Das Flüchtlingsdrama in Syrien, der Türkei und Griechenland

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Das Flüchtlingsdrama in Syrien, der Türkei und Griechenland
NR. 22 MÄRZ 2020                                Einleitung

Das Flüchtlingsdrama in Syrien, der
Türkei und Griechenland
Warum ein umfassender Ansatz nötig ist
Sinem Adar / Steffen Angenendt / Muriel Asseburg / Raphael Bossong / David Kipp

Das dramatisch anwachsende Flüchtlingselend in der syrischen Provinz Idlib, auf den
griechischen Inseln und an den EU-Außengrenzen zeigt: Die Europäische Union ist
asyl- und migrationspolitisch zerrissen sowie außen- und sicherheitspolitisch kaum
handlungsfähig. Was kann sie dennoch unternehmen, um das Flüchtlingsdrama zu
bewältigen? Diese Frage ist angesichts der Ausbreitung von Covid-19 noch dringlicher
geworden. Die EU-Türkei-Erklärung von 2016 hat die Kooperation mit Ankara bei der
humanitären Hilfe und der Grenzüberwachung gestärkt, weist aber große Schwächen
auf. Ein umfassender Ansatz ist nötig. Die EU sollte sich darauf konzentrieren, der
Türkei neue Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, die ergänzt werden sollten durch
massive Hilfen für Griechenland und die Nachbarstaaten Syriens. Zudem sollten sich
die Europäer für die Schaffung einer Schutzzone in Nordsyrien einsetzen.

Die Zuspitzung der Flüchtlingssituation in           dern. Daran änderten auch die türkischen
Griechenland und der Türkei hängt – wie              Beobachterposten entlang der verabredeten
schon 2015 – mit einer Eskalation im syri-           Waffenstillstandslinie nichts.
schen Bürgerkrieg zusammen. Das Regime                  Um dem Vorrücken der syrischen Armee
in Damaskus hatte seit April 2019 mehrere            entgegenzuwirken, unterstützte Ankara
Militäroffensiven eingeleitet und sie gegen          immer stärker syrische Rebellen und brach-
Ende des Jahres verstärkt, um mit Unter-             te ab Februar 2020 eigene Truppen und
stützung seiner Verbündeten – Russland,              schweres Gerät an die Frontlinie. Die Türkei
Iran und iran-geführte Milizen – die Pro-            will einen erneuten Andrang von Flüchten-
vinz Idlib im Nordwesten des Landes                  den auf die Grenzen verhindern, ihre Forde-
zurückzuerobern. Ziel der syrischen Füh-             rung nach einer Schutz- bzw. Pufferzone in
rung ist, die eigene Kontrolle wieder auf das        der Grenzregion untermauern und Ver-
gesamte Staatsgebiet auszudehnen. Eine               handlungsmasse für die eigene Präsenz in
Vereinbarung zwischen Russland und der               drei Gebieten auf syrischem Territorium
Türkei (das Sotschi-Abkommen von Septem-             schaffen, die sie besetzt hält. Nach einer
ber 2018) wendete eine Offensive zunächst            massiven Eskalation zwischen Türkei und
ab, konnte sie aber letztlich nicht verhin-          syrischen Rebellen auf der einen und syri-
scher Armee, Russland, Iran sowie iran-        Syriens von humanitärer Unterstützung
                 geführten Milizen auf der anderen Seite        abhängig. Die Lage der Geflüchteten hat
                 einigten sich Moskau und Ankara am             sich nun noch einmal drastisch verschärft,
                 5. März 2020 erneut auf einen Waffenstill-     auch vor dem Hintergrund harscher Witte-
                 stand. Gelten sollte er aber nur in einem      rungsbedingungen. Es fehlt an (heizbaren)
                 eng umgrenzten Streifen von sechs Kilo-        Unterkünften, Wasser, Hygiene-Einrichtun-
                 meter Breite beiderseits der Schnellstraße     gen, Nahrungsmitteln und Schutz vor
                 M4, welche die syrischen Provinzhaupt-         Übergriffen.
                 städte Latakia und Aleppo verbindet. Auch         Schon jetzt ist absehbar, dass es zu wei-
                 wenn der Waffenstillstand bewirkt hat,         teren Fluchtbewegungen aus Syrien in Rich-
                 dass Luftschläge und Artilleriefeuer einge-    tung Türkei kommen wird, wenn sich die
