Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der Deutschen Olympischen Gesellschaft - Ausgabe 2/2008

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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der Deutschen Olympischen Gesellschaft - Ausgabe 2/2008
Ausgabe 2/2008
                 Zeitschrift des
                 Deutschen Olympischen Sportbundes
                 und der
                 Deutschen Olympischen Gesellschaft
Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der Deutschen Olympischen Gesellschaft - Ausgabe 2/2008
Was wäre, wenn Sie sich an jedem Ort
    zu jeder Zeit auf uns verlassen können?

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Freundliche Grüße                                                  Inhalt
aus der OF-Redaktion
                                                                   OF Mosaik                                                      4
                                                                   OF-Podium: Herta Däubler-Gmelin                                6
D     as Olympische Feuer in aller Munde, in den weltweiten
      Schlagzeilen, auf der universalen politischen Tagesord-
nung. Kann man sich, liebe Leserinnen und Leser, einen gewal-
                                                                   Menschenrechte und olympischer Sport
                                                                   Prof. Dr. Helmut Digel
                                                                                                                                  8

                                                                   Trotz allem: Die Olympischen Spiele in Peking
tigeren PR-Knalleffekt für eine Publikation gleichen Namens        sind eine Chance                                              12
vorstellen? Wir sehen Staatenlenker, gekrönte Häupter, Frie-       Günter Deister
densapostel, religiöse Würdenträger, Regierungen, Protestbe-       "The Games must go on" - auch diesmal                         14
wegungen und ungezählte Institutionen mit diesem Leucht-           Prof. Dr. Michael Krüger
symbol des Sports befasst. Wir nehmen aber gleichzeitig zur        Licht und Schatten: Der lange Weg des Olympischen Feuers      16
Kenntnis, dass der Lauf um die Welt, der Stationenweg durch        Dr. Andreas Höfer
alle Kontinente, der auf die Olympischen Spiele im August          Die Urheberschaft                                             17
2008 in Peking einstimmen soll, keine erdumspannenden              Dr. Kerstin Kirsch
Begeisterungsstürme bei Millionen von Menschen auslöst. Oft        Auf dem Weg nach Peking:
ist sogar das Gegenteil der Fall.                                  Andreass Dittmer - der mündige Athlet von der Müritz          20
                                                                   Günter Deister
Die Fackel wird da, wo es die politischen Verhältnisse zulassen,   Britta Heidemann - eine deutsch-chinesische
                                                                   Liebesggeschichte                                             22
zum Freiheits- und Menschenrechtsfanal, was ja - gewaltfrei -      Christiane Moravetz
durchaus im olympischen Sinne ist. Sie nimmt allerdings            Ralf Schumann - olympische Gelassenheit durch
anderswo nur auf verschlungenen Pfaden und mit dem                 Glaubensstärke                                                24
gewollten Effekt der weitgehenden Nichtbeachtung Kurs auf          Steffen Haffner
Peking. Ein Dilemma, das der Politik im Reich der Mitte            Der getrübte Blick auf die Olympiastadt Peking und die
geschuldet ist. Die ungelöste Tibet-Problematik, verhaftete        möglichen Folgen                                              26
Bürgerrechtler, unterdrückte Minderheiten, Horror-Hinrich-         Michael Gernandt
tungszahlen - alles dies rückt mit Olympia in den Fokus der        Der Kontroll-Overkill: Neues Problemfeld Moleku  ulardoping   30
Weltöffentlichkeit. Und das Olympische Feuer wird zum              Michael Reinsch
grenzüberschreitenden lodernden Protest mit Langzeitwir-           Deutscher "Förderalismus" im Spitzensport                     34
                                                                   Günter Deister
kung. So jedenfalls hatten sich die Pekinger Veranstalter den
Fackellauf nicht vorgestellt.                                      Interview mit Harald Denecken                                 38
                                                                   Michael Gernandt
                                                                   Die neue "SSportlichkeit" und der alte "Sportgeist"
Andererseits bekommen eigentlich schon jetzt die olympi-           müssen keine Gegensätze sein                                  40
schen Realisten Recht, die mit der Vergabe der Spiele an           Prof. Dr. Ommo Grupe
Peking gewisse Öffnungstendenzen dank weltweiter Aufmerk-          OF-Kommentare                                                 46
samkeit erwartet haben. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.       Prof. Dr. Detlef Kuhlmann / Dr. Karlheinz Gieseler /
Denn ohne Olympia keine derartigen Reaktionen. Sicher, die         Harald Pieper
feierlichen Momente fehlen bisher. Und ob sie dem Gesamt-          Sport - einn Bollwerk gegen den Antisemitismus
szenario letztlich überhaupt noch beschieden sein werden und       bekommt Risse                                                 48
können, bleibt abzuwarten. Das Olympische Feuer immerhin           Torsten Haselbauer / Martin Kraus
brennt weiter, wenn es zur Zeit auch so heftig wie selten          Sie sind im Kommen - und zwar mit Schmackes
                                                                   Zurr Zukunft der Vereine gehören auch die Alten               52
flackert. Umso mehr bemühen wir uns in dieser Ausgabe,             Bianka Schreiber-Rietig
unserem Namen im realistischen wie idealistischen Sinne            Was macht eigentlich ...? Heinz Ulzheimer                     56
verpflichtet, mit zahlreichen Beiträgen um zeitgemäße Orien-       Steffen Haffner
tierungshilfe in der zuweilen verworrenen olympischen Welt.        Traurig stteht der Turnvater in der Hasenheide                58
                                                                   Dr. Andreas Müller
                                           Ihr Harald Pieper       Galerie: Pierre de Coubertin und die Künste -
                                                                   ein reiches Fammilienerbe                                     64
                                                                   Prof. Dr. Norbert Müller / Dr. Christian Wacker
                                                                   Nachrichten des Deutschen Olympischen Sportbundes             68
                                                                   Impressum                                                     74
                                                                   Nachrichten der Deutschen Olympischen Gesellschaft            76
                                                                   Nachrichten der Deutschen Olympischen Akademie                91
                                                                   Deutsches Sport & Olympia Museum                              95

                                                                                                                                 3
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12 Deutsche in                                Thomas Bach, Präsident des Deutschen
                                              Olympischen Sportbundes und Vizepräsi-
                                                                                                resse des deutschen Sports sehr dankbar. Es
                                                                                                gewährleistet im Hinblick auf die Fortset-

IOC-Kommission                                dent des Internationalen Olympischen
                                              Komitees (IOC), leitet im IOC auch weiter-
                                                                                                zung der Aufgaben Kontinuität und ist
                                                                                                Ausdruck einer engen und vertrauensvollen
                                              hin die "Juristische Kommission" sowie die        Zusammenarbeit mit IOC-Präsident Rogge
                                              "Kommission für Sport und Recht". Darüber         und dem gesamten Executive Board",
E    in rundes Dutzend Persönlichkeiten aus
     Deutschland ist in Arbeitsgremien des
Internationalen Olympischen Komitees (IOC)
                                              hinaus ist Bach Mitglied der
                                              "Marketing-Kommission", der
tätig. Sie beraten dort in internationalen    Kommission für "Fernsehrechte
Angelegenheiten des Sports und vertreten      und Neue Medien". Thomas
die Interessen deutscher Sportorganisatio-    Bach war bei den Olympischen
nen. Mit Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper         Winterspielen 2006 erneut zum
(Berlin) und Sven Busch (Hamburg) zogen       Vizepräsidenten gewählt wor-
zwei neue Mitglieder aus Deutschland in       den, nachdem er diese Funktion
IOC-Kommissionen ein. Gudrun Doll-Tepper      gemäß Satzung 2004 turnusge-
nimmt fortan den Platz von Ilse Bechthold     mäß verlassen hatte.
in der Frauen-Kommission ein, Sven Busch
(Deutsche Presse-Agentur) ersetzt Hans-       "Für die Berufung in derart
Hermann Mädler (Deutsche Presse-Agentur)      zentrale Verantwortungsbereiche
in der IOC-Pressekommission.                  bin ich dem IOC auch im Inte-                                     Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper

                       IOC-Präsident Rogge:
          "Freie Meinungsäußerung ist ein Menschenrecht"
A    nlässlich einer aufgrund der Tibet-
     Krise von der Welt-Öffentlichkeit
stark beachteten Sitzungswoche des
                                              schen Spielen 205 Länder und Gebiete
                                              vertreten sind, von denen sich viele unterei-
                                              nander in Konflikten befinden und die
                                                                                                renzen, religiösen Disputen und vielem
                                                                                                anderen genutzt würden.

