Zukunftswirksame Ausgaben der öffentlichen Hand - Eine infrastrukturbezogene Erweiterung des öffentlichen Investitionsbegriffs

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Zukunftswirksame Ausgaben der öffentlichen Hand - Eine infrastrukturbezogene Erweiterung des öffentlichen Investitionsbegriffs
Inklusives Wachstum für Deutschland | 4

Zukunftswirksame Ausgaben
   der öffentlichen Hand
Eine infrastrukturbezogene Erweiterung
  des öffentlichen Investitionsbegriffs
Zukunftswirksame Ausgaben
   der öffentlichen Hand
Eine infrastrukturbezogene Erweiterung
  des öffentlichen Investitionsbegriffs

              Prof. Dr. Thomas Lenk,
                   Mario Hesse,
                   Maike Kilian,
               Dr. Oliver Rottmann,
                    Tim Starke
Inklusives Wachstum für Deutschland | 4
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Inhalt                                                Abbildungsverzeichnis

1.		 Einleitung			                               6    Abbildung 1: Investitionskonzepte im Vergleich           8

                                                      Abbildung 2: Konzept: Infrastrukturbezogene
2.		 Abgrenzung des Investitionsbegriffs         7
                                                      Ausgaben                                                10

3.		 Kritik am klassischen Investitionskonzept   8    Abbildung 3: Klassische Investitionen
                                                      versus infrastrukturbezogene Ausgaben
4.		 Konzept: Infrastrukturbezogene Ausgaben     10   in der gesamtstaatlichen Perspektive, 2001–2014          13

                                                      Abbildung 4: Klassische Investitionen
5.		 Empirische Analyse der
                                                      versus infrastrukturbezogene Ausgaben
    infrastrukturbezogenen Ausgaben              12
                                                      in der gesamtstaatlichen Perspektive,
                                                      Bruttoinvestitionsquoten, 2001–2014                      13
5.1 Klassische Investitionen versus
    infrastrukturbezogene Ausgaben               12   Abbildung 5: Vergleich der infrastrukturbezogenen
5.2 Vergleich der infrastrukturbezogenen              Ausgaben der Länder in Euro pro Einwohner,
    Investitionstätigkeit der Länder             15   2001–2014                                                15

                                                      Abbildung 6: Vergleich der infrastrukturbezogenen
6.		 Zusammenfassung und Fazit                   23
                                                      Ausgaben der Kommunen in Euro pro Einwohner,
                                                      2001–2014                                               16
		Literaturverzeichnis                           25
                                                      Abbildung 7: Vergleich der infrastrukturbezogenen
		Impressum                                      26   Ausgaben von Landes- und Kommunalebene
                                                      in Euro pro Einwohner 2014                              17
		Abstract                                       27
                                                      Abbildung 8: Infrastrukturbezogene Ausgaben
                                                      von Landes- und Kommunalebene
                                                      in Euro pro Einwohner 2014                              18

                                                      Abbildung 9: Infrastrukturbezogene Ausgaben
                                                      der Länder nach Ausgabearten
                                                      in Euro pro Einwohner, 2014                             19

                                                      Abbildung 10: Infrastrukturbezogene Ausgaben
                                                      der Kommunen nach Ausgabearten
                                                      in Euro pro Einwohner, 2014                             21

                                                                                                                    5
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                                                      1.
                                                  Einleitung

Öffentliche Investitionen gelten gemeinhin als ein              (Bardt et al. 2015: 3). Aus Sicht der Expertenkommission
Schlüssel zur Stimulierung von Wachstum und Wohlstand.          „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ (2015: 19–20)
Sie können sowohl die Produktivität als auch das Produk-        handelt es sich bei der im Vergleich zu anderen europä-
tionspotenzial erhöhen sowie die Entstehung von Einkom-         ischen Ländern und außereuropäischen Industrieländern
men und Arbeitsplätzen in zukünftigen Perioden bewirken         schwach ausgeprägten Investitionstätigkeit Deutschlands
(Priewe und Rietzler 2010: 3). Vor diesem Hintergrund           allerdings nicht um ein temporäres konjunkturbedingtes,
werden öffentliche Investitionen im Allgemeinen positiver       sondern um ein langfristiges Phänomen.
bewertet als andere öffentliche Ausgabearten wie z. B. Per-
sonal- oder Verwaltungsausgaben (Kronenberger 1988: 136).       Diesem Trend versucht die Bundesregierung derzeit aktiv
                                                                entgegen zu wirken. Im Rahmen ihrer Investitionsstrategie
Dem steht allerdings eine seit Jahren verhaltene bis abneh-     verfolgt sie als prioritäres Ziel die Belebung der Investitions-
mende Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand gegen-        dynamik in Deutschland. Dazu zählt auch die dauerhafte
über. Der Rückgang der gesamtstaatlichen Investitionen ist      Stärkung kommunaler Investitionen, beispielsweise durch
dabei vor allem auf die gesunkenen kommunalen Investi-          ein Investitionspaket im Umfang von 3,5 Milliarden Euro,
tionen zurückzuführen.                                          das 2015–2018 vorrangig an finanzschwache Kommunen
                                                                fließen soll. Das Bundesministerium für Wirtschaft und
Für die rückläufige Investitionstätigkeit können einerseits     Energie prüft derzeit weitere Handlungsoptionen und Kon-
historische Gründe wie der zurückgehende Nachholbedarf          zepte, die neben dem Ausbau auch den Erhalt der öffent-
der ostdeutschen Bundesländer und statistische Gründe,          lichen Infrastruktur gewährleisten.
wie Auslagerungen von Investitionstätigkeiten aus den
öffentlichen Kernhaushalten, angeführt werden (Deutsche         Vor diesem Hintergrund besteht das Ziel der Studie darin,
Bundesbank 2009: 32–33). Andererseits wird im Zuge kurz-        einen erweiterten Investitionsbegriff zu entwickeln, der
fristiger Konsolidierungsanstrengungen meist überpro-           zukunftswirksame Ausgaben der öffentlichen Hand effi-
portional bei den investiven Ausgaben des Staates gekürzt       zient erfasst. Der Fokus liegt dabei auf der Leistungsfähig-
(Vesper 2007: 7). Durch die Verschärfung der Konsolidie-        keit der öffentlichen Infrastruktur. Dieser Policy Brief stellt
rungsvorschriften im Rahmen nationaler und europäi-             eine Kurzfassung der Studienergebnisse vor. Detailliertere
scher Schuldenregeln hat sich der Druck auf die investiven      Erläuterungen zur Annäherung an den infrastrukturbezoge-
Ausgaben zusätzlich erhöht. Dabei besteht die Gefahr, dass      nen Investitionsbegriff und weitere Datenanalysen finden
die Konsolidierung vor allem zu Lasten zukunftswirksamer        sich in der Langfassung der Studie (Lenk, Hesse, Kilian,
Ausgaben vorgenommen wird.                                      Rottmann und Starke 2016).

Der ausgeprägte Abwärtstrend der staatlichen Investitions-
tätigkeit resultiert zum einen in einer sinkenden staatlichen
Sachvermögensquote und zum anderen in einer steigenden
Schuldenquote (Deutsche Bundesbank 2009: 15–16). Die
Debatte um die sog. Investitionslücke wird schon seit einigen
Jahren geführt. So weist das Institut für Makroökonomie
und Konjunkturforschung auf eine seit dem Jahr 2000
bestehende Infrastrukturlücke hin (Lindner 2014: 1). Das
Institut der deutschen Wirtschaft Köln hebt hervor, dass
nur unzureichend in neue Ausrüstungen investiert wird

6
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                                    2.
                    Abgrenzung des Investitionsbegriffs

Eine Vielzahl verschiedener Definitionen und Konzepte           Im Rahmen des Haushaltsrechts ist des Weiteren auf die
charakterisiert die Verwendung des Investitionsbegriffs.        Veränderungen im Rahmen der Doppik-Einführung hinzu-
Unabhängig von Fragestellung und Analysezweck ist allen         weisen, die tendenziell zu einem geringeren Investitions-
Definitionen inhärent, dass es sich bei Investitionen um        ausweis führt (Hesse und Starke 2015). Die Buchhaltungs-
Ausgaben handelt, die einen (positiven) Effekt über die         reform hin zum Ressourcenverbrauchskonzept findet
Gegenwart hinaus haben. Dies bedeutet, dass investive           jedoch nur auf der kommunalen Ebene Anwendung, so
Ausgaben in irgendeiner Form zukunftswirksam sind.              dass es hier auch innerhalb des Haushaltsrechts zu einem
                                                                unterschiedlichen Investitionsverständnis zwischen den
Im Gegensatz zum betriebswirtschaftlichen Rentabilitäts-        Gebietskörperschaftsebenen kommen kann.
fokus können die Ausgaben der öffentlichen Hand gemein-
wohlorientiert gesteuert werden. Die Erträge öffentlicher
Investitionen fallen jedoch nicht zwangsläufig in monetärer
Form an. Dies verdeutlicht, dass die Zielsetzungen im Zuge
öffentlicher Investitionstätigkeit sehr viel komplexer sein
können als die einer privaten Unternehmung (Kronenberger
1988: 220). Die Definition öffentlicher Investitionen und die
Bewertung ihrer Zukunftswirksamkeit sind folglich nicht
trivial.

