Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? - ZHAW School of Management and Law

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Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? - ZHAW School of Management and Law
Wohneigentum:
Was macht den Traum
der eigenen vier
Wände aus?

  ZHAW School of Management
                    and Law
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? - ZHAW School of Management and Law
Impressum

Herausgeber
Bundesamt für Wohnungswesen BWO
Hallwylstrasse 4, 3003 Bern
Tel. +41 58 480 91 11
info@bwo.admin.ch, www.bwo.admin.ch

Download
www.bwo.admin.ch
www.digitalcollection.zhaw.ch

Projektbegleitung
Christoph Enzler, Bundesamt für Wohnungswesen (BWO)
Olivier Feller, Fédération Romande Immobilière (FRI)
Alexander Heck, Hauseigentümerverband Schweiz (HEV)
Nina Hohl, Raiffeisen Schweiz
Nicole Horak, Raiffeisen Schweiz
Thomas Richter, ZHAW School of Management and Law

Autorinnen und Autoren
ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
School of Management and Law
Abteilung Banking, Finance, Insurance
Institut für Wealth & Asset Management
Postfach
8401 Winterthur

Selina Lehner (selina.lehner@zhaw.ch)
Holger Hohgardt (holger.hohgardt@zhaw.ch)

Zitierweise
Lehner, S. & Hohgardt, H. (2022). Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier
Wände aus?. Bundesamt für Wohnungswesen, Bern.

Anmerkungen
Die Kurzfassung sowie das Management Summary dieses Berichtes ist in deutscher, französi-
scher, italienischer und englischer Sprache erhältlich.

Der Bericht gibt die Auffassung der Autorinnen und Autoren wieder, die nicht notwendiger-
weise mit derjenigen der Auftraggebenden übereinstimmen muss.

Titelbild
© VBS

© BWO, März 2022
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? - ZHAW School of Management and Law
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?                                                    Management Summary   3

Management Summary

Die Mehrheit der Schweizer Mieterinnen und Mieter wünscht          diteabsichten angesehen. Nur 17,4 Prozent möchten inves-
sich Wohneigentum. Bezahlbares Wohneigentum scheint für            tieren, damit sie teurer weiterverkaufen können, und nur 41,4
Normalverdiener heutzutage eher die Ausnahme als die Re-           Prozent stimmen zu, dass Wohneigentum eine gute Mög-
gel. Doch ist Wohneigentum erstrebenswert? Aus volkswirt-          lichkeit ist, um sein Vermögen zu vermehren. Vielmehr se-
schaftlicher Sicht wird kontrovers diskutiert, inwiefern eine      hen sie Wohneigentum als ein Zuhause mit nicht-finanziellem
höhere Wohneigentumsquote mit einem höheren Wohlstand              Nutzen. So wird die Gestaltungsfreiheit hervorgehoben oder
einhergeht. Der (wahrgenommene) Nutzen für die einzelnen           der Umstand, dass man mit dem Wohneigentum ein richti-
Haushalte wird dagegen nur begrenzt untersucht. Oftmals            ges Zuhause hat. In der Umsetzung ihres Eigenheimtraums
stehen finanzielle Kriterien bei der Begründung des Kaufes         stossen viele der befragten Eigenheimsuchenden und Über-
von Wohneigentum im Zentrum. Es wird jedoch vernach-               gangsmietenden auf finanzielle Hürden. Es zeigt sich, dass
lässigt, dass Wohneigentum nicht nur ein Investitionsobjekt,       insbesondere die hohen Immobilienpreise, das mangelnde
sondern auch ein Zuhause ist. Was macht also den Traum             Angebot oder auch das zu geringe Einkommen oder fehlen-
der eigenen vier Wände für einen einzelnen Haushalt aus?           de Vermögen von einem Eigenheimkauf abhalten.

Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurden im Rah-               Die befragten Eigenheimsuchenden und Übergangsmieten-
men der vorliegenden Studie qualitative Interviews mit zehn        den äussern sich auch kritisch hinsichtlich der Erschwing-
Eigenheimsuchenden bzw. Personen, die erst kürzlich                lichkeit von Wohneigentum und sehen Akteure wie die
Wohneigentum erworben haben, vorgenommen. Diese ex-                Regierung verantwortlich dafür. Geringere Verantwortung
plorative Untersuchung wurde danach mit einer quantita-            wird bei der eigenen Person eruiert. Im Weiteren hat rund
tiven Online-Befragung vertieft. An der Befragung nahmen           ein Fünftel der befragten Eigenheimsuchenden noch keine
1002 umzugsbereite Personen aus der Deutsch- und West-             spezifischen Handlungen unternommen, was auf eine Pas-
schweiz teil, die noch kein Wohneigentum besitzen. Sie ist         sivität schliessen lässt. Es stellt sich die Frage, ob die Per-
repräsentativ hinsichtlich Alter und Geschlecht. In der Studie     sonen Wohneigentum nur als Opportunität sehen und das
wurde zwischen Eigenheimsuchenden, die aktuell Wohnei-             Finden eines optimalen Objektes mit Schicksal oder Glück
gentum suchen, Übergangsmietenden, die zurzeit eine Miet-          verbinden. Mehr Engagement könnte jedoch zu Erfolg füh-
wohnung suchen, aber langfristig Wohneigentum erwerben             ren. Deshalb sollten die Haushalte ihre Handlungsspielräume
möchten, sowie Dauermietenden, die auch in Zukunft kein            noch aktiver eruieren und agieren. Eine Verhaltensänderung
Wohneigentum erwerben möchten, unterschieden.                      einer Einzelperson kann allenfalls schneller und effizienter
                                                                   umgesetzt werden, als wenn langwierige politische Prozesse
Es zeigte sich, dass insbesondere Personen der mittleren           initiiert werden. Dennoch bleibt die Situation am Immobilien-
Generation (30 bis 49 Jahre alt) auf der Suche nach Wohnei-        markt herausfordernd, und ein Betätigen verschiedener He-
gentum sind. Diese Lebensphase zeichnet sich speziell auch         bel (z.B. auch Finanzierungskriterien) kann notwendig sein.
durch Stabilität aus, da beispielsweise die Familiengründung
oder die Reifephase der Karriere eintritt. Diese Stabilität äus-   Die vorliegende Studie soll zu einem besseren Verständnis
sert sich auch im Wunsch nach Wohneigentum: 9 von 10               der potenziellen Wohneigentümerinnen und Wohneigentü-
der befragten Eigenheimsuchenden möchten Wohneigen-                mer beitragen. In einer nächsten Studie wird nun die Lücke
tum erwerben, weil sie ein langfristiges Zuhause wünschen.         bei den aktuellen Wohneigentümerinnen und Wohneigentü-
Rund 72 Prozent sehen auch den Vorteil, dass sie in etwas          mern geschlossen. Basierend auf den beiden Studien sollen
finanziell Stabiles investieren können. Wohneigentum wird in       dann entsprechende Lösungsvorschläge erarbeitet werden,
der Regel auch nur begrenzt als Investitionsobjekt mit Ren-        die alle Akteure am Immobilienmarkt adressieren sollen.
4   Projektbeteiligte                              Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?

    Projektbeteiligte

                        AUFTRAGNEHMER DER STUDIE

                        Institut für Wealth & Asset Management der
                        ZHAW School of Management and Law

                        Das Institut für Wealth & Asset Management (IWA) ist Partner verschiede-
                        ner in- und ausländischer Institutionen in Forschung und Wirtschaft und
                        leistet einen gezielten Beitrag zur Qualifikation von Fachleuten in der Fi-
                        nanzdienstleistungsbranche.

                        In der Forschung und Beratung beschäftigt sich das IWA im Zusammen-
                        hang mit dem Asset Management schwerpunktmässig mit Investment-
                        und Handelsprozessen. Im Wealth Management liegt der Schwerpunkt
                        auf den Geschäfts- und Kundenprozessen sowie neuen Servicemodellen.
                        Zudem werden Trends in der umfassenden Finanzberatung untersucht,
                        wobei das Wohneigentum und die Altersvorsorge im Vordergrund stehen.
                        Quantitative Finance und Data Sciences sind weitere Kernthemen.

