WIRTSCHAFTS- UND INNOVATIONSBERICHT - BERLIN 2020/2021

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WIRTSCHAFTS- UND INNOVATIONSBERICHT - BERLIN 2020/2021
WIRTSCHAFTS-
UND INNOVATIONSBERICHT

BERLIN 2020/2021
WIRTSCHAFTS- UND INNOVATIONSBERICHT - BERLIN 2020/2021
WIRTSCHAFTS- UND INNOVATIONSBERICHT - BERLIN 2020/2021
Inhalt

Vorwort5

I.     Wirtschaftspolitik in Berlin                          6

II.    Wirtschaftsentwicklung in Berlin                      9

III.   Wirtschaft	                                          20
       1. Cluster der innoBB 2025                           20

		        1. Gesundheitswirtschaft / Life Science           22
		        2. IKT, Medien und Kreativwirtschaft              24
		        3. Verkehr, Mobilität und Logistik	               33
		        4. Optik und Photonik	                            36
		 5. Energietechnik	                                       38
		        6. Weitere Innovationsfelder	                     40

       2. Zukunftsorte / Liegenschaftspolitik	              42

       3. Startups	                                         44

       4. Soziale Ökonomie	                                 47

       5. Tourismus / Kongresse / Gastgewerbe	              49

       6. Außenwirtschaft / Entwicklungszusammenarbeit	     51

       7. Wirtschaftsrechtliche Aspekte	                    57

       8. Services und Förderung für Unternehmen		          59

		        1. Unternehmensservice	                           59
		 2. Gründungsförderung	                                   61
		 3. Innovationsförderung		                                65
		        4. Zuschüsse für Unternehmen und Infrastruktur	   68
		        5. Darlehen, Bürgschaften und Beteiligungen	      73

IV.    Energie	                                             76
       1. Energiepolitik	                                   76

       2. Energieversorgung	                                78

V.     Betriebe	                                            80
       1. Berliner Stadtreinigungsbetriebe	                 81

       2. Berliner Verkehrsbetriebe	                        84

       3. Berliner Wasserbetriebe	                          86

VI.    Berliner Wirtschaftsdaten	                           89

                                                                  3
WIRTSCHAFTS- UND INNOVATIONSBERICHT - BERLIN 2020/2021
WIRTSCHAFTS- UND INNOVATIONSBERICHT - BERLIN 2020/2021
Vorwort

Turbulente Monate liegen hinter uns, geprägt von erheblichen           Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Die Berliner Wirt-
Einschränkungen in vielen Teilen der Wirtschaft und des gesell-        schaftsstruktur hat sich in den vergangenen Jahren enorm sta-
schaftlichen Lebens, gleichzeitig aber auch der Entdeckung             bilisiert, ist resilienter geworden und bei weitem nicht mehr so
alternativer Formen des Arbeitens, des Lernens und der – meist         krisenanfällig wie früher. Denn starke, zukunftsorientierte Wirt-
– digitalen Begegnung.                                                 schaftszweige, wie die Gesundheitswirtschaft und die Digital-
                                                                       branche, sind in Berlin zu Hause, die Informationsdienstleistun-
Vor einem Jahr waren wir noch zuversichtlich, dass die Pande-          gen (+11,5 %) und die Informationstechnologie (+3,0 %) ver-
mie im Herbst 2020 überwunden sei und wir mit einem eige-              zeichneten steigende Umsätze. Auch im Berliner Bauhauptge-
nen Berliner Konjunkturprogramm an den Start gehen würden.             werbe wuchs der Umsatz (5 %); die Berliner Industrie konnte
Doch die zweite und dritte Corona-Welle hat uns durch diese            sich nach dem Einbruch im ersten Lockdown stabilisieren und
Pläne einen dicken Strich gemacht. Es folgte ein langer, zäher         erhöhte den Umsatz um 2,7 %. Berlin behauptet nach wie vor
Lockdown, den wir uns so alle nicht haben träumen lassen.              seinen Spitzenplatz als deutsche Gründungshauptstadt: Die
                                                                       Zahl der Finanzierungsrunden kletterte in Berlin im vergange-
Heute aber, im Sommer 2021, erlauben uns zahlreiche neu                nen Jahr um 20 %.
eingeübte Routinen, sinkende Inzidenzwerte und steigende
Impfquoten endlich, unsere damaligen Überlegungen umzu-                Unsere Ziele sind klar: Wir werden die Energie- und Mobilitäts-
setzen. Das gilt vor allem für den Tourismus sowie den Gast-           wende entscheidend mitgestalten, die Vorreiterrolle der Ge-
stätten- und Kongressbereich – Branchen, die stark unter den           sundheitswirtschaft ausbauen, die Medien- und Kreativwirt-
Lockdown-Regelungen zu leiden hatten. Berlin als weltoffene            schaft stärken und die Schlüsseltechnologien IKT, Optik und
Metropole hat seine Gäste schmerzlich vermisst. Ich freue              Photonik voranbringen. Heute zahlt sich aus, dass wir gezielt
mich sehr, dass wir nun mit den Öffnungen der Hotels für tou-          auf Branchen und Technologiefelder gesetzt haben, die nach
ristische Übernachtungen einen wichtigen Schritt zum Restart           der Krise an Bedeutung gewinnen werden. In diesen Clustern
der Tourismus- und Kongressbranche haben machen können.                entwickelt Berlin mit der Innovationsstrategie innoBB 2025 seit
                                                                       Jahren innovative Lösungen, die gerade nach der Coro-
Begleitet wird diese erfreuliche Entwicklung von zahlreichen           na-Pandemie weltweit gebraucht werden.
auf die Berliner Wirtschaft spezifisch ausgerichteten Förder-
maßnahmen. Mit 15 unterschiedlichen Soforthilfe- und Über-             Berlin ist sehr gut aufgestellt, um schnell wieder das hohe Wirt-
brückungshilfsprogrammen haben Berlin und der Bund die                 schaftsniveau, die innovative Frische und die inspirierende
Berliner Wirtschaft mit 4,25 Milliarden Euro gestützt und              Kreativität zurückzuerlangen, die wir mit viel Engagement in
450.000 Arbeitsplätze gesichert. Auch wenn es vielleicht noch          der Vor-Corona-Phase gemeinsam aufgebaut hatten.
zu früh ist, ein Fazit zu ziehen, kann schon jetzt festgestellt wer-
den, dass Berlin im Bundesländervergleich gut durch die Krise
kommen wird: Bei der konjunkturellen Entwicklung stehen wir
mit einem BIP-Rückgang von 3,3 % in 2020 besser da als der
Bundestrend (-4,8 %). Die Arbeitsmarktdaten zeigen, dass Ber-
lin kaum an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verlo-          Ramona Pop
ren hat.                                                               Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe

                                                                                                                                      5
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I. Wirtschaftspolitik in Berlin
Die Wirtschaftspolitik in Berlin war 2020 und in den Folgemonaten davon geprägt, die negativen Auswir-
kungen der COVID-19-Pandemie und die daraus resultierenden Eindämmungsmaßnahmen auf Berliner Un-
ternehmen, deren Inhaberinnen und Inhaber sowie der Belegschaften, abzufedern. Ziel war es, gravierende
Folgeschäden von der Gesamtwirtschaft abzuwenden.