Die Problematik verschiedener Investitionskonzepte zeigt
sich auch im Rahmen der statistischen Erfassung staat-
licher Investitionstätigkeit. Hier lassen sich erhebliche
Unterschiede zwischen der Volkswirtschaftlichen Gesamt-
rechnung (VGR), der Finanzstatistik und dem Haushalts-
recht ausmachen. So werden beispielsweise Ausgaben für
Forschung und Entwicklung sowie Militärausgaben, die
die VGR seit der jüngsten Novellierung des Europäischen
Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung (ESVG) als
Investitionen betrachtet, im Rahmen der Finanzstatistik
und des Haushaltsrechts weiterhin nicht als solche erfasst.

Dagegen besitzen rein finanzielle Transaktionen wie der
Erwerb von Beteiligungsvermögen oder die Darlehensver-
gabe gemäß Finanzstatistik und Haushaltsrecht einen
investiven Charakter (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 d und e Haushalts-
grundsätzegesetz), während sich das Investitionsverständ-
nis nach der VGR weitestgehend auf reale Sachinvestitionen
beschränkt. Zudem bestehen methodische Unterschiede,
z. B. im Hinblick auf die zeitliche Erfassung einer Investi-
tion (Eberhard 2015: 2).

                                                                                                                            7
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                                      3.
                  Kritik am klassischen Investitionskonzept

Die Kritik am traditionellen Investitionskonzept bezieht           Zweitens werden auf der anderen Seite zukunftswirksa-
sich vor allem auf den Dualismus „investiv versus kon-             me Ausgaben nicht berücksichtigt, wobei sich, wie bereits
sumtiv“, wobei investiven Ausgaben grundsätzlich positive          angemerkt, Schwierigkeiten hinsichtlich der Abgrenzung
Auswirkungen auf die Zukunft unterstellt werden, während           der Zukunftswirksamkeit ergeben. Zu nennen ist hier
bei konsumtiven Ausgaben ausschließlich ein Gegenwarts-            insbesondere die Debatte um die Berücksichtigung von
bezug angenommen wird.                                             Investitionen in Humankapital. So ist beispielsweise die
                                                                   Wachstumswirksamkeit von Bildungsinvestitionen in eini-
Die Kritikpunkte können in drei Kategorien unterteilt wer-         gen Studien belegt (z. B. Barro 2013). Zudem wird zum Teil
den. Erstens werden im Rahmen des klassischen Investi-             die Berücksichtigung von Sozialinvestitionen empfohlen,
tionskonzepts Ausgaben als zukunftswirksam erfasst, für            auf europäischer Ebene sogar politisch betont. Dem liegen
die das Kriterium der Zukunftswirksamkeit nicht unter-             neben Produktivitätsargumenten in einigen Fällen auch
stellt werden kann. Hier wird neben der Berücksichtigung           fiskalpolitische Argumente zugrunde.
kapazitätsunwirksamer finanzieller Investitionsvorgänge
(Schemmel 2006: 117-118) auch die pauschale Annahme der            Drittens wird im Rahmen der Kritik am vorherrschen-
positiven Wachstumswirkung von Sachinvestitionen kriti-            den Investitionsbegriff auch allgemeiner der Maßstab für
siert (Thöne 2005: 107).                                           Zukunftswirksamkeit kritisiert, der sich in der Regel auf

    Investitionskonzepte im Vergleich

           „WNA-Budget“

                 Infrastrukturbezogene Ausgaben
                                                                                           „Humankapitalbezogene
                                                                                                  Ausgaben“
                       Weiterer Investitionsbegriff
                       Investitionszuschüsse an den Privatsektor

                         Enger Investitionsbegriff
                         Sachinvestitionen
                         • Grundstückserwerb
                         • Baumaßnahmen
                         • Erwerb beweglichen Anlagevermögens                                 „Ökologiebezogene
                                                                                                  Ausgaben“

    Abbildung 1 | Quelle: Eigene Darstellung.

8
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das Wirtschaftswachstum bezieht. So haben sich im Zuge           sog. infrastrukturbezogenen Ausgaben. Hierbei liegt der
der globalen Nachhaltigkeitsdebatte die Kriterien für die        Fokus auf jenen Ausgaben, die sich positiv auf die Leis-
Zukunftswirksamkeit öffentlicher Ausgaben erweitert. Mit         tungsfähigkeit der technischen öffentlichen Infrastruktur
der Unterzeichnung des Nachhaltigkeitsleitbilds der UN           auswirken.
verpflichtete sich auch Deutschland dazu, „eine Strategie
zu entwickeln, die eine wirtschaftlich leistungsfähige, sozial
gerechte und ökologisch verträgliche Entwicklung zum Ziel
hat“ (Bundesregierung 2002: 1).

Die Bundesregierung formulierte in diesem Zusammen-
hang Ziele für die Bereiche Generationengerechtigkeit,
Lebensqualität, Sozialer Zusammenhalt und Internationale
Verantwortung. Angesichts dieser Entwicklung ist auch der
Maßstab für die Zukunftswirksamkeit öffentlicher Ausga-
ben anzupassen. Der Fokus auf die Entwicklung des Pro-
duktionspotenzials im Sinne von „mehr und neu ist immer
besser“ ist zu eng gefasst. Eine differenziertere Betrachtung
des Wachstumsziels und eine Erweiterung des Maßstäbe-
Katalogs hin zu einer Neuinterpretation des Begriffs „Zu-
kunftswirksamkeit“ scheinen erforderlich.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der genannten
Kritikpunkte ist eine Reihe von Konzepten zur Erweiterung
des Investitionsbegriffs entstanden. Als umfassendstes
alternatives Konzept, das auch „weiche Faktoren“ berück-
sichtigt, ist hier das „WNA-Budget“ (wachstums- und
nachhaltigkeitswirksame Ausgaben) zu nennen, das Thöne
(2005) im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen
entwickelt hat. Dem „WNA-Budget“ werden alle Ausgabe-
arten aus den Bereichen Bildungswesen, Familienpolitik,
Arbeitsmarktpolitik, Gesundheitswesen, Umweltschutz,
Förderung Erneuerbarer Energien, sowie Infrastruktur-
leistungen im Verkehrs- und Telekommunikationsbereich
zugeordnet.

Am Beispiel des „WNA-Konzepts“ hat sich jedoch gezeigt,
dass ein allgemeiner Indikator, der alle Zukunftseffekte
einschließt, die nach unterschiedlichen Maßstäben bemes-
sen werden, letztendlich zu einem wenig konkreten Ergeb-
nis führt. Eine Definition, die mehreren unterschiedlichen
Zwecken gerecht werden soll, ist gezwungenermaßen sehr
weit gefasst, so dass im Endeffekt die Aussagekraft hin-
sichtlich jedes einzelnen Zweckes sinkt.

Die Autoren halten deshalb die Entwicklung mehrerer
eindeutig definierter und abgegrenzter Indikatoren für
zielführender und besser kommunizierbar. Zweckdienlich
erscheint eine in Abbildung 1 dargestellte Dreiteilung nach
infrastruktur-, humankapital- und ökologiebezogenen
Ausgaben. Im Vordergrund der nachfolgenden Analyse
steht der erste der genannten Indikatoren, das Konzept der

                                                                                                                              9
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                                4.
            Konzept: Infrastrukturbezogene Ausgaben

Die infrastrukturbezogenen Ausgaben sind Teil eines
Schalenkonzepts, das im Kern aus einem engen Investi-           Konzept: Infrastrukturbezogene Ausgaben
tionsbegriff besteht (siehe Abbildung 2). Als Investitio-
nen im engeren Sinne gelten hier – in Übereinstimmung
mit dem VGR-Konzept – ausschließlich Sachinvestitionen                 Einnahmeinstrumente
gemäß der finanzstatistischen Erfassung, d. h. Baumaßnah-
men, Grundstückserwerb und Erwerb beweglichen Anlage-
vermögens. Diese klassischen Investitionen, durch die neu-                 Infrastrukturbezogene Ausgaben
                                                                           •   Unterhaltungsaufwand
es Sachvermögen geschaffen oder vorhandenes vermehrt                       •   Mieten und Pachten
wird, sind mit Kapazitätseffekten verbunden.