                 stellt wurden – das Arrangement ist nicht      Kampfhandlungen in der Provinz Idlib wie-
                 auf Dauer angelegt und bietet keine Rege-      der zuspitzen bzw. Damaskus die Kontrolle
                 lung, um die widersprüchlichen Interessen      im Nordwesten des Landes übernimmt.
                 der involvierten Akteure auszugleichen.        Dann dürfte der Druck auf die Grenze zu-
                                                                nehmen, deren Übergänge die Türkei seit
                                                                März 2015 grundsätzlich geschlossen hält,
                 Dramatische Situation der                      die sie 2018 durch einen Grenzwall befes-
                 Binnenvertriebenen in Nordsyrien               tigt hat und die sie auch mit Gewalt gegen
                                                                schutzsuchende Flüchtende verteidigt, wie
                 Für die Lage der Binnenvertriebenen in         Menschenrechtsorganisationen berichten.
                 Syrien zeichnet sich keine Verbesserung ab.    Auch mittel- bis langfristig dürfte die Rück-
                 Nach Angaben der VN sind von Anfang            kehr von Geflüchteten nach Syrien einge-
                 Dezember 2019 bis Mitte März 2020 fast         schränkt bleiben und werden wohl weitere
                 eine Million Syrerinnen und Syrer – davon      Menschen das Land verlassen (wollen), um
                 rund 60 Prozent Kinder und 20 Prozent          Repression und Verfolgung zu entgehen
                 Frauen – vor den Kampfhandlungen und           bzw. angesichts von Wirtschafts- und Wäh-
                 den vorrückenden syrischen Truppen ge-         rungskrise ihren Lebensunterhalt anderswo
                 flüchtet. Damit ist rund ein Viertel der       zu verdienen.
                 Menschen in den betroffenen Gebieten der
                 Provinzen Idlib und Aleppo auf der Flucht.
                 Der Weg in die Türkei ist den Menschen         Lage der Geflüchteten in
                 versperrt. Sie hat ihre Grenzbefestigungen     der Türkei
                 in den letzten Jahren ausgebaut und hält
                 die Übergänge geschlossen. Rund 550 000        Die Türkei ist schon heute das Land, das
                 Menschen haben im Nordwesten Idlibs im         weltweit die meisten Geflüchteten aufge-
                 Grenzgebiet Zuflucht gesucht, über 400 000     nommen hat. Syrerinnen und Syrer haben
                 befinden sich in den türkisch kontrollierten   daran mit rund 3,6 Millionen Menschen
                 Gebieten weiter östlich, vor allem in den      den größten Anteil. Hinzu kommen
                 Enklaven al-Bab und Afrin.                     400 000 bis 500 000 nichtsyrische Geflüch-
                    Viele fliehen bereits zum wiederholten      tete, vor allem aus Afghanistan, Irak und
                 Male. Denn seit 2017 wurden rund 1,5 Mil-      Iran. Syrische Geflüchtete genießen in der
                 lionen Syrerinnen und Syrer im Zuge soge-      Türkei temporären Schutz, und nur rund
                 nannter Versöhnungsabkommen, die der           2 Prozent von ihnen leben in Flüchtlings-
                 Rückeroberung abtrünniger Gebiete durch        lagern. Sie können eine Arbeitserlaubnis
                 Damaskus dienten, aus anderen Landes-          erhalten, was aber letztlich vom guten Wil-
                 teilen nach Idlib evakuiert oder flohen        len des Arbeitgebers abhängt. Im Vergleich
                 dorthin vor dem Regime. Damit hatte sich       zu anderen Nachbarländern Syriens ist in
                 die Bevölkerung in der Provinz verdoppelt.     der Türkei unter den Geflüchteten die Ein-
                 Schon vor der aktuellen Krise waren            schulungsrate hoch, ebenso der Anteil
                 2,8 Millionen Menschen im Nordwesten           jener, die im formellen oder informellen

