Zimmer frei? Die Wiederentdeckung der Relevanz des studentischen Wohnens für lokale Wohnungsmärkte - Sciendo
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Raumforsch Raumordn (2014) 72:385–399 DOI 10.1007/s13147-014-0303-x Wissenschaftlicher Beitrag Zimmer frei? Die Wiederentdeckung der Relevanz des studentischen Wohnens für lokale Wohnungsmärkte Jan Glatter · Katharina Hackenberg · Manuel Wolff Eingegangen: 9. September 2013 / Angenommen: 25. Juni 2014 / Online publiziert: 2. August 2014 © The Editors 2014 Zusammenfassung Angesichts steigender Studierenden- fekte mit dem lokalen Wohnungsmarkt abgeleitet. Vor dem zahlen und zunehmender Wohnungsknappheit gewinnen Hintergrund der derzeitigen Diskussion um Wohnungs- Diskussionen über das Segment des studentischen Wohnens knappheit werden die Folgen der Marktbedingungen auf in Politik, Medien, Wohnungswirtschaft und Wissenschaft Mieter- und Vermietermärkten für Studierende herausge- erneut an Aufmerksamkeit. Verlässliche und umfassende arbeitet sowie marktspezifische Handlungsansätze zur Er- Informationen über die Märkte und Marktentwicklungen höhung der Markttransparenz dargestellt. dienen in diesem Zusammenhang als wichtige Voraus- setzung für sozialpolitische und wohnungswirtschaftliche Schlüsselwörter Studentisches Wohnen · Entscheidungen. Dabei wird deutlich, dass in Wissenschaft Universitätsstädte · Wohnungsmarkt · Kopplungseffekte · und Praxis nur geringe Kenntnisse über die aktuelle Ent- Mieter- und Vermietermärkte · Studentification wicklung und Struktur des Segments und seinen Auswir- kungen auf die lokalen Wohnungsmärkte vorhanden sind. Der Beitrag setzt an dieser Forschungslücke an. Für das Rooms Available? The Rediscovery of the Relevance of Segment des studentischen Wohnens werden zunächst die Student Housing for Local Housing Markets Faktoren der steigenden Wohnungsnachfrage Studierender herausgearbeitet und Untersuchungen zum studentischen Abstract Due to the rising number of students and an Wohnen im Hinblick auf ihre wohnungsmarktpolitische increasing shortage in housing in many university cities, Bedeutung vorgestellt. Weiterhin werden die Entwicklung debates about student housing are starting to gain more und Struktur der Angebots- und Nachfrageseite in ihrer attention from politics, the media, the housing industry jeweiligen Besonderheit charakterisiert und Kopplungsef- and science. As a result, the state of knowledge about the structure and development of the local housing market and its impact is rather limited in both theory and practice. Re- liable and comprehensive information about the housing Dr. J. Glatter () · Diplom-Geographin K. Hackenberg market and its evolution are essential for socio-political Geographisches Institut, Rheinische Friedrich-Wilhelms- and housing-related decisions. This paper aims at filling Universität Bonn, Meckenheimer Allee 166, this research gap. After describing factors related to the 53115 Bonn, Deutschland rising demand in student housing, case studies focusing on E-Mail: jglatter@uni-bonn.de student housing and its political significance are present- ed. Furthermore, this study characterises the development Diplom-Geographin K. Hackenberg E-Mail: katharina.hackenberg@geographie.uni-bonn.de and structure of supply as well as the demand for student housing, and how these factors interrelate with the local Diplom-Geograph M. Wolff housing market. In light of the current discussion about the Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, housing shortages, the consequences of the rental market Permoserstraße 15, 04318 Leipzig, Deutschland conditions for students are highlighted. Finally, this paper E-Mail: manuel.wolff@ufz.de
386 J. Glatter et al. concludes by providing possible approaches to ensure mar- Wohnungsmarktbeobachtung und Wohnungspolitik, Hoch- ket transparency schulleitungen und Studentenvertretungen, Studentenwerke und andere Wohnungsanbieter. Keywords Student housing · University cities · Housing market · Interlinking effects · Renter’s market · Landlord’s market · Studentification 2 Der neue „Studentenberg“ – Entwicklung der Studierendenzahlen in Deutschland 1 Einleitung Nachdem die west- und ostdeutschen Hochschulen Ende der 1990er bis Anfang der 2000er Jahre die letzte Welle steigen- Lange blieben sie aus, die Diskussionen über das studenti- der Studierendenzahlen erlebt hatten, war die studentische sche Wohnen. Doch inzwischen wird in Bund, Ländern und Wohnungsnachfrage über Jahre aus dem Fokus der Auf- vor allem in vielen Hochschulstädten wieder intensiv über merksamkeit geraten. Seit 2007 ist jedoch die Zahl der Stu- die Wohnangebote für Studierende diskutiert. Mehrere Fak- dienanfänger in Deutschland von 361.500 auf 503.600 im toren, darunter das Auftreten doppelter Abiturjahrgänge und Jahr 2013 gestiegen. Aufgrund dieser Entwicklung nahm die die Aussetzung der Wehrpflicht, haben zu einer wachsenden Zahl der Studierenden im gleichen Zeitraum von 1,9 Mio. Zahl der Studienanfänger und Studierenden geführt. auf 2,6 Mio. zu, was einer Steigerung um 37 % entspricht Der Gegenstand der Diskussionen ist nicht neu. Bereits (Destatis 2013a: 16; Destatis 2013b). In Reaktion auf diesen Anfang der 1970er Jahre und in den 1980er Jahren kam „Studentenberg“ wurde durch die Kultusministerkonferenz es aufgrund des Ausbaus der Hochschulen und starker der Hochschulpakt initiiert. Damit verbunden war die Hoff- Geburtenjahrgänge mehrfach zu ‚Studentenwellen‘, die mit nung, dass die regionalen Unterschiede in der demographi- großen Nachfrageengpässen auf dem studentischen Woh- schen Entwicklung in Ost- und Westdeutschland genutzt nungsmarkt verbunden waren und schnelle Lösungen ver- werden könnten, um einen Großteil der westdeutschen Abi- langten (vgl. u. a. Möller/Korte 1972). turienten mit Hilfe umfassender Werbemaßnahmen an die Diese sich wiederholenden Überraschungen über plötzli- ostdeutschen Hochschulen (um)zuleiten. che Nachfrageschübe sind für sich selbst schon überraschend. Auch wenn diese Versuche der Umverteilung teilweise Offensichtlich werden Entwicklungen zum studentischen erfolgreich waren, so wurde die Entwicklung der studenti- Wohnen in der Wohnungspolitik und Wohnungsmarktbeob- schen Nachfrage dennoch unterschätzt. Für diese Zunahme achtung wenig beachtet. Eigene Recherchen haben diesen der Studierendenzahlen lassen sich folgende Faktoren Eindruck bestätigt: Zwar gibt es eine Reihe empirischer Stu- benennen: dien zum studentischen Wohnen (vgl. Kap. 3), von denen ● eine allgemein höhere Bildungsbeteiligung und steigende sind aber nur wenige so angelegt, dass sie für lokale Märkte Zahl der Schüler, die