Im Zuge der ersten Erweiterung wird der enge Investitions-                      Weiterer Investitionsbegriff
begriff um Investitionszuschüsse an den Privatsektor                            Investitionszuschüsse an den Privatsektor

ergänzt. Diese sind ebenfalls Teil der Kapitalrechnung
und fallen unter die übergeordnete Ausgabenposition
                                                                                    Enger Investitionsbegriff
„Vermögensübertragungen“. Dabei handelt es sich um
                                                                                    Sachinvestitionen
ein Substitut für staatliche Investitionen, da die öffent-                          •  Baumaßnahmen
liche Hand die Infrastrukturmaßnahme zwar nicht selbst                              •  Grundstückserwerb
                                                                                    •  Erwerb beweglichen
vornimmt, aber durch investitionsfördernde Zuschüsse zu                                Anlagevermögens
deren Umsetzung beiträgt. Dies hat entsprechend positive
Auswirkungen auf die öffentliche Infrastruktur.

Weitere Ausgabearten der Kapitalrechnung wie Darle-
hen und Erwerb von Beteiligungen werden dagegen nicht
hinzugezählt, da sie keinen erkennbaren bzw. nur einen          Abbildung 2
unsicheren Kapazitätseffekt aufweisen (Schemmel 2006:           Quelle: Eigene Darstellung.

117–119) und sich darüber hinaus kein nachvollziehbarer
Effekt hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der öffentlichen
Infrastruktur ergibt.
                                                              gegenwartsbezogen und konsumtiv galten. Hier ist eine
Die Tilgungsausgaben an den öffentlichen Bereich haben        differenziertere Analyse erforderlich, die der Frage nach-
ebenfalls keinen investiven Charakter. Zu den infrastruk-     geht, welche Ausgabearten der laufenden Rechnung durch
turbezogenen Ausgaben der Kapitalrechnung zählen dem-         einen positiven Effekt auf die dauerhafte Leistungsfähigkeit
nach Sachinvestitionen und Investitionszuschüsse an den       der technischen öffentlichen Infrastruktur gekennzeichnet
Privatsektor, gemäß der Abgrenzung investiver Ausgaben        sind.
nach der Finanzstatistik.
                                                              Auf der Ebene des laufenden Sachaufwands ist eine pau-
Im Anschluss daran werden Ausgabearten der laufenden          schale Einordnung nicht möglich. Die einzelnen Positionen,
Rechnung betrachtet. Diese waren bislang bei der Beurtei-     zu denen u. a. die Unterhaltung unbeweglichen Vermögens
lung der Zukunftswirksamkeit eines öffentlichen Ausga-        sowie Mieten und Pachten zählen, bedürfen einer separaten
benbudgets von nachrangiger Bedeutung, da sie per se als      Beurteilung. Ausgaben zur Unterhaltung unbeweglichen

10
Inklusives Wachstum für Deutschland | 4

Vermögens, die der Erhaltung oder Wiederherstellung der         zu herkömmlichen Investitionskonzepten eine differen-
uneingeschränkten Nutzungsfähigkeit eines Vermögens-            ziertere Aussage dazu liefert, welche öffentlichen Ausgabe-
wertes dienen (Lenk und Hesse 2015: 99), stellen zwar auf-      arten für die dauerhafte Leistungsfähigkeit der technischen
grund des fehlenden Kapazitätseffekts keine Investitionen       öffentlichen Infrastruktur von Bedeutung sind. Letztlich
dar, wirken sich aber gleichwohl positiv auf die dauerhafte     wird durch die Erweiterung des Investitionskonzepts eine
Leistungsfähigkeit der technischen öffentlichen Infrastruk-     Aufwertung bestimmter Ausgabearten, insbesondere des
tur aus. Hohe Aufwendungen in diesem Bereich lassen auf         Unterhaltungsaufwands, vorgenommen. Diese Aufwertung
eine intensivere Pflege von Anlagegütern sowie sonstigen        lässt sich ökonomisch rechtfertigen, da bei einer bereits
Vermögensgegenständen der öffentlichen Hand schließen.          gut ausgebauten Infrastruktur die Grenzproduktivität des
                                                                Ausbaus erwiesenermaßen geringer ist als beim Erhalt der
Die Bereitstellung der Infrastruktur kann somit dauerhaft       vorhandenen Infrastruktur (Thöne und Krehl 2015: 16). Die
abgesichert werden. Während diese Ausgabeart im Rahmen          Etablierung einer infrastrukturbezogenen Ausgabenquote –
des klassischen Investitionskonzepts keine Berücksichti-        analog zur bislang verwendeten Investitionsquote – könnte
gung findet, sollte der Unterhaltungsaufwand im Zuge der        zudem dazu beitragen, dass sich in der Politik der Anreiz, in
infrastrukturbezogenen Erweiterung des Investitionsbe-          die Erhaltung der bestehenden Infrastruktur zu „investie-
griffs künftig hinzugezählt werden.                             ren“, verstärkt.

Durch die vorgenommene Modifizierung des klassischen            Im Rahmen der empirischen Analyse im nachfolgenden
Konzepts wird zum einen berücksichtigt, dass die stetige        Kapitel wird das Konzept der infrastrukturbezogenen Aus-
Erhaltung im Hinblick auf die Funktionalität und Befrie-        gaben auf die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden
digung der Nutzeransprüche womöglich besser ist als             angewendet und mit dem klassischen Investitionskonzept
Verschleiß und anschließende Reinvestition (Hesse und           verglichen. In diesem Zusammenhang wird auch zu analy-
Starke 2015: 401). Zum anderen wird der Tatsache Rechnung       sieren sein, ob sich durch das erweiterte Konzept neue Er-
getragen, dass in Ländern, die bereits über eine gut aus-       kenntnisse bezüglich der Zukunftswirksamkeit des öffent-
gebaute Infrastruktur verfügen, ein empirisch bestätigter       lichen Ausgabeverhaltens ergeben.
Sättigungseffekt eintritt. Die Grenzproduktivität des Aus-
baus ist in diesem Fall signifikant geringer als beim Erhalt
der vorhandenen Infrastruktur (Thöne und Krehl 2015: 16).
Dies trifft insbesondere auf die entwickelten OECD-Staaten
zu. Darüber hinaus öffnet die Erweiterung um den Unter-
haltungsaufwand den Investitionsbegriff für die Lebens-
zyklusbetrachtung.

Die Ausgaben für Mieten und Pachten werden ebenfalls
hinzugezählt, da diese einen Investitionsersatz darstellen.
Die öffentliche Hand substituiert eigene Bauinvestitionen,
indem bestehende fremde Immobilien gegen die Zahlung
eines Entgelts genutzt werden (Lenk 2009: 76–77). Zudem
wird dadurch alternativen Vertragskonstellationen zwi-
schen öffentlicher Hand und privaten Akteuren im Bereich
der Infrastrukturbereitstellung Rechnung getragen. Ein
weiterer Grund für die Berücksichtigung von Mieten und
Pachten besteht darin, dass es für die Nutzer irrelevant ist,
ob das Infrastrukturobjekt Teil des öffentlichen Vermögens
ist oder nur zeitweise gemietet wird. Aus der Perspektive
der Nutzer, die hier bewusst eingenommen wird, bildet
allein die Funktionalität der Infrastruktur das ausschlag-
gebende Kriterium (Hesse und Starke 2015: 401).

Das Konzept der infrastrukturbezogenen Ausgaben trägt
zu einer qualitativen Konsolidierung bei, da es im Vergleich

                                                                                                                            11
Inklusives Wachstum für Deutschland | 4

                                    5.
                            Empirische Analyse
                  der infrastrukturbezogenen Ausgaben

Die empirische Analyse der infrastrukturbezogenen Aus-          weiteren Investitionskonzept ändert sich durch die Einbe-
gaben erfolgt auf Basis der amtlichen Statistik, d. h. eine     ziehung der zusätzlichen Komponenten nach dem Konzept
gesonderte Datenerhebung ist nicht erforderlich. Dabei          der infrastrukturbezogenen Ausgaben jedoch nur unwesent-
werden vorrangig die Daten der Jahresrechnungsstatistik         lich: Bis 2005 nimmt die gesamtstaatliche Investitionstätig-
des Statistischen Bundesamtes verwendet. Da diese für den       keit ab, um danach bis einschließlich 2010 wieder zuzulegen.
öffentlichen Gesamthaushalt derzeit nur bis zum Jahr 2011       In den Jahren 2011 und 2012 sinkt die Summe der Investitio-
reichen, wurde zusätzlich auf Daten der Kassenstatistik         nen, während sie am aktuellen Rand wieder ansteigt.
(2012 bis 2014) zurückgegriffen, um auch die Entwicklung
am aktuellen Rand abzubilden.                                   Für die Jahre 2012 bis 2014 sind zur Information und Ein-
                                                                ordnung zusätzlich die investiven Ausgaben der Extrahaus-
Die empirische Analyse erfolgt in zwei Abschnitten:             halte ausgewiesen. Extrahaushalte umfassen dem Schalen-
                                                                konzept des Statistischen Bundesamtes zufolge öffentliche
• In Abschnitt 5.1 werden die klassischen Investitionen         Fonds, Einrichtungen und Unternehmen, die gemäß der
  (inkl. Investitionszuschüsse an den Privatsektor) und die     Kriterien des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher
  infrastrukturbezogenen Ausgaben miteinander verglichen.       Gesamtrechnungen (ESVG) dem Sektor Staat zuzurechnen
                                                                sind. Dazu gehören beispielsweise Landesbetriebe für Stra-
• Abschnitt 5.2 vergleicht die Investitionstätigkeit der Län-   ßenbau/-wesen, öffentliche Hochschulen und ausgeglie-
  der ausschließlich gemäß des Konzepts der infrastruktur-      derte statistische Ämter. Bezüglich der investiven Ausgaben
  bezogenen Ausgaben. Dabei erfolgt eine Unterscheidung         der Extrahaushalte erfolgt allerdings keine Unterscheidung
  zwischen der Investitionstätigkeit auf der Landesebene        nach einzelnen Ausgabearten.
  selbst und der Ebene der Kommunen.
                                                                Der Anteil der Extrahaushalte an den öffentlichen infra-
                                                                strukturbezogenen Ausgaben beträgt in den Jahren 2012
5.1 Klassische Investitionen versus                             bis 2014 etwa zehn Prozent, wovon der überwiegende Teil

infrastrukturbezogene Ausgaben                                  auf Sachinvestitionen und Investitionszuschüsse, d. h. auf
                                                                klassische Investitionen entfällt.

