Joachim Welz Universitäten der Bundeswehr - 50 Jahre Gründungsprozess - 50 Jahre ...

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Joachim Welz
                                              Universitäten der Bundeswehr -
                                              50 Jahre Gründungsprozess

Seit dem 24.2.22 herrscht wieder Krieg in Europa und                    wissenschaften sowie für Wirtschafts- und Sozialwissen-
Krieg ist erkennbar für Diktatoren wieder ein Mittel der                schaftejonasn mit jeweils fast 40% der Studierenden.
Politik. Mit dieser „Zeitenwende“ sind Verteidigung und                 Demgegenüber ist die Universität der Bundeswehr Mün-
Bundeswehr wieder primäre Staatsziele und statt Aus-                    chen, zitiert UniBwM, „Technische Universität“ mit fast
landseinsätze für Friedensmissionen sind plötzlich                      3 700 Studierenden, davon insgesamt über 600 Frauen.
Bündnis- und Heimatverteidigung realistische Szenari-                   Rund 800 studieren in Fachhochschulstudiengängen,
en, auf die Politik und Bundeswehr materiell und mental                 womit die UniBwM als „kooperative Gesamthochschu-
vorbereitet sein müssen. Neben zahlreichen anderen                      le“ zu klassifizieren ist. Sie umfasst 10 Fakultäten, davon
Aspekten steht damit auch die Offizierausbildung im                     sieben universitäre und drei im Bereich angewandte
Fokus.                                                                  Wissenschaften (Fachhochschul-Fakultäten). Neben
                                                                        auch fast 48% Studierende in den Wirtschafts- und Sozi-
1. Die Universitäten der Bundeswehr heute                               alwissenschaften bilden hier Ingenieurwissenschaften
                                                                        und Informatik mit über 46% einen weiteren Schwer-
Kernelement der deutschen Offizierausbildung ist das                    punkt. Als Alleinstellungsmerkmal bestehen luft-und
zivile Offizierstudium an den Universitäten der Bundes-                 raumfahrttechnische sowie Cyber-Studiengänge. Der
wehr, zitiert UniBw.1 Diese – Universität der Bundes-                   Jahreshaushalt beträgt rund 135 Mio. EUR, davon 30
wehr/Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, HSU-HH,                        Mio., also etwa 22%, Drittmittel.
und die Universität der Bundeswehr München, UniBwM
– sind von den Sitzländern anerkannte Hochschulen.2                     2. Rahmenbedingungen, Motive und Vorgaben
Sie sind nach Größe, Niveau und Anspruch die „Flagg-
schiffe“ eines weiteren, speziellen Astes im System der                 a) Eckpunkte der Offizierausbildung
tertiären Bildung, nämlich für staatlich getragene, (nur)               Da der Offizier kämpfen können, sich auch in extremen
für ein bestimmtes Ausbildungsziel und einen bestimm-                   körperlichen und psychischen Stresssituationen bewäh-
ten Personenkreis konzipierte staatliche Hochschulen                    ren, Verantwortung für vergleichsweise viele Anvertrau-
(Bedarfs-, Ressorthochschulen).3                                        te tragen und notfalls sein Leben einsetzen muss, bleibt
    Die Universität der Bundeswehr Hamburg, seit 2003                   Offizier trotz aller Ausdifferenzierung und Annäherung
Helmut-Schmidt-Universität, zitiert HSU-HH, hat rund                    an zivile Berufsbilder ein „Beruf sui generis“, dem auch
2 500 Studierende,4 davon fast 500 Frauen, fast 100 Be-                 Auswahl und Ausbildung Rechnung tragen müssen.5
dienstete, davon 1/3 wissenschaftliches Personal, über                  Das Adelsprivileg, gleichsam qua Geburt für den Offi-
100 Professoren und rund 180 Drittmittelbedienstete.                    zierberuf prädestiniert zu sein, hat sich mit der Französi-
Der Jahreshaushalt beträgt rund 110 Mio. EUR sowie 13,6                 schen Revolution und den Reformen in Deutschland,
Mio. Drittmittel. Sie umfasst vier Fakultäten; der Schwer-              vor allem Preußen, in zwei Richtungen geöffnet, nämlich
punkt liegt bei den Fakultäten für Geistes- und Sozial-                 für Nicht-Adelige sowie dem Bedürfnis nach (militär)

1   Zur Vertiefung sei insbesondere hingewiesen auf das Gutachten           1979, zitiert Weise; Joachim Welz, Universitäten der Bundeswehr,
    der Bildungskommission 1971 „Neuordnung der Ausbildung und              2021, zitiert Welz.
    Bildung in der Bundeswehr“, zitiert Gutachten; Thomas Ellwein/      2   S. u. bei Fn. 33.
    Achatz von Müller/Harro Plander, Hochschule der Bundeswehr          3   Abzugrenzen von den Landesuniversitäten mit umfassendem öf-
    zwischen Ausbildungs- und Hochschulreform,                              fentlichem Bildungsauftrag einerseits und „Spartenhochschulen“,
    1974, zitiert Ellwein/Müller/Plander; Kurzfassung und gewis-            die nur ein fokussiertes Fächerspektrum vorhalten, andererseits;
    sermaßen authentische Beschreibung Bundesminister der                   s. zu Arten und Abgrenzungen s.u. bei Fn. 52 und 71 ff.
    Verteidigung, Die Hochschulen der Bundeswehr, 1974, zitiert         4   Zahlenangaben für beide UniBw https://rancing.zeit.de/che/de/
    BMVg, Hochschulen, sowie auf die Monographien Christiane                hochschule/66 bzw.36 sowie Internet-Präsentationen der Hoch-
    Reuter-Boysen, Vorreiter für die Hochschulreform?, 1995, zitiert        schulen.
    Reuter-Boysen; Andrea von Schroeders, Student und Soldat, Das       5   Krieger, die kämpfen und auch töten müssen, Söhnke Neitzel,
    Studium zwischen Dienstpflicht und akademischer Freiheit an             Deutsche Krieger, 2020, Umschlagstext, zitiert Neitzel; vgl. die
    den Universitäten der Bundeswehr, 2007, zitiert von Schroeders;         Klimax gemeinnütziger, gefährlicher bzw. zur Gewaltausübung
    Thomas Georg Weise, Die Hochschule der Bundeswehr Hamburg               verpflichteter Berufe Feuerwehr, Polizei, Militär.

                                                Ordnung der Wissenschaft 2022, ISSN 2197-9197
156                   O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 5 5 - 1 6 6

