DTB DENKFABRIK Der organisierte Sport im Schatten von Corona - Herausforderungen und Zukunftsperspektiven - Deutscher Bundestag
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Deutscher Bundestag Sportausschuss Ausschussdrucksache 19(5)336b DTB DENKFABRIK Der organisierte Sport im Schatten von Corona – Herausforderungen und Zukunftsperspektiven
DTB Denkfabrik – Kick-off https://youtu.be/watch?v=9wRUwzOB_KM DTB Denkfabrik – Neue Digitalkultur(en) im organisierten Sport – neue Angebotsformen im und nach dem Lockdown https://youtu.be/watch?v=nO0jIUA5N_Y DTB Denkfabrik – Digitale Wettkampfformate und Plattformen https://youtu.be/watch?v=zygOYZPtYB8 DTB Denkfabrik – Fitness- und Gesundheitssport restarted – die Corona-Krise als Gefahr oder als Chance? https://youtu.be/watch?v=p0c3m1PW8Fg DTB Denkfabrik – Kommunale Netzwerke und öffentliche Sporträume – Zukunftsperspektiven im Fitness- und Gesundheitssport? https://youtu.be/watch?v=9NMeSch_ZJ8 DTB Denkfabrik – Kinder und Jugendliche in der Zeit der Corona-Krise – Gewinner oder Verlierer? https://youtu.be/watch?v=1rV_jXjh_xA DTB Denkfabrik – Kinder und Jugendliche in der Zeit der Corona-Krise: Sport im Setting Schule – Lösung oder Utopie? https://youtu.be/watch?v=WUWEpjLKTms DTB Denkfabrik – Die Lage des Ehrenamts: Corona-Krise = Ehrenamtskrise? https://youtu.be/watch?v=suwOISah804 DTB Denkfabrik – Abschlussveranstaltung https://youtu.be/watch?v=lJc1273qjDY
Inhaltsverzeichnis Vorwort.............................................................................................................................................4 Erkenntnisse, Empfehlungen, Erfordernisse.............................................................................6 Kick-off Der organisierte Sport im Schatten von Corona – Herausforderungen und Zukunftsperspektiven......................................................................8 Neue Digitalkultur(en) im organisierten Sport – neue Angebotsformen im und nach dem Lockdown..............................................................12 Digitale Wettkampfformate und Plattformen..........................................................................16 Fitness- und Gesundheitssport restarted – die Corona-Krise als Gefahr oder als Chance?..........................................................................18 Kommunale Netzwerke und öffentliche Sporträume – Zukunftsperspektiven im Fitness- und Gesundheitssport?...................................................22 Kinder und Jugendliche in der Zeit der Corona-Krise – Gewinner oder Verlierer?............26 Kinder und Jugendliche in der Zeit der Corona-Krise: Sport im Setting Schule – Lösung oder Utopie?......................................................................32 Die Lage des Ehrenamts: Corona-Krise = Ehrenamtskrise?....................................................36 Abschlussveranstaltung................................................................................................................40 Moderator*innen und Expert*innen..........................................................................................44 Impressum.......................................................................................................................................49 3
Vorwort Wir leben momentan in einer seit dem Zweiten Welt- und Landespolitik, mit Gemeinden und Kommunen, krieg nie dagewesenen Zeit der Unsicherheit und des mit anderen Non-Profitorganisationen, mit der Wissen- Umbruchs. Auf allen Ebenen der Gesellschaft sind die schaft und Wirtschaft. Deshalb haben wir ausgewiesene Folgewirkungen der COVID-19-Pandemie zu spüren. Die Expert*innen aus den genannten gesellschaftlichen lange Zeit des zweiten Lockdowns hat auch massive Bereichen in der ersten Reihe der DTB Denkfabrik im Auswirkungen auf den organisierten Sport als gesell- November/Dezember 2020 zum Thema »Der organi- schaftsrelevante Säule. Deshalb möchte der Deutsche sierte Sport im Schatten von Corona – Herausforde- Turner-Bund (DTB) in der Zeit der Krise Impulse geben, rungen und Zukunftsperspektiven« zusammenge- damit unsere Verbandsstruktur und unsere Basis weiter- bracht und in Diskussionsforen und Workshopgruppen hin stark und aktiv bleibt. Denn es ist elementar, jetzt aktuelle Fragestellungen mit Funktionsträger*innen aus nicht im Krisenmodus zu verharren, sondern strategische Verbänden und Vereinen diskutiert. Überlegungen herauszuarbeiten, die für den Erhalt der einzigartigen Vereinslandschaft in Deutschland und für die Bindung von Mitgliedern zukunftssichernd sind. DTB Denkfabrik: Aus Strategien praxistaugliche Ideen ableiten Der DTB ist der zweitgrößte Spitzensportverband im Die DTB Denkfabrik steht dafür, strategische Überle- deutschen Sport mit rund fünf Millionen aktiven Mit- gungen unmittelbar mit der Praxis zu verbinden, um gliedern in ca. 18.000 Turn- und Sportvereinen. Er ist Ableitungen für die operative Arbeit grundsätzlich mit- als größter Kinder- und Jugendsportfachverband (über zudenken und zu konkretisieren. Im Fokus der Diskussio- 1,8 Millionen Mitglieder) sowie Seniorensportverband nen standen Themen aus den Bereichen Digitalisierung, (über 1 Million Mitglieder, die über 50 Jahre alt sind) Wettkampfformate, Fitness und Gesundheit, Netzwerk- mit einem darüberhinausgehenden breiten Angebot arbeit und Kooperationen, Kinder und Jugend sowie für Fitness- und Gesundheitssport anerkannt. In dieser Ehrenamt im Kontext der Pandemie. Die insgesamt neun Rolle und unserer Rolle als Bundesverband möchten wir Veranstaltungen sind unter »DTB Denkfabrik« auf der konkrete Hilfestellung leisten, damit sich die Landesturn- Plattform YouTube eingestellt und stehen allen Interes- verbände und Vereine in dieser herausfordernden Zeit sierten uneingeschränkt zur Verfügung. gemeinsam mit uns zukunftsfähig aufstellen können. Das funktioniert jedoch nur im Zusammenspiel mit wei- Dr. Michaela Werkmann, Sportsoziologin an der Albert- teren Stakeholdern – mit der Sportfamilie, der Bundes- Ludwigs-Universität Freiburg und Vizepräsidentin 4