Noch nie wurden Unternehmerinnen und Unternehmern und               orts Berlin ausrichten und die von den Bundesprogrammen
deren Beschäftigten finanzielle Mittel des Landes und des           nicht im ausreichenden Maße berücksichtigt werden.
Bundes in so kurzer Zeit, in einem solchen Umfang und in sol-
cher Breite zur Verfügung gestellt. Durch schnelles, umsichti-      •   Soforthilfe Gewerbemieten: Besonders hart von der Coro-
ges Agieren nahm das Land Berlin dabei gleich in der ersten             na-Krise betroffene Unternehmen des Berliner Mittelstan-
Phase der Pandemiebekämpfung im März 2020 eine Vorrei-                  des mit über 10 und bis zu 249 Beschäftigten konnten Zu-
terrolle unter den Bundesländern ein. In Kooperation mit der            schüsse in Höhe von 50 % ihrer gewerblichen Mieten bzw.
Investitionsbank Berlin (IBB), die in nur wenigen Tagen die not-        Pachten für die Monate April und Mai 2020 beantragen.
wendige technische und inhaltliche, digitale Administrierbar-
keit eines Zuschussprogramms gewährleistete, ging Berlin            •   Soforthilfe für Betriebe der Schankwirtschaft: Betriebe
schnell und unbürokratisch finanziell in Vorleistung. Dies war          der Schankwirtschaft, die im Oktober von Umsatzeinbußen
richtig und notwendig, insbesondere um die aufgrund der be-             aufgrund der coronabedingten Schließzeit (23 bis 6 Uhr)
sonderen Wirtschaftsstruktur Berlins überproportional hohe              betroffen waren, erhielten bis zu 3.000 € Zuschuss pro Be-
Zahl an Soloselbstständigen aus dem Veranstaltungs- und                 triebsstätte für die Kosten der Gewerbemieten.
Kreativsektor, die durch den ersten Lockdown besonders hart
getroffen wurden, gezielt und wirksam zu unterstützen. Unter-       •   Coronahilfen für Modelabels: Zinslose Darlehen wurden
stützt wurden und werden selbstverständlich auch die zahllo-            von der IBB an Berliner Modelabels vergeben, die bedingt
sen Einzelhandelsbetriebe, Galerien und Gastbetriebe, die               durch die Coronakrise einen Einbruch ihrer Umsätze zu
das spezielle Berliner Lebensgefühl prägen.                             verzeichnen hatten und dadurch nicht über ausreichend
                                                                        finanzielle Mittel verfügten, um die kommende Kollektion
Die in dieser Phase konzipierten, flexibel einsetzbaren und             bzw. Teile derer vorzufinanzieren.
schnell wirkenden Soforthilfen I, II, IV, und V, die anschließend
durch zahlreiche Bundesprogramme ergänzt bzw. fortgeführt           •   Soforthilfe IV 2.0: Hart von der Corona-Krise betroffene
wurden, trugen neben dem Kurzarbeitergeld maßgeblich dazu               Kultur- und Medienunternehmen mit mind. 2 Beschäftigten
bei, die Berliner Wirtschaftsstruktur in ihrer gesamten Breite zu       konnten Zuschüsse bis zu 25.000 € zur Überwindung einer
stabilisieren und damit Arbeitsplätze und Einkommen zu si-              existenzbedrohenden Wirtschaftslage beantragen. In be-
chern. (s. Übersicht S. 91)                                             gründeten Ausnahmefällen konnten bis zu 500.000 € be-
                                                                        antragt werden.
Kern des bereits Ende März 2020 gestarteten Programms
Soforthilfe I war die Öffnung und Verschlankung der Berliner        Die vier aufgeführten Hilfsprogramme sind mittlerweile beendet,
Liquiditätshilfen für alle kleinen und mittleren durch die Pande-   eine Antragstellung ist nicht mehr möglich. Weiter aktuell sind fol-
mie in Not geratenen Unternehmen. Parallel richtete das Zu-         gende Unterstützungsmaßnahmen, die neben den weiterhin lau-
schussprogramm Soforthilfe II in Kombination mit dem ent-           fenden Bundesprogrammen auf Landesebene konzipiert wurden:
sprechenden Bundesprogramm seinen Fokus auf die kurzfristi-
ge Liquiditätssicherung von Kleinstunternehmen, Freiberufle-        •   Digitalprämie: Mit der stetigen Veränderung der Arbeits-
rinnen und Freiberuflern und Soloselbstständigen. Mit der So-           und Wirtschaftswelt hin zu einer immer stärker ausgepräg-
forthilfe IV und V schlossen sich im Mai Maßnahmen an, die              ten Digitalisierung werden die Nutzung zeitgemäßer digi-
zum einen auf kulturelle Einrichtungen und Betriebe sowie zum           taler Anwendungen und die Innovation des eigenen Ge-
anderen auf die finanziellen Probleme des Berliner Mittel-              schäftsmodells zunehmend überlebenswichtig. Nicht im-
stands ausgerichtet waren.                                              mer stehen hierfür ausreichend Zeit und Ressourcen zur
                                                                        Verfügung, schon gar nicht, wenn das betriebliche Tages-
Nachdem im weiteren Jahresverlauf 2020 und bis heute zu-                geschäft aufgrund von externen Einflüssen zusätzlich unter
nehmend die mit großen finanziellen Volumina ausgestatteten             Druck steht. Im Rahmen der umfassenden Hilfs- und Unter-
Hilfsprogramme des Bundes — Überbrückungshilfen I, II, III              stützungsmaßnahmen zur Abmilderung der wirtschaftli-
sowie die November- und Dezemberhilfen — aufgelegt wur-                 chen Folgen der Corona-Pandemie legte das Land Berlin
den, sah Berlin seine vordringlichste Aufgabe darin, gemein-            deshalb, wie im August 2020 angekündigt, das Wirt-
sam mit der IBB Unterstützungsprogramme aufzulegen, die                 schaftsförderprogramm „Digitalprämie Berlin“ auf und un-
sich an den Spezifika des Wirtschafts- und Innovationsstand-            terstützt damit aktiv den laufenden Digitalisierungsprozess

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I. Wirtschaftspolitik in Berlin

    des Berliner Mittelstands. So werden mit der Digitalprämie           fen verzögert, werden zu deren Vorfinanzierung Bürgschaf-
    Berlin im Zuge eines vollständig digitalisierten Förderverfah-       ten die Kreditvergabe der Hausbanken an Berliner Unter-
    rens unbürokratische Direktzuschüsse von bis zu 17.000 €             nehmen um bis zu 90 % entlasten. Die Hausbanken erhal-
    für konkrete Digitalisierungsvorhaben gewährt.                       ten hierbei in einem schlanken Verfahren eine 90 %ige
                                                                         Bürgschaft der Bürgschaftsbank zu Berlin Brandenburg
•   Coronahilfen für Startups: Das Land Berlin unterstützt ge-           (BBB) für Zwischenfinanzierungen bis zu 250.000 €. Bund
    meinsam mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)                 und Land verbürgen diese Bürgschaft zu 100 % im Verhält-
    Startups und kleine mittelständische Unternehmen in Ber-             nis 6 % Bund und 3 % Land rück. Dafür ist ein Bürgschafts-
    lin, die infolge der Corona-Krise in Schwierigkeiten gera-           rahmen von 100 Mio. € vorgesehen, was bei einer ange-
    ten sind. Die Mittel in Höhe von maximal 800.000 € je                nommenen Ausfallquote von 10 % bis zu 10 Mio. € Kosten
    Unternehmen bzw. Unternehmensgruppe werden je nach                   bedeutet. Mit der Zwischenfinanzierung werden unter Ein-
    Einzelfall über einen oder mehrere der drei Finanzierungs-           bezug Dritter bei der Bundesplattform eingereichte und
    wege — IBB Ventures GmbH, private Risikokapitalgeber                 automatisiert positiv vorgeprüfte Anträge begleitet. Die
    (Intermediäre) oder mittels Berlin Mezzanine (direkt bei der         Zwischenfinanzierung wird nach Erhalt der Bundeshilfe aus
    IBB) vergeben.                                                       dieser zurückgezahlt werden. Durch diese Maßnahmen
                                                                         wird das Ausfallrisiko begrenzt.
•   Kongressfonds Berlin: Der Kongressmarkt ist von den Aus-
    wirkungen der Corona-Pandemie besonders betroffen. Die           •   Berlin Invest: Berlin legt ein eigenes zeitlich befristetes, re-
    Umsetzung sicherer Veranstaltungen wird auch in abseh-               gionales Förderprogramm auf, mit dem Anreize für kleine
    barer Zukunft geboten sein und einen höheren Ressource-              und mittlere Unternehmen geschaffen werden, Investitio-
    neinsatz der Veranstalterinnen und Veranstalter erfordern.           nen zum Erhalt oder der Schaffung von Arbeitsplätzen vor-
    Der mit 10 Mio. € ausgestattete Fonds unterstützt den                zunehmen. Ausbildungsplätze können wie Dauerarbeits-
    ReStart und die Planung von Veranstaltungen, wenn die                plätze gefördert werden. Dies gilt auch für Arbeitsplätze,
    Bekämpfung der Pandemie Kongresse und Veranstaltun-                  die mit Menschen mit Behinderungen besetzt werden. Das
    gen wieder ermöglicht. Gewährt wird bei Fachveranstaltun-            Programm soll grundsätzlich branchenoffen gestaltet wer-
    gen in Berlin (ab 50 Teilnehmende) ein Zuschuss von 25 €             den, richtet sich aber insbesondere an die besonders von
    pro Präsenz-Teilnehmerin und -Teilnehmer. Bei Veranstal-             der Pandemie betroffenen Branchen der Gastronomie, der
    tungen, die analog und hybrid stattfinden, erhöht sich der           Tourismuswirtschaft und des stationären, regionalen Ein-
    Zuschuss auf 35 € pro Präsenzteilnehmerin und Präsenz-               zelhandels, sowie zahlreiche Dienstleistungs- und Hand-
    teilnehmer pro Veranstaltungstag. Die maximale Förder-               werksunternehmen. Neben Unternehmen sollen auch Frei-
    summe pro Veranstaltung beträgt 49.950 €.                            beruflerinnen und Freiberufler antragsberechtigt sein, so-
                                                                         weit eine abschließende beihilferechtliche Prüfung diesem
•   Neustarthilfe Berlin: Mit der Neustarthilfe unterstützt das          Ansinnen nicht entgegensteht. Analog zur Gemeinschafts-
    Land Berlin — ergänzend zum Bund — Soloselbstständige                aufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“
    und kleine Unternehmen. Das Programm hat ein Volumen                 (GRW) werden Investitionszuschüsse von bis zu 3 % der In-
    von 150 Mio. €. Ziel ist, Soloselbstständige und Kleinstun-          vestitionssumme übernommen. Mit dem Förderprogramm
    ternehmen, die den besonderen Charakter der Berliner                 sollen insbesondere Unternehmen gefördert werden, die
    Wirtschaft ausmachen und die gleichzeitig häufig stark von           nicht im Rahmen der GRW gefördert werden, da ihnen die
    der Pandemie betroffen sind, einen besseren Start aus                überregionale Ausrichtung fehlt.
    dem Lockdown zu ermöglichen, als dies das Bundespro-
    gramm allein gewährleistet. Die vom Bund angekündigte            •   Ausweitung der Innovationsförderung und Stärkung des
    Neustarthilfe in Höhe von maximal 7.500 €, die nicht auf             Wirtschaftsstandorts Berlin: Mit einem Volumen von
    die Grundsicherung angerechnet werden soll, weist zwei               150 Mio. € soll der Neustart der Berliner Wirtschaft ange-
    wesentliche Nachteile auf: Zum einen werden in der Grup-             stoßen werden. Das Paket zielt auf die konkreten Bedarfe
    pe der Soloselbstständigen die besonders betroffenen                 der Berliner Unternehmen sowie Chancen zur Stärkung des
    Gruppen mit geringen Vorjahresumsätzen nur unzurei-                  Innovationsstandorts Berlin und der effektiven Nutzung von
    chend unterstützt. Zum anderen werden gerade kleinere                Kofinanzierungsmitteln des Bundes ab. Dabei sollen einer-
    Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe mit bis zu fünf               seits bereits begonnene oder beschlossene Maßnahmen
    Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern, die durch die pande-             mit großem Potenzial weitergeführt werden, um eine nach-
    miebedingten Schließungen betroffen sind und die in ihrer            haltige Wirkung sicherzustellen, und andererseits neue Ini-
    Struktur den Soloselbstständigen ähneln, also geringe Fix-           tiativen vorausschauend gefördert werden. Dies sichert die
    kosten haben und nach fast einem Jahr Pandemiebedin-                 langfristige Stärkung und Transformation der Wirtschafts-
    gungen über keine Rücklagen mehr verfügen, nicht ausrei-             struktur Berlins.
    chend von der Überbrückungshilfe III begleitet.
                                                                     •   Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle für Kleinst-
•   Bürgschaftshilfen: Um Liquiditätsengpässe bei Unterneh-              selbstständige: Anders als für private Verbraucherinnen
    men zu vermeiden, weil sich die Auszahlung der Bundeshil-            und Verbraucher gab es für Soloselbstständige oder Inha-