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Sektor arbeiten. Dennoch ist es eine große     ließ sich Ankara von vier Zielsetzungen
Herausforderung für die Türkei, die syri-      leiten: 1) eine höhere finanzielle Unterstüt-
schen Geflüchteten sozial und wirtschaft-      zung der EU zum Ausgleich der Kosten, die
lich zu integrieren (vgl. SWP Comments         der Türkei durch die Aufnahme von Ge-
1/2020 und 5/2020). Angesichts der sich        flüchteten entstehen; 2) ein stärkeres finan-
vertiefenden Wirtschaftskrise im Land ist      zielles und diplomatisches Engagement der
zudem die Haltung der Bevölkerung ihnen        Europäer angesichts der humanitären Not-
gegenüber zunehmend feindselig gewor-          lage im syrischen Idlib, das dazu beitragen
den. In der Folge hat die Regierung mehr       würde, die Krise vor Ort zu meistern und
und mehr Maßnahmen ergriffen, die die          neue Fluchtbewegungen in die Türkei zu
Geflüchteten einschränken. So dürfen sie       verhindern; 3) eine stärkere politische bzw.
sich nicht mehr in Istanbul aufhalten, son-    militärische Unterstützung der Türkei bei
dern nur noch in jenen Distrikten, in denen    ihrem Ansatz in Nordsyrien und 4) finan-
sie ursprünglich registriert wurden. An-       zielle Hilfe für die türkischen Wiederauf-
scheinend wurden Geflüchtete überdies          baubemühungen in den von Ankara kon-
gezwungen, Erklärungen für eine »freiwil-      trollierten Gebieten im Norden Syriens,
lige« Rückkehr zu unterzeichnen. Ihnen         etwa bei der Schaffung von Infrastrukturen
droht eine Abschiebung unter inhumanen         zur Ansiedlung rückgeführter Geflüchteter.
Bedingungen. Nach Angaben des VN-Hoch-            Die griechische Regierung hat den
kommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) sind     Flüchtlingen und Migranten unter Einsatz
von 2016 bis Januar 2020 rund 87 000 Ge-       von Tränengas und Gummigeschossen die
flüchtete aus der Türkei nach Syrien zurück-   Einreise nach Griechenland verwehrt und
gekehrt. Es ist davon auszugehen, dass ein     die Möglichkeit, Asyl zu beantragen, für
großer Teil dies nicht freiwillig getan hat.   einen Monat ausgesetzt. Laut Presseberich-
   Die Rückführung von Geflüchteten spielt     ten soll zudem ein geheimes Lager auf dem
zunehmend auch eine Rolle bei Ankaras          griechischen Festland dazu genutzt worden
militärischen Offensiven im südlichen Nach-    sein, neu angekommene Migranten und
barland. Als im Januar 2018 die »Operation     Flüchtlinge festzuhalten, um sie anschlie-
Olivenzweig« anlief, betonte Präsident         ßend – unter Umgehung rechtsstaatlicher
Recep Tayyip Erdoğan in einer Rede, das        Verfahren – in die Türkei zurückzubrin-
Ziel des Vorstoßes sei, »Afrin seinen wahren   gen. Zahlreiche EU-Vertreter, auch Kommis-
Besitzern zurückzugeben … und dreiein-         sionspräsidentin Ursula von der Leyen und
halb Millionen Syrer in ihre Heimat zurück-    der Rat der Innenminister, bekundeten
zuführen«. Im September 2019 – einen           klare Unterstützung für die Abwehrmaß-
Monat vor der jüngsten Militärinvasion –       nahmen Griechenlands. Frontex, die Grenz-
präsentierte Erdoğan vor der VN-General-       und Küstenwache der EU, wurde beauf-
versammlung einen Plan für ein Wieder-         tragt, die Kontrolle der Land- und Seegren-
aufbauprojekt, das darauf angelegt ist, rund   zen zur Türkei mit zwei Soforteinsätzen zu
eine Million Geflüchtete in einer Schutz-      verstärken und die Rückführungsoperatio-
zone im Nordosten Syriens anzusiedeln.         nen zu intensivieren. Für diese und andere
                                               Maßnahmen – wie finanzielle Anreizpro-
                                               gramme für freiwillige Heimreisen, die Auf-
Eskalation an der türkisch-                    stockung der Aufnahmekapazitäten in der
griechischen Grenze                            griechischen Evros-Region und eine Stär-
                                               kung der dortigen für Gesundheits- und
Ende Februar 2020 verkündete die türki-        Sicherheitsscreenings erforderlichen Infra-
sche Regierung, sie werde die Übergänge        struktur – hat die EU-Kommission 350 Mil-
nach Griechenland öffnen. Sie lockte so        lionen Euro Soforthilfe bereitgestellt. Wie
Flüchtlinge und Migranten an die Grenze        sie ankündigte, soll dieser Betrag durch
zum Nachbarland und provozierte dort eine      eine Haushaltsumschichtung noch verdop-
humanitäre Notlage. Bei diesem Vorgehen        pelt werden. Zeitverzögert und nur zurück-