wissenschaftlicher Bildung. Für Rekrutierung und Selek-                    führte zu politisch-moralischen Legitimationsproble-
tion des Offiziernachwuchses war traditionell das „Auf-                    men der Bundeswehr. Der militärisch-industrielle Kom-
stiegsmodell“ dominant, d.h. Eintritt als Rekrut, und                      plex wurde ebenso wenig beherrscht wie innere Proble-
„von der Pike auf “ durch Bewährung in der jeweiligen                      me. Bei den Abiturienten wuchs die Quote der
Funktion Beförderung idealtypisch bis zum General. Es                      Wehrdienstverweigerer auf über 50% an und zeigte die
setzte sich aber alsbald die Auffassung durch, dass dies                   Entfremdung von Militär und intellektuellen Schichten.
nicht ausreichend sei und es überdurchschnittlicher                        Hieraus ergab sich bei der Bundeswehr schließlich ein
Intelligenz – es wurde angestrebt, das Abitur trotz der                    Fehl von 6 000 Offizieren, wobei das schlimmste Defizit
damals strengen Selektion als Regelvoraussetzung                           bei länger dienenden Zeitoffizieren bestand.9 Verstärkt
durchzusetzen – und spezieller Ausbildungseinrichtun-                      wurde dies durch die politischen und gesellschaftlichen
gen bedürfe. Dabei waren in den grundlegenden Fragen                       Veränderungen wie Wertewandel, Reformeuphorie mit
zur Ausrichtung – Kämpfer oder Bildung? Spezialist                         dem Ruf nach Bildungsreform mit „Öffnung“ der Gym-
oder Generalist? praktische, militärfachliche oder wis-                    nasien und Hochschulen. Diese Aufbruchsstimmung
senschaftliche Komponenten? die alle in der Offizieraus-                   übertrug die neue sozialliberale Regierung Brandt/
bildung enthalten sind und wobei sich die Begriffspaare                    Schmidt in Reformen auch für die Bundeswehr. Initial
keineswegs ausschließen – Kompromisse zu finden.                           hierfür war das Weißbuch vom Mai 1970.10 Dies analy-
Typisch waren waffengattungsbezogene Truppenschulen                        sierte die Mängel und Defizite und sah tiefgreifende Ver-
ohne wissenschaftlichen Anspruch; daneben wurden                           änderungen und Reformen vor.11 Absolute Schwerpunk-
aber spezielle Akademien für die Ausbildung höherer,                       te sollten dabei die Reform von Ausbildung und Bildung
insbesondere der Generalstabsoffiziere, gegründet, unter                   sowie die eng damit zusammenhängende Attraktivität
denen die preußische Kriegsakademie ein besonderes                         der Zeitoffizierlaufbahn sein.
Niveau und internationalen Ruf erlangt hat.6 Die Offi-                         Im Trend von Öffnung, Reformeuphorie und Bil-
zierausbildung, ihre Organisation und die Ausbildungs-                     dungswelle wollten zwischen 80 und 90% der Oberschü-
stätten waren dabei streng in der Hand des Militärs.                       ler studieren, und die große Mehrheit der Interessenten
    Daneben gab es aber auch interessante zivile Bil-                      für Längerdienende oder Berufsoffiziere wollte ohne
dungsansätze wie die Forderung der Paulskirchenver-                        Studium nicht zur Bundeswehr, so dass sich ohne Studi-
sammlung, für das „höhere militärische Studium“ an zi-                     um das Personalreservoir auf diese Minderheit be-
vilen Universitäten „Lehrstühle der Kriegswissenschaft“                    schränkt hätte. Dem genügten die rudimentären Ansätze
zu errichten, sowie die hochrangigen „Führergehilfen-                      der Bundeswehr für Studium und wissenschaftliche
kurse“ an Universitäten in der Weimarer Republik.7                         Ausbildung nicht.12 Auch gegenüber anderen vergleich-
    War im Kaiserreich der Offizier „der erste Stand im                    baren Armeen war die Bundeswehr zurückgefallen. Die
Staate“, wurde nach den verlorenen Weltkriegen, insbe-                     wichtigsten NATO-Partner hatten inzwischen die Offi-
sondere der totalen Niederlage 1945, das Vertrauen in                      zierausbildung auf B.A. - Niveau angehoben und im Ost-
das Militär und das Image des Offiziers nachhaltig er-                     block hatte das Studium auf den Militärhochschulen
schüttert, was sich nach 10 ½ Jahren militärloser Zeit von                 wissenschaftlichen Rang.13 Es war damit notwendig,
der Gründung der Bundeswehr am 12. November 19558                          auch für die Offizierausildung der Bundeswehr ein aka-
im Grunde bis heute negativ auswirkt. Dies führte in den                   demisches Studium vorzusehen, in der deutschen Mili-
späten Sechzigerjahren zu einer tiefen Krise: Der Menta-                   tärtradition eine „kopernikanische Wende“. Es sollte sich
litätswandel der Gesellschaft – postheroisches Zeitalter –                 um ein ziviles Pflichtstudium für alle Berufsoffiziere und

6  Von Scharnhorst 1810 als „Höhere Kriegsschule“ gegründet, seit             gewissermaßen 50-jähriges Jubiläum
   1859 Kriegsakademie; Spitzname der Generalstabsoffiziere „Halb-         11 Konkret 124 Maßnahmen, darunter 36 Änderungen an 21 Geset-
   götter“ (Bismarck); internationale Beispiele Welz, S. 25.                  zen und die Änderung von 88 Verordnungen.
7 Reinhard-Kurse nach dem Kriegsminister Reinhard (auch zur                12 Zurückgekehrte Offiziere, die in der Nachkriegszeit für eine zivile
   Umgehung der durch den Weimarer Vertrag verbotenen General-                Karriere studiert hatten, Ärzte, Apotheker, Veterinäre, für die die
   stabsausbildung), Theodor Heuss war einer der Lehrer; Gesetz-              Bundeswehr Studienplätze im Zulassungsverfahren reserviert hat,
   entwurf der Frankfurter Nationalversammlung über die deutsche              Offiziere, die die Bundeswehr zum Studium der von ihr speziell
   Wehrverfassung, Art. XI, § 60.                                             benötigten Fächer an zivile Universitäten entsendet (typisch
8 Geburtstag von Scharnhorst, Motor und Repräsentant der                      Ingenieure und Naturwissenschaftler), Laufbahn- und Beförde-
   Reformen von 1806 ff, Protagonist des „gebildeten Offiziers“ und           rungsprivilegien für Bewerber, die in anderen benötigten Fächern
   deshalb gleichsam zum „Patron“ des „neuen“ Militärs bestimmt.              bereits ein ziviles Studium absolviert haben und schließlich
9 Gutachten, Tz 17; Neitzel, S. 289; Reuter-Boysen, S. 9, 14 f; Welz, S.      Umwandlung von technischen Schulen in bundeswehreigene
   29 ff.                                                                     Fachhochschulen.
10 Der Gründungsvorgang hat also in den Jahren 2020 bis 2023               13 Bis hin zu den akademischen Graden Dipl.-Mil., Dr. rer mil.
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länger dienenden Zeitoffiziere handeln, das dem Studi-                   – ein Trimester-System,
um an den Landesuniversitäten gleichwertig sein und                      – ein spezielles Studienkonzept mit Studium in Klein-
den (Zeit)Offizier zu einem akademischen Berufsbild                         gruppen bei einer traumhaften Dozenten – Studen-
machen sollte.14                                                            ten-Relation, sowie intensiver individueller Bera-
                                                                            tung und Betreuung,
b) Das Offizierstudium an den UniBW                                      – optimale Wohn- und Arbeitsbedingungen durch
Im Personalwesen des Militärs stellt sich das grundsätz-                    Campus-Organisation und Unterbringung in Ein-
liche Problem, dass – bei der notwendigen hierarchi-                        zelzimmern sowie
schen Personalstruktur – der höchste Bedarf an jungen                    – wirtschaftliche und soziale Sicherung durch volles
Offizieren – Zugführer (Leutnante) und Kompaniechefs                        Gehalt und Vergünstigungen wie freier Heilsfürsor-
(Hauptleute) - besteht, während bei älteren, Stabsoffizie-                  ge.
ren, vom Major aufwärts, im Frieden „eigentlich“ zu vie-                   Doch auch inhaltlich weist das Offizierstudium Be-
le vorhanden sind und damit Beförderungsstaus und                      sonderheiten auf:
Überalterung drohen, wenn die „jungen“ Offiziere zu                      – auf den Bedarf der Bundeswehr ausgerichtetes ein-
lange im Dienst bleiben. Die Bundeswehr versucht das                        geschränktes Fächerspektrum;
Problem zu lösen, indem sie auf das Leitbild des Zeitoffi-               – spezielle Curricula18 für das verkürzte Studium und
ziers setzt. So können nur 20% der Offizieranwärter                         den Dualismus mit den militärischen Anforderun-
Berufsoffiziere werden, während 80% die Bundeswehr                          gen; - zum Erlernen der speziellen Menschenfüh-
nach Ablauf ihrer Verpflichtungszeit verlassen müssen.15                    rung – Offizier als Führer, Ausbilder, Erzieher - in
Das erfordert für die Offiziere eine Doppelmotivation,                      allen Studiengängen integrierte pädagogische und
für den Offizierberuf sowie für den anschließenden                          sozialwissenschaftliche Komponente (erziehungs-
Zivilberuf, sowie Zuversicht und Selbstvertrauen, in bei-                   und gesellschaftswissenschaftliches Anleitstudium,
dem erfolgreich zu sein. Auch wenn kürzere und längere                      EGA);
Verpflichtungszeiten möglich sind,16 ist das Leitbild der                – erhebliche Pflichtanteile Sprachen und Sport und
Bundeswehr auf den Zeitoffizier mit damals 12, heute 13                  – Sicherstellung einer militärischen Rest-Komponen-
Jahren Dienstzeit ausgerichtet. Diese sind damit die typi-                  te: So findet an einem Nachmittag in der Woche eine
sche Zielgruppe für das Offizierstudium. Sie sind bereits                   allgemeine militärische Ausbildung, AMA, im
Offiziere i.S.d. Soldatengesetzes und beziehen Gehalt,                      Kampfanzug, statt (Gefechtsschießen, Marschieren,
womit die Bundeswehr das Studium finanziert, aber                           ABC- und San-Ausbildung sowie verteidigungspoli-
erwartet, dass ihr die Absolventen als akademisch ausge-                    tische und militärische Vorträge) und
bildete Offiziere als Führer und Ausbilder in der Ver-                   – nicht verpflichtend, aber erwünscht und nützlich
pflichtungszeit möglichst lange zur Verfügung stehen.                       sind regelmäßige militärische „Praktika“ (Wehr-
    Deshalb muss das Studium kurz und bedarfsorien-                         übungen).
tiert sein und gegenüber dem Studium an Landesuniver-                      Trotz entsprechender Angebote aus dem Universi-
sitäten grundlegende Besonderheiten, vor allem eine Ef-                tätsbereich und gegen breiten Widerstand war damals
fizienzsteigerung, aufweisen. Es ist deshalb nach folgen-              wie heute klar, dass solche spezifischen Studiengänge
den Parametern konzipiert:17 Vollwertiges Studium mit                  nicht an den allgemeinen staatlichen Hochschulen er-
zivilen, allgemein anerkannten Hochschulgraden, d.h.                   richtet werden konnten, die sich mit Überlastung, NC,
heute Master als Regelabschluss, und einer Studienzeit                 fehlender Personal- und Sachausstattung und (über)lan-
bis zum M. A. von vier Jahren. Dies wird ermöglicht                    gen Studienzeiten, seit 1968 immer wieder aufflackern-
durch                                                                  den Studentenunruhen und Wehrfeindlichkeit des aka-