für den Bereich der GYMWELT im DTB, moderierte neu zu denken und die dringend erforderliche stärkere gemeinsam mit Dr. Arne Göring, Sportsoziologe an der gesellschaftspolitische Anerkennung der Bedeutung Georg-August-Universität Göttingen und Direktor des des Sports stellen Schlüsselelemente für die erfolgreiche dortigen Hochschulsports, die Diskussionsforen der Auf- Bewältigung der Krise und des Umbruchs dar. takt- und Abschlussveranstaltung der DTB Denkfabrik. Die einzelnen Workshops dazwischen wurden von den Wir wünschen Ihnen eine spannende und erkenntnis fachlich zuständigen Präsidiumsmitgliedern und Füh- reiche Lektüre und möchten Sie ermuntern, mit uns zu rungskräften des Verbandes geleitet und ausgewertet. den Ergebnissen ins Gespräch zu kommen, um gemein- Die daraus resultierenden Empfehlungen, Aufgaben, sam die Zukunft unserer vielfältigen gesellschaftsrele- Lösungsansätze und Forderungen finden Sie zusammen- vanten Vereinslandschaft zu sichern und zu gestalten. gefasst auf den folgenden Seiten. Sie zeigen, dass die COVID-19-Pandemie wie ein Brennglas wirkt und Schwä- chen, die im »normalen Betrieb« noch zu verdecken waren, nun offensichtlich sind. Umdenken für zukunftsfähige Lösungen Die Einsichten erfordern an einigen Stellen auch radika- les Umdenken – im Spannungsfeld von Tradition und Moderne, Ehrenamt und Hauptberuf, Einfachheit und Dr. Alfons Hölzl Michaela Röhrbein Komplexität, Einheitlichkeit und Vielfalt, Zentralität und Präsident des DTB Generalsekretärin des DTB Regionalität. Kooperationen, Sichtbarkeit, Sport(räume) 5
Erkenntnisse, Empfehlungen, Erfordernisse Anerkennung des Stärkung der Breitensports als yarbeit Sport ist Bildung – politischen Lobb d Bildung ist auch Sport! gesellschaftsrelevante durch Vereine un Säule Ve rb än de Förd er für d progra ie mm Sch Aussta digital e es ulun ttun e r u n g ein Aus gsang g und e Einbezie Initii esweiten s bau ebo h bund ngspakte Kom der dig te zum der Ver ung gu pete itale bei p bände Bewe nze n n Entsche olitischen Einführung idunge der täglichen der Pan n (auch in demie) Sportstunde in Schulen Au Einbeziehung Spor sbau von von Vereinen in öffen tangeb die kommunalen tliche ot n Ra en im Entscheidungsprozesse die V u m Zugänglichmachung erein durch e von öffentlichem Raum für Vereine und Sporttreibende 6
För Netzw derung vo erk- n für ko Kompeten Initiierung m z Koop munale und Ausbau eratio nen er sektorübergreifend r Sp or t, Ko Ausba Netzwerke fü Ver opera u der Bewegung un d ein t en m ionen Gesundheit it S von chu len gne g ka mpa ng etin achu Mark htbarm nd ic -u zur S Breiten ports de s itss ndhe Gesu Weiterentwicklung Öffentlichkeitskampagne der Vereinsstrukturen zur (kommunal)politischen für ehrenamtliche und Positionierung Pandemieangepasste hauptberufliche Tätigkeit differenzierte modulare Zulassung von Vereinssport gene Projektbezo Kurz-, mittel- und it zur Vereinsarbe Koop langfristige finanzielle von jungen zur E eratione Hilfsprogramme für Gewinnung nt n Engagierten von d wicklung Vereine und Verbände Wett i g kam italen pffor mate n 7
DISKUSSIONSFORUM Kick-off Der organisierte Sport im Schatten von Corona – Herausforderungen und Zukunftsperspektiven Moderation DIe Corona-Pandemie zeigt uns Grenzen auf, die Folge- • Dr. Arne Göring (Sportsoziologe, Direktor der Zentralen wirkungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen spüren Einrichtung Hochschulsport an der Georg-August- wir merklich. Dabei sind es nicht nur die wirtschaftlichen Universität Göttingen) Einschnitte, die viele Menschen verkraften müssen. Der • Dr. Michaela Werkmann (DTB-Vizepräsidentin Vereinssport, als eine der gesellschaftsrelevanten Säulen, GYMWELT, akademische Mitarbeiterin Institut für Sport ist auf längere Zeit im Breiten-, Fitness- und Gesundheits- und Sportwissenschaft Albert-Ludwigs-Universität sport weiterhin kaum möglich. Freiburg) Das hat massive Auswirkungen auf die Vereine und Ver- Expertinnen und Experten bände und verändert zudem die Erwartungshaltung • Eugen Eckert (Evangelischer Stadionpfarrer Arena und das Verhalten der Sporttreibenden. Der Deutsche Deutsche Bank Park, Referent der Evangelischen Kirche Turner-Bund möchte in dieser Krise mit diesem Online- Deutschland für Kirche und Sport) Format Impulse geben. Impulse, die die verschiedenen • Moritz Fürste (Co-Founder Hyrox, zweifacher Olympia- Beteiligten aus Sport, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sieger) vernetzen, Kooperationen schaffen und dabei helfen, • Michael Leyendecker (Vorsitzender Deutsche Sport- das wichtigste Gut zu fördern: die Gesundheit. Es gilt, in jugend, Sportlehrer) dieser für alle schwierigen Zeit Erkenntnisse und Erfah- • MdB Stephan Mayer (Parlamentarischer Staatssekretär rungen zu sammeln und Chancen zu ergreifen, damit Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat) Menschen, Vereine und Verbände weiterhin aktiv und • Michaela Röhrbein (Generalsekretärin Deutscher engagiert bleiben können. Turner-Bund) • Peter Völker (Präsident TG Bornheim 1860 e. V.) 8
Sport als Ressource zur Krisenbewältigung digitalen Kultur wollen sie Sport ausüben? Oder wie Die Herausforderungen der Corona-Pandemie sind in wird das so wichtige Ehrenamt gestärkt? Der Deutsche Deutschland in allen Teilen der Gesellschaft zu spüren. Turner-Bund suchte mit einer Vielzahl an Expert*innen Ein Großteil des täglichen Lebens findet durch Home aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Sport in zwei office, Schul- und Kita-Schließungen oder weitere Maß- Diskussionsforen und sieben Workshops in der DTB nahmen zu Hause statt, weitestgehend isoliert von sozia- Denkfabrik nach Möglichkeiten und Lösungen. len Kontakten. Vernetzung ist dabei das zentrale Stichwort: Neue und Mit dem Lockdown kam es zu einer quantitativen bestehende Kooperationen müssen ausgebaut wer- Abnahme des Sporttreibens in den traditionellen Sport- den – mit den Kommunen, mit der Wirtschaft, aber auch arten1. Menschen, die sich zuvor wöchentlich bewegt mit anderen Vereinen, um eine strategische Partner- haben, suchten nach Alternativen. Sportliche Aktivität schaft zu bilden. Eine sehr große Chance liegt im Ausbau stellt eine individuelle Ressource zur Krisenbewältigung, von Kooperationen mit Schulen, um vor allem Kinder sowohl physisch, psychisch als auch emotional dar2 . und Jugendliche leichter für Vereinssport zu begeistern. Gerade für junge Menschen ist der Sport als analoge Viele Sporttreibende sind auf dieser Suche nicht fündig Gegenwelt in einer digitalisierten Gesellschaft besonders geworden, auch wenn viele Vereine mit unglaublicher wichtig. Kreativität digitale Formate entwickelt haben. Eine hohe Zahl hat den informellen Sport für sich entdeckt3. Vor allem Laufen, Radfahren und Home-Workouts stehen dabei hoch im Kurs. Gut für die Vereine, dass die Aus- trittswelle moderat blieb – die Anzahl der Kündigungen bewegte sich auf Vorjahresniveau. Schlimmer aber: Neue Mitglieder bleiben aus4. Vernetzung als zentrales Stichwort Dieses Defizit zu füllen ist eine von vielen Herausforde- rungen des organisierten Sports. Hinzu kommen weitere Fragen, auf die Vereine und Verbände Antworten finden müssen: Wie gehen sie mit den derzeitigen Verände- rungsprozessen in der Gesellschaft um? In welcher 9
