Zimmer frei? Die Wiederentdeckung der Relevanz des studentischen Wohnens für lokale Wohnungsmärkte - Sciendo

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Raumforsch Raumordn (2014) 72:385–399
DOI 10.1007/s13147-014-0303-x

 Wissenschaftlicher Beitrag

Zimmer frei? Die Wiederentdeckung der Relevanz des
studentischen Wohnens für lokale Wohnungsmärkte
Jan Glatter · Katharina Hackenberg · Manuel Wolff

Eingegangen: 9. September 2013 / Angenommen: 25. Juni 2014 / Online publiziert: 2. August 2014
© The Editors 2014

Zusammenfassung Angesichts steigender Studierenden-                   fekte mit dem lokalen Wohnungsmarkt abgeleitet. Vor dem
zahlen und zunehmender Wohnungsknappheit gewinnen                     Hintergrund der derzeitigen Diskussion um Wohnungs-
Diskussionen über das Segment des studentischen Wohnens               knappheit werden die Folgen der Marktbedingungen auf
in Politik, Medien, Wohnungswirtschaft und Wissenschaft               Mieter- und Vermietermärkten für Studierende herausge-
erneut an Aufmerksamkeit. Verlässliche und umfassende                 arbeitet sowie marktspezifische Handlungsansätze zur Er-
Informationen über die Märkte und Marktentwicklungen                  höhung der Markttransparenz dargestellt.
dienen in diesem Zusammenhang als wichtige Voraus-
setzung für sozialpolitische und wohnungswirtschaftliche              Schlüsselwörter Studentisches Wohnen ·
Entscheidungen. Dabei wird deutlich, dass in Wissenschaft             Universitätsstädte · Wohnungsmarkt · Kopplungseffekte ·
und Praxis nur geringe Kenntnisse über die aktuelle Ent-              Mieter- und Vermietermärkte · Studentification
wicklung und Struktur des Segments und seinen Auswir-
kungen auf die lokalen Wohnungsmärkte vorhanden sind.
Der Beitrag setzt an dieser Forschungslücke an. Für das               Rooms Available? The Rediscovery of the Relevance of
Segment des studentischen Wohnens werden zunächst die                 Student Housing for Local Housing Markets
Faktoren der steigenden Wohnungsnachfrage Studierender
herausgearbeitet und Untersuchungen zum studentischen                 Abstract Due to the rising number of students and an
Wohnen im Hinblick auf ihre wohnungsmarktpolitische                   increasing shortage in housing in many university cities,
Bedeutung vorgestellt. Weiterhin werden die Entwicklung               debates about student housing are starting to gain more
und Struktur der Angebots- und Nachfrageseite in ihrer                attention from politics, the media, the housing industry
jeweiligen Besonderheit charakterisiert und Kopplungsef-              and science. As a result, the state of knowledge about the
                                                                      structure and development of the local housing market and
                                                                      its impact is rather limited in both theory and practice. Re-
                                                                      liable and comprehensive information about the housing
Dr. J. Glatter () · Diplom-Geographin K. Hackenberg                  market and its evolution are essential for socio-political
Geographisches Institut, Rheinische Friedrich-Wilhelms-
                                                                      and housing-related decisions. This paper aims at filling
Universität Bonn,
Meckenheimer Allee 166,                                               this research gap. After describing factors related to the
53115 Bonn, Deutschland                                               rising demand in student housing, case studies focusing on
E-Mail: jglatter@uni-bonn.de                                          student housing and its political significance are present-
                                                                      ed. Furthermore, this study characterises the development
Diplom-Geographin K. Hackenberg
E-Mail: katharina.hackenberg@geographie.uni-bonn.de                   and structure of supply as well as the demand for student
                                                                      housing, and how these factors interrelate with the local
Diplom-Geograph M. Wolff                                              housing market. In light of the current discussion about the
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ,
                                                                      housing shortages, the consequences of the rental market
Permoserstraße 15,
04318 Leipzig, Deutschland                                            conditions for students are highlighted. Finally, this paper
E-Mail: manuel.wolff@ufz.de
386                                                                                                          J. Glatter et al.

concludes by providing possible approaches to ensure mar-      Wohnungsmarktbeobachtung und Wohnungspolitik, Hoch-
ket transparency                                               schulleitungen und Studentenvertretungen, Studentenwerke
                                                               und andere Wohnungsanbieter.
Keywords Student housing · University cities ·
Housing market · Interlinking effects · Renter’s market ·
Landlord’s market · Studentification                           2 Der neue „Studentenberg“ – Entwicklung der
                                                                  Studierendenzahlen in Deutschland

1 Einleitung                                                   Nachdem die west- und ostdeutschen Hochschulen Ende der
                                                               1990er bis Anfang der 2000er Jahre die letzte Welle steigen-
Lange blieben sie aus, die Diskussionen über das studenti-     der Studierendenzahlen erlebt hatten, war die studentische
sche Wohnen. Doch inzwischen wird in Bund, Ländern und         Wohnungsnachfrage über Jahre aus dem Fokus der Auf-
vor allem in vielen Hochschulstädten wieder intensiv über      merksamkeit geraten. Seit 2007 ist jedoch die Zahl der Stu-
die Wohnangebote für Studierende diskutiert. Mehrere Fak-      dienanfänger in Deutschland von 361.500 auf 503.600 im
toren, darunter das Auftreten doppelter Abiturjahrgänge und    Jahr 2013 gestiegen. Aufgrund dieser Entwicklung nahm die
die Aussetzung der Wehrpflicht, haben zu einer wachsenden      Zahl der Studierenden im gleichen Zeitraum von 1,9 Mio.
Zahl der Studienanfänger und Studierenden geführt.             auf 2,6 Mio. zu, was einer Steigerung um 37 % entspricht
   Der Gegenstand der Diskussionen ist nicht neu. Bereits      (Destatis 2013a: 16; Destatis 2013b). In Reaktion auf diesen
Anfang der 1970er Jahre und in den 1980er Jahren kam           „Studentenberg“ wurde durch die Kultusministerkonferenz
es aufgrund des Ausbaus der Hochschulen und starker            der Hochschulpakt initiiert. Damit verbunden war die Hoff-
Geburtenjahrgänge mehrfach zu ‚Studentenwellen‘, die mit       nung, dass die regionalen Unterschiede in der demographi-
großen Nachfrageengpässen auf dem studentischen Woh-           schen Entwicklung in Ost- und Westdeutschland genutzt
nungsmarkt verbunden waren und schnelle Lösungen ver-          werden könnten, um einen Großteil der westdeutschen Abi-
langten (vgl. u. a. Möller/Korte 1972).                        turienten mit Hilfe umfassender Werbemaßnahmen an die
   Diese sich wiederholenden Überraschungen über plötzli-      ostdeutschen Hochschulen (um)zuleiten.
che Nachfrageschübe sind für sich selbst schon überraschend.      Auch wenn diese Versuche der Umverteilung teilweise
Offensichtlich werden Entwicklungen zum studentischen          erfolgreich waren, so wurde die Entwicklung der studenti-
Wohnen in der Wohnungspolitik und Wohnungsmarktbeob-           schen Nachfrage dennoch unterschätzt. Für diese Zunahme
achtung wenig beachtet. Eigene Recherchen haben diesen         der Studierendenzahlen lassen sich folgende Faktoren
Eindruck bestätigt: Zwar gibt es eine Reihe empirischer Stu-   benennen:
dien zum studentischen Wohnen (vgl. Kap. 3), von denen
                                                               ● eine allgemein höhere Bildungsbeteiligung und steigende
sind aber nur wenige so angelegt, dass sie für lokale Märkte
                                                                 Zahl der Schüler, die eine Hochschulzugangsberechti-
das Angebot und die Nachfrage, aber auch die Interdepen-
                                                                 gung erwerben (Autorengruppe Bildungsberichterstat-
denzen des studentischen Wohnens mit anderen Segmen-
                                                                 tung 2012: 95),
ten des Wohnungsmarktes thematisieren. Demgegenüber
                                                               ● eine allgemein steigende Studierneigung der Abiturien-
benötigen Kommunen und Hochschulen verlässliche Infor-
                                                                 ten (Lörz/Quast/Woisch 2011),
mationen über die studentische Wohnungsversorgung, um
                                                               ● doppelte Abiturjahrgänge in mehreren Bundesländern,
Studierenden auf dieser Grundlage ansprechende Lebens-
                                                               ● die 2011 beschlossene Aussetzung der Wehrpflicht,
bedingungen am Studienort zu bieten und negative Folge-
                                                               ● geburtenstarke Jahrgänge der bis 1990 Geborenen in
wirkungen für andere Segmente des Wohnungsmarktes, wie
                                                                 Westdeutschland (Kinder der Babyboomer-Generation)
beispielsweise die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum,
                                                                 und
zu vermeiden.
                                                               ● die internationale Zuwanderung Studierender, unter
   Aufgrund der vergleichsweise geringen Kenntnisse über
                                                                 anderem infolge der Wirtschaftskrise.
die Bedeutung des studentischen Wohnens für lokale Woh-
nungsmärkte ist es das Ziel dieses Beitrages, eine grund-      Während die größere studentische Nachfrage in schrump-
legende Betrachtung über den Teilmarkt des studentischen       fenden Regionen begrüßt wird, treffen die hohen Stu-
Wohnens zu bieten. Dafür werden die Marktakteure und die       dierendenzahlen in vielen anderen Hochschulstädten auf
Struktur dieses Segmentes sowie die wohnungspolitische         angespannte Wohnungsmärkte mit steigendem Mietniveau
Relevanz mitsamt den Handlungspotenzialen für die lokale       (vgl. Schürt 2013: 4). Diese Entwicklungen haben zu einer
Wohnungspolitik vorgestellt. Der Beitrag richtet sich nicht    größeren Aufmerksamkeit für die studentische Wohnungs-
nur an wissenschaftliche Beobachter, sondern zugleich an       nachfrage und zu einem wachsenden Interesse an fundierten
die Vielzahl der Akteure, die sich mit Fragen des studenti-    Daten über die Strukturen, Phänomene und Trends des stu-
schen Wohnens beschäftigen: Kommunalverantwortliche in         dentischen Wohnens geführt. Betrachtet man die vorliegen-
Zimmer frei? Die Wiederentdeckung der Relevanz des studentischen Wohnens für lokale Wohnungsmärkte                         387