Internationalen                                                      Spiele nicht der Ort       "Wenn Athleten ihre Meinung ausdrücken
Olympischen Komi-                                                    sind, diese auszutra-      wollen, ist das begrüßenswert", erklärte
tees Anfang April in                                                 gen", sagte Rogge.         Rogge weiter: "Aber es gibt natürlich auch
Peking sprach IOC-                                                                              das Recht, sich nicht zu äußern. Es gibt
Präsident Dr. Jacques                                                 Regel 51.3 sieht vor,     keine moralische Verpflichtung Stellung zu
Rogge zu den Dele-                                                    dass "keine Art von       nehmen. Sie haben auch das Recht, sich auf
gierten aus 205                                                       politischer, religiöser   ihre sportliche Vorbereitung zu konzentrie-
Nationalen Olympi-                                                    oder rassistischer        ren und sollten sich nicht dazu gedrängt
schen Komitees.                                                       Propaganda an             fühlen, sich zu äußern, wenn sie dies nicht
Dabei sagte er unter                                                  olympischen Wett-         wollen. Das IOC und die Nationalen Olympi-
anderem:                                                              kampfstätten, Ein-        schen Komitees haben die Verpflichtung, sie
                                                                      richtungen oder           vor jeder Form von Druck zu schützen. Ich
"Die Möglichkeit zum                                                  Gebieten erlaubt ist,     erwarte nicht, dass die Regel 51 häufig
Ausdruck der persön-                                                  ein Prinzip, dass in      gebrochen wird. Athleten sind erwachsene
lichen Meinung ist                                                    der Olympischen           und intelligente Menschen. Sie wissen, was
ein grundlegendes                                                     Charta seit mehr als      sie sagen können und was nicht. Wenn sie
Menschenrecht und                                                     50 Jahren die Univer-     Zweifel haben, werden IOC und NOK ihnen
benötigt deshalb                                                      salität der Spiele        helfen", fasste Rogge zusammen.
keine spezielle Klausel                                               rechtfertigt. Die
in der olympischen                                                    Anwendung dieser          An die Vertreter der NOKs gerichtet sagte
Charta, weil sie dort impliziert wird. Wir    Regel ist Konsens", erklärte Rogge und            er: "Kehren Sie in Ihre Länder zurück,
achten aber darauf, dass es weder Propa-      ergänzte, dass ohne diese Regel olympische        sprechen Sie mit den Aktiven, sagen Sie
ganda noch Demonstrationen an olympi-         Wettkämpfe und Zeremonien als Bühne               Ihnen, dass die Spiele gut vorbereitet sind;
schen Orten gibt und zwar aus dem einfa-      aller Art von politischen Statements zu           es sind ihre Spiele und die Welt wird sich
chen und guten Grund, dass bei Olympi-        bewaffneten Konflikten, regionalen Diffe-         freuen, ihnen zuzuschauen."

4                                                               OF-MOS AIK
Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der Deutschen Olympischen Gesellschaft - Ausgabe 2/2008
kommentierte Dr. Bach die Mitarbeit in den      Seiten umfassende und vom Weltrat für           Marken. Die vier Motive der Serie "Für den
wichtigen Steuerungsgremien.                    Sportwissenschaft und Leibes-/Körpererzie-      Sport 2008" sind den Olympischen Spielen
                                                hung (ICSSPE) in Auftrag gegebene Werk          in Peking, der Fußball-Europameisterschaft
Walther Tröger, das zweite deutsche IOC-        wurde beim Empfang des Internationalen          in Österreich und der Schweiz, der Schach-
Mitglied, zugleich Mitglied des DOSB-Präsidi-   Paralympischen Komitees (IPC) in Bonn der       Olympiade in Dresden und der Segelflug-
ums, ist weiterhin Vorsitzender der Kommissi-   Öffentlichkeit vorgestellt. Die Weltrat-        WM in der Nähe von Berlin gewidmet.
on "Sport für alle" und darüber hinaus IOC-     Präsidentin und Vizepräsidentin des Deut-       Bereits seit 13. März sind die Briefmarken in
Delegierter für den Behindertensport. Darüber   schen Olympischen Sportbundes (DOSB),           Postfilialen, Postagenturen und im Handel
hinaus arbeitet er in der Kommission zur        Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper, würdigte das      erhältlich. Für die Entwürfe zeichnet die
Vorbereitung des IOC-Kongresses 2009 mit.       Werk als ein einzigartiges Zeugnis der          Grafikerin Andrea Voß-Acker aus Wuppertal
                                                Vergangenheit und Gegenwart der paralym-        verantwortlich. Im Haushaltsjahr 2007
Weitere deutsche Vertreter in IOC-Kommis-       pischen Sportbewegung und des Internatio-       konnte die Stiftung Deutsche Sporthilfe
sionen sind: Dr. Roland Baar (Umweltkom-        nalen Paralympischen Komitees. Das mit          rund 3,5 Millionen Euro Einnahmen aus
mission), Matthias Berg (Kommission Sport       Mitteln des Internationalen Olympischen         Zuschlägen von vier Briefmarken und einem
und Recht), Joseph Fendt (Umweltkommis-         Komitees (IOC) verfasste Buch trägt den         Jubiläumsblock "40 Jahre Sporthilfe" verbu-
sion), Walter Schneeloch (Kommission Sport      Titel: "Athlete First. A History of the Para-   chen. 2008 wird kein Block mehr veraus-
für alle), Stefan Kürten (Radio- und TV-        lympic Movement". Geschrieben wurde es          gabt, so dass die Sporthilfe nur noch ca. 1,7
Kommission), Prof. Dr. Karl Lennartz (Kom-      von dem anerkannten Sportwissenschaftler        Millionen Euro an Erlösen aus vier
mission für Kultur und Olympische Erzie-        Steve Bailey vom Wincester College (Groß-       Zuschlagsmarken erwarten kann.
hung), Prof. Dr. Norbert Müller (Kommission     britannien). Es erscheint in englischer
für Kultur und Olympische Erziehung), Dr.       Sprache und kann zum Preis von 75,00 Euro
h.c. Klaus Schormann (Kommission für
Kultur und Olympische Erziehung).
                                                bezogen werden über den Buchshop von
                                                ICSSPE in 14053 Berlin, Hanns-Braun-            Letzte deutsche Olympia-
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                                                Fax 8056386 sowie direkt im Internet unter      medaillengewinnerin von
Deutsche Leberstiftung                          www.icsspe.org.
                                                                                                1936 verstorben
unterstützt
Olympia-Teilnehmer
                                                Neue Sport-Briefmarken                          M      it Elfriede Kaun verstarb die letzte
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                                                                                                Olympischen Spielen von 1936 im Alter von

D    ie Deutsche Leberstiftung hat dem
     Deutschen Olympischen Sportbund
                                                B    undesfinanzminister Peer Steinbrück
                                                     stellte in Köln die neuen Sport-Brief-
                                                marken 2008 der Öffentlichkeit vor. Bun-
                                                                                                93 Jahren. Die Kieler Hochspringerin belegte
                                                                                                im Berliner Olympiastadion den dritten Platz,
                                                                                                wobei sie mit 1,60 m die gleiche Höhe wie
angeboten, kostenfrei bei allen deutschen       desinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble,         die beiden Erstplazierten erreichte. Die
Teilnehmern an den Olympischen Spielen in       DOSB-Präsident Dr. Thomas Bach und              gelernte Kindergärtnerin, die 1935 als erste
Peking den Impfstatus festzustellen und         Sporthilfe-Chefin Ann Kathrin Linsenhoff        Deutsche 1,60 m überqueren konnte, erzielte
eine Impfempfehlung abzugeben. Hinter-          erhielten von Steinbrück im Rahmen der          ihre beste Leistung 1939 mit 1,63 m.
grund der Maßnahme ist, dass in China die       Festakademie zum 125-jährigen Jubiläum
Infektion mit dem Hepatitis B-Virus eine der    des Deutschen Ruderverbandes im Kölner
häufigsten Erkrankungen ist. Wie es in einer
gemeinsamen Pressemitteilung der Medizi-
                                                Gürzenich die ersten Andrucke der neuen
                                                                                                Richtigstellung
nischen Hochschule Hannover und der
Deutschen Leberstiftung heißt, kann durch
eine einfache Blutuntersuchung festgestellt
werden, ob eine Person durch eine zurück-
                                                                                                E     in "elektronischer Purzelbaum", den sich
                                                                                                      die Experten des Verlages nicht erklären
                                                                                                können, hat uns im letzten Heft eine
liegende Infektion oder Impfung bereits                                                         unliebsame Überraschung beschert. Den
einen Schutz gegen Hepatitis A- und B-                                                          Beitrag von Professor Ommo Grupe zum
Virusinfektionen hat. Wenn nicht, kann eine                                                     "Olympischen Leitbild", der mit dem Satz
entsprechende Impfung erfolgen.                                                                 endet - "Ohne die Spiele wäre sie in jedem
                                                                                                Fall ‚ärmer'" - die Welt nämlich, die er
                                                                                                meinte, schloss sich gewissermaßen ganz

Geschichte der                                                                                  nahtlos Michael Gernandts Kommentar zum
                                                                                                The-ma "Rekordexperimente" der Seiten 10

paralympischen Bewegung                                                                         bis 12 ein weiteres Mal an. Ein Ärgernis, das
                                                                                                wir zu entschuldigen bitten. Ommo Grupe
                                                                                                selbst reagierte großherzig souverän mit der
      ie wechselvolle Geschichte der interna-                                                   Feststellung, Gernandts Ausführungen
D     tionalen paralympischen Bewegung ist
jetzt als Buch erschienen. Das knapp 300
                                                                                                hätten es durchaus verdient, zweimal ge-
                                                                                                lesen zu werden.