                                                                                                                                             7
WIRTSCHAFTS- UND INNOVATIONSBERICHT - BERLIN 2020/2021
I. Wirtschaftspolitik in Berlin

     berinnen und Inhaber von Kleinstunternehmen bislang kein       Wertschöpfung angekurbelt. Das Gesetzesvorhaben geht mit
     öffentliches Angebot einer Schuldner- und Insolvenzbera-       der Umsetzung des Masterplans Solarcity — einem vielfälti-
     tungsstelle. Da der Bedarf aber seit Sommer 2020 abseh-        gen Maßnahmenbündel zur Beschleunigung des Solaraus-
     bar war, fördert die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Ener-    baus — einher. Dazu wurden neun Handlungsfelder mit insge-
     gie und Betriebe seit Ende 2020 eine kostenfreie allgemei-     samt 27 Maßnahmen definiert. Die Handlungsfelder erstre-
     ne Schuldnerberatung für diese Zielgruppe beim Träger          cken sich über die Verbesserung von Rahmenbedingungen für
     Berliner Stadtmission e.V.                                     Solarenergie, die Bereitstellung von kostenfreier Information
                                                                    und Beratung, die Unterstützung durch Förderprogramme und
Darüber hinaus hat das Land Berlin weitere stabilisierende          Anreize sowie die Stärkung von Marktakteuren wie Handwerk
und zugleich konjunkturfördernde Programme umgesetzt.               und Architektur bis hin zu der Schaffung von Bildungsangebo-
Hervorzuheben sind mehrere außerplanmäßige Kampagnen                ten im Bereich der Solarenergie.
zur Unterstützung der Berliner Tourismuswirtschaft (u.a. „Erlebe
Deine Stadt, „Place2be“-Kampagne, „Berlin, auch das“-Kam-           Die Gemeinschaftsaufgabe ”Verbesserung der regionalen
pagne), die Neuausrichtung der Berliner Fashion Week und            Wirtschaftsstruktur” (GRW), das bedeutendste Wirtschaftsför-
des Modestandortes insgesamt, der Club- und Kulturbranche.          derinstrument in Berlin, kam in 2020 erneut auf ein hohes Jah-
                                                                    resergebnis. 149 Mio. € Fördermittel wurden für Investitions-
Die Berliner Wirtschaft hat sich angesichts der außergewöhnli-      maßnahmen ausgezahlt und 204 Mio. € für neue Bewilligun-
chen Umstände und der erwartbaren dramatischen Auswirkun-           gen für die Jahre 2021-2023 vorgenommen. Darüber hinaus
gen der Eindämmungsmaßnahmen als kreativ und resilient in           hat Berlin die zusätzlichen Mittel aus dem Konjunkturpaket der
der Krise erwiesen. Sie lieferte auch in diesem Ausnahmejahr        Bundesregierung vollständig gebunden und in gleicher Höhe
Ergebnisse, die optimistisch in die Zukunft blicken lassen. Denn    Landesmittel vorgesehen. Somit konnten 74,25 Mio. € zusätz-
der Wirtschafts- und Innovationsstandort Berlin bleibt trotz Kri-   lich zur Stärkung des Berliner Wirtschaftsstandorts eingesetzt
se in zentralen Branchen auf Erfolgskurs. So trotzt die Digital-    werden. Die große Nachfrage nach GRW-Mitteln zeigt das
wirtschaft eindrucksvoll der Krise und bleibt der wichtigste        weiterhin große Vertrauen in den Berliner Wirtschaftsstandort.
Wachstumstreiber für die Hauptstadt. Die Zuversicht der Unter-      Die GRW-Mittel fließen zum einen in die Förderung von Ber-
nehmen und ihr Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Berlin ge-        liner Unternehmen und wird für Investitionen bei Neuansied-
ben Hoffnung auf eine zügige wirtschaftliche Erholung nach          lungen bzw. dem Ausbau bestehender Standorte eingesetzt.
einer erfolgreichen Eindämmung der Pandemie.                        Zum anderen wird in die Verbesserung der wirtschaftsnahen
                                                                    Infrastruktur in Berlin investiert. Das Ziel ist, Arbeitsplätze zu
Obgleich das Thema „COVID-19-Pandemie“ eine Vielzahl                sichern und neue zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen.
anderer wirtschafts-, innovations- und energiepolitscher The-
men in der öffentlichen Wahrnehmung an den Rand rückte,             Der Masterplan Industriestadt Berlin (MPI) brachte auch im
wurden ungeachtet dessen auch hier wichtige, zukunftsweisen-        Jahr 2020 die Akteure aus Politik, Kammern, Gewerkschaften,
de Fortschritte erreicht.                                           Bildungseinrichtungen und Wirtschaft gezielt zusammen, um
                                                                    Berlin gemeinsam als einen wettbewerbsfähigen und innovati-
Berlin will das große Solarpotenzial besser nutzen, um das          ven Industriestandort zu stärken. Der aktuelle MPI 2018 —
Ziel, 25 % des Berliner Strombedarfs bis spätestens 2050 aus        2021 kann inzwischen trotz anhaltender Corona-Pandemie
Solarenergie zu decken, zu erreichen. Hierzu hat der Senat im       eine erfolgreiche Zwischenbilanz ziehen. Die Ergebnisse des
Frühjahr 2021 das Solargesetz Berlin beschlossen, das die           im Herbst 2020 durchgeführten dritten Monitorings haben ge-
Solarpflicht für alle Neubauten und für den Bestand bei grund-      zeigt, dass 90 % der im MPI verabredeten Maßnahmen inzwi-
legender Dachsanierung ab 2023 vorsieht. Die CO2-Einspa-            schen aktiviert und mit konkreten Projekten entlang der vier
rung innerhalb von fünf Jahren wird rund 37.000 Tonnen pro          definierten Handlungsfelder „Fachkräfte und Innovation“, „Di-
Jahr ausmachen. Damit leistet das Gesetz einen wichtigen            gitalisierung“, „Rahmenbedingungen“ und „Marketing“ unter-
Beitrag zum Klimaschutz. Darüber hinaus wird die regionale          setzt sind.

