ZUSAMMENHANG ZWISCHEN ANTIKÖRPERTITER UND MORTALITÄT BEI PATIENT/INNEN MIT SCHWEREM COVID-19 IMPFDURCHBRUCH

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ZUSAMMENHANG ZWISCHEN ANTIKÖRPERTITER UND MORTALITÄT BEI PATIENT/INNEN MIT SCHWEREM COVID-19 IMPFDURCHBRUCH
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ZUSAMMENHANG
                                        Lisa Judith Kolenchery

ZWISCHEN
                                        Angefertigt an der
                                        Abteilung für Innere

ANTIKÖRPERTITER
                                        Medizin der
                                        Barmherzigen Brüder

UND MORTALITÄT BEI
                                        Linz

PATIENT/INNEN MIT
                                        Betreuer
                                        Prim. Prof. Dr. Martin
                                        Clodi

SCHWEREM COVID-19                       Mitbetreuung

IMPFDURCHBRUCH                          OA Dr. Matthias Heinzl

                                        November 2022

Masterarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades

Dr. med. univ.
im Masterstudium
Humanmedizin

                                        JOHANNES KEPLER
                                        UNIVERSITÄT LINZ
                                        Altenberger Straße 69
                                        4040 Linz, Österreich
                                        jku.at
                                        DVR 0093696
ZUSAMMENHANG ZWISCHEN ANTIKÖRPERTITER UND MORTALITÄT BEI PATIENT/INNEN MIT SCHWEREM COVID-19 IMPFDURCHBRUCH
Inhalt

1.    Einleitung .............................................................................................................................. 4
      1.1. Hintergrund ................................................................................................................... 4
      1.2. Methodik........................................................................................................................ 4
      1.3. Ergebnisse .................................................................................................................... 4
      1.4. Zusammenfassung ........................................................................................................ 5
2.    Abstract ................................................................................................................................ 6
      2.1. Background ................................................................................................................... 6
      2.2. Methods ........................................................................................................................ 6
      2.3. Results .......................................................................................................................... 6
      2.4. Conclusion .................................................................................................................... 7
3.    Hintergrund ........................................................................................................................... 8
      3.1. Ätiologie ........................................................................................................................ 8
      3.2. Epidemiologie ................................................................................................................ 8
      3.3. Übertragung .................................................................................................................. 9
      3.4. Pathophysiologie ........................................................................................................... 9
      3.5. Komorbiditäten und Risikofaktoren für die Entwicklung eines schweren Verlaufs ........ 10
             3.5.1. COPD und Rauchen ......................................................................................... 11
             3.5.2. Diabetes ........................................................................................................... 12
             3.5.3. Kardiovaskuläre Erkrankungen, Hypertonie, Nierenerkrankungen und
                    Herzinsuffizienz ................................................................................................ 13
      3.6. Symptome ................................................................................................................... 13
      3.7. Bildgebung .................................................................................................................. 14
      3.8. Labor ........................................................................................................................... 15
      3.9. Diagnostik ................................................................................................................... 16
      3.10. Therapie .................................................................................................................... 17
      3.11. Komplikationen .......................................................................................................... 19
             3.11.1. Milder und moderater Verlauf einer Covid-19 Erkrankung ................................ 19
             3.11.2. Schwerer und Intensivpflichtiger Verlauf der SARS-CoV2 Infektion .................. 20
      3.12. Impfstoffe ................................................................................................................... 21
             3.12.1. Janssen Ad26.COV2.S Covid-19 Impfstoff ....................................................... 21
             3.12.2. Moderna mRNA-1273 und BioNTech-Pfizer BNT162b2 ................................... 22
             3.12.3. AstraZeneca ChAdOx1 ..................................................................................... 22
      3.13. Effektivität der Impfung bei der Deltavariante ............................................................. 23
      3.14. Impfdurchbrüche mit der Deltavariante ...................................................................... 24

02. November 2022                                                Lisa Judith Kolenchery                                                     2/61
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3.15. Varianten ................................................................................................................... 26
             3.15.1. Deltavariante ................................................................................................... 27
      3.16. Immunantwort auf eine SARS-CoV2 Infektion............................................................ 28
             3.16.1. Serokonversion der Antikörper ......................................................................... 29
             3.16.2. Antikörpertiter Verlauf nach der Impfung .......................................................... 30
4.    Experimentelle Auswertung ................................................................................................ 34
      4.1. Einschlusskriterien....................................................................................................... 36
      4.2. Ethische Aspekte ......................................................................................................... 36
      4.3. Zielsetzung und Fragestellung ..................................................................................... 37
      4.4. Statistik und Methoden ................................................................................................ 37
      4.5. Ergebnisse .................................................................................................................. 38
             4.5.1. Patientencharakteristik ...................................................................................... 38
5.    Diskussion .......................................................................................................................... 48
      5.1. Limitationen ................................................................................................................. 50
Literatur ..................................................................................................................................... 53