eine Hochschulzugangsberechti- das Angebot und die Nachfrage, aber auch die Interdepen- gung erwerben (Autorengruppe Bildungsberichterstat- denzen des studentischen Wohnens mit anderen Segmen- tung 2012: 95), ten des Wohnungsmarktes thematisieren. Demgegenüber ● eine allgemein steigende Studierneigung der Abiturien- benötigen Kommunen und Hochschulen verlässliche Infor- ten (Lörz/Quast/Woisch 2011), mationen über die studentische Wohnungsversorgung, um ● doppelte Abiturjahrgänge in mehreren Bundesländern, Studierenden auf dieser Grundlage ansprechende Lebens- ● die 2011 beschlossene Aussetzung der Wehrpflicht, bedingungen am Studienort zu bieten und negative Folge- ● geburtenstarke Jahrgänge der bis 1990 Geborenen in wirkungen für andere Segmente des Wohnungsmarktes, wie Westdeutschland (Kinder der Babyboomer-Generation) beispielsweise die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum, und zu vermeiden. ● die internationale Zuwanderung Studierender, unter Aufgrund der vergleichsweise geringen Kenntnisse über anderem infolge der Wirtschaftskrise. die Bedeutung des studentischen Wohnens für lokale Woh- nungsmärkte ist es das Ziel dieses Beitrages, eine grund- Während die größere studentische Nachfrage in schrump- legende Betrachtung über den Teilmarkt des studentischen fenden Regionen begrüßt wird, treffen die hohen Stu- Wohnens zu bieten. Dafür werden die Marktakteure und die dierendenzahlen in vielen anderen Hochschulstädten auf Struktur dieses Segmentes sowie die wohnungspolitische angespannte Wohnungsmärkte mit steigendem Mietniveau Relevanz mitsamt den Handlungspotenzialen für die lokale (vgl. Schürt 2013: 4). Diese Entwicklungen haben zu einer Wohnungspolitik vorgestellt. Der Beitrag richtet sich nicht größeren Aufmerksamkeit für die studentische Wohnungs- nur an wissenschaftliche Beobachter, sondern zugleich an nachfrage und zu einem wachsenden Interesse an fundierten die Vielzahl der Akteure, die sich mit Fragen des studenti- Daten über die Strukturen, Phänomene und Trends des stu- schen Wohnens beschäftigen: Kommunalverantwortliche in dentischen Wohnens geführt. Betrachtet man die vorliegen-
Zimmer frei? Die Wiederentdeckung der Relevanz des studentischen Wohnens für lokale Wohnungsmärkte 387 den Studien zum studentischen Wohnen, zeigen sich jedoch Faktoren zurückzuführen: Erstens kam es in den letzten sehr unterschiedliche Perspektiven und Qualitäten. Jahrzehnten zu einem allgemeinen Wandel der Wohnungs- politik. Spätestens seit Ende der 1980er Jahre wurde das Konzept einer umfassend sichernden Wohnungsversor- 3 Untersuchungen zum studentischen Wohnen gung durch den Staat aufgegeben und der Wohnungsmarkt weniger reguliert (vgl. Holm 2009; Sautter 2009). Zudem Für die Analysen des studentischen Wohnens liegen mit der wurde die Wohnungsversorgung mit Hilfe der Angebote Sozialerhebung und den Daten des Studentenwerkes zwei öffentlicher Träger – hier der Studentenwerke – nicht wei- wichtige, langfristig erhobene Datenquellen vor. Die Sozial ter ausgebaut. Die Anpassung an die Nachfrage wurde so erhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) wird seit den Regulierungen des Marktes überlassen. Zweitens gel- 1951 alle drei Jahre durchgeführt, die jüngste Erhebung ten studentische Wohnungsmärkte als sehr unübersichtlich, wurde im Juni 2013 publiziert (Middendorf/Apolinarksi/ denn die studentische Wohnungsnachfrage ist nicht nur Poskowsky et al. 2013). Darin werden für ganz Deutsch- auf Wohnheime ausgerichtet, sondern auch auf den freien land wohnungsmarktrelevante Daten zur Sozialstruktur, der Wohnungsmarkt. Drittens gelten die Studierenden als sehr Finanzierung des Lebensunterhaltes, den Wohnformen, der anpassungsfähig, so dass in der Versorgung der Studieren- Mietbelastung und der Wohnzufriedenheit der Studieren- den lange Zeit eine geringere soziale Brisanz seitens der den beschrieben. Die Ergebnisse werden im Gesamtbericht kommunalen Wohnungspolitik gesehen wurde. regional differenziert, so dass Unterscheidungen zwischen Die sich zuspitzende Lage für die studentische Woh- den alten und neuen Bundesländern und in manchen Fäl- nungsversorgung hat in den letzten Jahren zu einer Reihe len nach einzelnen Bundesländern möglich sind. Für einige von Studien geführt, die vor allem von Marktforschungs- Hochschulstandorte liegen auch lokale Auswertungen der instituten und Immobilienberatungsfirmen erstellt wurden. Sozialerhebung vor (z .B. Studentenwerk Hamburg 2010; Eine 2007 von der vivacon AG in Auftrag gegebene Studie Studentenwerk München 2010). Die Fallzahlen dieser des Forschungsinstituts empirica hatte zum Ziel, den stu- Studien sind allerdings mit Stichprobenquoten von etwa dentischen Wohnungsbedarf an 78 Hochschulstandorten zu einem Prozent nicht sehr groß, so dass nicht immer von untersuchen und die künftige Attraktivität des regionalen einer Repräsentativität ausgegangen werden kann. Darüber Mietwohnungsmarktes zu beurteilen (empirica 2007). Das hinaus bleibt die Sozialerhebung auf die Nachfrageseite Immobilienberatungsunternehmen Bulwien Gesa erstellte begrenzt. Angaben über die Anbieterstrukturen und mög- für 64 Städte mit mindestens 7.000 Studierenden ein Sco- liche Kopplungen des studentischen Wohnens mit anderen ring, mit dem die Chancen-Risiko-Profile von Investitio- Marktsegmenten bleiben unbeachtet. nen in Studentenappartements bewertet wurden (Bulwien Eine weitere Datenquelle sind die vom Deutschen Stu- Gesa 2012). Auch eine Studie des Unternehmens Savills dentenwerk jährlich publizierten Zahlen der öffentlich zielte auf die Bewertung des Marktsegments der Studen- geförderten Wohnplätze für Studierende in der Bundesre- tenappartements (Pink/Maurer 2011). In einem Marktre- publik Deutschland (DSW 2012a). Dabei wird nicht nur port des Immobiliendienstleisters CBRE (CBRE 2013) das Angebot in Studentenwohnheimen berücksichtigt, son- wurde die Angebotssituation studentischer Wohnformen in dern auch öffentlich geförderter Wohnraum für Studierende 61 ausgewählten Hochschulstandorten mit mehr als 8.000 außerhalb von Wohnheimen. Studierenden analysiert und der Bedarf an hochwertigem Während die Sozialerhebung und das Studentenwerk studentischem Wohnraum abgeschätzt. eine kontinuierliche Beobachtung studentischer Wohnungs- Die Auflistung der Studien zeigt, dass es eine Reihe märkte liefern, weist die Aufmerksamkeit für das Thema vergleichender Untersuchungen zu Hochschulstandor- doch deutliche konjunkturelle Zyklen auf, die mit der Ent- ten gibt. Lokale Wohnungsmarktstudien, die sowohl die wicklung der Studierendenzahlen und den sich ergebenden Anbieter- und Nachfragestrukturen als auch die