den Studien zum studentischen Wohnen, zeigen sich jedoch           Faktoren zurückzuführen: Erstens kam es in den letzten
sehr unterschiedliche Perspektiven und Qualitäten.                 Jahrzehnten zu einem allgemeinen Wandel der Wohnungs-
                                                                   politik. Spätestens seit Ende der 1980er Jahre wurde das
                                                                   Konzept einer umfassend sichernden Wohnungsversor-
3 Untersuchungen zum studentischen Wohnen                         gung durch den Staat aufgegeben und der Wohnungsmarkt
                                                                   weniger reguliert (vgl. Holm 2009; Sautter 2009). Zudem
Für die Analysen des studentischen Wohnens liegen mit der          wurde die Wohnungsversorgung mit Hilfe der Angebote
Sozialerhebung und den Daten des Studentenwerkes zwei              öffentlicher Träger – hier der Studentenwerke – nicht wei-
wichtige, langfristig erhobene Datenquellen vor. Die Sozial­       ter ausgebaut. Die Anpassung an die Nachfrage wurde so
erhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) wird seit              den Regulierungen des Marktes überlassen. Zweitens gel-
1951 alle drei Jahre durchgeführt, die jüngste Erhebung            ten studentische Wohnungsmärkte als sehr unübersichtlich,
wurde im Juni 2013 publiziert (Middendorf/Apolinarksi/             denn die studentische Wohnungsnachfrage ist nicht nur
Poskowsky et al. 2013). Darin werden für ganz Deutsch-             auf Wohnheime ausgerichtet, sondern auch auf den freien
land wohnungsmarktrelevante Daten zur Sozialstruktur, der          Wohnungsmarkt. Drittens gelten die Studierenden als sehr
Finanzierung des Lebensunterhaltes, den Wohnformen, der            anpassungsfähig, so dass in der Versorgung der Studieren-
Mietbelastung und der Wohnzufriedenheit der Studieren-             den lange Zeit eine geringere soziale Brisanz seitens der
den beschrieben. Die Ergebnisse werden im Gesamtbericht            kommunalen Wohnungspolitik gesehen wurde.
regional differenziert, so dass Unterscheidungen zwischen             Die sich zuspitzende Lage für die studentische Woh-
den alten und neuen Bundesländern und in manchen Fäl-              nungsversorgung hat in den letzten Jahren zu einer Reihe
len nach einzelnen Bundesländern möglich sind. Für einige          von Studien geführt, die vor allem von Marktforschungs-
Hochschulstandorte liegen auch lokale Auswertungen der             instituten und Immobilienberatungsfirmen erstellt wurden.
Sozialerhebung vor (z .B. Studentenwerk Hamburg 2010;              Eine 2007 von der vivacon AG in Auftrag gegebene Studie
Studentenwerk München 2010). Die Fallzahlen dieser                 des Forschungsinstituts empirica hatte zum Ziel, den stu-
Studien sind allerdings mit Stichprobenquoten von etwa             dentischen Wohnungsbedarf an 78 Hochschulstandorten zu
einem Prozent nicht sehr groß, so dass nicht immer von             untersuchen und die künftige Attraktivität des regionalen
einer Repräsentativität ausgegangen werden kann. Darüber           Mietwohnungsmarktes zu beurteilen (empirica 2007). Das
hinaus bleibt die Sozialerhebung auf die Nachfrageseite            Immobilienberatungsunternehmen Bulwien Gesa erstellte
begrenzt. Angaben über die Anbieterstrukturen und mög-             für 64 Städte mit mindestens 7.000 Studierenden ein Sco-
liche Kopplungen des studentischen Wohnens mit anderen             ring, mit dem die Chancen-Risiko-Profile von Investitio-
Marktsegmenten bleiben unbeachtet.                                 nen in Studentenappartements bewertet wurden (Bulwien
   Eine weitere Datenquelle sind die vom Deutschen Stu-            Gesa 2012). Auch eine Studie des Unternehmens Savills
dentenwerk jährlich publizierten Zahlen der öffentlich             zielte auf die Bewertung des Marktsegments der Studen-
geförderten Wohnplätze für Studierende in der Bundesre-            tenappartements (Pink/Maurer 2011). In einem Marktre-
publik Deutschland (DSW 2012a). Dabei wird nicht nur               port des Immobiliendienstleisters CBRE (CBRE 2013)
das Angebot in Studentenwohnheimen berücksichtigt, son-            wurde die Angebotssituation studentischer Wohnformen in
dern auch öffentlich geförderter Wohnraum für Studierende          61 ausgewählten Hochschulstandorten mit mehr als 8.000
außerhalb von Wohnheimen.                                          Studierenden analysiert und der Bedarf an hochwertigem
   Während die Sozialerhebung und das Studentenwerk                studentischem Wohnraum abgeschätzt.
eine kontinuierliche Beobachtung studentischer Wohnungs-              Die Auflistung der Studien zeigt, dass es eine Reihe
märkte liefern, weist die Aufmerksamkeit für das Thema             vergleichender Untersuchungen zu Hochschulstandor-
doch deutliche konjunkturelle Zyklen auf, die mit der Ent-         ten gibt. Lokale Wohnungsmarktstudien, die sowohl die
wicklung der Studierendenzahlen und den sich ergebenden            Anbieter- und Nachfragestrukturen als auch die Auswirkun-
Versorgungsengpässen korrespondieren. Erste intensive              gen des studentischen Wohnens auf andere Segmente des
Diskussionen wurden Anfang der 1970er Jahre mit dem                Wohnungsmarktes thematisieren, bleiben bislang jedoch
Ausbau und der Gründung neuer Universitäten geführt (vgl.          die Ausnahme. Das wachsende Interesse an lokalen Unter-
Möller/Korte 1972). Eine zweite Phase intensiver Debat-            suchungen hat zumindest in einigen Universitäts- und
ten und Studien lässt sich für die 1980er Jahre beobachten,        Hochschulstädten zu ersten Studien geführt. Das Spektrum
als die Babyboomer-Generation die Hochschulen erreichte            dieser Untersuchungen ist sehr breit und reicht von nach-
(vgl. Röck 1981; Landwehr 1984). Nachfolgend war das               frageorientierten Befragungen der Studierenden bis hin zu
studentische Wohnen bis Ende der 2000er Jahre ein wenig            komplexeren Studien, die auch die Marktstrukturen und
beachtetes Themenfeld. Neben der Entspannung der stu-              Marktphänomene analysieren. Beispielhaft seien folgende
dentischen Wohnungsnachfrage ist dieser Rückgang der               Arbeiten genannt: Stadt Münster (2004), Mossig/Tkaczick
Aufmerksamkeit für das studentische Wohnen auf weitere             (2010) für Bremen, Glatter/Bartsch/Meinert et al. (2012) für
388                                                                                                                  J. Glatter et al.

