Zentraler Diabetes insipidus

 
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:: Zentraler Diabetes insipidus

             Diese Empfehlungen sind von der in Orphanet publizierten französischen Leitlinie aus dem Jahr 2009
             abgeleitet. Sie wurden durch Orphanet Deutschland übersetzt und in Zusammenarbeit mit dem
             nationalen Beirat für Seltene Hormonstörungen (Prof. Felix Beuschlein, Universitätsklinikum
             München) überarbeitet.

Synonyme: Diabetes neurohormonalis

Definition: Der zentrale Diabetes insipidus ist charakterisiert durch eine mangelhafte Sekretion von
antidiuretischem Hormon (ADH oder AVP) mit der Folge einer hypotonischen (30 ml/kg Körpergewicht). Er kann erblich oder erworben sein. Der ADH-Mangel kann infolge einer
Beeinträchtigung eines ADH-Bildungsortes (Nucleus supraopticus und Nucleus paraventricularis des
Hypothalamus) oder des Tractus hypothalamo-hypophysialis entstehen. Die Ätiologie der verschiedenen Formen
des zentralen Diabetes insipidus beim Erwachsenen und beim Kind ist vielgestaltig: idiopathisch, tumorinduziert
(Kraniopharyngiom, Metastase), chirurgische Eingriffe, aufgrund einer Histiozytose, posttraumatisch, infektiös,
aufgrund    einer   Speicherkrankheit,   Autoimmunerkrankung,     granulomatösen     Erkrankung     u.a.   Die
Grundbehandlung ist die Gabe von DDAVP (Desmopressin, MINIRIN®) oral, als Injektion oder Nasenspray.
Mehr erfahren Sie unter:
Kurzbeschreibung der Krankheit bei Orphanet

                                                 Menu
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Merkblatt für den Rettungsdienst
                                                                     Notfallambulanz
Synonyme                                                     Notfallsituationen
Pathophysiologie                                             Lenkung

Notfälle                                                     Medikamenten-Wechselwirkungen
Häufig verschriebene langfristige Therapien                  Anästhesie
Vermeidung von Gefahren                                      Präventionsmaßnahmen
Besonderheiten der medizinischen Versorgung                  Zusätzliche Maßnahmen und
vor Einweisung ins Krankenhaus                               Krankenhauseinweisung
Weitere Informationen                                        Organspende
                                                             Literatur

http://www.orpha.net/data/patho/DE/Emergency_Zentraler-Diabetes-insipidus-dePro17999.pdf
©Orphanet Deutschland
Merkblatt für den Rettungsdienst

         Ruf zu einem Patienten mit zentralem Diabetes insipidus
Synonyme
 Diabetes neurohormonalis

Pathophysiologie
 Störung der Sekretion von antidiuretischem Hormon (ADH) infolge einer Beeinträchtigung des Nucleus
    supraopticus und Nucleus paraventricularis des Hypothalamus oder des Tractus hypothalamohypophysialis,
    deren Ursachen unterschiedlich sein können: Tumor (Kraniopharyngiom, Metastase), chirurgische Eingriffe,
    idiopathisch,  Histiozytose,  posttraumatisch,   infektiös, Speicherkrankheit,  Autoimmunerkrankung,
    granulomatöse Erkrankung u.a.

Notfälle
Die klinischen und biologischen Anzeichen von Störungen des Wasserhaushaltes erlauben in der medizinischen
Notfallversorgung häufig keine klare Diagnose, für den mobilen Notfalldienst ist die Diagnose in der Praxis häufig
erschwert. Die klinischen Zeichen korrelieren mit der Störung der Natriämie, ihrer Intensität und dem Eintrittstempo:
 intrazelluläre Dehydratation mit normalem Natriumspiegel bei kompensatorischer Polydipsie oder
    Hypernatriämie bei fehlender Wasserzufuhr
 Hyperhydratation mit Hyponatriämie bei Desmopressin-Überdosierung: klinische Zeichen in Abhängigkeit vom
    Grad der Hyponatriämie

