Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? - ZHAW School of Management and Law
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Impressum Herausgeber Bundesamt für Wohnungswesen BWO Hallwylstrasse 4, 3003 Bern Tel. +41 58 480 91 11 info@bwo.admin.ch, www.bwo.admin.ch Download www.bwo.admin.ch www.digitalcollection.zhaw.ch Projektbegleitung Christoph Enzler, Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) Olivier Feller, Fédération Romande Immobilière (FRI) Alexander Heck, Hauseigentümerverband Schweiz (HEV) Nina Hohl, Raiffeisen Schweiz Nicole Horak, Raiffeisen Schweiz Thomas Richter, ZHAW School of Management and Law Autorinnen und Autoren ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften School of Management and Law Abteilung Banking, Finance, Insurance Institut für Wealth & Asset Management Postfach 8401 Winterthur Selina Lehner (selina.lehner@zhaw.ch) Holger Hohgardt (holger.hohgardt@zhaw.ch) Zitierweise Lehner, S. & Hohgardt, H. (2022). Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus?. Bundesamt für Wohnungswesen, Bern. Anmerkungen Die Kurzfassung sowie das Management Summary dieses Berichtes ist in deutscher, französi- scher, italienischer und englischer Sprache erhältlich. Der Bericht gibt die Auffassung der Autorinnen und Autoren wieder, die nicht notwendiger- weise mit derjenigen der Auftraggebenden übereinstimmen muss. Titelbild © VBS © BWO, März 2022
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? Management Summary 3 Management Summary Die Mehrheit der Schweizer Mieterinnen und Mieter wünscht diteabsichten angesehen. Nur 17,4 Prozent möchten inves- sich Wohneigentum. Bezahlbares Wohneigentum scheint für tieren, damit sie teurer weiterverkaufen können, und nur 41,4 Normalverdiener heutzutage eher die Ausnahme als die Re- Prozent stimmen zu, dass Wohneigentum eine gute Mög- gel. Doch ist Wohneigentum erstrebenswert? Aus volkswirt- lichkeit ist, um sein Vermögen zu vermehren. Vielmehr se- schaftlicher Sicht wird kontrovers diskutiert, inwiefern eine hen sie Wohneigentum als ein Zuhause mit nicht-finanziellem höhere Wohneigentumsquote mit einem höheren Wohlstand Nutzen. So wird die Gestaltungsfreiheit hervorgehoben oder einhergeht. Der (wahrgenommene) Nutzen für die einzelnen der Umstand, dass man mit dem Wohneigentum ein richti- Haushalte wird dagegen nur begrenzt untersucht. Oftmals ges Zuhause hat. In der Umsetzung ihres Eigenheimtraums stehen finanzielle Kriterien bei der Begründung des Kaufes stossen viele der befragten Eigenheimsuchenden und Über- von Wohneigentum im Zentrum. Es wird jedoch vernach- gangsmietenden auf finanzielle Hürden. Es zeigt sich, dass lässigt, dass Wohneigentum nicht nur ein Investitionsobjekt, insbesondere die hohen Immobilienpreise, das mangelnde sondern auch ein Zuhause ist. Was macht also den Traum Angebot oder auch das zu geringe Einkommen oder fehlen- der eigenen vier Wände für einen einzelnen Haushalt aus? de Vermögen von einem Eigenheimkauf abhalten. Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurden im Rah- Die befragten Eigenheimsuchenden und Übergangsmieten- men der vorliegenden Studie qualitative Interviews mit zehn den äussern sich auch kritisch hinsichtlich der Erschwing- Eigenheimsuchenden bzw. Personen, die erst kürzlich lichkeit von Wohneigentum und sehen Akteure wie die Wohneigentum erworben haben, vorgenommen. Diese ex- Regierung verantwortlich dafür. Geringere Verantwortung plorative Untersuchung wurde danach mit einer quantita- wird bei der eigenen Person eruiert. Im Weiteren hat rund tiven Online-Befragung vertieft. An der Befragung nahmen ein Fünftel der befragten Eigenheimsuchenden noch keine 1002 umzugsbereite Personen aus der Deutsch- und West- spezifischen Handlungen unternommen, was auf eine Pas- schweiz teil, die noch kein Wohneigentum besitzen. Sie ist sivität schliessen lässt. Es stellt sich die Frage, ob die Per- repräsentativ hinsichtlich Alter und Geschlecht. In der Studie sonen Wohneigentum nur als Opportunität sehen und das wurde zwischen Eigenheimsuchenden, die aktuell Wohnei- Finden eines optimalen Objektes mit Schicksal oder Glück gentum suchen, Übergangsmietenden, die zurzeit eine Miet- verbinden. Mehr Engagement könnte jedoch zu Erfolg füh- wohnung suchen, aber langfristig Wohneigentum erwerben ren. Deshalb sollten die Haushalte ihre Handlungsspielräume möchten, sowie Dauermietenden, die auch in Zukunft kein noch aktiver eruieren und agieren. Eine Verhaltensänderung Wohneigentum erwerben möchten, unterschieden. einer Einzelperson kann allenfalls schneller und effizienter umgesetzt werden, als wenn langwierige politische Prozesse Es zeigte sich, dass insbesondere Personen der mittleren initiiert werden. Dennoch bleibt die Situation am Immobilien- Generation (30 bis 49 Jahre alt) auf der Suche nach Wohnei- markt herausfordernd, und ein Betätigen verschiedener He- gentum sind. Diese Lebensphase zeichnet sich speziell auch bel (z.B. auch Finanzierungskriterien) kann notwendig sein. durch Stabilität aus, da beispielsweise die Familiengründung oder die Reifephase der Karriere eintritt. Diese Stabilität äus- Die vorliegende Studie soll zu einem besseren Verständnis sert sich auch im Wunsch nach Wohneigentum: 9 von 10 der potenziellen Wohneigentümerinnen und Wohneigentü- der befragten Eigenheimsuchenden möchten Wohneigen- mer beitragen. In einer nächsten Studie wird nun die Lücke tum erwerben, weil sie ein langfristiges Zuhause wünschen. bei den aktuellen Wohneigentümerinnen und Wohneigentü- Rund 72 Prozent sehen auch den Vorteil, dass sie in etwas mern geschlossen. Basierend auf den beiden Studien sollen finanziell Stabiles investieren können. Wohneigentum wird in dann entsprechende Lösungsvorschläge erarbeitet werden, der Regel auch nur begrenzt als Investitionsobjekt mit Ren- die alle Akteure am Immobilienmarkt adressieren sollen.
4 Projektbeteiligte Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? Projektbeteiligte AUFTRAGNEHMER DER STUDIE Institut für Wealth & Asset Management der ZHAW School of Management and Law Das Institut für Wealth & Asset Management (IWA) ist Partner verschiede- ner in- und ausländischer Institutionen in Forschung und Wirtschaft und leistet einen gezielten Beitrag zur Qualifikation von Fachleuten in der Fi- nanzdienstleistungsbranche. In der Forschung und Beratung beschäftigt sich das IWA im Zusammen- hang mit dem Asset Management schwerpunktmässig mit Investment- und Handelsprozessen. Im Wealth Management liegt der Schwerpunkt auf den Geschäfts- und Kundenprozessen sowie neuen Servicemodellen. Zudem werden Trends in der umfassenden Finanzberatung untersucht, wobei das Wohneigentum und die Altersvorsorge im Vordergrund stehen. Quantitative Finance und Data Sciences sind weitere Kernthemen. www.zhaw.ch/iwa TEILNEHMENDE DER STUDIE Befragungsteilnehmende Wir bedanken uns herzlich bei den Interviewpartnerinnen und -partnern für die interessanten Gespräche. Zudem bedanken wir uns bei den Teilneh- menden der Online-Umfrage.