                        www.zhaw.ch/iwa

                        TEILNEHMENDE DER STUDIE

                        Befragungsteilnehmende

                        Wir bedanken uns herzlich bei den Interviewpartnerinnen und -partnern für
                        die interessanten Gespräche. Zudem bedanken wir uns bei den Teilneh-
                        menden der Online-Umfrage.
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?                                                                     Projektbeteiligte   5

                                                                PARTNERINNEN UND PARTNER DER STUDIE

                                                                Bundesamt für Wohnungswesen

                                                                Das Bundesamt für Wohnungswesen BWO gehört zum Eidgenössischen
                                                                Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) und ist das
                                                                Kompetenzzentrum des Bundes für alle Wohnungsfragen. Das BWO ist
                                                                für den Vollzug der Bundesgesetze im Bereich der Wohnraumförderung
                                                                und des Mietrechts zuständig und erarbeitet Entscheidungsgrundlagen
                                                                zur Verbesserung des Wohnraumangebots und des Wohnumfelds sowie
                                                                der Transparenz auf dem Wohnungsmarkt.

                                                                www.bwo.admin.ch

                                                                Fédération romande immobilière (FRI)

                                                                Die Fédération romande immobilière ist der Westschweizer Dachverband
                                                                der Hauseigentümer. Sie besteht aus fünf kantonalen Immobilienkammern
                                                                (VD, FR, NE, VS, JU). Neben ihrer politischen Tätigkeit gibt die FRI die Zeit-
                                                                schrift Propriété heraus, die achtmal pro Jahr an 37’000 Leserinnen und
                                                                Leser verteilt wird.

                                                                www.fri.ch
6   Projektbeteiligte                               Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?

                        Hauseigentümerverband (HEV) Schweiz

                        Der Hauseigentümerverband (HEV) Schweiz ist die Dachorganisation
                        der schweizerischen Hauseigentümer, der Zusammenschluss von rund
                        340’000 Personen in 125 regionalen und kantonalen Mitgliedsektionen.
                        Er setzt sich auf allen Ebenen konsequent für die Förderung und Erhal-
                        tung des Wohn-, Wohnungs- und Grundeigentums in der Schweiz ein.
                        Für die mehr als 560’000 Leserinnen und Leser ist die vom HEV Schweiz
                        vierzehntäglich herausgegebene Verbandszeitung «Der Schweizerische
                        Hauseigentümer» eine wichtige Informationsquelle zu allen Fragen rund
                        um das Wohneigentum.

                        www.hev-schweiz.ch

                        Raiffeisen Schweiz Genossenschaft

                        Die Raiffeisen Gruppe ist die führende Schweizer Retailbank. Die dritte Kraft
                        im Schweizer Bankenmarkt zählt rund 1,96 Millionen Genossenschafterin-
                        nen und Genossenschafter sowie 3,61 Millionen Kundinnen und Kunden.
                        Die Raiffeisen Gruppe ist an 820 Standorten in der ganzen Schweiz prä-
                        sent. Die 219 rechtlich autonomen und genossenschaftlich organisierten
                        Raiffeisenbanken sind in der Raiffeisen Schweiz Genossenschaft zusam-
                        mengeschlossen. Diese hat die strategische Führungsfunktion der gesam-
                        ten Raiffeisen Gruppe inne. Mit Gruppengesellschaften, Kooperationen
                        und Beteiligungen bietet Raiffeisen Privatpersonen und Unternehmen ein
                        umfassendes Produkt- und Dienstleistungsangebot an.

                        www.raiffeisen.ch
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Inhaltsverzeichnis

Management Summary���������������������������������������������������������������������3

Projektbeteiligte��������������������������������������������������������������������������������4

Inhaltsverzeichnis������������������������������������������������������������������������������7

1.	Einleitung��������������������������������������������������������������������������������������8
      1.1 Wohneigentum als Traum vieler Schweizerinnen und Schweizer������������������������������������ 9
      1.2 Ist Wohneigentum erstrebenswert?���������������������������������������������������������������������������������11
      1.3 Zielsetzungen der Studie������������������������������������������������������������������������������������������������ 17

2.	Studiendesign������������������������������������������������������������������������������ 18
      2.1 Framework���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 20
      2.2 Methodisches Vorgehen��������������������������������������������������������������������������������������������������23

3.	Studienerkenntnisse������������������������������������������������������������������� 27
      3.1 Person�����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������32
      3.2 Handlungen�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 38
      3.3 Wahrgenommener Nutzen: Motivationsfaktoren und Barrieren�������������������������������������55

4. Fazit��������������������������������������������������������������������������������������������� 72

Literaturverzeichnis������������������������������������������������������������������������74

Abbildungsverzeichnis���������������������������������������������������������������������76

Tabellenverzeichnis������������������������������������������������������������������������� 77

Autoren������������������������������������������������������������������������������������������78
8   1. Einleitung                                                                        Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?

    1. Einleitung

                EINLEITUNG IN KÜRZE

         Abbildung 1
         EINLEITUNG IN KÜRZE 
                                                   Einleitung in Kürze

                                    Wunsch nach
                                    Wohneigentum                                              Angebot
                                      ist gross                                              ist knapp

                                               Was macht den Traum vom Wohneigentum aus?

                                                      Finanziell?          Funktional?
                                               Sozial?
                                                                        Hedonistisch?
                                                    Altruistisch?

        Wunsch nach Wohneigentum ist gross, das                       Bei genauerer Betrachtung lassen sich die einzelnen Ar-
        Angebot ist knapp                                             gumente jedoch relativieren und sind teilweise weniger
        Die Mehrheit der Schweizer Mieterinnen und Mie-               eindeutig. Beispielsweise ist für die Finanzstabilität die
        ter wünscht sich Wohneigentum. In der Realität ist die        Ausgestaltung der Hypothekarvergabe relevant, oder die
        Schweiz jedoch ein Land der Mieterinnen und Mieter und        Mobilität kann allenfalls erhöht werden, wenn die Trans-
        hat im internationalen Vergleich eine der tiefsten Wohnei-    aktionskosten verringert werden.
        gentumsquoten. Erschwingliches Wohneigentum scheint
        für Normalverdiener heutzutage eher die Ausnahme als          Der persönliche Nutzen zu wenig im Fokus
        die Regel zu sein.                                            Der persönliche Nutzen von Wohneigentum wird oftmals
                                                                      nur begrenzt erwähnt, da die Quantifizierung schwierig
        Volkswirtschaftliche Bedeutung von                            ist. Trotzdem bietet gerade ein vertieftes Verständnis der
        Wohneigentum ist umstritten                                   einzelnen Haushalte / Personen Potenzial, um die Erwar-
        Eine hohe Wohneigentumsquote wird aus volkswirt-              tungen oder das Verhalten von Individuen für die Gestal-
        schaftlicher Sicht kontrovers diskutiert. Einerseits wer-     tung des Wohnraums der Zukunft zu nutzen. Vermehrt ist
        den Vorteile einer hohen Wohneigentumsquote mit einer         deshalb auch ein Trend zu einem integrativen Ansatz der
        erhöhten sozialen Stabilität und einer verbesserten Ver-      Raumentwicklung erkennbar, bei dem die Partizipation der
        mögensbildung (und reduzierter Altersarmut) hervorgeho-       Bewohnerinnen und Bewohner explizit gewünscht wird.
        ben. Andererseits ergeben sich Nachteile aus der gerin-
        geren Mobilität im Arbeitsmarkt, den Gefahren hinsichtlich    In der Analyse der Haushaltsperspektive werden oftmals
        der Finanzstabilität sowie der Raumplanung.                   insbesondere finanzielle Kriterien (z.B. günstiger als Mieten,
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?                                                                      1. Einleitung   9

   mangelnde Diversifikation) in den Vordergrund gestellt. Es                 das Ziel, die Wohnflexibilität zu erhöhen und den Traum
   wird jedoch vernachlässigt, dass Wohneigentum nicht nur                    vom Eigenheim bzw. den damit verbundenen Nutzen zu
   ein Investitionsobjekt, sondern auch ein Zuhause ist. Auch                 erfüllen.
   nicht-finanzielle Aspekte können beim Kauf von Wohnei-
   gentum relevant oder sogar entscheidend sein (z.B. Wohn-                   In der vorliegenden Studie soll deshalb in einem ers-
   sicherheit). Diese Aspekte werden in anderen Studien nur                   ten Schritt geklärt werden, was den Traum vom Wohn-
   begrenzt analysiert.                                                       eigentum ausmacht und welche Erwartungen potenziel-
                                                                              le Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer an das
   Was macht den Traum vom Wohneigentum aus?                                  Eigenheim haben. Die Studie möchte ein holistisches Bild
   Die vorliegende Studie ist die erste im Rahmen einer Stu-                  der Nutzenwahrnehmung von potenziellen Wohneigen-
   dienreihe. Sie fokussiert auf die potenziellen Wohneigen-                  tümerinnen und -eigentümern geben und den Mythos
   tümerinnen und -eigentümer. Die Studienreihe verfolgt                      Wohneigentum detaillierter beschreiben.