Auswirkun- Versorgungsengpässen korrespondieren. Erste intensive gen des studentischen Wohnens auf andere Segmente des Diskussionen wurden Anfang der 1970er Jahre mit dem Wohnungsmarktes thematisieren, bleiben bislang jedoch Ausbau und der Gründung neuer Universitäten geführt (vgl. die Ausnahme. Das wachsende Interesse an lokalen Unter- Möller/Korte 1972). Eine zweite Phase intensiver Debat- suchungen hat zumindest in einigen Universitäts- und ten und Studien lässt sich für die 1980er Jahre beobachten, Hochschulstädten zu ersten Studien geführt. Das Spektrum als die Babyboomer-Generation die Hochschulen erreichte dieser Untersuchungen ist sehr breit und reicht von nach- (vgl. Röck 1981; Landwehr 1984). Nachfolgend war das frageorientierten Befragungen der Studierenden bis hin zu studentische Wohnen bis Ende der 2000er Jahre ein wenig komplexeren Studien, die auch die Marktstrukturen und beachtetes Themenfeld. Neben der Entspannung der stu- Marktphänomene analysieren. Beispielhaft seien folgende dentischen Wohnungsnachfrage ist dieser Rückgang der Arbeiten genannt: Stadt Münster (2004), Mossig/Tkaczick Aufmerksamkeit für das studentische Wohnen auf weitere (2010) für Bremen, Glatter/Bartsch/Meinert et al. (2012) für
388 J. Glatter et al. Dresden, Bode/Wiest (2012) für Leipzig und Barth (2013) Poskowsky et al. 2013: 408). Der Anteil der im Umland der für Bonn. Hochschulorte lebenden und daher einpendelnden Studie- Auf der Grundlage der Erfahrungen aus eigenen Unter- renden variiert ebenfalls. So liegt der Anteil der Einpendler suchungen über die studentischen Wohnungsmärkte in in Bonn beispielsweise bei über 22 % (Barth 2013: 2) und Dresden und Bonn soll nachfolgend ein Überblick über die für die Hochschulstädte im hochverdichteten Ruhrgebiet wesentlichen Aspekte und Phänomene lokaler studentischer (z. B. Bochum und Dortmund) lassen sich noch weit höhere Wohnungsmärkte gegeben werden. Einpendlerzahlen vermuten. Um dennoch die quantitative Relevanz des studentischen Wohnens für lokale Wohnungsmärkte einschätzen zu kön- 4 Das Segment des studentischen Wohnens und der nen, kann in einer ersten Annäherung der Anteil der Stu- lokale Wohnungsmarkt dierenden an der lokalen Wohnbevölkerung herangezogen werden. Anhand dieser Studierendenquoten lassen sich drei 4.1 Quantitative Relevanz der Studierenden für den Markt-Typen unterscheiden (vgl. Abb. 11): lokalen Wohnungsmarkt ● Von studentischer Nachfrage abhängige Wohnungsmärkte: An Hochschulstandorten, an denen Studierende einen Für die Analyse des studentischen Wohnungsmarktes inte- Nachfrageanteil von über 20 % erreichen, kann von einer ressant sind die Studierenden, die an einer der lokalen Abhängigkeit der lokalen Stadt- und Wohnungsmarkt- Hochschulen eingeschrieben sind und in dem untersuchten entwicklung von den Studierenden gesprochen werden. Hochschulstandort als Nachfrager auf dem Wohnungsmarkt Beispiele für diesen Markt-Typ sind die Städte Gießen, auftreten. Dabei stellt sich jedoch der Zugang zu verläss- Marburg, Tübingen, Jena, Göttingen und Heidelberg. lichen Daten als Herausforderung dar. Die Statistischen ● Studentisch geprägte Wohnungsmärkte: An Hochschul- Landesämter erfassen die in den Hochschulen eingeschrie- standorten mit Studierendenanteilen von über 10 bis benen Studierenden. Mit diesen Daten wird allerdings nicht 20 % haben die Studierenden einen prägenden Einfluss der Wohnort der Studierenden erfasst, so dass unklar ist, auf den lokalen Wohnungsmarkt. Beispiele dafür sind ob diese am Studienort, im Umland oder gar einer anderen die Städte Mainz, Aachen, Trier, Münster, Bamberg, Stadt leben. Auch gibt es keine amtlichen Daten über den Konstanz und Potsdam. Anteil der Studierenden, die mit Haupt- bzw. Nebenwohn- ● Studentisch beeinflusste Wohnungsmärkte: Hoch- sitz am Hochschulstandort gemeldet sind. Darüber hinaus schulstandorte mit Studierendenanteilen von 10 % oder enthalten die amtlichen Daten keine Hinweise auf beur- weniger zeigen lediglich eine Beeinflussung durch die laubte Studierende und Nebenhörer, woraus sich Abwei- studentische Nachfrage. Beispiele für diesen Markt-Typ chungen zwischen den Daten der Statistischen Landesämter sind die Städte Dresden, Hamburg, Köln und München. und denen der Hochschulen ergeben. Der Umfang der lokalen Wohnungsnachfrage durch Stu- Die Typisierung der Hochschulstandorte bietet erste Indizien dierende muss daher anhand von empirischen Daten hoch- für lokal unterschiedliche Relevanzen des studentischen gerechnet werden. Dabei sollten Studierende, die noch bei Wohnens. In Städten mit hohen Studierendenanteilen sind den Eltern oder im Umland der Hochschulstädte wohnen, stärkere Kopplungen zwischen der studentischen Nachfrage aber auch Studierende, die in speziellen Unterkünften wie und anderen Marktsegmenten zu erwarten. denen der Verwaltungsfachhochschulen unterkommen, als Über die zu erwartende Entwicklung der Studierenden- Nachfrager ausgeschlossen werden. Der Anteil der studen- zahlen an den einzelnen Hochschulstandorten bestehen tischen Nachfrager liegt daher zumeist unter dem der einge- große Unsicherheiten. Ausschlaggebend dafür ist eine Viel- schriebenen Studierenden. Für die Stadt Dresden wurde von zahl beeinflussender Faktoren. In Prognosen der Studien- Glatter/Bartsch/Meinert et al. für das Jahr 2012 bei einer anfängerzahlen gehen neben der Bevölkerungsentwicklung Zahl von insgesamt 42.350 Studierenden ein Anteil von auch die Studienberechtigtenquote und die Studierquote, 38.700 Direktstudenten (ohne Promotionsstudenten) und das heißt diejenigen, die tatsächlich ein Studium aufneh- von diesen wiederum ein lokales Nachfragepotenzial von men, ein. Für kleinräumige Prognosen kommen noch die 35.200 Studierenden ermittelt. Das entspricht einem Anteil sehr schwer einschätzbaren Entwicklungen zur Wahl des an den Direktstudenten von 91 % – 5 % der Studierenden Studienortes durch Studienanfänger hinzu, die wiederum lebt im Umland und 4 % bei den Eltern (Glatter/Bartsch/ Meinert et al. 2012: 38). Der Anteil der Studierenden, der 1 Um einen Marktüberblick über studentisch geprägte Wohnungsmärkte bei den Eltern lebt, kann in anderen Städten allerdings deut- zu erreichen, stehen die Hochschulstädte mit 10.000 und mehr Studie- renden im Fokus der vorliegenden Analyse, wodurch für das Jahr 2011 lich höher sein. So leben in westdeutschen Hochschulstädten 57 der insgesamt 265 deutschen Hochschulstädte (Lentz 2012: o.S.) im Mittel 25 % der Studierenden bei den Eltern, in ostdeut- und 1,83 von insgesamt 2,38 Millionen Studierende (Destatis 2012: schen Hochschulstädten 11 % (Middendorf/Apolinarksi/ 13) in Deutschland berücksichtigt werden konnten.