Dresden, Bode/Wiest (2012) für Leipzig und Barth (2013)         Poskowsky et al. 2013: 408). Der Anteil der im Umland der
für Bonn.                                                       Hochschulorte lebenden und daher einpendelnden Studie-
   Auf der Grundlage der Erfahrungen aus eigenen Unter-         renden variiert ebenfalls. So liegt der Anteil der Einpendler
suchungen über die studentischen Wohnungsmärkte in              in Bonn beispielsweise bei über 22 % (Barth 2013: 2) und
Dresden und Bonn soll nachfolgend ein Überblick über die        für die Hochschulstädte im hochverdichteten Ruhrgebiet
wesentlichen Aspekte und Phänomene lokaler studentischer        (z. B. Bochum und Dortmund) lassen sich noch weit höhere
Wohnungsmärkte gegeben werden.                                  Einpendlerzahlen vermuten.
                                                                   Um dennoch die quantitative Relevanz des studentischen
                                                                Wohnens für lokale Wohnungsmärkte einschätzen zu kön-
4 Das Segment des studentischen Wohnens und der                nen, kann in einer ersten Annäherung der Anteil der Stu-
   lokale Wohnungsmarkt                                         dierenden an der lokalen Wohnbevölkerung herangezogen
                                                                werden. Anhand dieser Studierendenquoten lassen sich drei
4.1 Quantitative Relevanz der Studierenden für den             Markt-Typen unterscheiden (vgl. Abb. 11):
     lokalen Wohnungsmarkt
                                                                ● Von studentischer Nachfrage abhängige Wohnungsmärkte:
                                                                  An Hochschulstandorten, an denen Studierende einen
Für die Analyse des studentischen Wohnungsmarktes inte-
                                                                  Nachfrageanteil von über 20 % erreichen, kann von einer
ressant sind die Studierenden, die an einer der lokalen
                                                                  Abhängigkeit der lokalen Stadt- und Wohnungsmarkt-
Hochschulen eingeschrieben sind und in dem untersuchten
                                                                  entwicklung von den Studierenden gesprochen werden.
Hochschulstandort als Nachfrager auf dem Wohnungsmarkt
                                                                  Beispiele für diesen Markt-Typ sind die Städte Gießen,
auftreten. Dabei stellt sich jedoch der Zugang zu verläss-
                                                                  Marburg, Tübingen, Jena, Göttingen und Heidelberg.
lichen Daten als Herausforderung dar. Die Statistischen
                                                                ● Studentisch geprägte Wohnungsmärkte: An Hochschul-
Landesämter erfassen die in den Hochschulen eingeschrie-
                                                                  standorten mit Studierendenanteilen von über 10 bis
benen Studierenden. Mit diesen Daten wird allerdings nicht
                                                                  20 % haben die Studierenden einen prägenden Einfluss
der Wohnort der Studierenden erfasst, so dass unklar ist,
                                                                  auf den lokalen Wohnungsmarkt. Beispiele dafür sind
ob diese am Studienort, im Umland oder gar einer anderen
                                                                  die Städte Mainz, Aachen, Trier, Münster, Bamberg,
Stadt leben. Auch gibt es keine amtlichen Daten über den
                                                                  Konstanz und Potsdam.
Anteil der Studierenden, die mit Haupt- bzw. Nebenwohn-
                                                                ● Studentisch beeinflusste Wohnungsmärkte: Hoch-
sitz am Hochschulstandort gemeldet sind. Darüber hinaus
                                                                  schulstandorte mit Studierendenanteilen von 10 % oder
enthalten die amtlichen Daten keine Hinweise auf beur-
                                                                  weniger zeigen lediglich eine Beeinflussung durch die
laubte Studierende und Nebenhörer, woraus sich Abwei-
                                                                  studentische Nachfrage. Beispiele für diesen Markt-Typ
chungen zwischen den Daten der Statistischen Landesämter
                                                                  sind die Städte Dresden, Hamburg, Köln und München.
und denen der Hochschulen ergeben.
   Der Umfang der lokalen Wohnungsnachfrage durch Stu-          Die Typisierung der Hochschulstandorte bietet erste Indizien
dierende muss daher anhand von empirischen Daten hoch-          für lokal unterschiedliche Relevanzen des studentischen
gerechnet werden. Dabei sollten Studierende, die noch bei       Wohnens. In Städten mit hohen Studierendenanteilen sind
den Eltern oder im Umland der Hochschulstädte wohnen,           stärkere Kopplungen zwischen der studentischen Nachfrage
aber auch Studierende, die in speziellen Unterkünften wie       und anderen Marktsegmenten zu erwarten.
denen der Verwaltungsfachhochschulen unterkommen, als              Über die zu erwartende Entwicklung der Studierenden-
Nachfrager ausgeschlossen werden. Der Anteil der studen-        zahlen an den einzelnen Hochschulstandorten bestehen
tischen Nachfrager liegt daher zumeist unter dem der einge-     große Unsicherheiten. Ausschlaggebend dafür ist eine Viel-
schriebenen Studierenden. Für die Stadt Dresden wurde von       zahl beeinflussender Faktoren. In Prognosen der Studien-
Glatter/Bartsch/Meinert et al. für das Jahr 2012 bei einer      anfängerzahlen gehen neben der Bevölkerungsentwicklung
Zahl von insgesamt 42.350 Studierenden ein Anteil von           auch die Studienberechtigtenquote und die Studierquote,
38.700 Direktstudenten (ohne Promotionsstudenten) und           das heißt diejenigen, die tatsächlich ein Studium aufneh-
von diesen wiederum ein lokales Nachfragepotenzial von          men, ein. Für kleinräumige Prognosen kommen noch die
35.200 Studierenden ermittelt. Das entspricht einem Anteil      sehr schwer einschätzbaren Entwicklungen zur Wahl des
an den Direktstudenten von 91 % – 5 % der Studierenden          Studienortes durch Studienanfänger hinzu, die wiederum
lebt im Umland und 4 % bei den Eltern (Glatter/Bartsch/
Meinert et al. 2012: 38). Der Anteil der Studierenden, der      1
                                                                 Um einen Marktüberblick über studentisch geprägte Wohnungsmärkte
bei den Eltern lebt, kann in anderen Städten allerdings deut-   zu erreichen, stehen die Hochschulstädte mit 10.000 und mehr Studie-
                                                                renden im Fokus der vorliegenden Analyse, wodurch für das Jahr 2011
lich höher sein. So leben in westdeutschen Hochschulstädten
                                                                57 der insgesamt 265 deutschen Hochschulstädte (Lentz 2012: o.S.)
im Mittel 25 % der Studierenden bei den Eltern, in ostdeut-     und 1,83 von insgesamt 2,38 Millionen Studierende (Destatis 2012:
schen Hochschulstädten 11 % (Middendorf/Apolinarksi/            13) in Deutschland berücksichtigt werden konnten.
Zimmer frei? Die Wiederentdeckung der Relevanz des studentischen Wohnens für lokale Wohnungsmärkte                                   389

Abb. 1 Hochschulstädte in Deutschland ab 10.000 Studierende nach Zahl der Studierenden im Wintersemester 2011/2012 und Studierendenanteil
an der Wohnbevölkerung im Jahr 2011. (Datenquelle: Destatis (2012) und Zensus 2011)

von sich ändernden Prioritäten bei der Studienfachentschei-           wohingegen periphere Standorte ohne besondere Ausbil-
dung sowie der kurzfristigen Änderungen des Studienplatz-             dungsprofile Nachfragerückgänge zu erwarten haben.
angebotes der Hochschulen abhängen. Für Deutschland
bleibt den Prognosen der Kultusministerkonferenz zufolge              4.2 Akteure des studentischen Wohnungsmarktes
die Zahl der Studienanfänger in den nächsten fünf Jahren
mit 450.000 bis 470.000 auf einem hohen Niveau und wird               Wie alle Wohnungsmarktsegmente ist auch das studentische
erst ab dem Jahr 2020 allmählich sinken. Bis 2025 wird ein            Wohnen durch das Zusammenspiel von Angebot und Nach-
Rückgang der Studienanfänger gegenüber 2011 um rund                   frage sowie die Einflussnahme von Politik und Verwaltung
20 % erwartet (KMK 2012: 13). Die Erfahrung der letzten               geprägt. Die bedeutsamsten Akteure sind neben den priva-
Jahre hat allerdings gezeigt, dass die Prognosen der Kul-             ten und öffentlichen Anbietern studentischer Wohnformen
tusministerkonferenz als konservativ zu bewerten sind, da             die Studierenden als Nachfrager, die Studentenvertretungen
sie die Nachfrage nach Studienplätzen kontinuierlich unter-           als deren Lobby sowie die Hochschulen und die Kommune
schätzt haben. Auch angesichts der von Bund und Ländern               (Stadtrat und Stadtverwaltung). Somit treffen verschie-
formulierten Internationalisierungsstrategie, im Rahmen               dene Akteure der lokalen Wohnungsmarktentwicklung mit
derer die Zahl der ausländischen Studierenden von aktu-               jeweils eigenen Interessen aufeinander.
ell 280.000 auf 350.000 bis zum Jahr 2020 erhöht werden
soll, bleibt die künftige Nachfrage nach Studienplätzen nur           4.2.1 Anbieter studentischer Wohnformen
schwer kalkulierbar (GWK 2013: 8). Als sicher gilt aller-
dings, dass für die weitere Nachfrageentwicklung der Ruf              Studentenwerk Einer der wichtigsten und auf die studenti-
der Universitäten und Hochschulen sowie die Attraktivi-               sche Nachfrage spezialisierten Anbieter sind die Studenten-
tät der Hochschulstädte eine sehr bedeutende Rolle spie-              werke. Als Anstalt des öffentlichen Rechts liegt es in der
len werden. Prosperierende Verdichtungsräume, in denen                gesetzlich verankerten Aufgabe der Studentenwerke, im Sinn
Hochschulen mit werbewirksamem Exzellenzstatus liegen,                der Gemeinnützigkeit Wohnraum zu schaffen, zu vermieten
dürften daher eine stabile bis steigende Nachfrage erfahren,          und zu vermitteln. Von den bundesweit 228.500 geförder-
390                                                                                                                 J. Glatter et al.