                                                                                               SWP-Aktuell 22
                                                                                                  März 2020

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haltend äußerte EU-Innenkommissarin Ylva        desolate sanitäre Bedingungen sowie unzu-
                 Johansson Kritik an den offensichtlichen        reichender Zugang zu medizinischer Ver-
                 Verstößen Griechenlands gegen das inter-        sorgung und psychosozialer Unterstützung.
                 nationale und europäische Flüchtlings-          Immer wieder kommt es zu Unfällen und
                 recht. Dabei besteht das Risiko, dass Brüssel   Bränden, ebenso zu gewalttätigen Aus-
                 durch die wachsende operative Beteiligung       schreitungen, die bereits mehrere Todes-
                 von EU-Agenturen direkte Mitverantwort-         opfer gefordert haben. Die ersten Fälle von
                 lichkeit dafür übernimmt.                       Coronavirus-Infektionen auf den griechi-
                    Die unmittelbare Krise an der griechi-       schen Inseln könnten die Situation in den
                 schen Außengrenze der EU hat sich Mitte         dortigen Lagern zusätzlich verschärfen.
                 März vorläufig leicht entspannt. Denn die          Die griechische Regierung erwägt bereits
                 Türkei hat bis auf weiteres davon abgelas-      seit Monaten, die Menschen auf das Fest-
                 sen, Schutzsuchende und Migranten aktiv         land zu evakuieren. Mittel- bis langfristig
                 an einzelne Übergänge an der Grenze nach        will Athen neu auf den Inseln ankommen-
                 Nordgriechenland zu bringen. Somit              de Asylbewerber in geschlossenen Lagern
                 scheint die aus europäischer Sicht oftmals      unterbringen. Deren Bau ist bislang jedoch
                 als »Erpressungsversuch« beschriebene           durch lokale Proteste weitgehend verhin-
                 Politik Ankaras vorerst beendet. Auch die       dert worden. Mit dem im Januar 2020 in
                 türkische Küstenwache betreibt wieder           Kraft getretenen Asylgesetz hat Griechen-
                 reguläre Grenzüberwachung. Dies dürfte          land zudem die Bleibegründe weiter einge-
                 jedoch Überfahrten auf die griechischen         schränkt; durch den Einsatz von Polizei und
                 Ägäis-Inseln nicht vollständig stoppen,         Militär sollen die Asylverfahren beschleu-
                 zumal sie durch mildere Witterungsver-          nigt werden. Ob es der griechischen Regie-
                 hältnisse im Frühjahr begünstigt werden.        rung gelingt, abgelehnte Asylbewerber ver-
                                                                 stärkt in die Türkei zurückzuführen, hängt
                                                                 von zweierlei ab. Zum einen haben die
                 Anhaltende Krise auf den                        griechischen Gerichte zu entscheiden, ob
                 griechischen Ägäis-Inseln                       die Türkei als sicherer Drittstaat gilt. Zum
                                                                 anderen kommt es darauf an, dass Ankara
                 Die Lebensbedingungen für Migranten und         zur Kooperation bereit ist – was durch die
                 Geflüchtete auf den griechischen Ägäis-         jüngste Krise an der gemeinsamen Land-
                 Inseln sind nach wie vor katastrophal. Die      grenze grundsätzlich in Frage gestellt wurde.
                 seit Ende 2015 mit EU-Unterstützung auf-
                 gebauten Einrichtungen (sogenannte Hot-
                 spots) sind lediglich für gut 6 000 Personen    Der Hintergrund der EU-Türkei-
                 ausgerichtet, beherbergen aber mittlerweile     Erklärung
                 41 000 Menschen. Die dramatische Über-
                 belegung ist eine – ungeplante – Folge          Eine Zusammenarbeit zwischen EU und
                 der EU-Türkei-Erklärung von 2016, die           Türkei ist dringend notwendig, für die
                 unter anderem vorsieht, dass Asylbewerber       Versorgung von Schutzsuchenden ebenso
                 in der Regel nicht auf das griechische Fest-    wie zur Grenzsicherung. Beide Seiten haben
                 land verbracht werden dürfen. Gleichzeitig      im Verlauf der zurückliegenden Krise be-
                 verliefen die Asylverfahren auf den Inseln      tont, dass für diese Zwecke die bestehende
                 nur äußerst schleppend, und die in der          EU-Türkei-Erklärung von März 2016 – viel-
                 Erklärung vorgesehenen Rückführungen in         fach auch als »Flüchtlingspakt« bezeichnet
                 die Türkei konnten kaum umgesetzt wer-          – weiterhin als Bezugsrahmen gilt. Nach
                 den. NGOs, UNHCR und verschiedene EU-           einem Treffen mit Erdoğan am 9. März
                 Institutionen kritisieren seit langem die       2020 in Brüssel kündigte EU-Ratspräsident
                 Zustände in den Aufnahme-Einrichtungen.         Charles Michel an, der Hohe Vertreter der
                 Zu den Problemen dort zählen neben der          EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep
                 Überbelegung auch mangelnde Sicherheit,         Borrell, und der türkische Außenminister