Zimmer frei? Die Wiederentdeckung der Relevanz des studentischen Wohnens für lokale Wohnungsmärkte 389 Abb. 1 Hochschulstädte in Deutschland ab 10.000 Studierende nach Zahl der Studierenden im Wintersemester 2011/2012 und Studierendenanteil an der Wohnbevölkerung im Jahr 2011. (Datenquelle: Destatis (2012) und Zensus 2011) von sich ändernden Prioritäten bei der Studienfachentschei- wohingegen periphere Standorte ohne besondere Ausbil- dung sowie der kurzfristigen Änderungen des Studienplatz- dungsprofile Nachfragerückgänge zu erwarten haben. angebotes der Hochschulen abhängen. Für Deutschland bleibt den Prognosen der Kultusministerkonferenz zufolge 4.2 Akteure des studentischen Wohnungsmarktes die Zahl der Studienanfänger in den nächsten fünf Jahren mit 450.000 bis 470.000 auf einem hohen Niveau und wird Wie alle Wohnungsmarktsegmente ist auch das studentische erst ab dem Jahr 2020 allmählich sinken. Bis 2025 wird ein Wohnen durch das Zusammenspiel von Angebot und Nach- Rückgang der Studienanfänger gegenüber 2011 um rund frage sowie die Einflussnahme von Politik und Verwaltung 20 % erwartet (KMK 2012: 13). Die Erfahrung der letzten geprägt. Die bedeutsamsten Akteure sind neben den priva- Jahre hat allerdings gezeigt, dass die Prognosen der Kul- ten und öffentlichen Anbietern studentischer Wohnformen tusministerkonferenz als konservativ zu bewerten sind, da die Studierenden als Nachfrager, die Studentenvertretungen sie die Nachfrage nach Studienplätzen kontinuierlich unter- als deren Lobby sowie die Hochschulen und die Kommune schätzt haben. Auch angesichts der von Bund und Ländern (Stadtrat und Stadtverwaltung). Somit treffen verschie- formulierten Internationalisierungsstrategie, im Rahmen dene Akteure der lokalen Wohnungsmarktentwicklung mit derer die Zahl der ausländischen Studierenden von aktu- jeweils eigenen Interessen aufeinander. ell 280.000 auf 350.000 bis zum Jahr 2020 erhöht werden soll, bleibt die künftige Nachfrage nach Studienplätzen nur 4.2.1 Anbieter studentischer Wohnformen schwer kalkulierbar (GWK 2013: 8). Als sicher gilt aller- dings, dass für die weitere Nachfrageentwicklung der Ruf Studentenwerk Einer der wichtigsten und auf die studenti- der Universitäten und Hochschulen sowie die Attraktivi- sche Nachfrage spezialisierten Anbieter sind die Studenten- tät der Hochschulstädte eine sehr bedeutende Rolle spie- werke. Als Anstalt des öffentlichen Rechts liegt es in der len werden. Prosperierende Verdichtungsräume, in denen gesetzlich verankerten Aufgabe der Studentenwerke, im Sinn Hochschulen mit werbewirksamem Exzellenzstatus liegen, der Gemeinnützigkeit Wohnraum zu schaffen, zu vermieten dürften daher eine stabile bis steigende Nachfrage erfahren, und zu vermitteln. Von den bundesweit 228.500 geförder-
390 J. Glatter et al. ten Wohnheimplätzen sind 181.000 in der Trägerschaft der durch das Komplettangebot zumeist auf dem Preisniveau Studentenwerke, sodass etwa 10,6 % der Studierenden ver- für eine eigene Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt. sorgt werden können – die sogenannte Unterbringungsquote Zur Zielgruppe der Anbieter zählen allerdings nicht nur (DSW 2012a: 23). Die Studentenwerke stellen Wohnheim- Studierende, sondern auch wissenschaftliche Mitarbeiter, plätze im unteren bis mittelpreisigen Segment zur Verfügung berufsbegleitend Studierende, Praktikanten sowie Wochen- und sind an einer stetigen und hohen Auslastung interessiert. endpendler. Viele Unternehmen verwenden überdies eine Die Umsatzerlöse aus der Vermietung von Wohnraum sind flexible Mietvertragsgestaltung (z. B. semesterweise Lauf- ihre Haupteinnahmequelle und sichern damit die Finanzie- zeiten und All-Inklusive-Mieten). Die aktuellen Marktent- rung der weiteren sozialen Dienstleistungen. wicklungen deuten darauf hin, dass die Bedeutung dieser Anbieter in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird. Gemeinnützige Anbieter Neben dem Studentenwerk bieten weitere gemeinnützige Träger, wie beispielsweise kirchli- Private Wohnungsvermieter Die privaten Wohnungsver- che Verbände und Stiftungen, preisgünstigen Wohnraum in mieter sind die größte, aber zugleich eine sehr heterogene Studentenheimen an. Die Gemeinnützigkeit dieser Anbieter Anbietergruppe. Die Mehrzahl privater Wohnungsvermieter ist in ihrer jeweiligen Trägerschaft verankert. Die Zahl der sind private Kleinanbieter. Des Weiteren spielen die Akteure Plätze beträgt deutschlandweit etwa 24.500 (eigene Schät- der organisierten Wohnungswirtschaft (Wohnungsbauunter- zung für die 61 größten Hochschulstandorte nach Angaben nehmen und Wohnungsbaugenossenschaften) eine wich- in CBRE 2013). Die Angebote stehen vorwiegend Studie- tige Rolle. Einige dieser privaten Anbieter haben sich auf renden zur Verfügung, die sich konfessionell oder vereins- die studentische Nachfrage eingestellt oder diese sogar zu bezogen als Mieter qualifizieren und von vergleichsweise ihrem Geschäftsmodell gemacht. Ob sich die Wohnungen günstigen Mietpreisen profitieren. für diese Profilierung eignen, hängt aber von deren Lage, der Struktur und dem Preis ab. Seit einigen Jahren zeigen Private Wohnheimanbieter Die Anbietergruppe der priva- auch kommunale Gesellschaften und Wohnungsgenossen- ten Wohnheimanbieter war in Deutschland lange Zeit von schaften vor allem auf Wohnungsmärkten mit Angebots- regional agierenden Unternehmen geprägt. Angesichts der überhängen ein gesteigertes Interesse an Studierenden als steigenden Studierendenzahlen hat sich das Engagement Mieter (vgl. Glatter/Bartsch/Meinert et al. 2012: 45). einiger privater Anbieter räumlich erweitert. Zudem haben neue privatwirtschaftliche Immobilienunternehmen das Studentenverbindungen Eine weitere auf Studierende spe- Segment des studentischen Wohnens als Nische entdeckt zialisierte Anbietergruppe sind die Studentenverbindungen (Pink/Maurer 2011). Das Unternehmensspektrum reicht und Burschenschaften. Deren Wohnangebot richtet sich in dabei von Projektentwicklern bis hin zu geschlossenen vielen Fällen an männliche Studierende, darüber hinaus ist Immobilienfonds (vgl. Tab. 1). In jüngster Zeit sind sogar für die Einmietung häufig eine Mitgliedschaft in der Ver- international agierende Fonds für Studentenappartements bindung erforderlich. Studentenverbindungen bieten meist im Gespräch (z. B. Bouwfond Reim aus den Niederlan- preisgünstigen Wohnraum in den Verbindungshäusern an, den und Victus Fund aus Großbritannien). Das Angebot die häufig campusnah liegen. Für die lokalen Märkte haben aller privaten Heimanbieter umfasst deutschlandweit etwa sie allerdings nur eine geringe Relevanz, da die Zahl der 30.300 Plätze (eigene Schätzung für die 61 größten Hoch- angebotenen Plätze recht gering ist. So bieten Studentenver- schulstandorte nach Angaben in CBRE 2013). bindungen beispielsweise in Dresden insgesamt 85 Plätze Zielstandorte der Investoren sind vor allem die Hoch- an, in Bonn etwa 340 (eigene Recherchen). schulstandorte mit mindestens 15.000 Studierenden, an denen sich Bildungseinrichtungen mit gutem und sehr Aus Anbietersicht weist das Segment des studentischen gutem Ruf befinden2 und deren Immobilienmärkte als luk- Wohnens sowohl Vorteile als auch Nachteile auf. Vorteile rativ und wachsend bewertet werden. Zu den Angeboten für Angebote studentischen Wohnens sind die aktuell hohe dieser Investorengruppe zählen vor allem Einzelapparte- Nachfrage in vielen Hochschulstädten, die Möglichkeit, ments mit besonderen Serviceangeboten. Die Preise liegen die Wohnungen aufgrund der kurzen Wohndauer zumeist deutlich über denen des Studentenwerkes, bleiben aber zu aktuellen Marktmieten zu vermieten und ein geringes Mietausfallrisiko, welches durch Elternbürgschaften relativ 2 Nach einer Studie der Savills Research Germany sind dies unter gut überschaubar ist. Darüber hinaus ist in den Hochschul- anderem München, Hamburg, Frankfurt am Main, Darmstadt, Karls- städten ein Mindestumfang der studentischen Nachfrage ruhe und Stuttgart – Top 6 der „Core-Märkte“ (Pink/Maurer 2011). In relativ stabil. Dies bedeutet, dass bei entsprechenden Rah- einer Studie von CBRE aus dem Jahr 2012/2013 werden gleichfalls menbedingungen eine nachhaltige, sichere und langfristige sechs besonders aussichtsreiche Hochschulstandorte genannt: Mün- chen, Hamburg, Frankfurt am Main, Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg Rendite gewährleistet ist (Pink/Maurer 2011; Bulwien Gesa (CBRE 2013: 14). 2012: 1). Eine Herausforderung sind allerdings die höhe-
