Wissenschaftlich und publikumsnah - Naturforschende ...
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4 FO R S C H U N G — A KT U E L L Wissenschaftlich und publikumsnah Das private Sauriermuseum Aathal im eine Truhe zum Erfühlen von Fossilien, eine Sand- Zürcher Oberland wird seit seiner kiste, um selber Spuren zu produzieren, oder den Gründung vor 23 Jahren stetig erwei- Spielplatz und Garten, wo neben beweglichen, riesi- tert. Hier werden die vom Museums- gen Dinosauriermodellen auch ein Saurierskelett team selbst ausgegrabenen Dinosau- zum Ausbuddeln, ein Grillplatz und ein paläobotani- rier präpariert und montiert, hier scher Garten eingerichtet sind. Alljährlich organisiert finden Spezialausstellungen, Sympo- das Museum verschiedene Events, und diverse An- sien und weitere Aktivitäten statt, die gebote können das ganze Jahr über gebucht werden. weit über die Deutschschweiz hinaus Führungen, Kindergeburtstage oder Museumsüber- Aufmerksamkeit erlangen. Das Muse- nachtungen gehören heute zum Standardangebot. um, das jährlich 70–90 000 Besu- cher empfängt, vermittelt aktuelles Fossiliensammler, Dinosaurieraus- paläontologisches Wissen an ein gräber, Museumsgründer möglichst breites Publikum, allen Köbi Siber stammt aus gutbürgerlicher Stadtzürcher voran Kindern. Familie. Seine erste Leidenschaft galt dem Filmema- chen. Während seiner Ausbildungszeit in den USA Auf Initiative von Hans-Jakob Siber entstand das Sau- wurde er jedoch von Vater Siber in die Schweiz zu- riermuseum Aathal durch Umwandlung einer Son- rückgerufen zur Gründung eines Mineraliengeschäf- derschau des Mineraliengeschäfts Siber+Siber. Die- tes. Vater und Sohn teilten die Faszination für Mine- se Schau richtete er in einem alten Spinnereigebäude ralien. Bei Köbi (Hans-Jakob) kam zunehmend die im Unter-Aathal gegenüber dem Mineraliengeschäft Begeisterung für Fossilien auf. Neben dem Handel Siber+Siber ein. Sie hatte derart riesigen Erfolg, dass unternahm er mit Gleichgesinnten selbst «Sammel- der Verkehr im Aathal teils völlig zusammenbrach. touren» und zunehmend auch Ausgrabungen. Daraus resultierte die Idee einer permanenten Mu- Mit dem Bergen fossiler Wale und Dinosau- seumseinrichtung. Nach zwei guten Jahren sackten rierknochen war er schliesslich bei seinem Wunsch- die Besucherzahlen jedoch tief ab, und es folgten drei traum angelangt: Ganze Dinosaurierskelette aus- Durststreckenjahre mit ungewisser Zukunft. graben! Nachdem er eine eigene Grabungsstelle in Durch viel Engagement, weiteren Ausbau und Wyoming auf der aus der Literatur bekannten Howe- Geschick in Ausstellungskonzeption und Kommuni- Ranch eröffnen konnte, war er nicht mehr zu brem- kation erholten sich die Besucherzahlen und pendel- sen. Die Knochen kamen in die Schweiz, wurden ten sich seither in einem Bereich von 70–90 000 Be- hier präpariert und dem Publikum gezeigt – mit suchern ein. Neben der wachsenden Anzahl eigener durchschlagendem Erfolg! Funde – Siber grub u.a. mit seinen Teams von 1990 Nach der Gründung des Sauriermuseums, das bis 2004 an der berühmten Howe-Fundstelle in Wy- dank Unterstützung durch das Mineraliengeschäft oming – wuchs auch der Bestand an Replikaten und auch die Krisenjahre überdauerte, wurde Siber mehr Modellen von Sauriern aus aller Welt. Es entstanden und mehr zum Dinosaurierausgräber und Museums- auch einige Präsentationen zu anderen paläontolo- direktor. Der Handel mit Mineralien und Fossilien gischen Themen, etwa «Masterpieces» mit den 50 trat zunehmend in den Hintergrund. Siber war mit attraktivsten Fossilien der Sammlung Siber oder vielen bekannten Dinosaurierleuten unterwegs, mit «Bernstein – das Gold des Meeres» mit vielen Stü- Hobbypaläontologen und Wissenschaftlern, und cken aus einer Schenkung (Sammlung Willy Kohler). wurde damit zum Selfmade-Paläontologen mit lang- Neben dem Ausstellen von Objekten in den jähriger Erfahrung und breitem Knowhow. Indem er Räumlichkeiten des Museums wurden auch die pä- später selber immer wieder angehende Paläontolo- dagogischen Einrichtungen für die jungen Besucher gen auf eigene Grabungen mitnahm, entstanden erweitert. So gibt es eine «Stegobox» zum Malen, neue, spannende Wissenschaftskontakte.