Häufig verschriebene langfristige Therapien
 Desmopressin (MINIRIN®): oral, als Injektion oder Nasenspray

Vermeidung von Gefahren

         –   Achtung bei sämtlichen Ursachen von Dehydratation, die einen Diabetes insipidus maskieren oder
             durch diesen maskiert sein können
         –   Achtung bei eventuellen anderen adenohypophysären Defiziten (insbesondere kortikotrope
             Insuffizienz)

Besonderheiten der medizinischen Versorgung vor Einweisung ins Krankenhaus
 Symptomatische Hypovolämie-Korrektur nach Blutabnahme für ein Ionogramm, falls möglich
 Einweisung in die Intensivpflege oder Reanimation

Weitere Informationen:
 Besuchen Sie die Orphanet-Website unter http://www.orpha.net/ und geben Sie den Namen der Krankheit in
    das Suchfeld ein. Auf der Übersichtsseite der Krankheit wählen Sie im Menu  den Link
    . Schränken Sie die Suchabfrage auf das gewünschte Land ein.

                        Empfehlungen für die Notfallambulanz
http://www.orpha.net/data/patho/DE/Emergency_Zentraler-Diabetes-insipidus-dePro17999.pdf
©Orphanet Deutschland
Notfallsituationen
1. Intrazelluläre Dehydratation
Der Natriumspiegel bleibt normal, wenn die Polyurie durch eine Polydipsie kompensiert wird. Falls keine
Hydratation möglich ist (Koma, psychische Störungen, Sedierung in der Reanimation, ältere Patienten oder
kleine Kinder), wird eine Hypernatriämie mit intrazellulärer Dehydratation und plasmatischer
Hyperosmolarität eintreten.
ACHTUNG BEI SÄMTLICHEN URSACHEN VON          DEHYDRATATION, DIE EINEN DIABETES INSIPIDUS MASKIEREN ODER
DURCH DIESEN MASKIERT SEIN KÖNNEN.

 Diagnostische Sofortmaßnahmen:
     Beurteilung des Schweregrades:
        –  Die klinischen Zeichen korrelieren mit dem Grad der Hypernatriämie und deren Eintrittstempo:
           Somnolenz, Asthenie, Verhaltensstörungen, zentrales Fieber, Krampfanfall, Koma,
           zerebromeningeale Blutung
        – Durst: manchmal sehr stark
        – Trockene Schleimhäute
        – Polyurie
        – Gewichtsverlust
     Im Notfall prüfen:
        –    BlutIonogramm, plasmatische Osmolarität, Diurese und Osmolarität des Urins und Harndichte
             •   HyperNa > 145 mmol/l, plasmatische Osmolarität > 300 mosmol/l in Verbindung mit hypo-
                 tonischer Polyurie (Posm > 300 mosmol/kg Wasser) und einer niedrigen Harndichte (< 1005)

 Therapeutische Maßnahmen im Notfall:
     SYMPTOMATISCHE BEHANDLUNG UND ÄTIOLOGIE: Streben nach Korrektur der Hypovolämie,
      sofern vorhanden, und der Hyperosmolarität im Plasma
        –    ZUFUHR VON DDAVP (MINIRIN®)
             •   Wenn der Erkrankte bewusstlos ist: Injektion (subkutan, i.v. direkt oder i.m. (1 ml = 4 µg)):
                  ◊ Erwachsener: 1 bis 4 µg/Tag in 2 Injektionen
                   ◊ Säugling: 0,2 bis 0,4 µg/Tag in 2 Injektionen, mit 1 beginnen
                   ◊ Kind: 0,4 bis 1 µg/Tag in 2 Injektionen
             •   Wenn der Erkrankte bei Bewusstsein ist:
                  ◊ nasal: Spray: 10 µg pro Hub. 10 bis 20 µg bei Erwachsenen, bei Bedarf wiederholen
                   ◊ oral: Minirin® Tabletten zu 0,1 und 0,2 mg. 0,1 bis 0,2 mg x 3/Tag oder (Minirinmelt® 60,
                     120 oder 240 µg)
                   Hinweis: Im Fall eines mit MINIRIN® nasal kontrollierten Diabetes insipidus entspricht die
                   Dosis von MINIRIN Injektionslösung mit vergleichbarer Wirkung etwa einem Zehntel der
                   nasal verabreichten Dosis.
         –   AUSGLEICH DES WASSERVERLUSTES: Wasser trinken lassen, wenn der neurologische Zustand
             es erlaubt, oder über venösen Zugang rehydrieren: 2,5%ige Glukoselösung
        –    Die orale oder i.v. Rehydratation kann bis zu 1 l/Std. gehen
        –    Zu verabreichende Wassermenge: Wasserdefizit = 60% X Gewicht X ([Na/140]-1)
        –    Den Natriumspiegel nicht zu schnell korrigieren: Ziel: 10 nmol/l in 24Std., besonders bei länger
             bestehender Hypernatriämie