Zimmer frei? Die Wiederentdeckung der Relevanz des studentischen Wohnens für lokale Wohnungsmärkte 391 Tab. 1 Beispiele für überregional agierende Unternehmen und Investoren im Segment der privaten Studentenappartements. (Quelle: Eigene Zu- sammenstellung nach Angaben der Unternehmen) Unternehmen Unternehmenstyp Angebot an Wohnheimplätzen Fondhaus Hamburg Immobilien (FHHI) Geschlossener Fond Rund 300 in Hamburg und Frankfurt am Main GBI Erlangen Verwaltung/Vermietung Rund 1.500 in Hamburg, Frankfurt am Main, Köln, Mainz, Darmstadt, Stuttgart; Vertrieb unter der Marke „SMARTments student“ International Campus AG, München Bau und Bewirtschaftung Rund 1.000 in Bremen, Bayreuth, Berlin, Freiburg; Vertrieb unter der Marke „FIZZ“ IQ Campus, Grundkontor Projekt, München Fondgesellschaft Rund 1.000 in Bremen, Heidelberg, München; Vertrieb unter der Marke „Campus Viva“ Kapitalpartner Konzept Fondgesellschaft Rund 450 in Bremen und Neu-Ulm YOUNIQ AG Frankfurt am Main Bau und Bewirtschaftung Rund 2.500 in Bayreuth, Düsseldorf, Erlangen, Frankfurt am Main, Greifswald, Karlsruhe, Leipzig, Lübeck, Mainz, München, Potsdam; Vertrieb unter der Marke „Youniq Student Home“ VEGIS Immobilien Verwaltung/Vermietung Rund 3.000 in Berlin, Darmstadt, Erlangen, Koblenz, Mainz, Passau, Trier; Vertrieb unter der Marke „Vegis Campus“ ren Mieterfluktuationen, woraus sich eine aufwendigere fördern, um Studierende für den Studienort anzuwerben und Bewirtschaftung der Bestände ergibt. sie langfristig an die Stadt zu binden. Dabei tritt die Kom- mune im Rahmen kommunaler Wohnungsbauunternehmen 4.2.2 Weitere Akteure des studentischen Wohnungsmarktes auch selbst als Anbieter auf. Da sich der Bestand an kommu- nalen Wohnungen vielerorts durch Privatisierung, geringe Neben den Anbietern sind weitere Akteure des städtischen Neubauaktivität im Bestand der Sozialwohnungen und dem Wohnungsmarktes zu nennen, die durch ihr Handeln Ein- jährlichen Auslaufen von Sozialbindungen kontinuierlich fluss auf die lokale Wohnungsmarktpolitik nehmen können. verringert (vgl. Holm 2009: 43), wird es für die Kommunen allerdings zunehmend schwieriger, ökonomisch benachtei- Studenten und Studentenvertretungen Die Studierenden ligte Haushalte, zu denen auch die Studierenden gezählt werden als Nachfrager auf dem Wohnungsmarkt durch werden können, angemessen mit Wohnraum zu versorgen. hochschulpolitisch legitimierte Interessengruppen (AStA) Eine weit bedeutsamere Rolle spielen Kommunen daher vertreten, die sich für studentische Themen engagieren. Da im Rahmen der Bauleitplanung. Durch gezielte Flächen- diese Studentenlobby über keine eigenen Mittel für inves- ausweisungen und Förderung von Umbauten (z. B. Büro- tive Maßnahmen verfügt, fokussiert sich die Einflussnahme gebäude in Wohnheime) kann der Ausbau des studentischen auf die Formulierung von studentischen Forderungen an Wohnungsangebotes gefördert werden. wohnungsmarktpolitische Akteure und auf die Bereitstel- Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass die lung von Informationen zum lokalen Wohnungsmarkt. studentischen Wohnungsmärkte an Hochschulstandorten von vier wesentlichen Akteursgruppen mit unterschiedli- Hochschule Hochschulen können für die Versorgung mit chen Interessenlagen geprägt werden: Anbieter, Nachfrager studentischem Wohnraum nur wenig beitragen, da sie eben- inklusive deren Interessenvertretern, Kommune und Hoch- falls nicht investiv tätig werden. Dennoch haben die Hoch- schulen (vgl. Abb. 2). schulen aufgrund der Gestaltung von Art und Umfang ihres Um diese unübersichtlichen Marktstrukturen und die Studienplatzangebotes und den Zugangsvoraussetzungen Relevanz des studentischen Wohnens für lokale Wohnungs- maßgeblichen Einfluss auf die lokale Nachfrage. Vor dem märkte besser verstehen zu können, werden nachfolgend Hintergrund der Internationalisierung und dem zunehmen- die Besonderheiten des studentischen Wohnens und ausge- den Wettbewerb um Studierende gewinnt der gute Ruf der wählte Kopplungseffekte, die sich zwischen dem Segment Hochschulen zudem immer mehr an Bedeutung (Winter/ des studentischen Wohnens und anderen Marktsegmenten Rathmann/Trümpler et al. 2012). Hochschulen können dar- ergeben, betrachtet. über hinaus vor allem informativ agieren und die weiteren wohnungsmarktrelevanten Akteure zu Kooperation und 4.3 Besonderheiten des studentischen Wohnens und Unterstützung aufrufen. Die Hochschulleitungen können Kopplungseffekte auf dem Wohnungsmarkt auf diesem Weg zu einer gewichtigen Stimme der Studie- renden gegenüber der jeweiligen Kommune und privaten Studentische Wohnformen Eine grundlegende Besonder- Anbietern werden. heit des studentischen Wohnens ist die Differenzierung der Nachfrage in unterschiedliche Wohnformen, von denen sich Kommune Die Kommune (Politik und Verwaltung) ver- folgende Typen unterscheiden lassen: folgt schließlich das Interesse, den guten Ruf der Stadt zu
392 J. Glatter et al. Abb. 2 Akteure, Teilmärkte EHLGHQ(OWHUQ und Kopplungseffekte auf dem Wohnungsmarkt 0DUNWIUVWXGHQWLVFKHV:RKQHQ ]XU0LHWH ]XU8QWHUPLHWH 6WXGHQWHQZRKQKHLP DOOHLQPLW3DUWQHU 1DFKIUDJHU $QELHWHU 6WXGLHUHQGH LQHLQHP$SSDUWHPHQW ]XU0LHWHLQHLQHU :RKQKHLP 6WXGHQWHQYHUELQGXQJ :RKQJHPHLQVFKDIW .RSSOXQJHQ 6DLVRQDOLWlWGHU1DFKIUDJH 6WXGHQWHQYLHUWHOXQG6WXGHQWLILFDWLRQ HUK|KWH)OXNWXDWLRQXQG0DUNWG\QDPLN .RQNXUUHQ]HQXPSUHLVZHUWHXQGJURH:RKQXQJHQ IUHLHU:RKQXQJVPDUNW 3ROLWLNXQG +RFKVFKXOHQ 9HUZDOWXQJ ●● Wohnen bei den Eltern oder bei Verwandten („Hotel aber auch der lokale Wohnungsmarkt, die Heimangebote, Mama“) das finanzielle Budget der Studierenden sowie der Anteil ●● Wohnen im Studentenwohnheim – allein oder in einer ausländischer Studierender am Standort eine sehr große Wohngemeinschaft Rolle. Am Beispiel von Dresden lassen sich folgende Regel- ●● Wohnen in einem Zimmer in einer Wohngemeinschaft mäßigkeiten erkennen (Glatter/Bartsch/Meinert et al. 2012: ●● Wohnen in einer Mietwohnung 57), die auf andere Hochschulstädte übertragbar sind: ●● Wohnen in einer Mietwohnung mit Partner ●● Je höher der Anteil der aus der Region stammenden Stu- ●● Wohnen bei einer Studentenverbindung dierenden, desto höher ist auch der Anteil Studierender, ●● Wohnen zur Untermiete der bei den Eltern lebt. ●● Wohnen im Eigentum als Selbstnutzer ●● Je entspannter die lokale Wohnungsmarktsituation ist, umso mehr Studierende leben in der eigenen Woh- Im Jahr 2012 lebten deutschlandweit 23 % der Studieren- nung, in einer Wohnung mit einem Partner oder in einer den bei den Eltern, 37 % in einer eigenen Wohnung – allein Wohngemeinschaft. oder mit Partner – und 29 % in einer Wohngemeinschaft ●● Je größer das finanzielle Budget der Studierenden, umso