ZUR ZULÄSSIGKEIT VON EINGRIFFEN IN DEN UNGESTÖRTEN GEBRAUCH DES MIETOBJEKTES

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Eingereicht von
                                        Lisa Prieschl

                                        Angefertigt am
                                        Institut für Zivilrecht

                                        Beurteiler / Beurteilerin

ZUR ZULÄSSIGKEIT
                                        Univ.-Prof. Dr. Christian
                                        Holzner

VON EINGRIFFEN IN                       August 2021

DEN UNGESTÖRTEN
GEBRAUCH DES
MIETOBJEKTES

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades

Magistra der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium

Rechtswissenschaften

                                        JOHANNES KEPLER
                                        UNIVERSITÄT LINZ
                                        Altenberger Straße 69
                                        4040 Linz, Österreich
                                        jku.at
Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die
wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Linz, am 09.08.2021

Ort, Datum                                                        Unterschrift

                                                                                              2
Inhaltsverzeichnis

I. Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................................... 6
II. Einleitung ................................................................................................................................ 8
      1. Einführung in die Thematik ............................................................................................. 8
      2. Vorgehensweise.............................................................................................................. 8
III. Duldungspflichten im Allgemeinen...................................................................................... 10
IV. Besitzschutz des Mieters .................................................................................................... 12
      1. Allgemeines zum Sach- und Rechtsbesitz ................................................................... 12
      2. Sach- und Rechtsbesitz im Mietverhältnis ................................................................... 12
      3. Umfang des Rechtsbesitzes des Mieters ..................................................................... 13
             3.1. Hausordnung....................................................................................................... 13
             3.2. Ortsgebrauch und Verkehrssitte ......................................................................... 14
             3.3. Nutzung von allgemeinen Teilen eines Hauses ................................................. 14
             3.4. Konkludente Erweiterung des Gebrauchsrechts ................................................ 15
      4. Vorliegen einer Besitzstörungshandlung ...................................................................... 16
             4.1. Voraussetzungen für das Vorliegen einer Besitzstörungshandlung .................. 16
             4.2. Einschränkung einer Nutzungsmöglichkeit ........................................................ 17
      5. Ende des Rechtsbesitzes des Mieters ......................................................................... 18
V. Betretungs- und Besichtigungsrecht des Vermieters bzw einer von diesem beauftragten
Person ...................................................................................................................................... 20
      1. Allgemeines ................................................................................................................... 20
      2. Interessenabwägung ..................................................................................................... 20
             2.1. Grundsatz der schonenden Ausübung ............................................................... 21
             2.2. Kriterien der Rsp für die Interessenabwägung ................................................... 22
                      2.2.1. Schonendste Alternative bei mehreren gleichwertigen Alternativen ..... 22
                      2.2.2. Kostenbelastung des Mieters kein Kriterium für Interessenabwägung . 23
                      2.2.3. Ausstattungszustand des Mietobjektes .................................................. 23
                      2.2.4. Vom Vermieter beauftragte zutrittsberechtigte Dritte ............................ 24
                      2.2.5. Schikane als Grenze der berechtigten Interessen des Vermieters ....... 24
      3. Wichtige Gründe iSd § 8 (2) MRG ................................................................................ 25
             3.1. Allgemeines......................................................................................................... 25
             3.2. „Wichtige Gründe“ in der Judikatur ..................................................................... 25
                      3.2.1. Besichtigung durch Kauf- oder Mietinteressenten ................................. 25
                      3.2.2. Überprüfung des Erhaltungszustandes.................................................. 26
                      3.2.3. Vorbereitung und Durchführung von notwendigen Arbeiten durch den
                      Vermieter oder von diesem beauftragten Handwerkern .................................. 26
                      3.2.4. Bestimmung der Nutzfläche zur Betriebskostenberechnung ................ 27

                                                                                                                                               3
4. Weitere praxisrelevante Problemstellungen in diesem Zusammenhang ..................... 27
           4.1. Vertragliche Vereinbarung eines Betretungs- und Besichtigungsrechts
           zugunsten des Vermieters ......................................................................................... 27
           4.2. Zweitschlüssel des Vermieters ........................................................................... 29
VI. Baumaßnahmen des Vermieters ........................................................................................ 30
     1. Allgemeine Grundlagen ................................................................................................ 30
           1.1. Einschlägige Rechtsgrundlagen – ein Überblick ................................................ 30
           1.2. Bauführung an Bestandobjekten im Anwendungsbereich des ABGB – ein
           Überblick .................................................................................................................... 30
           1.3. Baumaßnahmen an Mietobjekten im Anwendungsbereich des MRG ............... 31
                   1.3.1. Vorübergehende Benützung und Veränderung des Mietgegenstandes
                   iSd § 8 (2) S 1 MRG ......................................................................................... 32
                   1.3.2. Anwendungsbereich des § 8 (2) MRG ................................................... 33
                   1.3.3. Mitwirkungspflicht des Mieters? ............................................................. 33
                   1.3.4. Duldungsbegehren des Vermieters ....................................................... 34
     2. Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung von allgemeinen Teilen des Hauses
     sowie zur Behebung ernster Schäden oder zur Erhaltung einer mitvermieteten
     Heiztherme, eines mitvermieteten Warmwasserboilers oder eines sonstigen
     mitvermieteten Wärmebereitungsgeräts (§ 8 (2) Z 1 MRG) ............................................. 35
           2.1. Baumaßnahmen iSd § 8 (2) Z 1 MRG................................................................ 35
                   2.1.1. Erhaltungsarbeiten iSd § 8 (2) Z 1 MRG................................................ 35
                   2.1.2. Verbesserungsarbeiten iSd § 8 (2) Z 1 MRG ........................................ 37
                   2.1.3. Abgrenzung Erhaltungsarbeit/ Verbesserungsarbeit ............................. 38
                   2.1.4. Erweiterung des Tatbestandes durch WRN 2015 ................................. 39
           2.2. Anderer Mietgegenstand .................................................................................... 39
           2.3. Allgemeine Teile des Hauses ............................................................................. 39
           2.4. Ernste Schäden am Mietgegenstand ................................................................. 40
           2.5. Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Maßnahme ......................................... 41
     3. Maßnahmen zur Beseitigung von einer vom Mietgegenstand des Mieters oder von
     einem anderen Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung
     sowie Veränderungen (Verbesserungen) in einem anderen Mietgegenstand
     (§ 8 (2) Z 2 MRG) .............................................................................................................. 42
           3.1. Anderer Mietgegenstand .................................................................................... 43
           3.2. Baumaßnahmen iSd § 8 (2) Z 2 MRG ................................................................ 44
                   3.2.1. Veränderungen (Verbesserungen) ........................................................ 44
                   3.2.2. Erweiterung des Tatbestandes durch WRN 2006 ................................. 44
                   3.2.3. Analoge Anwendung des § 8 (2) Z 2 MRG ............................................ 45
           3.3. Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit, Interessenabwägung ..................................... 46
           3.4. Interessenabwägung anhand der Judikatur ....................................................... 46
                   3.4.1. Allgemeines ............................................................................................ 46

                                                                                                                                          4
3.4.2. Einbau einer Rolltreppe (OGH 5 Ob 302/98t) ........................................ 47
                     3.4.3. Schaffung zusätzlicher Wohnungen in einem Wohnhaus
                     (OGH 5 Ob 154/09x)......................................................................................... 47
                     3.4.4. Einbeziehung einer Gangfläche in eine Nachbarwohnung
                     (OGH 5 Ob 215/13y)......................................................................................... 47
                     3.4.5. Entzug einer bestehenden Nutzungsmöglichkeit (OGH 5 Ob 57/15s) .. 48
                     3.4.6. Alter und Gehfähigkeit einer Mieterin (OGH 5 Ob 109/90).................... 49
                     3.4.7. Teilweise Einsehbarkeit in den Mietgegenstand des Mieters
                     (OGH 5 Ob 257/08t) ......................................................................................... 49
                     3.4.8. Höhe des Mietzinses kein Kriterium für Zumutbarkeitsprüfung
                     (OGH 5 Ob 109/90) .......................................................................................... 49
      4. Praxisrelevante Problemstellungen im Zusammenhang mit Baumaßnahmen des
      Vermieters ......................................................................................................................... 50
             4.1. Fensteraustausch ............................................................................................... 50
             4.2. Lifteinbau ............................................................................................................. 51
             4.3. Dachbodenausbau .............................................................................................. 51
VII. Resümee ............................................................................................................................ 53
VIII. Literatur- und Judikaturverzeichnis .................................................................................. 57
      1. Literaturverzeichnis ....................................................................................................... 57
      2. Judikaturverzeichnis...................................................................................................... 58

Hinweis:

Zur besseren Lesbarkeit wird in den nachfolgenden Ausführungen auf die gleichzeitige
Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Die jeweils gewählte Form
bezieht sich stets auf beide Geschlechter.