14 Die Grundzüge wurden von der Bildungskommission beim                   Gesetzes über die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht und
   Bundesminister der Verteidigung, bestehend aus zwölf Militärs          die Regelung der Dauer der Dienstverpflichtung vom 19.8.1920.
   aller Dienstgrade und zwölf zivilen Experten aus Wissenschaft,      16 Ab zwei Jahren, wobei i.d.R. der Reserveoffizierstatus erstrebt
   Wirtschaft und Verwaltung unter dem Vorsitz von Prof. Thomas           und erreicht wird, bis zu 25 Jahren Obergrenze, wobei dann aber
   Ellwein im Mai 1971 veröffentlicht; Gutachten zur Neuordnung           der Wechsel in den Anschlussberuf entsprechend schwieriger
   der Ausbildung und Bildung in der Bundeswehr, s. Fn 1.                 wird.
15 In Kaiserreich und Weimarer Republik waren die Offiziere            17 Gutachten, Tz 54; BMVg, Hochschulen, S. 2.
   grundsätzlich Berufsoffiziere mit einer Dienstzeit von 25 Jahren,   18 Entwickelt vom „wissenschaftlichen Institut Erziehung und
   aber ab 10 Jahren konnten sie bereits mit lebenslangen Pensions-       Bildung in den Streitkräften“ mit Betonung der „Partizipation als
   ansprüchen aus dem Militärdienst ausscheiden, § 3 Abs. 2 des           Lernziel“, Welz, S. 75 f m.w.N.
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demischen Milieus herumschlagen mussten. Für die An-                     6-9-monatiger Lehrgang an der Schule der Waffengat-
forderungen der Offizierausbildung bedurfte es deshalb                   tung an, auf denen das bisher sehr kurz gekommene
spezieller, bundeswehreigener Hochschulen,19 wofür                       militärische Fachwissen – Einsatzgrundsätze der Waf-
alsbald die Gründung von zweien, an den Standorten                       fengattung, Taktik – für das Niveau Zugführer erlernt
Hamburg und München, in Angriff genommen                                 wird. Dann erst, also nach 6 ½ Jahren, folgt die erste
wurde.20                                                                 selbständige Führungsaufgabe, i.d.R. als Zugführer, von
                                                                         der die ersten zwei Jahre noch als „angeleitete Praxis“
c) Integration des Studiums in die Offizierlaufbahn                      verstanden und definiert sind.25
Da die Studierenden bereits Offizieranwärter (Fähnri-                        Natürlich sind jetzt – als Zugführer, Vorgesetzter für
che) sind und das Studium gezielt die Offiziere ertüchti-                ca. 30 Soldaten, darunter erfahrene Feldwebel und Un-
gen soll, muss es möglichst effektiv in die Offizierkarrie-              teroffiziere – primär militärische Fähigkeiten erforder-
re integriert werden: Vor der Einstellung erfolgt zunächst               lich. Die Offiziere werden also in die andere Welt der
eine Auswahl der Offizierbewerber nach den Laufbahn-                     Truppenführung geworfen mit Präsenzpflicht, Uniform
voraussetzungen für den gehobenen Dienst und den                         und militärischen Formen und mit Aufgaben, für die sie
speziellen Kriterien der Bundeswehr durch das „Assess-                   intellektuell überqualifiziert und fachlich unterqualifi-
mentcenter für Führungskräfte der Bundeswehr“. Hier                      ziert und damit „eigentlich“ falsch ausgebildet sind. Ins-
entscheiden sich die Bewerber, eventuell mit Unterstüt-                  besondere können die im Studium erworbenen Kennt-
zung des Assessmentcenters, für Ihre Teilstreitkraft21                   nisse nicht angewandt werden.26 Damit ist ein „Praxis-
und Waffengattung.22 Die studierwilligen Bewerber                        schock“ unvermeidbar. Dieses Problem wird jedoch
müssen sich für 13 Jahre verpflichten, wobei bereits Vor-                nach wenigen Monaten überwunden, weil sich die stu-
klärungen für das gewünschte Studienfach erfolgen.                       dierten Offiziere schneller und besser anpassen und in
Zum Erwerb der erforderlichen Mindest-Grundkennt-                        Praxis und Karriere erfolgreicher sind als ihre nichtstu-
nisse und -Fertigkeiten beginnt die Laufbahn aber in der                 dierten Kameraden.
Truppe mit einem „Vorlauf “ von grundsätzlich 15 Mona-                       Nach Ablauf der Verpflichtungszeit werden nur 20%
ten.23 Nach Grund- und Fachausbildung umfasst dieser                     der Offiziere Berufsoffiziere, 80% müssen tatsächlich
den Offizierlehrgang 1 mit Offizierprüfung sowie eine                    nach 13 Jahren ausscheiden, d.h. Offizier ist nicht mehr
dreimonatige Sprachenausbildung. Parallel wird in                        Lebensberuf, sondern (nur noch) Lebensabschnittsbe-
einem individuellen Verfahren das Studienfach abge-                      ruf. „Preis“ des Offizierstudiums für die Bundeswehr ist
sprochen.24 Danach werden Offizieranwärter durch das                     also, dass die Zeitoffiziere nur die Hälfte ihrer Verpflich-
Bundesamt für das Personalmanagement der Bundes-                         tungszeit für den eigentlichen Zweck ihrer Ausbildung,
wehr zum Studium an die „passende“ UniBW versetzt                        Einsatz als (akademisch ausgebildeter) Offizier, zur Ver-
und beginnen mit dem Studium. Nach weiteren 21                           fügung stehen und für die Bewerber, dass sie nach 1/3 ih-
Monaten, also mitten im Studium, erfolgt die Ernen-                      res Berufslebens einen gänzlich anderen Beruf ergreifen
nung zum Leutnant, also zum Offizier und damit Auf-                      müssen.27 Außerdem müssen sich die Offiziere gegen
stieg in den gehobenen Dienst. An das Studium, also 5 ¼                  Ende der Dienstzeit auf den Anschlussberuf vorbereiten.
Jahren Dienstzeit, schließt sich ein dreimonatiger Lehr-                 Da der Offizier bei seinem Ausscheiden also gut 7 ½ Jah-
gang an der Offizierschule der Teilstreitkraft und ein                   re nicht mehr im Stoff seines Studienfachs ist, ist zur Er-