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? Projektbeteiligte 5 PARTNERINNEN UND PARTNER DER STUDIE Bundesamt für Wohnungswesen Das Bundesamt für Wohnungswesen BWO gehört zum Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) und ist das Kompetenzzentrum des Bundes für alle Wohnungsfragen. Das BWO ist für den Vollzug der Bundesgesetze im Bereich der Wohnraumförderung und des Mietrechts zuständig und erarbeitet Entscheidungsgrundlagen zur Verbesserung des Wohnraumangebots und des Wohnumfelds sowie der Transparenz auf dem Wohnungsmarkt. www.bwo.admin.ch Fédération romande immobilière (FRI) Die Fédération romande immobilière ist der Westschweizer Dachverband der Hauseigentümer. Sie besteht aus fünf kantonalen Immobilienkammern (VD, FR, NE, VS, JU). Neben ihrer politischen Tätigkeit gibt die FRI die Zeit- schrift Propriété heraus, die achtmal pro Jahr an 37’000 Leserinnen und Leser verteilt wird. www.fri.ch
6 Projektbeteiligte Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? Hauseigentümerverband (HEV) Schweiz Der Hauseigentümerverband (HEV) Schweiz ist die Dachorganisation der schweizerischen Hauseigentümer, der Zusammenschluss von rund 340’000 Personen in 125 regionalen und kantonalen Mitgliedsektionen. Er setzt sich auf allen Ebenen konsequent für die Förderung und Erhal- tung des Wohn-, Wohnungs- und Grundeigentums in der Schweiz ein. Für die mehr als 560’000 Leserinnen und Leser ist die vom HEV Schweiz vierzehntäglich herausgegebene Verbandszeitung «Der Schweizerische Hauseigentümer» eine wichtige Informationsquelle zu allen Fragen rund um das Wohneigentum. www.hev-schweiz.ch Raiffeisen Schweiz Genossenschaft Die Raiffeisen Gruppe ist die führende Schweizer Retailbank. Die dritte Kraft im Schweizer Bankenmarkt zählt rund 1,96 Millionen Genossenschafterin- nen und Genossenschafter sowie 3,61 Millionen Kundinnen und Kunden. Die Raiffeisen Gruppe ist an 820 Standorten in der ganzen Schweiz prä- sent. Die 219 rechtlich autonomen und genossenschaftlich organisierten Raiffeisenbanken sind in der Raiffeisen Schweiz Genossenschaft zusam- mengeschlossen. Diese hat die strategische Führungsfunktion der gesam- ten Raiffeisen Gruppe inne. Mit Gruppengesellschaften, Kooperationen und Beteiligungen bietet Raiffeisen Privatpersonen und Unternehmen ein umfassendes Produkt- und Dienstleistungsangebot an. www.raiffeisen.ch
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? Inhaltsverzeichnis 7 Inhaltsverzeichnis Management Summary���������������������������������������������������������������������3 Projektbeteiligte��������������������������������������������������������������������������������4 Inhaltsverzeichnis������������������������������������������������������������������������������7 1. Einleitung��������������������������������������������������������������������������������������8 1.1 Wohneigentum als Traum vieler Schweizerinnen und Schweizer������������������������������������ 9 1.2 Ist Wohneigentum erstrebenswert?���������������������������������������������������������������������������������11 1.3 Zielsetzungen der Studie������������������������������������������������������������������������������������������������ 17 2. Studiendesign������������������������������������������������������������������������������ 18 2.1 Framework���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 20 2.2 Methodisches Vorgehen��������������������������������������������������������������������������������������������������23 3. Studienerkenntnisse������������������������������������������������������������������� 27 3.1 Person�����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������32 3.2 Handlungen�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 38 3.3 Wahrgenommener Nutzen: Motivationsfaktoren und Barrieren�������������������������������������55 4. Fazit��������������������������������������������������������������������������������������������� 72 Literaturverzeichnis������������������������������������������������������������������������74 Abbildungsverzeichnis���������������������������������������������������������������������76 Tabellenverzeichnis������������������������������������������������������������������������� 77 Autoren������������������������������������������������������������������������������������������78
8 1. Einleitung Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? 1. Einleitung EINLEITUNG IN KÜRZE Abbildung 1 EINLEITUNG IN KÜRZE Einleitung in Kürze Wunsch nach Wohneigentum Angebot ist gross ist knapp Was macht den Traum vom Wohneigentum aus? Finanziell? Funktional? Sozial? Hedonistisch? Altruistisch? Wunsch nach Wohneigentum ist gross, das Bei genauerer Betrachtung lassen sich die einzelnen Ar- Angebot ist knapp gumente jedoch relativieren und sind teilweise weniger Die Mehrheit der Schweizer Mieterinnen und Mie- eindeutig. Beispielsweise ist für die Finanzstabilität die ter wünscht sich Wohneigentum. In der Realität ist die Ausgestaltung der Hypothekarvergabe relevant, oder die Schweiz jedoch ein Land der Mieterinnen und Mieter und Mobilität kann allenfalls erhöht werden, wenn die Trans- hat im internationalen Vergleich eine der tiefsten Wohnei- aktionskosten verringert werden. gentumsquoten. Erschwingliches Wohneigentum scheint für Normalverdiener heutzutage eher die Ausnahme als Der persönliche Nutzen zu wenig im Fokus die Regel zu sein. Der persönliche Nutzen von Wohneigentum wird oftmals nur begrenzt erwähnt, da die Quantifizierung schwierig Volkswirtschaftliche Bedeutung von ist. Trotzdem bietet gerade ein vertieftes Verständnis der Wohneigentum ist umstritten einzelnen Haushalte / Personen Potenzial, um die Erwar- Eine hohe Wohneigentumsquote wird aus volkswirt- tungen oder das Verhalten von Individuen für die Gestal- schaftlicher Sicht kontrovers diskutiert. Einerseits wer- tung des Wohnraums der Zukunft zu nutzen. Vermehrt ist den Vorteile einer hohen Wohneigentumsquote mit einer deshalb auch ein Trend zu einem integrativen Ansatz der erhöhten sozialen Stabilität und einer verbesserten Ver- Raumentwicklung erkennbar, bei dem die Partizipation der mögensbildung (und reduzierter Altersarmut) hervorgeho- Bewohnerinnen und Bewohner explizit gewünscht wird. ben. Andererseits ergeben sich Nachteile aus der gerin- geren Mobilität im Arbeitsmarkt, den Gefahren hinsichtlich In der Analyse der Haushaltsperspektive werden oftmals der Finanzstabilität sowie der Raumplanung. insbesondere finanzielle Kriterien (z.B. günstiger als Mieten,