                                                                                                                                           5
I. Abkürzungsverzeichnis

ABGB                       Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch
AnwBl                      Österreichisches Anwaltsblatt
BGBl                       Bundesgesetzblatt
Blg                        Beilage(n)
BT                         Besonderer Teil
bzw                        beziehungsweise
dh                         das heißt
ebd                        ebenda
ErläutRV                   Erläuterungen zur Regierungsvorlage
EvBl                       Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen in der
                           Österreichischen Juristen-Zeitung
f                          folgende
ff                         folgenden
FN                         Fußnote
GBV                        Gemeinnützige Bauvereinigung
GeKo                       Gesamtkommentar
gem                        gemäß
GP                         Gesetzgebungsperiode
hA                         herrschende Ansicht
Hrsg                       Herausgeber
HS                         Hauptsatz
idF                        in der Fassung
idS                        in diesem Sinne
inkl                       inklusive
iSd                        im Sinne des/der
iSe                        im Sinne eines/einer
iVm                        in Verbindung mit
JBl                        Juristische Blätter
KFZ                        Kraftfahrzeug
KSchG                      Konsumentenschutzgesetz
LGBl                       Landesgesetzblatt
LG                         Landesgericht
LGZ                        Landesgericht für Zivilrechtssachen
lit                        litera
lt                         laut
mE                         meines Erachtens
MietSlg                    Sammlung mietrechtlicher Entscheidungen
mMn                        meiner Meinung nach
MRG                        Mietrechtsgesetz
mwN                        mit weiteren Nachweisen
NR                         Nationalrat
OBDK                       Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission
OGH                        Oberster Gerichtshof
Oö FGPG                    Oberösterreichisches Feuer- und Gefahrenpolizeigesetz
RIS                        Rechtsinformationssystem des Bundes
Rsp                        Rechtsprechung

                                                                               6
Rz                 Randziffer
S                  Satz
sog                sogenannte(r), sogenannten
stRsp              ständige Rechtsprechung
üA                 überwiegender Ansicht
vgl                vergleiche
WÄG                Wohnrechtsänderungsgesetz
WGG                Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz
wobl               Wohnrechtliche Blätter
WRN                Wohnrechtsnovelle
WVG                Wiener Wasserversorgungsgesetz
Z                  Ziffer
zB                 zum Beispiel
ZahlungsverzugsG   Zahlungsverzugsgesetz
Zak                Zivilrecht aktuell

                                                     7
II. Einleitung

1. Einführung in die Thematik

Aus einem Mietverhältnis resultieren nicht nur Rechte, sondern auch eine Reihe von Pflichten.
Neben den Verpflichtungen, den Mietzins rechtzeitig bezahlen zu müssen (§ 1100 ABGB,
§ 15 MRG),1 das Mietobjekt vertragsgemäß zu gebrauchen (§ 1098 ABGB, § 8 (1) S 1 MRG) 2
und der Pflicht zur Vornahme gewisser Instandhaltungsarbeiten am Mietgegenstand
(§ 1097 ABGB, § 8 (1) S 2 und S 3 MRG),3 treffen Mieter auch noch darüber hinausgehende
Duldungspflichten. Dabei handelt es sich um Eingriffe in den ungestörten Gebrauch des
Mietobjektes, die – wie der Name schon sagt – vom Mieter zu dulden sind.

Ziel dieser Diplomarbeit ist es, basierend auf einer Judikaturanalyse Kriterien
herauszuarbeiten, die für die Entscheidungsfindung der Gerichte bei Beurteilung der Frage,
ob ein Eingriff in den ungestörten Gebrauch des Mietobjektes zu- oder unzulässig ist, von
Bedeutung sind. Anhand von konkreten Judikaturbeispielen wird gezeigt, wo die Grenze
zwischen Duldungspflicht des Mieters einerseits und unzulässigem Eingriff andererseits
verläuft. Der Schwerpunkt dieser Arbeit wird auf den praxisrelevanten Aspekten des
Rechtsbesitzes des Mieters, des Betretungs- und Besichtigungsrechts des Vermieters, sowie
auf Eingriffen durch Baumaßnahmen, die während eines aufrechten Mietverhältnisses
stattfinden und das Bestandobjekt unmittelbar oder mittelbar betreffen, liegen.

2. Vorgehensweise

Greift der Vermieter unzulässigerweise in den Gebrauch des Mietobjektes ein, so kann sich
der Mieter – bei Vorliegen der dafür notwendigen Voraussetzungen – dagegen mit der
Besitzstörungsklage gem § 339 ABGB zur Wehr setzen.4 Um beurteilen zu können, ob es sich
um einen unzulässigen Eingriff in Gebrauch des Mietobjektes handelt, bedarf es zunächst
einer Bestimmung des Umfangs des Besitzes. Dazu erfolgt anhand von ausgewählten
Entscheidungen eine umfassende Darstellung der für den Rechtsbesitz des Mieters
maßgeblichen Aspekte.

Wie an zahlreichen Entscheidungen zu sehen ist, sorgt das Betreten und Besichtigen des
Bestandgegenstandes durch den Vermieter oder eine von diesem beauftragte Person
regelmäßig für Konfliktpotential zwischen den Mietparteien. Die vorliegende Arbeit geht der
Frage nach, welche Anforderungen die Rechtsprechung an dieses Betretungs- und
Besichtigungsrecht stellt, bzw unter welchen Umständen dieses Recht dem Vermieter
überhaupt zukommt.

Betreffen Baumaßnahmen des Vermieters einen Mietgegenstand während eines aufrechten
Mietverhältnisses, so sorgt dies nicht selten für Unmut bei betroffenen Mietern. Folglich stellt
sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen Bestandgeber berechtigt sind, derartige
Bautätigkeiten durchzuführen, ohne unzulässig in das Mietrecht des Bestandnehmers

1 Rabl/Riedler, Schuldrecht Besonderer Teil6 (2017) Rz 8/46.
2 Riedler, Zivilrecht III Schuldrecht Besonderer Teil – Vertragliche Schuldverhältnisse6 (2018) Rz 5/41.
3 Rabl/Riedler, Schuldrecht Besonderer Teil6 (2017) Rz 8/33 ff.
4 LGZ Wien 40 R 117/16a = MietSlg 68.015.

                                                                                                           8
einzugreifen. Nach Erörterung der allgemeinen rechtlichen Grundlagen zu dieser Thematik
wird die Judikatur daraufhin analysiert, wie weit die Duldungspflicht des Mieters bei den
einzelnen Baumaßnahmen reicht.

                                                                                        9
III. Duldungspflichten im Allgemeinen

Gem § 1096 HS 1 ABGB ist der Vermieter verpflichtet, den Mieter in seinem bedungenen
Gebrauch nicht zu stören. Umgekehrt wird daraus in Verbindung mit § 1098 ABGB das Recht
des Mieters zu vertragsgemäßem Gebrauch des Bestandgegenstandes abgeleitet, wobei der
Grundsatz des schonenden Gebrauchs des Bestandobjektes gilt.5 Im Vollanwendungsbereich
des MRG regelt § 8 (1) S 1 MRG den Umfang des Gebrauchsrechts des Mieters. Dabei handelt
es sich um eine Wiederholung des 1. HS des § 1098 ABGB, weshalb die dazu ergangene Rsp
auch im Anwendungsbereich des MRG gilt. 6 Wie weit das Gebrauchsrecht des Mieters im
Einzelnen reicht, wird im nächsten Kapitel (IV. Besitzschutz des Mieters) ausführlich
dargestellt.

