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Sascha Faradsch ZIELMARKT TÜRKEI Analyse und Beurteilung der Türkei als Zielmarkt für den Export von Dienstleistungen durch deutsche Unternehmen im Bereich erneuerbarer Energien EXPEED | Arbeitspapier Nr. 1
2 | SASCHA FARADSCH Impressum Herausgeber: Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) Potsdamer Straße 105 D-10785 Berlin Tel. +49 – 30 – 884 594-0 Fax +49 – 30 – 882 54 39 E-mail: mailbox@ioew.de www.ioew.de Die Zielmarktstudie wurde erstellt im Rahmen des Projekts: EXPEED – Exportpotenziale von Dienstleistungen im Bereich Erneuerbare Energien (www.expeed.de) Projektpartner Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung GmbH (gemeinnützig) Dr. Bernd Hirschl (Gesamtprojektleiter), Dr. Julika Weiß (Projektkoordinatorin), Dr. Wilfried Konrad www.ioew.de Universität Rostock Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Institut für Marketing und Dienstleistungsforschung, Prof. Dr. Martin Benkenstein, Madlen Thom www.wiwi.uni-rostock.de/bwl/marketing Regenerative Energien - Netzwerk für Export und Technologie Ulrike Krüger, Nadine Bethge, Gabi Rüger Deutsche Energie-Agentur GmbH Dr. Konrad Bauer, Dorit Rößler Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Förderschwerpunkt „Ex- portfähigkeit und Internationalisierung von Dienstleistungen“, Projektträger DLR.
EXPEED – ZIELLANDSTUDIE TÜRKEI | 3 Vorwort Erneuerbare Energien (EE) haben sich aufgrund ihres Beitrags zu einer zukunftsfähigen Energie- erzeugung national und international zu Märkten mit einer hohen Wachstumsdynamik entwickelt. Dabei spielen eine Reihe von Dienstleistungen entlang der Wertschöpfungskette eine zentrale Rol- le, z.B. Planung, Projektierung und Finanzierung von Anlagen, Betriebsführung sowie Aus- und Weiterbildung. Das Projekt EXPEED (Exportpotenziale von Dienstleistungen im Bereich erneuer- bare Energien) befasste sich in den letzten Jahren intensiv mit diesen Dienstleistungen und ihrer Internationalisierung. Die Ergebnisse des Projekts zeigen, dass Dienstleistungen im Bereich er- neuerbare Energien einen nicht vernachlässigbaren Anteil an der Wertschöpfung haben und ein signifikantes Exportpotenzial aufweisen. In Bezug auf den Export wird häufig davon ausgegangen, dass die Dienstleistungen den Herstellern ins Ausland folgen, wenn sie als technologiebegleitende Services angeboten werden. Dies ist durchaus häufig der Fall, aber erneuerbare Energieanlagen weisen darüber hinaus eine besondere Eigenschaft auf, die sie von vielen anderen Gütern und Technologiebereichen unterscheidet: Bevor eine Anlage errichtet werden kann, sind bereits viele Dienstleistungen nötig, wie beispielsweise Standorterkundungen und Potenzialermittlungen, oder die oben erwähnten Planung, Projektierung und Finanzierung. Neben diesen anlagenbezogenen spielen weitere Dienstleistungen eine wichtige Rolle, wie zum Beispiel Bildung und Forschung, aber auch solche zur Errichtung von Produktionsanlagen oder produktionsbegleitende Services. Viele dieser Dienstleistungen haben ein eigenständiges Exportpotenzial, das von einigen Unter- nehmen bereits in Ansätzen erschlossen wird, jedoch noch höher ausfallen könnte. Trotz der durchaus relevanten ökonomische Bedeutung von Dienstleistungen – allgemein sowie bezogen auf den Export – kommen diese im Rahmen der wissenschaftlichen und politischen Debatte bisher kaum vor und es existieren praktisch keine Unterstützungsangebote, die die spezifischen Anforde- rungen der Dienstleister bei ihrem Gang ins Ausland adressieren. Im Rahmen des Projekts EXPEED wurden fünf Länderfallstudien durchgeführt, die im Unterschied zu den bisher verfügbaren Länderinformationen die Exportpotenziale von Dienstleistungen und Dienstleistern besonders in den Blick nehmen. Ziel dieser Länderfallstudien war die Untersuchung der – nach EE-Sparten und Dienstleistungsarten differenzierten – Potenziale im jeweiligen Ziel- markt für Dienstleistungsunternehmen aus Deutschland. Die Auswahl der Länder erfolgte auf der Basis von Ergebnissen einer Breitenerhebung unter EE-Dienstleistern sowie einer literaturbasier- ten Analyse der Marktattraktivität und zentraler Rahmenbedingungen zahlreicher potentieller Ziel- länder. Aus den Ländern mit hoher Marktattraktivität wurden schließlich fünf ausgewählt, die sich bezüglich zentraler Marktbarrieren (abgeschätzt über die Faktoren allgemeines Länderrisiko, Ent- wicklungsstand sowie räumliche und kulturelle Distanz) möglichst stark unterscheiden: China, Frankreich, Marokko, Tschechien und die Türkei. Die Ziellandstudien richten sich insbesondere an die Dienstleister in den verschiedenen Bereichen der erneuerbaren Energien, die auf internationalen Märkten tätig sind oder es werden wollen. Ihnen sollen die Studien eine Hilfestellung bieten bei der Auswahl geeigneter Zielländer sowie bei der Frage nach geeigneten Internationalisierungsstrategien für diese Märkte. Darüber hinaus stellen die Zielmarktanalysen als Fallbeispiele Beiträge zur Dienstleistungsforschung dar. Erstellt wurden die Studien maßgeblich von Studierenden im Rahmen von Abschlussarbeiten bzw. Praktika am In- stitut für ökologische Wirtschaftsforschung. Die Verantwortung für den Inhalt liegt daher bei den Autorinnen und Autoren. Für die Veröffentlichung wurden sie in einem einheitlichen Layout gestal- tet und teilweise leicht redaktionell bearbeitet. In die Zielmarktstudie Türkei flossen Anmerkungen von Susanne Thoring (forschlabor) ein, bei der wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken wollen. Bernd Hirschl, Julika Weiß
EXPEED – ZIELLANDSTUDIE TÜRKEI | 5 Inhaltsverzeichnis 1 Einführung........................................................................................................... 10 1.1 Allgemeine Länderinformationen ......................................................................................................10 1.2 Wirtschaftspolitik und allgemeine Länderrisiken...............................................................................13 1.2.1 Politische Risiken...............................................................................................................13 1.2.2 Rechtliche Risiken .............................................................................................................14 1.2.3 Wirtschaftliche Risiken.......................................................................................................15 2 Der türkische Energiemarkt ............................................................................... 18 2.1 Die globale Energiesituation .............................................................................................................18 2.2 Die Energiesituation in der Türkei.....................................................................................................19 2.2.1 Energieverbrauch und -zusammensetzung.......................................................................19 2.2.2 Energieimporte ..................................................................................................................21 2.2.3 Energieressourcen und -produktion ..................................................................................21 2.2.4 Verbrauchergruppen und Stromerzeugung .......................................................................23 2.3 Die Struktur des Energiemarktes ......................................................................................................26 2.3.1 Erste Liberalisierungsschritte im Energiemarkt .................................................................27 2.3.2 Entwicklung eines wettbewerbsfähigen Energiemarktes ..................................................29 2.3.3 Der Markt für Elektrizität und Stromnetze..........................................................................31 3 Exportbeziehungen zwischen Deutschland und der Türkei ........................... 