Der Vergleich beider Konzepte erfolgt zunächst für die          Neben der Darstellung der investiven Ausgaben in absoluter
gesamtstaatliche Perspektive, d. h. alle Gebietskörper-         Höhe wird nachfolgend auch eine Analyse nach Quoten vor-
schaftsebenen (Bund, Länder und Kommunen) werden zu             genommen. Dabei werden zwei verschiedene Sichtweisen
einer Betrachtung aggregiert. Dabei wird vorrangig auf die      zugrunde gelegt:
Kernhaushalte abgestellt.
                                                                • Einerseits werden die investiven Ausgaben auf die gesam-
Abbildung 3 stellt die investiven Ausgabearten in absoluten       ten bereinigten Ausgaben der öffentlichen Hand bezogen.
Volumina dar. Daraus geht hervor, dass sich die Summe der         Diese interne Perspektive gibt Auskunft darüber, wie
Investitionen im Zuge der Einbeziehung von Unterhaltungs-         hoch der Anteil zukunftswirksamer Ausgaben am gesam-
aufwand sowie Mieten und Pachten erhöht. Dabei nimmt der          ten Ausgabenbudget ist.
Abstand sukzessive von etwa zwölf Milliarden Euro im Jahr
2001 auf ca. 19,5 Milliarden Euro zusätzlich im Jahr 2014 zu.   • Andererseits werden die investiven Ausgaben durch das
                                                                  Bruttoinlandsprodukt der jeweiligen Jahre geteilt. Die
Der u-förmige Trend der Ausgaben nach dem klassischen             Bruttoinvestitionsquote gemäß dieser externen Perspek-

12
Inklusives Wachstum für Deutschland | 4

Klassische Investitionen versus infrastrukturbezogene Ausgaben in der
gesamtstaatlichen Perspektive, 2001–2014

Milliarden Euro
100

                                                                                                                                                                                 9
 80                                                                                                                                                                 7
                                                                                                                                                       8                        10
                                                                                                                           6            7                          10
                4            5                                                                                 6
                                                                                                                                                       9
                8                         5                                                        6                       9                                                     9
                             8                                                                                 9                        9
                                                    5                       5          5                                                                            9
 60                                       7                     5                                  8                                                   8
            22           22                         7                       7          8                                   23                                                   24
                                                                7                                              22                       23
                                      22                                                                                                                           23
                                                                                                   21                                                 22
                                                    20          20          20         20

 40
            39           38                                                                                                38
                                                                                                               38                       37                                      37
                                      36                                                           34                                                 34           35
                                                    34          32          33         33

 20

     0
           2001         2002         2003       2004        2005        2006       2007        2008        2009        2010         2011              2012         2013     2014

n Sachinvestitionen n Investitionszuschüsse n Unterhaltung unbeweglichen Vermögens n Mieten und Pachten n Extrahaushalte
Abbildung 3 | Quelle: Eigene Darstellung. Daten: Statistisches Bundesamt.

Klassische Investitionen versus infrastrukturbezogene Ausgaben in der gesamtstaatlichen Perspektive,
Bruttoinvestitionsquoten, 2001–2014

Prozent – Interne Pespektive (Säulen)                                                                                                         Prozent – Externe Pespektive (Linien)
12                                                                                                                                                                                4
         11,0
                      10,5
           3,4                     10,1
                                              9,7                                                        9,5         9,6
                9,2                                       9,3         9,3        9,3         9,3                                  9,4
 9                           8,7                                                                                      3,0                                                 8,9         3
                                      8,4                                                                                                                    8,6
           2,8                                                                                                                                  8,3
                                                    7,9                 2,7                                                7,7                                             2,7
                                                                7,5                                            7,6                      7,4
                                                                          7,5          7,4         7,4
                                                                                                                      2,4                                                       6,7
                                                                        2,2                                                                           6,4          6,5
                                                                                                                                                                           2,1
 6                                                                                                                                                                                    2

 3                                                                                                                                                                                    1

 0                                                                                                                                                                                    0
          2001         2002         2003      2004        2005        2006       2007        2008        2009        2010         2011           2012        2013         2014

n Bruttoinvestitionsquote (Bereinigte Ausgaben): Infrastrukturbezogene Ausgaben (linke Skala)
n Bruttoinvestitionsquote (Bereinigte Ausgaben): Klassischer Investitionsbegriff (linke Skala)
n Bruttoinvestitionsquote (Bruttoinlandsprodukt): Infrastrukturbezogene Ausgaben (rechte Skala)
n Bruttoinvestitionsquote (Bruttoinlandsprodukt): Klassischer Investitionsbegriff (rechte Skala)
Abbildung 4 | Quelle: Eigene Darstellung. Daten: Statistisches Bundesamt.