OF-MOS AIK                                                                                                                                 5
Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der Deutschen Olympischen Gesellschaft - Ausgabe 2/2008
och nie ist über China und seine Erfolge, aber     richtigen Forderungen an die chinesische Regierung?

N        auch über die Menschenrechte in China und ihre
         Veränderung und über seinen Umgang mit Tibet
und anderen Minderheiten so viel berichtet und gestritten
                                                            Haben die Olympischen Spiele als weltweites offenes Fest
                                                            der Begegnung und des Sports in Peking überhaupt noch
                                                            eine Chance? Und was ist mit den Menschenrechten in
worden wie in diesen Monaten vor den Olympischen            China?
Spielen in Peking. Das war zu erwarten und ist an sich zu
begrüßen, weil China eben nicht allein wirtschaftliche      Um mit letzterem anzufangen: Ich halte es für wichtig, die
Großmacht, sondern auch wichtiges Mitglied der Weltge-      Entwicklung der Menschenrechte in China wie in den ver-
meinschaft ist, die ohne China keine durch Rechtsstaat-     gangenen Jahren auch in der nächsten Zeit genau im Auge
lichkeit und Menschenrechte geprägte globale Ordnung        zu behalten und an der Verbesserung mitzuarbeiten. Das
aufbauen kann.                                              darf mit dem Ende der Olympischen Spiele auch nicht
                                                            aufhören. Dabei wissen alle Interessierten, dass die Umset-
China profitiert von der mit den Olympischen Spielen        zung der Menschenrechte zunächst einmal Sache der Chi-
verbundenen weltweiten Publicity. Allerdings sollten nur    nesen selbst sein
seine vielen, Respekt gebietenden Erfolge dargestellt       muss. Man muss
werden. Jetzt treten auch die Konflikte um Tibet und        jedoch die Regie-
fehlende Menschenrechte in den Vordergrund. Das stört       rung auf jeden
Manche in der Regierung, gehört jedoch zum realistischen    kritischen Fall
Gesamtbild Chinas.                                          ansprechen - und es
                                                            gibt leider mehr
Auch die Exiltibeter und andere Minderheiten haben, wie     davon als uns lieb
ihre Internet-Präsentationen zeigen, die Olympischen        sein kann. Dieses
Spiele und den olympischen Fackellauf längst in ihre        Verhalten ist auch
Kampagnen um weltweite Aufmerksamkeit für ihre Anlie-       keineswegs eine
gen eingeplant - das ist ihr Recht.                         Einmischung in
                                                            innere Angelegen-
Die Niederschlagung des Aufstands und der Demonstratio-     heiten, denn China
nen der Tibeter und die Unterbindung jeder unabhängigen     hat Menschen-
Berichterstattung durch China haben jetzt vieles kompli-    rechtspakte ratifi-
ziert. Zusätzlich sehen wir in den letzten Wochen, dass     ziert; China ist
sich die kontroversen Positionen immer mehr verhaken,       ständiges Mitglied
was den Interessen einiger Akteure entsprechen mag, der     des UN- Sicherheits-
Stärkung der Menschenrechte und den berechtigten Anlie-     rates und Mitglied
gen der Tibeter jedoch wenig nützt.                         im UN-Menschen-
                                                            rechtsrat. Damit ist
Hier in Deutschland ist auch über einen Boykott der Olym-   es dem universalen Prüfungsverfahren unterworfen wie
pischen Spiele oder der Eröffnungsfeier oder darüber        Deutschland auch. Als Großmacht hat es geradezu die
diskutiert worden, den Sportlern Protestäußerungen zu       Pflicht, Vorbild zu sein, auch wenn das China ebenso wenig
gestatten. Im Chor der Forderungen dringen meist die        gefallen mag, wie anderen großen Staaten auf unserem
besonders schrillen Vorwürfe gegen die Regierung der VR     Planeten.
China, gegen das IOC und den DOSB durch, die natürlich
Wirtschaft und Politik einbeziehen. Auch das nützt den      Ich halte die Lage in Tibet für eine Tragödie, und es ist
Menschenrechten nicht. Dafür entrüsten sich jetzt in        zusätzlich ärgerlich, sicherlich zugleich eine wichtige
China immer mehr Menschen mehr oder minder offiziell,       Ursache für die weltweit kritische Berichterstattung, dass
weil sie nur hören, "der Westen" gönne China weder seine    China die Möglichkeit zu unabhängiger Information
Erfolge noch die Spiele. Diese Welle des Nationalstolzes    unterbunden hat. Genau das verhindert ja die gemeinsame
droht, die kritischen Forderungen in China zu übertönen     Grundlage für die Bewertung der Gewalttaten dort, die
und die nötige Bereitschaft der Machthaber zu Dialog und    auch niemand verteidigen wird, der die Tibeter als den
Diskussion über die Verbesserung der Menschenrechte zu      kleinen David ansehen, der sich kulturell und religiös
bremsen.                                                    gegen den riesigen Goliath China behaupten muss. Gerade
                                                            wer nicht nur die wirtschaftlichen Erfolge Chinas, sondern
Was also tun? Wie soll das Olympische Komitee, wie sollen   auch die Veränderungen beim Aufbau der Zivilgesellschaft
sich die Sportler wegen Tibet verhalten? Was sind die       und den Weg zu mehr Gesetzlichkeit und Rechtssicherheit

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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der Deutschen Olympischen Gesellschaft - Ausgabe 2/2008
in China mit großem Respekt verfolgt, muss diese falsche      Jetzt ist die Zeit, aufeinander zuzugehen. Dazu sind alle
Informationsstrategie als gravierenden politischen Fehler     aufgefordert, die sich beteiligen können: Das IOC und die
ansehen, der umgehend korrigiert werden muss.                 NOKs, ganz ohne Zweifel, die mit ihren chinesischen Part-
                                                              nern, aber auch mit den einflussreichen Sponsoren bespre-
Deutsche Journalisten haben berichtet, dass wohl alle         chen müssen, wie die Forderung nach Transparenz und
Seiten den Hass und das Gewaltpotenzial vieler junger         Offenheit und nach Fairness mit Tibet umgesetzt werden
Tibeter unterschätzt haben, die sich aus dem Gefühl der       können. Wenn das gelingt und die chinesische Regierung
Diskriminierung, der Unterlegenheit und der Überfrem-         davon überzeugt werden kann, umgehend wieder unab-
dung aufgestaut haben. Jetzt wird es darauf ankommen,         hängige Journalisten zuzulassen, auch freie Gespräche mit
dass die Strafverfolgung der Gewalttäter nachweisbar          Sportlern und neugierigen China- Touristen, dann können
rechtsstaatlich erfolgt und dass die friedlich Demonstrie-    die Spiele noch das werden, was sie sein sollten: Ein welt-
renden mit Respekt und Achtung behandelt werden, auch         weites Fest, bei dem Sportler miteinander wetteifern und
wenn ihre religiösen oder kulturellen Forderungen den         viele tausend Menschen neue Kontakte knüpfen und

OF-PODIUM
Aufeinander zugehen - das nützt
China und den Menschenrechten
Von Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte
und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages

Machthabern nicht gefallen. Die chinesische Führung hat       Freundschaften schließen. Das nützt China, das hilft den
seit Beginn ihrer Öffnungspolitik viel berechtigten Respekt   Menschenrechten.
für die Veränderung ihres Landes erfahren. Jetzt könnten
die Erfahrungen etwa aus Frankreich bei der Bewältigung       Und wenn der eine Sportler oder die andere Sportlerin, die
der Gewaltaufstände junger Migranten in französischen         China mit seinen Erfolgen und Problemen kennen, ein
Vorstädten hilfreich sein: Auch dort war Befriedung erst      Zeichen von Protest von sich geben will, dann gehen
erfolgreich, als die Ursachen von Hass und Gewalt politisch   davon weder China, noch die Welt, noch die Olympischen
mit den Betroffenen aufgearbeitet wurden. Deshalb ist der     Spiele unter. Ich jedenfalls habe die schwarzen Olympiasie-
Dialog mit den Verantwortlichen in Tibet und mit dem          ger bewundert, die auf dem Siegerpodest gegen die Ras-
Dalai Lama als dem heute noch anerkannten religiösen          senpolitik der USA protestierten, auch wenn das ein Ver-
Führer, der weder Gewalt noch die Herauslösung Tibets aus     stoß gegen den Comment des IOC war. Ich bin sicher, das
dem Staatsverband Chinas akzeptiert, schlicht eine Frage      ging auch vielen anderen Menschen so. Auch in China.
der Klugheit.                                                                                *
                                                              Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der Justiz a.D., ist
Ich hoffe, dass die Monate bis zu den Olympischen Spielen     auch Vorsitzende des Komitees für Rechtsangelegenheiten
nicht durch immer mehr gegenseitige Vorwürfe und dann         und Menschenrechte der Parlamentarischen Versammlung
geradezu zwangsläufig steigende Abgrenzung vertan             des Europarates
werden.

                                                                                                                         7
Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der Deutschen Olympischen Gesellschaft - Ausgabe 2/2008
8
Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der Deutschen Olympischen Gesellschaft - Ausgabe 2/2008
Menschenrechte und
olympischer Sport:
Auf drängende Fragen gibt es oft
nur unzureichende Antworten
Von Helmut Digel

  "

      D
            ie Würde des Menschen ist unantastbar" - diese            ist, wenn die Frage nach der Einhaltung der Menschenrechte in
            Maxime ist das Fundament, auf dem die Gründungs-          einer totalitären Gesellschaft gestellt wird, so ist dies ange-
            väter der Bundesrepublik Deutschland eine neue            sichts der Menschenrechtsverletzungen, die nach wie vor in
  deutsche Gesellschaft gebaut sehen wollten. Mit diesem Satz         China alltäglich sind, notwendig, naheliegend und bedarf einer
  wird auf die humanitäre Katastrophe verwiesen, die der Natio-       sorgfältigen Würdigung. Der olympische Sport, allen voran das
  nalsozialismus in Deutschland und weit über Deutschland             IOC hat sich an dieser Diskussion zu beteiligen. Es darf dabei
  hinaus ausgelöst hatte. Mit dieser Feststellung wird eine Leitli-   jedoch nicht vergessen werden, dass Menschenrechtsverletzun-
  nie angeboten, die es uns möglich macht, dass aus der men-          gen nicht nur in Diktaturen vorkommen. Auch in Demokratien
  schenverachtenden Politik der Vergangenheit gelernt werden          wird noch die Todesstrafe vollstreckt. Präventive Verhaftungen
  kann, dass sich unsere Gesellschaft zukünftig durch Humanität       sind auch in nordamerikanischen und europäischen Staaten
  und Würde auszeichnen kann. Damit ist uns Deutschen aber            immer häufiger auf der Tagesordnung, und die Verweigerung
  auch ein Auftrag mit auf den Weg gegeben, wo immer die              des Dialogs mit Andersdenkenden zeichnet nicht nur die
  Menschenwürde angetastet wird. Wo immer Menschenrechte              autoritären Regime dieser Welt aus. Auch kann der Hinweis
  in dieser Welt verletzt werden, sind diese anzuklagen und ist       gemacht werden, dass in China nicht erst in jüngster Zeit
  dagegen anzugehen. Wir alle haben uns dafür einzusetzen,            Menschenrechtsverletzungen zu beobachten sind, ja dass sich
  dass es zu einer Achtung der Würde des Menschen kommt.              die Situation in Bezug auf die Menschenrechte seit der markt-
  Deshalb ist jeder Vollzug einer Todesstrafe ein Vollzug zuviel,     wirtschaftlichen Öffnung eher positiv entwickelt hat. Dieser
  jede Bestrafung eines angeblich Schuldigen ohne ein Urteil          relativierende Hinweis geht meist mit dem Vorwurf einher, dass
  eine Bestrafung zuviel, jede präventive Verhaftung eine zuviel      sich die Verfechter der Menschenrechte der populären Olympi-
  und jede Verweigerung des Dialogs mit Andersdenkenden eine          schen Spiele bedienen würden, um auf diese Weise eine inte-
  Verweigerung zuviel. Grundsätzlich muss für uns alle gelten,        ressierte Öffentlichkeit zu erhalten.
  dass jede Verletzung der Menschenwürde eine zuviel ist. Dies
  gilt für unser eigenes Land. Dies gilt für Demokratien. Dies gilt   Gewiss können solche Fragen aufgeworfen und diskutiert
  vor allem aber auch für autoritäre oder totalitäre Staaten, so z.   werden. Es kann auch der Hinweis gemacht werden, dass
  B. für Russland und nicht zuletzt für China. Wenn wir von           zuvor bereits Großereignisse des Sports in China stattgefun-
  Menschenrechten reden, so sollten sie allen Menschen gewährt        den haben, ohne dass sie eine entsprechende Menschen-
  werden, und wir haben uns deshalb auch in aller Entschieden-        rechtsdiskussion ausgelöst haben. Die Organisationen des
  heit gegen eine Relativierung der Menschenrechte einzusetzen.       Sports werden zu Recht auch darauf hinweisen, dass in den
  Menschenrechte sind universell, wo immer Menschen leben,            Ländern, in denen bislang Olympische Spiele ausgerichtet
  haben sie Gültigkeit. Frauen wie Männer haben einen Anspruch        wurden, keineswegs eine Situation anzutreffen war, die unter
  auf Gleichberechtigung, Kinder benötigen den Schutz der             Menschenrechtsgesichtspunkten alle zufrieden stellen konnte.
  Erwachsenen, Minderheiten sind von der Mehrheit zu respek-          Solche Hinweise sind verständlich, und solche Fragen sollten
  tieren, Religionsfreiheit ist zu gewähren, jeder Mensch hat das     diskutiert werden. Bezogen auf das Problem, das es zu lösen
  Recht auf ein würdiges Leben.                                       gilt, sind sie jedoch nicht weiterführend.

  Wenn in diesen Tagen und Wochen aus Anlass der Olympi-              Es ist notwendig, angemessen und gerade auch für die Olym-
  schen Spiele in Peking vermehrt der Fokus auf China gerichtet       pische Bewegung bedeutsam, dass sie sich aus Anlass der