        «Das ist doch das Ziel des Lebens. Du möchtest heiraten,
                     das Kind und dann das Haus.»
                                                  Interviewteilnehmer im Rahmen der vorliegenden Studie

1.1 WOHNEIGENTUM ALS TRAUM VIELER                                             ren jedoch auch kantonale Unterschiede bei der Wohneigen-
SCHWEIZERINNEN UND SCHWEIZER                                                  tumsquote: Während der Kanton Appenzell Innerrhoden mit
                                                                              einem Wert von 56,9 Prozent der Schweizer Spitzenreiter ist,
Der Traum vom Eigenheim ist in der Schweiz weit verbreitet.                   bildet der Kanton Basel-Stadt mit 15,5 Prozent das Schluss-
Unterschiedliche Studien zeigen, dass sich die Mehrheit der                   licht (BFS, 2019).
Schweizer Mieterinnen und Mieter Wohneigentum wünscht
(z.B. Swiss Life, 2019, 2021; FinanceScout24, 2021).                          Wohneigentumsquote mit Schweizer
                                                                              Gegebenheiten begründet
Tiefe Wohneigentumsquote im                                                   Folgende Gründe sollen für die geringe Wohneigentumsquo-
europäischen Vergleich                                                        te in der Schweiz entscheidend sein:
In der Realität ist die Schweiz ein Land der Mieterinnen und
Mieter. Die Wohneigentumsquote stagniert seit mehreren                        • Späte Einführung des Stockwerkeigentums:
Jahren um einen Wert von 35 bis 40 Prozent (Bundesamt für                         Das Stockwerkeigentum wurde schweizweit erst im Jahr
Statistik [BFS], 2021a). Der Höchststand wurde im Jahr 2015                       1965 eingeführt. Gerade in Städten, wo Mehrfamilienhäu-
mit einer Wohneigentumsquote von 38,4 Prozent erreicht                            ser dominieren, konnte deshalb nur begrenzt Wohneigen-
(Abbildung 2). Seither sinkt die Wohneigentumsquote wieder.                       tum erworben werden. Dies spiegelt sich auch heute
                                                                                  noch in den tiefen Wohneigentumsquoten in städtischen
Die Schweiz belegt damit im europäischen Vergleich den                            Gebieten wider (Bundesamt für Wohnungswesen [BWO],
letzten Platz (Eurostat, 2020). Innerhalb der Schweiz existie-                    2005; Schellenbauer & Salvi, 2015; Baur et al., 2010).
10   1. Einleitung                                                                  Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?

     Abbildung 2
     WOHNEIGENTUMSQUOTE IN DER SCHWEIZ
                                              Wohneigentumsquote                                                     (BFS, 2021a; BFS 2019)
                                                in der Schweiz

                                                                                 36,8 %              38,4%                36,4%
                                               31,3 %         34,6 %
                 28,5%        30,1 %

                     1970       1980             1990                2000          2010                 2015                2019

     • Starke Verstädterung:                                           Die Liste der genannten Gründe ist nicht abschliessend.
         Die Schweiz weist eine vergleichsweise starke Verstädte-      Weitere Gründe (z.B. eher neutrale Anreize bezüglich Eigen-
         rung auf: 75 Prozent der Bevölkerung wohnen in der Ag-        tumserwerb, ungünstiges Verhältnis von Kosten und Ein-
         glomeration (Schellenbauer & Salvi, 2015).                    kommen, eigentumspolitisches Dilemma) können die Höhe
                                                                       der Wohneigentumsquote ebenfalls beeinflussen (BWO,
     • Funktionierender Mietwohnungsmarkt:                             2005; Schellenbauer & Salvi, 2015).
         Die Schweiz hat ein relativ liberales Mietrecht, und die
         Rahmenbedingungen für Investitionen im Mietwohnungs-          Erschwingliches Wohneigentum als knappes Gut
         bereich sind gut. Dadurch entsteht eine Neigung zur In-       Die tiefe Wohneigentumsquote deutet bereits auf das knap-
         vestition in Mietwohnungen (BWO, 2005).                       pe Angebot und auf Schwierigkeiten hin, die sich potenziel-
                                                                       len Wohneigentümerinnen und Wohneigentümern stellen.
     • Qualitativ gute und preislich tragbare                          Raiffeisen titelte Ende 2021: «Der ausgeträumte Traum der
         Mietwohnungen:                                                eigenen vier Wände» (Fleury & Schwartz, 2021). Aufgrund
         Durchschnittlich beträgt die Brutto-Mietbelastung rela-       tiefer Finanzierungskosten sowie des Wirtschafts- und Be-
         tiv konstant 20 Prozent des Brutto-Haushaltseinkom-           völkerungswachstums der Schweiz schnellen die Wohn-
         mens, sodass Mietwohnungen als preislich tragbar gelten       eigentumspreise in der Schweiz in die Höhe. Für Normal-
         (BWO, 2005; Schellenbauer & Salvi, 2015).                     verdiener sind erschwingliche Eigenheime deshalb eher die
                                                                       Ausnahme als die Regel (Martel, 2022). Auch eine Studie
     • Hoher Anteil an ausländischer Bevölkerung:                      des BWO (2021) zum Thema «Personenfreizügigkeit und
         Ausländische Haushalte haben weniger Eigentum. Dies           Wohnungsmarkt» stellt fest, dass aufgrund unterschiedlicher
         beeinflusst die Wohneigentumsquote merklich, da jeder         Konsum- und Investitionspräferenzen der Haushalte sowohl
         fünfte Haushalt in der Schweiz ausländischer Nationalität     die Option Mieten als auch Kaufen verfügbar sein sollen. Bei
         ist (BWO, 2005).                                              Letzterer werde aber befürchtet, dass dies aufgrund der
                                                                       stark steigenden Preise zunehmend nicht mehr der Fall sei.
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?                                                                                1. Einleitung   11

1.2 IST WOHNEIGENTUM ERSTREBENSWERT?                                            quote zu erreichen. Nachfolgend werden die übergeordne-
                                                                                ten Kernaussagen (Abbildung 3) aus den Studien von Baur
1.2.1 Die volkswirtschaftliche Perspektive                                      et al. (2010), von Voigtländer & Bierdel (2017) und Voigtländer
Aus volkswirtschaftlicher Sicht wird oftmals diskutiert, ob es                  (2021) näher ausgeführt.
überhaupt erstrebenswert ist, eine hohe Wohneigentums-

Abbildung 3
VOLKSWIRTSCHAFTLICHE PERSPEKTIVE

                                                 Volkswirtschaftlich e
                                                     Perspektive

   FLEXIBILITÄT IM ARBEITSMARKT                          SOZIALE STABILITÄT                                 FINANZ -STABILITÄT
   • Grössere Bindung an Eigenheim als an                • Eigenheimbesitzende eher interessiert,           • Hohe Wohneigentumsquote als erhöhte
      Mietwohnung (u.a. längere Wohndauer)                 ihr Zuhause sowie Umgebung zu erhalten             Gefahr für Finanzstabilität
   • Sesshaftigkeit aber auch durch andere                 bzw. zu verbessern                               • Vorhandene Schutzmechanismen (z.B.
      Faktoren beeinflusst                               • Längere Wohndauer oder auch qualitativ             Überprüfung Tragbarkeit / Belehnungs-
   • Neue Entwicklungen wie Home-Office                    hochwertige Mieteinheiten erzielen                 höhe) können diesen Effekt reduzieren
      können Effekt verringern                             ähnliche Effekte

                        VERMÖGENSBILDUNG                                           RAUMPLANUNG
                        • Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer müssen              • Eigentümerinnen und Eigentümer haben
                          durch Amortisation«zwangssparen» und können                pro Kopf mehr Wohnfläche als Mietende
                          zur Reduktion der Altersarmut beitragen                  • Wohneigentum kann deshalb zur Zersiedlung beitragen
                        • Mietende könnten auch sparen, aber                       • Vorstösse zur Verdichtung sind aber in der
                          unterliegen keinem Zwang, wodurch eine                     Schweiz verbreitet
                          Konsumneigung scheinbar vorhanden ist
12   1. Einleitung                                                                  Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?