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? 1. Einleitung 9 mangelnde Diversifikation) in den Vordergrund gestellt. Es das Ziel, die Wohnflexibilität zu erhöhen und den Traum wird jedoch vernachlässigt, dass Wohneigentum nicht nur vom Eigenheim bzw. den damit verbundenen Nutzen zu ein Investitionsobjekt, sondern auch ein Zuhause ist. Auch erfüllen. nicht-finanzielle Aspekte können beim Kauf von Wohnei- gentum relevant oder sogar entscheidend sein (z.B. Wohn- In der vorliegenden Studie soll deshalb in einem ers- sicherheit). Diese Aspekte werden in anderen Studien nur ten Schritt geklärt werden, was den Traum vom Wohn- begrenzt analysiert. eigentum ausmacht und welche Erwartungen potenziel- le Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer an das Was macht den Traum vom Wohneigentum aus? Eigenheim haben. Die Studie möchte ein holistisches Bild Die vorliegende Studie ist die erste im Rahmen einer Stu- der Nutzenwahrnehmung von potenziellen Wohneigen- dienreihe. Sie fokussiert auf die potenziellen Wohneigen- tümerinnen und -eigentümern geben und den Mythos tümerinnen und -eigentümer. Die Studienreihe verfolgt Wohneigentum detaillierter beschreiben. «Das ist doch das Ziel des Lebens. Du möchtest heiraten, das Kind und dann das Haus.» Interviewteilnehmer im Rahmen der vorliegenden Studie 1.1 WOHNEIGENTUM ALS TRAUM VIELER ren jedoch auch kantonale Unterschiede bei der Wohneigen- SCHWEIZERINNEN UND SCHWEIZER tumsquote: Während der Kanton Appenzell Innerrhoden mit einem Wert von 56,9 Prozent der Schweizer Spitzenreiter ist, Der Traum vom Eigenheim ist in der Schweiz weit verbreitet. bildet der Kanton Basel-Stadt mit 15,5 Prozent das Schluss- Unterschiedliche Studien zeigen, dass sich die Mehrheit der licht (BFS, 2019). Schweizer Mieterinnen und Mieter Wohneigentum wünscht (z.B. Swiss Life, 2019, 2021; FinanceScout24, 2021). Wohneigentumsquote mit Schweizer Gegebenheiten begründet Tiefe Wohneigentumsquote im Folgende Gründe sollen für die geringe Wohneigentumsquo- europäischen Vergleich te in der Schweiz entscheidend sein: In der Realität ist die Schweiz ein Land der Mieterinnen und Mieter. Die Wohneigentumsquote stagniert seit mehreren • Späte Einführung des Stockwerkeigentums: Jahren um einen Wert von 35 bis 40 Prozent (Bundesamt für Das Stockwerkeigentum wurde schweizweit erst im Jahr Statistik [BFS], 2021a). Der Höchststand wurde im Jahr 2015 1965 eingeführt. Gerade in Städten, wo Mehrfamilienhäu- mit einer Wohneigentumsquote von 38,4 Prozent erreicht ser dominieren, konnte deshalb nur begrenzt Wohneigen- (Abbildung 2). Seither sinkt die Wohneigentumsquote wieder. tum erworben werden. Dies spiegelt sich auch heute noch in den tiefen Wohneigentumsquoten in städtischen Die Schweiz belegt damit im europäischen Vergleich den Gebieten wider (Bundesamt für Wohnungswesen [BWO], letzten Platz (Eurostat, 2020). Innerhalb der Schweiz existie- 2005; Schellenbauer & Salvi, 2015; Baur et al., 2010).
10 1. Einleitung Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? Abbildung 2 WOHNEIGENTUMSQUOTE IN DER SCHWEIZ Wohneigentumsquote (BFS, 2021a; BFS 2019) in der Schweiz 36,8 % 38,4% 36,4% 31,3 % 34,6 % 28,5% 30,1 % 1970 1980 1990 2000 2010 2015 2019 • Starke Verstädterung: Die Liste der genannten Gründe ist nicht abschliessend. Die Schweiz weist eine vergleichsweise starke Verstädte- Weitere Gründe (z.B. eher neutrale Anreize bezüglich Eigen- rung auf: 75 Prozent der Bevölkerung wohnen in der Ag- tumserwerb, ungünstiges Verhältnis von Kosten und Ein- glomeration (Schellenbauer & Salvi, 2015). kommen, eigentumspolitisches Dilemma) können die Höhe der Wohneigentumsquote ebenfalls beeinflussen (BWO, • Funktionierender Mietwohnungsmarkt: 2005; Schellenbauer & Salvi, 2015). Die Schweiz hat ein relativ liberales Mietrecht, und die Rahmenbedingungen für Investitionen im Mietwohnungs- Erschwingliches Wohneigentum als knappes Gut bereich sind gut. Dadurch entsteht eine Neigung zur In- Die tiefe Wohneigentumsquote deutet bereits auf das knap- vestition in Mietwohnungen (BWO, 2005). pe Angebot und auf Schwierigkeiten hin, die sich potenziel- len Wohneigentümerinnen und Wohneigentümern stellen. • Qualitativ gute und preislich tragbare Raiffeisen titelte Ende 2021: «Der ausgeträumte Traum der Mietwohnungen: eigenen vier Wände» (Fleury & Schwartz, 2021). Aufgrund Durchschnittlich beträgt die Brutto-Mietbelastung rela- tiefer Finanzierungskosten sowie des Wirtschafts- und Be- tiv konstant 20 Prozent des Brutto-Haushaltseinkom- völkerungswachstums der Schweiz schnellen die Wohn- mens, sodass Mietwohnungen als preislich tragbar gelten eigentumspreise in der Schweiz in die Höhe. Für Normal- (BWO, 2005; Schellenbauer & Salvi, 2015). verdiener sind erschwingliche Eigenheime deshalb eher die Ausnahme als die Regel (Martel, 2022). Auch eine Studie • Hoher Anteil an ausländischer Bevölkerung: des BWO (2021) zum Thema «Personenfreizügigkeit und Ausländische Haushalte haben weniger Eigentum. Dies Wohnungsmarkt» stellt fest, dass aufgrund unterschiedlicher beeinflusst die Wohneigentumsquote merklich, da jeder Konsum- und Investitionspräferenzen der Haushalte sowohl fünfte Haushalt in der Schweiz ausländischer Nationalität die Option Mieten als auch Kaufen verfügbar sein sollen. Bei ist (BWO, 2005). Letzterer werde aber befürchtet, dass dies aufgrund der stark steigenden Preise zunehmend nicht mehr der Fall sei.