sowie 10 % in einem Studentenwohnheim oder einer Appar- eher leben sie in der eigenen Wohnung. Studierende tementanlage (Middendorf/Apolinarksi/Poskowsky et al. mit einem geringen Budget leben zu größeren Antei- 2013: 404). Weitere Wohnformen, wie das Wohnen bei einer len bei den Eltern, in einer Wohngemeinschaft oder im Studentenverbindung, zur Untermiete und als Selbstnutzer Wohnheim. in der eigenen Eigentumswohnung, spielen nur eine sehr ●● Studierende aus dem Ausland kommen zu deutlich höhe- geringe Rolle. So fiel der Anteil der zur Untermiete Woh- ren Anteilen in Wohnheimen unter. nenden in Westdeutschland von 58 % Anfang der 1950er Jahre auf derzeit 1 % (Nutz 1991: 122; Middendorf/Apoli- Die Unterscheidung der Angebots- und Wohnformen narksi/Poskowsky et al. 2013: 408). zeigt, dass das Segment des studentischen Wohnens kei- Im Laufe der Studienzeit verschieben sich die Anteile der nen geschlossenen Teilmarkt bildet. Lediglich das Wohnen Wohnformen: Studienanfänger leben zu größeren Anteilen in Studentenwohnheimen und bei Studentenverbindungen bei den Eltern (im ersten Studienjahr deutschlandweit 32 % sind ausschließlich studentische Wohnformen. Die Studie- der Studierenden: Middendorf/Apolinarksi/Poskowsky et renden stehen daher immer auch in Konkurrenz zu ande- al. 2013: 405) und im Wohnheim, während gegen Ende des ren Nachfragern. Lediglich die Studierenden, die bei ihren Studiums die Anteile des Wohnens mit dem Partner und in Eltern oder bei Verwandten leben – zumeist mietfrei – treten der eigenen Wohnung zunehmen (Middendorf/Apolinarksi/ in der Regel aktuell nicht als Mieter in Erscheinung, bilden Poskowsky et al. 2013: 412). aber dennoch potenzielle Nachfrager. Das Verhältnis der Wohnformen an einem Hochschul- Aufgrund dieser Überschneidungen der studentischen standort hängt sehr stark von den lokalen Wohnungs- Nachfrage mit anderen Nachfragergruppen, kommt es auf marktbedingungen ab (Schlichting/von Bodelschwingh/ studentisch beeinflussten Wohnungsmärkten zu charakteris- Keßler 2013). Hier spielen die räumliche Lage, die regionale tischen Marktkopplungen. Je höher der Anteil der studen- Erreichbarkeit und die Einzugsbereiche der Hochschulen, tischen Wohnungsnachfrage an der Gesamtnachfrage an
Zimmer frei? Die Wiederentdeckung der Relevanz des studentischen Wohnens für lokale Wohnungsmärkte 393 einem Ort ist, umso stärker sind auch die Kopplungseffekte, und Studienabsolventen sowie den Studiumswechslern und das heißt umso stärker wirken sich die Besonderheiten des den innerhalb der Stadt umziehenden Studierenden getra- studentischen Wohnens auf die anderen Segmente des loka- gen. Eine hohe Fluktuation bietet den Vermietern jedoch len Wohnungsmarktes aus (vgl. Abb. 1 und 3). die Möglichkeit, die Mieten regelmäßig an die Marktent- wicklung anzupassen. Studentisch beeinflusste Märkte sind Studentische Wohnungssuche Die Entwicklung der letzten daher besonders volatil, das heißt sensibel für Preissteige- Jahre hat dazu geführt, dass die studentische Wohnungs- rungen und Preisreduzierungen. Aus diesem Grund steigen suche zumeist über das Internet erfolgt. Neben den markt- die Mieten bei sich ausbildenden Knappheiten in Hoch- führenden Internetportalen (u. a. Immoscout; Immonet) sind schulstädten besonders schnell (NRW.Bank 2013). spezialisierte Internetplattformen von besonderer Bedeu- tung: http://www.wg-gesucht.de und http://www.studenten‑ Bevorzugte Wohnlagen der Studierenden und „Studentifi wg.de. Dennoch sind die Möglichkeiten der Information cation“ Die Wohnstandorte der Studierenden konzentrieren und Vermittlung mittels persönlicher Bekanntschaft und sich in vielen Städten auf die zentralen und innenstadt Zeitungen nicht zu unterschätzen. nahen Quartiere. In den meisten Hochschulstädten errei- Der Aufwand für die Wohnungssuche ist ein sicherer chen Stadtteile in der Nähe des Campus und innenstadtnahe Indikator für die Angespanntheit eines Wohnungsmarktes. Altbauquartiere die höchsten Studierendenanteile. Diese In entspannten Wohnungsmärkten genügen wenige Anfra- räumliche Verteilung der Studierenden im Stadtgebiet wird gen, um eine gewünschte Wohnung zu erhalten. Ange- durch vier wesentliche Komponenten bestimmt. Erstens lie- spannte Wohnungsmärkte erfordern hingegen einen meist gen viele Wohnheime in unmittelbarer Nähe zum Campus. deutlich längeren Zeitraum der Wohnungssuche. Dies ist Zweitens präferieren Studierende in vielen Städten innen- insbesondere für Studienanfänger und ausländische Stu- stadtnahe Altbauquartiere, wenn diese für sie erschwinglich dierende problematisch. Da diesen Gruppen nicht nur das sind. Drittens werden Lagen bevorzugt, die eine schnelle lokale Wissen über die Marktsituation fehlt, sondern auch Erreichbarkeit der Hochschulen erlauben. Viertens werden das soziale Netzwerk vor Ort, erscheinen gerade hier Hil- häufig Wohnquartiere gewählt, die bereits das Image eines festellungen durch Informationen und Beratungen sinnvoll. „Studentenviertels“ haben und sich durch eine hohe Dichte an Gastronomie- und Unterhaltungsangeboten auszeichnen Saisonalität der Nachfrage Eine Besonderheit der studen- (z. B. die Äußere Neustadt in Dresden und die Nordstadt in tischen Wohnungsnachfrage ist die starke Saisonalität. Die Bonn). Organisation des Studiums in Semestern führt zu regelmä- Ein Faktor, der zur Stabilisierung und Reproduktion ßigen Schwankungen der Nachfrage im Jahresverlauf mit der Verteilungsmuster Studierender im städtischen Gebiet Einzugswellen von September bis November und Auszügen führt, ergibt sich aus den Wohnerfahrungen. Wenn sich Stu- zwischen Juni bis September. Im Fall angespannter Märkte dierende, die im Wohnheim leben, im Studienverlauf nach kann diese insbesondere im Herbst zu starken Verknappun- einer eigenen Unterkunft umsehen, sind sie von ihrer Orts- gen führen. Da im Sommersemester nur relativ wenige Stu- kenntnis und ihren persönlichen Beziehungen geprägt. Aus diengänge beginnen, ist dieser Effekt hier deutlich geringer diesem Grund bleiben viele in der Nähe der Wohnheims- ausgeprägt. tandorte, ziehen in unmittelbar angrenzende Quartiere oder in die bereits von vielen Studierenden bewohnten Quartiere. Erhöhte Fluktuation und Marktdynamik Studierende bil- In einigen Städten kann diese bevorzugte Nachfrage nach den allgemein eine hochmobile Gruppe. So haben Unter- bestimmten Wohnquartieren zum Prozess der „Studentifi suchungen in Dresden ergeben, dass innerhalb eines Jahres cation“ (Smith 2005; Schmied 2012) oder auch „Studentifi ein Fünftel der Studierenden den Wohnsitz in der Stadt zierung“ (Wiest/Hill 2004) führen. Der Begriff nimmt in wechselte. Die Studierenden, die in Dresden einen Anteil seiner sprachlichen Form auf vergleichbare Prozesse wie von 10 % der Einwohner ausmachen, hatten damit einen Gentrification und Touristification Bezug und beschreibt überdurchschnittlich hohen Anteil an den innerstädtischen nach Smith (2005) die Verdrängung der ortsansässigen Umzügen. 18 % aller Wohnungswechsel waren studentische Bewohner eines Quartiers infolge des Zuzugs Studierender, Umzüge (Glatter/Bartsch/Meinert et al. 2012: 51). Dabei die mit einem umfassenden sozialen und ökonomischen konzentriert sich der größte Teil der Umzugsströme auf Wandel des Quartiers einhergeht. Im Gegensatz zu Groß- wenige Wanderungsbeziehungen zwischen den Stadtteilen, britannien (vgl. Schmied 2012) lassen sich für deutsche die in Campusnähe liegen, die hohe Wohnheimanteile haben Hochschulstädte bislang nur wenige Beschreibungen finden und die als Studenten- bzw. Szeneviertel gelten. (Wiest/Hill 2004 für die Leipziger Südstadt mit 32 % Anteil Ein hoher Anteil Studierender führt daher zu einer all- Studierender an der Wohnbevölkerung im Jahr 2002, Glat- gemein hohen Fluktuation auf dem lokalen Wohnungs- ter 2007 für die Dresdener Äußere Neustadt mit 30 % Anteil markt. Diese wird von den jährlichen Studienanfängern Studierender im Jahr 2002). Auch wenn sich insbesondere in