                                                                                                                                                                                          13
Inklusives Wachstum für Deutschland | 4

  tive beziffert folglich den Anteil öffentlicher Investitio-     schwäche der Länder lässt sich am ehesten durch den
  nen an der Wirtschaftskraft einer Volkswirtschaft.              erhöhten Konsolidierungsdruck im Vorfeld des Eintre-
                                                                  tens der Schuldenbremse im Jahr 2020 erklären. Dabei
In Abbildung 4 sind die Bruttoinvestitionsquoten gemäß            soll möglicherweise auch durch Einsparungen bei den
beider Konzepte jeweils in der internen und der exter-            Investitionen ein Beitrag zur Konsolidierung der Län-
nen Perspektive dargestellt. Daraus geht hervor, dass die         derhaushalte geleistet werden (Lenk und Kuntze 2012).
infrastrukturbezogene Erweiterung des Investitionsbegriffs        Unabhängig davon führt die Erweiterung des Investiti-
auch im Rahmen der Betrachtung von Investitionsquoten             onsbegriffs auch auf der Ebene der Länder zu höheren
vorrangig eine Niveauverschiebung bewirkt. Die Entwick-           investiven Ausgaben. Für die Erhöhung sind – ähnlich
lung der Bruttoinvestitionsquoten verläuft jedoch ähnlich,        wie beim Bund – weniger die Ausgaben zur Unterhal-
wobei keine signifikanten Ausreißer nach oben oder unten          tung unbeweglichen Vermögens, sondern primär die
zu verzeichnen sind. Die öffentliche Investitionstätigkeit        Mieten und Pachten ausschlaggebend. Auf Landesebene
schwankt demnach konjunkturbedingt, folgt aber keinem             macht zudem die Einbeziehung der Extrahaushalte einen
generellen Wachstumstrend. Im Vergleich zum Niveau                signifikanten Unterschied aus. So entfällt die Hälfte aller
im Jahr 2001 entwickeln sich die Quoten sogar eher rück-          Sachinvestitionen der Kern- und Extrahaushalte auf
läufig.                                                           letztere (u. a. Hochschulen, aber auch Bau- und Liegen-
                                                                  schaftsbetriebe).
Insgesamt muss die Kritik am Rückgang der öffentlichen
Investitionstätigkeit folglich auch in der erweiterten Per-     • Auf kommunaler Ebene ist der Unterschied zwischen den
spektive aufrechterhalten werden. Insbesondere ist nicht          beiden Konzepten am stärksten, da aufgrund der Auf-
erkennbar, dass rückläufige Investitionen durch erhöhte           gabenverteilung im föderalen System Deutschlands der
Erhaltungsaufwendungen substituiert werden, was für               Unterhaltungsaufwand vor allem auf Ebene der Kommu-
einen Erhalt der bestehenden Infrastruktur trotz sinkender        nen anfällt. Allein die Berücksichtigung der Ausgaben in
klassischer Investitionsquote spräche.                            diesem Bereich hebt die Summe der investiven Ausgaben
                                                                  im Vergleich zum klassischen Investitionskonzept pro
Die infrastrukturbezogene Erweiterung des Investitionsbe-         Jahr um rund 4,5 bis 6,5 Milliarden Euro an. Damit zeich-
griffs wirkt sich in den einzelnen Gebietskörperschaftsebe-       net die Erweiterung des Investitionsbegriffs vor allem
nen unterschiedlich stark aus:                                    auf Ebene der Kommunen ein differenzierteres Bild von
                                                                  deren infrastrukturbezogener Investitionstätigkeit. Die
• Auf Bundesebene erhöhen sich die investiven Ausga-              kommunale Ebene ist folglich nach wie vor ein Eckpfei-
  ben durch die Erweiterung nur geringfügig, da sich die          ler der öffentlichen Investitionstätigkeit. Dies zeigt sich
  Investitionstätigkeit des Bundes vorrangig auf klassische       auch dadurch, dass der Anteil investiver Ausgaben an
  Investitionen wie Sachinvestitionen und Investitions-           den bereinigten Ausgaben hier deutlich höher ist als auf
  zuschüsse an den Privatsektor konzentriert. Seit 2011 ist       Bundes- und Landesebene. Dennoch hat die Investiti-
  jedoch in beiden Konzepten eine deutlich steigende Ten-         onstätigkeit der Kommunen im Zeitverlauf – gemessen
  denz zu beobachten, die bei den infrastrukturbezogenen          an der Wirtschaftskraft und an den bereinigten Ausgaben
  Ausgaben primär durch steigende Miet- und Pachtausga-           der kommunalen Ebene – deutlich an Volumen einge-
  ben verursacht wird. So gab der Bund im Jahr 2014 etwa          büßt. Die Extrahaushalte beeinflussen das ausgewiesene
  3,7 Milliarden Euro für Mieten und Pachten aus, während         öffentliche Investitionsverhalten der Kommunen dagegen
  es im Jahr 2010 noch rund 650 Millionen Euro waren. Die         nur in einem sehr geringen Ausmaß.
  starke Erhöhung der Mieten und Pachten steht in engem
  Zusammenhang mit dem „Einheitlichen Liegenschafts-            Insgesamt ist festzustellen, dass die rückläufigen Ausga-
  management“ des Bundes. Dabei fallen die Miet- und            ben für klassische, kapazitätserweiternde Investitionen auf
  Pachtausgaben vor allem im Verteidigungsressort an, d. h.     keiner Gebietskörperschaftsebene durch höheren Unterhal-
  der Bund erhält die öffentliche Infrastruktur in diesem       tungsaufwand substituiert werden. Das ist gerade hinsicht-
  Bereich verstärkt über Mietmodelle. Die Berücksichtigung      lich der kommunalen Infrastruktur beunruhigend, da diese
  der Extrahaushalte hat auf Bundesebene keine nennens-         den größten Teil der öffentlichen Infrastruktur stellt. Die
  werten Auswirkungen.                                          schwache Entwicklung der öffentlichen Investitionen wurde
                                                                nur durch das infolge der Finanzkrise erlassene Konjunk-
• Auf Landesebene ist die Investitionstätigkeit durch einen     turpaket II im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung von
  rückläufigen Trend gekennzeichnet. Diese Investitions-        Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder (ZuInvG)

14
Inklusives Wachstum für Deutschland | 4

durchbrochen (fiskalische Wirkung vor allem 2010–2011).              Aus Abbildung 5 lassen sich folgende Schlussfolgerungen
Vor diesem Hintergrund sind am aktuellen Rand vorsichtig             ziehen:
optimistische Tendenzen zu beobachten.
                                                                     • Zunächst wird deutlich, dass die westdeutschen Flächen-
                                                                       länder geringere infrastrukturbezogene Ausgaben pro
5.2. Vergleich der infrastruktur-                                      Einwohner verzeichnen als die ostdeutschen Länder, de-

bezogenen Investitionstätigkeit der                                    nen über den Solidarpakt II und die EU-Strukturförderung
                                                                       zweckgebundene Investitionsmittel gewährt werden. Im
Länder                                                                 Zeitverlauf ist jedoch eine Angleichung an die Entwick-
                                                                       lung der westdeutschen Flächenländer zu erkennen, da
Dieser Abschnitt vergleicht die infrastrukturbezogene In-              die Finanzmittel aus dem Solidarpakt II sukzessive ab-
vestitionstätigkeit der Länder. Dabei wird ausschließlich auf          nehmen. Das vergleichsweise hohe Ausgabenniveau der
das neue Konzept abgestellt. Zunächst wird die Entwicklung             Stadtstaaten lässt sich damit begründen, dass diese nicht
der infrastrukturbezogenen Ausgaben in Euro pro Einwoh-                über eine separate kommunale Ebene verfügen. Die Inf-
ner analysiert und im Anschluss die Struktur der infrastruk-           rastrukturausgaben der Landesebene umfassen dadurch
turbezogenen Ausgaben untersucht. Bei beiden Analysen ist              auch jene investiven Ausgaben, die in Flächenländern der
jeweils zwischen Landes- und Kommunalebene der Länder                  Kommunalebene zuzuordnen wären.
zu differenzieren.
                                                                     • Die Darstellung in Euro je Einwohner ermöglicht zusätz-
Im Gegensatz zur Quotenbetrachtung im vorigen Abschnitt                lich eine differenzierte Betrachtung der Entwicklungs-
wird in der nachfolgenden Analyse auf die Höhe der Ausga-              pfade. So weist beispielsweise Bayern einerseits sinkende
ben pro Einwohner rekurriert. Die Verwendung der Ein-                  Bruttoinvestitionsquoten auf (detaillierte Darstellungen
wohnerzahl als Maßstab ermöglicht eine bessere Vergleich-              zu den Quoten finden sich in der Langfassung der Studie).
barkeit der Daten, da es sich dabei – im Gegensatz zu den              Andererseits ist in der Darstellung in Euro je Einwoh-
bereinigten Ausgaben – um eine einheitliche Bezugsgröße                ner (siehe Abbildung 5) ab 2008 ein leicht ansteigendes
handelt.                                                               Investitionsverhalten sichtbar. Auch in Rheinland-Pfalz
                                                                       wird der Abwärtstrend der Investitionsquoten ab 2009 in

  Vergleich der infrastrukturbezogenen Ausgaben der Länder in Euro pro Einwohner, 2001–2014

  in Euro/Einwohner
  1200

  1000

   800

   600

   400

   200

     0
            BY        HE   BW   SL     RP      NI    NW         SH      SN     MV     ST     TH     BB     HH      HB      BE

  n 2001 n 2002 n 2003 n 2004 n 2005 n 2006 n 2007 n 2008 n 2009 n 2010 n 2011 n 2012 n 2013 n 2014
  Abbildung 5 | Quelle: Eigene Darstellung. Daten: Statistisches Bundesamt.

                                                                                                                                 15
Inklusives Wachstum für Deutschland | 4

     Vergleich der infrastrukturbezogenen Ausgaben der Kommunen in Euro pro Einwohner, 2001–2014

     in Euro/Einwohner
     700

     600

     500

     400

     300

     200

     100

       0
             BY          BW   HE      SH        NI       SL      RP       NW       SN       BB       TH       ST       MV

     n 2001 n 2002 n 2003 n 2004 n 2005 n 2006 n 2007 n 2008 n 2009 n 2010 n 2011 n 2012 n 2013 n 2014
     Abbildung 6 | Quelle: Eigene Darstellung. Daten: Statistisches Bundesamt.