19 Gegen heftige Kritik fast aller Kultusminister, der WRK, der Bun-          Laufbahn und Gleichbehandlung der Teilstreitkräfte kontrapro-
   desassistentenkonferenz und starker Kräfte in Minister Schmidts            duktiv ist.
   eigener Partei, s. Welz, Universitäten der Bundeswehr, S. 42 fm. w.   24   Wobei die Chance, ins Wunschfach zu kommen, von jeweiliger
   N.                                                                         Bewerberzahl, Zahl der Studienplätze, Kontingenten der Teil-
20 Gründe waren die an beiden Standorten zahlreich vorhandenen                streitkräfte abhängt, aber insgesamt sehr groß ist; bei Problemen
   Ausbildungsstätten und Liegenschaften sowie die „gerechte“                 haben leistungsstärkere Bewerber allerdings mehr Chancen
   Verteilung auf A- und B-Länder, was natürlich Taktik war, aber             und es kommen auch Fälle vor, wo Bewerber die Teilstreitkraft
   auch einen „Aufhänger“ in Art. 36 Abs. 2 GG hat.                           wechseln, um auf dem Kontingent der Neuen doch noch das
21 Traditionell Heer, Luftwaffe, Marine; Katalog inzwischen erwei-            Wunschstudium zu ergattern.
   tert und durch den Begriff „Dimensionen“ überlagert.                  25   Ziel des Offizierstudiums ist auch nicht die akademische
22 Beim Heer: Infanterie, Panzertruppe, Artillerie, Pioniere,                 Fachausbildung für konkrete Berufsbilder, sondern generell der
   Fernmelder, Technische Truppe (Logistik), um nur die größten               akademisch gebildete Offizier!
   zu nennen; bei Luftwaffe und Marine stattdessen differenzierte        26   Erst in höheren Stäben und praktisch nur bei Berufsoffizieren
   Verwendungsbereiche.                                                       kann das Tätigkeitsfeld durch akademische Anforderungen
23 Die Dauer des Vorlaufes war lange umstritten, weil insbesondere            geprägt sein.
   das Heer mehr Fachkenntnisse voraussetzen wollte und junge Of-        27   Euphemistisch „Duale Karriere“, erforderliche Doppelmotivation
   fiziere dringend für den Alltagsbetrieb benötigt und deshalb auf           und zweifache Berufswahl, was sonst eigentlich nur noch bei
   längeren Vorlauf drängt, was aber für Studium, Attraktivität der           Leistungssportlern vorkommt, Welz, S. 56, 216.
Welz · Universitäten der Bundeswehr - 50 Jahre Gründungsprozess                                        159

tüchtigung für den anschließenden Zivilberuf eine Auf-                 überzeugende Situation erkennen lässt.31 Diese Konst-
frischung erforderlich. Dies erfordert großzügiges Coa-                ruktion, die durchaus noch rechtliche Probleme birgt, ist
chen, Lehrgangsbesuche und Freistellungen vom Dienst,                  in Politik und Rechtsprechung32 anerkannt, zumal die
wobei die Motivation oft schon mehr auf den Anschluss-                 Sitzländer in ihre Hochschulgesetze ausdrückliche Be-
beruf gerichtet ist. Allerdings ist das Studium für den                stimmungen zu „ihrer“ UniBw aufgenommen haben.33
Übergang in einen angemessenen Zivilberuf natürlich                        Parallel war die Rechtsnatur – das HRG und insbe-
ein entscheidender Vorteil; auch werden die Offiziere                  sondere dessen §§ 58 und 70 existierten noch nicht – und
kompetent und durchaus erfolgreich vom Berufsförde-                    die „Hochschulverfassung“ festzulegen. Die Diskussion
rungsdienst der Bundeswehr vorbereitet und unter-                      Einrichtung, Anstalt oder Körperschaft? wurde gelöst
stützt. So sind erreichter Status und Gehälter nicht nur               durch den Kompromiss (nur) „Einrichtung“, aber detail-
als angemessen anzusehen, sondern verglichen mit den                   lierte Garantie von Wissenschaftsfreiheit, Autonomie
Absolventen von Landesuniversitäten eher überdurch-                    und Selbstverwaltung analog den Landeshochschulen.
schnittlich, da sie als ehemalige Offiziere Führungser-                Danach sind die UniBw „Einrichtungen des Bildungswe-
fahrung haben und als Träger von „Sekundärtugenden“                    sens im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der
gelten.28                                                              Verteidigung, die mitgliedschaftlich organisiert sind und
                                                                       die ihre akademischen Angelegenheiten selbst verwal-
3. Die UniBW - Flaggschiffe der Bedarfshochschulen                     ten“.34 Bei dem Schwebestatus zwischen Bund und Land
                                                                       war ein Gesetz als Rechtsgrundlage nicht möglich.35 Sta-
a) Standort im Bildungsföderalismus                                    tus und Verfassung sind deshalb durch „Rahmenbestim-
Vom Bund getragene Hochschulen der Bundeswehr, die                     mungen“ festgelegt, die alles bestimmen, was üblicher-
zivile, allgemein anerkannte Hochschulgrade verleihen,                 weise in Hochschulgesetzen geregelt ist und deren übli-
waren und sind eine Herausforderung für das föderale                   chem Aufbau folgen. Diese wurden mehrfach an Ent-
Bildungssystem:                                                        wicklungen im Hochschulwesen angepasst und mit den
    Zwar ist Verteidigung verfassungsrechtlich Monopol                 Hochschulgesetzen der Sitzländer harmonisiert.
und spezielle Aufgabe des Bundes.29                                        Der Dualismus Autonomie – staatliche Aufgaben mit
    Dagegen ist die Kulturhoheit „der“ Kernbereich der                 Einheitsverwaltung ist ebenso wie bei Landesuniversitä-
Länderkompetenz. Diese schließt auch das staatliche                    ten geregelt. Bei der Aufsicht bestehen jedoch die Auf-
Hochschulmonopol ein, jedenfalls soweit es die „formel-                sicht des Sitzlandes und die Aufsicht des BMVg als Trä-
le Teilhabe am öffentlichen Berechtigungswesen“ be-                    ger nebeneinander. § 70 HRG definiert die Anforderun-
trifft.30 Bei der restriktiven Auslegung des BVerfG wurde              gen, die für die Anerkennung einer Nicht-Landeshoch-
die Offizierausbildung vorsichtigerweise vom BMVg                      schule erforderlich und damit vom Sitzland stets zu
auch nicht als Annexkompetenz der Verteidigung rekla-                  kontrollieren sind, Mindestgröße, Qualitätssicherung
miert; auch eine Grundgesetzänderung für Universitä-                   für Studium, Studienbewerber, Lehrpersonen, sowie
ten des Bundes bzw. Verteidigungshochulen des Bundes                   Mitwirkung der Angehörigen an der Gestaltung des Stu-
wurde nicht für realisierbar gehalten. Die Hochschulen                 diums. Darüber hinaus haben sich die Sitzländer über
der Bundeswehr wurden deshalb in der Trägerschaft des                  die Regelungen zu den UniBw und in ihren Hochschul-
Bundes errichtet und mussten von den Sitzländern, nach                 gesetzen36 die generellen staatlichen Aufsichtsrechte,
Vorbild der kirchlichen und privaten Hochschulen,                      insbesondere im akademischen Bereich, gesichert. Ab-
„staatlich“ anerkannt werden, sie sind also „staatlich an-             gesehen von den Voraussetzungen des § 70 HRG handelt
erkannte nichtstaatliche Hochschulen,“ was bei dem                     es sich dabei aber nur um eine Mitaufsicht neben dem
Bund als tragender Körperschaft nicht nur ironisch                     BMVg, so Rechtsaufsicht in akademischen Angelegen-
klingt, sondern auch die verfassungsrechtlich wenig                    heiten, Genehmigungsvorbehalt bei Grundordnungen