sollte das Know-how der jungen Erwachsenen in den Bereichen der Digitalisierung und der sozialen Medien einbezogen werden. Inaktive und Menschen, die sich zurückgezogen und vom Sport entfernt haben, nach der Pandemie zu errei- chen und zu aktivieren, ist ein Kraftakt. Diesen Kraftakt können Vereine und Verbände allein nicht stemmen. Es bedarf der gezielten Hilfe durch die Politik: Mit einer neuen Agenda und Initiative für den Sport, bei der die Gesundheit im Fokus steht, lässt sich die Vereins- und Verbandsarbeit nachhaltig unterstützen. Nur so ist es möglich, das Vereinssterben aufzuhalten und die Bevöl- Im Verlauf der Pandemie hat die Digitalisierung deutlich kerung mit qualitativ guten Bewegungsangeboten aktiv an Gewicht gewonnen. Sie sollte als Experiment für neue zu halten. Denn es gilt weiterhin: Sport ist im Verein am Formen der sozialen Vergemeinschaftung sowie für Bil- Schönsten! dungsarbeit und Wettkampfformate genutzt werden. Vor allem aber kommen gemeinsame digitale Work- outs für alle Altersgruppen oder die ganze Familie bei Vereinsmitgliedern gut an. Dieses Angebot sollte auch in Zukunft fester Bestandteil im Vereinssport werden. All Quellen: 1 Mutz, M. & Gerke, M. (2020). Sport and exercise in times of self- dies ersetzt aber nicht – und da sind sich alle Teilneh- quarantine: How Germans changed their behaviour at the begin- menden der DTB Denkfabrik einig – den Verein als den ning of the Covid-19 pandemic. International Review for the Sociology of Sport. Zugriff unter https://journals.sagepub.com/ gesellschaftsrelevanten sozialen Raum für Menschen mit doi/10.1177/1012690220934335. Menschen. 2 Woods et al. (2020). The COVID-19 pandemic and physical activity. Sports Medicine and Health Science. Zugriff unter https://www. sciencedirect.com/science/article/pii/S2666337620300251. 3 Asics (2020). Global Running Studie. Zugriff unter https://corp.asics. com/en/press/article/2020-06-09-1. Neue politische Agenda für den Sport 4 Deutscher Olympischer Sportbund (2020). Zukunft des Vereinssports Es wird nötig sein, neue Strukturen der Vereinsführung sichern und weiterentwickeln. Sport im Zeichen der Corona-Pande- mie: Erklärung der Konferenz der Landessportbünde und des DOSB. und des ehrenamtlichen Engagements zu schaffen, um Zugriff unter https://www.dosb.de/sonderseiten/news/news-detail/ den gesellschaftlichen Wandel zu bewältigen. Dabei news/zukunft-des-vereinssports-sichern-und-weiterentwickeln. 10
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WORKSHOP Neue Digitalkultur(en) im organisierten Sport – neue Angebotsformen im und nach dem Lockdown Schon vor der Corona-Krise hat die Digitalisierung unseren Alltag erheblich verändert. Wir kaufen digital ein, konsumieren digitale Medien oder vernetzen uns über das Internet. Spätestens seit Beginn der Pandemie lernen wir auch zunehmend digital und verlagern unsere Freizeit in digitale Welten. Obgleich alle sozialen Bereiche von diesem Phänomenen betroffen sind, wurde die Frage nach den Auswirkun- gen von Digitalisierungsprozessen im organisierten Sport bislang noch eher wenig behandelt. Dabei zeigen sich im sportlichen Verhalten der Bevölkerung während der Pandemie massive Veränderungen, auf die das traditio- nelle Selbstverständnis von Sportvereinen nicht vorbereitet war. Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die Lebenswelten – vor allem im Sport? Und welche Strategien bieten den Vereinen und Verbänden Möglich- keiten, den neuen, wachsenden Herausforderungen zu begegnen? Workshopleitung Expertinnen und Experten • Martin Hartmann (DTB-Vizepräsident Verbandsent- • Dr. Arne Göring (Sportsoziologe, Direktor der Zentralen wicklung und Bildung, Bereichsleiter Consulting Public Einrichtung Hochschulsport an der Georg-August- Sector/NPO Syncwork AG) Universität Göttingen) • Marco Lutz (Abteilungsleitung Bildung Landessport- bund Niedersachsen) • Boris Schmidt (Vorstandsvorsitzender Freiburger Kreis, Vorsitzender TSG Bergedorf ) 12
Digitalisierung schafft neue Räume und Doch während bei den klassischen Praxisangeboten in Energien im Vereinsleben den Sportstätten die Nähe zu den Trainer*innen und Ein einheitliches Bild zu den Folgen der Pandemie für die Vereinen aufgebaut wird, ist diese durch digitale Pro- Vereine zu zeichnen fällt schwer. Während Großsport- gramme nur bedingt gegeben. Das Angebot auf Inter- vereine und Verbände bisher überwiegend gut durch netplattformen wie YouTube ist außerdem auch ohne die Corona-Krise gekommen sind, mangelt es kleineren Vereins- oder Verbandszughörigkeit riesig. Vereinen oft an Ressourcen und technischer Ausstat- tung, um in Zeiten des Lockdowns digitale Sport- und Kommunikationsangebote zu ermöglichen. Die wirk- Der soziale Aspekt fehlt – keine Nähe zum lichen Auswirkungen werden sich wohl erst mit großer Verein Verzögerung zeigen. Der soziale Aspekt, der vor allem im Kinder- und Jugend- sportbereich essenziell ist, entfällt fast komplett. Es Doch es gibt auch positive Entwicklungen. Denn die fehlen die Trainer*innen als Vorbild und Mentor*in sowie Digitalisierung hat Räume geschaffen und Energien die Trainingsgruppe als stärkende und motivierende freigesetzt, die bislang nur vereinzelt das Vereinsleben Gemeinschaft. Dazu ist das Distanzlernen ähnlich wie geprägt haben. Gerade im Bereich des Fitness- und im Schulbetrieb gerade für junge Kinder sehr schwierig Gesundheitssports konnte z. B. ein Training durch konzentriert durchzuführen. Es mangelt dabei an direk- Streamingangebote aufrecht erhalten werden. ter Interaktion. Prozesse des Lernens und Trainierens werden neu strukturiert Die Digitalisierung bietet Partizipationsmöglichkeiten für Menschen, die aufgrund von beruflichen und familiären Belastungen terminlich zu stark eingebunden sind oder grundsätzlich nicht mobil sind. Der Aufbau von Media- theken mit Übungsstunden macht die Nutzer*innen unabhängig von Trainingszeiten. Die klassischen Struktu- ren und Prozesse des Lernens und Trainierens werden so völlig neu geordnet. 13