     • Mobilität im Arbeitsmarkt                                          der befragten 265 Schweizer Unternehmen gaben bei-
         Im Normalfall wird den Mietenden eine höhere Mobilität           spielsweise an, dass Homeoffice ein fester Bestandteil
         und Flexibilität zugeschrieben als Eigentümerinnen und           des Arbeitspensums wird (Statista, 2021). Entsprechend
         Eigentümern (Voigtländer & Bierdel, 2017; Baur et al.,           werden auch Tendenzen erkannt, dass längere Pendel-
         2010). Dies liegt daran, dass ein Mietvertrag mit einer nor-     zeiten eher in Kauf genommen werden (Kübler, 2021).
         malen Kündigungsfrist meist schnell und ohne Probleme            Dies könnte den genannten Nachteil der Arbeitsmarkt-
         aufgelöst werden kann. Ein Eigenheim muss dagegen                mobilität wiederum verringern.
         verkauft werden, was beispielsweise je nach Marktlage
         oder Verkaufsansprüchen ein längerer Prozess ist und           • Soziale Stabilität
         mit hohen Transaktionskosten verbunden (u.a. Steuern,            Positiv wird aus volkswirtschaftlicher Sicht die soziale
         Handänderungskosten, Maklerprovision) sein kann. Des             Stabilität hervorgehoben. Wohneigentümerinnen und
         Weiteren ist die Verkaufsbereitschaft der Wohneigentü-           -eigentümer seien mehr als Mietende daran interessiert,
         merinnen und -eigentümer tendenziell gering (Hohgardt,           ihr Zuhause sowie die Umgebung zu pflegen, um den
         Grimm & Cong, 2019). Da Wohneigentümerinnen und                  Immobilienwert zu erhalten bzw. zu steigern. Durch die
         -eigentümer oftmals persönliche und finanzielle Res-             lange Verweildauer engagieren sich die Eigentümerinnen
         sourcen in ihre Immobilie investieren, wird ein Verkauf mit      und Eigentümer auch eher in ihrer Gemeinde (u.a. Politik,
         einem Verlust gleichgesetzt (Voigtländer & Bierdel, 2017).       Nachbarschaft; DiPasquale & Glaeser, 1999).

         Aus volkswirtschaftlicher Perspektive wird deshalb oft-          Der (scheinbar) positive Effekt einer höheren Eigenheim-
         mals bemängelt, dass die Eigentümerinnen und Eigen-              quote kann aber relativiert werden, wenn weitere Fakto-
         tümer auch eine suboptimale Arbeitsmarktmobilität auf-           ren in die Untersuchungen eingeschlossen werden:
         weisen (Blanchflower & Oswald, 2013). Aufgrund der
         zunehmenden Anforderungen an Flexibilität könne eine             • Wohndauer:
         hohe Eigenheimquote deshalb den Arbeitsmarkt belasten               In den USA gilt Mieten per se als Übergangslösung,
         (Voigtländer & Bierdel, 2017).                                      weshalb stärkere Unterschiede erkennbar sind als bei-
                                                                             spielsweise bei Untersuchungen in Deutschland, wo
         In der Realität zeigt sich zwar, dass die Eigentümerinnen           in vielen Fällen langfristig in einem neuen gemieteten
         und Eigentümer eine längere Wohndauer als die Mieten-               oder gekauften Zuhause gewohnt wird (Voigtländer
         den aufweisen (17 Jahre vs. 10 Jahre). In der Gesamtheit            & Bierdel, 2017). Die Schweiz ist kulturell näher bei
         sind aber neben den Wohneigentümerinnen und Wohn-                   Deutschland als den USA, weshalb Implikationen auch
         eigentümern auch drei weitere Gruppen besonders sess-               auf die Schweiz möglich sind.
         haft: (1) Familien (Kinderfreundlichkeit); (2) Personen, die     • Haushaltscharakteristik:
         in einer Wohnumgebung mit ausgesprochen positivem                   Weiter zeigte sich, dass mit Wohneigentümerinnen
         Preis-Leistungs-Verhältnis wohnen (Preis-Leistung), so-             und Wohneigentümern eine andere Bevölkerungs-
         wie (3) Personen mit tiefem Einkommen (Preiswertigkeit;             schicht (Bildung, Einkommen, familiäre Stabilität) in
         Bieri, Longchamp, Tschöpe & Ratelband-Pally, 2006).                 das Quartier zieht, womit mehr Stabilität in der Nach-
         Des Weiteren wird die berufliche Mobilität beispielsweise           barschaft eintritt. Dies könne aber auch durch quali-
         auch durch die steigende Betriebszugehörigkeit, das Al-             tativ hochwertige Mieteinheiten sichergestellt werden
         ter oder den Bildungsabschluss beeinflusst (BFS, 2020).             (Voigtländer & Bierdel, 2017).

         Durch die Corona-Pandemie wurde auch Homeoffice in             • Finanzstabilität
         vielen Branchen weitestgehend normalisiert: 40 Prozent           Eigentümerinnen und Eigentümer haben in der Regel eine
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?                                                                                                        1. Einleitung   13

    Hypothek auf ihrer Liegenschaft und weisen somit eine                                      geln aber zu streng sind und welche Lockerungen mög-
    Schuldenlast auf. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wird oft-                                lich wären, sodass die Finanzstabilität weiterhin gegeben
    mals argumentiert, dass eine hohe Wohneigentumsquote                                       wäre, ist umstritten.
    deshalb mit einer erhöhten Gefahr für die Finanzstabilität
    verbunden ist (Voigtländer, 2021). Dies liege darin begrün-                            • Vermögensbildung
    det, dass mit einer höheren Wohneigentumsquote auch                                        Eine Studie der Europäischen Zentralbank hat ergeben,
    die Ausfallwahrscheinlichkeit von Wohneigentum erhöht                                      dass Länder mit einer höheren Wohneigentumsquote
    werde, weil weniger vermögende Bürgerinnen und Bür-                                        auch durchschnittlich höhere Vermögen haben. Obwohl
    ger Wohneigentum erwerben (Voigtländer, 2013). Oftmals                                     Voigtländer (2021) die methodischen Schwächen der Er-
    wird in diesem Zusammenhang die Parallele zur Finanz-                                      hebung hervorhebt, bestätigt er weiterhin die Kernaussa-
    krise in den USA gezogen. Einerseits bejahen Voigtländer                                   ge. Dennoch sollte diese Aussage mit Vorsicht betrachtet
    & Bierdel (2017) diesen Zusammenhang, andererseits                                         werden: In der Erhebung wurde beispielsweise nicht analy-
    werde dieser aber auch überinterpretiert. Folgende Argu-                                   siert, ob eher ein Mieter- oder Eigenheimmarkt vorherrscht
    mente sprechen in Anlehnung an Voigtländer & Bierdel                                       oder inwiefern die Altersvorsorge selbst zu stemmen ist.
    (2017) gegen einen direkten Vergleich:
                                                                                               Andere Studien ergeben, dass auch Mietende wie Wohn-
    • USA: Die amerikanischen Banken vergaben Kredite                                          eigentümerinnen und Wohneigentümer Geld ansparen
        auch an bonitätsschwache Haushalte, weil sie Anreize                                   können. So hätten die Mietenden sogar mehr Diversifika-
        hatten, ihre Kreditforderungen am Kapitalmarkt weiter-                                 tionsmöglichkeiten (Voigtländer, 2021). Wie Studien erge-
        zuverkaufen.                                                                           ben, bevorzugen Mietende aber eher den Konsum (Braun
        ➜ In der Schweiz wurden die Vergabekriterien für                                       & Pfeiffer, 2004). In erster Linie scheinen deshalb psycho-
        Hypotheken tendenziell verstärkt (z.B. Mindesteigen-                                   logische Aspekte das Sparverhalten zu erklären (Voigtlän-
        mittel von Kreditnehmerinnen und Kreditnehmern oder                                    der, 2021). Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer
        Amortisationspflicht; Finma, 2012). Im Weiteren haben                                  sind durch die regulatorischen Amortisationsvorgaben
        die Banken die Risiken vornehmlich in den eigenen Bi-                                  in der Schweiz zur Amortisation der Hypothek 1 und ent-
        lanzen.                                                                                sprechend zu einem «Zwangssparen» gezwungen. Die
    • USA: Gemäss Voigtländer & Bierdel (2017) wurden                                          Wohneigentümerinnen und -eigentümer können somit
        Kredite oftmals nicht getilgt.                                                         unfreiwillig nicht konsumieren und sparen noch diszipli-
        ➜ In Deutschland werden die Hypotheken stark ge-                                       nierter. Auch allfällige Reparaturen bzw. unvorhergesehe-
        tilgt. In der Schweiz sind ebenfalls Amortisationen vor-                               ne Nebenkosten können zu diesem Effekt beitragen. In-
        geschrieben, wenn auch nicht in gleichem Umfang wie                                    direkt sparen viele Besitzerinnen und Besitzer somit auch
        normalerweise in Deutschland. Die Reduktion der Be-                                    für die Altersvorsorge, da sie durch eine Teil-Tilgung der
        lehnungshöhe sollte jedoch dazu beitragen, die Risi-                                   Hypothek tiefere Wohnkosten haben – sofern sich der Im-
        ken einer Finanzinstabilität zu minimieren.                                            mobilienwert nicht negativ entwickelt und weitere Pflicht-
                                                                                               amortisationen im Alter allenfalls fällig werden.2 Morgen-
    Daraus lässt sich schliessen, dass die bestehenden Re-                                     stern (2016) sagt deshalb, dass Immobilien langfristig
    gelungen in der Schweiz zur Finanzstabilität beitragen,                                    eine gute Vermögensanlage seien. Auch eine kürzlich ver-
    und eine erhöhte Wohneigentumsquote nicht unbedingt                                        öffentlichte Berechnung von Fleury, Schwartz & Arapovic
    zu einer Finanzinstabilität führen muss. Inwiefern die Re-                                 (2022) zeigt, dass Wohneigentum 3 über die letzten 25