     ÜBERWACHUNG:
        –    Gewicht
        –    Blutdruck
        –    Bewusstsein
        –    24-Stunden-Diurese
        –    Blut-Ionogramm

2. Hyperhydratation mit Hyponatriämie:

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©Orphanet Deutschland
Bei Überdosierung von DDAVP oder wenn eine begleitende Änderung des Durstzentrums vorliegt (zum
Beispiel durch traumatische Läsion), kann eine Hyperhydratation mit Hyponatriämie beobachtet werden.
Überdosierung von DDAVP:
Die klinischen Zeichen korrelieren mit dem Grad der Hyponatriämie und dem Tempo ihres Eintretens
(Übelkeit, Erbrechen, Anorexie, Kopfschmerzen, Benommenheit, Koma, Krampfanfälle, fehlendes Durstgefühl,
sogar Ekel vor Wasser). Biologisch liegt eine Hyponatriämie vor.
 Therapeutische Sofortmaßnahmen
      Abbruch der Behandlung mit Minirin®
      Bei asymptomatischer oder gering              symptomatischer      Hyponatriämie:     Einschränkung    der
       Wasserzufuhr: 500 bis 700 ml/24 Std.
      Bei symptomatischer Hyponatriämie: die Korrektur der Störungen muss vorsichtig erfolgen, denn es
       besteht ein hohes Risiko einer zentralen pontinen Myelinolyse
      Bei Koma oder Krämpfen: Infusion von hypertonischer Kochsalzlösung, dabei darauf achten, den
       Natriumspiegel um nicht mehr als 1 mmol/Std. und nicht mehr als 12 mmol am ersten Tag zu korrigieren

Lenkung
 Wohin? Nächstgelegenes Krankenhaus: Intensivstation oder Reanimation je nach klinischem Zustand, danach
    an die Endokrinologie überweisen.
 Wann? Abhängig vom Schweregrad der Elektrolytstörung und des Bewusstseinszustands

Medikamenten-Wechselwirkungen
 Carbamazepin (Tégrétol®): Potenziert die Freisetzung und Wirkung von ADH. Stimuliert die AVP-Sekretion
    und verstärkt seine Wirkung auf die Nieren.
 Clofibrat (Lipavlon®): Stimuliert die AVP-Produktion.
 Chlorpropamid (Diabinèse®), Indometacin (Indocid®, Indobiotic®): Steigern die Freisetzung von ADH und
    potenzieren die antidiuretische Wirkung.
   Lamotrigin (Lamictal®, Lamicstart®): Gefahr einer Hyponatriämie.
   Thiazide (z.B. Esidrex®): Können durch einen mäßigen Kochsalzentzug die Diurese verringern.
   Glibenclamid (Daonil®, Miglucan®): Verminderung der antidiuretischen Wirkung.
   Valproinsäure (Dépakine®, Micropakine®, Dépakote®): Unter Depakote® ist ein Fall von transitorischem
    Diabetes insipidus aufgetreten.
 Loperamid (Imodium®, Indiaral®, Ercestop®, Arestal®, Diaretyl®, Peracel®): Aufgrund der durch das AM
    verlangsamten Verdauungsmotilität besteht das Risiko einer Verstärkung der antidiuretischen Wirkung von
    Minirin®.