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Mevlüt Çavuşoğlu sollten gemeinsam über-        möglichst umgehend wieder in die Türkei
prüfen, wie die Erklärung besser umgesetzt      – die hierfür als sicherer Drittstaat defi-
werden könnte.                                  niert wurde – abgeschoben werden. Um-
   Spätestens ab 2014 war es vor allem auf-     gekehrt sollte die EU besonders schutz-
grund der Eskalation des Bürgerkriegs in        bedürftige Personen aus der Türkei in einem
Syrien zu einer massiven humanitären Not-       legalen Verfahren der Neuansiedlung über-
lage und zu Versorgungsengpässen seitens        nehmen, idealerweise in einer Zahl, die
des UNHCR gekommen. Die erste Reaktion          exakt jener der rückgeschobenen Syrer von
Brüssels bestand im »EU Regional Trust          den Inseln entsprechen würde (»Eins-zu-
Fund in Response to the Syrian Crisis«          eins-Mechanismus«). Wenn die irregulären
(»Madad Fund«). Der Treuhandfonds ermög-        Überfahrten über die Ägäis weitgehend ge-
lichte 2014 eine erste finanzielle Unterstüt-   stoppt wären, sollte die Aussicht auf weite-
zung für mehrere Nachbarländer Syriens,         re humanitäre Übersiedlungen aus der Tür-
war aber bei weitem nicht ausreichend.          kei bestehen. Außerdem verpflichteten sich
Angesichts rasant steigender Flüchtlings-       die Europäer, die EU-Beitrittsgespräche mit
zahlen versuchte Brüssel im Herbst 2015,        Ankara neu zu beleben, sich weiter um
mit dem »EU-Türkei-Aktionsplan« umfas-          eine Vertiefung der Zollunion zu bemühen
sende Stabilisierungsmaßnahmen einzulei-        und die Verhandlungen über eine Visa-
ten. Der erste Teil des Plans zielte auf eine   befreiung für türkische Staatsbürger zu be-
Verbesserung der humanitären Lage von           schleunigen.
Geflüchteten in der Türkei. Erreicht werden
sollte dies sowohl durch europäische Hilfs-
zahlungen als auch durch gesetzliche und        Bisherige Umsetzung des Paktes
institutionelle Reformen in der Türkei. Vor
allem Letztere waren entscheidend dafür,        Die EU-Gelder wurden vor allem für Maß-
dass geflüchtete Syrer in dem Nachbarland       nahmen in den Bereichen Bildung, Gesund-
eine mittelfristige Perspektive erhielten. So   heit und humanitäre Hilfe ausgegeben.
wurde etwa der türkische Arbeitsmarkt           Waren bis zu 6 Milliarden Euro zugesagt, so
geöffnet, und syrische Kinder konnten zur       wurden laut EU-Kommission bisher Verträ-
Schule gehen. Der zweite Teil des Aktions-      ge für Leistungen in Höhe von 4,7 Milliar-
plans konzentrierte sich auf den Grenz-         den Euro unterzeichnet, von denen 3,2 Mil-
schutz und Kampagnen zur Aufklärung             liarden Euro schon ausbezahlt sind. Die
irregulärer Migranten. Dies lag im europäi-     Gelder wurden vor allem für Projekte bewil-
schen wie auch im türkischen Interesse.         ligt, die von VN-Organisationen, internatio-
Denn die Türkei wollte vermeiden, langfris-     nalen Finanzorganisationen und einigen
tig als Korridor für Flucht und Migration       NGOs umgesetzt werden. Gut 1,5 Milliarden
aus verschiedenen Teilen des Nahen Ostens       Euro sind direkt für staatliche Stellen in der
und Asiens nach Europa zu dienen.               Türkei, allen voran das Bildungsministe-
   Zur politischen Unterfütterung und           rium, vorgesehen. Der EU-Rechnungshof
operativen Umsetzung der Zusammenarbeit         hob in einer Prüfung Ende 2018 hervor,
war es aber notwendig, zusätzlich ein brei-     erforderlich sei ein Übergang von temporär
teres Maßnahmenpaket zu vereinbaren. Dies       begrenzter humanitärer Hilfe hin zu Maß-
geschah im März 2016 mit der EU-Türkei-         nahmen, die langfristig tragfähige Unter-
Erklärung. Darin konkretisierten die Euro-      stützungsstrukturen schaffen.
päer ihre finanziellen Zusagen; bis Ende           Als größte Errungenschaft der EU-Türkei-
2018 konnten demnach Mittel in Höhe von         Erklärung gilt aus europäischer Sicht, dass
maximal 6 Milliarden Euro fließen. Aller-       die Zahl irregulärer Einreisen in die EU
dings sollten im Gegenzug ab einem Stich-       reduziert worden ist. Das für viele Befür-
tag keine Asylanträge von Syrern mehr           worter des Paktes wichtigste Argument für
angenommen werden, die irregulär auf den        dessen Fortsetzung lautet, dass er abschre-
griechischen Inseln anlandeten. Sie sollten     ckend gewirkt und dadurch auch die Zahl

                                                                                                 SWP-Aktuell 22
                                                                                                    März 2020