1 Im Normalfall muss die Hypothek bis zu einer Belehnungshöhe von zwei Drittel des Schätzwertes der Immobilie, d.h. 65 Prozent, amortisiert werden.
2 In der Schweiz können die Amortisationen auch indirekt geleistet werden. Dadurch kann sich die Hypothekarschuld erst zu einem späteren Zeitpunkt reduzieren, womit entsprechend
  auch die Zinskosten erst bei der effektiven Hypothekartilgung reduziert werden.
3 Annahme der Autoren: Eigenheim ist zu zwei Dritteln mit Fremdkapital finanziert und selbstgenutzt.
14   1. Einleitung                                                                    Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?

         Jahre eine vergleichbare Rendite zu einer Investition in ein      Aus den genannten Argumenten lässt sich keine eindeu-
         diversifiziertes Aktienportfolio lieferte.                        tige Tendenz ableiten, inwiefern eine hohe Wohneigen-
                                                                           tumsquote tatsächlich anzustreben ist. Vorteile bestehen,
         Die Vermögensbildung kann auch als Chance für die brei-           Nachteile können allenfalls minimiert werden. Beispiels-
         te Bevölkerung angesehen werden, indem Altersarmut                weise ist für die Finanzstabilität die Ausgestaltung der
         verhindert werden könne (Voigtländer, 2021). Voigtländer          Hypothekarvergabe relevant, oder die Mobilität kann al-
         (2021) sieht den Vermögensaufbau sogar als Argument,              lenfalls erhöht werden, wenn die Transaktionskosten ver-
         gerade bei Haushalten mit geringen Einkommen Anreize              ringert werden. Im Umkehrschluss kann dieselbe Argu-
         zur Wohneigentumsbildung zu schaffen. Auch hier gilt es           mentation aber auch für den Mieter- und nicht nur für den
         aber anzumerken, dass die Eigentümerinnen und Eigen-              Eigenheimmarkt angewandt werden.
         tümer in der Pflicht sind, das «Zwangssparen» langfristig
         zu verfolgen, um die Risiken der Altersarmut zu verhin-           Gemäss Schwartz (2020) sollte deshalb neben dem Brut-
         dern – insbesondere, wenn Vorsorgegelder für den Kauf             tonationalprodukt, das von Ökonominnen und Ökono-
         von Wohneigentum verwendet wurden.                                men im Normalfall zur Quantifizierung von wirtschaftlicher
                                                                           Leistung hinzugezogen wird, auch das Bruttonational-
     • Raumplanung                                                         glück analysiert werden, um den Aspekt zu berücksich-
         Aus raumplanerischer Sicht ist bekannt, dass Wohn-                tigen, dass Wohneigentum glücklich macht. Indirekt setzt
         eigentum mit einem erhöhten Wohnflächenbedarf einher-             Schwartz (2020) also auch bei der Haushaltsperspektive
         geht (Baur et al., 2010). Insbesondere der Wunsch nach            an, die im Fokus dieser Studie steht und nachfolgend er-
         einem Einfamilienhaus (und nicht nach einem Stockwerk-            läutert wird.
         eigentum) führt dazu. Das Bundesamt für Statistik (2019)
         hält fest, dass Eigentümerwohnungen im Durchschnitt            1.2.2 Die Haushaltsperspektive
         grösser sind als diejenigen von Mietenden. So belief sich      Grundsätzlich steht die Haushaltsperspektive oftmals nicht
         2019 die durchschnittliche Wohnfläche pro Person bei           im Fokus von Analysen und wird vernachlässigt, da die
         Eigentumswohnungen / -häusern auf 53 m2 und bei Miet-          Quantifizierung schwierig ist. Dennoch bietet gerade ein
         wohnungen auf 41 m . Insbesondere haben Wohneigen-
                                 2
                                                                        vertieftes Verständnis der einzelnen Haushalte  /  Personen
         tümerinnen und -eigentümer im Durchschnitt auch eine           Potenzial, um die Erwartungen oder das Verhalten von In-
         höhere Anzahl Zimmer. Dies könnte auch an der höheren          dividuen zu nutzen, um den Wohnraum der Zukunft zu ge-
         Wohneigentumsquote in ländlicheren Gebieten liegen             stalten. Vermehrt ist deshalb auch ein Trend zu einem inte-
         (siehe Kapitel 1.1): In Städten ist der Wohnraum im All-       grativen Ansatz der Raumentwicklung erkennbar, bei dem
         gemeinen kleiner (BFS, 2021).                                  die Partizipation der Bewohnerinnen und Bewohner explizit
                                                                        gewünscht wird (Wehrli-Schindler et al., 2016).
         In diesem Zusammenhang wird auch oftmals die Gefahr
         einer Zersiedlung genannt. So schreibt Bodmer (2011):          Bestehende Hauptargumente für Wohneigentum basieren
         «Eine Förderung des Wohneigentums kann damit zu                oftmals auf finanziellen Kriterien (Abbildung 4). Folgende
         einem erhöhten Verkehrsaufkommen und einer Zer-                Punkte werden oftmals genannt:
         siedelung der Landschaft beitragen.» In der Schweiz ist
         aktuell aber ein Trend zur Verdichtung erkennbar (Fleury,      • Kaufen ist günstiger als Mieten (tiefe Zinsen)
         Schwartz & Koch, 2021) und es stehen Vorstösse zur Ver-           Die monatlichen Mietkosten scheinen zurzeit dafür zu
         dichtung von Wohnraum (und somit einer Gegenbewe-                 sprechen, dass Wohneigentum gegenüber der Miete be-
         gung zur Zersiedelung) eher zur Diskussion (z.B. im Kan-          vorzugt wird (Hasenmaile, Lohse, Rieder & Waltert, 2019).
         ton Zürich; swissinfo.ch, 2019).
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?                                                                    1. Einleitung   15