Anästhesie
 Überwachung des Hydratationsstatus, der Diurese und der plasmatischen Osmolarität bei:
      chirurgischem Eingriff
      Situationen, in denen der Patient seinen Durst nicht stillen oder mit Minirin® behandelt werden kann
 Die Zufuhr erfolgt über einen venösen Zugang

Präventionsmaßnahmen
 Für    eine  wirksame   Kompensation     anderer   eventuell damit               verbundener     Defizite   des
    Hypophysenvorderlappens sorgen, insbesondere des ACTH-Mangels.

Zusätzliche Maßnahmen und Krankenhauseinweisung

http://www.orpha.net/data/patho/DE/Emergency_Zentraler-Diabetes-insipidus-dePro17999.pdf
©Orphanet Deutschland
 Bei Störungen der Durstregulation:
      die Wasserzufuhr quantifizieren und kontrollieren
      die Zufuhr an die Diurese anpassen
      die Salzzufuhr in der Ernährung anpassen
   Bei sehr heißem Wetter an angemessene Klimatisierung denken
   Den Patienten einen leichten und häufigen Toilettengang ermöglichen
   Die Eltern und die Angehörigen über die Krankheit und ihre Behandlung informieren
   Den Patienten schulen

Organspende
         –   In der Literatur gibt es keine Daten, die gegen eine Organspende sprechen. Die Entscheidung ist
             von der den Diabetes insipidus verursachenden Ausgangserkrankung abhängig zu machen.
             Zu beachten: Ein Hirntod geht häufig mit einem zentralen Diabetes insipidus einher, daher
             empfiehlt sich eine besondere Überwachung des Wasserhaushalts. Die Behandlung des Diabetes
             insipidus muss frühzeitig einsetzen, sie umfasst eine an die Diurese angepasste Substitutions-
             behandlung mit DDAVP.

Literatur
 Ann Fr Anesth Reanim. 2006 May;25(5):525-7. Epub 2006 Feb 28. [Transient central diabetes insipidus during
    a valproic acid poisoning]
 Lancet. 2000 Aug 19;356(9230):656. Hyponatraemia associated with lamotrigine in cranial diabetes insipidus.
    Mewasingh L, Aylett S, Kirkham F, Stanhope R.
 Eur J Clin Pharmacol. 1999 Jun;55(4):305-9. Changes in gastrointestinal motility influence the absorption of
    desmopressin. Callréus T, Lundahl J, Höglund P, Bengtsson P. Department of Clinical Pharmacology, Lund
    University Hospital, Sweden.
 Crit Care Med. 1994 Aug;22(8):1301-5. Brain death in pediatric intensive care unit patients: incidence, primary
    diagnosis, and the clinical occurrence of Turner's triad. Staworn D, Lewison L, Marks J, Turner G, Levin D.
    Department of Pediatrics, University of Texas, Dallas.

Diese Empfehlungen sind von der in Orphanet publizierten französischen Leitlinie aus dem Jahr 2009 abgeleitet.
Sie wurden durch Orphanet Deutschland übersetzt und in Zusammenarbeit mit Prof. Felix Beuschlein an die
Situation in Deutschland angepasst.
Die Original-Leitlinie wurde erstellt von: Morlet N, Brue T, Centre de Référence des Maladies Rares d’Origine
Hypophysaire (DEFHY), Ducasse N, Association Française du Diabète Insipide (AFDI): Diabète insipide d’origine
centrale. Orphanet Urgences 2009, https://www.orpha.net/data/patho/Pro/fr/Urgences_DiabeteInsipideCentral-
frPro17999.pdf

Datum der Fertigstellung: [2014]

http://www.orpha.net/data/patho/DE/Emergency_Zentraler-Diabetes-insipidus-dePro17999.pdf
©Orphanet Deutschland
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