Älteren Menschen ist der Zugang zu den digitalen Ange- Fehlende Neueintritte sorgen für hohen boten aus einem einfachen Grund oft verwehrt: Ihnen Mitgliederrückgang in Vereinen fehlt die technische Ausstattung, wie die Hardware oder Insgesamt hat die Corona-Krise den Vereinen und Ver- ein Internetanschluss für die Datenübertragung und das bänden jedoch einen Digitalisierungsschub gegeben. Know-how, um teilzunehmen. Gleichwohl hat sich auch Viele digitale Angebote und Instrumente werden sicher- gezeigt, dass Senior*innen unter Anleitung und bei spe- lich auch nach dem Lockdown die Vereins- und Ver- ziellen Produkten – etwa logisch aufgebauten Vereins- bandsarbeit unterstützen. Aber: Diese Digitalisierung Apps – sehr wohl aufgeschlossen gegenüber digitalen kann den für Mitglieder wichtigen sozialen Aspekt nicht Angeboten sind. ersetzen. Denn dieser ist häufig der Antriebsmotor für die Menschen, Vereinen beizutreten. Synergien werden durch einfache Durch die Pandemie wird aber schon jetzt ein Vernetzung geschaffen Mitgliederrückgang in Sportvereinen von 10 bis 15 Pro- Auf Verbands- und Funktionärsebene größerer Vereine zent prognostiziert, der weniger aus vermehrten Aus- ist die Digitalisierung sicherlich kein komplettes Neuland. tritten als vielmehr aus den fehlenden Neueintritten Der Bildungsbetrieb mittels digitaler Lernplattformen resultiert, die in 2020 ausgeblieben sind und jetzt 2021 oder die Kommunikation durch immer ausgefeiltere fehlen werden. Videokonferenztechnik wurde im Lockdown aufrecht erhalten und teilweise sogar ausgebaut. Synergien wer- den durch einfache Vernetzung geschaffen und bieten Schutzschirm und Föderprogramme für neue Möglichkeiten. Vereine durch Bund und Länder gefordert Aufgrund der langfristigen Beitragsmodelle werden die Für die kleineren Vereine bestehen diese Optionen aber sich daraus ergebenden strukturellen Mindereinnahmen meist nicht. Ihnen fehlt es am nötigen technischen Rüst- erst mit einem Zeitverzug von ein bis zwei Jahren in den zeug. Digitale Angebote aufzusetzen und die Mitarbei- Vereinen und Verbänden bemerkbar sein. Um die viel- ter*innen zu aktivieren ist mit finanziellem und perso- fältige Vereinskultur in Deutschland zu erhalten, werden nellem Aufwand verbunden. Dies können viele kleinere vor allem auch in den Jahren nach der Pandemie Finanz- Vereine oft nicht leisten. hilfen unumgänglich sein. Ebenso wie viele Wirtschaftsbranchen ist auch der orga- nisierte Sport durch den Lockdown auf Finanzhilfen angewiesen. Die Landes- und Bundespolitik sind deshalb 14
aufgefordert, kurz-, mittel- und langfristige finanzielle stellung von Schulungsangeboten zum Ausbau der digi- Schutzschirme für Vereine und Verbände bereitzustel- talen Kompetenzen der Funktionsträger*innen. Nur so len, um die finanziellen Mindereinnahmen aufgrund gelingt es, die Vielfalt der Vereinslandschaft in Deutsch- der Corona-Pandemie abzufedern. Wichtig sind ebenso land zu erhalten und ein »Vereinssterben« abzuwenden. Föderprogramme für die Ausstattung von Vereinen und Es ist Zeit zu handeln. Verbänden mit digitaler Infrastruktur sowie die Bereit- 15
WORKSHOP Digitale Wettkampfformate und Plattformen In der Corona-Pandemie schaffen es einige Sportler*innen, Vereine und Verbände weiterhin, ein regelmäßiges Training aufrecht zu erhalten – insbesondere im Leistungssportbereich. Und das trotz erschwerter Bedingungen. Doch ohne eine Möglichkeit, die Ergebnisse der intensiven Einheiten mit anderen zu vergleichen, schwindet bei vielen mehr und mehr die Motivation. In Zeiten fehlender Wettkämpfe auf regionaler, nationaler und auch internationaler Ebene, im Amateursport und im Profibereich, sind neuartige Lösungen gefragt. Eine davon sind Wettkämpfe auf digitalen Plattformen. Dabei gibt es in Deutschland schon bestehende Formate, die länder übergreifend erfolgreich eingesetzt wurden. Workshopleitung Fest steht: Unter Pandemiebedingungen verhalten sich • Markus Frank (Vizepräsident Schwäbischer Turner- Sport und Gesundheit ambivalent zueinander. Denn bund, CIO JAKO) gemeinsamer Sport wirkt in der aktuellen Situation zwar • Eric Schneidenbach (Geschäftsführer DTB Service förderlich, kann aber auch ein erhöhtes Infektionsrisiko GmbH) für COVID-19 bergen, wenn dabei sehr enger körper- licher Kontakt zu anderen Menschen besteht oder Hygieneregeln nicht vollumfänglich eingehalten werden Expertinnen und Experten (können). • Alle Workshopteilnehmenden Zwei Formen von digitalen Wettkämpfen Ambivalent: Sport und Gesundheit unter Die Vorgaben zur Eindämmungen der Pandemie Pandemiebedingungen machen es fast unmöglich, Wettkämpfe weiterhin durch- Der neue Lockdown im Herbst 2020 hat die Sportvereine zuführen. Auch wenn es vereinzelte Sportarten im Profi- und -verbände erneut schwer getroffen. Das Vereins bereich, wie etwa die Fußball-Bundesliga, schaffen, unter leben steht mit geschlossenen Sportstätten fast still. enormem Aufwand ihren Wettbewerbsmodus umzuset- Doch sind Training und Wettkampf wirklich Infektions- zen. Großveranstaltungen, so auch das für den Mai 2021 treiber? Ist es nötig, den Spielbetrieb und Veranstaltun- geplante Internationale Deutsche Turnfest in Leipzig, gen weiterhin auszusetzen? mussten dagegen abgesagt werden. 16
Digitale Wettkampfformate sowie Plattformen sind Ziel: Förderung und Entwicklung digitaler deshalb für viele Vereine und Verbände derzeit der Wettkampfangebote einzige Weg, um die Aktiven in einem sportlichen Hinzu kommt, dass die Bewerbung solcher Wettkämpfe Konkurrenzkampf gegeneinander antreten zu lassen. nicht allgemein, sondern im besten Fall zielgruppen- Dabei wird zwischen einem Live-Event und einem orientiert erfolgen muss. Vereinsmitglieder werden dabei Einsendungswettkampf unterschieden, bei dem die über die internen Netzwerke wie WhatsApp-Gruppen Teilnehmer*innen das Video ihrer Übung an die Veran- oder E-Mail-Verteiler erreicht, Sportler*innen anderer Ver- stalter*innen übermitteln. Eine Bündelung beider Wett- eine über Aufrufe in den sozialen Netzwerken und über kampfformen auf einer Plattform wäre wünschenswert. die Vereins- oder Verbands-Webseite. Eine einheitliche Vorlage zur Bewerbung der Wettkämpfe in den Verbän- den wäre ideal. Herausforderungen von Live-Events und Einsendungswettkämpfen Insgesamt steckt die Entwicklung digitaler Wettkampf- Beide Formen bringen jedoch Herausforderungen mit formate und Plattformen noch in den Kinderschuhen. sich. So sind bei den Einsendungswettkämpfen mehrere Diverse private Anbieter*innen drängen auf den Markt. Versuche möglich: Die Teilnehmer*innen könnten nur Um den je nach Sportart spezifischen Voraussetzungen die vermeintlich beste Übung einsenden, wodurch eine gerecht zu werden, müssen der Deutsche Olympische Wettkampfverzerrung entsteht. Eine Lösung hierfür wäre Sportbund und die Spitzenverbände – hier konkret der ein Tool, das voraussetzt, dass die Sportler*innen direkt DTB und die Landesturnverbände – die Entwicklung nach ihrer Anmeldung zum Wettkampf – bzw. nach Start digitaler Wettkampfangebote fördern. des Tools – mit dem Filmen beginnen müssen. Die Wertung von Live-Events über Streamingdienste ist für Kampfrichter*innen je nach Sportart schwierig zu beurteilen. Einstellung und Qualität des Streams können die Arbeit erschweren. Eine Schulung zu dieser speziel- len Form der Bewertung wäre auf jeden Fall notwendig. DTB (2020). Turn-Team Battle der Frauen. Zugriff Für einen idealen Ablauf wäre ein Portal nötig, über das unter: https://youtu.be/watch?v=zJtBBm1joPQ. die Bewertungen eingegeben werden können. DTB (2020). Turn-Team Battle der Männer. Zugriff unter: https://youtu.be/watch?v=ml9c0Y6yAIM. 17