28 Martin Elbe, Berufskarrieren ehemaliger Zeitoffiziere, ZMSBw,          Welz, S. 67 f.
   Forschungsbericht 115, 2018, passim; Welz, S. 216 ff m. w. N.       32 Inzidenter in BVerwG, DVBl. 1993, S. 52.
29 Ausschließliche Gesetzgebung, Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG, Pflicht      33 § 71a HmbgUniG i.d.F. vom 24.7.1973, § 143 des HmbHG vom
   und Zuständigkeit zur Aufstellung von Streitkräften, Art. 87a GG,      22.5.1978, GVBl. I S. 109; BayHSchG vom 21.12.1973, Art. 82
   Zuständigkeit für die Bundeswehr- und Verteidigungsverwaltung          BayHschG vom 23.5.2006 (GVBl. S. 245).
   einschließlich Personalwesen, Art. 87b Abs. 1 Satz 2.               34 „materielle Körperschaft“, für die formale Körperschaft fehlen
30 Arg. Art, 30, 70 GG, Dieter Lorenz, § 70 HRG, Rn 2, 15 in:             Gründungsakt und Vollrechtsfähigkeit, Welz, S. 84.
   Hailbronner/Geis, 23. Lfg., 2000.                                   35 Dem Bund fehlt die Kompetenz und die Länder können nicht die
31 Gutachten, Tz 58; BMVg, Hochschulen, S. 5 f; Welz, S. 61 ff; zur       (Personal)Hoheit für eine Bundeseinrichtung bekommen.
   Parallelsituation für die Fachhochschulen der Bundeswehr und        36 § 112 Abs. 6 HambHG, Art. 82 i.V.m. Art. 85 BayHschG.
   der Hochschule des Bundes für die öffentliche Verwaltung
160                 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 5 5 - 1 6 6

und Ordnungen, Bestellung von Präsident, Vizepräsi-                  folgte die Öffnung der BW und damit auch der UniBw
denten, Berufung von Professoren. Dem BMVg stehen                    für Frauen, was spezielle Betreuungs-, Fürsorge- und
als Träger die Weisungsberechtigung für alle sonstigen               Liegenschaftsprobleme mit sich brachte; seither unter
Angelegenheiten37 sowie die Aufsichts- und Mitwir-                   den Studierenden gut zwischen 16% Frauen mit leicht
kungsrechte zu, die üblicherweise nach den Landeshoch-               steigender Tendenz, aber Bevorzugung „frauenaffiner“
schulgesetzen den Wissenschaftsministerien obliegen;                 Studiengänge. Ebenso erfolgte 2001, UniBw HH, bzw.
Einzelheiten, darunter auch Reihenfolge und Koordina-                2002, UniBwM, eine eingeschränkte Öffnung für zivile
tion, werden von den RahBest geregelt. Durch den Status              Studenten (Industriestipendiaten, derzeit gut 100 an bei-
als Bundeswehreinrichtungen könnten theoretisch auch                 den Hochschulen) sowie nach und nach auch Studieren-
die Kontrollorgane der Wehrverfassung – Wehrbeauf-                   de aus anderen (Bundes)Behörden (z.Z. rund 110), dane-
tragter des Bundestages, Verteidigungsausschuss – als                ben auch Gast- und später Frühstudierende (ca. 10/Jahr
zusätzliche Kontrollorgane auch im Universitätsbereich,              an der UniBwM). 2003 erfolgte zur Ehrung des Initiators
allerdings außerhalb der akademischen Angelegenheiten                und Gründungsvaters die Umbenennung der UniBw
– tätig werden.                                                      HH in „Helmut-Schmidt-Universität“. Im Zuge des Bo-
                                                                     logna-Prozesses wurde 2007 -2010 das Studium auf das
b) Gründungsprozess und Geschichte                                   Bachelor-Master-System umgestellt, womit die Studien-
Die Gründungsprozesse verliefen zwar zäh und schwie-                 zeit auf 3 Jahre bis zum BA und 4 Jahre bis zum MA fest-
rig, zumal es in beiden Ländern Vorbehalte gegen Bun-                gesetzt und damit um ein Jahr verlängert wurde. Um
deswehrhochschulen gab, die Rechtsgrundlage atypisch                 dies für die Standzeit in der Truppe zu kompensieren,
war, politisch und rechtlich Neuland beschritten wurde               wurde parallel die Verpflichtungszeit der Zeitoffiziere
und die Bundeswehr-Spezifika keine Präzedenzfälle hat-               auf 13 Jahre verlängert.
ten. Zudem geriet die Gründung der UniBw voll in den
Streit zwischen Bund und Ländern bei der parallel lau-               c) Personal der UniBw
fenden Diskussion des zu schaffenden HRG, in dem                     Die Regelungen für das Personal folgen dem HRG bzw.
letztlich die politische Weichenstellung über die Zukunft            den Hochschulgesetzen der Sitzländer. Somit sind an
des gesamten Hochschulwesens ausgetragen wurde.                      den UniBw tätig Professoren, Juniorprofessoren, Wis-
Hinzu kamen noch Vorbehalte gegen die angedachten                    senschaftlicher Mittelbau, sonstiges (nicht hauptberufli-
Personaltableaus.38 Trotzdem konnten beide nach der                  ches) Lehrpersonal sowie „andere Mitarbeiter“, Lehrbe-
formalen Anerkennung durch die Sitzländer und Errich-                auftrage sowie wissenschaftliche und studentische Hilfs-
tung durch Erlass des BMVg nur 3 ½ Jahre nach dem Ini-               kräfte. Der Status der Professoren entspricht dem an
tial im Weißbuch 1970 wie geplant am 1.10.1973 ihren                 Landesuniversitäten: Die Besoldung erfolgt nach der
Lehr- und Studienbetrieb aufnehmen,39 eine enorme                    Besoldungsordnung W,41 Anl. II Bundesbesoldungsge-
Leistung aller Beteiligten und insbesondere von Minister             setz, das insoweit den Landesregelungen entspricht. Das
Schmidt und den Gründungsteams um Prof. Ellwein als                  Lehrdeputat ist an das Trimester-System angepasst mit 6
Vorsitzendem der Kommission und beider Gründungs-                    TWS für Universitäts- und 14 TWS für FH-Professoren.
ausschüsse.                                                          Die Nebentätigkeitsregelungen entsprechen denen für
    Mit wichtigen weiteren Entwicklungsschritten wur-                Professoren im Landesdienst, auch wenn die Rechts-
den die Hochschulen der Bundeswehr in den Folgejah-                  grundlagen etwas pauschal sind. Unterschiede bei Grup-
ren ausgebaut den Landesuniversitäten gleichgestellt:                penzugehörigkeit und Mitwirkungsbefugnissen zwi-
1978 wurde ihnen von den Sitzländern das Promotions-                 schen Universitäts- und FH-Professoren werden offiziell
recht und 1980/81 das Habilitationsrecht übertragen.40               nicht gemacht. Die Voraussetzungen für die Professo-
1985 wurden sie als „Universitäten“ der Bundeswehr klas-             renberufung entsprechen den Regelungen des HRG und
sifiziert, 1987 auch ihre Professoren zu Universitätspro-            denen der älteren Landeshochschulgesetze, wobei die
fessoren, jeweils eine erhebliche Aufwertung. 2001 er-               Liste zusätzlich den Landesstellen42 vorzulegen ist, die

37 Nur Dienststelle im Geschäftsbereich des BMVg, s.o.                  Anerkennung die Hochschularten im Zuge des Genehmigungs-
38 BMVg, Hochschulen, S. 5 f; Reuter-Boysen, S. 40-66 speziell für      verfahrens für Promotionen und Habilitationen wieder getrennt
   Bayern; Welz, S. 71-76.                                              werden.
39 Noch fehlende rechtliche Komponenten zur vollständigen wis-       41 80% der Uni- und 20% der FH-Professoren W 3, die Übrigen W
   senschaftlichen Hochschule wurden schrittweise ergänzt.              2.
40 Nach einer kurzen Zwischenphase als integrierte bzw. vorwegge-    42 Behörde für Wissenschaft und Forschung bzw. Staatsministerium
   nommene Bologna-Hochschule mussten an der UniBwM für die             für Unterricht und Kultus.
Welz · Universitäten der Bundeswehr - 50 Jahre Gründungsprozess                                          161