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? 1. Einleitung 11 1.2 IST WOHNEIGENTUM ERSTREBENSWERT? quote zu erreichen. Nachfolgend werden die übergeordne- ten Kernaussagen (Abbildung 3) aus den Studien von Baur 1.2.1 Die volkswirtschaftliche Perspektive et al. (2010), von Voigtländer & Bierdel (2017) und Voigtländer Aus volkswirtschaftlicher Sicht wird oftmals diskutiert, ob es (2021) näher ausgeführt. überhaupt erstrebenswert ist, eine hohe Wohneigentums- Abbildung 3 VOLKSWIRTSCHAFTLICHE PERSPEKTIVE Volkswirtschaftlich e Perspektive FLEXIBILITÄT IM ARBEITSMARKT SOZIALE STABILITÄT FINANZ -STABILITÄT • Grössere Bindung an Eigenheim als an • Eigenheimbesitzende eher interessiert, • Hohe Wohneigentumsquote als erhöhte Mietwohnung (u.a. längere Wohndauer) ihr Zuhause sowie Umgebung zu erhalten Gefahr für Finanzstabilität • Sesshaftigkeit aber auch durch andere bzw. zu verbessern • Vorhandene Schutzmechanismen (z.B. Faktoren beeinflusst • Längere Wohndauer oder auch qualitativ Überprüfung Tragbarkeit / Belehnungs- • Neue Entwicklungen wie Home-Office hochwertige Mieteinheiten erzielen höhe) können diesen Effekt reduzieren können Effekt verringern ähnliche Effekte VERMÖGENSBILDUNG RAUMPLANUNG • Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer müssen • Eigentümerinnen und Eigentümer haben durch Amortisation«zwangssparen» und können pro Kopf mehr Wohnfläche als Mietende zur Reduktion der Altersarmut beitragen • Wohneigentum kann deshalb zur Zersiedlung beitragen • Mietende könnten auch sparen, aber • Vorstösse zur Verdichtung sind aber in der unterliegen keinem Zwang, wodurch eine Schweiz verbreitet Konsumneigung scheinbar vorhanden ist
12 1. Einleitung Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? • Mobilität im Arbeitsmarkt der befragten 265 Schweizer Unternehmen gaben bei- Im Normalfall wird den Mietenden eine höhere Mobilität spielsweise an, dass Homeoffice ein fester Bestandteil und Flexibilität zugeschrieben als Eigentümerinnen und des Arbeitspensums wird (Statista, 2021). Entsprechend Eigentümern (Voigtländer & Bierdel, 2017; Baur et al., werden auch Tendenzen erkannt, dass längere Pendel- 2010). Dies liegt daran, dass ein Mietvertrag mit einer nor- zeiten eher in Kauf genommen werden (Kübler, 2021). malen Kündigungsfrist meist schnell und ohne Probleme Dies könnte den genannten Nachteil der Arbeitsmarkt- aufgelöst werden kann. Ein Eigenheim muss dagegen mobilität wiederum verringern. verkauft werden, was beispielsweise je nach Marktlage oder Verkaufsansprüchen ein längerer Prozess ist und • Soziale Stabilität mit hohen Transaktionskosten verbunden (u.a. Steuern, Positiv wird aus volkswirtschaftlicher Sicht die soziale Handänderungskosten, Maklerprovision) sein kann. Des Stabilität hervorgehoben. Wohneigentümerinnen und Weiteren ist die Verkaufsbereitschaft der Wohneigentü- -eigentümer seien mehr als Mietende daran interessiert, merinnen und -eigentümer tendenziell gering (Hohgardt, ihr Zuhause sowie die Umgebung zu pflegen, um den Grimm & Cong, 2019). Da Wohneigentümerinnen und Immobilienwert zu erhalten bzw. zu steigern. Durch die -eigentümer oftmals persönliche und finanzielle Res- lange Verweildauer engagieren sich die Eigentümerinnen sourcen in ihre Immobilie investieren, wird ein Verkauf mit und Eigentümer auch eher in ihrer Gemeinde (u.a. Politik, einem Verlust gleichgesetzt (Voigtländer & Bierdel, 2017). Nachbarschaft; DiPasquale & Glaeser, 1999). Aus volkswirtschaftlicher Perspektive wird deshalb oft- Der (scheinbar) positive Effekt einer höheren Eigenheim- mals bemängelt, dass die Eigentümerinnen und Eigen- quote kann aber relativiert werden, wenn weitere Fakto- tümer auch eine suboptimale Arbeitsmarktmobilität auf- ren in die Untersuchungen eingeschlossen werden: weisen (Blanchflower & Oswald, 2013). Aufgrund der zunehmenden Anforderungen an Flexibilität könne eine • Wohndauer: hohe Eigenheimquote deshalb den Arbeitsmarkt belasten In den USA gilt Mieten per se als Übergangslösung, (Voigtländer & Bierdel, 2017). weshalb stärkere Unterschiede erkennbar sind als bei- spielsweise bei Untersuchungen in Deutschland, wo In der Realität zeigt sich zwar, dass die Eigentümerinnen in vielen Fällen langfristig in einem neuen gemieteten und Eigentümer eine längere Wohndauer als die Mieten- oder gekauften Zuhause gewohnt wird (Voigtländer den aufweisen (17 Jahre vs. 10 Jahre). In der Gesamtheit & Bierdel, 2017). Die Schweiz ist kulturell näher bei sind aber neben den Wohneigentümerinnen und Wohn- Deutschland als den USA, weshalb Implikationen auch eigentümern auch drei weitere Gruppen besonders sess- auf die Schweiz möglich sind. haft: (1) Familien (Kinderfreundlichkeit); (2) Personen, die • Haushaltscharakteristik: in einer Wohnumgebung mit ausgesprochen positivem Weiter zeigte sich, dass mit Wohneigentümerinnen Preis-Leistungs-Verhältnis wohnen (Preis-Leistung), so- und Wohneigentümern eine andere Bevölkerungs- wie (3) Personen mit tiefem Einkommen (Preiswertigkeit; schicht (Bildung, Einkommen, familiäre Stabilität) in Bieri, Longchamp, Tschöpe & Ratelband-Pally, 2006). das Quartier zieht, womit mehr Stabilität in der Nach- Des Weiteren wird die berufliche Mobilität beispielsweise barschaft eintritt. Dies könne aber auch durch quali- auch durch die steigende Betriebszugehörigkeit, das Al- tativ hochwertige Mieteinheiten sichergestellt werden ter oder den Bildungsabschluss beeinflusst (BFS, 2020). (Voigtländer & Bierdel, 2017). Durch die Corona-Pandemie wurde auch Homeoffice in • Finanzstabilität vielen Branchen weitestgehend normalisiert: 40 Prozent Eigentümerinnen und Eigentümer haben in der Regel eine
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? 1. Einleitung 13 Hypothek auf ihrer Liegenschaft und weisen somit eine geln aber zu streng sind und welche Lockerungen mög- Schuldenlast auf. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wird oft- lich wären, sodass die Finanzstabilität weiterhin gegeben mals argumentiert, dass eine hohe Wohneigentumsquote wäre, ist umstritten. deshalb mit einer erhöhten Gefahr für die Finanzstabilität verbunden ist (Voigtländer, 2021). Dies liege darin begrün- • Vermögensbildung det, dass mit einer höheren Wohneigentumsquote auch Eine Studie der Europäischen Zentralbank hat ergeben, die Ausfallwahrscheinlichkeit von Wohneigentum erhöht dass Länder mit einer höheren Wohneigentumsquote werde, weil weniger vermögende Bürgerinnen und Bür- auch durchschnittlich höhere Vermögen haben. Obwohl ger Wohneigentum erwerben (Voigtländer, 2013). Oftmals Voigtländer (2021) die methodischen Schwächen der Er- wird in diesem Zusammenhang die Parallele zur Finanz- hebung hervorhebt, bestätigt er weiterhin die Kernaussa- krise in den USA gezogen. Einerseits bejahen Voigtländer ge. Dennoch sollte diese Aussage mit Vorsicht betrachtet & Bierdel (2017) diesen Zusammenhang, andererseits werden: In der Erhebung wurde beispielsweise nicht analy- werde dieser aber auch überinterpretiert. Folgende Argu- siert, ob eher ein Mieter- oder Eigenheimmarkt vorherrscht mente sprechen in Anlehnung an Voigtländer & Bierdel oder inwiefern die Altersvorsorge selbst zu stemmen ist. (2017) gegen einen direkten Vergleich: Andere Studien ergeben, dass auch Mietende wie Wohn- • USA: Die amerikanischen Banken vergaben Kredite eigentümerinnen und Wohneigentümer Geld ansparen auch an bonitätsschwache Haushalte, weil sie Anreize können. So hätten die Mietenden sogar mehr Diversifika- hatten, ihre Kreditforderungen am Kapitalmarkt weiter- tionsmöglichkeiten (Voigtländer, 2021). Wie Studien erge- zuverkaufen. ben, bevorzugen Mietende aber eher den Konsum (Braun ➜ In der Schweiz wurden die Vergabekriterien für & Pfeiffer, 2004). In erster Linie scheinen deshalb psycho- Hypotheken tendenziell verstärkt (z.B. Mindesteigen- logische Aspekte das Sparverhalten zu erklären (Voigtlän- mittel von Kreditnehmerinnen und Kreditnehmern oder der, 2021). Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer Amortisationspflicht; Finma, 2012). Im Weiteren haben sind durch die regulatorischen Amortisationsvorgaben die Banken die Risiken vornehmlich in den eigenen Bi- in der Schweiz zur Amortisation der Hypothek 1 und ent- lanzen. sprechend zu einem «Zwangssparen» gezwungen. Die • USA: Gemäss Voigtländer & Bierdel (2017) wurden Wohneigentümerinnen und -eigentümer können somit Kredite oftmals nicht getilgt. unfreiwillig nicht konsumieren und sparen noch diszipli- ➜ In Deutschland werden die Hypotheken stark ge- nierter. Auch allfällige Reparaturen bzw. unvorhergesehe- tilgt. In der Schweiz sind ebenfalls Amortisationen vor- ne Nebenkosten können zu diesem Effekt beitragen. In- geschrieben, wenn auch nicht in gleichem Umfang wie direkt sparen viele Besitzerinnen und Besitzer somit auch normalerweise in Deutschland. Die Reduktion der Be- für die Altersvorsorge, da sie durch eine Teil-Tilgung der lehnungshöhe sollte jedoch dazu beitragen, die Risi- Hypothek tiefere Wohnkosten haben – sofern sich der Im- ken einer Finanzinstabilität zu minimieren. mobilienwert nicht negativ entwickelt und weitere Pflicht- amortisationen im Alter allenfalls fällig werden.2 Morgen- Daraus lässt sich schliessen, dass die bestehenden Re- stern (2016) sagt deshalb, dass Immobilien langfristig gelungen in der Schweiz zur Finanzstabilität beitragen, eine gute Vermögensanlage seien. Auch eine kürzlich ver- und eine erhöhte Wohneigentumsquote nicht unbedingt öffentlichte Berechnung von Fleury, Schwartz & Arapovic zu einer Finanzinstabilität führen muss. Inwiefern die Re- (2022) zeigt, dass Wohneigentum 3 über die letzten 25 1 Im Normalfall muss die Hypothek bis zu einer Belehnungshöhe von zwei Drittel des Schätzwertes der Immobilie, d.h. 65 Prozent, amortisiert werden. 2 In der Schweiz können die Amortisationen auch indirekt geleistet werden. Dadurch kann sich die Hypothekarschuld erst zu einem späteren Zeitpunkt reduzieren, womit entsprechend auch die Zinskosten erst bei der effektiven Hypothekartilgung reduziert werden. 3 Annahme der Autoren: Eigenheim ist zu zwei Dritteln mit Fremdkapital finanziert und selbstgenutzt.
14 1. Einleitung Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? Jahre eine vergleichbare Rendite zu einer Investition in ein Aus den genannten Argumenten lässt sich keine eindeu- diversifiziertes Aktienportfolio lieferte. tige Tendenz ableiten, inwiefern eine hohe Wohneigen- tumsquote tatsächlich anzustreben ist. Vorteile bestehen, Die Vermögensbildung kann auch als Chance für die brei- Nachteile können allenfalls minimiert werden. Beispiels- te Bevölkerung angesehen werden, indem Altersarmut weise ist für die Finanzstabilität die Ausgestaltung der verhindert werden könne (Voigtländer, 2021). Voigtländer Hypothekarvergabe relevant, oder die Mobilität kann al- (2021) sieht den Vermögensaufbau sogar als Argument, lenfalls erhöht werden, wenn die Transaktionskosten ver- gerade bei Haushalten mit geringen Einkommen Anreize ringert werden. Im Umkehrschluss kann dieselbe Argu- zur Wohneigentumsbildung zu schaffen. Auch hier gilt es mentation aber auch für den Mieter- und nicht nur für den aber anzumerken, dass die Eigentümerinnen und Eigen- Eigenheimmarkt angewandt werden. tümer in der Pflicht sind, das «Zwangssparen» langfristig zu verfolgen, um die Risiken der Altersarmut zu verhin- Gemäss Schwartz (2020) sollte deshalb neben dem Brut- dern – insbesondere, wenn Vorsorgegelder für den Kauf tonationalprodukt, das von Ökonominnen und Ökono- von Wohneigentum verwendet wurden. men im Normalfall zur Quantifizierung von wirtschaftlicher Leistung hinzugezogen wird, auch das Bruttonational- • Raumplanung glück analysiert werden, um den Aspekt zu berücksich- Aus raumplanerischer Sicht ist bekannt, dass Wohn- tigen, dass Wohneigentum glücklich macht. Indirekt setzt eigentum mit einem erhöhten Wohnflächenbedarf einher- Schwartz (2020) also auch bei der Haushaltsperspektive geht (Baur et al., 2010). Insbesondere der Wunsch nach an, die im Fokus dieser Studie steht und nachfolgend er- einem Einfamilienhaus (und nicht nach einem Stockwerk- läutert wird. eigentum) führt dazu. Das Bundesamt für Statistik (2019) hält fest, dass Eigentümerwohnungen im Durchschnitt 1.2.2 Die Haushaltsperspektive grösser sind als diejenigen von Mietenden. So belief sich Grundsätzlich steht die Haushaltsperspektive oftmals nicht 2019 die durchschnittliche Wohnfläche pro Person bei im Fokus von Analysen und wird vernachlässigt, da die Eigentumswohnungen / -häusern auf 53 m2 und bei Miet- Quantifizierung schwierig ist. Dennoch bietet gerade ein wohnungen auf 41 m . Insbesondere haben Wohneigen- 2 vertieftes Verständnis der einzelnen Haushalte / Personen tümerinnen und -eigentümer im Durchschnitt auch eine Potenzial, um die Erwartungen oder das Verhalten von In- höhere Anzahl Zimmer. Dies könnte auch an der höheren dividuen zu nutzen, um den Wohnraum der Zukunft zu ge- Wohneigentumsquote in ländlicheren Gebieten liegen stalten. Vermehrt ist deshalb auch ein Trend zu einem inte- (siehe Kapitel 1.1): In Städten ist der Wohnraum im All- grativen Ansatz der Raumentwicklung erkennbar, bei dem gemeinen kleiner (BFS, 2021). die Partizipation der Bewohnerinnen und Bewohner explizit gewünscht wird (Wehrli-Schindler et al., 2016). In diesem Zusammenhang wird auch oftmals die Gefahr einer Zersiedlung genannt. So schreibt Bodmer (2011): Bestehende Hauptargumente für Wohneigentum basieren «Eine Förderung des Wohneigentums kann damit zu oftmals auf finanziellen Kriterien (Abbildung 4). Folgende einem erhöhten Verkehrsaufkommen und einer Zer- Punkte werden oftmals genannt: siedelung der Landschaft beitragen.» In der Schweiz ist aktuell aber ein Trend zur Verdichtung erkennbar (Fleury, • Kaufen ist günstiger als Mieten (tiefe Zinsen) Schwartz & Koch, 2021) und es stehen Vorstösse zur Ver- Die monatlichen Mietkosten scheinen zurzeit dafür zu dichtung von Wohnraum (und somit einer Gegenbewe- sprechen, dass Wohneigentum gegenüber der Miete be- gung zur Zersiedelung) eher zur Diskussion (z.B. im Kan- vorzugt wird (Hasenmaile, Lohse, Rieder & Waltert, 2019). ton Zürich; swissinfo.ch, 2019).