WORKSHOP Fitness- und Gesundheitssport restarted – die Corona-Krise als Gefahr oder als Chance? Lockdown während der Corona-Pandemie, das bedeutet: gravierende Einschränkungen der körperlichen Aktivität, kein Sport im Verein, kein Schul- und Hochschulsport. Erst wenn wir uns nicht im gewohnten Maß und Umfeld bewegen dürfen, wird überdeutlich, wie wichtig Vereine mit ihren fitness- und gesundheitsorientierten Bewegungsangeboten sind. Bewegung und systematisches fitness- und gesundheitssportliches Training haben eine immanent elementare Funktion für die Gesellschaft, speziell für die Gesundheit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dabei bieten Vereine – auch unter Pandemiebedingungen – vielfältige Bewegungsangebote für die unterschiedlichsten Alters- und Zielgruppen. Und: ein soziales Zuhause. Was hat sich durch die Einschränkungen verändert? Und was davon wird bleiben? Wie gehen die Verbände und Vereine damit zukünftig um? Und welchen Nutzen kann die Pandemie sogar haben? Expert*innen sind sich sicher: Um die Bevölkerung wieder in Bewegung zu bringen, braucht es nicht nur kreative Lösungen für infek- tionsschutzgerechtes Sporttreiben, sondern vor allem eine effektive Öffentlichkeitskampagne. Workshopleitung Expertinnen und Experten • Dr. Michaela Werkmann (DTB-Vizepräsidentin • Birgit Faber (Geschäftsführender Vorstand TSV Falken- GYMWELT, akademische Mitarbeiterin Institut für Sport see, Präsidentin Märkischer Turnerbund, Vizepräsiden- und Sportwissenschaft Albert-Ludwigs-Universität tin Landessportbund Brandenburg) Freiburg) • Michael Lindner (Präsidiumsmitglied Schleswig- Holsteinischer Turnverband, Vorstandsmitglied Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüro) • Sabine Schröder (Vizepräsidentin GYMWELT Schwäbischer Turnerbund) • Prof. Dr. Ansgar Thiel (Direktor Institut für Sportwissen- schaft Eberhard-Karls-Universität Tübingen) 18
Mehr Sport: höheres Infektionsrisiko, ten. Denn Fitnessfaktoren gezielt zu unterstützen, ist ein bessere Immunität? wesentlicher Bestandteil der Gesundheitsförderung. Fest Sport und Gesundheit verhalten sich unter Pandemie steht: Die systematische Förderung von Bewegungsan- bedingungen ambivalent zueinander: Auf der einen geboten ist die – für alle Beteiligten – kostengünstigste Seite erhöht gemeinsamer Sport das Infektionsrisiko – Variante aller Präventionsmaßnahmen. zumindest, wenn dabei Kontakt zu anderen Menschen besteht. Das Risiko besteht also auch im Breiten-, Fitness- und Gesundheitssport, werden keine Schutzmaßnah- Politik ignoriert Relevanz des Sports für die men berücksichtigt. Gesundheit der Gesellschaft Sport wird auch von politischer Seite gern und häufig Auf der anderen Seite verbessert Sport jedoch die als große, gesellschaftsrelevante Säule hervorgehoben. Immunantwort des Körpers – vermutlich auch bei Solche wiederkehrenden Aussagen offenbaren sich in COVID-19. Außerdem lassen länger andauernde Bewe- Zeiten der Corona-Krise jedoch als wenig wert- und gungseinschränkungen für Jung und Alt erhebliche gehaltvoll. Denn weitestgehend saßen keine Vertre- negative gesundheitliche Folgen erwarten. Und zwar tungen aus dem organisierten Sport am Tisch bei den physisch und psychisch (COVID-19 und körperliche Akti- Verhandlungen der Gesundheitsminister*innen zu vität – Nutzen1). Die Herausforderung besteht also darin, Maßnahmen im Kontext der COVID-19-Pandemie. Der zwischen Infektionsrisiko und gesundheitsförderndem gesamte Breiten-, Fitness- und Gesundheitssport wurde Effekt durch Sport abzuwägen. undifferenziert heruntergefahren. Und das, obwohl die Wie lässt sich das Immunsystem der Bevölkerung wäh- rend der Pandemie weiterhin stärken? Ist es wirklich sinnvoll und nötig, auf Gesundheitsförderung durch Sport zu verzichten? Die Turn- und Sportvereine haben bislang gezeigt, dass sie das Infektionsrisiko mit entspre- chenden Hygiene- und Abstandskonzepten erheblich minimieren können. Yoga oder Tai-Chi draußen auf dem Rasen, Wanderungen mit Balance und Kraftübungen für Ältere und insgesamt vermehrte Outdoor-Fitness- Angebote oder digitale Sporteinheiten: Die Vereine geben mit ihren zielgesteuerten Aktivitäten im Breiten-, Fitness- und Gesundheitssport angemessene Antwor- 19
bedeutsamen gesundheitlichen Effekte von körperlicher Politische Lobbyarbeit und Marketing nötig Aktivität bekannt sind. Obwohl gute Hygienekonzepte Bundesweit gibt es 27 Millionen Mitgliedschaften im und klare Regeln zum Fitness- und Gesundheitssport organisierten Sport. Das entspricht rund einem Drittel unter COVID-19-Bedingungen kommuniziert wurden. der Bevölkerung! Trotzdem haben die Vereine und Ver- Und trotz aller gewissenhafter Umsetzung der Auflagen, bände bislang keinen durchschlagenden Einfluss auf die trotz fleißigem Einsatz der Haupt- und Ehrenamtlichen in politischen Entscheidungen zur Ausgestaltung von Lock- den Vereinen und Verbänden. down-Maßnahmen. Die politische Lobbyarbeit für die Vereine muss grundsätzlich effizienter sein und gestärkt werden. Mitspracherecht statt leerer Worte Sport wird somit weitestgehend als Freizeit abgetan und Auch die Marketingaktivitäten reichen bisher nicht nicht als notwendige, unverzichtbare Gesundheitsvor- aus – oder existieren schlicht nicht. Flächendeckend sind sorge gesehen. Das ist eine nicht hinnehmbare Situation hochwertige Fitness- und Gesundheitssport-Angebote und gleichsam ein falsches Signal für die Gesellschaft. in den Turn- und Sportvereinen vorhanden, mit quali- fizierten Übungsleitenden. Um diese Angebote publik zu Brot und Spiele fürs Volk: Die Bundesliga darf weiterlau- machen, wird ein besseres Marketing benötigt. fen – während die Bürger*innen sich mit dem Zugucken begnügen müssen. Nicht einmal Reitvereine dürfen in Es braucht eine weitreichende