  der Pro-Kopf-Darstellung etwas abgeschwächt. Ebenso             deutschen Kommunen im Durchschnitt höhere infrastruk-
  sind in Nordrhein-Westfalen entgegen der stetig sinken-         turbezogene Ausgaben auf als die westdeutschen, seit 2012
  den Quoten seit 2008 sogar steigende infrastrukturbezo-         haben sich diese Verhältnisse umgekehrt. So gaben die ost-
  gene Ausgaben je Einwohner feststellbar.                        deutschen Kommunen am aktuellen Rand durchschnittlich
                                                                  405 Euro pro Einwohner für Infrastruktur aus, während es
• Nichtsdestotrotz ist das Investitionsniveau pro Einwoh-         in den westdeutschen Kommunen durchschnittlich 455 Euro
  ner in Nordrhein-Westfalen – besonders mit Hinblick auf         pro Einwohner waren. Dabei bestehen jedoch enorme Un-
  die durch den Strukturwandel erforderlichen Sachinves-          terschiede zwischen den westdeutschen Flächenländern: So
  titionen – nach wie vor unterdurchschnittlich. Insofern         wurden 2014 in den bayerischen Kommunen durchschnitt-
  zeigt sich, dass in vielen westdeutschen Flächenländern         lich 655 Euro pro Einwohner für Infrastruktur verausgabt,
  die infrastrukturbezogenen Ausgaben pro Einwohner               während es in den Kommunen Nordrhein-Westfalens mit
  zwar nicht rückläufig waren, ihr Zuwachs jedoch schwä-          297 Euro pro Einwohner weniger als die Hälfte waren.
  cher war als derjenige konsumtiver Bereiche.
                                                                  Besonders auffällig ist jedoch der Trend der Investitions-
• Der generell sinkende Trend der Investitionsquoten in           tätigkeit in den westdeutschen Kommunen. Entgegen der
  den ostdeutschen Ländern wird auch in der Darstellung           Bruttoinvestitionsquoten zeigen die Werte in Euro pro Ein-
  der Ausgaben je Einwohner bestätigt. Dies hängt unmit-          wohner mitunter bereits ab dem Jahr 2005 (z. B. in Bayern)
  telbar mit den absinkenden Sonderbedarfs-Bundeser-              eine klar positive Tendenz und verlaufen damit eindeutig
  gänzungszuweisungen im Rahmen des Solidarpaktes II              gegenläufig zur Entwicklung der Bruttoinvestitionsquoten.
  zusammen.                                                       In den Kommunen Nordrhein-Westfalens ist zwar in den
                                                                  Jahren 2012 bis 2014 ebenso eine leicht ansteigende Ten-
Im Gegensatz zur Landesebene ist das Ost-West-Gefälle auf         denz der investiven Ausgaben pro Einwohner erkennbar;
der kommunalen Ebene hinsichtlich der infrastrukturbezo-          jedoch bleibt deren Investitionstätigkeit deutlich hinter der
genen Ausgaben pro Einwohner weniger stark ausgeprägt             der westdeutschen, aber auch der ostdeutschen Vergleichs-
(siehe Abbildung 6). Bis einschließlich 2011 wiesen die ost-      kommunen zurück.

16
Inklusives Wachstum für Deutschland | 4

  Vergleich der infrastrukturbezogenen Ausgaben von Landes- und Kommunalebene in Euro pro Einwohner 2014

  in Euro/Einwohner
  1 000

          655
                                                                                 441
          70 %
    800                                                                          49 %
                            597
                            72 %                                                                                     474
                                                                                          319               374      59 %     755
                                                                                                   353
                                                                                          43 %              50%
                      426                                                                          48 %
    600               63%
                                                                                                                                       606
                                                                                                                                               587
                                             378
                                                      391               403
                                    327      66 %     69 %              73%
                                    62%                        297
                                                                                 460
    400                                                        63 %                       433
                                                                                                   382      380
                                                                                                                     334
          279
    200               256
                            237
                                     199      198
                                                       178     177
                                                                        153

      0
           BY         HE    BW       SL       RP       NI      NW        SH       SN      MV        ST       TH       BB      HH       HB      BE

  n Pro-Kopf-Werte Land n Pro-Kopf-Werte Gemeinden % Anteil kommunaler Investitionen an gesamten Investitionen von Landes- und Kommunalebene
  Abbildung 7 | Quelle: Eigene Darstellung. Daten: Statistisches Bundesamt.

Wie schon beim Vergleich der Länderebene kann zudem                           Zuletzt soll die Struktur der infrastrukturbezogenen Ausga-
festgehalten werden, dass rückläufige Quoten für Infra-                       ben im Jahr 2014 detaillierter betrachtet werden. Dabei geht
strukturausgaben nicht unmittelbar auf sinkende abso-                         es zunächst um die Anteile der Landes- und der Kommunal-
lute Ausgaben zurückzuführen sind, wohl aber auf deren                        ebene an den gesamten infrastrukturbezogenen Ausgaben
unterproportionales Wachstum gegenüber konsumtiven                            eines Landes. In Abbildung 7 sind die infrastrukturbezoge-
Bereichen.                                                                    nen Ausgaben der Landes- und Kommunalebene zum einen
                                                                              in Euro pro Einwohner dargestellt. Der dunkelblaue Teil der
Der Einfluss der absinkenden Mittel aus dem Solidarpakt                       Säule gibt hier die Investitionsausgaben der Landesebene
II ist bei der Darstellung in Euro je Einwohner nicht durch-                  wieder, während der hellblaue Teil die investiven Ausgaben
gängig zu erkennen (siehe Abbildung 6). Zum Ende des                          der kommunalen Ebene darstellt.
betrachteten Zeitraums tritt mitunter sogar ein positiver
Trend auch in den ostdeutschen Kommunen auf (mit Aus-                         Zum anderen wird der prozentuale Anteil der kommunalen
nahme Thüringens). Insbesondere in den Kommunen Sach-                         Investitionen an den gesamten Investitionen von Landes-
sens, Brandenburgs und Sachsen-Anhalts wird im Jahr 2014                      und Kommunalebene angegeben. Diese integrierte Dar-
ein deutlicher Sprung sichtbar, der jedoch auch mit den                       stellung erfolgt vor dem Hintergrund der unterschiedlichen
notwendigen investiven Maßnahmen infolge der Hochwas-                         Aufgabenteilung zwischen Landes- und Kommunalebene
serereignisse aus dem Jahr 2013 in Zusammenhang steht                         innerhalb der jeweiligen Landesgrenzen. Dieser sog. Kom-
und insofern nicht auf eine wesentlich verbesserte eigene                     munalisierungsgrad hat auch Auswirkungen auf die bewirt-
Ausgabekraft schließen lässt. In den Kommunen Mecklen-                        schaftete Infrastruktur und die Durchleitung investiver
burg-Vorpommerns ist zwar von 2012 bis 2014 ebenfalls                         Fördermittel. Die Summe aus den Ausgaben der Landes-
eine ansteigende Investitionstätigkeit der öffentlichen                       und Kommunalebene ist in einer Karte (Abbildung 8) abge-
Hand zu verzeichnen; dies darf allerdings nicht über den                      bildet.
massiven Einbruch der öffentlichen Investitionen im Jahr
2012 gegenüber dem durch das Konjunkturpaket II geprägte
Vorjahr hinwegtäuschen.

                                                                                                                                                     17
Inklusives Wachstum für Deutschland | 4

     Infrastrukturbezogene Ausgaben von Landes- und Kommunalebene in Euro pro Einwohner 2014

                                                                     556 €
                                                             Schleswig-Holstein

                                                                                                                752 €
                                                                                                       Mecklenburg-Vorpommern
                                                                                 755 €
                                                                               Hamburg

                                                           606 €
                                                          Bremen

                                                                                                                            587 €
                                                                                                                            Berlin

                                                                             569 €
                                                                      Niedersachsen

                                                                                                                                       807 €
                                                                                                     735 €
                                                                                                                                    Brandenburg
                                                                                               Sachsen-Anhalt

                                      474 €
                             Nordrhein-Westfalen

                                                                                          754 €                          901 €
                                                                                         Thüringen                      Sachsen
                                                            683 €
                                                            Hessen

                                         576 €
                                     Rheinland-Pfalz
                           526 €
                          Saarland

                                                                                                      934 €
                                                                                                     Bayern

                                                                834 €
                                                         Baden-Würtemberg

     Abbildung 8 | Quelle: Eigene Darstellung. Daten: Statistisches Bundesamt.

18
Inklusives Wachstum für Deutschland | 4

  Infrastrukturbezogene Ausgaben der Länder nach Ausgabearten in Euro pro Einwohner, 2014

  in Euro/Einwohner
  800
                                                                                                                            755,3

  700

                                                                                                                                    605,5
  600                                                                                                                                       586,6

  500
                                                                               459,5
                                                                                         432,7
  400                                                                                            381,5      379,9
                                                                                                                    333,6
  300     279,4
                  256,4
                          237,4
                                   199,4    197,9
  200                                               177,5    177,4
                                                                      153,0

  100

    0
           BY      HE      BW       SL       RP       NI      NW        SH       SN      MV        ST        TH      BB     HH       HB     BE

  n Sachinvestitionen n Investitionszuschüsse n Unterhaltung unbeweglichen Vermögens n Mieten und Pachten
  Abbildung 9 | Quelle: Eigene Darstellung. Daten: Statistisches Bundesamt.