ten Wohnheimplätzen sind 181.000 in der Trägerschaft der              durch das Komplettangebot zumeist auf dem Preisniveau
Studentenwerke, sodass etwa 10,6 % der Studierenden ver-              für eine eigene Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt.
sorgt werden können – die sogenannte Unterbringungsquote              Zur Zielgruppe der Anbieter zählen allerdings nicht nur
(DSW 2012a: 23). Die Studentenwerke stellen Wohnheim-                 Studierende, sondern auch wissenschaftliche Mitarbeiter,
plätze im unteren bis mittelpreisigen Segment zur Verfügung           berufsbegleitend Studierende, Praktikanten sowie Wochen-
und sind an einer stetigen und hohen Auslastung interessiert.         endpendler. Viele Unternehmen verwenden überdies eine
Die Umsatzerlöse aus der Vermietung von Wohnraum sind                 flexible Mietvertragsgestaltung (z. B. semesterweise Lauf-
ihre Haupteinnahmequelle und sichern damit die Finanzie-              zeiten und All-Inklusive-Mieten). Die aktuellen Marktent-
rung der weiteren sozialen Dienstleistungen.                          wicklungen deuten darauf hin, dass die Bedeutung dieser
                                                                      Anbieter in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird.
Gemeinnützige Anbieter Neben dem Studentenwerk bieten
weitere gemeinnützige Träger, wie beispielsweise kirchli-             Private Wohnungsvermieter Die privaten Wohnungsver-
che Verbände und Stiftungen, preisgünstigen Wohnraum in               mieter sind die größte, aber zugleich eine sehr heterogene
Studentenheimen an. Die Gemeinnützigkeit dieser Anbieter              Anbietergruppe. Die Mehrzahl privater Wohnungsvermieter
ist in ihrer jeweiligen Trägerschaft verankert. Die Zahl der          sind private Kleinanbieter. Des Weiteren spielen die Akteure
Plätze beträgt deutschlandweit etwa 24.500 (eigene Schät-             der organisierten Wohnungswirtschaft (Wohnungsbauunter-
zung für die 61 größten Hochschulstandorte nach Angaben               nehmen und Wohnungsbaugenossenschaften) eine wich-
in CBRE 2013). Die Angebote stehen vorwiegend Studie-                 tige Rolle. Einige dieser privaten Anbieter haben sich auf
renden zur Verfügung, die sich konfessionell oder vereins-            die studentische Nachfrage eingestellt oder diese sogar zu
bezogen als Mieter qualifizieren und von vergleichsweise              ihrem Geschäftsmodell gemacht. Ob sich die Wohnungen
günstigen Mietpreisen profitieren.                                    für diese Profilierung eignen, hängt aber von deren Lage,
                                                                      der Struktur und dem Preis ab. Seit einigen Jahren zeigen
Private Wohnheimanbieter Die Anbietergruppe der priva-                auch kommunale Gesellschaften und Wohnungsgenossen-
ten Wohnheimanbieter war in Deutschland lange Zeit von                schaften vor allem auf Wohnungsmärkten mit Angebots-
regional agierenden Unternehmen geprägt. Angesichts der               überhängen ein gesteigertes Interesse an Studierenden als
steigenden Studierendenzahlen hat sich das Engagement                 Mieter (vgl. Glatter/Bartsch/Meinert et al. 2012: 45).
einiger privater Anbieter räumlich erweitert. Zudem haben
neue privatwirtschaftliche Immobilienunternehmen das                  Studentenverbindungen Eine weitere auf Studierende spe-
Segment des studentischen Wohnens als Nische entdeckt                 zialisierte Anbietergruppe sind die Studentenverbindungen
(Pink/Maurer 2011). Das Unternehmensspektrum reicht                   und Burschenschaften. Deren Wohnangebot richtet sich in
dabei von Projektentwicklern bis hin zu geschlossenen                 vielen Fällen an männliche Studierende, darüber hinaus ist
Immobilienfonds (vgl. Tab. 1). In jüngster Zeit sind sogar            für die Einmietung häufig eine Mitgliedschaft in der Ver-
international agierende Fonds für Studentenappartements               bindung erforderlich. Studentenverbindungen bieten meist
im Gespräch (z. B. Bouwfond Reim aus den Niederlan-                   preisgünstigen Wohnraum in den Verbindungshäusern an,
den und Victus Fund aus Großbritannien). Das Angebot                  die häufig campusnah liegen. Für die lokalen Märkte haben
aller privaten Heimanbieter umfasst deutschlandweit etwa              sie allerdings nur eine geringe Relevanz, da die Zahl der
30.300 Plätze (eigene Schätzung für die 61 größten Hoch-              angebotenen Plätze recht gering ist. So bieten Studentenver-
schulstandorte nach Angaben in CBRE 2013).                            bindungen beispielsweise in Dresden insgesamt 85 Plätze
   Zielstandorte der Investoren sind vor allem die Hoch-              an, in Bonn etwa 340 (eigene Recherchen).
schulstandorte mit mindestens 15.000 Studierenden, an
denen sich Bildungseinrichtungen mit gutem und sehr                   Aus Anbietersicht weist das Segment des studentischen
gutem Ruf befinden2 und deren Immobilienmärkte als luk-               Wohnens sowohl Vorteile als auch Nachteile auf. Vorteile
rativ und wachsend bewertet werden. Zu den Angeboten                  für Angebote studentischen Wohnens sind die aktuell hohe
dieser Investorengruppe zählen vor allem Einzelapparte-               Nachfrage in vielen Hochschulstädten, die Möglichkeit,
ments mit besonderen Serviceangeboten. Die Preise liegen              die Wohnungen aufgrund der kurzen Wohndauer zumeist
deutlich über denen des Studentenwerkes, bleiben aber                 zu aktuellen Marktmieten zu vermieten und ein geringes
                                                                      Mietausfallrisiko, welches durch Elternbürgschaften relativ
2
 Nach einer Studie der Savills Research Germany sind dies unter       gut überschaubar ist. Darüber hinaus ist in den Hochschul-
anderem München, Hamburg, Frankfurt am Main, Darmstadt, Karls-        städten ein Mindestumfang der studentischen Nachfrage
ruhe und Stuttgart – Top 6 der „Core-Märkte“ (Pink/Maurer 2011). In   relativ stabil. Dies bedeutet, dass bei entsprechenden Rah-
einer Studie von CBRE aus dem Jahr 2012/2013 werden gleichfalls
                                                                      menbedingungen eine nachhaltige, sichere und langfristige
sechs besonders aussichtsreiche Hochschulstandorte genannt: Mün-
chen, Hamburg, Frankfurt am Main, Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg   Rendite gewährleistet ist (Pink/Maurer 2011; Bulwien Gesa
(CBRE 2013: 14).                                                      2012: 1). Eine Herausforderung sind allerdings die höhe-
Zimmer frei? Die Wiederentdeckung der Relevanz des studentischen Wohnens für lokale Wohnungsmärkte                                   391