33 3.1 Bilaterale Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei........................................................33 3.1.1 Wirtschaftliche Beziehungen .............................................................................................33 3.1.2 Wirtschaftliche Zusammenarbeit .......................................................................................34 3.1.3 Kulturelle Beziehungen......................................................................................................34 3.1.4 Türkische Fördermaßnahmen für ausländische Investitionen...........................................35 3.1.5 Deutsche Exportmöglichkeiten für den türkischen Markt ..................................................35 3.2 Deutsche Exportmöglichkeiten im türkischen Energiesektor............................................................36 3.3 Der türkische Dienstleistungssektor..................................................................................................37 3.4 Protektionistische Handelshemmnisse im Dienstleistungssektor .....................................................38 3.4.1 Tarifäre Handelshemmnisse..............................................................................................38 3.4.2 Nicht-tarifäre Handelshemmnisse .....................................................................................38 4 Erneuerbare Energien in der Türkei .................................................................. 41 4.1 Erneuerbare Energiepolitik in der Türkei ..........................................................................................42 4.1.1 Staatliche Förderung für erneuerbare Energien ................................................................42 4.1.2 Bilaterale Abkommen zur Förderung erneuerbarer Energien ...........................................45 4.1.3 Internationale Programme zur Förderung erneuerbarer Energien....................................45 4.2 Der Markt für erneuerbare Energien in der Türkei............................................................................47 4.2.1 Marktakteure und Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien..................................47 4.2.2 Der Markt für erneuerbare Energien..................................................................................48 4.2.3 Direkte Solarenergie ..........................................................................................................51
6 | SASCHA FARADSCH 4.2.4 Windenergie .......................................................................................................................53 4.2.5 Geothermie ........................................................................................................................57 4.2.6 Biomasse ...........................................................................................................................60 4.2.7 Wasserkraft ........................................................................................................................62 5 Bewertung und Schlussfolgerung .....................................................................66 5.1 Informationssituation .........................................................................................................................66 5.1.1 Energiemarkt......................................................................................................................66 5.1.2 Erneuerbare Energiequellen ..............................................................................................66 5.2 Geographische Lage .........................................................................................................................67 5.2.1 Allgemein ...........................................................................................................................67 5.2.2 Erneuerbare Energiequellen ..............................................................................................67 5.3 Rechtliche und politische Situation ...................................................................................................68 5.3.1 Allgemein ...........................................................................................................................68 5.3.2 Energiemarkt......................................................................................................................70 5.4 Ökonomische Situation .....................................................................................................................71 5.4.1 Allgemein ...........................................................................................................................71 5.4.2 Energiemarkt......................................................................................................................72 5.5 Fazit...................................................................................................................................................75 5.5.1 Attraktivität für einzelne Dienstleistungsbereiche ..............................................................75 5.5.2 Hemmnisse ........................................................................................................................76 6 Literaturverzeichnis ............................................................................................82
EXPEED – ZIELLANDSTUDIE TÜRKEI | 7 Abbildungsverzeichnis Abb. 1.1: Topographie Türkei.......................................................................................................10 Abb. 1.2: Türkei in Europa ...........................................................................................................11 Abb. 1.3: Inflationsrate in der Türkei ............................................................................................16 Abb. 2.1: Weltweite Entwicklung des Primärenergieverbrauchs von 1971 bis 2003...................18 Abb. 2.2: Anteile der Energieträger am Primärenergieverbrauch Türkei, 2005...........................19 Abb. 2.3: Entwicklung des Energieverbrauchs in der Türkei und Vergleich von Energieproduktion und -importen von 1990 bis 2003 ..................................................22 Abb. 2.4: Energieverbrauch nach Sektoren und Energiequelle, Türkei 1973 und 2003 .............23 Abb. 2.5: Entwicklung der Stromerzeugung nach Energiequelle, Türkei von 1973 bis 2020......24 Abb. 2.6: Strompreise in OECD (OSZE) Ländern, 1999 .............................................................31 Abb. 3.1: Ausgaben Dienstleistungen in der Türkei von 2000 bis 2006 ......................................37 Abb. 4.1: Primärenergieverbrauch der erneuerbaren Energien (EE TPES) in der Türkei, 1971 bis 2003 (in Millionen TOE) .................................................................................49 Abb. 4.2: Windkarte Türkei...........................................................................................................55 Abb. 4.3: Flüsse und durchschnittliche Niederschlagsmengen pro Jahr, Türkei.........................62 Tabellenverzeichnis Tab. 1.1: Wirtschaftlicher Vergleich Deutschland und Türkei......................................................12 Tab. 2.1: Primärenergieverbrauch, Energieimporte und Produktion, Türkei 2005 ......................20 Tab. 2.2: Überblick von Privatisierungsprojekten im Bereich Energie in der Türkei....................28 Tab. 2.3: Staatsunternehmen im Energiesektor ..........................................................................29 Tab. 4.1: Vergleich von EE (Mengen und Anteile) ......................................................................48 Tab. 4.2: Entwicklung (nach MENR) und Potenziale erneuerbarer Energiequellen in der Türkei (in MTOE) ..........................................................................................................50 Tab. 4.3: Regionale Verteilung des Sonnenenergiepotentials in der Türkei ...............................52 Tab. 4.4: Regionale Verteilung des Windenergiepotenzials in der Türkei...................................54 Tab. 4.5: Regionale Verteilung des geothermischen Energiepotenzials in der Türkei................57 Tab. 4.6: Für die Stromerzeugung geeignete Geothermalgebiete ..............................................58 Tab. 4.7: Wasserkraftprojekte in der Türkei, 2004.......................................................................63 Tab. 5.1: Allgemeine Faktoren zur Ländermarktbewertung ........................................................79 Tab. 5.2: Energiespezifische Faktoren zur Länderbewertung .....................................................80