                                                                                                                                  9
Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der Deutschen Olympischen Gesellschaft - Ausgabe 2/2008
Olympischen Spiele in China den Fragen nach der Würde des       der Journalist, der Partner aus der Wirtschaft, der Wissen-
Menschen und den Fragen nach dem Vollzug der Menschen-          schaftler.
rechte stellt. Doch die Antworten auf diese Fragen sind kei-
neswegs so einfach zu finden, wie es üblicherweise ange-        Jene, die dabei dem Bereich des Sports zugehören, sollten
nommen wird. Wir alle beklagen die Verletzung der Men-          sich dabei jedoch eher durch Bescheidenheit auszeichnen.
schenrechte, wir alle wehren uns, wenn die Würde des Men-       Der Beitrag des Sports, den er zu Gunsten einer positiven
schen angetastet wird, wir alle nehmen für uns eine             Menschenrechtsentwicklung erbringen kann, ist eher ein
bestimmte Moral in Anspruch, um auf das Unrecht hinzuwei-       indirekter Beitrag. Auch dieser Beitrag kann durchaus seine
sen, dass mit Menschen an den verschiedensten Orten dieser      Wirkungen zeigen. Dies lässt sich in China seit seiner Öff-
Welt geschieht. Die Frage, die sich in Bezug auf die Men-       nung, seit der Entscheidung zu Gunsten der chinesischen
schenrechtsverletzungen in China und anderswo auf dieser        Olympischen Spiele in vielfältiger Weise beobachten. Der
Welt jedoch stellt, ist jene nach der Verantwortung. Wer        Sport ist ohne Zweifel ein Anlass für umfassende Lernpro-
übernimmt Verantwortung, wenn Menschenrechte verletzt           zesse. Der Sport ist auch ein Anlass für einen Wissensaus-
werden, welche Verantwortung gibt es aus einer nationalen,      tausch im Sport selbst und weit über den Sport hinaus.
aus einer bilateralen, aus einer internationalen Perspektive?   Schließlich ist der Sport vor allem auch ein Anlass der per-
Sucht man eine Antwort auf diese Frage, so müssen wir ein       sönlichen Begegnung und des persönlichen Gesprächs, in
Dilemma erkennen.                                               dem Menschen Vertrauen aufbauen, Bindungen eingehen,
                                                                Verantwortung übernehmen.
Die Wirtschaft versucht die Verantwortung in dieser Frage
weit von sich zu weisen, sie verweist auf das Politiksystem.    Seit der Vergabe der Olympischen Spiele zu Gunsten von
Deshalb werden beste Geschäfte mit China gemacht, und           Peking haben in China unzählige Begegnungen, Wettkämpfe,
deshalb gibt es auch bei Verhandlungen über zukünftige          Gespräche, Kongresse, Symposien, Workshops und Beratun-
Wirtschaftsbeziehungen nur am Rande oder gar keinen             gen stattgefunden. Der Sport war dabei ein Vehikel zur Inter-
Menschenrechtsdialog. Die Wissenschaft trifft sich mit den      nationalisierung des chinesischen Sports und damit immer
Organisationen der Wissenschaft in den betreffenden Län-        auch zur Internationalisierung der chinesischen Gesellschaft.
dern, in denen Menschenrechtsverletzungen stattfinden. Sie      Zumindest Teile, insbesondere die urbanen Regionen der
erforscht vielleicht sogar die Situation der Menschenrechte     chinesischen Gesellschaft, wurden dadurch geöffnet. Deshalb
in China. Eine Verantwortung für den Vollzug der Men-           war die Entscheidung des IOC, die 29. Olympischen Spiele
schenrechte übernimmt sie jedoch nicht. Die Kultur befindet     nach China zu vergeben, eine sinnvolle und wegweisende
sich längst in einem internationalen Austausch, auch dabei      Entscheidung. Und deshalb wäre ein Boykott der Spiele, so
können durchaus Menschenrechte thematisiert werden,             wie ihn manche Menschenrechtsorganisationen und einzelne
doch die Verantwortung wird auf Dritte abgeschoben.             Repräsentanten gefordert haben und fordern, der falsche
Gleiches gilt für den Sport. Auch er befindet sich seit lan-    Weg. Doch nicht nur Internationalisierung ist dabei eine
gem in einem internationalen Austausch. Doch eine Verant-       durchaus wünschenswerte Folge, die Sportbegegnungen
wortung für die Menschenrechtsproblematik kann und will         ermöglicht haben. Der internationale Sport kann auch ein
er nicht übernehmen. Bleibt also nur die Politik. Alle ande-    demokratisches Modell anbieten, das einer sich wandelnden
ren Teilsysteme verweisen auf ihre Nichtzuständigkeit in        chinesischen Gesellschaft durchaus ein Vorbild sein kann.
Bezug auf das Problem. Betrachten wir die Politik etwas
genauer, so müssen wir jedoch erkennen, dass sie sich in        Die chinesische Gesellschaft befindet sich auf dem Weg zu
Bezug auf die Bearbeitung dieser Thematik als nicht beson-      einer Zivilgesellschaft und benötigt dabei strukturelle Hilfen.
ders glaubwürdig erweist. Zum einen stehen die politischen      Die Idee des olympischen Sports und die Werte des Olympis-
Behüter der Menschenrechte in der Gefahr, in ihren eigenen      mus, der Verzicht auf jegliche Diskriminierung, das Ideal der
politischen Gefilden Menschenrechte zu verletzen. Zum           Chancengleichheit und nicht zuletzt das Prinzip des Fairplay
anderen wird vor dem Hintergrund vielfältiger politischer       können dabei durchaus eine wichtige Hilfe sein. Dennoch hat
Interessen der Dialog über die Menschenrechte in der inter-     sich der Sport dabei durch Bescheidenheit auszuzeichnen.
nationalen Tagesordnung immer weit nach hinten verscho-         Denn vor allem ist Glaubwürdigkeit vonnöten. Wenn der
ben.                                                            Sport selbst die Würde des Menschen antastet, wie dies beim
                                                                Dopingbetrug der Fall ist, wenn der Sport sich durch Korrup-
Will man einen Ausweg aus diesem aufgezeigten Dilemma           tion auszeichnet, wie dies in jüngster Zeit vermehrt der Fall
finden, scheint es so zu sein, dass die Lösung nur im Men-      war, wenn Gewalt im Sport angetroffen werden kann, wenn
schen selbst, bei jedem einzelnen Bürger und jeder Bürgerin     somit im Sport selbst sein ureigenstes Prinzip, das Prinzip des
zu suchen ist. Den Menschenrechtsdialog hat somit jeder von     Fairplay mit Füßen getreten wird, so ist allerdings kaum
uns zu führen. Jeder ist aufgefordert, sich am Schutz der       anzunehmen, dass der Sport den ihm angestammten Beitrag
Menschenrechte zu beteiligen: der Sportler, der Funktionär,     zum Schutz der Würde des Menschen erbringen kann.

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                                                                                     Trotz, seit drei Jahrzehnten in vielem auf
                                                                                     dem richtigen Weg. Weil es Fortschritte in
                                                                                     der Wirtschaft, in Wissenschaft und Kultur,
                                                                                     sogar in der Justiz gemacht hat. Weil es ein

Die Olympischen
                                                                                     immer wichtigerer Partner zu werden
                                                                                     beginnt". Es ist eine Einschätzung, die eine
                                                                                     Richtschnur war für das Internationale
                                                                                     Olympische Komitee (IOC). 1979 nahm es
                                                                                     das Nationale Olympische Komitee (NOK)
                                                                                     der Volksrepublik auf, und zwar unter der

Spiele in Peking                                                                     von Peking nur mit größtem Zähneknir-
                                                                                     schen akzeptierten Bedingung, dass das
                                                                                     bereits 1951 anerkannte NOK von Hong-
                                                                                     kong und das 1960 aufgenommene Taiwan
                                                                                     als eigenständige chinesische Repräsentan-

sind eine Chance
                                                                                     ten in der olympischen Völkerfamilie ver-
                                                                                     bleiben müssten. In keinem anderen Welt-
                                                                                     gremium hat das Regime in Peking eine
                                                                                     derartige Aufweichung seiner "Ein-China-
                                                                                     Politik" zugelassen.

                                                                                      Bereits 1993 hielt der damalige IOC-Präsi-
Von Günter Deister                                                                    dent Juan Antonio Samaranch die Zeit für
                                                                                      gekommen, Peking die Olympischen Spiele
                                                                                      ausrichten zu lassen. Doch sein Einfluss
                                                                                      reichte nicht aus. Sydney behielt im Wahlfi-
                                                                                      nale die Oberhand mit einer Mehrheit von

 U
          m die Situation kurz vor den Olympischen Spielen in      zwei Stimmen, und das auch nur deshalb, weil die Australier
          Peking einschätzen zu können, ist ein Blick in die       in der Nacht vor der Abstimmung zwei afrikanische IOC-
          Vergangenheit Pflicht. Die Volksrepublik China hatte     Mitglieder dadurch zu sich herübergezogen hatten, dass sie
 sich auf ihrem "Großen Marsch" in die totale Isolation verirrt.   deren NOK-Organisationen eine üppige Finanzhilfe zusicher-
 "Der Große Sprung nach vorn" und die "Große Proletarische         ten. Acht Jahre später dann gewann Peking mit 56 Stimmen
 Kulturrevolution" wurden zum Synonym für eine Menschen            vor Toronto (22), Paris (18) und Istanbul (9) so eindeutig wie
 verachtende kommunistische Diktatur, die Millionen von            selten zuvor eine Stadt und so mehrdeutig, was die Motive
 Toten zu verantworten hat, durch blutige Verfolgung und           der 105 persönlichen IOC-Mitglieder betrifft: Man müsse
 durch die Unfähigkeit des Systems, Menschen vor dem Hun-          würdigen, dass Peking die mit Abstand besten technischen
 gertod zu bewahren. Anfang der 70-er Jahre begann sich            Voraussetzungen für die Ausrichtung der Spiele präsentiert
 China, das über fast zwei Jahrhunderte durch japanischen          habe; man müsse, trotz aller Risiken, die Fortschritte in China
 Militarismus und westliche imperiale Macht gedemütigt             anerkennen und die weitere Öffnung befördern; man dürfe
 wurde, vorsichtig zu öffnen. Und es war ausgerechnet der          das bevölkerungsreichste Land der Erde mit seiner Jahrtau-
 Sport, durch den sich die Volksrepublik dem verhassten "Klas-     sende alten Geschichte nicht ein zweites Mal abweisen, und
 senfeind" USA anzunähern versuchte. Chinas Einladung an           das zum Vorteil von Europa und Nordamerika, den Dauer-
 die amerikanische Tischtennis-Nationalmannschaft und deren        Gastgebern Olympischer Spiele; man müsse die Potenziale
 Auftritt 1971 in Peking ging als Ping-Pong-Diplomatie in die      nutzen, die dem aufstrebenden Land innewohnen. Es war ein
 Geschichte ein. Ein Jahr später folgte Präsident Richard Nixon    Gemisch aus technischen, geopolitischen, kulturellen, und
 den Spuren der Sportler bei seinem Treffen mit dem "Großen        ökonomischen Motiven - alle zusammen hatten sie gravie-
 Führer" Mao tse-tung in Chinas Metropole.                         rende politische Auswirkungen. Der Dalai Lama sagte damals,
                                                                   und er hat es auch jetzt wiederholt: "China hat die Olympi-
 Seitdem hat sich im Riesenreich eine zweite Revolution            schen Spiele verdient."
 ereignet. Es sei nicht nur "eine gigantische Leistung", 1,3
 Milliarden Menschen zu ernähren, zu kleiden, auszubilden          Die Weltmeinung schwankte 2001 zwischen Zustimmung und
 und in Arbeit zu bringen, schreibt "Die Zeit". Das Land sei       Ablehnung. Die italienische "La Republica" schrieb: "Jetzt sind