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1. Einleitung

     1.1. Hintergrund

Die Covid-19 Erkrankung wurde erstmals im Dezember 2019 in Wuhan (China) berichtet.
Seither wurden durch die Covid-19 Pandemie bereits zahlreiche Menschenleben gefordert und
vor allem ältere und multimorbide PatientInnen erliegen oft ihrer schweren SARS-CoV2
Infektion. Obwohl die Effektivität der Covid-19 Impfung sehr hoch ist, kam es während der
„Delta-Welle“ zu vermehrten Impfdurchbrüchen, die auch zu schweren bis tödlichen Verläufen
geführt haben. Wie hoch das Antikörperlevel nach zweimaliger Impfung sein muss, um bei einer
schweren Covid-Infektion den Tod oder die intensivmedizinische Betreuung zu vermeiden, ist
hierbei noch unklar.

     1.2. Methodik

Zwischen August und Dezember 2021 wurden 80 vollimmunisierte PatientInnen mit einer
schweren Impfdurchbruch Covid-19 Erkrankung auf der Abteilung für Innere Medizin bei den
Barmherzigen Brüdern in Linz stationär behandelt. Alle PatientInnen waren mit der Delta
Variante infiziert. Für die Datenanalyse wurden die Antikörpertiter der PatientInnen am Tag der
stationären Aufnahme gemessen und in Untergruppen mit einer Spannweite von jeweils 200
U/ml eingeteilt. In den jeweiligen Antikörperlevel Gruppen wurde die absolute und relative
Häufigkeit der gesamten Patientenzahl, der Verstorbenen und der intensivmedizinisch betreuten
PatientInnen berechnet und die Ergebnisse grafisch miteinander verglichen. Des Weiteren
wurde ein logistisches Regressionsmodell berechnet mit der Fragestellung, ob Alter, Anzahl der
Komorbiditäten und Höhe des anti-CoV2S Antikörperlevels zum Zeitpunkt der stationären
Aufnahme signifikant mit dem Endpunkt Tod assoziiert sind.

     1.3. Ergebnisse

10 von 12 der Verstorbenen (83.33%) hatten einen anti-CoV2S Antikörpertiter
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Die absolute Anzahl an verstorbenen PatientInnen mit einer Impfdurchbruchsinfektion mit einem
Antikörpertiter >600 U/ml war 2, wobei nur einer der beiden einen Titer >2400 U/ml hatte. Für
die intensivmedizinisch betreuten PatientInnen konnten ähnliche Ergebnisse bezüglich des
Antikörpertiters erfasst werden. Im logistischen Regressionsmodell sind weder das Alter
(p=0.282) noch die Anzahl an Komorbiditäten (p=0.284) signifikante Prädiktoren für den
Endpunkt Tod. Der Antikörpertiter zum Zeitpunkt der Aufnahme ist jedoch ein signifikanter
Prädiktor für die Mortalität (OR 0.402 pro 1000 U/ml, p=0.018)

     1.4. Zusammenfassung

Die Ergebnisse der retrospektiven Datenanalyse zeigen, dass fast alle vollimmunisierten
PatientInnen, die an einer schweren SARS-CoV2 Impfdurchbruchinfektion verstorben sind,
einen niedrigen Antikörpertiter von
2. Abstract

     2.1. Background

The novel Covid-19 disease was first reported in December 2019 in Wuhan (China) and has
claimed millions of deaths and severe courses. Most of all older people and patients with
multiple comorbidities have been affected by severe infections often leading to death. Since
2021 vaccination was available which was reported to be highly effective. However, several
vaccination breakthrough infections have been reported especially during delta and omicron
variant have appeared, leading to severe courses. The antibody level required for sufficient
protection against death and the need of intensive care unit treatment is still unknown.

     2.2. Methods

Between August to December 2021, 80 patients with a severe Covid-19 breakthrough infection
were treated in St. John's Hospital, Linz, Austria. All patients were infected with the delta variant
and were fully vaccinated according to the vaccination strategy at this time. The number of days
between the onset of symptoms and the day of hospitalization was recorded in the case history.
In 76 patients the anti-CoV2S antibody level was measured on the day of hospitalization with
enzyme-linked immunosorbent assay and divided into subgroups.
For each subgroup with the range of 200 U/ml the absolute and relative number of deaths and
treatments in the ICU were calculated and compared for the endpoints of intensive care unit
treatment and death. To calculate the predictive value of age, comorbidities and anti-CoV2S
antibody level a logistic regression model was created for mortality risk.