8 | SASCHA FARADSCH Abkürzungsverzeichnis AA Auswärtiges Amt AGA Auslandsgeschäftsabsicherung der Bundesrepublik Deutschland AKP Adalet ve Kalkinma Partisi (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) AWZ Außenwirtschaftszentrum Bayern Bfai Bundesagentur für Außenwirtschaft BIP Bruttoinlandsprodukt BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung BOO Build-Own-Operate BOT Build-Operate Transfer BOTAS Boru Hatlari Petrol Tasimaciligi A.S. (Turkish Pipeline Corporation) BPB Bundeszentrale für Politische Bildung BSREC Black Sea Regional Energy Centre BSW Bundesverband Solarwirtschaft e.V. CIA Central Intelligence Agency CDM Clean Development Meachnism DEG Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft Dena Deutsche Energie-Agentur GmbH DEWI Deutsche Windenergie-Institut DFI General Directorate of Foreign Investments DSI Devlet Su Isleri (Generaldirektion für Wasserwirtschaft) DTKR Deutsch-Türkischer Kooperationsrat EE Erneuerbare Energien EEG Erneuerbare Energien Gesetz EFTA European Free Trade Association EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl EIA Energy Information Administration EIC Euro Info Centre EIE Elektrik Isleri Etut Idaresi (Electric Power Resources Survey and Develop- ment Administration) EMRA Enerji Piyasasi Düzenleme Kurumu (Energy Market Regulation Authority) EU Europäische Union EVU Energieversorgungsunternehmen FDI Foreign Direct Investment GAP Güneydoğu Anadolu Projesi (Südanatolien-Projekt) GE General Electric GENI Global Energy Network Institute GTZ Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GUS Gemeinschaft unabhängiger Staaten IAP International Action Programme IEA International Energy Agency (Internationale Energie Agentur) ISERI Energy Systems & Environmental Research Institute IWF Internationaler Währungsfond JI Joint Implementation KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau LNG Liquefied Natural Gas LPG Liquefied Natural Gas
EXPEED – ZIELLANDSTUDIE TÜRKEI | 9 MENR Ministry of Energy and Natural Resources (Ministerium für Energie und Res- sourcen) MTA General-Directorate of Mineral Research and Exploration NATO North Atlantic Treaty Organisation NGO Non-Governmental Organisation (Nichtregierungsorganisationen) OECD Organisation for Economic Co-operation and Development (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE) PIGM Directorate-General for Petroleum Affairs PKK Partiya Karkeren Kurdistan (Arbeiterpartei Kurdistans) R&D Research and Development REC Regional Environmental Center SEE State Economic Enterprise TAEK Turkish Atomic Energy Authority TEAS Türkiye Elektrik Anonim Sirketi A.S. (Turkish Electricity Generation and Transmission Corporation) TEDAS Türkiye Elektrik Dagitim A.S. (Turkish Electricity Distribution Corporation) TEIAS Turkish Electricity Transmission Corporation TEK Türkiye Elektrik Kurumu (Turkish Electricity Company) TEÜAS Turkish Electricity Production Corporation TETAS Turkish Electricity Trading and Contracting Corporation TJD Türkiye Jeotermal Dernegi TKB Türkische Entwicklungsbank TKI Türkiye Kömür Isletmeleri (Turkish Coal Enterprise) TMS Turkish State Meteorological Service (Türkisch: DMI, Devlet Meteoroloji Işleri Genel Müdürlüğü) TOE Tons of oil equivalent (Tonnen Öläquivalente, Rohöleinheit) TOOR Transfer-of-Operating-Rights TPAO Türkiye Petrolleri Anonim Ortakligi (Turkish Petroleum Corporation) TPES Total Primary Energy Supply (Primärenergieverbrauch) TSE Türkische Normeninstitut (Türk Standartlari Enstitüsü) TSKB Türkische Industrieentwicklungsbank TTK Türkiye Taskömürü Kuirumu (Turkish Hard Coal Enterprise) TUPRAS Türkiye Petrol Rafinerileri Anonim Sirketi (Turkish Petroleum Refineries Cor- poration) TÜSIAD Spitzenverband der türkischen Industrie UNFCCC United Nations Framework Convention on Climate Change UNO United Nations Organization (Organisation der Vereinten Nationen) WEA Windenergieanlagen WTO World Trade Organisation ZREU Zentrum für rationelle Energieanwendung und Umwelt GmbH
10 | SASCHA FARADSCH 1 Einführung 1.1 Allgemeine Länderinformationen 1 Die Republik Türkei (Türkiye Cumhuriyeti) befindet sich sowohl auf dem europäischen als auch auf dem asiatischen Kontinent. Die Landesfläche umfasst 814.578 km², wovon 97 Prozent in Asien (Anatolien) und nur drei Prozent in Europa (Thrazien) liegen. Die zwei Kontinente sind nur durch den Bosporus und die Dardanellen voneinander getrennt. Die Pontic-Bergkette im Norden und die Taurus-Bergkette im Süden umschließen das zentrale Plateau Anatoliens und gehen dann in das riesige Gebirgsgebiet im Osten des Landes über. Hier entspringen die Flüsse Euphrat und Tigris. Die vier Meere - im Norden das Schwarze Meer, im Westen das Marmarameer und die Ägäis und im Süden das Mittelmeer - bilden 8.333 km Küstenlinie mit dem türkischen Festland. Die geogra- phische Lage sowie die topographischen Beschaffenheiten der Türkei werden in Abbildung 1 ver- deutlicht. Ein mediterranes Klima ist überwiegend in den Küstengegenden zu finden, wo kurze, milde und feuchte Winter sowie lange und heiße Sommer dominieren. Im Gegensatz dazu ist Zent- ralanatolien von trockenen und kalten Wintern geprägt. Die Niederschlagsmenge variiert stark - nur 250 mm im Südosten und bis zu 2.500 mm im Nordosten und in den Gebirgsebenen. Die Türkei befindet sich größtenteils auf dem anatolischen Block, welcher zwischen der Eurasischen Platte im Istanbul Ankara Abb. 1.1: Topographie Türkei Quelle: Wikimedia (2006). 1 Länderinformationen, Quelle: Zusammenfassung aus (Auswärtiges Amt 2006b), (Botschaft der Republik der Türkei in Berlin 2003), (CIA 2006) , (Europäische Kommission 2005b), (Kaygusuz 2000) und (Reiche 2003)
EXPEED – ZIELLANDSTUDIE TÜRKEI | 11 Norden und der Arabischen und Afrikanischen Platte im Süden liegt. Die führt dazu, dass die Tür- kei eine seismisch sehr aktive und von Erdbeben geprägte Region ist. Im Nordwesten grenzt die türkische Republik an Griechenland und Bulgarien, im Nordosten an Georgien, Armenien, Aserbaidschan (Exklave und autonome Republik Nachitschevan), im Osten an den Iran und im Süden an den Irak und Syrien. Damit stellt das Land einen zentralen Brücken- kopf zwischen der Region um das Kaspische Meer, dem Nahen und Mittleren Osten und Europa dar. Abbildung 1.2 zeigt die geographische Lage der Türkei in Europa und die ungefähre Entfer- nung zu Deutschland. Diese Angaben spielen besonders bei Exportbetrachtungen von kleinen und mittleren 1.700 km Abb. 1.2: Türkei in Europa Quelle: Axthelm Zufall (2006) Unternehmen (KMU) eine wichtige Rolle. Die Republik ist der Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches und wurde 1923 von Kemal Mustafa Atatürk gegründet, der weitreichen politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Reformen durchgeführt hat und damit das Land nach Europa ausge- richtet hat. Die Hauptstadt ist Ankara und liegt in Zentralanatolien. Die Finanz- und Wirtschaftszent- ren des Landes befindet sich jedoch im Westen, besonders in Izmir und Istanbul. Die Stadt am Bosporus ist mit über zwölf Millionen Einwohnern die größte der Türkei. Mit einer Gesamtbevölkerung von 72 Millionen (2005) und einer jährlichen Wachstumsrate von 1,06 Prozent (2006) wird damit gerechnet, dass die Türkei in einigen Jahren Deutschland als popu- lationsreichstes Land Europas ablösen wird. Die Bevölkerungsdichte von geschätzten 83 Personen 2 pro Quadratkilometer liegt dennoch weit unter der von Deutschland (230 Personen/km ), was überwiegend auf den dünn besiedelten Osten und Südosten der Türkei zurückzuführen ist. Die Türkei ist eine parlamentarische Demokratie und ein säkularer Staat, bei dem religiöse (islamische) Angelegenheiten von einem staatlichen Ministerium verwaltet und überwacht werden. Das Staats- oberhaupt der Türkei ist seit 2000 Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer. Die Regierung wird seit 2003 von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan von der Partei AKP geführt. Die Türkei ist Mit- glied zahlreicher internationaler Organisationen wie den Vereinten Nationen (1945), der NATO (1952), dem Europarat (1949) oder der OECD (1948). Im Jahre 1963 wurde ein Assoziierungs-