 12
sie dran, weil man eine Welt nicht für immer draußen vor der       kauften Autos im vergangenen Jahr sind die Wolfsburger
Tür lassen kann. Jetzt sind sie dran, weil es die Globalisierung   Marktführer in China, die Position soll nun durch den olympi-
will. Man lässt dort Sport machen, wo auch die Geschäfte           schen Einsatz ausgebaut werden. Adidas, Ausrüster von 16
willkommen sind." Die Londoner "Times" kommentierte: "Der          Nationalteams einschließlich des chinesischen, kleidet das
olympische Sieg setzt China auf Bewährung. Der auf Heim-           Freiwilligen-Heer der Spiele ein und will seinen Umsatz in
lichkeit bedachte Staat ist nun unter der Lupe der Welt. Es ist    China bis 2010 auf 1,3 Milliarden Euro steigern. Bis vor drei
eine Herausforderung für China und ein Test für das IOC." So
ist es nun gekommen, auch wenn die Herausforderungen nun
viel weiter gespannt sind.

"Der Umgang mit China ist zuerst ein Thema der Politik", hat
die "Süddeutsche Zeitung" in einem Leitartikel unter der
Überschrift "Kein Boykott gegen China" geschrieben und
dabei ausgeführt, dass "ein Streit um Symbole nicht Ziel
führend" sei. Das gelte beim Dalai Lama im Kanzleramt wie
für den Boykott der Spiele oder beim Fernbleiben der politi-
schen Prominenz von der Eröffnungsfeier. Ganz klar, Protest
ersetzt keine Politik, aber wie reagiert die Politik? Von UN-
Generalsekretär Ban Ki Moon über George W. Bush bis Angela
Merkel und Gordon Brown, niemand sprach sich für einen
Boykott der Spiele aus. Dennoch gab es konsequente Inkon-
sequenz zuhauf, wie das Beispiel Frankreich besonders zeigt.
Erst stellte Staatsministerin Rama Yade, in der Regierung für
Menschenrechte zuständig, für den Besuch der Eröffnungs-
feier durch Präsident Nicolas Sarkozy als "Bedingung" auf:
Ende der Gewalt, Freilassung der politischen Gefangenen,
Aufklärung der Vorfälle in Tibet, Aufnahme eines Dialogs mit
dem Dalai Lama. Postwendend widersprach Außenminister
Bernard Kouchner: "Frankreich stellt keine Bedingungen",
Frankreich wolle nicht einen möglichen Dialog "behindern".
Auch klar: Sarkozy hatte erst kürzlich Wirtschaftsvereinba-
rungen in Peking über 30 Milliarden Euro abgeschlossen. Das,
was nun Frankreich als Bedingung nicht mehr unbedingt will,
will nun das Europaparlament bedingt - Fernbleiben der
Staats- und Regierungschefs von der Eröffnungsfeier, falls
Peking nicht in ein Gespräch mit dem Dalai Lama eintrete.
Das würde bei Geschlossenheit Sinn machen. Wirkungsvoller
wäre es allerdings, die politischen Anführer würden hingehen
und vor Ort ihre Meinung kundtun, wie es nun viele Sportler
planen.

Die "Süddeutsche" hat zu den Wechselwirkungen zwischen             Jahren betrug er noch 100 Millionen Euro. Vorstandschef
Handel und Wandel so geschrieben: "Umso absurder ist es,           Herbert Hainer spricht von der "besten Chance, die wir jemals
nun für ein Sportereignis einen Boykott zu diskutieren, der        hatten, um uns in der Region zu präsentieren", die soll durch
mit Blick auf deutsche Firmen und ihre Geschäfte in China          einen Boykott nicht verloren gehen. Hainer sagt: "Konfronta-
noch nie ernsthaft erwogen wurde." Die Volkswagen AG, ein          tion bringt uns nicht weiter, es ist besser, einen konstruktiven
Hauptsponsor des chinesischen olympischen Organisations-           Dialog zu führen."
komitees BOCOG, ließ folgerichtig verlauten, man solle von
einem Sponsor nicht erwarten, dass er politische Probleme          Ein Boykott der Peking-Spiele ist keine Lösung - weil das von
lösen könnte. VW bezahlt mehr als 100 Millionen Dollar             Anfang an Konsens war in Deutschland bis hin zur Bundes-
dafür, dass es BOCOG mit der Fahrzeugflotte von 6.000              kanzlerin und in der Öffentlichkeit trotzdem eine Boykott-
Wagen ausrüsten und die Olympische Fackel begleiten darf.          Diskussion entbrannte, hatte die Führung des Deutschen
Daraus ist jetzt mehr ein Muss geworden. Mit 910.500 ver-          Olympischen Sportbundes (DOSB) am 24. März eine Teilnah-

                                                                                                                             13
me seiner Olympiamannschaft in Peking bestätigt und dabei      der Sicht der Politik. Ich finde, dass der Sport solche Dinge
erklärt: "Der DOSB verurteilt jede Form von Gewalt als den     nicht ohne Abstimmung mit der Politik machen kann", so der
Prinzipien des Sports widersprechend." Mit dieser schwer zu    SPD-Politiker in einem Interview mit der "Frankfurter Alge-
missdeutenden Erklärung, die sich auch auf die Einstellung     meinen Zeitung". Gleichzeitig kündigte Danckert an, dass
des Dalai Lama stützen konnte, stand die Dachorganisation      sechs weitere Mitglieder seines Sportausschusses zu den
unter allen internationalen Sportverbänden zunächst allein.    Spielen nach Peking fahren werden. Der Politiker wörtlich:
Der DOSB konnte dabei Bezug nehmen auf seine Grundsatz-        "Wir haben uns, lange bevor Tibet eine Rolle spielte, entschie-
erklärung vom 22. Mai 2007. "Der DOSB ist den Menschen-        den, die zweite Hälfte der Spiele zu besuchen, so dass die
rechten verpflichtet. Dem DOSB ist bewusst, dass die Men-      Eröffnungsfeier für uns ausfällt." Das heißt: Politiker haben
schenrechtssituation in China trotz feststellbarer Verbesse-   schon längst entschieden, hinzufahren, Sportler sollen noch
rungen in den letzten Jahren nach wie vor nicht zufrieden      warten und gefälligst bei der Politik anfragen, ob sie starten
stellend ist." So unterstützenswert und vorausschauend die     dürfen. Der Athlet als Verfügungsmasse der Politik - eine
Erklärung war, so haftete ihr doch ein beträchtlicher Mangel   besonders problematische Argumentation in einer Zeit, in der
an: Sie war von der Öffentlichkeit weitgehend ignoriert        die Frage der Partnerschaft zwischen Politik und Sport wieder
worden.                                                        diskutiert wird. Staatssport sei, wenn die Bundeswehr zur
                                                               Förderung des Spitzensports 760 Planstellen zur Verfügung
Christian Breuer, der gewählte Athletensprecher des deut-      stellt, sagen Kritiker. Staatssport wäre, wenn Verteidigungs-
schen Sports, hat die Erklärung des DOSB vom 24. März mit      minister Franz Josef Jung die knappe Hundertschaft an
den Worten begrüßt: "Die Boykott-Diskussion ist eine           Soldaten im deutschen Team aus Peking abkommandieren
immense psychische Belastung für die Sportler, die momen-      würde. Das wird er mit Sicherheit nicht tun, sondern überle-
tan für die Spiele trainieren." Die Teilnahmebestätigung       gen, wie sinnvoll seine eigene Anwesenheit in Peking wäre.
bedeute "Planungssicherheit nach Wochen der Verunsiche-
rung". Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet der Vorsitzende    Die internationale Politik in ihrer ersten Zuständigkeit für
des Sportausschusses im Deutschen Bundestag, Peter Dan-        politische Veränderungen in China schwankend zwischen
ckert, zu jenen gehörte, die diese Zusicherung für "voreilig   Uneinigkeit und Machtlosigkeit, die globalisierte Wirtschaft
und verfrüht" hielten. "Denn die Dinge könnten sich so         darauf bedacht, nicht anstößig gegenüber Peking zu werden,
zuspitzen, dass man an so etwas denken muss, jedenfalls aus    um die Geschäfte nicht zu beinträchtigen - da wirkt es