Tab. 1 Beispiele für überregional agierende Unternehmen und Investoren im Segment der privaten Studentenappartements. (Quelle: Eigene Zu-
sammenstellung nach Angaben der Unternehmen)
Unternehmen                                   Unternehmenstyp            Angebot an Wohnheimplätzen
Fondhaus Hamburg Immobilien (FHHI)            Geschlossener Fond         Rund 300 in Hamburg und Frankfurt am Main
GBI Erlangen                                  Verwaltung/Vermietung      Rund 1.500 in Hamburg, Frankfurt am Main, Köln, Mainz,
                                                                         Darmstadt, Stuttgart; Vertrieb unter der Marke „SMARTments
                                                                         student“
International Campus AG, München              Bau und Bewirtschaftung    Rund 1.000 in Bremen, Bayreuth, Berlin, Freiburg; Vertrieb
                                                                         unter der Marke „FIZZ“
IQ Campus, Grundkontor Projekt, München Fondgesellschaft                 Rund 1.000 in Bremen, Heidelberg, München; Vertrieb unter der
                                                                         Marke „Campus Viva“
Kapitalpartner Konzept                        Fondgesellschaft           Rund 450 in Bremen und Neu-Ulm
YOUNIQ AG Frankfurt am Main                   Bau und Bewirtschaftung    Rund 2.500 in Bayreuth, Düsseldorf, Erlangen, Frankfurt am
                                                                         Main, Greifswald, Karlsruhe, Leipzig, Lübeck, Mainz, München,
                                                                         Potsdam; Vertrieb unter der Marke „Youniq Student Home“
VEGIS Immobilien                              Verwaltung/Vermietung      Rund 3.000 in Berlin, Darmstadt, Erlangen, Koblenz, Mainz,
                                                                         Passau, Trier; Vertrieb unter der Marke „Vegis Campus“

ren Mieterfluktuationen, woraus sich eine aufwendigere                fördern, um Studierende für den Studienort anzuwerben und
Bewirtschaftung der Bestände ergibt.                                  sie langfristig an die Stadt zu binden. Dabei tritt die Kom-
                                                                      mune im Rahmen kommunaler Wohnungsbauunternehmen
4.2.2 Weitere Akteure des studentischen Wohnungsmarktes              auch selbst als Anbieter auf. Da sich der Bestand an kommu-
                                                                      nalen Wohnungen vielerorts durch Privatisierung, geringe
Neben den Anbietern sind weitere Akteure des städtischen              Neubauaktivität im Bestand der Sozialwohnungen und dem
Wohnungsmarktes zu nennen, die durch ihr Handeln Ein-                 jährlichen Auslaufen von Sozialbindungen kontinuierlich
fluss auf die lokale Wohnungsmarktpolitik nehmen können.              verringert (vgl. Holm 2009: 43), wird es für die Kommunen
                                                                      allerdings zunehmend schwieriger, ökonomisch benachtei-
Studenten und Studentenvertretungen Die Studierenden                  ligte Haushalte, zu denen auch die Studierenden gezählt
werden als Nachfrager auf dem Wohnungsmarkt durch                     werden können, angemessen mit Wohnraum zu versorgen.
hochschulpolitisch legitimierte Interessengruppen (AStA)              Eine weit bedeutsamere Rolle spielen Kommunen daher
vertreten, die sich für studentische Themen engagieren. Da            im Rahmen der Bauleitplanung. Durch gezielte Flächen-
diese Studentenlobby über keine eigenen Mittel für inves-             ausweisungen und Förderung von Umbauten (z. B. Büro-
tive Maßnahmen verfügt, fokussiert sich die Einflussnahme             gebäude in Wohnheime) kann der Ausbau des studentischen
auf die Formulierung von studentischen Forderungen an                 Wohnungsangebotes gefördert werden.
wohnungsmarktpolitische Akteure und auf die Bereitstel-                  Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass die
lung von Informationen zum lokalen Wohnungsmarkt.                     studentischen Wohnungsmärkte an Hochschulstandorten
                                                                      von vier wesentlichen Akteursgruppen mit unterschiedli-
Hochschule Hochschulen können für die Versorgung mit                  chen Interessenlagen geprägt werden: Anbieter, Nachfrager
studentischem Wohnraum nur wenig beitragen, da sie eben-              inklusive deren Interessenvertretern, Kommune und Hoch-
falls nicht investiv tätig werden. Dennoch haben die Hoch-            schulen (vgl. Abb. 2).
schulen aufgrund der Gestaltung von Art und Umfang ihres                 Um diese unübersichtlichen Marktstrukturen und die
Studienplatzangebotes und den Zugangsvoraussetzungen                  Relevanz des studentischen Wohnens für lokale Wohnungs-
maßgeblichen Einfluss auf die lokale Nachfrage. Vor dem               märkte besser verstehen zu können, werden nachfolgend
Hintergrund der Internationalisierung und dem zunehmen-               die Besonderheiten des studentischen Wohnens und ausge-
den Wettbewerb um Studierende gewinnt der gute Ruf der                wählte Kopplungseffekte, die sich zwischen dem Segment
Hochschulen zudem immer mehr an Bedeutung (Winter/                    des studentischen Wohnens und anderen Marktsegmenten
Rathmann/Trümpler et al. 2012). Hochschulen können dar-               ergeben, betrachtet.
über hinaus vor allem informativ agieren und die weiteren
wohnungsmarktrelevanten Akteure zu Kooperation und                    4.3 Besonderheiten des studentischen Wohnens und
Unterstützung aufrufen. Die Hochschulleitungen können                      Kopplungseffekte auf dem Wohnungsmarkt
auf diesem Weg zu einer gewichtigen Stimme der Studie-
renden gegenüber der jeweiligen Kommune und privaten                  Studentische Wohnformen Eine grundlegende Besonder-
Anbietern werden.                                                     heit des studentischen Wohnens ist die Differenzierung der
                                                                      Nachfrage in unterschiedliche Wohnformen, von denen sich
Kommune Die Kommune (Politik und Verwaltung) ver-                     folgende Typen unterscheiden lassen:
folgt schließlich das Interesse, den guten Ruf der Stadt zu
392                                                                                                                         J. Glatter et al.

Abb. 2 Akteure, Teilmärkte
                                                                              EHLGHQ(OWHUQ
und Kopplungseffekte auf dem
Wohnungsmarkt
                                                                   0DUNWIUVWXGHQWLVFKHV:RKQHQ
                                                                                                        ]XU0LHWH
                                                       ]XU8QWHUPLHWH     6WXGHQWHQZRKQKHLP      DOOHLQPLW3DUWQHU   1DFKIUDJHU
                                     $QELHWHU
                                                                                                                           6WXGLHUHQGH
                                                    LQHLQHP$SSDUWHPHQW                        ]XU0LHWHLQHLQHU
                                                           :RKQKHLP        6WXGHQWHQYHUELQGXQJ   :RKQJHPHLQVFKDIW

                                                                               .RSSOXQJHQ
                                                                       6DLVRQDOLWlWGHU1DFKIUDJH 
                                                                    6WXGHQWHQYLHUWHOXQG6WXGHQWLILFDWLRQ
                                                                   HUK|KWH)OXNWXDWLRQXQG0DUNWG\QDPLN
                                                             .RQNXUUHQ]HQXPSUHLVZHUWHXQGJUR‰H:RKQXQJHQ

                                                                         IUHLHU:RKQXQJVPDUNW

                                                                  3ROLWLNXQG
                                                                                         +RFKVFKXOHQ
                                                                  9HUZDOWXQJ