12 | SASCHA FARADSCH Abkommen (Abkommen von Ankara) mit der Europäischen Gemeinschaft unterzeichnet. Im Jahre 1996 wurde zum ersten Mal die Zollunion zwischen der Europäischen Union (EU) und einem Nicht- EU-Mitglied, der Türkei, eingeführt. Drei Jahre später erhielt die Türkei bei dem Treffen des Euro- parates in Helsinki offiziell den Status als Beitrittskandidaten zuerkannt und seit dem 3.Oktober 2005 sind mit der Türkei offiziell Verhandlungen über den EU-Beitritt aufgenommen worden (Europäische Kommission 2005b). Generell wird aber davon ausgegangen, dass ein Beitritt weite- re zehn bis fünfzehn Jahre dauern wird. Wirtschaftlich gesehen ist die Türkei durch den gemein- samen Binnenmarkt mit der EU fest in dem europäischen System verankert. In den 1980er Jahren hat die Türkei ein marktorientiertes Entwicklungsprogramm eingeführt. Die Reformen öffneten die türkische Wirtschaft für internationale Märkte. Außerdem sollte der staatli- che Einfluss vermindert sowie Subventionen und Preiskontrollen abgebaut werden. Ein Privatisie- rungsprogramm wurde 1985 verabschiedet. Die Markreformen hatten einen maßgeblichen Anteil daran, dass sich die Türkei von einem überwiegend Import abhängigen und landwirtschaftlich ge- prägten Land in ein Export, Industrie und Dienstleistung orientiertes Transformationsland entwickelt hat (IEA 2001). Jedoch befinden sich immer noch viele strategisch wichtige Unternehmen unter staatlicher Kontrolle. Obwohl der Industrie- und Dienstleistungssektor ausgebaut werden konnte, waren 2001 immer noch 40 Prozent der aktiven Bevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt und der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist mit der höchste in Europa. Tab. 1.1 zieht einen wirtschaftlichen Vergleich zwischen Deutschland und der Türkei. Demnach ist das BIP Deutschlands mit 2.504 Milliarden US Dollar über viermal so groß wie das der Türkei. In den späten 1990er Jahren erlebte die gesamte türkische Wirtschaft und damit auch das Land eine verheerende Finanz- und Währungskrise. Die Inflationsrate betrug im Jahre 1994 zwischenzeitlich bis zu 110% und hohe Arbeitslosenzahlen und Staatsschulden waren die Folge (IEA 2001). Die wirtschaftliche Stabilität ist nicht nur der Privatisierung vieler staatlicher Unternehmen zu verdan- ken, sondern auch dem Eingreifen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Im Zuge eines Stabi- lisierungsprogramms von über 18 Mrd. US Dollar, welches vom IWF initiiert wurde, konnten die ökonomischen Probleme einigermaßen bekämpft werden. Betrachtet man das jährliche Wirt- schaftswachstum im Jahre 2005, so ist erkennbar, dass der Wert über deutschem und europäi- schem Durchschnitt liegt. Zudem konnte die Inflationsrate auf ein stabiles Niveau gesenkt werden. Schwierigkeiten bestehen weiterhin in vielen Bereichen wie dem stagnierenden Privatisierungspro- zess, dem uneffizienten Staatsapparat, der Schwarzarbeit oder den großen Einkommensunter- schieden (besonders zwischen Stadt- und Landbevölkerung) in der Türkei (EIA 2005). Tab. 1.1: Wirtschaftlicher Vergleich Deutschland und Türkei Quelle: eigene Darstellung nach CIA (2006) Deutschland Türkei Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2.504.000.000.000 US Dollar 572.000.000.000 US Dollar BIP pro Kopf 30.400 US Dollar 8.200 US Dollar BIP Wachstum 0,9 % 5,6 % BIP nach Sektoren Landwirtschaft 0,9 % 11,7 % Industrie 29,6 % 29,8 % Dienstleistungen 69,5 % 58,5 % Inflationsrate 2,0 % 8,2 %
EXPEED – ZIELLANDSTUDIE TÜRKEI | 13 In Bezug auf den Energiesektor spielen in der Türkei nicht nur die verschiedenen topographischen und klimatischen Beschaffenheiten eine Rolle, sondern auch die heimischen Ressourcenvorkom- men. Wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen werden beispielsweise auch durch den weiteren Verlauf der Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union oder die besondere geo- politische Stellung in der Region beeinflusst. 1.2 Wirtschaftspolitik und allgemeine Länderrisiken 1.2.1 Politische Risiken Die Türkei hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Reformanstrengungen unternommen. Die EU-Beitrittsverhandlungen spielen dabei eine außerordentlich wichtige Rolle, da sich die Türkei verpflichtet sieht, die politischen Kriterien von Kopenhagen zu erfüllen, um einen EU-Beitritt zu er- möglichen. Im Jahre 2004 hat die Europäische Kommission eine Empfehlung zu den Fortschritten der Türkei auf dem Weg zum Beitritt herausgegeben. Dort heißt es, dass „in der Türkei vor allem seit den Wahlen von 2002 eine erhebliche Annäherung des rechtlichen und institutionellen Rah- mens an europäische Standards“ (Europäische Kommission 2004) zu verzeichnen ist. Das deutet darauf hin, dass es im Allgemeinen keine schwerwiegenden politischen Risiken gibt, die eine un- ternehmerische Tätigkeit beeinträchtigen oder verhindern. Des Weiteren wird geschrieben, dass sich die „Beziehungen zwischen Zivilregierung und Militär … zunehmend im Sinne europäischer Normen“ entwickeln und „wichtige Änderungen des Justizwesens“ vorgenommen wurden. Außer- dem ist eine „Reform der öffentlichen Verwaltung“ im Gange und die Türkei hat sich „weitgehend den einschlägigen internationalen Übereinkommen und gerichtlichen Entscheidungen angepasst“ (Europäische Kommission 2004). Das Militär hat traditionell eine starke Stellung im türkischen Staat, vertreten durch den Nationalen Sicherheitsrat (NSR), und ein hohes Ansehen in der Bevöl- kerung. Es versteht sich als Beschützer der Demokratie sowie als Hüter des Laizismus und Kema- lismus2. Seit Bestehen der türkischen Republik (1923) wurde die Regierung dreimal gestürzt, um nach einer Übergangsphase die Staatsgewalt wieder an eine neue Regierung zu übergeben. Der dritte Staatsstreich 1980 wurde von NATO und den USA unterstützt. Reformen bezüglich des NSR wurden in den letzten Jahren eingeleitet und zielen darauf hinaus, die zivile Kontrolle über das Mili- tär an die Praxis der EU-Mitgliedstaaten anzupassen. Seit Oktober 2004 hat auch erstmals ein Zivi- list den Vorsitz des NSR übernommen. Die Streitkräfte üben aber immer noch erheblichen politi- schen Einfluss aus wie zum Beispiel öffentliche Reden und Verlautbarungen von hochrangigen Angehörigen des NSR und Militärs gegenüber den Medien über innen- und außenpolitische Ange- legenheiten (Europäische Kommission 2005c). Ein ernstes Problem stellt die Korruption dar. Dies wurde auch im Fortschrittsbericht 2005 Türkei der Europäischen Kommission ermahnt. Das neue Strafgesetzbuch sieht eine strengere Bestra- fung von Korruptionsverbrechen vor, auch wurde die Verjährungsfrist für solche Straftaten verlän- gert. Zudem wurde das Konzept der Haftbarkeit juristischer Personen bei Korruptionsfällen einge- führt und es wurden Bestimmungen zur Korruption im öffentlichen Auftragswesen aufgenommen 2 Der Staatsgründer und der erste Präsident der Republik Türkei war Mustafa Kemal (Ehrentitel Atatürk). Die von ihm durchgesetzten Reformen und Veränderungen stellten einen Umbruch des politischen und gesellschaftlichen Systems dar. Aus dem Kalifatsstaat wurde ein laizistischer Nationalstaat, mit einer neuen Staatsform und einem neuen Rechtssystem. Diese Umstrukturierung und politische Richtung wird seitdem Kemalismus genannt.