der Berufung zustimmen müssen. Die Endauswahl und                       Nach Zweck und Entstehungsgeschichte der UniBw
die eigentliche Berufung erfolgt durch den Verteidi-                stand die Offizierausbildung und damit die Lehre im
gungsminister (also nicht dem neueren Trend durch die               Vordergrund.45 Doch im Bestreben, vollwertige Univer-
Hochschulleitung). Die Berufungsverhandlungen wer-                  sitäten zu schaffen, war nach dem Humboldt´schen Ide-
den mit der Universität geführt, die auch die Ausstattung           al von Anfang an über lehrbegleitende und lehrunter-
sicherzustellen hat.                                                stützende Forschung hinaus hochwertige Forschung bis
    Die Juniorprofessoren sind statusmäßig und nach                 hin zur Grundlagenforschung vorgesehen46 – hierfür
Gruppenzugehörigkeit den Professoren weitgehend                     wurden die Rechtsgrundlagen (Art. 5 Abs. 3 GG,
gleichgestellt.                                                     § 22 HRG und die entsprechenden Bestimmungen der
    Beide Universitäten kennen Privatdozenten; die                  beiden Landesgesetze) in die RaBest übernommen und
UniBwM auch apl.- und Honorarprofessoren; die HSU                   schrittweise realisiert. Die UniBw präsentieren sich heu-
stattdessen eine „akademische Bezeichnung Professor“.               te als forschungsstarke Hochschulen mit Forschungs-
    Die Auswahl des Lehrpersonals erfolgt streng „neut-             schwerpunkten, die weit über militäraffine Themen hin-
ral“, d.h. es muss keinerlei „Nähe“ zur Bundeswehr be-              ausgewachsen sind.47 Rechtsgrundlagen und Praxis be-
stehen.43 Dabei dürfte der zivile Charakter der UniBw               sonderer Formen – Publikation von Forschungsergeb-
durchaus ein qualitativer Vorteil bei der Rekrutierung              nissen,     Forschungskooperationen       mit    anderen
sein: während bei vergleichbaren Ländern ein großer                 Hochschulen, wissenschaftlichen Einrichtungen und
Teil der Dozenten aus (ehemaligen) Offizieren besteht,              Wirtschaftsunternehmen, Drittmittelforschung, Neben-
sind die UniBw auf dem Stellenmarkt auch für Wissen-                tätigkeit,    An-Institute      –    entsprechen      den
schaftler ohne Affinität zum Militärischen attraktiv und            Landeshochschulen.
konkurrenzfähig. Somit sind im Lehrkörper nicht selten
Personen anzutreffen, die gegenüber Militär und Vertei-             e) Gouvernance und Organisation
digung kritisch eingestellt sind (was unter dem Aspekt              Beide UniBw werden von Präsidenten geleitet, wobei es
der Offizierausbildung nicht unproblematisch ist).                  sich bei der HSU um eine „monokratische“ Präsidialver-
                                                                    fassung handelt (mit Weisungsrecht gegenüber Vizeprä-
d) Promotion, Habilitation, Forschung                               sidenten und Kanzler) und bei der UniBwM um eine
Die UniBw haben uneingeschränktes Promotions- und                   kollegiale Leitung, bei der die eigentliche Leitung durch
Habilitationsrecht. Es ist aber ein Strukturproblem der             das „Leitungsgremium“ – Präsident, Vizepräsidenten,
UniBw, dass die Kernklientel, Offizierstudenten,                    Kanzler – erfolgt.48 Der Kanzler ist dabei jeweils Beauf-
schnellstens in ihren Offizierberuf zurückkehren sollen             tragter für den Haushalt mit den damit nach der Bun-
und deshalb für Promotion und Habilitation praktisch                deshaushaltsordnung vorgesehenen Sonderrechten (par-
nicht in Betracht kommen; deren akademische Karrie-                 tielles Veto-Recht, Suspensiveffekt). Beide Universitäten
ren brechen damit ab und für die UniBw fällt die Mög-               sind in Fakultäten sowie Institute gegliedert (die bei der
lichkeit weg, aus ihrer Hauptklientel wissenschaftlichen            HSU-HH, in der Gründungsphase umstritten, auf einer
Nachwuchs zu generieren.44 Inzwischen wird den Jahr-                etwas schwachen Rechtsgrundlage beruhen) und haben
gangsbesten von der BW gestattet, bis zur Promotion an              zentrale Einrichtungen, wobei im Vergleich zu Lan-
den UniBw zu bleiben. In seltenen Fällen, wenn das The-             desuniversitäten Sprachenzentrum und Sportzentrum
ma für die Bundeswehr wichtig ist, werden auch Offizie-             für den speziellen Bedarf zukünftiger Offiziere eine
re aus der Truppe an die UniBw zur Promotion oder –                 besondere Rolle spielen.
ganz selten – Habilitation abgeordnet; auch ehemalige                   Auffälligster Unterschied zu den Landeshochschulen
Zeitoffiziere promovieren nicht selten – z.B. im Rahmen             ist der Studierendenbereich, das (einzige) militärische
der Berufsförderung – an den UniBw. Für zivile (wissen-             Element der UniBw. Die Studierenden sind gleichzeitig
schaftliche) Mitarbeiter bestehen die üblichen Karriere-            Soldaten; dieser Doppelstatus war auch hochschulver-
wege natürlich uneingeschränkt. Soweit, z.B. bei Habili-            fassungsrechtlich zu regeln. Alle akademischen Angele-
tationsvorhaben, das Potential der UniBw nicht ausrei-              genheiten – Immatrikulation, Belegen von Vorlesungen,
chend ist, wird mit Partnerschaften und Verbünden                   Prüfungswesen – werden zwar von der Universität wahr-
gearbeitet.                                                         genommen; daneben bleiben aber zahlreiche militäri-

43 Gutachten, S. 51.                                                46 BMVg, Hochschulen, S. 25.
44 Weshalb eine Aufnahme in die DFG bisher noch nicht stattgefun-   47 Übersicht Welz, S. 122 f; Forschungsberichte der UniBw.
   den hat.                                                         48 Als weitere zentrale Kollegialorgane bestehen „erweiterte Hoch-
45 Wovon sich das BMVg als Träger auch nicht leicht gelöst hat,        schulleitung“, Verwaltungsrat und Universitätsrat.
   noch zuletzt BT-Drs. 16/5851, S. 2.
162                 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 5 5 - 1 6 6

sche Gegenstände wie truppendienstliche Führung,                     4. Das Studium – Highlight und Vorbild für Lan-
Rechte und Pflichten nach dem Soldatengesetz, die (ru-               desuniversitäten?
dimentäre) militärische Fortbildung, Personalbearbei-
tung mit Besoldung, Versorgung, Fürsorge sowie die er-               a) Reformansprüche
wähnte persönliche Betreuung für Studium und Berufs-                 Trotz der achtbaren Leistungen in Forschung und Quali-
beratung. Hierfür sollte auf einen Restbestand militäri-             fizierung von wissenschaftlichem Nachwuchs ist und
scher Organisation und Hierarchie nicht verzichtet                   bleibt Alleinstellungsmerkmal und „Highlight“ der
werden. Um Zweigleisigkeit mit einem zivilen und ei-                 UniBw das spezifische Studium. Die Konzeption ent-
nem militärischen Organisationsstrang zu vermeiden,                  stand in der Reformeuphorie der 1968 ff. Höchst ehrgei-
wurde hierfür der Studierendenbereich als dritter Orga-              zig und selbstbewusst wollten die Väter der UniBw
nisationsteil (neben akademischem Bereich und Verwal-                jedenfalls qualitativ an der Spitze dieser Vorstellungen
tung) und damit Spezifikum der UniBw geschaffen. Der                 stehen und ein „Modell…für künftige Entwicklungen im
Präsident ist zwar Vorgesetzter auch „der Soldaten … in              Hochschulbereich“ und ein „Aushängeschild für die
allgemein dienstlicher Hinsicht“, kann aber als Zivilist             Universitäten und Hochschulen in der Bundesrepublik“
nicht militärischer Vorgesetzter sein. „Truppendienstli-             schaffen und „den Kultusministern vorexerzieren, wie
cher Vorgesetzter“ auch der studierenden Soldaten ist                eine Hochschulreform aussehen kann.“51 Der Fächerka-
der Leiter des Studierendenbereichs, und der militäri-               talog wurde dabei zwar zunächst auf den Bedarf der
sche Verwaltungsstrang, insbesondere die Personalvor-                Bundeswehr ausgerichtet und auch wegen der geringen
gänge, sind dem BMVg49 zugeordnet, womit der Studie-                 Größe der UniBw zunächst klein gehalten. Er umfasste
rendenbereich partiell eine eigenständige Verwaltung                 aber ein Spektrum verschiedenartiger Fächer, die sich
und insoweit Ausnahme von der Einheitsverwaltung ist                 inhaltlich an den entsprechenden Fächern der Lan-
– allerdings bleibt auch für den Haushalt des Studieren-             desuniversitäten orientieren; die UniBw sind damit
denbereichs die Universitätsverwaltung zuständig.                    (Voll)Universitäten und keine Spartenhochschulen.52
Schnittstellen zwischen beiden Verwaltungen können in                Nach den Vorstellungen der „Gründerväter“ sollten
aller Regel pragmatisch gelöst werden. Der Studieren-                dabei die geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen
denbereich besteht aus etwa 80 Soldaten – die einzigen,              Fächer im Vordergrund stehen.53 Dies erwies sich jedoch
die in den UniBw Uniform tragen – ist strukturell militä-            als unzweckmäßig – sowohl für den Bedarf der Truppe
risch organisiert50 und als „Spiegelbild zur akademi-                als auch die spätere Employability der Zeitoffiziere hat
schen Organisation“ in Studierendenfachbereiche und –                sich der Wert technischer Fächer und technischer Fach-
fachbereichsgruppen, jeweils mit einem Leiter als (Diszi-            hochschulstudiengänge (ausschließlich an der UniBwM)
plinar)Vorgesetztem, gegliedert. Schwerpunkt der Auf-                gezeigt. Der in der Gründungsphase noch betonte
gaben ist die „Anleitung und Unterstützung“ der                      „Berufsfeldbezug“54 wurde durch die Rahmenbestim-
Offizierstudenten, also die erwähnte spezifische Betreu-             mungen so weit reduziert, dass daraus kein Einfluss auf
ung über Studien- bis hin zu privaten Problemen. Ent-                Lehr- und Studienfreiheit erfolgt und nicht mehr vorge-
sprechend dem Status als Universitätsorgan gehört der                geben wird als auch im Bologna-Prozess und § 7 HRG
Leiter des Studierendenbereiches den zentralen Univer-               vorgesehen. Auch das Fächerspektrum ist aufgefächert –
sitätsgremien mit beratender Stimme an, analog die Lei-              die Offizierstudenten können heute zwischen 37 Studi-
ter       der        Studierendenfachbereiche        den             engängen wählen. Da bei dem unregelmäßigen und
Fachbereichsgremien.                                                 volatilen Dienst als Offizier berufsbegleitendes Studium