Öffentlichkeitskampagne, der Zeit des harten Lockdowns Menschen auf Pferden die die Vereine in ihrer (kommunal-) politischen Positio- in den Wald schicken. Differenziertes Abwägen von Risi- nierung unterstützt. Nur mit einer gezielten Kampagne ken? Fehlanzeige. lassen sich wieder mehr Mitglieder gewinnen und bin- den. Und nur so können die gesundheitlichen und psy- Daher ist es essenziell, dass Sportverbände politische chosozialen Effekte des Fitness- und Gesundheitssports Entscheider*innen in verschiedenen Ressorts sensibilisie- letztlich zum Tragen kommen. ren. Verbände und Vereine müssen für den Fitness- und Gesundheitssport ein Mitspracherecht erhalten, auch wenn es darum geht, Vorgaben zum Umgang mit der Menschen aktivieren und motivieren COVID-19-Pandemie zu entwickeln. Denn sie haben Erste wissenschaftliche Studien konnten Veränderungen sich massiv um kreative Lösungen bemüht, mit denen im Bewegungsverhalten der Bevölkerung in der Corona- Fitness- und Gesundheitssport weiterhin ausführbar ist – Zeit aufzeigen. Dabei gaben u. a. 35 Prozent der Befrag- mit möglichst minimalem Infektionsrisiko. ten – unabhängig vom Alter – an, dass ihre Bewegungs- aktivität in der Zeit der Pandemie abgenommen hat 2 . 20
Um die Menschen wieder in Bewegung zu bringen, ist bestmöglich vorbereitet sein. Mit Unterstützung der Ver- daher die Kommunikation mit den Vereinsmitgliedern bände aber insbesondere auch mit der notwendigen überaus wichtig, ebenso wie mit eventuellen neuen Ziel- Unterstützung des Bundes, der Länder und der Gesund- gruppen. Denn nur wer von Aktivitäten und Angeboten heitsministerien könnten die Vereine mit der Wieder- seiner örtlichen Sportvereine weiß, kann sie auch nutzen. aufnahme des Sports eine Öffentlichkeitskampagne für Outdoor-Formate und Online-Angebote – bestenfalls als Endverbraucher*innen starten. Livestream – flexibilisieren die Vereinsprogramme. Für diese Kampagne heißt es nun, potenzielle Kommu- Aber Präsenzkurse sollten weiterhin möglich sein, da die nikationspartner*innen zu finden, die die Botschaft der Teilnehmenden dabei soziale Kontakte pflegen und dies Vereine finanzieren und transportieren. nachhaltig die Bindung an körperliche Aktivität stärkt. Dieser Aspekt ist wichtig für die Mitgliederbindung. Quellen: Nicht nur die Bevölkerung gilt es für regelmäßige 1 Brutscher, J.; Millet, G. P.; Burtscher, M. (2020). Low cardiorespiratory Aktivitäten zurückzugewinnen. Auch die Funktions and mitochondrial fitness as risk factors in viral infections: implica- tions for COVID-19. British Journal of Sports Medicine. Published träger*innen im Verein (Ehrenamtliche, Übungsleitende, Online First: 24. November 2020. doi: 10.1136/bjsports-2020-103572. 2 Brand, R.; Timme, S. & Nosrat, S. (2020, 27. April). Handlungsemp- Trainer*innen) müssen wieder aktiviert und motiviert fehlungen zu Sport und Bewegung während der Corona-Krise. werden. Denn je länger der organisierte Sportbetrieb Zugriff unter https://cdn.dosb.de/user_upload/www.dosb.de/ LandingPage/Service-Medien/Handlungsempfehlung_Studie_Uni_ nicht stattfinden darf, desto schwieriger wird es, sie alle Potsdam.pdf. wieder dafür zu begeistern, Bewegungsangebote zu leiten. Geballte Kompetenz: einsatzfähig bei Lockerung des Lockdowns Vereine und Verbände als Orte des sozialen Miteinanders müssen zukünftig ihre Kompetenzen und Markenkerne noch mehr herausstellen. Sie müssen jeder für sich und gemeinsam eine Strategie entwickeln, um ihre Ange- bote zu vermarkten und die Bevölkerung zu aktivie- ren – bestenfalls mit politischer Unterstützung. Kommt es im Frühjahr 2021 zu Lockerungen, sollten die Vereine 21
WORKSHOP Kommunale Netzwerke und öffentliche Sporträume – Zukunftsperspektiven im Fitness- und Gesundheitssport? Mitgliederschwund, finanzielle Mindereinnahmen: Für eine Vielzahl an Vereinen hat die Corona-Pandemie weit- reichende Folgen. Andere haben diese Corona-Krise – vor allem beim Wiedereinstieg in den Sportbetrieb nach dem ersten Lockdown – bislang aber relativ gut bewältigt. Und das sogar, ohne sich dabei inhaltlich völlig neu aufzustellen und groß in neue Angebote zu investieren. Wer Outdoor-Sport im öffentlichen Raum im Programm hatte, konnte fast nahtlos weiterarbeiten. Ausschlaggebend für diesen zügigen Re-Start war, dass diese Vereine Kooperationen gepflegt haben und in ihrer Kommune besonders gut vernetzt sind. Ist das der optimale Weg für die Zukunft der Vereinsarbeit nach Corona? Welche Bedingungen müssen dafür erfüllt werden? Und welche Anforderungen werden dabei im Besonderen an die Vorstände in Vereinen und Verbänden, aber auch an die Kommunen gestellt? Workshopleitung Expertinnen und Experten • Dr. Michaela Werkmann (DTB-Vizepräsidentin • Christian Keipert (Amtsleiter Sportamt Sindelfingen, GYMWELT, akademische Mitarbeiterin Institut für Sport Vorstandsmitglied Deutsche Turnerjugend) und Sportwissenschaft Albert-Ludwigs-Universität • Peter Raueiser (Bewegungsmanager Kreis Cochem- Freiburg) Zell) • Pia Pauly (DTB-Abteilungsleiterin GYMWELT) • Florian Riegler (Leiter Servicebüro IG Sport Heddes- heim) • Jürgen Sabel (Geschäftsführer Turnverein »Eintracht« 1862 Cochem) • PD Dr. Hagen Wäsche (Akademischer Rat Karlsruher Institut für Technologie) 22
Re-Start dank funktionierendem Netzwerk Kommune. Diese Interaktion mit Amtsträger*innen war innerhalb der Kommune ausschlaggebend dafür, dass öffentlicher Raum außer- Mit den vom Bund und den Ländern aufgestellten halb der traditionellen Sportanlagen, -hallen und -plätze Corona-Maßnahmen kam der Vereinssport im ersten schon vor der Pandemie genutzt und ins Vereinsleben Lockdown weitestgehend zum Erliegen. Sportstätten integriert wurde. wurden geschlossen, der Ligen- und Wettbewerbsbe- trieb, vor allem im Mannschaftssport im Amateurbereich, fast gänzlich eingestellt. Bedürfnis der Menschen, mehr an der frischen Luft zu sein Und dennoch haben es einige Vereine vollbracht, mit So hatte mancher Verein seine Gymnastik- und Fitness- den ersten Lockerungen schnell wieder ihre Aktivitäten einheiten regelmäßig im Park und auf Grünflächen statt- hochzufahren. Geschafft haben sie das durch ein beson- finden lassen. So wie beispielsweise der TV »Eintracht« ders gut funktionierendes Netzwerk innerhalb ihrer 1862 Cochem seine Fitness-Locations für die Trainings- 23
