinweise auf Neben der Betrachtung des reinen Wirtschaftswachstums wer- den Kapitaleinsatz für die Weiterentwicklung der betrieblichen den deshalb nachfolgend ökonomisch, sozial und ökologisch und der öffentlichen Infrastruktur. In diesem Zusammenhang ist messbare Indikatoren betrachtet, um eine nachhaltige Wirt- auch das Vertrauen der Wirtschaftsakteure in die künftige Ent- schaftsentwicklung darstellen und bewerten zu können. Diese wicklung des Wirtschaftsstandortes ein wichtiger Faktor. Die sollen die Lebensqualität der Menschen und deren Teilhabe Bruttoanlageinvestitionen stellen den Wert der Anlagen dar, die am Wirtschaftswachstum sowie den verantwortungsbewussten von inländischen Wirtschaftseinheiten erworben werden, um sie Umgang mit Ressourcen in den Blick nehmen. länger als ein Jahr im Produktionsprozess einzusetzen. Investiti- onen in neue Anlagen bestehen aus den drei Teilbestandsgrö- Mit dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf kann der wirtschaftli- ßen Ausrüstungen (z. B. Maschinen und Geräte), Bauten (z. B. che Wohlstand des Einzelnen und dessen Veränderung ge- Bauleistungen an Wohn- und Nichtwohngebäuden) und sonsti- messen werden. Die Entwicklung des materiellen Wohlstands ge Anlagen (z. B. Investitionen für Software und Datenbanken). hängt — positiv wie negativ — damit auch von der Bevölke- rungsentwicklung ab. Die Normierung des Bruttoinlandspro- Daten zu den Bruttoanlageinvestitionen liegen aktuell für das dukts pro Kopf korrigiert die Veränderung des materiellen Jahr 2018 vor, in dem in Berlin insgesamt 28,5 Mrd. € investiert Wohlstands folglich um den Anteil, der sich aus einer reinen wurden. Damit stiegen sie gegenüber dem Vorjahr um real 6,3 %, Bevölkerungsveränderung ergibt. während sie sich im Bund um 3,5 % erhöhten. Die Investitions- Oliver Falk Oliver Kurz Leitung Bereich Konjunktur Leitung Fachbereich und Statistik; Senatsverwaltung Marktentwicklung/Migration; für Wirtschaft, Energie Regionaldirektion und Betriebe Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit „Berlin hat durch die Corona-Pandemie einen wirtschaftli- „Berlin ist von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie be- chen Einbruch erfahren, der trotz der großen Betroffenheit in sonders betroffen. Die Agenturen für Arbeit und Jobcenter konsumorientierten Branchen und bei unternehmensnahen haben mit vollem Einsatz dazu beigetragen, den Lebensun- Dienstleistungen aber insgesamt weniger stark ausfiel als im terhalt für betroffene Personen abzusichern, versierte Ar- Bundesdurchschnitt. So ist die in Berlin überdurchschnittlich beitskräfte in den Betrieben zu halten und gleichzeitig Ar- repräsentierte Branche Information und Kommunikation sta- beitslosigkeit in sehr vielen Fällen vermieden. Ich teile die bil durch die Krise gekommen und auch die Industrie hat Zuversicht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sich vergleichsweise gut gehalten. Mit Überwindung der (IAB) auf sich abzeichnend steigende Beschäftigung, den Pandemie wird der Berliner Branchenmix wieder zu wirt- Rückgang der Arbeitslosigkeit und hoffe für die besonders schaftlichem Wachstum führen.“ betroffenen Bereiche auf sehr schnelle Besserung nach Ende der massiven Einschränkungen.“ 15
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