Das Recht auf ungestörten Gebrauch des Mietobjektes wird durch Duldungspflichten des
Mieters eingeschränkt, die in §§ 4 (4), 8 (2) und 18c (2) MRG normiert sind. Außerhalb des
Anwendungsbereichs des MRG werden sie von der Rsp grundsätzlich aus § 1098 ABGB
abgeleitet.7

Die Verpflichtung des Mieters, zumutbare Eingriffe in sein Mietrecht dulden zu müssen,
resultiert bereits aus dem oben erwähnten Grundsatz des schonenden Gebrauchs der
Bestandsache. Die Beurteilung der Frage, ob der jeweilige Eingriff dem Mieter zumutbar ist,
erfordert eine Abwägung der Interessen aller Beteiligten, wobei der Mieter nur solche
Maßnahmen zu dulden hat, die sein Mietrecht nicht wesentlich beeinträchtigen oder gar
gefährden. Allgemein gilt, dass ein Eingriff in den ungestörten Gebrauch des
Mietgegenstandes umso eher gerechtfertigt ist, je schwerwiegender die berechtigten
Interessen des Vermieters sind, die diesen erfordern.8

Diesen Grundsätzen folgend, hat der Gesetzgeber in § 8 (2) HS 1 MRG normiert, dass der
Mieter das Betreten des Mietgegenstandes durch den Vermieter oder durch eine von diesem
beauftragte Person, zu dulden hat, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und berechtigte
Interessen des Vermieters jene des Mieters überwiegen. § 8 (2) Z 1 MRG normiert die Pflicht
des Mieters, die Inanspruchnahme seines Mietgegenstandes bzw dessen Veränderung zu
dulden, soweit dies zur Durchführung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten an
allgemeinen Teilen des Hauses, zur Behebung ernster Schäden des Hauses oder zur
Erhaltung einer mitvermieteten Heiztherme, eines mitvermieteten Wärmebereitungsgeräts in
seinem oder in einem anderen Mietgegenstand notwendig und zweckmäßig ist. Eine
entsprechende Duldungspflicht trifft den Mieter aber auch dann, wenn eine von seinem
Mietgegenstand ausgehende, erhebliche Gesundheitsgefährdung den Eingriff in das Mietrecht
erfordert oder die Durchführung von Veränderungen (Verbesserungen) in einem anderen
Mietgegenstand notwendig, zweckmäßig und nach Abwägung der Interessen von Mieter und
Vermieter auch zumutbar sind (§ 8 (2) Z 2 MRG).9

5  H. Böhm/Pletzer in Gesamtkommentar Wohnrecht I (2017) § 8 MRG Rz 4; Rabl/Riedler, Schuldrecht BT6
Rz 8/29.
6 Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 Kurzkommentar (2015) § 8 MRG Rz 1; Pesek in

Schwimann/Neumayr (Hrsg), ABGB Taschenkommentar5 (2020) § 1098 ABGB Rz 18; Beer/Vospernik in
Illedits/Reich-Rohrwig (Hrsg), Wohnrecht Kurzkommentar3 (2018) § 8 MRG Rz 1.
7 Vonkilch in Hausmann/Vonkilch (Hrsg), Kommentar Österreichisches Wohnrecht – MRG3 (2018) § 8 MRG Rz 5.
8 RIS-Justiz RS0107167; RIS-Justiz RS0020936; LGZ Wien 41 R 387/77 = MietSlg 29.165; vgl auch Prader,

MRG – Mietrechtsgesetz und ABGB-Mietrecht6 (2021) § 1098 ABGB E 7 mwN; vgl auch Höllwerth in GeKo
Wohnrecht I § 1098 ABGB Rz 52.
9 BGBl I 1981/520.

                                                                                                      10
§ 8 MRG gilt für Hauptmietverhältnisse, die dem Vollanwendungsbereich des MRG
unterliegen. Nicht anwendbar ist § 8 (2) MRG auf Mietverhältnisse, die entweder von
§ 1 (1) MRG nicht erfasst werden oder nach § 1 (2) MRG vom Anwendungsbereich gänzlich
ausgenommen sind. Ebenfalls nicht zur Anwendung kommt er auf Mietverträge, die dem
Teilanwendungsbereich des § 1 (4) und (5) MRG unterliegen, sowie auf Untermietverträge,
wobei ein Teil der Literatur10 eine analoge Anwendung für diese Fälle bejaht.11 Handelt es sich
um Mietverträge oder genossenschaftliche Nutzungsverträge über Objekte, die von einer
gemeinnützigen Bauvereinigung (kurz: GBV) im eigenen Namen errichtet wurden bzw auf die
die Voraussetzungen des § 20a WGG12 zutreffen und die im Eigentum oder Baurecht einer
GBV stehen, ist § 8 MRG nach § 20 (1) Z 1 lit b WGG iVm § 1 (3) MRG auch in den Fällen des
§ 1 (2), (4) und (5) MRG anwendbar. Gleiches gilt für Nutzungsgegenstände, die im
Wohnungseigentum einer GBV stehen (§ 20 (1) Z 2 WGG).13

10 Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, MRG3 § 8 MRG Rz 3.
11 H. Böhm/Pletzer in GeKo Wohnrecht I § 8 MRG Rz 1.
12 BGBl I 1979/139.
13 H. Böhm/Pletzer in GeKo Wohnrecht I § 8 MRG Rz 2.

                                                                                             11
IV. Besitzschutz des Mieters

1. Allgemeines zum Sach- und Rechtsbesitz

Hat jemand eine körperliche Sache mit dem Willen inne, diese als die seinige zu behalten, so
liegt Sachbesitz vor.14 Rechtsbesitzer hingegen ist derjenige, der eine körperliche Sache zwar
nicht als die seinige innehat, mit ihr allerdings in einer Weise verfährt, für die es einer
bestimmten Berechtigung bedarf, wie beispielsweise eines Gebrauchsrechts.15 Rechtsbesitz
ist daher die Ausübung eines besitzfähigen Rechts in eigenem Namen, wobei es auf den
tatsächlichen Bestand dieses Rechts aber nicht ankommt. 16 Der Rechtsbesitz muss dabei so
ausgeübt werden, dass die Zugehörigkeit der Sache zum Ausübenden für Dritte sichtbar zum
Ausdruck kommt.17 Da sich ein Recht – anders als eine körperliche Sache beim Sachbesitz –
nicht in der Gewahrsame einer Person befinden kann, tritt bei Rechten an die Stelle des corpus
die Ausübung des jeweiligen Rechts.18

Nach heute überwiegend vertretener Ansicht sind Rechtsbesitz und Besitzschutz nur an
solchen Rechten möglich, die gleichzeitig mit der Innehabung oder dem sonstigen Gebrauch
einer körperlichen Sache verbunden sind (zB Miete). Begründet wird dies damit, dass nur bei
dieser Art von Rechten die Ausübung durch eine gegen die Sache gerichtete Handlung
beeinträchtigt werden kann. Ein Teil der Lehre (zB Kodek) lehnt diese Einschränkung
allerdings ab.19 Auch die Rsp bejaht beispielsweise Rechtsbesitz an Bezugsrechten.20

Da unter Besitz auch ein Zustand der Innehabung verstanden wird, kommt er nur an jenen
Rechten in Betracht, die eine dauerhafte Ausübung erlauben, wie zB das Mietrecht.21

2. Sach- und Rechtsbesitz im Mietverhältnis

Im Verhältnis Mieter / Vermieter bestehen Sach- und Rechtsbesitz nebeneinander, es herrscht
sog „doppelter Besitz“, auch „mehrstufiger Besitz“ genannt.22 Sachbesitzer bleibt der
Wohnungseigentümer, der die Wohnung vermietet, da sich diese in seiner mittelbaren
Gewahrsame befindet und er auch den Willen hat, sie als die seinige zu behalten. Der Mieter
ist Rechtsbesitzer, da er in eigenem Namen ein auf Dauer angelegtes Gebrauchsrecht ausübt,
welches mit der Innehabung einer körperlichen Sache, dem Mietgegenstand, verbunden ist.
Der Umfang des Sachbesitzes des Vermieters wird durch den Rechtsbesitz des Mieters, der