●● Wohnen bei den Eltern oder bei Verwandten („Hotel                aber auch der lokale Wohnungsmarkt, die Heimangebote,
   Mama“)                                                           das finanzielle Budget der Studierenden sowie der Anteil
●● Wohnen im Studentenwohnheim – allein oder in einer               ausländischer Studierender am Standort eine sehr große
   Wohngemeinschaft                                                 Rolle. Am Beispiel von Dresden lassen sich folgende Regel-
●● Wohnen in einem Zimmer in einer Wohngemeinschaft                 mäßigkeiten erkennen (Glatter/Bartsch/Meinert et al. 2012:
●● Wohnen in einer Mietwohnung                                      57), die auf andere Hochschulstädte übertragbar sind:
●● Wohnen in einer Mietwohnung mit Partner
                                                                    ●● Je höher der Anteil der aus der Region stammenden Stu-
●● Wohnen bei einer Studentenverbindung
                                                                       dierenden, desto höher ist auch der Anteil Studierender,
●● Wohnen zur Untermiete
                                                                       der bei den Eltern lebt.
●● Wohnen im Eigentum als Selbstnutzer
                                                                    ●● Je entspannter die lokale Wohnungsmarktsituation ist,
                                                                       umso mehr Studierende leben in der eigenen Woh-
Im Jahr 2012 lebten deutschlandweit 23 % der Studieren-
                                                                       nung, in einer Wohnung mit einem Partner oder in einer
den bei den Eltern, 37 % in einer eigenen Wohnung – allein
                                                                       Wohngemeinschaft.
oder mit Partner – und 29 % in einer Wohngemeinschaft
                                                                    ●● Je größer das finanzielle Budget der Studierenden, umso
sowie 10 % in einem Studentenwohnheim oder einer Appar-
                                                                       eher leben sie in der eigenen Wohnung. Studierende
tementanlage (Middendorf/Apolinarksi/Poskowsky et al.
                                                                       mit einem geringen Budget leben zu größeren Antei-
2013: 404). Weitere Wohnformen, wie das Wohnen bei einer
                                                                       len bei den Eltern, in einer Wohngemeinschaft oder im
Studentenverbindung, zur Untermiete und als Selbstnutzer
                                                                       Wohnheim.
in der eigenen Eigentumswohnung, spielen nur eine sehr
                                                                    ●● Studierende aus dem Ausland kommen zu deutlich höhe-
geringe Rolle. So fiel der Anteil der zur Untermiete Woh-
                                                                       ren Anteilen in Wohnheimen unter.
nenden in Westdeutschland von 58 % Anfang der 1950er
Jahre auf derzeit 1 % (Nutz 1991: 122; Middendorf/Apoli-            Die Unterscheidung der Angebots- und Wohnformen
narksi/Poskowsky et al. 2013: 408).                                 zeigt, dass das Segment des studentischen Wohnens kei-
    Im Laufe der Studienzeit verschieben sich die Anteile der       nen geschlossenen Teilmarkt bildet. Lediglich das Wohnen
Wohnformen: Studienanfänger leben zu größeren Anteilen              in Studentenwohnheimen und bei Studentenverbindungen
bei den Eltern (im ersten Studienjahr deutschlandweit 32 %          sind ausschließlich studentische Wohnformen. Die Studie-
der Studierenden: Middendorf/Apolinarksi/Poskowsky et               renden stehen daher immer auch in Konkurrenz zu ande-
al. 2013: 405) und im Wohnheim, während gegen Ende des              ren Nachfragern. Lediglich die Studierenden, die bei ihren
Studiums die Anteile des Wohnens mit dem Partner und in             Eltern oder bei Verwandten leben – zumeist mietfrei – treten
der eigenen Wohnung zunehmen (Middendorf/Apolinarksi/               in der Regel aktuell nicht als Mieter in Erscheinung, bilden
Poskowsky et al. 2013: 412).                                        aber dennoch potenzielle Nachfrager.
    Das Verhältnis der Wohnformen an einem Hochschul-                  Aufgrund dieser Überschneidungen der studentischen
standort hängt sehr stark von den lokalen Wohnungs-                 Nachfrage mit anderen Nachfragergruppen, kommt es auf
marktbedingungen ab (Schlichting/von Bodelschwingh/                 studentisch beeinflussten Wohnungsmärkten zu charakteris-
Keßler 2013). Hier spielen die räumliche Lage, die regionale        tischen Marktkopplungen. Je höher der Anteil der studen-
Erreichbarkeit und die Einzugsbereiche der Hochschulen,             tischen Wohnungsnachfrage an der Gesamtnachfrage an
Zimmer frei? Die Wiederentdeckung der Relevanz des studentischen Wohnens für lokale Wohnungsmärkte                         393

einem Ort ist, umso stärker sind auch die Kopplungseffekte,        und Studienabsolventen sowie den Studiumswechslern und
das heißt umso stärker wirken sich die Besonderheiten des          den innerhalb der Stadt umziehenden Studierenden getra-
studentischen Wohnens auf die anderen Segmente des loka-           gen. Eine hohe Fluktuation bietet den Vermietern jedoch
len Wohnungsmarktes aus (vgl. Abb. 1 und 3).                       die Möglichkeit, die Mieten regelmäßig an die Marktent-
                                                                   wicklung anzupassen. Studentisch beeinflusste Märkte sind
Studentische Wohnungssuche Die Entwicklung der letzten             daher besonders volatil, das heißt sensibel für Preissteige-
Jahre hat dazu geführt, dass die studentische Wohnungs-            rungen und Preisreduzierungen. Aus diesem Grund steigen
suche zumeist über das Internet erfolgt. Neben den markt-          die Mieten bei sich ausbildenden Knappheiten in Hoch-
führenden Internetportalen (u. a. Immoscout; Immonet) sind         schulstädten besonders schnell (NRW.Bank 2013).
spezialisierte Internetplattformen von besonderer Bedeu-
tung: http://www.wg-gesucht.de und http://www.studenten‑           Bevorzugte Wohnlagen der Studierenden und „Studentifi­
wg.de. Dennoch sind die Möglichkeiten der Information              cation“ Die Wohnstandorte der Studierenden konzentrieren
und Vermittlung mittels persönlicher Bekanntschaft und             sich in vielen Städten auf die zentralen und innenstadt­
Zeitungen nicht zu unterschätzen.                                  nahen Quartiere. In den meisten Hochschulstädten errei-
   Der Aufwand für die Wohnungssuche ist ein sicherer              chen Stadtteile in der Nähe des Campus und innenstadtnahe
Indikator für die Angespanntheit eines Wohnungsmarktes.            Altbauquartiere die höchsten Studierendenanteile. Diese
In entspannten Wohnungsmärkten genügen wenige Anfra-               räumliche Verteilung der Studierenden im Stadtgebiet wird
gen, um eine gewünschte Wohnung zu erhalten. Ange-                 durch vier wesentliche Komponenten bestimmt. Erstens lie-
spannte Wohnungsmärkte erfordern hingegen einen meist              gen viele Wohnheime in unmittelbarer Nähe zum Campus.
deutlich längeren Zeitraum der Wohnungssuche. Dies ist             Zweitens präferieren Studierende in vielen Städten innen-
insbesondere für Studienanfänger und ausländische Stu-             stadtnahe Altbauquartiere, wenn diese für sie erschwinglich
dierende problematisch. Da diesen Gruppen nicht nur das            sind. Drittens werden Lagen bevorzugt, die eine schnelle
lokale Wissen über die Marktsituation fehlt, sondern auch          Erreichbarkeit der Hochschulen erlauben. Viertens werden
das soziale Netzwerk vor Ort, erscheinen gerade hier Hil-          häufig Wohnquartiere gewählt, die bereits das Image eines
festellungen durch Informationen und Beratungen sinnvoll.          „Studentenviertels“ haben und sich durch eine hohe Dichte
                                                                   an Gastronomie- und Unterhaltungsangeboten auszeichnen
Saisonalität der Nachfrage Eine Besonderheit der studen-           (z. B. die Äußere Neustadt in Dresden und die Nordstadt in
tischen Wohnungsnachfrage ist die starke Saisonalität. Die         Bonn).
Organisation des Studiums in Semestern führt zu regelmä-              Ein Faktor, der zur Stabilisierung und Reproduktion
ßigen Schwankungen der Nachfrage im Jahresverlauf mit              der Verteilungsmuster Studierender im städtischen Gebiet
Einzugswellen von September bis November und Auszügen              führt, ergibt sich aus den Wohnerfahrungen. Wenn sich Stu-
zwischen Juni bis September. Im Fall angespannter Märkte           dierende, die im Wohnheim leben, im Studienverlauf nach
kann diese insbesondere im Herbst zu starken Verknappun-           einer eigenen Unterkunft umsehen, sind sie von ihrer Orts-
gen führen. Da im Sommersemester nur relativ wenige Stu-           kenntnis und ihren persönlichen Beziehungen geprägt. Aus
diengänge beginnen, ist dieser Effekt hier deutlich geringer       diesem Grund bleiben viele in der Nähe der Wohnheims-
ausgeprägt.                                                        tandorte, ziehen in unmittelbar angrenzende Quartiere oder
                                                                   in die bereits von vielen Studierenden bewohnten Quartiere.
Erhöhte Fluktuation und Marktdynamik Studierende bil-                 In einigen Städten kann diese bevorzugte Nachfrage nach
den allgemein eine hochmobile Gruppe. So haben Unter-              bestimmten Wohnquartieren zum Prozess der „Studentifi­
suchungen in Dresden ergeben, dass innerhalb eines Jahres          cation“ (Smith 2005; Schmied 2012) oder auch „Studentifi­
ein Fünftel der Studierenden den Wohnsitz in der Stadt             zierung“ (Wiest/Hill 2004) führen. Der Begriff nimmt in
wechselte. Die Studierenden, die in Dresden einen Anteil           seiner sprachlichen Form auf vergleichbare Prozesse wie
von 10 % der Einwohner ausmachen, hatten damit einen               Gentrification und Touristification Bezug und beschreibt
überdurchschnittlich hohen Anteil an den innerstädtischen          nach Smith (2005) die Verdrängung der ortsansässigen
Umzügen. 18 % aller Wohnungswechsel waren studentische             Bewohner eines Quartiers infolge des Zuzugs Studierender,
Umzüge (Glatter/Bartsch/Meinert et al. 2012: 51). Dabei            die mit einem umfassenden sozialen und ökonomischen
konzentriert sich der größte Teil der Umzugsströme auf             Wandel des Quartiers einhergeht. Im Gegensatz zu Groß-
wenige Wanderungsbeziehungen zwischen den Stadtteilen,             britannien (vgl. Schmied 2012) lassen sich für deutsche
die in Campusnähe liegen, die hohe Wohnheimanteile haben           Hochschulstädte bislang nur wenige Beschreibungen finden
und die als Studenten- bzw. Szeneviertel gelten.                   (Wiest/Hill 2004 für die Leipziger Südstadt mit 32 % Anteil
   Ein hoher Anteil Studierender führt daher zu einer all-         Studierender an der Wohnbevölkerung im Jahr 2002, Glat-
gemein hohen Fluktuation auf dem lokalen Wohnungs-                 ter 2007 für die Dresdener Äußere Neustadt mit 30 % Anteil
markt. Diese wird von den jährlichen Studienanfängern              Studierender im Jahr 2002). Auch wenn sich insbesondere in
394                                                                                                                                                         J. Glatter et al.