                                                                                                             5
der Todesopfer bei Überfahrten drastisch         werden. Dessen ungeachtet kann die Türkei
                 gesenkt habe. Als ursächlich dafür wird          auf dringend notwendige Zukunftsperspek-
                 immer wieder der Eins-zu-eins-Mechanis-          tiven pochen, da die ersten Projekte zur
                 mus genannt. Allerdings erfolgte die Um-         direkten Unterstützung syrischer Geflüchte-
                 setzung dieses Punktes eher symbolisch. Bis      ter im Herbst 2020 auslaufen werden. Die
                 Ende Januar 2020 wurden insgesamt nur            EU konnte sich bisher nicht darauf einigen,
                 etwa 2 000 Personen von Griechenland an          neue Mittel für die Türkei zu mobilisieren.
                 die Türkei überstellt, ein Bruchteil der Asyl-   Dies hängt auch damit zusammen, dass
                 antragsteller auf den griechischen Inseln.       sich die Verhandlungen über den nächsten
                 Zugleich übernahm die EU mehr als 25 000         Mehrjährigen Finanzrahmen der EU
                 besonders schutzbedürftige Syrer aus der         (2021–2027) insgesamt schwierig gestalten.
                 Türkei. Dies war allerdings weniger als die      Die Corona-Krise dürfte die Lage noch
                 Hälfte des ursprünglich vorgesehenen             einmal dramatisch verschärfen, da nun in
                 Kontingents; die Ursachen dafür liegen vor       den Mitgliedstaaten der EU vordringlich
                 allem in Defiziten der griechischen Verwal-      umfassende Not- und Nachtragshaushalte
                 tung. Die größte Gruppe von Rücküberstell-       verabschiedet werden, um wirtschaftliche
                 ten bestand aus Pakistanern, die weder in        Schäden einzudämmen.
                 der EU noch in der Türkei Aussicht auf
                 Schutz haben. Deshalb bleibt umstritten,
                 ob es nicht doch überwiegend anderen             Vorschläge zur Reform der
                 Faktoren als dem Übernahmemechanismus            EU-Türkei-Erklärung
                 des Paktes geschuldet ist, dass die Zahl der
                 Überfahrten auf die griechischen Inseln          Es liegen einige Vorschläge zur Überarbei-
                 deutlich abgenommen hat. Für diese Ent-          tung des Flüchtlingspaktes vor. Ansatz-
                 wicklung, die sich bereits im Winter 2015/       punkt sind dabei die Defizite des bisher be-
                 2016 abzeichnete, könnten auch die Witte-        stehenden Rahmens, die je nach Perspek-
                 rungsbedingungen verantwortlich sein, die        tive unterschiedlich bewertet und gewichtet
                 verbesserte humanitäre Lage in der Türkei        werden. Zu den bemängelten Punkten zäh-
                 sowie die zunehmenden Grenzkontrollen            len unter anderem die unwürdigen Auf-
                 auf der sogenannten Balkanroute. In jünge-       nahmebedingungen auf den griechischen
                 rer Zeit wirkten sicher auch die unmensch-       Inseln, die ungenügende Qualität und zu
                 lichen Bedingungen auf den griechischen          lange Dauer der Asylverfahren, das Fehlen
                 Inseln abschreckend.                             von Mechanismen zur Überwachung der
                    Andere Elemente des Paktes, wie etwa          Vereinbarungen und die unzureichende
                 die Visaliberalisierung, konnten und kön-        Zahl an Rückführungen in die Türkei bzw.
                 nen wegen der innenpolitischen Lage in der       an Geflüchteten, die von den EU-Mitglied-
                 Türkei seit dem Putschversuch von Juli           staaten aus der Türkei direkt übernommen
                 2016 nicht eingelöst werden. Nur die Ver-        werden. Insgesamt würden, so der zentrale
                 tiefung der Zollunion erscheint aus techni-      Vorwurf, die wichtigsten Bestimmungen
                 scher Sicht noch möglich, auch wenn sich         nicht umgesetzt – der Pakt funktioniere
                 die ökonomischen Voraussetzungen mitt-           als Ganzes nicht.
                 lerweile stark verändert haben und es Prob-         Um Abhilfe zu schaffen, wurden kleinere
                 leme in Fragen der Rechtsstaatlichkeit gibt.     oder größere Reformen empfohlen. Sehr
                    Von den neun Punkten des Paktes wurde         weitgehende Vorschläge stammen von der
                 letztlich nur die europäische Zusage finan-      European Stability Initiative (ESI), die sich
                 zieller Hilfen eingehalten – und das mit         als Initiatorin der EU-Türkei-Erklärung ver-
                 beträchtlichen Verzögerungen. Die EU             steht. Die ESI plädiert für eine Neuauflage
                 kann darauf verweisen, dass der allergrößte      des Flüchtlingspaktes, eine »EU-Türkei-
                 Teil der Finanzmittel vergeben ist und bis-      Erklärung 2.0«. Dafür seien kurz- und mit-
                 lang nicht abgeflossene Gelder im Rahmen         telfristige Maßnahmen nötig. Die vordring-
                 längerfristiger Projekte noch ausgezahlt         lichen Ziele müssten darin bestehen, den