• Immobilie als gute Altersvorsorge sowie                                      Wohneigentum eingehen. Der Kauf von Wohneigentum
    finanzielle Disziplin                                                      ist im Normalfall eine der grössten Investitionen im Leben,
    Wie bereits erwähnt, kann Wohneigentum dazu beitra-                        wobei ein grosser Teil des Vermögens investiert wird. Ent-
    gen, dass keine Altersarmut eintritt. Oftmals wird auch ar-                sprechend haben die Wohneigentümerinnen und -eigen-
    gumentiert, dass die Wohneigentümerinnen und -eigen-                       tümer viel Kapital in ihrer Immobilie gebunden. Dadurch
    tümer durch den Vorbezug ihres Pensionskassen- oder                        haben sie nur begrenzt die Möglichkeit, ihr Vermögen zu
    Säule-3a-Guthabens die Freiheit haben, eigenständig                        diversifizieren. So schreiben Baur et al. (2010) auch, dass
    über die Investition dieser Gelder zu entscheiden, was je                  Haushalte «tendenziell auf Anlagen mit höheren Markt-
    nach Standpunkt ein Vorteil darstellen kann.                               renditen zugunsten von Wohneigentum verzichten». Dies
                                                                               kann Risiken bergen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob
Weitere positive Aspekte sind die Wohnsicherheit (z.B.                         aus dem oben genannten Sparpotenzial ein Investitions-
Schutz vor Kündigung aufgrund von Eigenbedarf) sowie die                       potenzial resultiert, wodurch gewisse negative Effekte der
Wohnzufriedenheit (z.B. Gestaltungsfreiheit; Baur et al.,                      mangelnden Diversifikation ausgeglichen werden können.
2010). Negativ werden insbesondere die beiden folgenden
Aspekte hervorgehoben:                                                     • Potenzielle Liquiditätsprobleme
                                                                               Die Wohneigentümerinnen und -eigentümer haben zwar
• Mangelnde Diversifikation                                                    entsprechende Vermögenswerte, jedoch sind diese viel-
    Eines der Hauptargumente gegen Wohneigentum ist das                        fach in ihrer Immobilie gebunden. Sie sind somit nicht sehr
    Klumpenrisiko, welches die Haushalte mit dem Kauf von                      liquide, was insbesondere im Alter zu Problemen führen

Abbildung 4
                                                                Haushalts-
HAUSHALTSPERSPEKTIVE                                           perspektive

                     Günstiger als Mieten                                                        Mangelnde Diversifikation
                     Altersvorsorge sowie                                                        Potenzielle
                     finanzielle Disziplin                                                       Liquiditätsprobleme

                            Wohneigentum ist nicht nur ein Investitionsobjekt,
                            sondern auch ein Zuhause.
                            Auch nicht-finanzielle Aspekte können beim Kauf von Wohneigentum relevant oder sogar entscheidend
                            sein (z.B. Wohnsicherheit). Diese Aspekte werden zurzeit aber nur begrenzt analysiert.
16   1. Einleitung                                                                 Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?

         kann (Grimm & Richter, 2021). Eine hohe Verschuldungs-       flussen den Wunsch nach und Besitz von Wohneigentum
         quote könnte ebenfalls zu finanziellen Problemen führen,     (Grimm & Richter, 2021). Die erweiterte Analyse von Meyer
         wenn eine Marktkorrektur eintritt oder die Zinsen steigen.   et al. (2012) zeigt, dass weitere Aspekte relevant sind: Sie
                                                                      unterscheiden nach psychologischen, räumlichen, sozialen,
     Unter persönlichem Nutzen sowie der oben genannten               ökonomischen  /  rechtlichen und ökologischen Präferenzen
     Wohnzufriedenheit sind jedoch weitere Faktoren relevant,         und erläutern, wie Einfamilienhausqualitäten auch in Mehrfa-
     die bisher weitestgehend vernachlässigt wurden. Der Be-          milienhäusern abgebildet werden können. Auch Drew (2014)
     griff «Nutzen» sollte deshalb breiter verstanden werden, als     erhob weitere Faktoren wie beispielsweise, dass der Erwerb
     er bisher von verschiedenen Studien (z.B. Moneypark, 2020)       von Wohneigentum ein Erfolgssymbol ist oder dass man
     ausgelegt wird. In diesen Studien werden aber oftmals funk-      sich erhofft, ein besserer Einwohner zu werden. Es zeigt sich
     tionale, räumliche Aspekte sowie finanzielle, ökonomische        somit, dass gerade die Hauptargumente aus scheinbar ra-
     Aspekte erhoben und mit dem Kauf von Wohneigentum in             tionaler Sicht zwar wichtige Treiber sein können, aber weitere
     Verbindung gebracht.                                             Aspekte für ein umfassendes Verständnis inkludiert werden
                                                                      müssen. An diesem Punkt setzt diese Studie an. Sie möchte
     Auch wenn diese beiden Argumente sehr relevant sind, wird        ein holistisches Bild der Nutzenwahrnehmung von potenziel-
     dabei oftmals vernachlässigt, dass die selbstbewohnte Im-        len Wohneigentümerinnen und -eigentümern schaffen und
     mobilie nicht nur ein Investitionsobjekt, sondern auch ein       den Mythos Wohneigentum detaillierter skizzieren.
     Zuhause ist. Emotionen und irrationales Verhalten beein-
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?                                                           1. Einleitung   17

1.3 ZIELSETZUNGEN DER STUDIE                                          sprochen, da für die Lösungsvorschläge beispielsweise auch
                                                                      neue innovative Wohn- und Finanzierungsformen diskutiert
Die vorliegende Studie ist die erste im Rahmen einer Studi-           werden sollen.
enreihe. Um optimale Lösungen zu konzipieren, wird in einer
zweiten Studie auf die bestehenden Wohneigentümerinnen                Folgende Hauptfragen sollen im Detail geklärt werden:
und Wohneigentümer fokussiert. Aufbauend auf den Studien
zu potenziellen und bestehenden Wohneigentümerinnen                   • Personen: Welche Charakteristiken weisen Personen
und Wohneigentümern werden danach in einer dritten Stu-                  auf, die sich Wohneigentum wünschen?
die Lösungen diskutiert. Übergeordnet wird das Ziel verfolgt,         • Handlungen: Welche Handlungen wurden bzw. werden
die Wohnflexibilität zu erhöhen und den Traum vom Eigen-                 von den Haushalten unternommen, um Wohneigentum
heim bzw. den damit verbundenen Nutzen erfüllen zu kön-                  zu erwerben?
nen (Abbildung 5).                                                    • Wahrgenommener Nutzen 4: Welche Werte werden mit
                                                                         dem Wohneigentum verbunden? Welche sind bei Wohn-
Im Vordergrund der vorliegenden Studie steht der subjektive              eigentum stärker ausgeprägt als bei Miete? Wo werden
Nutzen eines Schweizer Haushaltes. Es soll ermittelt werden,             von potenziellen Wohneigentümerinnen und Wohneigen-
was den Traum vom Wohneigentum im Detail ausmacht. Es                    tümern die grössten Barrieren zur Erreichung von Wohn-
wird mit Absicht von dem damit verbundenen Nutzen ge-                    eigentum identifiziert?

Abbildung 5
ZIELSETZUNGEN DER STUDIE
                                                           Zielsetzungender Studie

                  Der Traum vom Eigenheim…

                                                                                                              Was macht den
                                                                                                              Traum vom
                                                                                                              Eigenheim aus?
               Die Mehrheit der Mieterinnen und Mieter
                    wünscht sich Wohneigentum.

                                                                    ….kann in anderer
          …zerplatzt?                      ….geht in Erfüllung?      Form verwirklicht
                                                                         werden?

                                                                                                            Fokus der
                                                                                                             Studie

4 Nutzen und Wert werden in dieser Studie synonym verwendet.
18   2. Studiendesign                                                          Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?