                                                                                        Kiel
                                                                                                                  Rostock
                                                                                                                               Greifswald
                                                                                         Hamburg
                                                              Bremen

                                             Oldenburg

                                                                                                                                   Berlin
                                                 Osnabrück                 Hannover                                  Potsdam

                                    Münster              Bielefeld                             Braunschweig

                  Essen/        Bochum                           Paderborn                                 Magdeburg
                 Duisburg*                   Dortmund                                                    Halle (Saale)
              Düsseldorf                 Wuppertal
                                                                                  Göttingen
                                            Siegen
                                  Köln                               Kassel                    Erfurt                Leipzig
                                                                 Marburg
                  Aachen             Bonn                                                                                              Dresden
                                                                                                         Jena               Chemnitz
                                                             Gießen
                          Koblenz
                                                         Frankfurt/Main
                     Trier                                 Darmstadt
                                         Mainz                                          Bamberg
                               Mannheim                                                                     Bayreuth

                     Saarbrücken
                                                                      Würzburg                    Erlangen/
                                                                                                  Nürnberg*
                                    Kaisers-
                                    lautern              Heidelberg

                                          Karlsruhe              Stuttgart                                           Regensburg

                                                                                         Augsburg                     Passau
                                                      Tübingen
                                                                       Ulm

                                                       Konstanz                                         München
                                  Freiburg i.Br.

         Typ studentischer                                       Median Angebots-                                        Mietentwicklung
                                                                                                                                           3
      Wohnungsnachfrage 20111                                       miete 2012                                           2009 bis 2011 [%]
Hochschulstandorte mit mehr als 10.000 Studierenden                 [EUR/m²] 2
                                                                                                                               unter 0
(Wintersemester 2011/2012) ohne Fernuniversitäten.
                                                                        unter 6                                                0 bis unter 4
         Studentisch beeinflusste                                                                                              4 bis unter 8
                                                                        6 bis unter 7
         Wohnungsmärkte
                                                                        7 bis unter 8                                          ab 8
         (Studierendenanteile bis 10%)
                                                                                                                     * Der Anteil der Studierenden für Essen/Duisburg
         Studentisch geprägte                                           8 bis unter 9                                und Erlangen/Nürnberg bezieht sich jeweils auf beide
         Wohnungsmärkte                                                 9 bis unter 10                               Städte, während sich die Angaben der Miete und
         (Studierendenanteile über 10 bis 20%)                                                                       Mietentwicklung auf die Städte mit den höchsten
                                                                        ab 10
                                                                                                                     Studierendenanteilen (Essen, Erlangen) beziehen.
         Von Studentischer Nachfrage                          [1] Destatis 2012 und Zensus 2011,
         abhängige Wohnungsmärkte                             [2] CBRE auf Datenbasis empirica-systeme GmbH 2013, [3] Immodaten 2012;
         (Studierendenanteile über 20%)                       Kartengrundlage: VG 250© GeoBasis-DE / BKG 2013, Bearbeiter: Manuel Wolff.
Abb. 3 Studentischer Wohnungsmarkt in ausgewählten deutschen Hochschulstandorten
Zimmer frei? Die Wiederentdeckung der Relevanz des studentischen Wohnens für lokale Wohnungsmärkte                                         395

den immobilienwirtschaftlichen Prozessen durchaus Unter-                gemeinschaft geeignet sind (separate Zimmer ähnlicher
schiede zwischen den Prozessen der Studentification in                  Größe, große Küche, keine Durchgangszimmer). Im Ver-
Großbritannien und Deutschland zeigen, lässt sich doch in               gleich zu den Wohnbedingungen in den 1960er bis 1980er
beiden Regionen eine Vielzahl vergleichbarer Folgen beob-               Jahren kann von einem deutlich gestiegenen Anspruch an
achten, die einen Begriffsübertrag rechtfertigen. So sind               die Wohnqualität und auch einem entsprechenden Angebot
Stadtteile mit hohen Anteilen an Studierenden vor allem                 auf dem Markt ausgegangen werden (vgl. Glatter/Bartsch/
durch eine ‚transitorische Bevölkerung‘ und einen multikul-             Meinert et al. 2012).
turellen Charakter gekennzeichnet. Infrastrukturell sind sie                Da ein Großteil der Studierenden entweder kleine, preis-
von einer höheren Dichte an Gastronomie, Studenten-Clubs,               werte oder größere, WG-geeignete Wohnungen nachfragt,
preiswerten Lebensmittelgeschäften (Discounter) sowie                   zeigen sich besondere Kopplungen zu diesen Marktsegmen-
Convenience-Shops (Spätshops) und Copy-Shops geprägt.                   ten. Von besonderer Brisanz sind dabei die Konkurrenzen
Zudem können negative Umfeldeffekte aufgrund von Lärm                   um preiswerte Bestände in innenstadtnahen Lagen (NRW.
(Partys) und Verkehrsbelastung (Parkraumbedarf, Radver-                 Bank 2013). Das Angebot an Wohnungen dieses Wohnungs-
kehr) auftreten. Nicht selten entsteht in diesen Quartieren             marktsegments ist in den letzten Jahren in vielen Städten
eine sogenannte Kultur der Gegenwart, das heißt eine starke             aufgrund von Modernisierungen, Mietsteigerungen, Priva-
Orientierung an aktuellen, trendigen Nutzungsansprüchen,                tisierungen und fehlendem Neubau stetig kleiner geworden.
die sich auch im Erscheinungsbild der gebauten Umwelt                       Die steigende Zahl der Studierenden, die Kopplungs-
widerspiegelt. In den transitorischen Quartieren besteht die            effekte zwischen der studentischen Nachfrage und den
Gefahr, dass durch den Wegzug Alteingesessener die Tradi-               Wohnungsmärkten, aber auch die Mietanstiege in vielen
tionen verloren gehen und die neuen, temporären Bewohner                deutschen Hochschulstädten zeigen die Relevanz des stu-
zugleich nur wenig Interesse für die zukünftige Entwick-                dentischen Wohnens für die Wohnungsmärkte und Erfor-
lung zeigen (Schmied 2012: 31).                                         dernisse einer entsprechenden Wohnungspolitik. Doch wie
                                                                        reagieren die Akteure des Marktes und die Wohnungspolitik?
Mietbelastung und Konkurrenzen um preiswerte und große
Wohnungen Studierende haben zumeist ein relativ geringes
Haushaltsbudget und sind daher auf preiswerte Wohnungs-                 5 Problemlagen und Handlungsansätze auf Mieter-
angebote angewiesen. Nach den Daten der 20. Sozialerhe-                    und Vermietermärkten
bung des HIS-Instituts für Hochschulforschung (HIS-HF)
verfügen die Studierenden im Jahr 2012 im Mittel über                   Um die Reaktionen der Akteure aus Politik, Verwaltung,
864 Euro pro Monat.3 Die durchschnittlichen Mietausgaben                Hochschule und Immobilienwirtschaft auf die Entwick-
pro Monat liegen bei 298 Euro, die Mietbelastung der Stu-               lung studentischer Wohnungsmärkte betrachten zu können,
dierenden im Mittel bei 34 %. Die Mietausgaben haben sich               müssen die lokalen Wohnungsmärkte nach ihrer Angebots-
seit 1991 inflationsbereinigt nur sehr geringfügig erhöht,              Nachfrage-Relation, das heißt nach Mieter- und Vermieter-
absolut stiegen die monatlichen Mietkosten in den letzten               märkten unterschieden werden.
sechs Jahren im Mittel jedoch um 32 Euro (Middendorf/
Apolinarksi/Poskowsky et al. 2013: 258).                                Regionale Differenzierung studentischer Wohnungs-
   Die Mietausgaben unterscheiden sich nach Wohnformen.                 märkte Die Angebots-Nachfrage-Relationen lassen sich
So sind die Kosten für eine Wohnung im Wohnheim in der                  anhand des Mietniveaus und der Mietentwicklung ver-
Regel am günstigsten – im Mittel 240 Euro. Für ein Zim-                 anschaulichen (vgl. Abb. 3). Die höchsten Mieten zahlen
mer in einer Wohngemeinschaft werden durchschnittlich                   Studierende in süddeutschen Hochschulorten, im Rhein-
280 Euro gezahlt, für eine Wohnung mit Partner 319 Euro                 Main-Gebiet und in Hamburg.4 In vielen dieser Städte
pro Person und für eine Wohnung, die allein bewohnt wird,               stiegen zugleich zwischen 2009 und 2011 die Mieten am
357 Euro (Middendorf/Apolinarksi/Poskowsky et al. 2013:                 stärksten (Freiburg, Heidelberg, Frankfurt am Main, Mün-
261).                                                                   chen, Mainz, Stuttgart). Weitere Hochschulstädte mit hohen
   Aufgrund der geringen Haushaltsgröße und des oftmals
niedrigen Budgets präferieren Studierende einerseits kleine
                                                                        4
                                                                          Nach einer Studie der dbresearch besteht kein direkter Zusammen-
Wohnungen im preiswerten Segment und andererseits Woh-
                                                                        hang zwischen Studierendenanteil in den Städten und dem Mietniveau.
nungen, die aufgrund ihrer Raumaufteilung für eine Wohn-                Einen viel größeren Einfluss haben die Angebots-Nachfrage-Relation
                                                                        (Leerstände), die Arbeitsmarktsituation und die Kaufkraft (vgl. http://
                                                                        www.dbresearch.de/servlet/reweb2.ReWEB?addmenu=false&docu-
3
 Ausgewiesen wird das Einkommen für sogenannte Normalstudie-            ment=PROD0000000000288951&rdShowArchivedDocus=true&r
rende, das heißt Studierende, die nicht mehr bei den Eltern wohnen,     wnode=DBR_INTERNET_DE-PROD$NAVIGATION&rwobj=Re-
ledig sind, ein Erststudium als Vollzeitstudium im Bachelor oder Mas-   Display.Start.class&rwsite=DBR_INTERNET_DE-PROD2012;
ter absolvieren (Middendorf/Apolinarksi/Poskowsky et al. 2013: 633).    21.05.2014).
396                                                                                                                        J. Glatter et al.