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WIRTSCHAFTS- UND INNOVATIONSBERICHT - BERLIN 2020/2021
II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin
In Berlin ist das Bruttoinlandsprodukt nach sieben Jahren mit wirtschaftlichem Wachstum 2020 deutlich zu-
rückgegangen. Auslöser war die Corona-Pandemie, die zu starken Rückgängen u. a. im Tourismus und Gast-
gewerbe und in der Veranstaltungswirtschaft geführt hat. Andere Branchen wie bspw. die Informations- und
Kommunikationswirtschaft haben sich dagegen behauptet. Durch diesen Branchenmix fiel der Rückgang der
Wirtschaftsleistung in Berlin 2020 mit real 3,3 % geringer aus als im Bundesdurchschnitt. Die Entwicklung
im laufenden Jahr steht unter dem Vorbehalt des weiteren Pandemiegeschehens. Bei einer schrittweisen Ein-
dämmung der Pandemie kann im Jahresverlauf ein wirtschaftlicher Aufschwung gelingen.

Konjunkturelle Wirtschaftsentwicklung                              hängen, bei einer schrittweisen Lockerung der pandemiebe-
                                                                   dingten Einschränkungen positive Nachfrageimpulse ein. Da-
In Berlin ist das Bruttoinlandsprodukt, nachdem es zwischen        mit geht eine Aufhellung des Verbraucherklimas bei gleichzei-
2013 und 2019 durchgehend gewachsen ist, im letzten Jahr           tigem Abbau der Sparquote einher. Von einem zunehmenden
spürbar zurückgegangen. Insgesamt lag die Wirtschaftsleis-         Tourismus und geringeren wirtschaftlichen Einschränkungen
tung 2020 in Berlin bei rund 154,6 Mrd. €; dies waren 2,2 Mrd. €   werden zudem die Kultur- und Kreativwirtschaft, Messen und
weniger als ein Jahr zuvor. In realer Betrachtung ging das Brut-   Kongresse unmittelbar profitieren, was sich entsprechend po-
toinlandsprodukt 2020 um 3,3 % zurück und damit weniger            sitiv auf die wirtschaftlichen Dienstleistungen auswirkt. Andere
stark als im Bundesdurchschnitt. Der Dienstleistungssektor, der    wichtige Berliner Branchen, etwa Information und Kommunika-
rund 86 % der Wertschöpfung erbringt, war in besonders star-       tion und der Bereich der öffentlichen Dienstleistungen, dürften
kem Maße von den Folgen der wirtschaftlichen Einschränkun-         weitere Impulse auslösen. Damit ist in Berlin von den Dienst-
gen durch Corona betroffen. Insgesamt ging die Wertschöp-          leistungen, wie bereits vor 2020, wieder ein positiver Wachs-
fung in den Dienstleistungsbranchen in Berlin 2020 um real         tumsbeitrag zu erwarten. Das Land Berlin unterstützt den
4,0 % zurück, nachdem sie in den fünf Vorjahren um jahres-         Restart der Wirtschaft mit Soforthilfen für Soloselbstständige
durchschnittlich mehr als 4 % gewachsen war.                       und Kleinunternehmen. Darüber hinaus stehen die Hilfen und
                                                                   gesetzgeberischen Maßnahmen auf Bundesebene den Ber-
Durch den Lockdown von Mitte Dezember 2020 bis Mitte 2021          liner Unternehmen zur Verfügung.
ist es nach einem ungünstigeren Verlauf Ende 2020 auch zu
einer schwachen Entwicklung Anfang 2021 gekommen; dies
lässt eine wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung somit erst später      Auswirkungen der COVID-19-Pandemie
einsetzen. Laut den IHK-Konjunkturumfragen vom Jahresbe-
ginn und vom Frühjahr wurde die aktuelle Geschäftslage im             Berlin hat sich im Vorfeld der Corona-Pandemie wirt-
Saldo der Unternehmen zwar leicht positiv bewertet, allerdings        schaftlich sehr erfolgreich entwickelt. In den Jahren
divergierte die Situation zwischen den Branchen in starkem            2017 bis 2019 erhöhte sich das Bruttoinlandsprodukt
Maße und die IHK verwies auf bessere Ergebnisse bei größe-            um jahresdurchschnittlich 3,6 %. Der Bundesdurch-
ren Unternehmen als bei den KMU. Die Geschäftserwartungen             schnitt lag bei 1,5 %. Beim Bruttoinlandsprodukt pro
waren insgesamt leicht optimistisch, ausgelöst vor allem durch        Einwohnerin und Einwohner übertraf Berlin zudem im
die Dienstleistungen, aber auch das Gastgewerbe und die In-           Jahr 2018 erstmals seit 2000 den Bundeswert. Damit
dustrie waren positiv gestimmt. Auf Bundesebene zeigten               setzte Berlin den Aufholprozess fort. Mit den wirtschaft-
bspw. die ifo-Umfragen für Deutschland die wieder etwas grö-          lichen Einschränkungen durch die Corona-Pandemie
ßere Zuversicht der Unternehmen.                                      wurde das wirtschaftliche Wachstum unterbrochen. Be-
                                                                      sonders unter Druck geraten sind dabei die konsumna-
Die weitere Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes         hen Branchen des Gastgewerbes und stationären Ein-
in der Hauptstadtregion steht unter dem Vorbehalt, dass die           zelhandels sowie die Tourismus-, Veranstaltungs- und
Eindämmung der Pandemie weiter voranschreitet und auf die-            Kongressbranche. Neben viel Schatten gibt es in der
ser Grundlage eine konjunkturelle Besserung einsetzt. Aller-          Krise aber auch Licht, denn die Wirtschaft in Berlin steht
dings könnte selbst bei einer zur Jahresmitte hin einsetzenden        auf mehreren Standbeinen. Die Digitalwirtschaft ist bis-
konjunkturellen Erholung das wirtschaftliche Vorkrisenniveau          lang stabil durch die Krise gekommen, die Industrie ist
im Jahr 2021 noch nicht erreicht werden. Dies ist begründet mit       deutlich weniger stark von der Krise betroffen als im
dem jüngsten Lockdown, der den Aufschwung zeitverzögert               Bundesdurchschnitt und öffentliche Dienstleistungen
einsetzen lässt.                                                      stabilisieren. Der Rückgang der gesamten Wirtschafts-
                                                                      leistung fiel in Berlin 2020 mit real 3,3 % deshalb
Was die einzelnen Wirtschaftszweige betrifft, stellen sich für        schwächer aus als der Bundesdurchschnitt mit einem
die konsumnahen Branchen des stationären Einzelhandels                um 4,8 % geringeren Bruttoinlandsprodukt.
und Gastgewerbes, die in starkem Maße vom Tourismus ab-