14 Riedler, Zivilrecht V Sachenrecht5 (2018) Rz 12/13; Eccher/Riss in Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg),
Kurzkommentar zum ABGB6 (2020) § 311 ABGB Rz 1; Iro/Riss, Sachenrecht7 (2019) Rz 2/9.
15 Iro/Riss, Sachenrecht7 Rz 2/10.
16 Riedler, Sachenrecht5 Rz 12/15; Kodek in Kletečka/Schauer (Hrsg), ABGB-ON1.03 – Kommentar zum

Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (Stand: 01.01.2018) § 311 ABGB Rz 3; Holzner in Rummel/Lukas (Hrsg),
Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch4 § 311 ABGB Rz 3; LGZ Wien 39 R 262/13p =
MietSlg 66.008.
17 RIS-Justiz RS0010125.
18 Riedler, Sachenrecht5 Rz 12/16, Kodek in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 311 ABGB Rz 3.
19 Kodek in Kletečka/Schauer, ABGB- ON1.03 § 311 ABGB Rz 6.
20 Illedits in Schwimann/Neumayr, ABGB5 § 311 ABGB Rz 3 mwN.
21 Holzner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 311 Rz 3; Illedits in Schwimann/Neumayr, ABGB5 § 311 ABGB Rz 3.
22 LGZ Wien 42 R 992/83 = MietSlg 35.020; LGZ Wien 40 R 489/11z = MietSlg 64.011; Kodek in

Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 311 Rz 2; Anzenberger in Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar5
(2019) § 311 ABGB Rz 3.

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diesem gegenüber Vorrang genießt, beschränkt. Folglich darf der Vermieter als Sachbesitzer
keine Handlungen vornehmen, die den Mieter in seinem Rechtsbesitz beeinträchtigen
könnten.23 Umgekehrt ist aber auch der Mieter verpflichtet, Handlungen zu unterlassen, die
über den vertragsgemäßen und der Verkehrssitte entsprechenden Umfang seines
Gebrauchsrechts hinausgehen, da es sich dabei um einen Eingriff in den Sachbesitz des
Vermieters handelt, wogegen sich dieser mit der Besitzstörungsklage zur Wehr setzen kann.24

3. Umfang des Rechtsbesitzes des Mieters

Wie oben ausgeführt, ist der Mieter Rechtsbesitzer, und als solchem steht ihm Besitzschutz
an dem von ihm gemieteten Objekt zu.25 Greift der Vermieter unzulässigerweise in den
Rechtsbesitz des Mieters ein, so begeht er eine Besitzstörung, die den Mieter – bei Vorliegen
der dafür notwendigen Voraussetzungen – zur Erhebung der Besitzstörungsklage gem
§ 339 ABGB berechtigen.26 Für die Beantwortung der Frage, ob es sich um einen unzulässigen
Eingriff in den Rechtsbesitz handelt, muss zunächst der Umfang des Gebrauchsrechts des
Mieters bestimmt werden.

Nach stRsp richtet sich der Rechtsbesitz des Mieters in erster Linie nach der durch den
Mietvertrag getroffenen Vereinbarung, wobei die zwingenden Grenzen der §§ 8 ff MRG zu
beachten sind. Fehlt es an einer derartigen vertraglichen Vereinbarung, so sind sekundär der
Zweck des Bestandverhältnisses und letztlich Ortsgebrauch und Verkehrssitte für die
Bestimmung des Umfangs von Bedeutung.27

3.1. Hausordnung

Maßgeblich für den Umfang des Gebrauchsrechts ist neben dem Mietvertrag regelmäßig auch
das Bestehen einer Hausordnung. Da eine solche Vertragsbestandteil wird, kann sie
grundsätzlich nicht nachträglich einseitig zulasten des Mieters abgeändert werden.28 Eine für
den Mieter nachteilige Änderung ist nach der Rsp nur dann möglich, wenn dadurch die
Ausübung des Mietrechts nicht wesentlich erschwert oder gefährdet wird. 29

In LGZ Wien 48 R 704/89 wurde es beispielsweise als unzulässige Änderung gewertet, dem
Mieter den Zugang zum Kohlelager und zum Müllablagerungsplatz nur mehr wochentags für
jeweils eine Stunde täglich zu ermöglichen. Dies begründete das Gericht damit, dass eine
Wohnung ihrem Zwecke nach nicht zur Lagerung von Heizmaterial bestimmt ist bzw die Gefahr
eines „sanitären Überstandes“ besteht, wenn anfallender Haushaltsmüll nicht täglich aus der
Wohnung entfernt werden kann.30

23 Riedler, Sachenrecht5 Rz 12/18; LGZ Wien 39 R 293/14y = MietSlg 67.010.
24 LGZ Wien 38 R 174/09h = MietSlg 62.009; LGZ Wien 41 R 1127/84 = MietSlg 36.014.
25 LGZ Wien 38 R 25/15f = MietSlg 67.012; LGZ Wien 38 R 145/17f = MietSlg 69.012.
26 LGZ Wien 40 R 117/16a = MietSlg 68.015.
27 LGZ Wien 39 R 23/19z = MietSlg 71.006; LGZ Wien 38 R 6/18s = MietSlg 70.013; LGZ Wien 38 R 145/17f =

MietSlg 69.012; LGZ Wien 39 R 12/16b = MietSlg 68.596; LGZ Wien 38 R 297/15f = MietSlg 68.155;
LGZ Wien 41 R 102/09t = MietSlg 61.023 uva; H. Böhm/Pletzer in GeKo Wohnrecht I § 8 MRG Rz 6.
28 RIS-Justiz RS0020982.
29 LGZ Wien 48 R 704/89 = MietSlg 42.111; OGH 7 Ob 631/87 = MietSlg 39.131.
30 LGZ Wien 48 R 704/89 = MietSlg 42.111.

                                                                                                          13
3.2. Ortsgebrauch und Verkehrssitte

Ergibt sich der Umfang des Gebrauchsrechts nicht eindeutig aus der vertraglichen
Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter, so sind für die Beurteilung Ortsgebrauch und
Verkehrssitte heranzuziehen. Eine Beurteilung nach diesen Maßstäben ist vor allem im
Zusammenhang mit der Nutzung von allgemeinen Teilen eines Hauses, in dem sich das
Mietobjekt befindet, von Bedeutung (siehe dazu folgendes Kapitel 3.3. Nutzung allgemeiner
Teile des Hauses).

Verkehrsüblicher Nutzung eines Bestandgegenstandes entspricht beispielsweise das
Anbringen einer Geschäftsbezeichnung durch den Mieter an der Außenseite des Hauses eines
zu Geschäftszwecken vermieteten Portallokals,31 sowie das Anbringen eines Namensschildes
oder Briefkastens/Zeitungshalters außerhalb des Mietobjektes.32 Hingegen wurde das
Anbringen eines Klimageräts an der Außenfassade eines Gebäudes als eine weder dem
Ortsgebrauch noch der Verkehrssitte entsprechende Nutzung gewertet. 33

Insgesamt gilt, dass geringfügige Veränderungen des Mietgegenstandes, die kein vernünftiger
Mensch als Nachteil empfinden würde, eine der Verkehrssitte entsprechende Nutzung
darstellen.34 Um einen derart geringfügigen Eingriff handelt es sich beispielsweise auch bei
der Anbringung eines kleinen Bohrlochs im Türstock, um ein Antennenkabel von einem Raum
in einen anderen verlegen zu können.35 Nach der Rsp stellt auch die Verfliesung der Wände
sowie das Einziehen einer Zwischendecke, die leicht entfernt werden kann, keinen
unzulässigen Eingriff in den Sachbesitz des Vermieters dar. 36 Größere Veränderungen des
Bestandgegenstandes, wie zB die Entfernung eines Türstocks und Vermauern der Öffnung,37
überschreiten hingegen die Grenzen des zulässigen Gebrauchs.