Aus den Abbildungen 7 und 8 gehen folgende Erkenntnisse                         vorzuheben. Die Ausgaben je Einwohner sind nach dem
hervor:                                                                         Konzept der infrastrukturbezogenen Ausgaben auf der
                                                                                Kommunalebene die niedrigsten, auf der Länderebene
• Zunächst ist hinsichtlich der westdeutschen Flächen-                          die zweitniedrigsten aller betrachteten Flächenländer.
  länder ein deutliches Nord-Süd-Gefälle erkennbar: So
  verzeichnen Bayern, Hessen und Baden-Württemberg die                        • Mit Bezug auf die ostdeutschen Flächenländer fällt zu-
  mit Abstand höchsten infrastrukturbezogenen Ausgaben                          nächst auf, dass der Anteil der kommunalen Investitionen
  pro Einwohner (durchschnittlich 846 Euro/Einwohner,                           deutlich geringer ausgeprägt ist als in den westdeutschen
  auf Landes- und Kommunalebene zusammen), während                              Vergleichsländern, während gleichzeitig die infrastruk-
  in den nördlich gelegenen Ländern durchweg niedrige-                          turbezogenen Ausgaben je Einwohner auf Länderebene
  re Ausgaben vorliegen (im Durchschnitt 517 Euro/Ein-                          höher ausfallen. Dies hängt wiederum mit den finanzi-
  wohner, auf Landes- und Kommunalebene zusammen).                              ellen Mitteln aus dem Solidarpakt II zusammen, die vor
  Bayern weist dabei die höchsten Ausgaben pro Einwohner                        allem auf Landesebene für investive Maßnahmen genutzt
  sowohl auf der Landesebene (ca. 279 Euro/Einwohner)                           werden. Obwohl die Finanzmittel zum Teil auch auf die
  als auch auf der Gemeindeebene (etwa 655 Euro/Einwoh-                         Ebene der Kommunen durchgeleitet werden, fallen die
  ner) auf. Der Anteil der kommunalen Investitionen fällt                       infrastrukturbezogenen Ausgaben pro Einwohner in den
  dementsprechend mit 70,1 Prozent sehr hoch aus. Nur                           ostdeutschen Kommunen bereits vor dem Ende des Soli-
  Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein weisen                               darpakts II im Durchschnitt geringer aus als in den west-
  höhere Anteile auf (71,6 Prozent bzw. 72,5 Prozent). Im                       deutschen Kommunen. Im Hinblick auf die Entwicklung
  Falle Schleswig-Holsteins sind jedoch vor allem die ver-                      der Bruttoinvestitionsquoten und der infrastrukturbezo-
  gleichsweise geringen Ausgaben pro Einwohner auf der                          genen Ausgaben pro Einwohner muss sogar konstatiert
  Landesebene (nur rund 153 Euro/Einwohner) ausschlag-                          werden, dass der Investitionsvorsprung der ostdeutschen
  gebend für diesen hohen Wert. Darüber hinaus sind die                         Flächenländer schneller abnimmt, als die Mittel aus
  im Vergleich zu den anderen Ländern relativ niedrigen                         dem Solidarpakt II. Dadurch verringert sich das bezüg-
  Investitionen je Einwohner in Nordrhein-Westfalen her-                        lich der Investitionstätigkeit derzeit noch bestehende

                                                                                                                                                    19
Inklusives Wachstum für Deutschland | 4

  Ost-West-Gefälle in der Bundesrepublik Deutschland.          • Die Investitionszuschüsse an den privaten Sektor sind in
  2014 wurden in Ostdeutschland auf kommunaler und               den westdeutschen Ländern (rund 110 Euro/Einwohner)
  Landesebene zusammen rund 808 Euro je Einwohner für            im Durchschnitt ebenfalls deutlich geringer als in den
  Infrastruktur ausgegeben, während es in Westdeutsch-           ostdeutschen Ländern (ca. 223 Euro/Einwohner). Dem-
  land (ohne Stadtstaaten) rund 672 Euro je Einwohner            nach nutzen die ostdeutschen Länder die Finanzmittel
  waren. Der Vorsprung von zuletzt 20 Prozentpunkten             aus dem Solidarpakt II einerseits für eigene Sachinves-
  war 2008 noch doppelt so hoch. Dabei wies Sachsen im           titionen, leiten sie andererseits aber auch an private
  Jahr 2014 mit etwa 460 Euro die höchsten Ausgaben pro          Unternehmen weiter, um Multiplikator-Effekte zu
  Einwohner auf der Ebene der Länder und die zweithöchs-         erwirken. Die Investitionszuschüsse betragen in den
  ten Ausgaben pro Einwohner auf der kommunalen Ebene            ostdeutschen Flächenländern zumeist wenigstens
  (rund 441 Euro/Einwohner) auf. Mecklenburg-Vorpom-             200 Euro pro Einwohner. Eine Ausnahme bildet hierbei
  mern verzeichnete mit nur 42,5 Prozent den niedrigsten         Mecklenburg-Vorpommern: Die investiven Zuschüsse
  Anteil für kommunale investive Ausgaben, die Landes-           an den Privatsektor fallen hier mit ca. 182 Euro pro
  ausgaben sind jedoch die zweithöchsten der ostdeutschen        Einwohner etwas geringer aus. Die niedrigsten Ausgaben
  Flächenländer. Im Gegensatz dazu hat Brandenburg zwar          aller Flächenländer hat wiederum – wie bereits bei den
  mit etwa 59 Prozent den höchsten Anteil kommunaler             Sachinvestitionen – Rheinland-Pfalz (69 Euro/Einwoh-
  Ausgaben für Investitionen, jedoch ist dort der Anteil des     ner).
  Landes an investiven Ausgaben – bezogen auf die ost-
  deutschen Flächenländer – entsprechend am geringsten         • Die Höhe des Unterhaltungsaufwands pro Einwohner
  (ca. 334 Euro/Einwohner).                                      ist auf der Länderebene deutlich geringer als auf der
                                                                 Kommunalebene (siehe Abbildung 10) und fällt auch
• Bezüglich der Stadtstaaten liegen in Hamburg die               generell im Vergleich zu allen betrachteten Ausgabearten
  höchsten Investitionsausgaben pro Einwohner vor (rund          mit Abstand am niedrigsten aus. In Nordrhein-Westfalen
  755 Euro/Einwohner), wohingegen Berlin die niedrigsten         (1,89 Euro/Einwohner), dem Saarland (2,83 Euro/Einwoh-
  investiven Ausgaben pro Einwohner vorzuweisen hat              ner) und Rheinland-Pfalz (3,07 Euro/Einwohner) sind
  (ca. 587 Euro/Einwohner).                                      die Volumina am geringsten. Der mit Abstand höchste
                                                                 Aufwand für die Unterhaltung unbeweglichen Vermö-
Nachdem die Struktur der infrastrukturbezogenen Aus-             gens ist in Berlin festzustellen (155 Euro/Einwohner)
gaben nach Gebietskörperschaftsebenen betrachtet wurde,          – ein deutlicher Ausreißer des Stadtstaats gegenüber
soll deren Struktur nach Ausgabearten untersucht werden.         den ermittelten Pro-Kopf-Werten der anderen Länder.
Hinsichtlich der in Abbildung 9 dargestellten Pro-Kopf-          Hierbei ist von einer Substitution von Investitionszuschüs-
Struktur der Ausgabenarten auf der Ebene der Länder              sen durch eigene Erhaltungsmaßnahmen auszugehen.
werden große Differenzen zwischen den Ländern sichtbar:          Da die Stadtstaaten keine separate kommunale Ebene
                                                                 besitzen und demzufolge eine integrierte Erfüllung der
• Die Unterschiede zwischen den Ländern können bereits           öffentlichen Aufgaben von Landes- und Kommunale-
  anhand der Sachinvestitionen nachgewiesen werden:              bene stattfindet, weichen deren Investitionsniveau und
  Die Anteile der Sachinvestitionen an den gesamten infra-       -struktur erkennbar von den entsprechenden Werten der
  strukturbezogenen Ausgaben reichen bei den Flächen-            Flächenländer ab.
  ländern von 20 Euro je Einwohner (Rheinland-Pfalz) bis
  zu 200 Euro je Einwohner (Sachsen) und sind damit sehr       • Die Ausgaben für Mieten und Pachten divergieren am
  heterogen. Die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben für Sach-            deutlichsten von allen untersuchten Ausgabearten. Sie
  investitionen liegen in Hamburg mit etwa 201 Euro je           sind in den ostdeutschen Flächenländern generell etwas
  Einwohner vor. Da die Stadtstaaten allerdings ausschließ-      geringer: Dort reichen sie von zwölf Euro je Einwohner
  lich über eine Länderebene verfügen, sind diese Zahlen         (Sachsen) bis etwa 48 Euro je Einwohner (Branden-
  nicht direkt miteinander vergleichbar. Sowohl in den           burg). Dagegen ist die Spanne in den westdeutschen
  westdeutschen als auch in den ostdeutschen Ländern             Flächenländern deutlich breiter: Während Niedersach-
  (64 Euro/Einwohner bzw. 139 Euro/Einwohner) nehmen             sen nur einen geringen Wert von 7,21 Euro je Einwohner
  die Sachinvestitionen durchschnittlich den zweithöchs-         erreicht, ist dieser in Rheinland-Pfalz mit 106 Euro je
  ten Anteil an den infrastrukturbezogenen Ausgaben ein,         Einwohner mehr als 14-mal so hoch. Somit handelt es
  in Ostdeutschland allerdings auf einem deutlich höheren        sich bei Mieten und Pachten in Rheinland-Pfalz um den
  Niveau.                                                        mit Abstand höchsten der betrachteten Ausgabeposten:

20
Inklusives Wachstum für Deutschland | 4

  Infrastrukturbezogene Ausgaben der Kommunen nach Ausgabearten in Euro pro Einwohner, 2014

  in Euro/Einwohner
  800

  700
         654,8

                      596,8
  600

  500                                                                                            473,7
                                                                                                            441,1
                               426,5
                                          402,5      391,0
  400                                                           378,3                                                 374,1
                                                                                                                               353,2
                                                                           327,0                                                         319,2
                                                                                      296,7
  300

  200

  100

    0
          BY          BW        HE         SH         NI         RP          SL        NW         BB         SN        TH       ST       MV

  n Sachinvestitionen n Investitionszuschüsse n Unterhaltung unbeweglichen Vermögens n Mieten und Pachten
  Abbildung 10 | Quelle: Eigene Darstellung. Daten: Statistisches Bundesamt.