5 Vierteljahrsschrift — 4| 2015 — Jahrgang 160 — NGZH Das Saueriermuseum in Aathal hat sich zu einem Publikumsmagneten im Zürcher Oberland entwickelt, das jährlich 70–90 000 Besucherinnen und Besucher anlockt. Mit dem Sauriermuseum Aathal versucht Si- der Schweizerischen Paläontologischen Gesellschaft, ber die Brücke zwischen Wissenschaft und Privat- 2015 Sternberg Medaille der Vereinigung der Ange- sammlung zu spannen. Als Privatinstitution stellt er wandten Paläontologischen Wissenschaften (AAPS) die museumseigenen Funde den seriös arbeitenden in den USA. Schliesslich brachte Max Meyer, ein ehe- Paläontologen zur Untersuchung zur Verfügung. Da- maliger Schulkollege Sibers, mit ihm zusammen die bei sind bis heute auch invasive Methoden, bei denen Biographie «Köbi Siber – Abenteuer mit Dinosauri- den Knochen Material entnommen wird, bei gut be- ern» heraus. Und im Buch von Beat Glogger «Zür- gründeten Projekten nicht ausgeschlossen. cher Pioniergeist» ist Siber ebenfalls unter den 50 Das Museum in Aathal arbeitet seit vielen Jah- vorgestellten Zürcher Pionieren zu finden. ren mit der Universität Bonn zusammen (Prof. Mar- tin Sander), aber auch mit München (Prof. Oliver Spannungsfeld Wissenschaft– Rauhut), Zürich (PD Winand Brinkmann), Wien Sammler–Laien–Kommerz (Prof. Jürgen Kriwet) und anderen Instituten. Viele Siber suchte also wiederholt den Kontakt zur Wis- neuere Erkenntnisse über Dinosaurier, die in den senschaft, stiess jedoch als Nichtakademiker beson- vergangenen 15 Jahren erlangt wurden, konnten un- ders in den USA auf Zurückweisungen. Gerade dort, ter anderem an Material aus dem Museum in Aathal wo gemäss Gesetz das Sammeln und Handeln mit gewonnen werden. Und sogar zwei neue Gattungen Fossilien, Mineralien und anderen Rohstoffen der von Langhalsdinosauriern wurden mit Hilfe von Di- Erde auf Privatland seit jeher zum Grundrecht der nosaurierskeletten in Aathal definiert: Kaatedocus Bürger gehört. In der Schweiz befinden sich demge- siberi und Galeamopus. genüber Rohstoffe oder Fossilien von Bedeutung Sibers Gesamtwerk wurde in den letzten Jah- selbst auf Privatland in Staatsbesitz. Dies war u.a. ein ren mehrfach gewürdigt: 2011 Ehrendoktor der Uni- Grund, dass sich Siber auf die USA konzentrierte. versität Zürich und Amanz-Gressly-Auszeichnung Durch einen Studienaufenthalt hatte er dort zudem
6 FO R S C H U N G — A KT U E L L Freunde gewonnen und kannte Land, Sprache und versprechender, bestehendes Sammlungsmaterial Kultur hinreichend, um schliesslich das Abenteuer wissenschaftlich zu beschreiben. Der Privatsamm- eigener Ausgrabungen zu wagen – das Dinosaurier- ler sammelt dagegen in seiner Freizeit aus Interesse, Virus hatte ihn gepackt! Spass und Neugier und ohne Karrieredruck. Bis heute wird in Fachzeitschriften das Span- Früher oder später landen bedeutende Funde nungsfeld Wissenschaft-Sammlerkreise lebhaft und aus Privatsammlungen meist in Wissenschaftshän- teils kämpferisch diskutiert und unterschiedlich be- den. Daher ist es wichtig, dass die Wissenschaft die urteilt. Progressive Wissenschaftskreise Kontinen- Kontakte zu Privatsammlern pflegt und diese in taleuropas erkennen den Wert der Leistung ernst- Funddokumentation schult, damit den Funden spä- hafter Fossiliensammler und kooperieren gerne mit ter auch die ihnen gebührende Wissenschaftsbedeu- denselben, während sich manche Wissenschaftler tung zukommen kann. Denn ohne klare Herkunft in Grossbritannien und in den USA damit noch von Funden ist deren wissenschaftlicher Wert oft schwer tun und einzig ihre Arbeit mit Fossilien als sehr stark reduziert. Nur wenn unserer Jugend ein wissenschaftlich wertvoll und korrekt erachten. Da- unbeschwertes Fossiliensammeln vielerorts erlaubt bei haben Wissenschaftsinstitute meist gar nicht die bleibt, kann die Freude zur Paläontologie überhaupt Zeit, systematische Fossiliensuche zu betreiben. heranwachsen. Auch das Sauriermuseum Aathal Geldgeber wollen Resultate sehen – da ist es Erfolg möchte zur Begeisterung über Fossilfunde und zu Oben: Das Museum verdankt seinen Erfolg einer engagierten Crew. Unten: Speziell für Kinder bietet das Saueriermuseum bei jedem Wetter ein vielfältiges Angebot.