Etwas widersprüchlich erscheint in diesem Zusammenhang die Zulässigkeit der Verfliesung
von Wänden, da dies mMn einen nicht unerheblichen Eingriff in die Bausubstanz des
Bestandgegenstandes darstellt. Denkt man daran, dass dem Vermieter möglicherweise die
vom Mieter angebrachten Fliesen aus ästhetischen Gründen missfallen, so ist es doch mit
einem beträchtlichen Aufwand verbunden, diese wieder zu entfernen.

Regelmäßig werden Ortsgebrauch und Verkehrssitte auch durch öffentlich-rechtliche
Vorschriften bestimmt.38 Beispielsweise stellt der Einbau einer behördlich angeordneten
Brandabschnittstür am Gang noch keinen unzulässigen Eingriff in den Rechtsbesitz des
Mieters dar.39

3.3. Nutzung von allgemeinen Teilen eines Hauses

Der Rechtsbesitz eines Mieters umfasst nicht nur den bloßen Gebrauch des gemieteten
Bestandobjektes, sondern auch die zu dessen Nutzung erforderlichen allgemeinen Teile eines

31 LGZ Wien 40 R 489/11z = MietSlg 64.011.
32 LGZ Wien 39 R 68/07z = MietSlg 59.008.
33 LGZ Wien 38 R 206/10s = MietSlg 63.162.
34 LGZ Wien 39 R 68/07z = MietSlg 59.008.
35 LGZ Graz 3 R 280/95 = MietSlg 47.010.
36 LGZ Wien 42 R 245/80 = MietSlg 32.019
37 LGZ Wien 38 R 209/07b = MietSlg 59.009; LGZ Wien 41 R 129/05g = MietSlg 57.019.
38 LGZ Wien 41 R 102/09t = MietSlg 61.023.
39 LGZ Wien 40 R 236/12w = MietSlg 64.019.

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(Wohn)Hauses. Dazu zählen etwa der Mitgebrauch von Stiegenhaus, Hausflur und
Hauszugang.40 Für die Beurteilung, ob es sich um einen zulässigen, den Sachbesitz des
Vermieters nicht beeinträchtigenden Eingriff handelt, sind wie bereits erwähnt Ortsgebrauch
und Verkehrssitte heranzuziehen.

Nach der Rsp umfasst der Mitbesitz des Mieters an allgemeinen Teilen eines Wohnhauses
beispielsweise ein im Eingangsbereich eines Wohnhauses angebrachtes „schwarzes Brett“.
Dieses dient nämlich nicht nur der ausschließlichen Informationsweitergabe des Vermieters
an die Mieter, sondern auch – mangels gegenteiliger vertraglicher Vereinbarung – dem
Informationsaustausch zwischen den Mietern.41

Vom Rechtsbesitz des Mieters ist auch die Ausrichtung der Fenster einer Wohnung erfasst.
Wird eine Wohnung vermietet, deren Fenster ins Freie gerichtet sind und nicht auf einen Gang,
ist die Ausrichtung dieser Fenster trotz des Umstandes, dass die Fenster selbst und der davor
liegende Luftraum nicht zum Bestandobjekt gehören, sondern allgemeine Teile des Hauses
sind, vom Rechtsbesitz des Mieters erfasst. Ein Verbauen dieser Wohnungsfenster zur
Errichtung eines Liftschachts, sodass sie hinterher in einen Gang münden, stellt daher eine
wesentliche Beeinträchtigung des Bestandrechts des Mieters dar, da Außenfenster
bestimmungsgemäß auch der Frischluftzufuhr dienen.42

Wurde von einem Mieter ein Stellplatz für sein KFZ angemietet, so gehört auch der freie und
ungehinderte Zugang bzw die Zufahrt zu diesem zum Gebrauch seines Mietobjektes.43
Beinhaltet der Mietvertrag die Erlaubnis zur Nutzung von Elektroleitungs-, Gasleitungs-,
Wasserleitungs-, Beheizungs- sowie sanitären Anlagen eines Hauses, so kommt dem Mieter
eines Geschäftslokals auch ein entsprechendes Recht auf Benützung des Zugangs zu einer
im Keller befindlichen Klima- und Lüftungsanlage zu.44

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Grat zwischen zulässiger Nutzung von
allgemeinen Teilen eines Hauses und unzulässigem Eingriff in den Sachbesitz des Vermieters
ein sehr schmaler ist. Da eine Beurteilung in diesen Fällen häufig anhand der Verkehrssitte
und des Ortsgebrauches vorgenommen werden muss, führt dies mitunter zu sehr
einzelfallabhängigen Entscheidungen.

3.4. Konkludente Erweiterung des Gebrauchsrechts

Stellt eine Handlung des Mieters auf den ersten Blick einen unzulässigen Eingriff in den
Sachbesitz des Vermieters dar, so muss im Besitzstörungsverfahren geklärt werden, ob es
möglicherweise zu einer konkludenten Erweiterung des Gebrauchsrechts des Mieters
gekommen ist, wodurch die in Streit stehende Handlung vom Rechtsbesitz des Mieters
gedeckt sein könnte.

Nach der Rsp stellt zB die Überlassung weiterer Räume oder Abstellplätze durch den
Bestandgeber ohne Bestandzinserhöhung eine schlüssige Erweiterung des Gebrauchsrechts
dar, wenn der Vermieter nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich dabei um eine

40 LGZ Wien 39 R 419/05i = MietSlg 58.016; LGZ Wien 39 R 68/07z = MietSlg 59.008.
41 LGZ Wien 41 R 35/09i = MietSlg 61.017; LGZ Wien 39 R 419/05i = MietSlg 58.016.
42 LGZ Wien 41 R 121/09m = MietSlg 61.025.
43 LGZ Wien 38 R 222/08s = MietSlg 61.018 mwN.
44 LGZ Wien 41 R 75/01k = MietSlg 53.154.

                                                                                           15
jederzeit widerrufbare Benützungsüberlassung iSd § 974 ABGB handelt.45 Auch in der
jahrelangen Duldung des Aufstellens eines Flugdaches (=Carport) ohne ausdrücklichen
Vorbehalt der jederzeitigen Widerrufbarkeit ist eine Ausweitung des Mietvertrages zu sehen.46

Eine konkludente Erweiterung des Gebrauchsrechts bejahte das LGZ Wien auch in
48 R 371/87, wo vom Mieter im Hof eine Garage errichtet wurde, die dort über Jahrzehnte
hinweg verblieb und welche gemeinsam mit der Zufahrt im Laufe der folgenden Jahre adaptiert
und erneuert wurde. Dies alles geschah in Kenntnis des Vermieters, wodurch keine Zweifel
daran bestanden, dass der Mieter damit ein Recht in diesem Umfang in Anspruch nehmen
wollte und dies auch vom Vermieter nicht anders aufgefasst werden konnte. 47

Wie die dargestellten Entscheidungen zeigen, kommt es, um eine konkludente Erweiterung
des Gebrauchsrechts des Mieters annehmen zu können, darauf an, dass die erweiterte
Gebrauchsausübung über einen längeren Zeitraum hinweg aufrechterhalten wurde, der
Vermieter Kenntnis von der Erweiterung hatte, dagegen allerdings nichts unternahm
(zB Ausspruch eines Vorbehalts oder Besitzstörungsklage) und letztlich auch keine Erhöhung
des Mietzinses für den erweiterten Gebrauch stattgefunden hat. Dies entspricht auch stRsp,
wonach gilt, dass eine Erweiterung des Gebrauchsrechts eines Bestandnehmers nur dann
vermutet werden kann, wenn das Verhalten der Beteiligten bei Überlegung aller Umstände
keinen vernünftigen Grund übriglässt, daran zu zweifeln. Die Prüfung dieser Frage hat dabei
unter Berücksichtigung der Übung des redlichen Verkehrs nach objektiven Maßstäben zu
erfolgen.48

4. Vorliegen einer Besitzstörungshandlung

4.1. Voraussetzungen für das Vorliegen einer Besitzstörungshandlung

Voraussetzung für eine Besitzstörungsklage ist der Eingriff in fremde Besitzrechte. Nach der
Rsp bedarf es hierzu eines räumlichen Übergriffs in die Macht und Gewahrsame des Besitzers.
Im Falle eines Mieters bedeutet dies einen Übergriff in den Gebrauch seines Mietobjektes. 49