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? 1. Einleitung 15 • Immobilie als gute Altersvorsorge sowie Wohneigentum eingehen. Der Kauf von Wohneigentum finanzielle Disziplin ist im Normalfall eine der grössten Investitionen im Leben, Wie bereits erwähnt, kann Wohneigentum dazu beitra- wobei ein grosser Teil des Vermögens investiert wird. Ent- gen, dass keine Altersarmut eintritt. Oftmals wird auch ar- sprechend haben die Wohneigentümerinnen und -eigen- gumentiert, dass die Wohneigentümerinnen und -eigen- tümer viel Kapital in ihrer Immobilie gebunden. Dadurch tümer durch den Vorbezug ihres Pensionskassen- oder haben sie nur begrenzt die Möglichkeit, ihr Vermögen zu Säule-3a-Guthabens die Freiheit haben, eigenständig diversifizieren. So schreiben Baur et al. (2010) auch, dass über die Investition dieser Gelder zu entscheiden, was je Haushalte «tendenziell auf Anlagen mit höheren Markt- nach Standpunkt ein Vorteil darstellen kann. renditen zugunsten von Wohneigentum verzichten». Dies kann Risiken bergen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob Weitere positive Aspekte sind die Wohnsicherheit (z.B. aus dem oben genannten Sparpotenzial ein Investitions- Schutz vor Kündigung aufgrund von Eigenbedarf) sowie die potenzial resultiert, wodurch gewisse negative Effekte der Wohnzufriedenheit (z.B. Gestaltungsfreiheit; Baur et al., mangelnden Diversifikation ausgeglichen werden können. 2010). Negativ werden insbesondere die beiden folgenden Aspekte hervorgehoben: • Potenzielle Liquiditätsprobleme Die Wohneigentümerinnen und -eigentümer haben zwar • Mangelnde Diversifikation entsprechende Vermögenswerte, jedoch sind diese viel- Eines der Hauptargumente gegen Wohneigentum ist das fach in ihrer Immobilie gebunden. Sie sind somit nicht sehr Klumpenrisiko, welches die Haushalte mit dem Kauf von liquide, was insbesondere im Alter zu Problemen führen Abbildung 4 Haushalts- HAUSHALTSPERSPEKTIVE perspektive Günstiger als Mieten Mangelnde Diversifikation Altersvorsorge sowie Potenzielle finanzielle Disziplin Liquiditätsprobleme Wohneigentum ist nicht nur ein Investitionsobjekt, sondern auch ein Zuhause. Auch nicht-finanzielle Aspekte können beim Kauf von Wohneigentum relevant oder sogar entscheidend sein (z.B. Wohnsicherheit). Diese Aspekte werden zurzeit aber nur begrenzt analysiert.
16 1. Einleitung Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? kann (Grimm & Richter, 2021). Eine hohe Verschuldungs- flussen den Wunsch nach und Besitz von Wohneigentum quote könnte ebenfalls zu finanziellen Problemen führen, (Grimm & Richter, 2021). Die erweiterte Analyse von Meyer wenn eine Marktkorrektur eintritt oder die Zinsen steigen. et al. (2012) zeigt, dass weitere Aspekte relevant sind: Sie unterscheiden nach psychologischen, räumlichen, sozialen, Unter persönlichem Nutzen sowie der oben genannten ökonomischen / rechtlichen und ökologischen Präferenzen Wohnzufriedenheit sind jedoch weitere Faktoren relevant, und erläutern, wie Einfamilienhausqualitäten auch in Mehrfa- die bisher weitestgehend vernachlässigt wurden. Der Be- milienhäusern abgebildet werden können. Auch Drew (2014) griff «Nutzen» sollte deshalb breiter verstanden werden, als erhob weitere Faktoren wie beispielsweise, dass der Erwerb er bisher von verschiedenen Studien (z.B. Moneypark, 2020) von Wohneigentum ein Erfolgssymbol ist oder dass man ausgelegt wird. In diesen Studien werden aber oftmals funk- sich erhofft, ein besserer Einwohner zu werden. Es zeigt sich tionale, räumliche Aspekte sowie finanzielle, ökonomische somit, dass gerade die Hauptargumente aus scheinbar ra- Aspekte erhoben und mit dem Kauf von Wohneigentum in tionaler Sicht zwar wichtige Treiber sein können, aber weitere Verbindung gebracht. Aspekte für ein umfassendes Verständnis inkludiert werden müssen. An diesem Punkt setzt diese Studie an. Sie möchte Auch wenn diese beiden Argumente sehr relevant sind, wird ein holistisches Bild der Nutzenwahrnehmung von potenziel- dabei oftmals vernachlässigt, dass die selbstbewohnte Im- len Wohneigentümerinnen und -eigentümern schaffen und mobilie nicht nur ein Investitionsobjekt, sondern auch ein den Mythos Wohneigentum detaillierter skizzieren. Zuhause ist. Emotionen und irrationales Verhalten beein-
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? 1. Einleitung 17 1.3 ZIELSETZUNGEN DER STUDIE sprochen, da für die Lösungsvorschläge beispielsweise auch neue innovative Wohn- und Finanzierungsformen diskutiert Die vorliegende Studie ist die erste im Rahmen einer Studi- werden sollen. enreihe. Um optimale Lösungen zu konzipieren, wird in einer zweiten Studie auf die bestehenden Wohneigentümerinnen Folgende Hauptfragen sollen im Detail geklärt werden: und Wohneigentümer fokussiert. Aufbauend auf den Studien zu potenziellen und bestehenden Wohneigentümerinnen • Personen: Welche Charakteristiken weisen Personen und Wohneigentümern werden danach in einer dritten Stu- auf, die sich Wohneigentum wünschen? die Lösungen diskutiert. Übergeordnet wird das Ziel verfolgt, • Handlungen: Welche Handlungen wurden bzw. werden die Wohnflexibilität zu erhöhen und den Traum vom Eigen- von den Haushalten unternommen, um Wohneigentum heim bzw. den damit verbundenen Nutzen erfüllen zu kön- zu erwerben? nen (Abbildung 5). • Wahrgenommener Nutzen 4: Welche Werte werden mit dem Wohneigentum verbunden? Welche sind bei Wohn- Im Vordergrund der vorliegenden Studie steht der subjektive eigentum stärker ausgeprägt als bei Miete? Wo werden Nutzen eines Schweizer Haushaltes. Es soll ermittelt werden, von potenziellen Wohneigentümerinnen und Wohneigen- was den Traum vom Wohneigentum im Detail ausmacht. Es tümern die grössten Barrieren zur Erreichung von Wohn- wird mit Absicht von dem damit verbundenen Nutzen ge- eigentum identifiziert? Abbildung 5 ZIELSETZUNGEN DER STUDIE Zielsetzungender Studie Der Traum vom Eigenheim… Was macht den Traum vom Eigenheim aus? Die Mehrheit der Mieterinnen und Mieter wünscht sich Wohneigentum. ….kann in anderer …zerplatzt? ….geht in Erfüllung? Form verwirklicht werden? Fokus der Studie 4 Nutzen und Wert werden in dieser Studie synonym verwendet.