49 Bzw. dem Bundesamt für das Personalmanagement in der Bun-            kleine Privatuniversitäten.
   deswehr in dessen Geschäftsbereich.                               53 Dies waren Pädagogik (mit Militärpädagogik anderer Schwer-
50 Stab-Linienmodell, Leiter Oberst oder entsprechend, Leiter der       punkt und größere Bandbreite als an Landeshochschulen),
   Studierendenfachbereiche Hauptmann oder entsprechend; Stab           heute umbenannt in Bildungs- bzw. Erziehungswissenschaften,
   rund 20 Personen, Führungsgrundgebiete Personal (zahlenmäßig         Wirtschaftswissenschaften, alsbald getrennt in Wirtschafts- und
   dominant), mil. Sicherheit, militärische Ausbildung (AMA) und        Organisationswissenschaften bzw. VWL (staatswissenschaftliche
   Materialbeschaffung.                                                 Richtung), Elektrotechnik, Maschinenbau, Luft- und Raumfahrt-
51 Spangenberg, Leiter des Bundespräsidialamtes, zitiert nach Hans      technik, Bauingenieurwesen, Vermessungswesen, durchweg mit
   Georg Lößl, Beilage zur DUZ 10/2003 S 2, und Reuter-Boysen, S.       Fachhochschulstudiengängen.
   10.                                                               54 Gutachten Tz 57.
52 Wie häufig Ausbildungsstätten für den gehobenen Dienst oder
Welz · Universitäten der Bundeswehr - 50 Jahre Gründungsprozess                                            163

fast nicht möglich ist, ist das Studium als Präsenzstudi-              Der zivile Charakter der UniBw zeigt sich schon rein
um konzipiert und neue Studienformen können nur in                     „optisch“: (Trotz Gehalt und Soldatenstatus) keine Uni-
Nischen Einzug halten – duales Studium für die Piloten-                formpflicht – auf dem Campus sind fast nur Zivilisten zu
ausbildung, Fernunterricht und Aufbaustudiengänge                      sehen – keine Präsenzpflicht, kein „Melden“ zu Beginn
schwerpunktmäßig, wenn auch nicht nur, für Wissens-                    der Vorlesung. – und es werden grundsätzlich keine
aktualisierung und Auffrischung vor dem Wechsel in                     Waffen getragen. Die Studenten, immerhin Fähnriche
den Anschlussberuf.                                                    und Leutnante, sind keiner Stammeinheit zugeordnet
    Neben den bereits erwähnten formalen Alleinstel-                   und haben auch keine Einplanung für einen eventuellen
lungsmerkmalen – Pflichtstudienzeiten, Trimester –                     Mobilmachungsfall. Dass trotz Soldatenstatus und Ge-
weist das Studium an den UniBw auch fachlich-inhalt-                   halt keine Anwesenheitspflicht und keine Uniformpf-
lich Besonderheiten auf. Um die gewünschten Abschlüs-                  licht besteht, war für Beamtenrechtler und militäraffine
se nach drei bzw. vier Jahren erreichen zu können, ist ein             Beobachter nicht leicht zu „verdauen“.56 Allerdings ent-
spezielles „Lehrbetriebskonzept“ vorgesehen, das auf                   spricht der Verzicht auf Präsenzpflicht längst der neue-
den Säulen Kleingruppenarbeit und individueller Be-                    ren Tendenz an den Landeshochschulen57 und in den
treuung beruht. Die dominante Kleingruppenarbeit                       Landeshochschulgesetzen, neuerdings angetrieben
wurde sowohl in eine außergewöhnlich gute Dozenten-                    durch die Möglichkeiten des IT-gestützten Lehrens, Ler-
Studenten-Relation wie auch in die Bauplanung umge-                    nens und Prüfens.
setzt      mit        zahlreichen        Arbeits-      und                 In der Tat ist im Studium an den UniBw vieles ver-
Besprechungsräumen.                                                    wirklicht, was die „Reformer“ 1968 ff und weiterer Re-
    Die zweite Säule des Lehrbetriebskonzepts ist die in-              formwellen, nicht zuletzt Bologna, wollten: kurze Regel-
dividuelle Betreuung und zwar nicht nur durch die Do-                  studienzeit, Kleingruppensystem, günstige Dozenten –
zenten, sondern vor allem durch das (militärische) Per-                Studierendenrelation, ständige, auch individuelle, Bera-
sonal des Studierendenbereichs.                                        tung, Betreuung und Anleitung vor und im Studium,
    Ein weiterer Teil der Reform, innovative Komponen-                 optimale Rahmenbedingungen mit Campus-Lage und
te des Offizierstudiums und Alleinstellungsmerkmal der                 wirtschaftlicher Sicherheit – kurz: das Studienparadies.
UniBw sollten spezielle erziehungs- und gesellschafts-                 Auch wenn wegen Massenbetriebs und finanzieller
wissenschaftliche Anteile, abgekürzt EGA, sein. Das Stu-               Grenzen nie ernsthaft versucht wurde, die Kerncharak-
dium sollte hierdurch den besonderen Anforderungen                     teristika des Studiums an den UniBw auf Landeshoch-
für Offiziere an Menschenführung und psychologischer                   schulen zu übernehmen, ist und bleibt das spezifische
Kompetenz Rechnung tragen und die gesellschaftliche                    Studium Alleinstellungsmerkmal und Glanzstück ge-
Eingebundenheit durch rechtliche, historische, politi-                 genüber den Landeshochschulen und der Beweis, dass
sche und ethische Bezüge betont sowie eine allgemeine                  eine deutliche Verkürzung des Studiums ohne Qualitäts-
„Sinn- und Wertevermittlung“, auch als Brücke zur In-                  verlust möglich ist. Der Preis des Eintritts ist allerdings,
neren Führung, erreicht werden. Dabei sollte es sich aber              Offizieranwärter zu sein.58
nicht um ein (paralleles) Ergänzungsstudium handeln,                       Inzwischen haben sich die UniBw vorsichtig auch für
vielmehr sollte das Anleitstudium Basis für alle übrigen               zivile Studierende geöffnet. Neben Gasthörern – von
Studiengänge sein und sich mit diesen gegenseitig                      Anfang an in den regionalen Hochschulverbünden vor-
durchdringen.55                                                        gesehen – und Frühstudierenden59 sind dies zunächst
    Als Reform i.S.d. 1968 ff ist zweifellos auch der zivile           Industriestipendiaten. Diese haben einen Vertrag mit ei-
Charakter des Studiums zu werten. Im Vergleich mit den                 nem (bundeswehrnahen) Partnerunternehmen, das ge-
Offizierhochschulen anderer Länder ist Deutschland mit                 wissermaßen Studienplätze an der UniBw „kauft“. Für
der zivilen Ausrichtung allerdings sehr weit gegangen.                 diese werden Studiengebühren erhoben, die der zivile