Eine Besitzstörung liegt allerdings nur dann vor, wenn es sich um einen erheblichen Eingriff in
den Rechtsbesitz handelt. Das bedeutet, es muss zu einer wesentlichen Änderung der
bisherigen Gebrauchsordnung gekommen sein, die im Vergleich zur bisherigen Lage einen
Nachteil für den Mieter darstellt.50 Eine Störung ist nicht verfolgbar, wenn sich die
Besitzstörungsklage als Schikane des Beeinträchtigten erweist. Dies trifft auf all jene Fälle zu,
bei denen es sich um sehr geringfügige Eingriffe handelt, die im Vergleich zur bisherigen Lage
keinen wirklichen Nachteil für den Mieter darstellen.51

In LGZ Wien 38 R 6/18s wurde das Versperren einer Zugangsmöglichkeit zur Wohnung der
Klägerin nicht als Besitzstörungshandlung gewertet, da der Klägerin mehrere

45 LGZ Wien 48 R 371/87 = MietSlg 39.090.
46 LGZ Graz 3 R 334/93 = MietSlg 46.086.
47 LGZ Wien 48 R 371/87 = MietSlg 39.090.
48 RIS-Justiz RS0011878; vgl auch OGH 4 Ob 2313/96 = wobl 1997/33, 139; OGH 31.05.1989, 8 Ob 602/89; LGZ

Wien 38 R 206/10s = MietSlg 63.162.
49 LGZ Wien 40 R 117/16a = MietSlg 68.015.
50 LGZ Wien 38 R 6/18s = MietSlg 70.013.
51 LGZ Wien 38 R 276/17w = MietSlg 70.011.

                                                                                                      16
Zugangsmöglichkeiten zu ihren Bestandobjekten zur Verfügung standen. Aufgrund der zur
Verfügung stehenden Alternativen beurteilte das Gericht den Eingriff nicht als wesentliche,
nachteilige Änderung der bisherigen Gebrauchsordnung.52

Als ein nicht unerheblicher Eingriff in den Rechtsbesitz des Mieters wurde hingegen die
Unterbrechung der Gaszufuhr während der Winterzeit gewertet, wodurch das Beheizen einer
Wohnung verhindert wurde.53 Bei bloß kurzfristigen Unterbrechungen einer
Versorgungsleitung infolge von notwendigen Reparaturarbeiten wird von der Rsp das
Vorliegen einer Besitzstörung aber verneint, allerdings unter der Voraussetzung, dass dem
Mieter im Vorfeld bekanntgegeben wird, dass es sich bei der Störung um einen
vorübergehenden Eingriff handelt.54

Eine Besitzstörungshandlung kann sogar dann vorliegen, wenn der Vermieter Umbauarbeiten
durchführt, die der Mieter nach § 8 (2) MRG zu dulden hat. Dies deswegen, weil über das
Bestehen dieser Verpflichtung im petitorischen und nicht im possessorischen Verfahren zu
entscheiden ist.55 Selbst wenn eine entsprechende Duldungspflicht des Mieters bestehen
würde, darf der Vermieter – das Vorliegen von Gefahr im Verzug ausgenommen – nicht
eigenmächtig vorgehen, sondern muss versuchen, die Zustimmung des Mieters zu erlangen,
bzw bei Nichtzustimmung ein petitorisches Verfahren gem § 37 (1) Z 5 MRG anstrengen. 56

4.2. Einschränkung einer Nutzungsmöglichkeit

Der Besitzschutz eines Mieters bezieht sich nach der Rsp nicht nur auf die Sachherrschaft am
gemieteten Mietgegenstand selbst, sondern auch auf die Nutzungsmöglichkeit an diesem. Für
die Beurteilung der Zulässigkeit des Eingriffs ist daher entscheidend, ob die mit der
Sachherrschaft verbundenen Nutzungsmöglichkeiten erhalten blieben.

In LGZ Wien 39 R 273/10a wurde die Einschränkung einer Nutzungsmöglichkeit an einer
Gangtoilette als eine Störung des Rechtsbesitzes gewertet. In casu wurde dem Kläger ein
bestimmtes Gang- WC zur gemeinsamen Benutzung mit Mietern einer zweiten Wohnung
zugewiesen. Durch den Umstand, dass nun mehrere Personen einer dritten Wohnung an der
Nutzung der Gangtoilette beteiligt wurden, kam es zu einer Störung des Rechtsbesitzes des
klagenden Mieters.57

Die gleiche Ansicht vertrat das LGZ Wien auch in 39 R 206/13b. In diesem Fall wurde die
Nutzungsmöglichkeit durch Aufstellen eines Zauns beeinträchtigt, wobei allerdings eine
Restnutzungsmöglichkeit bestehen blieb. Durch die Störungshandlung wurde der Umfang der
Nutzungsmöglichkeit dahingehend eingeschränkt, dass Fahrzeuge in einem Hof nicht mehr
abgestellt werden konnten bzw das Reversieren und Rangieren nur mehr unter erschwerten
Umständen möglich war.58

In OGH 4 Ob 2313/96 kam es zu einem unzulässigen Eingriff in den Rechtsbesitz von
mehreren Mietern durch Zuteilung von Parkplätzen an bestimmte Mieter. Bevor die Parkplätze

52 LGZ Wien 38 R 6/18s = MietSlg 70.013.
53 LGZ Wien 38 R 276/17w = MietSlg 70.011.
54 LGZ Wien 39 R 715/97d = MietSlg 50.011; LGZ Wien 39 R 716/97a = MietSlg 50.011; vgl auch

LGZ Wien 42 R 439/78 = MietSlg 30.028.
55 LGZ Wien 41 R 488/84 = MietSlg 36.016; LGZ Wien 39 R 594/97k = MietSlg 49.012.
56 LGZ Wien 39 R 594/97k = MietSlg 49.012.
57 LGZ Wien 39 R 273/10a = MietSlg 62.012.
58 LGZ Wien 39 R 206/13b = MietSlg 65.019.

                                                                                              17
von der Vermieterin an bestimmte Personen zu deren ausschließlicher Nutzung vergeben
wurden, hatten die Mieter eines Wohnhauses das Recht, ihr Fahrzeug je nach Verfügbarkeit
von freien Stellplätzen auf dem Grundstück zu parken. Die Mieter hatten dadurch ein
Mitbenutzungsrecht an der Gesamtfläche, welches bloß durch die Mitbenutzungsrechte
anderer Mieter eingeschränkt wurde. Durch die Zuteilung der Parkplätze an bestimmte
Personen kam es zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Rechtsbesitzes des einzelnen
Mieters.59

Wie die dargestellten Entscheidungen zeigen, ist bei der Beurteilung, ob ein Eingriff in den
Rechtsbesitz vorliegt, ein Vergleich zwischen der Gebrauchsordnung vor und jener nach der
Störungshandlung vorzunehmen. Weicht die Nutzungsmöglichkeit nach der Störung zum
Nachteil des Klägers von der Nutzungsmöglichkeit vor der Störung ab, so liegt ein unzulässiger
Eingriff in den Rechtsbesitz vor. Dabei kommt es aber nicht darauf an, ob für den
beeinträchtigten Mieter eine Restnutzungsmöglichkeit bestehen bleibt.