     2. STUDIENDESIGN

               STUDIENDESIGN IN KÜRZE

          Abbildung 6
          STUDIENDESIGN IN KÜRZE
                                                Studiendesign in Kürze
                                                     Haushaltsperspektive
                                    (Potenzielle Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer)

                                                                 Person

                                                                                 Handlungen
                                            Wahr-
                                         genommener
                                           Nutzen

                                                         Mixed-Methods-Ansatz
                                                     (Kombination zweier Methoden)

                          Semistrukturierte Interviews
                        • 10 Personen, die Wohneigentum
                                                                   &              Online-Befragung
                                                                          • 1’002 Personen, die umzugsbereit sind
                          erworben haben bzw. erwerben möchten
                                                                          • Wann: Okt / Nov 2021
                        • Wann: Juni 2021
                                                                          • Dauer: 10 bis 15 Minuten
                        • Dauer: 1.5 Stunden
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?                                                            2. Studiendesign   19

    Framework: Drei Ebenen der Haushalts-                            Mixed-Methods-Vorgehen: Kombination
    perspektive im Fokus                                             zweier Methoden
    Die persönliche Sicht der einzelnen potenziellen Wohnei-         Um die Zielsetzung zu erreichen, wurden sowohl eine
    gentümerinnen und Wohneigentümer steht in dieser Stu-            qualitative als auch eine quantitative Befragung durchge-
    die im Fokus. Sie wird anhand dreier Ebenen analysiert:          führt. Dies ermöglichte es, die Vorteile der qualitativen For-
                                                                     schung (u.a. vertiefte Auseinandersetzung mit Sicht der
    • Person:                                                        einzelnen potenziellen Wohneigentümerinnen und Wohn-
        Innerhalb dieser Ebene werden insbesondere Cha-              eigentümer) mit denjenigen der quantitativen Befragung
        rakteristiken sowie die Lebensumstände einer Person          (u.a. Verallgemeinerung der Erkenntnisse) zu kombinieren.
        analysiert, um auch Rückschlüsse auf das Segment
        der potenziellen Wohneigentümerinnen und Wohn-               Qualitative Befragung: Semistrukturierte Interviews
        eigentümer zu ziehen.                                        Im Rahmen der Interviews wurde mit total zehn Personen
                                                                     ein Interview durchgeführt. Fünf Personen wohnen bereits
    • Handlungen:                                                    im neuen Zuhause und haben die Fragen retrospektiv be-
        Entlang des Entscheidungsprozesses wird insbe-               antwortet, während fünf Personen ihr Eigenheim noch
        sondere auf diejenigen Phasen fokussiert, die vor            nicht gefunden haben oder noch nicht eingezogen sind
        dem Besitz eintreten. Es soll ermittelt werden, inwie-       und prospektiv ihre Sicht erläuterten.
        weit sich die potenziellen Wohneigentümerinnen und
        Wohneigentümer mit dem Eigenheimkauf auseinan-               Quantitative Befragung: Online-Befragung
        dergesetzt haben.                                            In der quantitativen Befragung wurden nur Personen in-
                                                                     kludiert, die eine Umzugsbereitschaft aufweisen
    • Wahrgenommener Nutzen:                                         und kein Wohneigentum besitzen. Sie wurde sowohl
        Der wahrgenommene Nutzen stellt ein Kernelement              in deutscher als auch französischer Sprache zur Verfü-
        der vorliegenden Studie dar. Er wird in Anlehnung an         gung gestellt. Insgesamt haben 1’002 Personen aus der
        Holbrook (1994) in fünf Motivationsfaktoren (finanziell,     Deutsch- und Westschweiz an der Umfrage teilgenom-
        funktional, sozial, hedonistisch, altruistisch) unterteilt   men. Die Befragung ist repräsentativ für Alter, Geschlecht
        und beinhaltet auch wahrgenommene Barrieren.                 und Regionen (Tessin wurde nicht berücksichtigt).
20   2. Studiendesign                                                               Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?

     2.1 FRAMEWORK                                                            ökonomisch, sozio-kulturell, technologisch,
                                                                              ökologisch, rechtlich)
     Um den Entscheidungsprozess von potenziellen Wohnei-
     gentümerinnen und Wohneigentümern sowie den mit einem            • Haushaltsperspektive:
     Wohneigentum assoziierten Nutzen zu analysieren, wurden              • Person: Charakteristiken
     zwei Perspektiven unterschieden (Abbildung 7):                       • Handlungen: Entscheidungsprozess
                                                                          • Wahrgenommener Nutzen:
     • Volkswirtschaftliche Perspektive                                      Motivationsfaktoren / Barrieren
         • PESTEL-Dimensionen (6 Dimensionen: politisch,

     Abbildung 7
                        Framework der vorliegenden Studie
     FRAMEWORK DER VORLIEGENDEN STUDIE

                                                 Volkswirtschaftliche Perspektive
                                                        (Immobilienmarkt)

                                 Politisch                     Ökonomisch                      Sozio- kulturell
                           (u.a. Gesetzgebung)            (u.a. Zinsentwicklung)              (u.a. Demografie)

                               Technologisch                    Ökologisch                        Rechtlich
                        (u.a. technische Standards)       (u.a. Umweltauflagen)               (u.a. Steuerrecht)

                                             Haushaltsperspektive
                            (Potenzielle Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer)

                                                          Person

                                                                                      Handlungen
                                 Wahr -
                              genommener
                                 Nutzen

                                                       Exogener Schock: Corona
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?                                                           2. Studiendesign   21

Der Fokus lag auf der Haushaltsperspektive, weshalb die                phase, (2) Kaufphase und (3) Nachkaufphase (= Besitzpha-
Ebenen von Person, Handlungen und Nutzen nachfolgend                   se). Kotler, Armstrong, Wong & Saunders (2011) verfeinern
detaillierter erläutert werden. Im Grundsatz orientiert sich           den Entscheidungsprozess in (1) Problemerkennung, (2) In-
das Studien-Framework am 3B-Approach, das vom Ver-                     formationssuche, (3) Bewertung der Alternativen, (4) Kaufent-
haltensökonomen Dan Ariely in der Forschung sowie Unter-               scheidung und (5) Verhalten nach dem Kauf. Da die Studie
nehmensberatung vielfach angewandt wird: Es wird auf das               auf potenzielle Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer
Verhalten (Behavior) und den Nutzen fokussiert, der in Wer-            fokussiert, ist die Besitzphase weniger relevant. Die Besitz-
te / Motivatoren (Benefits) sowie die Barrieren (Barriers; Irra-       phase wird in der angekündigten Studie II im Fokus stehen.
tional Labs, 2020) unterteilt wird.
                                                                       2.1.3 Wahrgenommener Nutzen
2.1.1 Person                                                           Der wahrgenommene Nutzen ist das Kernstück der vor-
Die Charakteristiken und Lebensumstände einer Person                   liegenden Arbeit. Die Ausgestaltung sowie Definition des
bestimmen, wie sie sich verhält. Einerseits sollen in der vor-         Nutzenbegriffs, der in der vorliegenden Arbeit synonym zu
liegenden Studie deshalb typische soziodemografische In-               «Wert» benutzt wird, wird an die Arbeit von Jahn (2013) an-
formationen inkludiert werden, wie beispielsweise das Ge-              gelehnt, der sich umfassend mit dem Wertbegriff auseinan-
schlecht, das Alter oder auch das Haushaltseinkommen.                  dergesetzt hat. Jahn (2013) hält basierend auf einem umfas-
Andererseits sollen auch immobilienspezifische Eigenschaf-             senden Literaturstudium fest:
ten adressiert werden, wie beispielsweise die subjektiven Fi-
nanz- und Immobilienkenntnisse.                                        • Es ist von hoher Bedeutung für Akteure, optimale Wert-
                                                                          angebote zu erstellen. Es ist dafür jedoch notwendig, zu
2.1.2 Handlungen                                                          verstehen, was die Kundschaft wertschätzt. Ein besseres
Neben den personenspezifischen Angaben kann auch eine                     Verständnis über das Wertkonstrukt helfe, dass beispiels-
Rolle spielen, inwieweit sich die potenziellen Wohneigen-                 weise Unternehmen erfolgreicher agieren können (Woo-
tümerinnen und Wohneigentümer mit dem potenziellen Ei-                    druff & Gardial, 1996).
genheimkauf auseinandergesetzt haben. Der Ablauf des                   • Wert / Nutzen wird mehrheitlich so definiert, dass es ein
Entscheidungsprozesses wurde in der vorliegenden Studie                   Ausgleich ist zwischen dem, was die Konsumentinnen
deshalb auch adressiert. Vereinfacht kann zwischen drei                   und Konsumenten erhalten (z.B. Nutzen), und dem, was
Phasen unterschieden werden (Abbildung 8): (1) Vorkaufs-                  sie dafür bereitstellen (z.B. Zeit).

Abbildung 8
ENTSCHEIDUNGSPROZESS / HANDLUNGEN
                                                Entscheidungsprozess /
                                                     Handlungen

 Wunsch- / Problem-                   Informations-             Bewertung der               Kaufabsicht /              Besitz-
    erkennung                             suche                  Alternativen              -entscheidung               phase
22   2. Studiendesign                                                                Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?