einheiten verschiedener Sportgruppen während des Diese Aufmerksamkeit machen sich Vereine zunutze: Lockdowns nutzen konnte. Der Fitness-HotSpot und der Angebote, die im Freien stattfinden, erhöhen die Sicht- Fitness-Trail wurden schon vor der Pandemie fleißig von barkeit der Vereine in der Öffentlichkeit. Sie machen Vereinsgruppen und nicht organisierten Sportler*innen andere Sportler*innen neugierig und regen so eher genutzt. Somit war das Trainieren im Freien und das zum Mitmachen an. Das erweckte Interesse mündet Nutzen der Anlage schon geübt, sodass es keinen Still- im besten Fall in einer Mitgliedschaft. Vereinsvorstände stand gab. Nähere Informationen zu den Fitness-Loca- müssen allerdings verstehen, dass für viele Bürger*innen tions in Cochem: https://www.dtb.de/fitness-locations/ eine Mitgliedschaft nicht sofort in Frage kommt. Hier ist standorte/fitness-hotspot-und-fitness-trail-cochem. Die neues Denken in den Vorständen notwendig sowie die Wiederaufnahme des Betriebs bei noch nicht wieder Bereitschaft, über kommunale Netzwerke neue Zielgrup- geöffneten Sporthallen lief daher fast reibungslos wieder pen anzusprechen. an. Und draußen Sport zu erleben hat vielseitige Vorteile: Kommunen müssen eine zentrale Rolle Zum einen ist das Infektionsrisiko mit dem COVID-19- übernehmen Virus im Freien weitaus geringer als zum Beispiel in einer Das dazu nötige Netzwerk zu initiieren ist jedoch nicht kleinen Gymnastikhalle. Zum anderen wird damit einem einfach. Viele Vereine sind für eine solche Netzwerkarbeit stärker werdenden Bedürfnis der Menschen entspro- personell sowie strategisch nicht ausreichend aufgestellt chen, draußen an der frischen Luft zu sein und die Natur und benötigen deshalb dringend Hilfestellung. hautnah zu erleben. 52 Prozent der Sporttreibenden in Deutschland nutzen den Park, den Wald oder Wege.1 Ein Beispiel gelungener Netzwerkarbeit von Vereinen ist die Interessengemeinschaft (IG) Heddesheim. Dort haben sich fünf eigenständige Vereine in Heddesheim Angebote im Freien erhöhen die unter einem Dachverein zusammengetan, um mit einer Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit starken Stimme politisch ihre Anliegen zu vertreten und Die Bereitstellung von öffentlichen Räumen für Bewe- gemeinsam öffentlichkeitswirksam auftreten zu können. gung und somit für den Breiten-, Fitness- und Gesund- heitssport ist für eine gesunde Gesellschaft also notwen- Zudem müssen die Kommunen eine zentrale Rolle dig. Und sie gewinnt für den organisierten Vereinssport übernehmen, um ein sektorübergreifendes Netzwerk gerade auch durch die Pandemie zunehmend an Bedeu- für Sport, Bewegung und Gesundheit aufzusetzen und tung und Aufmerksamkeit. zu leiten. Denn der einzelne Turn- und Sportverein stößt meist an seine Grenzen, wenn es darum geht, z. B. 24
Wohlfahrts- und Sozialverbände, Kirchen, Seniorenbüros, Der Wunsch nach öffentlichem Raum für Sport und Quartiermanager*innen an den Tisch zu holen, um z. B. Gesundheit kann der Startpunkt eines ersten kom- niederschwellige Bewegungsangebote für Ältere zu munalen Netzwerkes sein. Die Kommunen müssen in initiieren (nähere Informationen zum DTB-Projekt AuF- diesem Feld investieren. Sie müssen den organisierten Leben: https://www.dtb.de/auf-leben/). Dazu ist jedoch Sport als wichtigen Player im Netzwerk einer Sport- und der politische Wille notwendig. Außerdem muss die Stadtentwicklung begreifen. Die Turn- und Sportvereine Bedeutung der Turn- und Sportvereine mit ihren sport- sorgen wiederum für die Belebung dieser Räume – aus fachlichen Kompetenzen sowie ihrem Sozialkapital stär- sportfachlicher und sozialer Sicht. Hier gilt es für alle ker in den Fokus rücken und Beachtung finden. gemeinsam, zukünftig einen Fokus zu setzen. Denn nur zusammen gelingt es den Vereinen und Kommunen, zukunftsgerechte Perspektiven auszubauen und Chan- Förderung von Netzwerk-Kompetenz als cen zu gestalten. neues Aufgabengebiet Probleme damit können jedoch kleinere Kommunen bekommen, bei denen die Verwaltung nicht die zentrale Rolle inne hat. Die Bedeutung von Bewegung für die Bürger*innen kann dann nicht aufgegriffen werden und der Netzwerkgedanke nicht zum Tragen kommen. An Quelle: 1 Woll, A.; Wäsche, H. & Haag, M. (2012). Sportbericht Konstanz: Sport- dieser Stelle können Ressourcen fehlen. Dort bietet sich verhalten und Sportstrukturen. Orte der Sportausübung. für Vereine eine große Chance, sich einzubringen und der Netzwerk-Treiber zu sein. Und zwar ein Netzwerk-Treiber, der bereit ist, sich zu öffnen und über den Tellerrand zu schauen. In einigen kleineren Gemeinden haben sich Vereine schon als strategische Partner zusammengeschlossen, um unter Berücksichtigung der lokalen Bedingungen mit einer gemeinsamen, starken Stimme aufzutreten. Die Förde- rung von Netzwerk-Kompetenz ist also ein völlig neues Aufgabengebiet innerhalb der Vereinsstruktur. 25
WORKSHOP Kinder und Jugendliche in der Zeit der Corona-Krise – Gewinner oder Verlierer? Keine Frage, seit Beginn der Corona-Pandemie und vor allem während des Lockdowns sind Heranwachsende in ihrer Bewegung massiv eingeschränkt. Und zwar sowohl quantitativ als auch qualitativ: Mit der Schließung von Schulen und Sportvereinen fällt der Schul- und Vereinssport weg. Selbst Spielplätze werden gesperrt. Wer sonst auf dem Schulhof rennt, nachmittags im Verein angeleitet Fußball spielt oder auf öffentlichen Flächen Basketball, hat plötzlich keine Möglichkeit mehr für seine gewohnte Bewegung. Welche Folgen hat die Pandemie für das Bewegungsverhalten von Kindern und Jugendlichen? Akzeptiert man die Bedingungen der Situation – was bedeutet das für den organisierten Sport? Wie lässt sich wieder gemeinsam Sport treiben? Zusammen mit Expert*innen aus dem Kinder- und Jugendsport wurde der Ist-Zustand im Alltag erörtert: Sport im öffentlichen Raum, im Verein sowie in Schule und Hochschule. Im Fokus stand auch der Ein- fluss von Schule, Kita, Verein und familiärem Umfeld auf das Bewegungsverhalten. Workshopleitung Expertinnen und Experten • Dr. habil. Katja Ferger (DTB-Vizepräsidentin Sport, Lehr- • Alexander Erg (Geschäftsführer TSG Weinheim 1862) kraft für besondere Aufgaben am Institut für Sport • Michael Fahlenbock (Präsident Deutscher Sportlehrer- wissenschaft Justus-Liebig-Universität Gießen) verband) • Wiebke Glischinski (Vorsitzende Deutsche Turner- • Prof. Dr. Annette Hofmann (DTB-Vizepräsidentin Gesell- jugend, Senior Human Resources Partner Deutsche schaftspolitik, Hochschulprofessorin, Pädagogische Bahn) Hochschule Ludwigsburg) • Julia Schneider (Vorstand Deutsche Turnerjugend, • Kerstin Holze (Vorstandsvorsitzende Deutsche Kinder- Ausschussmitglied Bundesjugendspiele) turn-Stiftung, Kinderärztin) • Olaf Jähner (Geschäftsführer Vereinsentwicklung Niedersächsischer Turner-Bund, 2. Vorsitzender Turn- Klubb zu Hannover ) 26