5. Ende des Rechtsbesitzes des Mieters

Nach stRsp ist das Ende eines Mietverhältnisses nicht mit der Beendigung des Rechtsbesitzes
am Bestandobjekt gleichzusetzen, dh vom Erlöschen des Mietrechts kann nicht auf den
Verlust des Besitzes geschlossen werden.60 Bereits § 351 letzter Satz ABGB normiert, dass
der Rechtsbesitz durch den bloßen Nichtgebrauch – mit Ausnahme der vom Gesetz
bestimmten Fälle – nicht verloren geht. Zur Aufgabe des Rechtsbesitzes ist der erkennbare
Entschluss, das Recht nicht mehr besitzen zu wollen (animus in contrario), erforderlich.61

Im Kontext des Mietverhältnisses bedeutet dies, dass weder die einvernehmliche Auflösung
noch die Kündigung des Bestandverhältnisses oder der Ablauf der Bestandzeit den
Rechtsbesitz des Mieters am Mietobjekt beenden. Auch das Verstreichen eines vereinbarten
Räumungstermins führt nicht zum Erlöschen des Rechtsbesitzes.62

Der Willensentschluss, den Rechtsbesitz aufgeben zu wollen, muss vom Mieter allerdings
nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann sich auch aus schlüssigen Handlungen
ergeben. Bei der Annahme einer konkludenten Besitzaufgabe ist allerdings zurückhaltend
vorzugehen. ISd § 863 (1) ABGB kann eine solche nur dann angenommen werden, wenn der
Mieter Handlungen oder Unterlassungen setzt, welche bei Berücksichtigung aller Umstände
des Einzelfalls keinen vernünftigen Grund übriglassen, am Willen des Mieters zur Aufgabe des
Rechtsbesitzes zu zweifeln.63

Nach der Rsp verhindert die Nichtausfolgerung der Schlüssel an die Vermieterin die Annahme
eines schlüssigen Verzichts der Mieterin auf ihr Mietrecht, da sich aus diesem Verhalten
eindeutig ergibt, dass die Klägerin ihr Recht noch weiterhin ausüben möchte. 64 Auch wenn

59 OGH 4 Ob 2313/96 = wobl 1997/33, 139.
60 LGZ Wien 39 R 262/13p = MietSlg 66.008; LGZ Wien 39 R 42/13k = MietSlg 65.026; LGZ Wien 40 R 140/00k =
MietSlg 52.014; LGZ Wien 41 R 504/95 = MietSlg 47.014; LGZ Wien 39 R 443/02i = MietSlg 55.026.
61 LGZ Wien 41 R 458/86 = MietSlg 38.020; LGZ Wien 39 R 262/13p = MietSlg 66.008; LGZ Wien 39 R 42/13 k =

MietSlg 65.026; LGZ Wien 41 R 504/95 = MietSlg 47.014.
62 LGZ Wien 39 R 262/13p = MietSlg 66.008; LGZ Wien 39 R 42/13k = MietSlg 65.026; LGZ Wien 39 R 443/02i =

MietSlg 55.026; LGZ Graz 3 R 230/87 = MietSlg 39.022.
63 LGZ Wien 39 R 42/13k = MietSlg 65.026; LGZ Wien 40 R 140/00k = MietSlg 52.014; LGZ Wien 42 R 305/89 =

MietSlg 32.024; LGZ Wien 42 R 112/79 = MietSlg 31.028.
64 LGZ Wien 39 R 279/09g = MietSlg 61.027.

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ein Mieter seine Wohnung über einen längeren Zeitraum nicht benützt, so kann darin noch
kein schlüssiger Verzicht auf den Rechtsbesitz gesehen werden.65 Der Rechtsbesitz des
Mieters erlischt auch nicht mit dem bloßen Einverständnis des Bestandnehmers zur Auflösung
des Mietverhältnisses oder bei berechtigter Vertragsaufhebung durch den Vermieter.66 Auch
eine Auflösungserklärung des Mieters gem § 1117 ABGB führt nicht zur Beendigung des
Rechtsbesitzes.67

Der Rechtsbesitz erlischt, wenn der Vermieter sich der Rechtsausübung widersetzt und der
Mieter sich nicht rechtzeitig durch Besitzstörungsklage oder Selbsthilfe zur Wehr setzt.68
Verloren geht der Rechtsbesitz auch mit dem Untergang der Bestandsache, wenn
beispielsweise das Mietobjekt durch Abtragung zur Gänze zerstört wird.69 Da gem § 311 ABGB
eine untergegangene Sache nicht mehr Gegenstand des rechtlichen Verkehrs sein kann, ist
auch die Begründung von Rechtsbesitz an einer solchen nicht mehr möglich.70

65 LGZ Wien 39 R 42/13k = MietSlg 65.026.
66 LGZ Wien 40 R 140/00k = MietSlg 52.014.
67 LGZ Wien 39 R 443/02i = MietSlg 55.026.
68 LGZ Wien 41 R 420/85 = MietSlg 37.016.
69 LGZ Wien 39 R 443/02i = MietSlg 55.026.
70 LGZ Wien 38 R 190/17y = MietSlg 69.008 mwN.

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V. Betretungs- und Besichtigungsrecht des Vermieters bzw einer von
diesem beauftragten Person

1. Allgemeines

Wie bereits unter Kapitel III. Duldungspflichten im Allgemeinen ausgeführt, ist der Vermieter
gem § 1096 ABGB verpflichtet, den Mieter nicht in seinem Recht auf ungestörten Gebrauch
seines Mietobjektes zu stören. Diese Pflicht wird dadurch eingeschränkt, dass der
Bestandgeber das Recht hat, den Mietgegenstand zu betreten, sofern dies im Interesse der
Erhaltung des Hauses oder zur notwendigen Aufsicht darüber erforderlich ist (stRsp). 71

Für Mietwohnungen, die dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegen, regelt
§ 8 (2) HS 1 MRG das Betretungsrecht des Vermieters. Diese Regelung beruht auf den zu
§ 1098 ABGB von der Rsp entwickelten Grundsätzen.72 Im Vollanwendungsbereich entspricht
das Betretungsrecht somit inhaltlich jenem des ABGB und beinhaltet davon nichts
Abweichendes.73 Für Mietgegenstände, die in den Teil- oder Nichtanwendungsbereich des
MRG fallen, leitet die Rsp ein entsprechendes Recht weiterhin aus § 1098 ABGB ab.74

Nach stRsp gilt, dass der Mieter ein Betreten seines Mietgegenstandes durch den Vermieter
nur zu dulden hat, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der vom Bestandgeber auch darzulegen
ist. Zusätzlich muss auf Seiten des Vermieters ein schwerwiegendes, berechtigtes Interesse
bestehen, welches den Zutritt erfordert.75

In den nun folgenden Ausführungen beschäftigt sich diese Arbeit anhand ausgewählter
Judikaturbeispiele mit der Frage, welche Aspekte bei der Interessenabwägung zwischen
Mieter und Vermieter eine Rolle spielen und welche Gründe von Gerichten als „wichtige
Gründe“ iSd § 8 (2) MRG qualifiziert werden.

2. Interessenabwägung

Bei Beurteilung der Frage, ob eine Duldungspflicht des Mieters besteht, ist eine – seit dem
3. Wohnrechtsänderungsgesetz (kurz: WÄG)76 – ausdrücklich im Gesetz verankerte
Abwägung der Interessen des Vermieters mit jenen des Mieters durchzuführen.77
§ 8 (2) HS 1 MRG ordnet dazu an, dass „die berechtigten Interessen des Mieters nach
Maßgabe der Wichtigkeit des Grundes angemessen zu berücksichtigen sind.“ Bei dieser
Anordnung handelt es sich um einen allgemeinen, im Mietrecht in Lehre und Rsp anerkannten
Grundsatz der gegenseitigen Interessenwahrungspflicht. Danach ist bei der Wahrnehmung
der eigenen Rechte auch auf die Interessen des Vertragspartners und der Mitbewohner eines

71 RIS-Justiz RS0021509; vgl auch OGH 1 Ob 754/82 = MietSlg 35.186.
72 Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, MRG3 § 8 MRG Rz 4.
73 Lovrek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1098 ABGB Rz 42; Beer/Vospernik in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht

Kurzkommentar3 § 8 MRG Rz 4.
74 Gaisbauer, Das Betretungsrecht des Vermieters, Österreichische Immobilien-Zeitung 1991, 19.
75 OGH 5 Ob 63/11t = MietSlg 63.280 = Zak 2011/368, 195 = wobl 2012/2, 9; LGZ Wien 38 R 247/01g = MietSlg

53.277; OGH 8 Ob 55/97i = MietSlg 50.032 = wobl 1998/205, 311.
76 BGBl I 1993/800.
77 Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, MRG3 § 8 MRG Rz 22.