18 2. Studiendesign Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? 2. STUDIENDESIGN STUDIENDESIGN IN KÜRZE Abbildung 6 STUDIENDESIGN IN KÜRZE Studiendesign in Kürze Haushaltsperspektive (Potenzielle Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer) Person Handlungen Wahr- genommener Nutzen Mixed-Methods-Ansatz (Kombination zweier Methoden) Semistrukturierte Interviews • 10 Personen, die Wohneigentum & Online-Befragung • 1’002 Personen, die umzugsbereit sind erworben haben bzw. erwerben möchten • Wann: Okt / Nov 2021 • Wann: Juni 2021 • Dauer: 10 bis 15 Minuten • Dauer: 1.5 Stunden
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? 2. Studiendesign 19 Framework: Drei Ebenen der Haushalts- Mixed-Methods-Vorgehen: Kombination perspektive im Fokus zweier Methoden Die persönliche Sicht der einzelnen potenziellen Wohnei- Um die Zielsetzung zu erreichen, wurden sowohl eine gentümerinnen und Wohneigentümer steht in dieser Stu- qualitative als auch eine quantitative Befragung durchge- die im Fokus. Sie wird anhand dreier Ebenen analysiert: führt. Dies ermöglichte es, die Vorteile der qualitativen For- schung (u.a. vertiefte Auseinandersetzung mit Sicht der • Person: einzelnen potenziellen Wohneigentümerinnen und Wohn- Innerhalb dieser Ebene werden insbesondere Cha- eigentümer) mit denjenigen der quantitativen Befragung rakteristiken sowie die Lebensumstände einer Person (u.a. Verallgemeinerung der Erkenntnisse) zu kombinieren. analysiert, um auch Rückschlüsse auf das Segment der potenziellen Wohneigentümerinnen und Wohn- Qualitative Befragung: Semistrukturierte Interviews eigentümer zu ziehen. Im Rahmen der Interviews wurde mit total zehn Personen ein Interview durchgeführt. Fünf Personen wohnen bereits • Handlungen: im neuen Zuhause und haben die Fragen retrospektiv be- Entlang des Entscheidungsprozesses wird insbe- antwortet, während fünf Personen ihr Eigenheim noch sondere auf diejenigen Phasen fokussiert, die vor nicht gefunden haben oder noch nicht eingezogen sind dem Besitz eintreten. Es soll ermittelt werden, inwie- und prospektiv ihre Sicht erläuterten. weit sich die potenziellen Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer mit dem Eigenheimkauf auseinan- Quantitative Befragung: Online-Befragung dergesetzt haben. In der quantitativen Befragung wurden nur Personen in- kludiert, die eine Umzugsbereitschaft aufweisen • Wahrgenommener Nutzen: und kein Wohneigentum besitzen. Sie wurde sowohl Der wahrgenommene Nutzen stellt ein Kernelement in deutscher als auch französischer Sprache zur Verfü- der vorliegenden Studie dar. Er wird in Anlehnung an gung gestellt. Insgesamt haben 1’002 Personen aus der Holbrook (1994) in fünf Motivationsfaktoren (finanziell, Deutsch- und Westschweiz an der Umfrage teilgenom- funktional, sozial, hedonistisch, altruistisch) unterteilt men. Die Befragung ist repräsentativ für Alter, Geschlecht und beinhaltet auch wahrgenommene Barrieren. und Regionen (Tessin wurde nicht berücksichtigt).
20 2. Studiendesign Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? 2.1 FRAMEWORK ökonomisch, sozio-kulturell, technologisch, ökologisch, rechtlich) Um den Entscheidungsprozess von potenziellen Wohnei- gentümerinnen und Wohneigentümern sowie den mit einem • Haushaltsperspektive: Wohneigentum assoziierten Nutzen zu analysieren, wurden • Person: Charakteristiken zwei Perspektiven unterschieden (Abbildung 7): • Handlungen: Entscheidungsprozess • Wahrgenommener Nutzen: • Volkswirtschaftliche Perspektive Motivationsfaktoren / Barrieren • PESTEL-Dimensionen (6 Dimensionen: politisch, Abbildung 7 Framework der vorliegenden Studie FRAMEWORK DER VORLIEGENDEN STUDIE Volkswirtschaftliche Perspektive (Immobilienmarkt) Politisch Ökonomisch Sozio- kulturell (u.a. Gesetzgebung) (u.a. Zinsentwicklung) (u.a. Demografie) Technologisch Ökologisch Rechtlich (u.a. technische Standards) (u.a. Umweltauflagen) (u.a. Steuerrecht) Haushaltsperspektive (Potenzielle Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer) Person Handlungen Wahr - genommener Nutzen Exogener Schock: Corona
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? 2. Studiendesign 21 Der Fokus lag auf der Haushaltsperspektive, weshalb die phase, (2) Kaufphase und (3) Nachkaufphase (= Besitzpha- Ebenen von Person, Handlungen und Nutzen nachfolgend se). Kotler, Armstrong, Wong & Saunders (2011) verfeinern detaillierter erläutert werden. Im Grundsatz orientiert sich den Entscheidungsprozess in (1) Problemerkennung, (2) In- das Studien-Framework am 3B-Approach, das vom Ver- formationssuche, (3) Bewertung der Alternativen, (4) Kaufent- haltensökonomen Dan Ariely in der Forschung sowie Unter- scheidung und (5) Verhalten nach dem Kauf. Da die Studie nehmensberatung vielfach angewandt wird: Es wird auf das auf potenzielle Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer Verhalten (Behavior) und den Nutzen fokussiert, der in Wer- fokussiert, ist die Besitzphase weniger relevant. Die Besitz- te / Motivatoren (Benefits) sowie die Barrieren (Barriers; Irra- phase wird in der angekündigten Studie II im Fokus stehen. tional Labs, 2020) unterteilt wird. 2.1.3 Wahrgenommener Nutzen 2.1.1 Person Der wahrgenommene Nutzen ist das Kernstück der vor- Die Charakteristiken und Lebensumstände einer Person liegenden Arbeit. Die Ausgestaltung sowie Definition des bestimmen, wie sie sich verhält. Einerseits sollen in der vor- Nutzenbegriffs, der in der vorliegenden Arbeit synonym zu liegenden Studie deshalb typische soziodemografische In- «Wert» benutzt wird, wird an die Arbeit von Jahn (2013) an- formationen inkludiert werden, wie beispielsweise das Ge- gelehnt, der sich umfassend mit dem Wertbegriff auseinan- schlecht, das Alter oder auch das Haushaltseinkommen. dergesetzt hat. Jahn (2013) hält basierend auf einem umfas- Andererseits sollen auch immobilienspezifische Eigenschaf- senden Literaturstudium fest: ten adressiert werden, wie beispielsweise die subjektiven Fi- nanz- und Immobilienkenntnisse. • Es ist von hoher Bedeutung für Akteure, optimale Wert- angebote zu erstellen. Es ist dafür jedoch notwendig, zu 2.1.2 Handlungen verstehen, was die Kundschaft wertschätzt. Ein besseres Neben den personenspezifischen Angaben kann auch eine Verständnis über das Wertkonstrukt helfe, dass beispiels- Rolle spielen, inwieweit sich die potenziellen Wohneigen- weise Unternehmen erfolgreicher agieren können (Woo- tümerinnen und Wohneigentümer mit dem potenziellen Ei- druff & Gardial, 1996). genheimkauf auseinandergesetzt haben. Der Ablauf des • Wert / Nutzen wird mehrheitlich so definiert, dass es ein Entscheidungsprozesses wurde in der vorliegenden Studie Ausgleich ist zwischen dem, was die Konsumentinnen deshalb auch adressiert. Vereinfacht kann zwischen drei und Konsumenten erhalten (z.B. Nutzen), und dem, was Phasen unterschieden werden (Abbildung 8): (1) Vorkaufs- sie dafür bereitstellen (z.B. Zeit). Abbildung 8 ENTSCHEIDUNGSPROZESS / HANDLUNGEN Entscheidungsprozess / Handlungen Wunsch- / Problem- Informations- Bewertung der Kaufabsicht / Besitz- erkennung suche Alternativen -entscheidung phase