SWP-Aktuell 22
März 2020

6
humanitären Notstand auf den griechi-          Türkei-Erklärung in Griechenland ankom-
schen Inseln durch sofortige Leerung der       men würde, in die Türkei zurückgeführt
dortigen Lager zu beenden und eine neue        werden könnte. Die bisherigen Erfahrungen
humanitäre Katastrophe auf dem griechi-        zeigen aber, dass gerade diese Erwartung so
schen Festland zu vermeiden.                   voraussetzungsvoll ist und so viele Unwäg-
   Um einem solchen Ansatz zum Erfolg zu       barkeiten enthält, dass eine Umsetzung der
verhelfen, müssten die griechischen Behör-     Verpflichtungen unter den bestehenden
den zweierlei unternehmen. Zum einen           Rahmenbedingungen nicht zu erwarten
müssten nach Auflösung der bestehenden         wäre. Deshalb sollte auf diese Komponente
Lager neue menschenwürdige Aufnahme-           verzichtet werden.
zentren und Unterkünfte bereitgestellt
werden. Zum anderen wäre ein System zu
schaffen, das innerhalb von zwei Monaten       Ein umfassender Ansatz
zu Asylentscheidungen in zweiter Instanz
gelangt. Bei Planung und Umsetzung             Offensichtlich wäre es nicht ausreichend,
bräuchte Griechenland die Unterstützung        lediglich die EU-Türkei-Erklärung zu refor-
anderer EU-Staaten. Für Syrerinnen und         mieren. Vielmehr sollte sie von europäi-
Syrer, die nach den Vorschlägen der ESI        scher Seite in einen umfassenderen Ansatz
ohne ein Asylverfahren in die Türkei           eingebettet werden. Zu diesem Zweck muss
zurückgeschickt werden sollten, wäre ge-       die EU erstens Griechenland entschiedener
meinsam mit Ankara ein Überprüfungs-           unterstützen. Der anhaltende Ausnahme-
mechanismus einzurichten, der sicherstellt,    zustand auf den Inseln sollte durch Eva-
dass die Menschen dort gemäß internatio-       kuierung auf das Festland so schnell wie
nalen Standards behandelt werden. Diese        möglich beendet werden. Auch können die
Maßnahmen könnten die Situation stabili-       fast 90 000 offenen Asylverfahren nicht
sieren und die Zahl irregulärer Einreisen      ohne EU-Hilfe bearbeitet werden. Das Euro-
wieder reduzieren. Im Gegenzug sollten die     päische Asylunterstützungsbüro (EASO) hat
EU-Staaten ihr Versprechen einlösen, Flücht-   bereits angekündigt, die Zahl der nach Grie-
linge direkt aus der Türkei umzusiedeln.       chenland entsandten Beamten im Jahr 2020
Dies müsste allerdings einen größeren Um-      auf über 1 000 zu verdoppeln. Für aner-
fang haben als bisher, innerhalb des ersten    kannte Flüchtlinge sind Programme zur Um-
Jahres beispielsweise 50 000 Menschen. Er-     siedlung in andere Mitgliedstaaten erforder-
gänzend wären weitere 6 Milliarden Euro        lich. Aufgebaut werden sollte dabei auf
an die Türkei zu zahlen, um sie bei der Auf-   der von sieben EU-Staaten angekündigten
nahme und Versorgung syrischer Geflüch-        Initiative, freiwillig 1 600 unbegleitete Min-
teter – deren Zahl in den nächsten Jahren      derjährige aufzunehmen. Für abgelehnte
weiter steigen dürfte – zu unterstützen.       Asylbewerber sind – soweit es die Lage im
   Einzelne dieser Reformvorschläge sind       Herkunftsland erlaubt – EU-finanzierte
sinnvoll und zumal im Zeichen der Corona-      Rückkehrprogramme denkbar. Nur wenn
Krise unbedingt zu verwirklichen. Dies         Griechenland wirksam unterstützt wird,
betrifft insbesondere die Leerung der Lager    haben auch die Vorschläge für eine grund-
auf den Inseln, die Unterstützung Griechen-    legende Reform des Gemeinsamen Europäi-
lands bei der Bearbeitung von Asylanträ-       schen Asylsystems eine Aussicht auf Erfolg
gen, mehr Umsiedlungen vom griechischen        – ein Unterfangen, das die EU-Kommission
Festland in andere EU-Staaten und weitere      mit dem »Pakt für Migration und Asyl« für
finanzielle Zuwendungen an die Türkei.         das Frühjahr 2020 angekündigt hat.
Wenig sinnvoll ist es jedoch, auch aus Sicht      Es liegt zweitens im europäischen Inter-
der ESI, den Eins-zu-eins-Mechanismus          esse, sich noch stärker in den Nachbarstaa-
fortzuführen. Gleichwohl geht die ESI nach     ten Syriens zu engagieren. Dabei gilt es, die
wie vor davon aus, dass jede Person, die       materiellen und gesellschaftlichen Kosten
nach Inkrafttreten einer Neuauflage der EU-    der Hauptaufnahmestaaten für syrische

                                                                                                SWP-Aktuell 22
                                                                                                   März 2020