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Hauses Rücksicht zu nehmen, wobei diese nach Möglichkeit zu schonen sind.78 Im
Anwendungsfall des Betretungsrechts des Vermieters bedeutet dies, dass die
Beeinträchtigung von schutzwürdigen Interessen des Mieters, die sich durch das Betreten
ergeben, zur Wichtigkeit des Zutrittsgrundes in Relation zu setzen sind.79 Der
Interessengegensatz zwischen Bestandgeber und Bestandnehmer ist dabei in einer Weise
auszugleichen, die beiden Teilen gerecht wird.80 Die Zumutbarkeit ist daher umso eher
gegeben, je schwerwiegender die berechtigten Interessen des Vermieters sind.81

2.1. Grundsatz der schonenden Ausübung

Der Vermieter ist – abgeleitet aus dem in § 8 (3) HS 1 MRG normierten Schonungsprinzip –
verpflichtet, sein Betretungsrecht – in Rücksicht auf die Rechte des Mieters – auf schonende
Weise auszuüben. Soweit nicht Gefahr im Verzug besteht, hat ein Betreten des
Mietgegenstandes durch den Vermieter nur nach entsprechender Anmeldung des Termins,
Absprache mit dem Mieter sowie zu üblichen, für den Mieter zumutbaren Tageszeiten zu
erfolgen.82 Eine Besichtigung durch den neuen Eigentümer während der Nacht, um das Objekt
kennenzulernen, oder eine mehrmalige Begehung im Hinblick auf eine beabsichtigte
Neuvermietung, würde dem Schonungsprinzip widersprechen.83 In 7 Ob 78/06 f sprach der
OGH aus, dass auch die Anmeldung eines an sich grundlosen Besuches diesen noch nicht
zulässig macht.84

Im Falle von Gefahr im Verzug bedarf es keiner Interessenabwägung, was bedeutet, dass der
Vermieter ohne Voranmeldung, ohne Wissen des Mieters und auch in dessen Abwesenheit
berechtigt ist, den Mietgegenstand zu betreten, sofern dies zur Erhaltung des Mietobjektes
erforderlich ist.85 Gefahr im Verzug liegt beispielsweise bei Brandgefahr, bei begründetem
Verdacht, dass einer im Mietgegenstand befindlichen Person etwas zugestoßen sein könnte,86
bei Vorliegen eines Wasserrohrbruchs87 oder bei drohendem Einsturz einer vermorschten
Deckenkonstruktion vor.88

78 Stabentheiner, Mietrecht4 (2014) Rz 178.
79 Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, MRG3 § 8 MRG Rz 22.
80 LGZ Wien 41 R 337/86 = MietSlg 38.164.
81 RIS-Justiz RS0069506; H. Böhm/Pletzer in GeKo Wohnrecht I § 8 MRG Rz 82; Lovrek in Rummel/Lukas,

ABGB4 § 1098 ABGB Rz 41; Prader, MRG6 § 1098 ABGB E 32.
82 OGH 9 Ob 15/05d = MietSlg 58.124 = JBl 2007, 42; OGH 5 Ob 63/11t = MietSlg 63.280 = Zak 2011/368, 195 =

wobl 2012/2, 9; LGZ Wien 38 R 30/00v = MietSlg 52.270; LGZ Wien 38 R 291/18b = MietSlg 71.239; Lovrek in
Rummel/Lukas, ABGB4 § 1098 ABGB Rz 41; Würth in Rummel (Hrsg), Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen
Gesetzbuch3 (2002) § 8 MRG Rz 3; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 8 MRG Rz 6.
83 Dirnbacher, Das Mietrechtsgesetz idF des ZahlungsverzugsG 2013 (2013) 155.
84 OGH 7 Ob 78/06f = JBl 2007, 181 = wobl 2007, 62 (Riss) = Zak 2007/45, 34.
85 RIS-Justiz RS0021509; OGH 1 Ob 541/77 = MietSlg 29.158; Iro/Rassi in KBB6 § 1098 ABGB Rz 4.
86 OBDK 05.11.1990, Bkd 129/89 = AnwBl 1991/3785, 399.
87 Dirnbacher, Das Mietrechtsgesetz idF des ZahlungsverzugsG 2013 155.
88 OGH 1 Ob 541/77 = MietSlg 29.158.

                                                                                                        21
2.2. Kriterien der Rsp für die Interessenabwägung

2.2.1. Schonendste Alternative bei mehreren gleichwertigen Alternativen

In OGH 5 Ob 63/11t beantragten die Antragsteller (Vermieter) mit verfahrenseinleitendem
Antrag an die Schlichtungsstelle, die Antragsgegnerin (Hauptmieterin) zur Duldung des Zutritts
zu den Bestandräumlichkeiten gem § 8 (2) MRG zu verpflichten, um in vierteljährlichen
Abständen eine Überprüfung der Dichtheit einer im Bestandobjekt befindlichen
Wasserversorgungsinnenanlage durch einen Fachmann vornehmen lassen zu können. Ihren
Antrag stützten die Antragsteller auf eine entsprechende, aus § 15 (4) Wiener
Wasserversorgungsgesetz (kurz: WVG)89 resultierende Verpflichtung, die vorsieht, eine
derartige Anlage vierteljährlich überprüfen lassen zu müssen.90

In § 15 (4) WVG sieht der Landesgesetzgeber allerdings drei Varianten zur Vornahme dieser
Dichtheitsprüfung vor: Erstens durch Überwachung des durchschnittlichen Tagesverbrauchs
durch monatliche Ablesung des Wasserzählers (lit a), zweitens durch Sperre aller
Entnahmestellen der Verbrauchsanlage verbunden mit der Kontrolle des Wasserzählers (lit b)
und drittens die Überprüfung der Dichtheit der Verbrauchsanlage durch einen bzw eine hierzu
nach den gewerberechtlichen Vorschriften berechtigte(n) Gewerbetreibende(n) (lit c).

Während die Antragsteller (Vermieter) auf der Vornahme der Dichtheitsprüfung gem
§ 15 (4) lit c WVG bestanden, da dies ihrer Meinung nach „die einzig wirklich effiziente Art und
Weise“ sei, um der Verpflichtung nachzukommen, argumentierte die Antragsgegnerin
(Mieterin), dass die Variante der lit a, welche von ihr selbst vorgenommen werden könne und
kein Betreten des Mietgegenstandes erfordere, ausreiche, um der Pflicht zu entsprechen.91

Während die Schlichtungsstelle und das Erstgericht dem Antrag der Antragsteller, allerdings
mit der Einschränkung auf bestimmte Tageszeiten, Folge leisteten, folgte der OGH in seiner
Entscheidung den Ausführungen des Rekursgerichtes. Danach ist § 15 (4) WVG nicht zu
entnehmen,     dass      der    Landesgesetzgeber       einer     der     drei vorgesehenen
Überprüfungsmöglichkeiten zur Dichtheitskontrolle den Vorzug gibt, sodass diese als
gleichwertige Alternativen zu betrachten sind. Ebenfalls bejahte er das Vorliegen eines
wichtigen Grundes iSd § 8 (2) MRG. Bei der Abwägung der Interessen der beteiligten Parteien
kam der OGH allerdings in seiner rechtlichen Begründung zu dem Ergebnis, dass das Ausmaß
und der Umfang des gewünschten Betretungsrechts eine Beeinträchtigung der berechtigten
Interessen der Mieterin darstellen würde, die durch eine als gleichwertig erachtete Methode
vermieden werden kann. Die besondere Belastung der Mieter sah der OGH vor allem darin,
dass betroffene Bestandnehmer alle drei Monate den Besuch des Installateurs abzuwarten
hätten, was einen nicht unerheblichen Eingriff in den Alltag darstellt.92

Zu dem Ergebnis, dass die Ablesung des Wasserzählers nicht zwingendermaßen durch einen
hierzu befugten Gewebetreibenden zu erfolgen hat, sondern auch durch jede nicht
fachkundige, verlässliche Person erfolgen kann, kam das Landesgericht für Zivilrechtssachen
Wien bereits in seiner Entscheidung 41 R 169/83 aus dem Jahre 1983.93

89 LGBl 1960/10.
90 OGH 5 Ob 63/11t = MietSlg 63.280 = Zak 2011/368, 195 = wobl 2012/2, 9.
91 Ebd.
92 Ebd.
93 LGZ Wien 41 R 169/83 = MietSlg 35.339.

                                                                                              22
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