394 J. Glatter et al. Kiel Rostock Greifswald Hamburg Bremen Oldenburg Berlin Osnabrück Hannover Potsdam Münster Bielefeld Braunschweig Essen/ Bochum Paderborn Magdeburg Duisburg* Dortmund Halle (Saale) Düsseldorf Wuppertal Göttingen Siegen Köln Kassel Erfurt Leipzig Marburg Aachen Bonn Dresden Jena Chemnitz Gießen Koblenz Frankfurt/Main Trier Darmstadt Mainz Bamberg Mannheim Bayreuth Saarbrücken Würzburg Erlangen/ Nürnberg* Kaisers- lautern Heidelberg Karlsruhe Stuttgart Regensburg Augsburg Passau Tübingen Ulm Konstanz München Freiburg i.Br. Typ studentischer Median Angebots- Mietentwicklung 3 Wohnungsnachfrage 20111 miete 2012 2009 bis 2011 [%] Hochschulstandorte mit mehr als 10.000 Studierenden [EUR/m²] 2 unter 0 (Wintersemester 2011/2012) ohne Fernuniversitäten. unter 6 0 bis unter 4 Studentisch beeinflusste 4 bis unter 8 6 bis unter 7 Wohnungsmärkte 7 bis unter 8 ab 8 (Studierendenanteile bis 10%) * Der Anteil der Studierenden für Essen/Duisburg Studentisch geprägte 8 bis unter 9 und Erlangen/Nürnberg bezieht sich jeweils auf beide Wohnungsmärkte 9 bis unter 10 Städte, während sich die Angaben der Miete und (Studierendenanteile über 10 bis 20%) Mietentwicklung auf die Städte mit den höchsten ab 10 Studierendenanteilen (Essen, Erlangen) beziehen. Von Studentischer Nachfrage [1] Destatis 2012 und Zensus 2011, abhängige Wohnungsmärkte [2] CBRE auf Datenbasis empirica-systeme GmbH 2013, [3] Immodaten 2012; (Studierendenanteile über 20%) Kartengrundlage: VG 250© GeoBasis-DE / BKG 2013, Bearbeiter: Manuel Wolff. Abb. 3 Studentischer Wohnungsmarkt in ausgewählten deutschen Hochschulstandorten
Zimmer frei? Die Wiederentdeckung der Relevanz des studentischen Wohnens für lokale Wohnungsmärkte 395 den immobilienwirtschaftlichen Prozessen durchaus Unter- gemeinschaft geeignet sind (separate Zimmer ähnlicher schiede zwischen den Prozessen der Studentification in Größe, große Küche, keine Durchgangszimmer). Im Ver- Großbritannien und Deutschland zeigen, lässt sich doch in gleich zu den Wohnbedingungen in den 1960er bis 1980er beiden Regionen eine Vielzahl vergleichbarer Folgen beob- Jahren kann von einem deutlich gestiegenen Anspruch an achten, die einen Begriffsübertrag rechtfertigen. So sind die Wohnqualität und auch einem entsprechenden Angebot Stadtteile mit hohen Anteilen an Studierenden vor allem auf dem Markt ausgegangen werden (vgl. Glatter/Bartsch/ durch eine ‚transitorische Bevölkerung‘ und einen multikul- Meinert et al. 2012). turellen Charakter gekennzeichnet. Infrastrukturell sind sie Da ein Großteil der Studierenden entweder kleine, preis- von einer höheren Dichte an Gastronomie, Studenten-Clubs, werte oder größere, WG-geeignete Wohnungen nachfragt, preiswerten Lebensmittelgeschäften (Discounter) sowie zeigen sich besondere Kopplungen zu diesen Marktsegmen- Convenience-Shops (Spätshops) und Copy-Shops geprägt. ten. Von besonderer Brisanz sind dabei die Konkurrenzen Zudem können negative Umfeldeffekte aufgrund von Lärm um preiswerte Bestände in innenstadtnahen Lagen (NRW. (Partys) und Verkehrsbelastung (Parkraumbedarf, Radver- Bank 2013). Das Angebot an Wohnungen dieses Wohnungs- kehr) auftreten. Nicht selten entsteht in diesen Quartieren marktsegments ist in den letzten Jahren in vielen Städten eine sogenannte Kultur der Gegenwart, das heißt eine starke aufgrund von Modernisierungen, Mietsteigerungen, Priva- Orientierung an aktuellen, trendigen Nutzungsansprüchen, tisierungen und fehlendem Neubau stetig kleiner geworden. die sich auch im Erscheinungsbild der gebauten Umwelt Die steigende Zahl der Studierenden, die Kopplungs- widerspiegelt. In den transitorischen Quartieren besteht die effekte zwischen der studentischen Nachfrage und den Gefahr, dass durch den Wegzug Alteingesessener die Tradi- Wohnungsmärkten, aber auch die Mietanstiege in vielen tionen verloren gehen und die neuen, temporären Bewohner deutschen Hochschulstädten zeigen die Relevanz des stu- zugleich nur wenig Interesse für die zukünftige Entwick- dentischen Wohnens für die Wohnungsmärkte und Erfor- lung zeigen (Schmied 2012: 31). dernisse einer entsprechenden Wohnungspolitik. Doch wie reagieren die Akteure des Marktes und die Wohnungspolitik? Mietbelastung und Konkurrenzen um preiswerte und große Wohnungen Studierende haben zumeist ein relativ geringes Haushaltsbudget und sind daher auf preiswerte Wohnungs- 5 Problemlagen und Handlungsansätze auf Mieter- angebote angewiesen. Nach den Daten der 20. Sozialerhe- und Vermietermärkten bung des HIS-Instituts für Hochschulforschung (HIS-HF) verfügen die Studierenden im Jahr 2012 im Mittel über Um die Reaktionen der Akteure aus Politik, Verwaltung, 864 Euro pro Monat.3 Die durchschnittlichen Mietausgaben Hochschule und Immobilienwirtschaft auf die Entwick- pro Monat liegen bei 298 Euro, die Mietbelastung der Stu- lung studentischer Wohnungsmärkte betrachten zu können, dierenden im Mittel bei 34 %. Die Mietausgaben haben sich müssen die lokalen Wohnungsmärkte nach ihrer Angebots- seit 1991 inflationsbereinigt nur sehr geringfügig erhöht, Nachfrage-Relation, das heißt nach Mieter- und Vermieter- absolut stiegen die monatlichen Mietkosten in den letzten märkten unterschieden werden. sechs Jahren im Mittel jedoch um 32 Euro (Middendorf/ Apolinarksi/Poskowsky et al. 2013: 258). Regionale Differenzierung studentischer Wohnungs- Die Mietausgaben unterscheiden sich nach Wohnformen. märkte Die Angebots-Nachfrage-Relationen lassen sich So sind die Kosten für eine Wohnung im Wohnheim in der anhand des Mietniveaus und der Mietentwicklung ver- Regel am günstigsten – im Mittel 240 Euro. Für ein Zim- anschaulichen (vgl. Abb. 3). Die höchsten Mieten zahlen mer in einer Wohngemeinschaft werden durchschnittlich Studierende in süddeutschen Hochschulorten, im Rhein- 280 Euro gezahlt, für eine Wohnung mit Partner 319 Euro Main-Gebiet und in Hamburg.4 In vielen dieser Städte pro Person und für eine Wohnung, die allein bewohnt wird, stiegen zugleich zwischen 2009 und 2011 die Mieten am 357 Euro (Middendorf/Apolinarksi/Poskowsky et al. 2013: stärksten (Freiburg, Heidelberg, Frankfurt am Main, Mün- 261). chen, Mainz, Stuttgart). Weitere Hochschulstädte mit hohen Aufgrund der geringen Haushaltsgröße und des oftmals niedrigen Budgets präferieren Studierende einerseits kleine 4 Nach einer Studie der dbresearch besteht kein direkter Zusammen- Wohnungen im preiswerten Segment und andererseits Woh- hang zwischen Studierendenanteil in den Städten und dem Mietniveau. nungen, die aufgrund ihrer Raumaufteilung für eine Wohn- Einen viel größeren Einfluss haben die Angebots-Nachfrage-Relation (Leerstände), die Arbeitsmarktsituation und die Kaufkraft (vgl. http:// www.dbresearch.de/servlet/reweb2.ReWEB?addmenu=false&docu- 3 Ausgewiesen wird das Einkommen für sogenannte Normalstudie- ment=PROD0000000000288951&rdShowArchivedDocus=true&r rende, das heißt Studierende, die nicht mehr bei den Eltern wohnen, wnode=DBR_INTERNET_DE-PROD$NAVIGATION&rwobj=Re- ledig sind, ein Erststudium als Vollzeitstudium im Bachelor oder Mas- Display.Start.class&rwsite=DBR_INTERNET_DE-PROD2012; ter absolvieren (Middendorf/Apolinarksi/Poskowsky et al. 2013: 633). 21.05.2014).