14 | SASCHA FARADSCH (Europäische Kommission 2005c). Zur Korruptionsbekämpfung hat die Türkei das Zivil- und das Strafrechtsübereinkommen des Europarates über die Bekämpfung der Bestechung sowie das OECD-Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger ratifiziert (Europäische Kommission 2005c). Nach wie vor bleibt aber Korruption ein ernstes Problem in der Türkei. Sicherheitspolitisch gesehen stehen besonders die Zypernfrage und der Konflikt zwischen den Kurden und der türkischen Regierung im Vordergrund. Die Öffnung der See- und Flughäfen für die Republik Zypern (griechisch-zypriotischer Teil der Insel, welcher offiziell nicht von der Türkei aner- kannt wird) und damit die Ausweitung der Zollunion (die bereits zwischen der Türkei und der EU-15 seit 1996 besteht) auf die zehn Länder der EU-Erweiterung von 2004 wird als Grundvorausset- zung für eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU gesehen. Dies würde aber indirekt bedeuten, dass die türkische Regierung die Souveränität der Republik Zypern anerkennt. Nachdem die Euro- päische Kommission damit gedroht hat, die Erweiterungsgespräche mit der Türkei auszusetzen, ist im Dezember 2006 wieder Bewegung in den festgefahrenen Prozess gekommen (nachdem Ver- mittlungsversuche der UNO einige Jahre vorher gescheitert waren) (EurActiv 2006). Das Streben der kurdischen Bevölkerungsteile nach Anerkennung ihrer kulturellen Eigenständigkeit sowie nach territorialer Autonomie betrifft nicht nur den Südosten der Türkei, sondern auch den Norden des Iraks sowie Teile von Syrien und Iran. In der Türkei wohnen ungefähr 15 Millionen Türken kurdi- scher Abstammung. Nachdem Ende der 1990er Jahre von der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ei- ne einseitige Waffenruhe ausgerufen worden war, haben seit 2004 und besonders 2006 die be- waffneten Konflikte zwischen der türkischen Armee und der PKK wieder zugenommen. Anschläge in touristischen Gegenden und in Großstädten wie Istanbul bringen den Konflikt in Gegenden, wo wirtschaftliche Strukturen ausgebaut und vorhanden sind und somit auch westliche Investoren be- troffen sind. Trotz des zunehmenden Konsenses darüber, dass die wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung des Südostens gefördert werden muss (zum Beispiel das Südanatolien-Projekt GAP), wurden nur wenig konkrete Fortschritte erzielt, und die Sicherheitslage hat sich seit dem Wiederaufflammen der Gewalt seitens der PKK verschlechtert (Europäische Kommission 2005c). Der Konflikt bleibt weiterhin ungelöst. Ebenso von historischer Bedeutung ist die Annäherung der Türkei zum Nachbarland Griechenland. Die Beziehungen haben sich in den letzten Jahren positiv entwickelt und es wurden neue Schritte eingeleitet, um die Spannungen zwischen beiden Ländern abzubauen. In den Bereichen Militär und Justiz wurden mehrere Kooperationen gestartet. Diese Entwicklung wirkt sich auch positiv auf die Beitrittsgespräche zwischen der Türkei und der EU aus. 1.2.2 Rechtliche Risiken Gemäß dem Jahresbericht 2005 der Europäischen Kommission wurde das Justizwesen durch ver- schiedene Strukturreformen weiter gestärkt. Als wichtiger Fortschritt wird in dem Bericht genannt, dass am 1. Juni 2005 das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung, das Gesetz über die Voll- streckung von Urteilen und das Gesetz über die Einrichtung regionaler Berufungsgerichte in Kraft getreten sind. Im Großen und Ganzen übernimmt das Gesetzbuch moderne europäische Stan- dards nach dem Vorbild des Strafrechts zahlreicher europäischer Länder (Europäische Kommissi- on 2005c). Die Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai) fasst unter anderem das Investitionsrecht zusammen. Danach heißt es, dass Ausländer (türkischen) Inländern seit 2003 investitionsrechtlich gleichgestellt sind. Es existieren keine inländischen Mindestbeteiligungen an türkischen Gesell- schaften mehr. In Folge dessen bedarf es auch keiner gesonderten Investitionsgenehmigung mehr für Ausländer, die erhöhten Mindestkapitalanforderungen sind ebenfalls entfallen (BFAI 2006a). Seit 1965 gilt ein Investitionsschutzabkommen, welches ausländische Kapitalanlagen gegen Ent- eignung, Verstaatlichung und enteignungsgleiche Eingriffe schützen soll. Darüber hinaus erleich-
EXPEED – ZIELLANDSTUDIE TÜRKEI | 15 tert es das Einholen von Genehmigungen und garantiert die Gleichbehandlung von in- und auslän- dischen Investoren (IHK zu Köln 2006). Im Jahre 1995 hat die Türkei den gesamten Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes durch den Erlass mehrerer Gesetze (unter anderem Patent- und Markengesetz) neu geregelt, um eine Har- monisierung mit den Gesetzen in den EU-Staaten zu schaffen. Des Weiteren wird über die Rechts- verfolgung ausländischer Urteile in der Türkei geschrieben. „Die Vollstreckung eines ausländischen Urteils bedarf zunächst eines inländischen Vollstreckungsurteils. Dieses ergeht nur, wenn das aus- ländische Urteil auf dem Gebiet des Zivilrechts ergangen sowie im Urteilsstaat bereits rechtskräftig ist und nicht gegen zwingendes inländisches Recht verstößt. Darüber hinaus muss die Gegensei- tigkeit verbürgt sein (im Verhältnis zu Deutschland unproblematisch) und der Verfahrensgegens- tand darf nicht unter die ausschließliche Zuständigkeit eines türkischen Gerichts fallen“ (BFAI 2006a). Gemäß der neuen Strafprozessordnung haben Angeklagte und Zeugen, die des Türki- schen nicht mächtig sind, Anspruch auf einen kostenlosen Dolmetscher. Als bedenklich ist in die- sem Zusammenhang jedoch zu werten, dass es derzeit keine ausgebildeten gerichtlich vereidigten Dolmetscher gibt, die sowohl des Türkischen als auch der anderen in der Türkei gesprochen Spra- chen mächtig sind, was ein korrektes Verfahren in Frage stellen könnte (Europäische Kommission 2005c). 