                                                                                                                                   9
WIRTSCHAFTS- UND INNOVATIONSBERICHT - BERLIN 2020/2021
II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin

Arbeitsmarkt unter Druck                                         menden Rückführung von Kurzarbeit könnten sich den Unter-
                                                                 nehmen im Zeitverlauf auch Spielräume für Einstellungen er-
Die wirtschaftlichen Brüche infolge COVID-19 belasten in star-   öffnen, die positiv auf die Arbeitslosenzahlen ausstrahlen.
kem Maße den Berliner Arbeitsmarkt. Die Zahl der Arbeitslo-
sen, die im ersten Lockdown sprunghaft gestiegen war, hat        Corona hat auch Spuren bei der sozialversicherungspflichti-
sich zwar seitdem stabilisiert. Allerdings bewegt sich die Ar-   gen Beschäftigung hinterlassen, die im letzten Frühjahr im
beitslosenzahl durch die starke Zunahme vom letzten Frühjahr     Zuge des ersten Lockdowns gesunken ist. Wurde im Januar
auf einem deutlich höheren Niveau. Die Arbeitslosenquote be-     2020 die Beschäftigtenzahl des Vorjahres in Berlin um 49.300
trug im Jahr 2020 in Berlin 9,7 %, gegenüber 7,8 % ein Jahr      übertroffen, waren es im Dezember noch 3.600. Gleichwohl
zuvor. Bei den Frauen lag sie 2020 bei 9,0 % und bei den         bewegte sich die Beschäftigung damit noch etwa auf dem
Männern bei 10,4 %. Im Jahresdurchschnitt 2020 wurden in         Vorjahresstand, wozu die Inanspruchnahme des arbeitsmarkt-
Berlin 192.600 Arbeitslose gezählt; dies waren 26,3 % mehr       politischen Instruments der Kurzarbeit beigetragen hat. Die
als 2019.                                                        Gesamtzahl der Erwerbstätigen sank allerdings in Berlin 2020
                                                                 um jahresdurchschnittlich 8.000 bzw. 0,4 % auf 2,059 Mio.,
Die nach wie vor schwierige Lage am Arbeitsmarkt wird an der     wozu besonders der deutliche Rückgang bei den marginal Be-
auch Anfang 2021 noch schwachen Arbeitskräftenachfrage           schäftigten beigetragen hat.
und dem hohen Niveau an Kurzarbeit ersichtlich. Im März 2021
gab es in Berlin insgesamt rund 122.900 Kurzarbeitende aus       Dienstleistungen uneinheitlich
konjunkturellen Gründen. Dies waren 7,8 % der Beschäftigten;
bundesweit lag dieser Anteil bei 8,0 %. Die Kurzarbeit ist da-   Im Dienstleistungssektor hatte die Corona-Pandemie teils
mit, nachdem sie im Herbst im Zuge des zweiten Lockdowns         schwerwiegende Folgen. Gegenüber der Finanzkrise
wieder zugenommen hatte, aber zuletzt wieder gesunken und        2008/09, von der insbesondere die Industrie betroffen war,
bewegte sich deutlich unter dem Höchststand von 239.500          wirkte sich der Schock durch die Corona-Pandemie besonders
Kurzarbeitenden im April letzten Jahres.                         in den für Berlin bedeutenden Branchen Tourismus und Veran-
                                                                 staltungs-, Kultur- und Kongresswirtschaft aus. Insbesondere
Damit gibt es Hoffnungsschimmer auf eine weitere Stabilisie-     durch die Kontaktbeschränkungen konnten viele Unternehmen
rung am Arbeitsmarkt, zumal im Juni von nur noch rund 200        ihre Tätigkeit gar nicht oder nur eingeschränkt ausüben.
Berliner Betrieben neue Anzeigen zur konjunkturellen Kurzar-
beit eingingen und damit weniger als in den Vormonaten. Den      Die Einbrüche zeigen sich in besonderem Maße an den Zah-
Höchstwert gab es im April letzten Jahres mit 27.700 Anzei-      len beim Tourismus. Nach positiven Werten Anfang 2020 war
gen. Mit einem voranschreitenden Abbau der Infektionsschutz-     der weitere Jahresverlauf geprägt durch die Maßnahmen zur
maßnahmen, einer wirtschaftlichen Erholung und einer zuneh-      Bekämpfung der Corona-Pandemie.

  Luise Nesbeda                                                  Phillip Haverkamp
  Bereich Einzelhandel;                                          Projektleiter
  Senatsverwaltung                                               Energiesparnetzwerk
  für Wirtschaft, Energie                                        des Berliner Handels;
  und Betriebe                                                   Handelsverband
                                                                 Berlin-Brandenburg e.V.

  „Zur Unterstützung des Berliner Handels bei der Umsetzung      „Kleine und mittelständische Einzelhändlerinnen und –händ-
  von Energieeffizienz- und Klimaschutzmaßnahmen im eige-        ler haben aufgrund fehlender personeller und finanzieller
  nen Ladengeschäft, haben wir in Zusammenarbeit mit dem         Ressourcen Energieeffizienz und Klimaschutz häufig noch
  Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. und der Klima-          nicht im Fokus. Das Energiesparnetzwerk des Berliner Han-
  schutzoffensive des Handelsverbands Deutschland das            dels unterstützt hier durch passgenaue Angebote wie gut-
  „Energiesparnetzwerk des Berliner Handels“ gegründet. Fi-      scheinbezogene Effizienzchecks, Workshops und Informati-
  nanziert wird das Projekt aus Mitteln des Berliner Energie-    onsmaterial. Das Projekt vereint die lokalen Netzwerke des
  und Klimaschutzprogramms. Das innovative Netzwerk bietet       Handelsverbandes Berlin-Brandenburg und das fachliche
  kleinen und mittelständischen Händlerinnen und Händlern        Know-how der Klimaschutzoffensive des Handels. So errei-
  praxisnahe Informationen, Veranstaltungen sowie Experten,      chen wir den Berliner Handel mit zielgerichteten Lösungen
  um die eigenen Energiesparpotenziale zu erkennen.“             und Informationen.“

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II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin

Von Anfang März bis zur Lockerung des Beherbergungsver-
bots am 25. Mai 2020 und durch den zweiten Lockdown ab
November kam der Tourismus fast vollständig zum Erliegen.             Auswirkungen der COVID-19-Pandemie
Messen und Veranstaltungen mussten abgesagt werden. Wäh-
rend 2019 noch über 34 Mio. Übernachtungen registriert wur-           Die Wirtschaft ist in starkem Maße von den Folgen der
den, waren es 2020 gerade einmal 12,3 Millionen. Dies ent-            Corona-Pandemie betroffen. Die Zahl der Unterneh-
sprach einem Rückgang von 64,0 %; bei den Gästen fiel das             mensinsolvenzen hat den Wirtschaftseinbruch infolge
Minus mit 64,6 % ähnlich hoch aus. In den letzten Jahren lagen        der ausgesetzten Insolvenzantragspflicht 2020 dage-
die Umsätze allein aus den durch Touristen getätigten Einkäu-         gen noch nicht widergespiegelt. Im letzten Jahr gab es
fen bei bis zu 5 Mrd. €. In 2020 dürfte dieser Anteil fast gänz-      in Berlin insgesamt 1.233 Unternehmensinsolvenzen (er-
lich entfallen sein. Mit dem sich hinziehenden Lockdown war           öffnet oder mangels Masse abgelehnt), dies waren 149
auch der Auftakt 2021 noch von einem tiefen Minus geprägt;            bzw. 10,8 % weniger als im Vorjahreszeitraum. Auch am
im ersten Quartal brach die Übernachtungszahl um 82,4 %               Jahresanfang 2021 war noch keine auffällige Zunahme
gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein. Im Vergleich zum ers-            bei den Insolvenzzahlen zu erkennen. Insgesamt lässt
ten Quartal 2019, als die Pandemie noch nicht relevant war,           sich nicht belastbar abschätzen, wie viele Insolvenzen
lag der Rückgang sogar bei 86,4 %.                                    im laufenden Jahr zu erwarten sind. Aber selbst wenn
                                                                      Unternehmen eine längere Durststrecke durchstehen,
Einbußen von gut 90 % gab es Anfang 2021 auch bei den                 gibt es nichts zu beschönigen. Gerade in Berlin mit der
Fluggastzahlen. Im letzten Jahr gingen diese an den Berliner          starken Betroffenheit des Gastgewerbes und den vielen
Flughäfen insgesamt um 74,5 % zurück.                                 Kulturschaffenden ist die Not bei vielen Unternehmen
                                                                      und Selbstständigen sehr groß.
Durch den wegfallenden Tourismus sind die Umsätze im Ber-
liner Gastgewerbe eingebrochen, der in starkem Maße von               Es lässt sich nicht ausschließen, dass trotz der umfang-
den coronabedingten Schließungen und Frequenzverlusten                reichen Unterstützungsmaßnahmen, mit denen Berlin
betroffen ist. In der Gastronomie entstanden 2020 Umsatzein-          und der Bund den Unternehmen auch finanziell zur Sei-
bußen gegenüber dem Vorjahr von 41,5 %; im Beherbergungs-             te stehen, viele in wirtschaftliche Existenznöte geraten
sektor gab es ein Minus von 62,1 %. Im gesamten Berliner              — darunter auch ehemalige Kleinstunternehmen und
Gastgewerbe kam es dadurch zu einem Umsatzrückgang von                Solo-Selbstständige. Für diese Gruppe hat die Senats-
49,2 %. Im 1. Quartal 2021 bewegte sich das Gastgewerbe um            verwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe eine
68,2 % unter den Umsätzen vom Vorjahresmonat und damit                spezialisierte Schuldner- und Insolvenzberatung bei
auf dem Niveau vom ersten Lockdown.                                   der Berliner Stadtmission aufgebaut. Die neue Anlauf-
                                                                      stelle hat zum Anfang Dezember 2020 ihre Arbeit auf-
Die coronabedingt schwächere Konsumnachfrage, zu der be-              genommen und im ersten Quartal bereits 500 Bera-
sonders auch der eingebrochene Berlin-Tourismus beigetra-             tungsgespräche mit insgesamt 141 Klienten geführt.
gen hat, war vor allem mit negativen Folgen für den stationä-         Neben zahlreichen anderen Maßnahmen wird auch
ren Einzelhandel verbunden. Die Auswirkungen der Pandemie             damit ein Beitrag geleistet, die schwerwiegenden Fol-
wie rückgängige Besucherfrequenzen, geändertes Verbrau-               gen der Corona-Pandemie abzumildern.
cherverhalten sowie die weiter zunehmende Digitalisierung
stellen daher insbesondere den stationären, inhabergeführten
Innenstadthandel vor Herausforderungen. Allerdings ist das         kaufsräumen (inklusive interaktiver Handel, aber ohne Kfz,
Bild im Berliner Einzelhandel zweigeteilt, denn durch Zuwäch-      Tankstellen, Brennstoffhandel und Apotheken) 2020 in nomi-
se bei Lebensmitteln und den Onlinegeschäften konnte der           naler Betrachtung ca. 18,9 Mrd. €.
Einzelhandel 2020 sogar insgesamt noch ein Umsatzplus von
real 2,3 % verbuchen. Dabei stieg der Umsatz beim Einzelhan-       Bemerkenswert ist, dass die Neueintragungen für die Ausbil-
del außerhalb von Verkaufsräumen, also im Wesentlichen dem         dungsberufe Einzelhandelskauffrau/Einzelhandelskaufmann
Online-Handel, im letzten Jahr besonders stark um 19,1 %.          (von 900 auf 893), Verkäuferin/Verkäufer (von 552 auf 541)
                                                                   sowie Kauffrau/-Mann im E-Commerce (von 53 auf 56) 2020
Auch der Lebensmitteleinzelhandel befand sich im Plus mit ei-      fast stabil gegenüber 2019 geblieben sind. Mit insgesamt
nem Anstieg von rund 5 %. Insbesondere die Branchen des            3.222 Ausbildungsplätzen zählt der Einzelhandel weiterhin zu
klassischen stationären, saisonabhängigen Innenstadthandels        den stärksten Ausbildungsträgern bei den Dienstleistungsbe-
wie Textil- und Schuhwaren sowie Spielwaren, sind dagegen          rufen der Berliner Wirtschaft.
besonders stark von Umsatzrückgängen betroffen. Der reale
Umsatz im Bereich „Einzelhandel in Verkaufsräumen mit Ver-         Nach dem Einbruch im Frühjahr 2020 waren die Gesamtum-
lagsprodukten, Sportausrüstungen und Spielwaren sowie              sätze im Einzelhandel in der Monatsbetrachtung mit dem er-
sonstigen Gütern“ ist im letzten Jahr bspw. um insgesamt 8,6 %     neuten Lockdown ab Dezember wieder negativ. Das Plus beim
gesunken. Insgesamt betrug der geschätzte Gesamtumsatz             Onlinehandel und bei Lebensmitteln konnte die erneuten
des Berliner Einzelhandels innerhalb und außerhalb von Ver-        Rückgänge in anderen Bereichen des stationären Einzelhan-