     Eine Konzeptualisierung der Wertedimensionen hat Holbrook         Dimensionen kann der Erhebung unter Kapitel 3 «Studien-
     (1994) vorgenommen. Sie dient in der vorliegenden Studie als      erkenntnisse» entnommen werden.
     Grundlage, wobei sie vereinfacht und an die Gegebenheiten
     des Wohneigentums angepasst wurde. Holbrook unterschei-           Neben diesen Wert- bzw. Nutzendimensionen, die nachfol-
     det zwischen vier Haupt-Typen des Konsumentenwertes:              gend als Motivationsfaktoren bezeichnet werden, werden
                                                                       auch die Barrieren erhoben, die den potenziellen Wohn-
     • Ökonomischer Wert                                               eigentümerinnen und Wohneigentümern einen Kauf von
         Holbrook (1994) fasst den ökonomischen Wert mit den           Wohneigentum verunmöglichen (Abbildung 9).
         Begriffen der Effizienz und Exzellenz zusammen. Darunter
         wird sowohl das Preis-Leistungs-Verhältnis als auch die
         Nützlichkeit eines Gutes / einer Dienstleistung verstanden.   Abbildung 9
                                                                                       Wahrgenommener
                                                                       WAHRGENOMMENER NUTZEN
                                                                                           Nutzen
     • Sozialer Wert
         Der soziale Wert beinhaltet den Status, also das Streben
         nach Prestige und Erfolg, und das daraus resultierende
         Ansehen bzw. die Reputation.

     • Hedonistischer Wert
         Der hedonistische Wert ist mit dem Vergnügen sowie der
         Ästhetik verknüpft.

     • Altruistischer Wert                                                                     MOTIVATIONS-
                                                                                                FAKTOREN
         Der altruistische Wert umfasst Taten, die zugunsten einer
         anderen Person oder des Umfelds oder aus spirituellen
         Gründen gemacht werden.

     Da die ökonomische Dimension in den bisherigen Studien
     eine hohe Bedeutung einnahm, wurde entschieden, den
     ökonomischen Wert in einen finanziellen und einen funktio-
     nalen Wert zu unterteilen, um dieser Entwicklung Rechnung
     zu tragen. Die weiteren Dimensionen wurden entsprechend
     übernommen. Eine detaillierte Ausgestaltung der einzelnen
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?                                                                 2. Studiendesign   23

 2.2 METHODISCHES VORGEHEN                                                haben und den gesamten Entscheidungsprozess rückbli-
                                                                          ckend Revue passieren lassen können. Die Abbildung 10
 2.2.1 Interviews                                                         gibt einen Kurzüberblick über die befragten Personen. Es
                                                                          zeigt sich, dass Personen aus verschiedenen Regionen, mit
 Erhebungszeitraum und befragte Personen                                  unterschiedlichem Alter sowie unterschiedlicher Familiensi-
 Die qualitative Datenerhebung wurde im Juni 2021 mittels                 tuation befragt wurden. Tendenziell haben mehr Frauen als
 semistrukturierter Interviews durchgeführt. Die Befrag-                  Männer an den Interviews teilgenommen.
 ten wurden vom Netzwerk der Projektpartner akquiriert.
 Coronabedingt wurden die Interviews mittels einer Video-                 Aufbau Leitfaden
 konferenz durchgeführt. Die Interviews dauerten rund 1.5                 Aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven (prospektiv und
 Stunden. Die Befragten erhielten für die Teilnahme an den                retrospektiv) wurden entsprechend zwei Leitfäden erarbeitet.
 Interviews einen Gutschein im Wert von CHF 50.– von ih-                  Die Abbildung 11 zeigt den groben Aufbau der Leitfäden. In
 rem präferierten Lebensmittelgeschäft.                                   einer ersten Phase wurden die Befragten aufgefordert, mög-
                                                                          lichst frei von ihrer aktuellen Erfahrung in Bezug auf die Suche
 Im Rahmen der Interviews wurden zwei Perspektiven inklu-                 bzw. den Kauf von Wohneigentum zu erzählen. Erst in einem
 diert: Es wurden Personen befragt, die zurzeit auf der Suche             weiteren Schritt wurden zusätzliche Fragen, die für die vor-
 sind, also am Anfang des Entscheidungsprozesses stehen,                  liegende Studie von Interesse waren, vertieft. Die detaillierten
 sowie Personen, die erst kürzlich Wohneigentum erworben                  Fragen können einem separaten Anhang entnommen werden.

 Abbildung 10                                 Interviewteilnehmerinnen
 INTERVIEWTEILNEHMERINNEN UND -TEILNEHMER
                                                   und -teilnehmer
                                  1 Paar
                                  7 Frauen
                                  2 Männer

                                                         2 Teilnehmende            3 Teilnehmende                   2 Teilnehmende
Kinder

                   3 Teilnehmende                        mit Kindern im            mit Kindern im                   mit ausgezogenen
                   ohne Kinder                           Vorschulalter             Schulalter                       Kindern

                                                                  1 Teilnehmer, der
Phase

                                                                  Wohneigentum erworben                    5 Eigenheimbesitzende
                        4 Eigenheimsuchende
                                                                  hat, aber noch nicht                     (seit < 3 Jahren)
                                                                  eingezogen ist
Käufer

                       Kauf als Einzelperson:                     Kauf als Paar:                           Kauf mit Mutter:
                       2 Personen                                 7 Personen                               1 Person
Region

         Appen -                                                 Gossau     Neften-                               Winter-       Wiesen-
                          Bern           Bern            Bern                            Sarnen       Uznach
           zell                                                    ZH        bach                                  thur         dangen
24   2. Studiendesign                                                                      Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?

     Abbildung 11
     AUFBAU LEITFADEN                               Aufbau Leitfaden

                                                    Teil 1: Einleitung «warm-up»

                   Ziel: Sich gegenseitig Kennenlernen, «Eisbrecher», erste Informationen erhalten

                   • Begrüssung Teilnehmende
                   • Gesprächsregeln
                   • Soziodemografische Informationen des Gegenübers

                    Potenzielle Wohneigentümer/-innen                           Wohneigentümer/-innen
                    Eisbrecher-Frage:                                           Eisbrecher-Frage:
                    Sie wohnen zurzeit zur Miete.                               Sie haben vor kurzem Wohneigentum gekauft. Wie
                    Wie gefällt es Ihnen in Ihrem Zuhause? (…)                  gefällt es Ihnen in Ihrem neuen Zuhause? (…)

                                                      Teil 2: Open Conversation
                   Ziele:
                   • Geschichten erfahren, welche nahe an Fragestellung sind
                   • «Clean up»: Nachfragen bei Nicht-Erwähnung gewisser Aspekte

                        • Erfahrung mit Suche und Kauf von Wohneigentum
                         (u.a. Wie entstand der Wunsch nach Wohneigentum? Wo sehen Sie Vorteile zu Ihrer aktuellen / bisherigen
                         Wohnform? Wie gehen Sie vor, um ein passendes Objekt zu finden? (…)
                        • Falls noch nicht adressiert mit obenstehenden Fragen:
                         – Erwartungen an zukünftiges Wohneigentum?
                         – Erwartungen entlang der verschiedenen Wertdimensionen (finanziell, funktional, hedonistisch,
                           sozial, altruistisch / ökologisch)?
                        • Ausblick
                         – Worauf freuen Sie sich besonders hinsichtlich Ihres Wohneigentums?
                         – Wie lange möchten Sie im Wohneigentum wohnen bleiben?
                         – (…)

                        • Closing:
                         – Was würden Sie einer Kollegin / einem Kollegen raten, die / der sich auch Wohneigentum wünscht?
                           Welche Tipps würden Sie ihm / ihr geben?
                         – Eine letzte Frage: Wenn Sie nur einen einzigen Grund nennen könnten, weshalb Sie
                           Wohneigentum kaufen möchten: Welcher wäre dies?

                                                                 Teil 3: Wrap-up
                   Ziel: Zusatzinformationen – nach Bedürfnis des Interviewpartners – abholen

                   • Anmerkungen seitens Interviewteilnehmer /-in
                   • Bedanken für Teilnahme
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