     2.3. Results

83.33% (n=10) of the deceased had an antibody level 2400 U/ml died. Patients who were treated in the ICU showed
similar results with low antibody levels. Neither the number of comorbidities (p=0.284) nor age
(p=0.282) were significant predictors for death in logistic regression model.
Only the antibody levels, measured at the time of hospitalization were a significant predictor for
reduced risk of death (OR 0.402 for every 1000 U/ml, p=0.018).

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2.4. Conclusion

Almost all deceased with a severe course of Covid-19 vaccine breakthrough infection had a low
antibody level (600 U/ml) but claimed
multiple comorbidities and old age. The anti-CoV2S antibody level, measured at day of
hospitalization proved to be a significant protective predictor against death (OR 0.402 for every
1000 U/ml, p=0.018).

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3. Hintergrund

     3.1. Ätiologie

Die Covid-19 Erkrankung ist eine Viruserkrankung und wird durch SARS-CoV2 hervorgerufen.
Dabei handelt es sich um ein RNA Virus aus der Familie der Coronaviren, die in die Unterformen
alpha, beta, gamma und delta unterschieden werden. Im Speziellen handelt es sich bei SARS-
CoV2 um ein Betacoronavirus, das neben der Alphaform zu den humanpathogenen Vertretern
zählt. Als Oberflächenprotein besitzt das Virus ein spezifisches Spikeprotein (S-Protein), das
dazu dient, mit dem exprimierten hACE2 Rezeptor der Wirtszelle (human angiotensin converting
enzyme 2) zu interagieren und dadurch den Eintritt in die Zelle zu gewährleisten. Als Wirtszelle
verwendet das Virus bevorzugt Typ-2 Pneumozyten der menschlichen Lunge, um seine
Replikation durchzuführen, da diese die meisten ACE2 Rezeptoren exprimieren [1]. Somit
handelt es sich bei SARS-CoV2 um ein Virus, das bevorzugt die Epithelzellen des oberen und
unteren Respirationstraktes sowie die Alveolarzellen der Lunge befällt [2]. Zusätzlich können
weitere ACE2-Rezeptor exprimierende Zellen der Niere, der Blutgefäße oder des Herzens
befallen werden [3].
Das SARS-CoV2 zeigt in den genetischen Analysen eine 96.2%ige Ähnlichkeit zum
BatCoVRaTG13, einem Coronavirus, das bei Rhinolophus affiis (eine insektenfressende
Fledermausart aus der Gattung Hufeisennasen; weit verbreitet im Süden und Südosten Asiens
[4]) vorkommt [5]. Durch diese genetische Ähnlichkeit besteht der Verdacht, dass SARS-CoV2
von der Fledermaus über einen Co-Host auf den Menschen übertragen wurde und sich nun von
Mensch zu Mensch verbreitet [6]. Des Weiteren, zeigt SARS-CoV2 eine 80%-ige Gleichheit mit
SARS-CoV, wobei die Spikeproteinsequenz ca. 76-78% übereinstimmt [3].

     3.2. Epidemiologie

Der erste Fall der respiratorischen Erkrankung, die durch das neuartige Coronavirus
hervorgerufen wird, wurde Ende Dezember 2019 in Wuhan (Provinz Hubei, China) berichtet [7].
55% der ersten 425 PatientInnen mit bestätigter Covid-19 Infektion hatten Kontakt mit dem Tier-
und Fischmarkt in Wuhan (Hunan Seafood Wholesale Market) [8].
In zahlreichen Publikationen wird der Hunan Seafood Wholesale Markt als Ursprung der ersten
Infektionen des Menschen mit dem neuartigen Coronavirus beschrieben [5, 7, 8].
Immunsupprimierte und ältere Patienten haben ein erhöhtes Risiko hinsichtlich Mortalität und
schwerem Verlauf bei Infektion mit SARS-CoV2 [7].

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Bei PatientInnen mit einer Covid-19 Erkrankung betrug die Mortalitätsrate gemäß den ersten
publizierten Daten im Zeitraum zwischen Jänner 2020 und April 2020 ungefähr 6% und war in
circa 23% mit einem schweren Verlauf assoziiert [9].