                                                                                                                                       11
II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin

dels nicht kompensieren, die im Januar teils Umsatzverluste                             ebenso für die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäf-
um rund die Hälfte hatten.                                                              tigten, die auch im Gesundheits- und Sozialwesen stabil ge-
                                                                                        blieben ist.
Unterschiedlich verlief die Entwicklung auch bei anderen
Dienstleistungsbranchen. Die sonstigen wirtschaftlichen Dienst-                         Insgesamt waren zum Stichtag 30.6.2020 in Berlin 1.335.000
leistungen, zu denen u. a. Messen und Kongresse, Reisebüros                             sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in den Dienstleis-
und die Arbeitnehmerüberlassung zählen, hatten teils deutliche                          tungsbranchen tätig, die damit einen Beschäftigtenanteil von
Einbußen und lagen bei den Umsätzen im 4. Quartal 2020 um                               87 % hatten. Im Dienstleistungssektor sind weiterhin überwie-
rund 23 % unter dem Stand vom Vorjahreszeitraum. Dagegen                                gend Frauen tätig. Rund 54 % aller in diesem Bereich sozial-
zeigte sich die Branche Information und Kommunikation, die in                           versicherungspflichtig Beschäftigten sind weiblich. Insbeson-
den Jahren bis 2019 deutliche Zuwächse verbuchen konnte, ge-                            dere weisen die Bereiche des Gesundheitswesens, Erbringung
rade bei den Informationsdienstleistungen weiter dynamisch                              von Dienstleistungen der Informationstechnologie sowie die
und blieb dadurch insgesamt stabil bei den Umsätzen. Dies gilt                          Finanzdienstleistungen einen hohen Frauenanteil auf.

Bruttoinlandsprodukt (real) – Berlin im Vergleich mit Deutschland
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %

      8,0
                                                                                              +5,1
                     +4,2   +3,9+3,9                                                                        +3,8          +4,3
              +2,9                                                              +3,6
      4,0                                                         +2,7                               +2,2          +2,6                 +2,6
                                                                         +2,2
                                                                                       +1,5                                      +1,3
                                              +0,4   +0,3 +0,4                                                                                 +0,6

      0,0
                                       -0,2

     -4,0                                                                                                                                             -3,3
                                                                                                                                                             -4,8

     -8,0
                2010          2011       2012         2013          2014         2015          2016          2017          2018          2019          2020

       Berlin                 Deutschland
Quellen: Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“, Statistisches Bundesamt

Industrie im Jahresverlauf gefestigt — Bau robust                                       Zum Jahresauftakt 2021 zeigte sich die Berliner Industrie ge-
                                                                                        festigt. Für die ersten drei Monate blieben die Umsätze stabil
Nach dem Einbruch im ersten Lockdown hat sich die Berliner                              gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Industrieaufträge
Industrie stabilisiert und dadurch 2020 die Umsätze um 2,7 %                            sind wieder angezogen und deuteten wie die Stimmungsindi-
gesteigert. Zu dem noch positiven Gesamtergebnis hat die                                katoren auf eine günstige konjunkturelle Entwicklung hin. Da-
Branchenstruktur in Berlin beigetragen. Mit der Herstellung                             bei hat sich für die Industrie der konjunkturelle Rahmen ins-
von Gummi- und Kunststoffwaren, dem Maschinenbau, der                                   gesamt verbessert; die Aufträge sind bundesweit gestiegen
Herstellung von DV-Geräten, elektronischen und optischen                                und das ifo-Geschäftsklima fällt in der Branche günstiger
Erzeugnissen, Kraftwagen und Metall waren mehrere Bran-                                 aus. Die Weltwirtschaft und wichtige Abnehmerländer wie
chen in teils starken Maße mit Umsatzverlusten konfrontiert.                            China und die USA sind ebenfalls aufwärtsgerichtet. Dies
Dagegen konnten die Industriebranchen Nahrungsmittel,                                   sollte positiv auf die Industrie in Berlin ausstrahlen, obgleich
elektrische Ausrüstungen und Pharma, die in Berlin 2020                                 Unsicherheiten unter anderem durch das Pandemiegeschehen
rund die Hälfte der Industrieumsätze erbracht haben, im letz-                           verbleiben.
ten Jahr zulegen und damit das gegenüber dem negativen
Bundesergebnis noch leichte Umsatzplus auslösen.                                        Die gesamte Außenhandelsbilanz Berlins zeigte sich 2020
                                                                                        aber schwächer. Es wurden Waren im Wert von rund 14,4 Mrd. €
Auch die Auftragseingänge für die Berliner Industrie haben                              exportiert und damit 5,2 % weniger als 2019. Während die
gegen Jahresende 2020 zugenommen und übertrafen in der                                  Exporte bspw. in den EU-Raum und die USA geringer ausfie-
Quartalsbetrachtung erstmals den Stand vom Vorjahreszeit-                               len, gab es gegenüber China ein Ausfuhrplus. Größtes Ab-
raum. Im Gesamtjahr 2020 lagen die Bestellungen aber um                                 nehmerland waren aber weiterhin die USA, gefolgt von
2,0 % unter dem Vorjahresstand.                                                         Frankreich und China.