1.2.3 Wirtschaftliche Risiken Wie schon erwähnt wurde, haben die Wirtschaftsbeziehungen seit der Zollunion zwischen der EU und Türkei einen neuen institutionellen Rahmen bekommen. Deutschland ist seit langem der wich- tigste Handelspartner der Türkei, wobei der Export von Deutschland in die Türkei den Import über- trifft. Wirtschaftliche Einschränkungen bzw. Risiken bestehen jedoch noch in einigen Bereichen. Komplizierte und langwierige administrative Vorgänge von türkischen Behörden erschweren Inves- titionen und unternehmerische Tätigkeiten. Durch die Zollunion fand aber bereits eine Vereinfa- chung und Harmonisierung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten statt und technische Er- schwernisse wurden im Binnenmarkt reduziert (Euro Info Centre Magdeburg 2006). Das nur lang- sam steigende Bildungsniveau mit erheblichen geschlechterspezifischen und qualitativen Unter- schieden wird ebenso im Fortschrittsbericht 2005 Türkei der Europäischen Kommission genannt (Europäische Kommission 2005c). Dies könnte sich längerfristig negativ auf Investitionen auswir- ken, da nicht ausreichend qualifiziertes Personal vorhanden sein kann. Die strikte Austeritätspolitik der türkischen Regierung im Rahmen des durch den IWF überwachten Anpassungsprogramms wurde durch allmählich wachsendes Vertrauen in- und ausländischer Investoren belohnt und ein wirtschaftlicher Aufschwung ist zu erkennen. Dieser basiert unter anderem auf anhaltendes Wachstum, den Exportboom, einem fortgesetzten Inflationsabbau und einem erleichterten Aus- landsschuldendienst (IWF-Streckung der Rückzahlungstermine). Die türkische Wirtschaft gewinnt zunehmend an Stabilität. Als Folge globaler Turbulenzen im Jahre 2001 wurden die türkischen Fi- nanz- und Wirtschaftsmärkte kurzfristig irritiert, die Türkische Lira verlor gegenüber dem Euro rund 25% an Wert, kurzfristige Zinserhöhungen wurden durchgeführt und es bestanden Befürchtungen über eine längerfristige inflationäre Entwicklung. Diese konnte jedoch durch die gelassene Politik der Zentralbank und diverse Maßnahmen in Absprache mit dem IWF abgewendet werden. Den- noch können mittelfristige negative Auswirkungen nicht ausgeschlossen werden, da bereits das Er- reichen des Inflationsziels für 2006 und 2007 unwahrscheinlich erscheint (Auswärtiges Amt 2006c). Bei näherer Betrachtung der Fiskalpolitik des Landes ist erkennbar, dass die Türkei zu einem be- achtlichen Teil von externen Finanzhilfen abhängt, was besonders auf die Finanz- und Währungs-
16 | SASCHA FARADSCH krise 2001 zurückzuführen ist. Der Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen ist überwiegend Kapital zu verdanken, welches schnell wieder aus dem Land abgezogen werden kann. Zudem hängt die Stabilität der Fiskalpolitik von möglichen politischen Regierungswechseln oder auch dem Fortschritt der Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union ab. Im Allgemeinen hat sich aber die Situation nach 2001 verbessert und eine strenge Fiskal- und Geldpolitik sowie eine Umstrukturie- rung des Bankensektors tragen zur Stabilisierung des Landes bei (Handelsrating 2006). Dies wird auch anhand der Entwicklung der Inflationsrate in der Türkei deutlich (siehe Abbildung 3). Zwi- schen 1971 und 2002 betrug die mittlere Inflationsrate noch über 40 Prozent. Nach der Finanzkrise 2001 konnte sie aber fortwährend gesenkt werden. Die Zentralbank der Türkei gibt die Inflationsra- te mit 9% bis 10% für Ende 2006 an. Damit liegt der Wert höher als die Regierung angestrebt hat (Abb. 1.3), aber dennoch relativ stabil. Anfang des Jahre 2005 wurde die Neue Türkische Lira (TRY, Yeni Türk Lirasi) eingeführt. Obwohl die Umstellung nicht mit einer Auf- oder Abwertung ge- genüber anderen Währungen verbunden war, stabilisierte sich der Wert der neue Währung gegen- über dem US-Dollar und Euro. Inflationsrate Türkei von 2003 bis 2007 30 25,2 25 20 Prozent 15 8,6 8,2 10 6,5 4,4 5 0 2003 2004 2005 2006 2007 Jahre Inflationsrate Jahresdurchschnitt Abb. 1.3: Inflationsrate in der Türkei Quelle: eigene Darstellung nach FAZ Online (2006) Eine enge Kooperation mit Ländern aus der Europäischen Union ist zusätzlich durch die gemein- same Zollunion, die seit 1996 zwischen der EU und Türkei besteht, gewährleistet. Zur Stärkung privatwirtschaftlicher Initiativen in der Türkei wurde ein Gesetz zur Förderung von ausländischen Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment, FDI) 2003 verabschiedet. Die Verkehrsinfrastruktur in der Türkei ist besonders in den Ballungszentren im Westen der Türkei und in und um Ankara gut ausgebaut. Der inländische Gütertransport und Personenverkehr erfolgt fast ausschließlich auf der Straße. Der Güterverkehr mit dem Ausland findet meist auf dem Was- serweg und der Personenverkehr über den Luftweg statt. Das Schienennetz ist kaum ausgebaut. Die Türkei ist bemüht, für Investoren bestmögliche Infrastruktur zu Verfügung zu stellen und inves- tiert daher große Summen in deren Ausbau und Entwicklung. Die zeigt sich unter anderem daran, dass im Jahre 2000 über 27% aller Investitionen in der Türkei im Verkehrs- und Kommunikations- sektor getätigt wurden. Auf dem Kommunikationssektor hatte der türkische Staat lange das Mono-
EXPEED – ZIELLANDSTUDIE TÜRKEI | 17 pol, welches aber auch aufgegeben wurde und private Anbieter bringen Wettbewerb und neue Technologien in diesen Bereich. Es kann also gesagt werden, dass sowohl Verkehrs- als auch Kommunikationssektor ausgebaut sind und größtenteils mit europäischen Standards mithalten können. Abschließend lässt sich festhalten, dass die politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken in der Türkei größtenteils erkannt und im Zuge der Harmonisierung mit europäischen Standards re- formiert wurden und werden. Dies trifft aber nicht für alle Bereiche und in gleichem Umfang zu. Si- cherheitsrisiken im Südosten des Landes, Korruption besonders in öffentlichen Behörden und in der Verwaltung, hoher Bürokratieaufwand sowie eine erst kürzlich stabilisierte Wirtschaft und Infla- tionsrate bergen immer noch ein Risiko für ausländische Investoren. Allerdings versucht die türki- sche Regierung durch Reformen wie mit dem Gesetz zur Förderung ausländischer Investitionen die Ansiedlung von Unternehmen aus anderen Ländern zu beschleunigen beziehungsweise positiv zu beeinflussen. Eine weitere Harmonisierung mit dem EU-Recht wird Rechtssicherheit und politi- sche sowie wirtschaftliche Stabilität nach sich ziehen. Ein negativer Ausgang beziehungsweise ei- ne vorübergehende Einstellung der Verhandlungen mit der Europäischen Union (beispielsweise durch fehlende Einigung in der Zypern-Frage) könnte sich aber als großes Hemmnis für weitere Reformen im Land sowie Investitionssicherheit herausstellen.