55 Gutachten Tz 61. Hier musste allerdings wegen Realisierungs-           andererseits zu einer Neuorientierung geführt hat, die den Wert
   schwierigkeiten nachgesteuert werden, bis mit ISA (Interdiszip-        von Präsenz und Kontakten im wissenschaftlichen Bereich wie-
   linäre Studienanteile)-Zentrum(HSU-HH) bzw. einer zentralen            der stärker betont hat.
   Einrichtung „Studium +“ (UniBwM) befriedigende Organisa-            58 Dabei wurde die (Umgehungs)Möglichkeit, als Beamter/Offizier
   tions- und Integrationsformen gefunden wurden, Welz, S. 93 f.          jederzeit aus dem Dienst auszuscheiden, durch an die Ausbil-
56 Und begünstigt mehr den „inneren Schweinehund“ als die Effizi-         dungszeit gekoppelte Mindestdienstzeiten und Rückzahlungs-
   enz des Lernens; als nur äußere Formalien ist auch die Herleitung      pflicht der Ausbildungskosten verschlossen, insbes. §§ 46 Abs. 3,
   aus der Wissenschaftsfreiheit abwegig.                                 55 Abs. 3 SoldG.
57 Wobei spätestens Corona zwar die Möglichkeit des fast unein-        59 Hochbegabtenprogramm der UniBwM für Schüler mit ca. 10
   geschränkten Hochschulbetriebs auf Online-Basis gezeigt, aber          Teilnehmern/Jahr, Welz, S. 113.
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Arbeitgeber ebenso trägt wie die Vergütung seiner Sti-                 Dienst. Dies verleitet schon bei der Auswahl dazu, als
pendiaten. Hier ist das Studium i.d.R. dual organisiert,               weniger arbeitsintensiv geltende Fächer zu wählen,
d.h. nach jeweils einem Trimester kehren die Studieren-                wobei deren Studierende weniger Probleme mit den
den wieder für eine Praxisphase in ihr Unternehmen zu-                 engen Studienzeiten und zusätzlichen Pflichten haben
rück. Nach dem gleichen Modell wurden alsbald auch                     und dadurch bei weniger Leistungsdruck mehr Zeit zur
Behördenstudierende geschaffen. Dies sind Mitarbeiter                  „Profilierung“ in Events, Selbstverwaltung usw. finden.
anderer Behörden und Dienststellen von Bund und Län-                   Wenn nicht schon stark der Zweitberuf nach Ablauf der
dern, die eine Affinität zum Lehr- und Forschungsspekt-                Verpflichtungszeit in den Blick genommen wird, drü-
rum der UniBw haben und zum Studium oder zur Wei-                      cken natürlich diese Kriterien stark auf die Studienmoti-
terbildung Angehörige dorthin entsenden. Für diese ent-                vation und führen zu mehreren (Motivations)„Klassen“
fällt die militärische Komponente und die Zugehörigkeit                von Studierenden,60 was sich durch die strikte Zusam-
zum Studierendenbereich, sie sind aber korporations-                   menfassung in Jahrgängen und Gruppen erheblich stär-
rechtlich den Offizierstudenten gleichgestellt. Allerdings             ker auswirkt als ähnliche Ansätze bei Landesuniversitä-
ist ihre Zahl so gering, dass sie für den Charakter der                ten. Als Hauptproblem wird von den meisten Studieren-
UniBw vernachlässigt werden können; doch zeigt dies                    den der (Zeit)Druck durch das straffe Studienschema
den Weg in die Zukunft auf, auch andere Zielgruppen                    empfunden – jährlich 3 x 3 Monate Studienbetrieb, 1
vom Reformstudium der UniBw profitieren zu lassen.                     Monat Praktikum/Wehrübung, 1 Monat Urlaub; 3 Jahre
                                                                       bis B. A., 1 weiteres Jahr zum M. A.,61 wobei die Bundes-
b) Schwächen und Probleme                                              wehr und die UniBw auf diesen Druck kaum reagieren
Erscheint das Kompaktstudium mit straffem Plan,                        können – bezahltes Studium und „Standzeit“ müssen in
Gehalt, Unterbringung und freier Heilfürsorge auf den                  Relation bleiben und Niveausenkung verbietet sich nach
ersten Blick als Stein der Weisen, so sind trotz der hohen             dem Anspruch und im Vergleich zu den Landesuniversi-
Ansprüche der Gründungsväter die UniBw nicht das                       täten. Motivationsbruch und Leistungsdruck führen zu
„Aushängeschild für die Universitäten und Hochschulen                  einer Abbrecherquote von ca. 25%.62 Es entsteht dadurch
in der Bundesrepublik“ und „Modell für die künftigen                   ein „eigentlich“ nicht vorgesehener Typ nicht-akademi-
Entwicklungen im Hochschulbereich“ geworden, son-                      scher Offizier, wobei sich allerdings die Bundeswehr
dern blühen nach wie vor im Verborgenen. In der Tat hat                bemüht, auch diese sinnvoll zu integrieren und keine
auch das „Reformstudium“ an den UniBw Probleme und                     formalen Nachteile entstehen zu lassen. Als Abbrecher
Schwächen: Als Pflichtstudium müssen grundsätzlich                     zählen dabei nur die Offiziere, die bereits im B. A. Studi-
alle Offizieranwärter studieren, also auch die, denen es               um scheitern – ist der Bachelor erworben, gilt dies als
bei der Berufswahl mehr um die militärische Laufbahn                   akademischer Abschluss, so dass die B. A. Absolventen
und weniger um das Studium geht. Das Studium ist auch                  offiziell keine Nachteile haben. Bei Schwierigkeiten oder
keine Laufbahnvoraussetzung, z.B. für den Höheren                      verbrauchter Studien-Motivation führt dies dazu, dass
Dienst (Major). Die Definition lautet etwas sperrig                    sich viele Offiziere mit dem B. A. zufriedengeben. Dies
„regelmäßig integraler Bestandteil der Ausbildung der                  birgt, anders als die ursprüngliche Konzeption, die
Offiziere“. Damit sind das Studium sowie die hierbei                   Gefahr einer „Verbachelorisierung“ des Offizierskorps.63
erreichten Noten formalrechtlich und laufbahnmäßig
keine Voraussetzung und kein Vorteil für die weitere                   5. Lessons to learn?
Karriere, die sich grundsätzlich nach dem Aufstiegsmo-
dell – Bewährung und Beurteilungen im praktischen                      Nach fast 50 Jahren Erfahrung in der Truppe und in den
Dienst – richtet, also für Beförderungen, die Auswahl                  Anschlussberufen besteht kein Zweifel, dass die UniBw
zum Berufsoffizier und zur Generalstabsausbildung                      ein Erfolgsmodell sind und dass sich die akademisch
(auch wenn das Studium natürlich praktisch als starker                 gebildeten deutschen Offiziere im Alltagsdienst, in Aus-
Katalysator wirkt). Weiter stehen Studium und Studien-                 landseinsätzen und im internationalen Vergleich
fach nicht in Beziehung zu den Aufgaben im praktischen                 bewährt haben, auch international einen guten Ruf

60 „Vier-Klassen-Gesellschaft“ der Studierenden, Welz, S. 96 ff, 229      – Laufbahnnachteile, Verlängerung der Verpflichtungszeit – sind.
   m.w.N.                                                              62 Dies entspricht etwa der Quote an den Landesuniversitäten, d.h.
61 Wobei Wiederholungen nicht bestandener Prüfungen, Verlänge-            der Leistungsdruck und die Vorteile des betreuten und bezahlten
   rungen der Studienzeit, Studienfachwechsel und Jahrgangswech-          Kompaktstudiums gleichen sich in etwa aus, Welz, S. 98 f m.w.N.
   sel zwar nicht unmöglich, aber bürokratisch und unattraktiv         63 Welz, S. 99.
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