Mietsteigerungen der letzten Jahre sind Erlangen, Bayreuth,            Kinospots, Broschüren etc. für ihre Einrichtung und den
Passau, Marburg, Münster, Göttingen, Oldenburg, Berlin                 jeweiligen Studienort.6
und Potsdam. In Hochschulorten in Sachsen, Sachsen-An-                    Die Wirkungen dieser Kampagnen lässt sich an der
halt und dem Ruhrgebiet werden hingegen verhältnismäßig                Mobilität von Studienanfängern und studentischen Wande-
geringe Durchschnittsmieten (unter 6 Euro/m²) gezahlt.                 rungsströmen ablesen, die in den vergangenen zehn Jahren
Allerdings ist auch in einigen Städten mit bislang geringem            zu einem steigenden Anteil westdeutscher Abiturienten an
Mietniveau von unter 7 Euro/m² inzwischen ein deutlicher               den Studierenden an ostdeutschen Hochschulen geführt
Mietanstieg beobachtbar. Zu diesen Städten zählen Dres-                hat. Zwischen 2003 und 2013 hat sich der Anteil Studie-
den, Erfurt, Hannover und Kaiserslautern.                              render aus Westdeutschland an ostdeutschen Hochschulen
   Die folgende Zusammenstellung gibt einen Überblick                  von 16 % auf 24 % erhöht, während der Anteil ostdeutscher
über aktuelle Entwicklungen und Handlungsansätze, die dar-             Studierender in Westdeutschland im gleichen Zeitraum
auf abzielen, den studentischen Wohnungsmarkt in Abhän-                mit zirka 5 % relativ stabil blieb (Destatis 2004; Destatis
gigkeit der lokalen Wohnungsmarktsituation zu gestalten.               2013a). Diese Entwicklung lässt sich auch auf der Ebene der
Allgemein lassen sich zwei unterschiedliche Strategien und             Hochschulen beobachten. An der Universität Leipzig stieg
Motive erkennen: Während studentische Wohnungsmärkte                   der Anteil der Studierenden aus den alten Bundesländern
in Schrumpfungsregionen als Chance für die Stabilisierung              zwischen dem Wintersemester 2008/2009 und dem Winter-
und Sicherung der Wohnungsnachfrage gelten, werden in                  semester 2011/2012 von 18 % auf 27 %; bei den Studienan-
Wachstumsregionen und angespannten Wohnungsmärkten                     fängern sogar von 17 % auf 31 %.7 Deutlich ist auch, dass
Strategien zum Ausbau des Angebotes diskutiert.                        sich in allen ostdeutschen Ländern bis auf Brandenburg und
                                                                       Mecklenburg-Vorpommern der Anteil ausländischer Studie-
Problemlagen und Strategien in entspannten Wohnungs-                   render erhöhte, während sich dieser Anteil in westdeutschen
märkten Ein quantitativ ausreichendes, qualitativ anspre-              Ländern mit Ausnahme von Hamburg verringerte (Destatis
chendes und preiswertes Wohnungsangebot kann sich                      2004; Destatis 2013a).
positiv auf die Lebensqualität und Zufriedenheit der Studie-
renden vor Ort auswirken. Hochschulstädte mit entspannten              Problemlagen und Strategien in angespannten Wohnungs-
Wohnungsmärkten können diese Standortvorteile geltend                  märkten Auf angespannten Wohnungsmärkten („Vermie-
machen. Die Studierenden werden daher in Schrumpfungs-                 termärkte“) verstärken sich die Konkurrenzen zwischen der
regionen als wichtige Nachfrager wahrgenommen, um                      studentischen und allgemeinen Nachfrage – was sich ins-
Wohnungsleerstände zu verhindern. Dieses Potenzial haben               besondere auf die Segmente des preiswerten Wohnens und
einige Hochschulstädte, aber auch Wohnungsunternehmen                  die innenstadt- bzw. hochschulnahen Quartiere auswirkt.
in den letzten Jahren verstärkt erkannt und versucht, Stu-             Ein angespannter Wohnungsmarkt kann sich aber auch
dierende durch Werbemaßnahmen für die Hochschulstand-                  negativ auf die Qualität der Studienbedingungen auswir-
orte zu gewinnen. Beispiel dafür ist die 2009 aufgelegte               ken. Finden Studierende keine Wohnungen in gewünschten
Kampagne der ostdeutschen Bundesländer „mein campus/                   Lagen, Qualitäten und Preissegmenten, müssen sie schlech-
Studieren in Fernost“. Eine vergleichbare koordinierte Wer-            tere Wohnbedingungen in Kauf nehmen. Aufgrund höherer
bekampagne westdeutscher Hochschulstädte in Schrump-                   Mietbelastungen müssen zudem viele Studierende während
fungsregionen existiert bislang nicht.5                                ihres Studiums jobben, was sich nachteilig auf die Lern-
   Der Freistaat Sachsen hat unter dem Titel „Pack dein                und Studienzeiten auswirken kann. Schließlich können
Studium. Am besten in Sachsen.“ eine eigene Image- und                 angespannte Wohnungsmärkte auch dazu zwingen, einen
Werbekampagne gestartet. Auf dem Internetportal www.                   Wohnort in weiterer Entfernung vom Campus zu wählen,
pack-dein-studium.de wird über Studienmöglichkeiten und                wodurch sich längere tägliche Fahrzeiten für die Studie-
Vorteile eines Studiums in Sachsen informiert. Neben den               renden sowie eine allgemein höhere Verkehrsbelastung in
länderspezifischen- und länderübergreifenden Kampag-                   der Wohnungsmarktregion ergeben. Als besonders benach-
nen haben zahlreiche Hochschulen Marketingmaßnahmen                    teiligt gilt die Gruppe der ausländischen Studierenden, die
aufgenommen und werben mit Homepages im Internet,                      aufgrund fehlender Ortskenntnis, Sprachproblemen und der

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 Einen allgemeinen Stand zur steigenden Bedeutung des Wettbewerbs
                                                                       6
                                                                        Eine Übersicht zu Hochschulkampagnen findet sich auf www.hoch-
deutscher Hochschulen um Studierende vermittelt die 2012 veröffent-    schulkampagne.de (21.05.2014); zum Beispiel: „Studentenparadies
lichte Studie des Instituts für Hochschulforschung (Winter/Rathmann/   Jena – Studieren mit Wohlfühlgarantie“, „Ich mag meine Uni.“ (Uni-
Trümpler et al. 2012). Demnach wurde im Jahr 2012 bereits an neun      versität Erfurt), „Studieren im Grünen“ (FH Magdeburg-Stendal).
von zehn Hochschulen explizit Marketing betrieben, während dieser      7
                                                                         http://www.zv.uni-leipzig.de/fileadmin/user_upload/Service/statis-
Anteil 2004 noch bei 40 % lag (Winter/Rathmann/Trümpler et al.         tiken/3_Studierende_nach_Bundesland_des_Erwerbs_der_HZB.pdf
2012: 169).                                                            (23.05.2014).
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