18 | SASCHA FARADSCH 2 Der türkische Energiemarkt 2.1 Die globale Energiesituation Es gilt als sicher, dass der weltweite Energiebedarf auch in Zukunft steigen wird. Die in Abb. 2.1 gezeigte Entwicklung des Primärenergieverbrauches von 1971 bis 2003 verdeutlicht genau dieses Szenario. Dabei ist Erdöl (35,3%) der wichtigste Energieträger weltweit, gefolgt von Steinkohle und Braunkohle (zusammen 24,1%) und Erdgas (20,9%). Mit knapp 13% tragen die erneuerbaren Energien zur weltweiten Energieversorgung bei (IEA 2006f). Für den zukünftigen Energieverbrauch wird Erdgas als Primärenergieträger eine immer wichtigere Rolle spielen, aber auch Erdöl ist be- sonders für den Transportsektor kaum substituierbar, da Alternativen wie zum Beispiel biogene Kraftstoffe nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Abb. 2.1: Weltweite Entwicklung des Primärenergieverbrauchs von 1971 bis 2003 Quelle: IEA (2006f). Ein weiterer Faktor, der die Energieversorgung beeinflusst, ist die regionale Verteilung und Intensi- tät des Energieverbrauchs weltweit. Es kann generell festgehalten werden, dass die größten Verbraucher in Nordamerika (23,4%), Asien mit Ozeanien (29%) und Westeuropa (17%) zu finden sind. Die größten Erdöl- und Gasreserven befinden sich aber im Nahen und Mittleren Osten, in der Region um das Kaspische Meer sowie in Russland. Daraus ergibt sich eine Situation, die beson- ders für die Türkei als Brückenkopf zwischen den Energie produzierenden Regionen des Nahen Ostens und Kaspischen Meers sowie den Energiekonsumenten in Westeuropa von geopolitischer Bedeutung ist.
EXPEED – ZIELLANDSTUDIE TÜRKEI | 19 2.2 Die Energiesituation in der Türkei Der Primärenergieverbrauch (TPES) der Türkei lag im Jahre 2005 bei etwa 85 Millionen Tonnen Öläquivalenten (MTOE). Im Vergleich zu anderen Ländern der OECD (OSZE) liegt die Türkei mit einem Energieverbrauch von 1,19 TOE pro Kopf weit unter dem Durchschnitt, welcher 1998 bei 5,10 lag (IEA 2001). Betrachtet man aber die Zuwachsraten der letzten Jahrzehnte, so ergibt sich ein anderes Bild. Der Energieverbrauch hat innerhalb von 13 Jahren um mehr als 50% zugenom- men. So betrug der Primärenergieverbrauch der Türkei im Jahre 1990 nur 53 MTOE und im Jahre 2005 schon 85 MTOE (IEA 2008, 2005). 2.2.1 Energieverbrauch und -zusammensetzung Die Primärenergiequellen der Türkei umfassen Steinkohle und Braunkohle, Erdöl und Erdgas, Wasserkraft, Solar- und Windenergie, Geothermie und Biomasse. Gemessen am Energie- Geothermie, Wasserkraft; Solarenergie 4,0% Biomasse u.a.; 1,6% und Abfall; 6,3% Kohle; 26,3% Erdgas; 26,7% Erdöl und 85 MTOE Erdölerzeugn isse; 35,0% Abb. 2.2: Anteile der Energieträger am Primärener- gieverbrauch Türkei, 2005 Quelle: eigene Darstellung nach IEA (2008) verbrauch, basiert die Energieversorgung der Türkei auf einer Vielfalt von Energieträgern. Abb. 2.2 zeigt die Anteile der einzelnen Energieträger am Verbrauch im Jahre 2005. Den größten Anteil nimmt Erdöl mit 35% (29,9 MTOE) ein, gefolgt von Erdgas mit 26,7% (22,8 MTOE) und Braunkohle und Steinkohle mit 26,3% (22,5 MTOE). Die meistgenutzte erneuerbare Energiequelle ist mit 6,3% (5,4 MTOE) am TPES die Biomasse (inklusive Verbrennung von Abfallstoffen). Obwohl die Was- serkraft nur mit 4,% zum gesamten Energiebedarf der Türkei beiträgt, ist sie doch zu etwa 20% an der gesamten Stromerzeugung beteiligt (vergleiche Abb. 2.5). Geothermie sowie die neuen erneu- erbaren Energien spielen nur eine untergeordnete Rolle im gesamten Energieverbrauch. Die Energiezusammensetzung in der Türkei und deren Entwicklung ist anhand Abb. 2.2 und Tab. 2.1 vergleichbar. Insgesamt ist der Energieverbrauch der Türkei innerhalb weniger Jahre von 70,1
20 | SASCHA FARADSCH MTOE (2000) auf 85 MTOE (2005) gestiegen. Erdöl war im Jahre 2000 (41,9%) und 2005 (35%) der meistgenutzte Energieträger in der Türkei (obwohl überwiegend importiert), gefolgt von Kohle und Erdgas. Während Erdöl, Kohle, Biomasse und Abfall sowie Wasserkraft im Vergleich zu 2000 prozentual gesehen an Bedeutung verloren haben, konnte Erdgas seinen Anteil von 10,5 MTOE oder 15,1% (2000) auf 22,8 MTOE oder 26,7% (2005) vergrößern. Dies lässt unter anderem auf eine verstärkte staatliche Konzentration auf Erdgas sowie auf umfangreiche Lieferverträge mit Ex- portländern (Russland, Aserbaidschan) schließen. Außerdem konnte der Anteil der neuen erneu- erbaren Energien wie Geothermie, Solar- und Windenergie vergrößert werden. Bei diesen Ener- giequellen erhöhte sich der Anteil von 0,31 MTOE oder 0,5% (2000) auf 1,4 MTOE oder 1,6% (2005). Jedoch konnte diese positive Entwicklung bei Geothermie, Solar- und Windenergie nicht verhindern, dass der Anteil der erneuerbaren Energien insgesamt von 10,14 MTOE oder 13,1% (2000) auf 10,2 MTOE oder 11,9% (2005) gesunken ist (überwiegend durch die sinkende Nachfra- ge von Biomasse) (Europäische Kommission 2005a). Tab. 2.1: Primärenergieverbrauch, Energieimporte und Produktion, Türkei 2005 Quelle: eigene Darstellung nach IEA (2008) Energiequellen Produktion Anteil an Importe Anteil an Verbrauch Anteil am (in