12
II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin

SvB der Dienstleistungsbranchen 2020
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (SvB) 2020 absolut und prozentuale Veränderung gegenüber 2019 in %

                                Gesundheits- und Sozialwesen                                                                                                      +2,7

              Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen1                                                                             +2,0

                    Handel, Instandhaltung, Reparatur von Kfz                                                                        -0,3

    Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen2                                                         -5,5

                               Information und Kommunikation                                               +5,2

                                      Erziehung und Unterricht                                       +4,4

    Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherungen                               +6,1

                    Erbringung von sonstigen Dienstleistungen3                            +0,8

                                          Verkehr und Lagerei                      -1,7

                                                 Gastgewerbe                    -15,7

     Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen       +4,6

                        absolute Anzahl der SvB in Tausend    25     50          75        100        125         150          175           200        225         250

1
  Freiberufl., wissenschaftl. u. techn. Dienstleistungen, Immobilien
2
  z. B. Vermietung von beweglichen Sachen, Vermittlung von Arbeitskräften, Reisebüros, Gebäudebetreuung.
3
  z. B. Erbringung persönlicher Dienstleistungen, Reparatur von DV-Geräten und Gebrauchsgütern.
Quelle: Bundesagentur für Arbeit Stand: 30.12.2020

Das Baugewerbe zeigte sich 2020 robust in der Krise und                               seurinnen und Friseure sowie Kosmetikerinnen und Kosmetiker
konnte die Umsätze im Bauhauptgewerbe (+5,0 %) und im Aus-                            erlebten aufgrund des variierenden Pandemieverlaufs und der
baugewerbe (+3,6 %) steigern. Insgesamt entstand im Berliner                          damit einhergehenden Eindämmungsmaßnahmen einen im-
Baugewerbe 2020 ein Umsatzplus von 4,5 %. Ausdruck des                                mer wieder — auch mehrmonatigen — unterbrochenen Ge-
stabilen Baugeschehens ist auch das Arbeitsvolumen in Form                            schäftsbetrieb. Goldschmiedinnen und Goldschmiede und
der geleisteten Arbeitsstunden, das im letzten Jahr im Bau-                           Fotografinnen und Fotografen konnten zwar in ihren Werkstät-
hauptgewerbe um 5,5 % zunahm. Obgleich das Baugewerbe                                 ten arbeiten, aber zeitweise keine Produkte im stationären Ein-
in Berlin ebenfalls von den Folgen der Pandemie betroffen                             zelhandel verkaufen. „Zulieferer“ (z. B. Tischlerinnen und Tisch-
war, zeigte es sich somit insgesamt in stabiler Verfassung und                        ler für Messebau, Fotografinnen und Fotografen für Events und
bewegte sich im Zuge der gestiegenen Bauaktivität auch auf                            Veranstaltungen, Gebäudereinigerinnen und Gebäudereini-
einem höheren Beschäftigungsniveau. Bei den Auftragsein-                              ger, Bäckerinnen und Bäcker, Fleischerinnen und Fleischer für
gängen im Bauhauptgewerbe gab es 2020 allerdings einen                                den Hotel- und Gaststättenbereich) haben nach wie vor feh-
Rückgang um 21,8 %. Dabei sind als Basiseffekt aber starke                            lende Aufträge durch Einstellung oder nur eingeschränkte Ge-
Auftragszuwächse aus den beiden Vorjahren zu beachten, als                            schäftstätigkeit der „Auftrag gebenden“ (Messen, Veranstal-
die Nachfrage um 9,2 % bzw. 31,0 % gestiegen war. Die Zahl der                        tungen, eingeschränkte oder gänzlich eingestellte Tätigkeit
Baugenehmigungen für Wohnungen lag 2020 bei 20.459 und                                von Hotellerie und Gastronomie etc.). Heizungsbauerinnen
erreichte ebenfalls nicht das Vorjahresniveau von 22.524. Der                         und Heizungsbauer, Elektrikerinnen und Elektriker können ihre
Auftragsbestand im Berliner Bauhauptgewerbe lag Ende De-                              Leistungen mit den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen an-
zember 2020 bei 1,70 Mrd. €. Damit hat sich der Auftragsbe-                           bieten. Dachdeckerinnen und Dachdecker und Gerüstbaue-
stand im Jahresverlauf 2020 etwas abgebaut (1,72 Mrd. € Ende                          rinnen und Gerüstbauer können ebenfalls arbeiten. Das glei-
September, 1,81 Mrd. € Ende Juni und 1,95 Mrd. € Ende März),                          che gilt für das Bau- und Ausbaugewerbe insgesamt.
aber er bewegte sich weiterhin auf einem hohen Niveau. So sind
die Jahresdurchschnittswerte des Auftragsbestands seit 2016                           Obwohl das Handwerk insgesamt im Unterschied zu vielen an-
kontinuierlich gestiegen. Zusammen mit einer bei abnehmen-                            deren Branchen nicht von langen oder sogar noch anhalten-
dem Pandemiegeschehen wieder anziehenden Gesamtkonjunk-                               den Schließungsphasen betroffen ist, sollte der Blick auf die
tur trägt dies zu einer weiterhin stabilen Bautätigkeit in Berlin bei.                körpernahen Dienstleistungen gelenkt werden, denn sowohl
                                                                                      das Friseur- als auch das Kosmetikhandwerk sind von allen
Das Berliner Handwerk war und ist durch die seit 2020 anhal-                          Gewerken am stärksten direkt betroffen. Bereits vor der Pande-
tende Corona-Pandemie sehr unterschiedlich betroffen: Fri-                            mie waren hohe Hygienestandards Teil der Geschäftstätigkeit.

                                                                                                                                                                         13
II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin

Dadurch, dass die Dienstleistung in großer Nähe zueinander        triebe von der Pandemie betroffen. Der branchenspezifische
stattfinden, mussten diese Maßnahmen noch einmal erheblich        Konjunkturindex verbesserte sich aber um 20 Zähler im Früh-
verstärkt werden. Dieses führte auch bei der Wiederaufnahme       jahrsvergleich, da 96 % der Betriebe von einer Verbesserung
des Betriebes zu niedrigeren Bedien- und Behandlungszahlen        bzw. Verstetigung der wirtschaftlichen Lage ausgingen.
und somit großen wirtschaftlichen Herausforderungen.
                                                                  Die Betriebsstatistik der Handwerkskammer Berlin ist dennoch
Für Berlin stellt das Handwerk mit über 30.800 Betrieben nach     grundsätzlich positiv: 30.852 Handwerksbetriebe zum Jahres-
wie vor einen zentralen Wirtschaftssektor dar und trägt zum po-   ende 2020, das sind 309 Betriebe mehr als noch im Vorjahr.
sitiven Trend der Berliner Wirtschaft bei. Im Spätsommer 2020
bewerteten insgesamt 37 % der Handwerksbetriebe ihre aktu-        Eine bedeutende Investition für die Zukunft, Fundament für
ellen Geschäftsergebnisse als gut; 18 % urteilten mit schlecht    Selbstständigkeit und beruflichen Erfolg ist ein Meistertitel im
— ein Positiv-Saldo von 19 Zählern. Die Besorgnis über die        Handwerk. Er steht für eine hochqualifizierte Ausbildung und
Auswirkungen der Corona-Pandemie und die Verunsicherung           Fachwissen, ist ein wichtiges Gütesiegel und ein Aushänge-
über die Entwicklung in den kommenden Monaten war deutlich        schild für jeden Betrieb, das Vertrauen erweckt. Der Meister-
in den Geschäftserwartungen zu spüren. Nur noch 17 % gingen       brief ist eine exzellente Garantie für handwerkliche Praxis und
von einer Verbesserung der Wirtschaftslage aus, 27 % blickten     betriebswirtschaftliches Denken. Er ermöglicht es Meisterinnen
zurückhaltend in die Zukunft. Der Geschäftsklimaindex des         und Meistern, Wissen weiterzugeben und junge Menschen für
Berliner Handwerks stand bei 103 Punkten, ein Verlust von 8       berufliche Ausbildung zu begeistern.
Zählern gegenüber dem Frühjahr. Bauhaupt-, Ausbau- und
Gesundheitsgewerbe übertrafen noch die 100-Punkte-Marke.          Die Zahl der Unternehmensgründungen ist in Berlin 2020 etwas
Die abnehmende Zuversicht spiegelt sich in den allgemeinen        geringer ausgefallen als im Vorjahr, zeigte sich aber insgesamt
Erwartungshaltungen der Betriebe wider. 19 % rechneten mit        stabil und erreichte im Vergleich mit den anderen Bundeslän-
weiterem Wachstum, 24 % mit nachlassenden Geschäften.             dern ein weiterhin überdurchschnittliches Niveau. In Berlin kam
                                                                  es im Jahr 2020 zu insgesamt 37.682 Neugründungen von Un-
Auch das Nahrungsmittelhandwerk ist durch die Pandemie be-        ternehmen, gegenüber 38.210 im Vorjahr. Damit fiel die Grün-
troffen. Der Geschäftslage-Saldo ist von plus 7 im Vorjahr auf    dungstätigkeit leicht um 1,4 % geringer aus. Zu dieser Entwick-
minus 36 Punkte gefallen. Mehrheitlich erwarten die Betriebe      lung dürfte unter anderem eine eher vorsichtige Gründungsnei-
jedoch eine Verbesserung der Nachfrage und damit auch der         gung wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit infolge der Ein-
Umsätze. Auch im Gesundheitsgewerbe war ein Drittel der Be-       schränkungen durch die Corona-Pandemie und die damit ver-
                                                                  bundene schwierigere Wirtschaftslage beigetragen haben.