"

D
        as IOC hat noch nie in seiner
        Geschichte von sich aus Olym-
        pische Spiele abgesagt, son-
dern musste sich in den Fällen, in
denen Olympische Spiele ausfallen
                                                "The Games must go on"
mussten, stets unüberwindlichen
Sachzwängen beugen. Eine interessan-
te Tatsache sollte in diesem Zusammenhang nicht ver-           steht für die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, eine fried-
schwiegen werden: In allen drei Fällen, in denen die Olympi-   lichere Welt und den Fortschritt der Menschheit. Fallen
schen Spiele der Neuzeit ausfallen mussten - 1916, 1940        Spiele aus oder werden Spiele boykottiert, werden nicht nur
und 1944 - waren die Deutschen maßgeblich dafür verant-        die jungen Athletinnen und Athleten betrogen, die sich
wortlich. 1972 verhinderte IOC-Präsident Avery Brundage        intensiv und über lange Zeit auf dieses Fest vorbereitet
durch seine einsame Entscheidung den Abbruch und das           haben, sondern stellvertretend für sie die Jugend der Welt
Ende der Spiele; obwohl es allen Grund gegeben hätte,          insgesamt; und mit ihr verlöre die Menschheit allgemein ein
angesichts der Ermordung von jüdischen Sportlern durch         Stück Hoffnung auf eine Zukunft, in der die Jugend der
palästinensische Terroristen in Deutschland das gesamte        Welt friedlich miteinander wetteifert und streitet und nicht,
Unternehmen abzublasen.                                        wie es in Wirklichkeit leider viel zu oft der Fall ist, sich im
                                                               Namen der Politik mit scharfen Waffen die Köpfe einschlägt
"The Games must go on" - Brundage hatte damals gute            oder von politischen und militärischen Führern dazu ange-
olympische Gründe, dass für ihn ein Abbruch der Spiele         stiftet wird. Obwohl die antiken Olympien mehr als tausend
nicht in Frage kam. Diese Gründe gelten bis heute: Olympi-     Jahre abgehalten wurden und obwohl (oder weil) in der
sche Spiele sind ein Fest der Jugend. Sie werden für und       Antike Kriege zum Alltag gehörten, fielen sie deshalb nie
durch die Jugend der Welt abgehalten. Und diese Jugend         aus. Wenn Olympische Spiele ausfallen, bedeutet das für

14
geradezu grotesk, vom IOC zu verlangen, es könne wesentli-       Rogges Aufforderung an China, die Menschenrechte einzu-
 chen Einfluss auf die Verbesserung von Menschenrechten in        halten und Pressefreiheit zu respektieren, hat für die Olym-
 China nehmen. Was man allerdings nach der Niederschlagung        pische Bewegung befreiende Wirkung, für die chinesische
 der Tibet-Erhebung erwarten konnte, war eine klare, unmiss-      Führung bedeutet sie eine offene Konfrontation. Von jetzt
 verständliche Haltung. Daran hat es zunächst gefehlt. Erst als   an hält das IOC und Peking nur noch der reine Pragmatis-
 das an Peking ausgeliehene Symbol des Olympische Feuers          mus zusammen, der Welt ein Schauspiel zu liefern, das die
 unter der chinesischen Trägerschaft zu einer Brandfackel         Interessen der beiden Ungleichen nicht allzu sehr beschä-
 wurde und das IOC in eine nicht gewollte Brüderschaft mit        digt. Ob das gelingen kann, ist nun die spannende Frage bis
 dem autoritären Regime geraten war, wurde Jacques Rogge          zur Pekinger Schlussfeier am 24. August. Rogges viel sagen-
 deutlich. "Das Bewerbungskomitee hat uns 2001 versichert,        des Eingeständnis, das IOC befinde sich "zweifellos" in einer
 die Spiele würden helfen, die soziale und Menschenrechtssi-      Krise, gibt eine Vorschau auf die quälenden letzten 100 Tage
 tuation zu verbessern. Ich rufe dazu auf, diese moralische       vor der Eröffnung der Spiele. China wird noch stärker in den
 Verpflichtung einzuhalten." Grundsätzlich geklärt hat der        Fokus der globalisierten Welt geraten, einer Welt, die sich in
 belgische IOC-Präsident, ein Mann großer Integrität und          ihrer Betriebsamkeit normalerweise schnell abwendet und
 nicht ganz so ausgeprägtem politischen Gespür, auch die          nach neuen Schwerpunkten der Erregung sucht. Ein blutig
 Rechte und Pflichten für Athleten: Freie Rede überall in         niedergeschlagener Aufstand hier, eine gewaltige Men-
 Peking, also auch in olympischen Anlagen. Aus gutem Grund        schenkatastrophe dort - war da nicht kürzlich was in Birma
 dort aber das Aufrechterhalten einer werbefreien Zone, was       und Darfur? Die vom IOC nach Peking vergebenen Olympi-
 das Demonstrationsverbot für wen und was auch immer              schen Spiele haben einen Ausnahmezustand geschaffen, der
 einschließt. Wer lesen wollte, der konnte diese Richtschnur      dazu führt, dass Unterdrückung und Menschenrechtsverlet-
 für Athleten, die das IOC nun noch in eine Ausführungsbe-        zungen zu einem Dauerthema geworden sind. Der olympi-
 stimmung kleiden will, bereits am 4. April bei Thomas Bach in    sche Anlass schafft eine weltweite Bühne für andauernde
 einem offenen Brief des DOSB-Präsidenten an den Sportaus-        Auseinandersetzungen und genaueres Hinsehen und ist
 schuss-Vorsitzenden Danckert nachlesen. Und selbst danach        Voraussetzung für Austausch, Dialog und Begegnung - 37
 wurde der deutschen Sportführung noch unterstellt, sie plane     Jahre nach der ersten Ping-Pong-Diplomatie. So kann man
 einen "Maulkorberlass".                                          sagen: Trotz allem - die Olympischen Spiele in Peking sind
                                                                  auch eine Chance.

                                                                                                      und der Millionär Brunda-

- auch diesmal                                           Von Michael Krüger
                                                                                                      ge stolz darauf war. Heute
                                                                                                      ist das IOC ein reicher
                                                                                                      Sportkonzern, dem man
                                                                                                      seine ehrenwerte olympi-
                                                                                                      sche Philosophie nicht
                                                                                                      mehr so leicht abnimmt.
 Olympier dasselbe, wie wenn für Christen das Osterfest           Jeder aufmerksame Zeitungsleser weiß, dass bei einem Boy-
 abgesagt würde.                                                  kott oder einer Absage der Spiele für das IOC Milliarden von
                                                                  Dollars bzw. Euros auf dem Spiel stehen. Da spricht - leider
 Das hört sich heute alles sehr pathetisch an, aber es ist der    auch im IOC selbst - kaum noch jemand vom Friedensfest der
 tiefere, olympische Grund, warum Olympische Spiele nicht         Jugend, sondern man scheint nur noch Angst davor zu
 ausfallen und boykottiert werden dürfen. Es wäre zu wün-         haben, dass die olympischen Aktien in den Keller rutschen.
 schen, dass die Meinungsführer der Olympischen Bewegung
 solche ethisch-olympischen Begründungen des berühmten            Aber das ist falsch. Gerade weil das IOC heute so reich und
 Satzes von Avery Brundage "The Games must gon on" laut           mächtig ist, könnte und müsste es seine Stimme lauter erhe-
 und deutlich in der Weltöffentlichkeit äußern würden. Dies       ben und seine olympische Botschaft verkünden. Das hätte
 würde nicht ausschließen, ebenso deutliche Worte (und            nichts mit Politik zu tun, sondern wäre ein Zeichen, dass der
 gegebenenfalls auch Taten) gegen offensichtliche Verstöße        olympische Sport trotz gefüllter Taschen an seinen Idealen
 olympischer Prinzipien zu finden.                                festhält. Wenn das IOC schweigt, kann das auch missverstan-
                                                                  den werden. Nämlich dahingehend, dass die Olympier selbst
 Aber das IOC von heute befindet sich in einem Dilemma - im       nicht mehr an das glauben, was sie in ihre Olympische Charta
 Unterschied zur Ära Brundage, als das IOC praktisch mittellos    geschrieben haben.