7 Vierteljahrsschrift — 4| 2015 — Jahrgang 160 — NGZH Köbi Siber (2. v. r.) beteiligt sich mit grosser Leidenschaft an den Dinosaurierausgrabun- gen, so wie hier in der Nähe von Ten Sleep in Wyoming (USA). Die Arbeit im Gelände ist schweisstreibend und buch- stäblich «Knochenarbeit». den Erkenntnissen, welche wir daraus gewinnen kön- ... und in Zukunft nen, seinen Beitrag leisten. Das Museum setzt sich Für die Zukunft gibt es verschiedene Szenarien. Eine für einen vernünftigen Umgang mit Fossilien und für direkte Querfinanzierung durch das Mineralienge- eine Teilnahmemöglichkeit von jedermann an der schäft Siber+Siber gibt es nicht mehr. Andere Geld- paläontologischen Forschung ein. quellen müssen gefunden werden. Das Museum kann sich zwar fast eigenständig mit Eintritten und Shop- Das Sauriermuseum heute ... Einnahmen finanzieren. Dennoch ist das Risiko hoch Neben der wissenschaftlichen Basis sucht das Mu- und es gibt keine Reserven für «Notzeiten». Hier seum auch die Nähe zum breiten Publikum und zu müssen noch clevere Wege für die Zukunft gefunden Sammlern: Es bietet Präparationskurse an und hilft werden. Auch eine Beteiligung durch den Kanton bei der Fossilbestimmung. Spezielle Aktionen sol- Zürich ist nicht ausgeschlossen: Immerhin handelt len die Neugierde auf das Entdecken wecken, voran es sich bei den Exponaten um wertvolles Kulturgut, an den SteinBruchTagen. Dort geht es um das Auf- und die Institution Sauriermuseum Aathal führt jähr- spalten fossilreichen Gesteins der Eozänzeit (50 lich 400 Schulklassen durch die Urwelt der Dinosau- Millionen Jahre vor heute) und das Aufspüren und rier und bietet damit einen wertvollen Bildungsbei- Bergen fossiler Fische. trag, den der Kanton selbst in dieser Form gar nicht Der Verein zur Förderung des Sauriermuse- bieten könnte. ums Aathal (VFSMA) bietet für seine Mitglieder je- Thomas Bolliger des Jahr einen spannenden Ausflug zu geologisch Der Autor ist Geologe und Paläontologe und und paläontologisch interessanten Orten an. Da fast Vizedirektor des Sauriermuseums Aathal. die Hälfte der Eintritte durch junge Besucher erfolgt (bei den Schulklassen dominieren die 3. bis 5. Pri- Literatur marklassen), ist die Ausrichtung des Museums ent- Glogger, B. 2014. Zürcher Pioniergeist. Lehrmittel- verlag Zürich: 304 Seiten sprechend gewählt. Der Dinolehrpfad und der Gar- Honegger, A. 2012. Museumsporträt: Das ten mit Spielplatz, aber auch Einrichtungen wie Sauriermuseum Aathal. Fossilien 29, 1/2012: «Dinomat», «Stegobox» oder die «Spurenkiste» 50-54 sind ganz speziell für dieses Alter gemacht. Andere Meyer, M. 2014. Köbi Siber – Abenteuer mit Ausstellungsteile richten sich an ein gemischtes Pu- Dinosauriern. Verlag Wartmann, natürlich: 280 Seiten blikum, während etwa die Masterpieces oder die Siber, H.-J. 2009. Sauriermuseum Aathal. Bernsteine zu grossen Teilen ein erwachsenes Pu- Eigenverlag: 65 Seiten. blikum anziehen.
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