  Meistergründungsprämie                                          Unter den Bundesländern liegt Berlin in der Gründungsdyna-
                                                                  mik aber weiterhin vorne. Im Jahr 2020 gab es die meisten
  Um jungen Handwerksmeisterinnen und -meistern den               neuen Unternehmen pro 10.000 Einwohnerinnen und Einwoh-
  Schritt in die Selbstständigkeit zu erleichtern, bietet das     ner (103), noch vor Hamburg (87) und Hessen (74). Der Bun-
  Land Berlin seit vielen Jahren über das zu 50 % mit Mitteln     desdurchschnitt lag bei 65. Weiterhin günstig ist Berlins Positi-
  der EU kofinanzierte Programm „Meistergründungsprä-             on auch bei den sogenannten Betriebsgründungen, denen ein
  mie“ schnell und unbürokratisch finanzielle Unterstützung       höheres wirtschaftliches Gewicht zugeordnet wird. Es handelt
  an. Die Prämie ist im Jahr 2018 erhöht worden und kann          sich hierbei um Gründungen, bei denen bspw. ein Eintrag im
  bis zu 15.000 € betragen. Die Erhöhung hebt die Bedeu-          Handelsregister oder eine Handwerkseigenschaft vorliegt
  tung des qualifizierten Handwerks für den Standort Berlin       bzw. es mindestens eine beschäftigte Person gibt. Die Zahl der
  deutlich hervor. Die Auszahlung der Meistergründungs-           Betriebsgründungen zeigte sich 2020 in Berlin stabil. Hier er-
  prämie erfolgt in zwei Stufen: In der ersten Stufe (Grün-       reichte die Hauptstadt pro 10.000 Einwohnerinnen und Ein-
  dungsphase) erhalten die Meisterinnen und Meister 8.000         wohner einen Wert von 25 und lag damit vor Hamburg und
  €; in der zweiten Stufe (nach drei Jahren) weitere 5.000 €,     Bremen mit Werten von 24 und 20. Ein Wert von 14 entstand im
  sofern sie einen Ausbildungsplatz oder sozialversiche-          Bundesdurchschnitt. Auch dies unterstreicht das starke Grün-
  rungspflichtigen Arbeitsplatz geschaffen haben. Sollte es       dungsgeschehen in Berlin.
  sich um einen Ausbildungsplatz in einer mit weiblichen Ar-
  beitskräften gering besetzten Branche handeln, beträgt
  die Prämie in der zweiten Stufe 7.000 €, sofern er mit einer
  weiblichen Auszubildenden besetzt wird. Insgesamt konn-
  ten im vergangenen Jahr 82 (2019: 98) Meisterinnen und
  Meister im Handwerk gefördert werden. Davon waren 50
  Existenzgründungen und 32 Förderungen für einen Ar-
  beitsplatz. In deren Folge wurden ca. 117 Arbeitsplätze
  und 12 Ausbildungsplätze neu geschaffen.

14
II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin

Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung: wirtschaftlicher Wohl-        Die positive Entwicklung und der Aufholprozess Berlins zeigen
stand und ökonomische Stabilität                                  sich auch bei dieser Kennziffer. Lag das Bruttoinlandsprodukt
                                                                  pro Kopf 2016 noch bei 37.551 €, betrug es drei Jahre später
Die klassischen volkswirtschaftlichen Indikatoren wie das Brut-   42.886 €. Damit übertraf Berlin 2019 erneut den Bundes-
toinlandsprodukt als Maßstab für die wirtschaftliche Entwick-     durchschnitt, nachdem dieser 2018 erstmals seit dem Jahr
lung und Leistungsfähigkeit fielen bis zur COVID-19-Krise in      2000 überschritten worden war. Infolge des wirtschaftlichen
Berlin äußerst positiv aus. Zwischen 2016 und 2019 erhöhte        Rückgangs durch die Corona-Pandemie lag das Bruttoinlands­
sich das Bruttoinlandsprodukt um real 11,1 %. Gerade die Ex-      produkt pro Kopf im Jahr 2020 bei 42.221 € und sank damit
pansion der Dienstleistungen hat dabei positiv gewirkt und        um 1,6 % gegenüber dem Vorjahr; in Deutschland betrug es
auch zu einem deutlichen Anstieg der Erwerbstätigenzahl bei-      40.088 €. Damit bewegte sich Berlin aber erneut oberhalb
getragen. Um den Standort Berlin insbesondere auch unter          des Bundesdurchschnitts.
den Aspekten der Nachhaltigkeit und gesellschaftlichen Ent-
wicklung differenziert und umfassend abbilden zu können,          Ein wichtiger Bestimmungsfaktor für die ökonomische Leis-
müssen aber weitergehende Wohlfahrtsindikatoren in die Be-        tungsfähigkeit der Wirtschaft und deren Wettbewerbs- und Zu-
trachtung einfließen.                                             kunftsfähigkeit sind der Umfang und die Qualität der Infrastruk-
                                                                  tur. Dabei geben die Bruttoanlageinvestitionen Hinweise auf
Neben der Betrachtung des reinen Wirtschaftswachstums wer-        den Kapitaleinsatz für die Weiterentwicklung der betrieblichen
den deshalb nachfolgend ökonomisch, sozial und ökologisch         und der öffentlichen Infrastruktur. In diesem Zusammenhang ist
messbare Indikatoren betrachtet, um eine nachhaltige Wirt-        auch das Vertrauen der Wirtschaftsakteure in die künftige Ent-
schaftsentwicklung darstellen und bewerten zu können. Diese       wicklung des Wirtschaftsstandortes ein wichtiger Faktor. Die
sollen die Lebensqualität der Menschen und deren Teilhabe         Bruttoanlageinvestitionen stellen den Wert der Anlagen dar, die
am Wirtschaftswachstum sowie den verantwortungsbewussten          von inländischen Wirtschaftseinheiten erworben werden, um sie
Umgang mit Ressourcen in den Blick nehmen.                        länger als ein Jahr im Produktionsprozess einzusetzen. Investiti-
                                                                  onen in neue Anlagen bestehen aus den drei Teilbestandsgrö-
Mit dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf kann der wirtschaftli-      ßen Ausrüstungen (z. B. Maschinen und Geräte), Bauten (z. B.
che Wohlstand des Einzelnen und dessen Veränderung ge-            Bauleistungen an Wohn- und Nichtwohngebäuden) und sonsti-
messen werden. Die Entwicklung des materiellen Wohlstands         ge Anlagen (z. B. Investitionen für Software und Datenbanken).
hängt — positiv wie negativ — damit auch von der Bevölke-
rungsentwicklung ab. Die Normierung des Bruttoinlandspro-         Daten zu den Bruttoanlageinvestitionen liegen aktuell für das
dukts pro Kopf korrigiert die Veränderung des materiellen         Jahr 2018 vor, in dem in Berlin insgesamt 28,5 Mrd. € investiert
Wohlstands folglich um den Anteil, der sich aus einer reinen      wurden. Damit stiegen sie gegenüber dem Vorjahr um real 6,3 %,
Bevölkerungsveränderung ergibt.                                   während sie sich im Bund um 3,5 % erhöhten. Die Investitions-

  Oliver Falk                                                     Oliver Kurz
  Leitung Bereich Konjunktur                                      Leitung Fachbereich
  und Statistik; Senatsverwaltung                                 Marktentwicklung/Migration;
  für Wirtschaft, Energie                                         Regionaldirektion
  und Betriebe                                                    Berlin-Brandenburg
                                                                  der Bundesagentur für Arbeit

  „Berlin hat durch die Corona-Pandemie einen wirtschaftli-       „Berlin ist von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie be-
  chen Einbruch erfahren, der trotz der großen Betroffenheit in   sonders betroffen. Die Agenturen für Arbeit und Jobcenter
  konsumorientierten Branchen und bei unternehmensnahen           haben mit vollem Einsatz dazu beigetragen, den Lebensun-
  Dienstleistungen aber insgesamt weniger stark ausfiel als im    terhalt für betroffene Personen abzusichern, versierte Ar-
  Bundesdurchschnitt. So ist die in Berlin überdurchschnittlich   beitskräfte in den Betrieben zu halten und gleichzeitig Ar-
  repräsentierte Branche Information und Kommunikation sta-       beitslosigkeit in sehr vielen Fällen vermieden. Ich teile die
  bil durch die Krise gekommen und auch die Industrie hat         Zuversicht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
  sich vergleichsweise gut gehalten. Mit Überwindung der          (IAB) auf sich abzeichnend steigende Beschäftigung, den
  Pandemie wird der Berliner Branchenmix wieder zu wirt-          Rückgang der Arbeitslosigkeit und hoffe für die besonders
  schaftlichem Wachstum führen.“                                  betroffenen Bereiche auf sehr schnelle Besserung nach
                                                                  Ende der massiven Einschränkungen.“

                                                                                                                                      15
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