  Über 50 Prozent der getätigten infrastrukturbezogenen                       durch die Hinzuzählung der Ausgaben für Mieten und Pach-
  Ausgaben fallen für Mieten und Pachten an. Diese werden                     ten sowie des Unterhaltungsaufwands zu den investiven
  demnach offenbar als Substitut für Sachinvestitionen                        Ausgaben zu verzeichnen.
  genutzt, die in Rheinland-Pfalz im Vergleich zu allen
  anderen Flächenländern am niedrigsten sind. Dies zeigt                      Abbildung 10 illustriert die Struktur der kommunalen infra-
  den Mehrwert des Systems der infrastrukturbezogenen                         strukturbezogenen Ausgaben. Dabei ist erkennbar, dass die
  Ausgaben: Die Ausgaben für Mieten und Pachten dienen                        einwohnerbezogenen Ausgaben ein deutlich schwächeres
  der Bereitstellung von Infrastruktur für die Einwohner.                     Ost-West-Gefälle aufweisen. Sichtbar wird außerdem, dass
  Bei der klassischen Darstellung werden sie allerdings                       die Kommunen in Bayern und Baden-Württemberg die
  nicht berücksichtigt.                                                       mit Abstand höchsten infrastrukturbezogenen Ausgaben
                                                                              je Einwohner tätigten. Sie ziehen auch den Durchschnitt
• Die Investitionslage wird im erweiterten Investitionskon-                   der westdeutschen Kommunen verstärkt in die Höhe, der
  zept demnach nicht „geschönt“, sondern an die Praxis                        nur wegen dieser beiden Länder über dem Mittelwert der
  der öffentlichen Aufgabenerfüllung angepasst. Bei den                       ostdeutschen Kommunen liegt.
  Stadtstaaten erreicht Hamburg einen sehr hohen Wert
  (259 Euro/Einwohner).                                                       Generell lassen sich auf der kommunalen Ebene der
                                                                              westdeutschen Länder drei unterschiedliche Typen cha-
Ein sehr großer Einfluss des neuen Investitionskonzeptes                      rakterisieren: Bayern und Baden-Württemberg dominieren
nach den infrastrukturbezogenen Ausgaben ist folglich                         bei der Investitionstätigkeit pro Einwohner. Im Mittelfeld
insbesondere bei den Mieten und Pachten festzustellen.                        liegen Hessen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und
Rheinland-Pfalz würde z. B. über eine doppelt so hohe                         Rheinland-Pfalz. Die niedrigsten kommunalen Ausgaben
Quote verfügen als nach dem klassischen Investitionskon-                      mit Infrastrukturbezug sind (je Einwohner) im Saarland
zept. Auch in Berlin würde die Investitionsquote im Jahr                      und insbesondere in Nordrhein-Westfalen (trotz eines
2014 um fast 40 Prozent steigen. Lediglich in den ostdeut-                    statistischen Sondereffekts; vgl. dazu Lenk und Hesse 2015)
schen Flächenländern sind durchgehend geringere Effekte                       feststellbar.

                                                                                                                                                 21
Inklusives Wachstum für Deutschland | 4

• Insbesondere Sachinvestitionen fungieren über die Län-        der kommunalen Ebene der ostdeutschen Länder deutlich
  der hinweg durchgehend als wichtigste Ausgabenart der         niedriger als in den westdeutschen Vergleichsländern
  infrastrukturbezogenen Ausgaben. In Nordrhein-West-           (ca. 16 Euro/Einwohner). Die höchsten Ausgaben pro Ein-
  falen sind sie mit 175 Euro pro Einwohner am niedrigs-        wohner verzeichnet hierbei Mecklenburg-Vorpommern
  ten, während sie in Bayern fast drei Viertel der gesamten     mit rund 41,15 Euro. Bezüglich der westdeutschen Kom-
  infrastrukturbezogenen Ausgaben ausmachen (491 Euro/          munen wird deren Durchschnittswert nun nicht durch
  Einwohner). Allein die Sachinvestitionen sind auf der         Bayern und Baden-Württemberg positiv beeinflusst,
  Kommunalebene Bayerns höher als die aufsummierten             sondern durch Hessen (57 Euro/Einwohner), das Saarland
  infrastrukturbezogenen Ausgaben der Kommunen der              (64 Euro/Einwohner) und vor allem Nordrhein-Westfalen
  jeweiligen anderen Länder, mit Ausnahme Baden-Würt-           (79 Euro/Einwohner). Besonders in Nordrhein-Westfalen
  tembergs. Dies spricht für eine außerordentlich hohe          zeigt sich ein expansiver Effekt aufgrund der Einbezie-
  Investitionstätigkeit der bayerischen Kommunen, die auf       hung von Mieten und Pachten in die infrastrukturbezoge-
  deren starker Finanzkraft fußt. Im Durchschnitt sind die      nen Ausgaben – sowohl auf der kommunalen als auch auf
  Sachinvestitionen der ostdeutschen Kommunen pro Ein-          der Landesebene. Bemerkenswert ist im Kontrast hierzu,
  wohner etwa 38 Euro niedriger als die der westdeutschen       dass die Miet- und Pachtausgaben der rheinland-pfäl-
  Kommunen. Hierbei ist allerdings nochmals relativierend       zischen Kommunen bundesweit zu den niedrigsten
  darauf hinzuweisen, dass ausschließlich die hohen inf-        gehören, während die entsprechenden Ausgaben auf der
  rastrukturbezogenen Ausgaben pro Einwohner in Bayern          Landesebene die höchsten der Flächenländer darstellen.
  und Baden-Württemberg durchschnittserhöhend wirken.
                                                              Insgesamt verdeutlichen die empirischen Erkenntnisse,
• Die Investitionszuschüsse an den privaten Sektor sind auf   dass in Deutschland zwischen den Flächenländern ein
  der kommunalen Ebene dagegen vergleichsweise niedrig        Ost-West-Gefälle vorliegt, das durch die rückläufigen Soli-
  und stellen allgemein den geringsten Ausgabeposten dar.     darpaktmittel allerdings stetig reduziert wird (siehe Abbil-
  Die Spanne reicht von 3,74 Euro pro Einwohner (Saarland)    dung 8). Ebenfalls kristallisiert sich bei der Betrachtung der
  bis etwa 38 Euro pro Einwohner (Bayern). Erneut kann        westdeutschen Flächenländer ein Nord-Süd-Gefälle heraus:
  festgestellt werden, dass die durchschnittlichen Aus-       Baden-Württemberg, Hessen und insbesondere Bayern ver-
  gaben pro Einwohner für Investitionszuschüsse in den        zeichnen deutlich höhere Investitionen je Einwohner als die
  westdeutschen Kommunen aufgrund der Investitions-           restlichen Flächenländer in Westdeutschland. Es ist davon
  stärke Bayerns und Baden-Württembergs höher ausfallen       auszugehen, dass dieser Trend auch in den kommenden
  als in den ostdeutschen Kommunen (ca. 5,43 Euro/Ein-        Jahren anhalten wird.
  wohner).

• Der Anteil der Ausgaben für die Unterhaltung unbeweg-
  lichen Vermögens ist auf der kommunalen Ebene stärker
  ausgeprägt als auf den Ebenen des Bundes und der Län-
  der. Des Weiteren sind die Divergenzen zwischen den
  Kommunen im Ländervergleich verhältnismäßig schwach
  ausgeprägt: Während Nordrhein-Westfalen mit nur
  29,2 Euro je Einwohner und auch das Saarland mit
  52 Euro je Einwohner Ausreißer nach unten darstellen,
  sind die Pro-Kopf-Ausgaben der Kommunen in den
  anderen Ländern zumeist im Bereich von 90 und mehr
  Euro je Einwohner anzusiedeln. Den höchsten Pro-Kopf-
  Wert verzeichnen die Kommunen in Rheinland-Pfalz mit
  105 Euro pro Einwohner, was im Gegensatz zu den sehr
  geringen Ausgaben in diesem Posten auf der Landesebene
  steht.

• Wie auf der Länderebene sind die Ausgaben für Mie-
  ten und Pachten relativ von geringerer Bedeutung und
  überdies heterogen ausgeprägt. So liegen sie zunächst auf

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