• Claudia Neumann (Abteilungsleiterin Deutsches Wälder – joggen, wandern, Inline skaten, Frisbee spielen, Kinderhilfswerk) Bälle kicken oder Online-Angebote wie »ALBAs tägliche • apl. Prof. Dr. Swantje Scharenberg (Leiterin und Sportstunde«. Wer flexibel war, fand Möglichkeiten für Geschäftsführerin des Forschungszentrums für den Bewegung. Der Winter-Lockdown erschwert die Situa- Schulsport und den Sport von Kindern und Jugend- tion jedoch, denn bei 3 Grad und Nieselregen fehlt der lichen am Karlsruher Institut für Technologie) Antrieb raus zu gehen. Schockstarre Lockdown: Weniger Wettkampf, weniger Motivation Bewegungsstillstand? Kinder haben ein Recht auf Bewegung. Ungünstiger- Dass Kinder und Jugendliche immer mehr zu Bewe- weise wurde während der Pandemie bislang viel über gungsmuffeln werden, ist nicht neu. Auch vor Corona Kinder und Jugendliche entschieden – nur nicht mit schafften es nur 15 Prozent der Kinder, eine Stunde ihnen. Sie sind die großen Verlierer*innen der Corona- täglich aktiv zu sein. Wie die Motorik-Modul-Studie Krise. Denn auch wenn Aktivitätsalternativen vorhanden (MoMo-Studie1) belegt, spielen Sportvereine und Schu- sind – Heranwachsende benötigen als Motivation den len eine zunehmend größere Rolle bei der Förderung sportlichen Vergleich in Form von Wettkämpfen und körperlicher Aktivitäten. Mit der Corona-Krise und dem Wettbewerben. Darüber hinaus gehören zum Sport auch Lockdown bestand also die berechtigte Sorge, dass diejenigen, die anleiten und motivieren: Trainer*innen, Heranwachsende zuhause sitzen und sich nur noch Übungsleitungen, Lehrer*innen. wenig bewegen. Aber Herausforderungen bergen auch Chancen. Das zeigte eine Stichproben-Untersuchung von MoMo-Teil- nehmenden während der Corona-Zeit: Erstaunlicher- weise kamen nun immerhin 31 Prozent auf 60 Minuten Bewegung am Tag. Corona hat den Bewegungsmangel zwar definitiv ver- stärkt, da Alltagswege und -bewegung wegfielen, etwa der Weg zur Schule mit dem Rad und der Sport im Ver- ein. Aber Familien, die Bewegung gewohnt sind, haben schnell Alternativen gesucht: ab in die Parks, ab in die 27
der Unterricht in dieser Phase weg von traditionellen Sportspielen bewegen, die Kontakt zwischen den Kin- dern und Jugendlichen erfordern. Alternativ kann man sich an Trendsportarten und -gerä- ten orientieren. Beispielsweise mit Scootern oder BMX- Parcours lassen sich in Schulen andere Bewegungsfelder nutzen, die pandemiekonformen Abstand garantieren. Umdenken in Schulen, Vereinen, Ausbildung erforderlich Statt zu resignieren, ist es nun gefragt, kreative Ideen aus Sporträume öffnen, Methoden anpassen der Krise zu ziehen, beispielsweise mit Konzepten wie Kinder und Jugendliche brauchen die Gemeinschaft. »Bewegte Pause« oder »Bewegter Unterricht«. Zudem ist Unter Einhaltung der AHA + L-Regeln wäre es deshalb es wichtig, Sport und Bewegung im Freien zu forcieren. gerade im Winter essenziell, Schul- und Vereinssporthal- Dabei lohnt es, in andere Länder zu blicken: Ein positives len für Sporteinheiten zu öffnen. Dafür muss die Sport- Beispiel bietet die »Draußenschule«2 in Skandinavien. stätteninfrastruktur in den Blick genommen werden. Auch hierzulande gibt es bereits Schulen, die diesem Denn Sport als Gesundheitsvorsorge braucht geeignete Vorbild folgen. Bewegungsräume, ob indoor oder outdoor. Außerdem werden derzeit hybride Unterrichtsformen Nötig und überfällig ist eine Initiative zum Ausbau, zur für Sport weiterentwickelt, analoge und digitale Lern- Sanierung und Modernisierung von Sportstätten und angebote verknüpft. Und auch mit Maske im Unterricht Sporträumen. Dabei sollten gewisse Mindeststandards oder in der Vereins-Übungsstunde sind viele Aktivitäten etabiliert werden, um adäquates und infektionsschutz- durchführbar. Die Verantwortlichen müssen den Schul- gerechtes Sporttreiben zu ermöglichen. sport, aber auch den Vereinssport neu denken – und damit gleichfalls die Ausbildung für Sportunterrichtende Neben dem Ziel, nutzbare Orte zu finden, ist es notwen- wie Lehrer*innen und Übungsleitungen. Denn nur so dig, Inhalte und Methoden des Sportunterrichts anzu- werden sie gestärkt und gerüstet für weitere Krisen. passen: Zum Beispiel sollten Elemente mit Körperkontakt und Hilfestellung vermieden werden. Zudem muss sich 28
Kooperationen in Angriff nehmen Bewegungsangebote mit Krankenkassen und Kommu- Wie lässt sich die Lockdown-Zeit nutzen, um die Jugend nen sind beispielsweise denkbar. bestmöglich durch die Krise zu begleiten? Was brauchen Schulen, Vereine, Gesellschaft, um den Sport wieder- aufzunehmen und aus der Situation grundsätzlich zu Gemeinsam starke Lobby sein lernen? Die Krise zeigt: Es gibt viele engagierte Menschen, durch deren Einsatz und Kreativität es gelingt, Bewegungsan- Aussichtsreich sind vor allem Kooperationen zwischen gebote zu schaffen – auch in Zeiten der Pandemie. Der Schulen und Sportvereinen. Denkbar sind dabei kon- organisierte Sport mit 27 Millionen Mitgliedern bundes- krete Ideen wie zum Beispiel, Kinderturnen als Grund- weit hat dabei viel Potenzial. Turnvereine haben auch lagenausbildung in den Schulen anzubieten, angeleitet in der Vergangenheit Krisen überstanden; beispielhaft von Vereinsübungsleiter*innen. Vor allem in Grundschu- ist dafür die Hamburger Turnerschaft, die in 200 Jahren len, in denen die Sportexpertise im Kollegium oft fehlt, ihres Bestehens u. a. zwei Weltkriege überstanden hat. scheint dies sinnvoll. So würde später, wenn Lockerun- gen der Corona-Maßnahmen es zulassen, ein differen- Der gesellschaftliche Wert von Vereinen als Orte des ziertes Sporttreiben ermöglicht. Miteinanders, des sozialen und körperlichen Lernens, ist nicht zu unterschätzen. Diese gemeinsame, starke Kraft muss zukünftig genutzt werden, um auf die Politik einzu- Potenzial der Vereine nutzen wirken und Veränderungen anzustoßen. Das Know-how, die Ideen und die Kreativität für Alter- nativangebote sind im organisierten Sport reichlich vorhanden. Umsetzbar ist vieles, sofern die Sportstätten oder auch öffentliche Räume dafür genutzt werden kön- nen. Aktuell scheitert jedoch vieles daran, dass nicht alle die vorhandenen Räume nutzen dürfen. Hilfreich, um Kinder und Jugendliche generell wieder mehr in Bewegung zu bringen, wären niedrigschwel- lige Sportangebote außerhalb der Vereinsgelände und Vereinsstrukturen. Und vor allem nicht zwingend ver- bunden mit einer Mitgliedschaft. Ballspiele im Park unter Vereinsanleitung, offen für alle, oder Kooperationen für 29
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