                                                                                                                          15
Licht und   A
                                         m Anfang war das
                                         Feuer. Allemal ist das
                                         Erlernen der Fähig-
                                keit, ein solches zu entfa-
                                chen, als ein früher Meilen-
                                stein in der Geschichte der

                    Schatten:
                                Menschheit zu bezeichnen.

                                Das Feuer erwies sich als
                                überaus nützlich, aber auch
                                als eine potenzielle Gefahr.
                                Eine Quelle von Wärme und
                                Licht, aber auch ein Aus-

Der lange                       gangspunkt von Zerstörung
                                und Tod. Ein Sinnbild für die
                                Möglichkeiten und Kraft der
Weg des                         Natur, aber auch für ihre
                                Macht und Gewalt, die für
Olympischen                     den Menschen in letzter
                                Konsequenz nur schwer

Feuers                          beherrschbar erscheint. So ist
                                die Faszination groß, biswei-
                                len - Stichwort Pyromanie -
                                trägt sie auch krankhafte
Von Andreas Höfer               Züge. Wo Licht ist, findet
                                sich eben auch Schatten.

                                Schon von daher versteht es
                                sich, dass dem Feuer seit
                                jeher ein entsprechender
                                Symbolgehalt innewohnt. In
                                der Antike war ihm gar eine
                                religiöse Bedeutung zuge-
                                wiesen. Laut griechischer
                                Mythologie verdanken die
                                Menschen das Feuer ihrem
                                großen Freund und Förderer
                                Prometheus, der eine Fackel
                                am funkensprühenden Son-
                                nenwagen des Helios ent-
                                zündet und damit auf der
                                Erde einen Holzstoß zum
                                Brennen gebracht haben soll.
                                Ein wahres Husarenstück, für
                                das freilich ein hoher Preis zu
                                entrichten war. Der olympi-
                                sche Gottvater Zeus nämlich
                                sah den Tatbestand des
                                Diebstahls erfüllt. Dem Dieb
                                war eine harte Strafe gewiss,
                                und auch die Nutznießer des
                                Vergehens kamen nicht
                                ungeschoren davon. Im
                                Gegenteil: Eine gewisse

 16
Die Urheberschaft
Pandora wurde in Bewegung gesetzt, um eine gewisse
Büchse zu übergeben, deren Inhalt das Dasein der Erden-
bewohner bekanntlich aufs Nachhaltigste zu vergiften
vermochte.

Sollte sich also die Feuer-Gabe im Sinne dieser Überliefe-
rung nachgerade als ein Danaergeschenk ausnehmen,
                                                                        es Geistes Kind der olympische Fackellauf wohl

                                                             W
hinderte dies die Alten Griechen keineswegs daran, die
Entzündung des Feuers als einen kultischen Akt im Rah-                  sei, das hat sich die Weltöffentlichkeit anläss-
men von Opferhandlungen zu zelebrieren - und dies                       lich der jüngsten Entzündung des Olympischen
vorzugsweise auch im Rahmen der großen Kult- und             Feuers beim Stadion des antiken Olympia und der sich
Sportfeste, wie den Olympischen Spielen, die ja nicht        anschließenden politischen Turbolenzen erneut gefragt.
zuletzt als eine Art Gottesdienst zu Ehren des Zeus ver-     Ganz sicher ist der seit 1936 bestehende Ritus aber keine
standen wurden.                                              "Erfindung der Nazis".

Sehr beliebt waren in diesem Zusammenhang Fackelläufe,       Begründet wurde der Fackellauf von Olympia in die aktuel-
deren Start und Ziel oft Altäre darstellten, die aber nur    le Gastgeberstadt der Olympischen Spiele von dem Deut-
selten sportlichen Charakter im engeren Sinne aufwiesen.     schen Carl Diem (1882-1962). Dieser war kein Nazi. Er
Allerdings sind einige Ausnahmen belegt: Zum Beispiel        besaß keine Parteimitgliedschaft der NSDAP. Die Verstri-
wurde im Rahmen des großen Sportfestes der Athener,          ckung, die Carl Diem mit vielen bedeutenden seiner Zeitge-
den Panathenäen, ein Fackelrennen für Epheben, Jugend-       nossen teilte, sollte auf der Folie der deutschen Geschichte,
liche also, als Wettkampf der einzelnen Phylen oder          insbesondere unter kritischer Würdigung der "Wilhelmini-
Stadtteile ausgetragen.                                      schen Ära" und deren Tiefenwirkungen gelesen werden.

Pierre de Coubertin, der Gründervater des neuzeitlichen      Der olympische Fackellauf wird als Überbringer der univer-
Olympismus, war ein Philhellene, der es sich zum Ziel        sellen olympischen Friedensbotschaft durchgeführt. Diese
gemacht hatte, "antiken Geist in moderner Form" zu           lässt sich nicht herrschenden Zeitströmungen einfach
neuem Leben zu erwecken. Da er den Olympischen Spie-         zuordnen, schon gar nicht der Rassenideologie der Nazis.
len zudem einen quasi-religiösen Charakter verleihen         Zweifellos lässt sich immer wieder eine Ambivalenz oder
wollte - Coubertin sprach von einer "religio athletae" -,    sogar Instrumentalisierung der "Olympischen Bewegung"
versteht sich, dass Symbolik und Zeremoniell im Ablauf       durch maßlose Machtinteressen beobachten und beklagen.
und Rahmen der Spiele große Bedeutung erhielten.             Hier entspringt der Wunsch nach größerer Eindeutigkeit,
                                                             nach genauerem Wissen, nach gezielterer olympischer
Die einzelnen Elemente - etwa der Einmarsch der Natio-       Forschung. In welcher Richtung?
nen, der Eid, die Fahne mit den Ringen, die Siegerehrung
auf dem Treppchen usw. - wurden nach und nach entwi-         Nach Professor Nikolaos Nissiotis, dem Athener Religionsphi-
ckelt, das Feuer aber kam relativ spät hinzu. Erst 1928      losophen und Ex-Präsidenten der Internationalen Olympi-
nämlich loderte ein solches erstmals in einem Olympiasta-    schen Akademie (IOA), zudem Mitglied des Weltkirchenrates
dion, und zwar in Amsterdam, wo ein innovativer Archi-       in Genf, glaubte der Inaugurator der modernen Olympischen
tekt einen Turm errichtet hatte, der dem Feuer einen         Spiele, Pierre de Coubertin (1863-1937), grundlos, dass die
exponierten Standort garantierte. Die Entzündung erfolge     griechische Athletik eine "Religion" sei: Coubertins Sportbe-
eher unspektakulär.                                          griff richtet sich auf das "Erzielen" einer Transzendenz durch
                                                             Steigerung der Anstrengungsbereitschaft des Selbst. Das
Wer genau die Idee zu dieser zeremoniellen Innovation        nennt Coubertin "Athletik". Sein Irrtum resultiert nach
hatte, lässt sich aus den verfügbaren Quellen nicht rekon-   Professor Nissiotis aus der verabsolutierenden Vermengung
struieren. Der Urheber einer weiteren und zwar spektaku-     des im christlichen Sinne Heiligen mit demjenigen Weihevol-
lären Neuerung lässt sich leichter bestimmen: Carl Diem.     len, das allein der griechisch-antike Kulturraum unter "Ath-
Seine Idee war es, das Feuer nicht irgendwo und irgend-      letik" verstand.
wie, sondern feierlich im antiken Olympia entzünden und
mit Hilfe eines Fackelstaffellaufes an den Austragungsort    Vielleicht findet sich hier ein Fingerzeig für ambivalente
der Sommerspiele von 1936 transportieren zu lassen.          Einschätzungen, aber auch für Anfälligkeiten des olympi-
                                                             schen Geschehens heutzutage. Bevor wir urteilen, sollten wir
Da auf diese Weise einem vermeintlich unsterblichen          uns fragen, wes Geistes Kind wir denn sind.
olympischen Geist gehuldigt werden sollte, zeigte sich                                                        Kerstin Kirsch

                                                                                                                     17
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