                                                                                                            7
Geflüchtete (Türkei: 3,6 Millionen, Libanon:                läuft. Und die Europäer sollten sich gegen-
                               900 000, Jordanien: 650 000, Irak: 250 000)                 über Moskau und Ankara dafür einsetzen,
                               zumindest teilweise aufzufangen, Vertei-                    den Waffenstillstand in Idlib auszuweiten
                               lungskonflikten in diesen Ländern effektiv                  und zu verstetigen, damit sich auf dem
                               entgegenzuwirken und vorschnelle Rück-                      Verhandlungswege Regelungen für die
                               führungen in eine Situation der Unsicher-                   diversen Konfliktpunkte (territoriale Kon-
                               heit in Syrien zu verhindern, mit denen                     trolle, Schutz für die Zivilbevölkerung,
                               zudem die Hilfsorganisationen dort völlig                   Umgang mit bewaffneten Kämpfern etc.)
                               überlastet würden. Stattdessen sollten die                  finden lassen.
                               Europäer viel entschlossener als bisher in                     Viertens wäre es in diesem Zusammen-
© Stiftung Wissenschaft        das Humankapital der syrischen Bevölke-                     hang sinnvoll, wenn sich Russland und die
und Politik, 2020              rung in der Diaspora investieren. Nach                      Türkei darauf verpflichteten, im Norden der
Alle Rechte vorbehalten        Angaben von UNICEF wird derzeit etwa die                    Provinz Idlib eine Schutzzone für Binnen-
                               Hälfte der syrischen Kinder in dem Land                     vertriebene zu schaffen und zu sichern.
Das Aktuell gibt die Auf-
                               selbst und den Nachbarländern nicht be-                     Für die Einrichtung einer solchen Zone soll-
fassung der Autoren und
Autorinnen wieder.             schult. Unabhängig davon, ob Geflüchtete                    ten die Europäer Unterstützung anbieten,
                               nach Syrien zurückgehen oder auf Dauer in                   sofern bestimmte Minimalbedingungen
In der Online-Version dieser   den derzeitigen Aufnahmestaaten bleiben,                    gewährleistet sind. In der Zone dürften sich
Publikation sind Verweise      sind ausreichende Schulbildung, Ausbil-                     nur unbewaffnete Zivilisten aufhalten; sie
auf SWP-Schriften und
                               dung und Versorgung essentiell, damit sie                   dürfte nicht zum Ausgangspunkt militäri-
wichtige Quellen anklickbar.
                               nicht langfristig von Hilfe abhängig blei-                  scher Operationen werden und ebenso
SWP-Aktuells werden intern     ben. In diesem Sinne sollte die EU mit den                  wenig der Rückführung von Geflüchteten
einem Begutachtungsverfah-     Aufnahmestaaten auch einen Dialog dar-                      aus der Türkei dienen. Ein militärisches
ren, einem Faktencheck und     über führen, wie die Maßnahmen effektiver                   Engagement der Europäer oder gar der
einem Lektorat unterzogen.     gestaltet werden können.                                    Nato, wie von Ankara gefordert, würde von
Weitere Informationen
                                  Es ist drittens im europäischen Interesse,               Moskau (wie Damaskus) abgelehnt und
zur Qualitätssicherung der
SWP finden Sie auf der SWP-    schnell und massiv zu einer Linderung des                   daher kein Mandat des VN-Sicherheitsrats
Website unter https://www.     Flüchtlingselends in der umkämpften Pro-                    erhalten. Solche Schritte liefen damit Ge-
swp-berlin.org/ueber-uns/      vinz Idlib beizutragen und einer Ausbrei-                   fahr, die Situation weiter eskalieren zu las-
qualitaetssicherung/           tung von Covid-19 unter den Geflüchteten                    sen, statt zu einer Beruhigung beizutragen.
                               vorzubeugen. Daher sollten die Europäer –                   Auch sollten die Europäer die Militäropera-
SWP
Stiftung Wissenschaft und
                               in Kooperation mit UNHCR, der Weltge-                       tionen und politischen Ambitionen der
Politik                        sundheitsorganisation (WHO), dem Welt-                      Türkei im Norden Syriens weder diploma-
Deutsches Institut für         ernährungsprogramm (WFP), internationa-                     tisch noch finanziell oder militärisch unter-
Internationale Politik und     len NGOs sowie der Türkei – sofort Hilfs-                   stützen. Zwar hat die Türkei ein legitimes
Sicherheit                     lieferungen und Notunterkünfte für jene                     Interesse daran, ihre Grenze zu Syrien zu
                               bereitstellen, die unter menschenunwür-                     sichern und potentielle Angriffe auf ihr
Ludwigkirchplatz 3–4
10719 Berlin                   digen Bedingungen nahe der türkischen                       Territorium aus dem Nachbarland abzu-
Telefon +49 30 880 07-0        Grenze ausharren. Gleichzeitig muss es                      wehren. Ihre Militärinvasionen und die
Fax +49 30 880 07-100          darum gehen, gegenüber Russland darauf                      Besetzung syrischen Territoriums verstoßen
www.swp-berlin.org             zu drängen, dass der grenzüberschreitende                   aber klar gegen Völkerrecht.
swp@swp-berlin.org
                               Zugang für humanitäre Hilfe auch nach
ISSN 1611-6364
                               dem 10. Juli 2020 erhalten bleibt, wenn die
doi: 10.18449/2020A22          entsprechende Sicherheitsratsresolution ab-

                               Dr. Sinem Adar ist Wissenschaftlerin am Centrum für angewandte Türkeistudien (CATS) an der SWP. CATS wird gefördert
                               durch die Stiftung Mercator und das Auswärtige Amt. Dr. Steffen Angenendt ist Leiter der Forschungsgruppe Globale
                               Fragen. Dr. Muriel Asseburg ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika. Dr. Raphael
                               Bossong ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe EU/Europa. David Kipp ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe
                               Globale Fragen und arbeitet in dem vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
                               geförderten Projekt »Flucht, Migration und Entwicklung – Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten für deutsche
                               und europäische Politik«.

      SWP-Aktuell 22
      März 2020

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