396 J. Glatter et al. Mietsteigerungen der letzten Jahre sind Erlangen, Bayreuth, Kinospots, Broschüren etc. für ihre Einrichtung und den Passau, Marburg, Münster, Göttingen, Oldenburg, Berlin jeweiligen Studienort.6 und Potsdam. In Hochschulorten in Sachsen, Sachsen-An- Die Wirkungen dieser Kampagnen lässt sich an der halt und dem Ruhrgebiet werden hingegen verhältnismäßig Mobilität von Studienanfängern und studentischen Wande- geringe Durchschnittsmieten (unter 6 Euro/m²) gezahlt. rungsströmen ablesen, die in den vergangenen zehn Jahren Allerdings ist auch in einigen Städten mit bislang geringem zu einem steigenden Anteil westdeutscher Abiturienten an Mietniveau von unter 7 Euro/m² inzwischen ein deutlicher den Studierenden an ostdeutschen Hochschulen geführt Mietanstieg beobachtbar. Zu diesen Städten zählen Dres- hat. Zwischen 2003 und 2013 hat sich der Anteil Studie- den, Erfurt, Hannover und Kaiserslautern. render aus Westdeutschland an ostdeutschen Hochschulen Die folgende Zusammenstellung gibt einen Überblick von 16 % auf 24 % erhöht, während der Anteil ostdeutscher über aktuelle Entwicklungen und Handlungsansätze, die dar- Studierender in Westdeutschland im gleichen Zeitraum auf abzielen, den studentischen Wohnungsmarkt in Abhän- mit zirka 5 % relativ stabil blieb (Destatis 2004; Destatis gigkeit der lokalen Wohnungsmarktsituation zu gestalten. 2013a). Diese Entwicklung lässt sich auch auf der Ebene der Allgemein lassen sich zwei unterschiedliche Strategien und Hochschulen beobachten. An der Universität Leipzig stieg Motive erkennen: Während studentische Wohnungsmärkte der Anteil der Studierenden aus den alten Bundesländern in Schrumpfungsregionen als Chance für die Stabilisierung zwischen dem Wintersemester 2008/2009 und dem Winter- und Sicherung der Wohnungsnachfrage gelten, werden in semester 2011/2012 von 18 % auf 27 %; bei den Studienan- Wachstumsregionen und angespannten Wohnungsmärkten fängern sogar von 17 % auf 31 %.7 Deutlich ist auch, dass Strategien zum Ausbau des Angebotes diskutiert. sich in allen ostdeutschen Ländern bis auf Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern der Anteil ausländischer Studie- Problemlagen und Strategien in entspannten Wohnungs- render erhöhte, während sich dieser Anteil in westdeutschen märkten Ein quantitativ ausreichendes, qualitativ anspre- Ländern mit Ausnahme von Hamburg verringerte (Destatis chendes und preiswertes Wohnungsangebot kann sich 2004; Destatis 2013a). positiv auf die Lebensqualität und Zufriedenheit der Studie- renden vor Ort auswirken. Hochschulstädte mit entspannten Problemlagen und Strategien in angespannten Wohnungs- Wohnungsmärkten können diese Standortvorteile geltend märkten Auf angespannten Wohnungsmärkten („Vermie- machen. Die Studierenden werden daher in Schrumpfungs- termärkte“) verstärken sich die Konkurrenzen zwischen der regionen als wichtige Nachfrager wahrgenommen, um studentischen und allgemeinen Nachfrage – was sich ins- Wohnungsleerstände zu verhindern. Dieses Potenzial haben besondere auf die Segmente des preiswerten Wohnens und einige Hochschulstädte, aber auch Wohnungsunternehmen die innenstadt- bzw. hochschulnahen Quartiere auswirkt. in den letzten Jahren verstärkt erkannt und versucht, Stu- Ein angespannter Wohnungsmarkt kann sich aber auch dierende durch Werbemaßnahmen für die Hochschulstand- negativ auf die Qualität der Studienbedingungen auswir- orte zu gewinnen. Beispiel dafür ist die 2009 aufgelegte ken. Finden Studierende keine Wohnungen in gewünschten Kampagne der ostdeutschen Bundesländer „mein campus/ Lagen, Qualitäten und Preissegmenten, müssen sie schlech- Studieren in Fernost“. Eine vergleichbare koordinierte Wer- tere Wohnbedingungen in Kauf nehmen. Aufgrund höherer bekampagne westdeutscher Hochschulstädte in Schrump- Mietbelastungen müssen zudem viele Studierende während fungsregionen existiert bislang nicht.5 ihres Studiums jobben, was sich nachteilig auf die Lern- Der Freistaat Sachsen hat unter dem Titel „Pack dein und Studienzeiten auswirken kann. Schließlich können Studium. Am besten in Sachsen.“ eine eigene Image- und angespannte Wohnungsmärkte auch dazu zwingen, einen Werbekampagne gestartet. Auf dem Internetportal www. Wohnort in weiterer Entfernung vom Campus zu wählen, pack-dein-studium.de wird über Studienmöglichkeiten und wodurch sich längere tägliche Fahrzeiten für die Studie- Vorteile eines Studiums in Sachsen informiert. Neben den renden sowie eine allgemein höhere Verkehrsbelastung in länderspezifischen- und länderübergreifenden Kampag- der Wohnungsmarktregion ergeben. Als besonders benach- nen haben zahlreiche Hochschulen Marketingmaßnahmen teiligt gilt die Gruppe der ausländischen Studierenden, die aufgenommen und werben mit Homepages im Internet, aufgrund fehlender Ortskenntnis, Sprachproblemen und der 5 Einen allgemeinen Stand zur steigenden Bedeutung des Wettbewerbs 6 Eine Übersicht zu Hochschulkampagnen findet sich auf www.hoch- deutscher Hochschulen um Studierende vermittelt die 2012 veröffent- schulkampagne.de (21.05.2014); zum Beispiel: „Studentenparadies lichte Studie des Instituts für Hochschulforschung (Winter/Rathmann/ Jena – Studieren mit Wohlfühlgarantie“, „Ich mag meine Uni.“ (Uni- Trümpler et al. 2012). Demnach wurde im Jahr 2012 bereits an neun versität Erfurt), „Studieren im Grünen“ (FH Magdeburg-Stendal). von zehn Hochschulen explizit Marketing betrieben, während dieser 7 http://www.zv.uni-leipzig.de/fileadmin/user_upload/Service/statis- Anteil 2004 noch bei 40 % lag (Winter/Rathmann/Trümpler et al. tiken/3_Studierende_nach_Bundesland_des_Erwerbs_der_HZB.pdf 2012: 169). (23.05.2014).
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