22 2. Studiendesign Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? Eine Konzeptualisierung der Wertedimensionen hat Holbrook Dimensionen kann der Erhebung unter Kapitel 3 «Studien- (1994) vorgenommen. Sie dient in der vorliegenden Studie als erkenntnisse» entnommen werden. Grundlage, wobei sie vereinfacht und an die Gegebenheiten des Wohneigentums angepasst wurde. Holbrook unterschei- Neben diesen Wert- bzw. Nutzendimensionen, die nachfol- det zwischen vier Haupt-Typen des Konsumentenwertes: gend als Motivationsfaktoren bezeichnet werden, werden auch die Barrieren erhoben, die den potenziellen Wohn- • Ökonomischer Wert eigentümerinnen und Wohneigentümern einen Kauf von Holbrook (1994) fasst den ökonomischen Wert mit den Wohneigentum verunmöglichen (Abbildung 9). Begriffen der Effizienz und Exzellenz zusammen. Darunter wird sowohl das Preis-Leistungs-Verhältnis als auch die Nützlichkeit eines Gutes / einer Dienstleistung verstanden. Abbildung 9 Wahrgenommener WAHRGENOMMENER NUTZEN Nutzen • Sozialer Wert Der soziale Wert beinhaltet den Status, also das Streben nach Prestige und Erfolg, und das daraus resultierende Ansehen bzw. die Reputation. • Hedonistischer Wert Der hedonistische Wert ist mit dem Vergnügen sowie der Ästhetik verknüpft. • Altruistischer Wert MOTIVATIONS- FAKTOREN Der altruistische Wert umfasst Taten, die zugunsten einer anderen Person oder des Umfelds oder aus spirituellen Gründen gemacht werden. Da die ökonomische Dimension in den bisherigen Studien eine hohe Bedeutung einnahm, wurde entschieden, den ökonomischen Wert in einen finanziellen und einen funktio- nalen Wert zu unterteilen, um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Die weiteren Dimensionen wurden entsprechend übernommen. Eine detaillierte Ausgestaltung der einzelnen
Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? 2. Studiendesign 23 2.2 METHODISCHES VORGEHEN haben und den gesamten Entscheidungsprozess rückbli- ckend Revue passieren lassen können. Die Abbildung 10 2.2.1 Interviews gibt einen Kurzüberblick über die befragten Personen. Es zeigt sich, dass Personen aus verschiedenen Regionen, mit Erhebungszeitraum und befragte Personen unterschiedlichem Alter sowie unterschiedlicher Familiensi- Die qualitative Datenerhebung wurde im Juni 2021 mittels tuation befragt wurden. Tendenziell haben mehr Frauen als semistrukturierter Interviews durchgeführt. Die Befrag- Männer an den Interviews teilgenommen. ten wurden vom Netzwerk der Projektpartner akquiriert. Coronabedingt wurden die Interviews mittels einer Video- Aufbau Leitfaden konferenz durchgeführt. Die Interviews dauerten rund 1.5 Aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven (prospektiv und Stunden. Die Befragten erhielten für die Teilnahme an den retrospektiv) wurden entsprechend zwei Leitfäden erarbeitet. Interviews einen Gutschein im Wert von CHF 50.– von ih- Die Abbildung 11 zeigt den groben Aufbau der Leitfäden. In rem präferierten Lebensmittelgeschäft. einer ersten Phase wurden die Befragten aufgefordert, mög- lichst frei von ihrer aktuellen Erfahrung in Bezug auf die Suche Im Rahmen der Interviews wurden zwei Perspektiven inklu- bzw. den Kauf von Wohneigentum zu erzählen. Erst in einem diert: Es wurden Personen befragt, die zurzeit auf der Suche weiteren Schritt wurden zusätzliche Fragen, die für die vor- sind, also am Anfang des Entscheidungsprozesses stehen, liegende Studie von Interesse waren, vertieft. Die detaillierten sowie Personen, die erst kürzlich Wohneigentum erworben Fragen können einem separaten Anhang entnommen werden. Abbildung 10 Interviewteilnehmerinnen INTERVIEWTEILNEHMERINNEN UND -TEILNEHMER und -teilnehmer 1 Paar 7 Frauen 2 Männer 2 Teilnehmende 3 Teilnehmende 2 Teilnehmende Kinder 3 Teilnehmende mit Kindern im mit Kindern im mit ausgezogenen ohne Kinder Vorschulalter Schulalter Kindern 1 Teilnehmer, der Phase Wohneigentum erworben 5 Eigenheimbesitzende 4 Eigenheimsuchende hat, aber noch nicht (seit < 3 Jahren) eingezogen ist Käufer Kauf als Einzelperson: Kauf als Paar: Kauf mit Mutter: 2 Personen 7 Personen 1 Person Region Appen - Gossau Neften- Winter- Wiesen- Bern Bern Bern Sarnen Uznach zell ZH bach thur dangen
24 2. Studiendesign Wohneigentum: Was macht den Traum der eigenen vier Wände aus? Abbildung 11 AUFBAU LEITFADEN Aufbau Leitfaden Teil 1: Einleitung «warm-up» Ziel: Sich gegenseitig Kennenlernen, «Eisbrecher», erste Informationen erhalten • Begrüssung Teilnehmende • Gesprächsregeln • Soziodemografische Informationen des Gegenübers Potenzielle Wohneigentümer/-innen Wohneigentümer/-innen Eisbrecher-Frage: Eisbrecher-Frage: Sie wohnen zurzeit zur Miete. Sie haben vor kurzem Wohneigentum gekauft. Wie Wie gefällt es Ihnen in Ihrem Zuhause? (…) gefällt es Ihnen in Ihrem neuen Zuhause? (…) Teil 2: Open Conversation Ziele: • Geschichten erfahren, welche nahe an Fragestellung sind • «Clean up»: Nachfragen bei Nicht-Erwähnung gewisser Aspekte • Erfahrung mit Suche und Kauf von Wohneigentum (u.a. Wie entstand der Wunsch nach Wohneigentum? Wo sehen Sie Vorteile zu Ihrer aktuellen / bisherigen Wohnform? Wie gehen Sie vor, um ein passendes Objekt zu finden? (…) • Falls noch nicht adressiert mit obenstehenden Fragen: – Erwartungen an zukünftiges Wohneigentum? – Erwartungen entlang der verschiedenen Wertdimensionen (finanziell, funktional, hedonistisch, sozial, altruistisch / ökologisch)? • Ausblick – Worauf freuen Sie sich besonders hinsichtlich Ihres Wohneigentums? – Wie lange möchten Sie im Wohneigentum wohnen bleiben? – (…) • Closing: – Was würden Sie einer Kollegin / einem Kollegen raten, die / der sich auch Wohneigentum wünscht? Welche Tipps würden Sie ihm / ihr geben? – Eine letzte Frage: Wenn Sie nur einen einzigen Grund nennen könnten, weshalb Sie Wohneigentum kaufen möchten: Welcher wäre dies? Teil 3: Wrap-up Ziel: Zusatzinformationen – nach Bedürfnis des Interviewpartners – abholen • Anmerkungen seitens Interviewteilnehmer /-in • Bedanken für Teilnahme
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