MTOE) Produk- (in Importen (in MTOE) Verbrauch tion (in MTOE) (in %) (in %) %) Kohle 10,48 44,40 11,72 17,37 22,47 26,34 Erdöl 2,23 9,45 23,22 34,41 25,61 30,02 Erdölerzeugnisse - - 10,42 15,44 4,29 5,03 Erdgas 0,74 3,13 22,13 32,79 22,79 26,71 Biomasse und 5,36 22,69 - - 5,36 6,28 Abfall Atomenergie - - - - - - Wasserkraft 3,40 14,41 - - 3,40 3,99 Geothermie, 1,40 5,92 - - 1,40 1,64 Solarenergie u.a. Summe 23,61 100,00 67,49 100,00 85,31 100,00 Für die Zukunft wird mit einem rasanten Wachstum des Primärenergieverbrauchs in der Türkei ge- rechnet. Schätzungen aus dem Jahre 2000 gehen für das Jahr 2010 von einem Energieverbrauch von 160 MTOE und für 2020 sogar von 298 MTOE aus (IEA 2001). Die Projektionen des World Energy Council - Turkish National Committee sehen diese Entwicklung ähnlich. Es wird ein Anstieg des Primärenergieverbrauchs auf 167 MTOE bis 2010 und 307 MTOE bis 2020 erwartet (Oğulata 2003). Es kommt aber auch vor, dass Angaben über den zukünftigen Primärenergieverbrauchs der Türkei je nach Quelle abweichen. So bezieht sich Kaygusuz (Kaygusuz 2006) auf das nationale Ministerium für Energie und Ressourcen (MENR). Dort wird der Energieverbrauch für 2010 auf 131 MTOE beziehungsweise für 2020 auf 250 MTOE geschätzt. Trotz dieser Schwankungen ist deut-
EXPEED – ZIELLANDSTUDIE TÜRKEI | 21 lich erkennbar, dass die Nachfrage stetig steigt und dass Lösungsansätze für eine sichere Ener- gieversorgung gefunden werden müssen. Vergleicht man diese Werte mit dem Bevölkerungs- wachstum, so ergibt sich ein Pro-Kopf-Energieverbrauch von 3,65 TOE für das Jahr 2020. Dieser Wert würde demnach immer noch unter dem Durchschnitt der OECD (OSZE) von 1998 liegen, welcher damals pro Kopf 5,10 TOE betrug (IEA 2001). 2.2.2 Energieimporte Betrachtet man den Energieverbrauch unter dem Aspekt der Energieimporte, so ist deutlich zu er- kennen, dass ein Großteil des Erdöls und Erdgas importiert werden muss. Tabelle 2 zeigt, dass Erdöl- und Erdgasimporte jeweils über 30% der gesamten Energieimporte der Türkei ausmachen. Unter Berücksichtigung der Erdölerzeugnisse steigt der Anteil bei Erdöl auf über 50%. Anschlie- ßend folgt Steinkohle (Braunkohle stammt fast ausschließlich aus heimischer Produktion). Die Im- portabhängigkeit kann man in wenigen Zahlen wiedergeben. Verglichen zum jeweiligen Energie- verbrauch muss Erdöl zu 91% importiert werden, Erdgas sogar zu 97% und Kohle zu 52% (wovon der größte Teil Steinkohle ist) (Reiche 2003). Vergleicht man nun den Anteil der Energieimporte am gesamten Energieverbrauch, so ist eine Importquote von über 79% für das Jahr 2005 erkenn- bar. Steinkohleimporte kommen überwiegend aus Australien, Russland und Südafrika. Erdöl wird aus Saudi-Arabien, Iran und Irak importiert oder per Tanker aus Libyen eingeführt. Seit 2006 führt die BTC-Pipeline (Baku-Tiflis-Ceyhan) von Aserbaidschan über Georgien in die Türkei. Dieses Projekt (eventuell östliche Verlängerung bis nach Turkmenistan) wurde nicht nur von den betroffenen Län- dern finanziert, sondern es waren auch amerikanische und europäische Firmen maßgeblich daran beteiligt (IEA 2001). Über 70% der türkischen Erdgasimporte kamen im Jahre 2000 noch aus Russland über die so genannte Trans-Balkan-Pipeline (Russland, Ukraine, Moldawien, Rumänien, Bulgarien, Türkei). LNG-Terminals (Liquefied Natural Gas) am Marmarameer und bald auch an der Ägäis werden von Erdgaslieferanten aus Algerien und Nigeria angefahren. In den letzten Jahren hat sich dieses Verhältnis etwas verändert und weitere Erdgaslieferanten kamen hinzu. 2001 wur- de eine Gasleitung zwischen dem Iran und der Türkei in Betrieb genommen und im Jahre 2003 nahm die Blue-Stream-Pipeline unter dem Schwarzen Meer ihre Arbeit auf (IEA 2001). Dadurch konnte die Gasabhängigkeit von Russland etwas verringert werden. Da es aufgrund des steigenden Energieverbrauchs der Türkei nicht gelungen ist, die Energieimpor- te zu verringern, hat die türkische Regierung besonders in den letzten zehn Jahren versucht, die Energieimporte zu diversifizieren. Dies ist an Projekten wie der BTC-Pipeline, die noch um eine Gasleitung erweitert werden soll, oder auch an Verhandlungen mit Ländern wie Syrien, Ägypten, Turkmenistan oder den Vereinigten Arabischen Emiraten über Erdöl- und Erdgasimporte erkenn- bar. Eine weitere Strategie, die die Türkei verfolgt, um ihren Energiebedarf zu decken, ist die För- derung von heimischen Energieressourcen. Dies betrifft überwiegend Subventionen für den Stein- kohleabbau (220 US Dollar pro Tonne Steinkohle im Jahre 2000) aber auch die Förderung von er- neuerbare Energien (IEA 2001). 2.2.3 Energieressourcen und -produktion Der Energieverbrauch der Türkei hat sich von 1990 (53 MTOE) bis 2005 (85 MTOE) um über 50% erhöht. Die Energieimporte haben sich im gleichen Zeitraum von 28 MTOE auf 67 MTOE mehr als verdoppelt (IEA 2005, 2008). Vergleicht man diese Werte mit der Energieproduktion so ist ein deut- licher Unterschied erkennbar. Relativ zum gesamten Energieverbrauch gesehen, hat sich der An-
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