        3.3. Übertragung

Grundsätzlich werden bei der Übertragung von SARS-CoV2, wie auch bei anderen
Infektionserkrankungen, 4 wichtige Übertragungswege von Mensch zu Mensch unterschieden:
•   Tröpfcheninfektion
•   Kontaktinfektion

    ◦   Direkt

    ◦   Indirekt
•   Fäkal-orale Übertragung
•   Über Aerosole

Ad 1.: Am häufigsten ist die Infektion mit SARS-CoV2 von Mensch zu Mensch über kleinste
Tropfen in der Luft [2]. Diese Tröpfcheninfektion erfolgt dann, wenn eine infizierte
asymptomatische oder symptomatische Person niest oder hustet und die ausgeworfenen
Sekrete von einer weiteren Person in unmittelbarer Nähe eingeatmet werden [7, 10, 11].
Ad 2.: Bei der Kontaktinfektion unterscheidet man den direkten und indirekten Übertragungsweg.
Dabei können die Menschen direkt in Kontakt mit den viruskontaminierten Körperflüssigkeiten
des Überträgers kommen und in weiterer Folge die Viren oral bzw. nasal aufnehmen. Die
indirekte Übertragung erfolgt über mit Körperflüssigkeiten kontaminierte Oberflächen [2].
Ad 3.: Im Harn und Stuhl wurde SARS-CoV2 nachgewiesen. Die Viren überleben die
Darmpassage und können so auf den Virusempfänger übertragen werden [2].

        3.4. Pathophysiologie

Das Lungenepithel stellt den primären Angriffspunkt von SARS-CoV2 dar. Dabei bindet das S-
Protein des Coronavirus an den Zellrezeptor der Wirtszelle, bevorzugt an den ACE2 Rezeptor
der unter anderem im Respirationstrakt und Gastrointestinaltrakt exprimiert ist. Damit wird der
Eintritt in die Wirtszelle ermöglicht [6]. Peng Zhou zeigt in seiner Studie, dass SARS-CoV2 für
seinen Eintritt in die Zelle die Bindung an den ACE2 Rezeptor benötigt. Er verwendete dazu
ACE2 exprimierende und nicht exprimierende Fledermaus-, Menschen- und Schweinezellen [5].
SARS-CoV2 gelangt vorwiegend über den Respirationstrakt in den Körper und bindet an den
ACE2 Rezeptor der nasalen und pharyngealen Epithelzellen.

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Über den Blutkreislauf gelangt das Virus mit seiner RBD (Rezeptor binding domain) an die
ACE2 Rezeptoren der exprimierenden Wirtszellen [12]. Der Eintritt der Viruszelle erfolgt durch
die Bindung der S1 Untereinheit des S Proteins an einen Zellrezeptor [13].
Die daraus folgende Steigerung von Angiotensin-2 führt über die Erhöhung der Permeabilität der
Lungengefäße zu pulmonalen Schäden. Über die Aktivierung des Immunsystems wird bei
schweren Verläufen durch die vermehrte Freisetzung von pro-inflammatorischen Zytokinen ein
Zytokinsturm ausgelöst, welcher zu weiteren Organschädigungen führt [1]. Es wird eine lokale
Inflammation mit Freisetzung von Zytokinen wie beispielsweise transforming growth factor-β1
(TGF-β1), tumor necrosis factor-α (TNF-α), interleukin-1β (IL-1β) oder IL-6, hervorgerufen [2].
Auf die primäre Virämie kann die akute Phase der Erkrankung mit Pneumonie, ARDS (acute
respiratory distress syndrome), akutes Nierenversagen und Multiorganversagen folgen [12]. Als
Ursache für ARDS und extrapulmonale Organschädigungen wird der Zytokinsturm vermutet [2].
Die ACE2 Expression bei gesunden PatientInnen und PatientInnen mit einer chronisch
respiratorischen Erkrankung wie COPD oder Asthma ist nicht signifikant unterschiedlich. Die
Anzahl der ACE2 Rezeptoren ist bei Rauchern jedoch stark erhöht, was das Risiko für Covid-19
und einen schweren Verlauf zusätzlich zu erhöhen scheint. Bereits 24h nach der SARS-CoV2
Infektion kommt es zu einer Hochregulation der ACE2 Rezeptoren. Eine weiter erhöhte
Expression der ACE2 Rezeptoren kann dazu beitragen, dass das Virus vermehrt in die
Wirtszelle eindringen kann [14].
Die Expression der ACE2 Rezeptoren konzentriert sich vermehrt auf die Epithelzellen des
Respirationstrakts, wie die Alveolar Typ2 Zellen des Lungenparenchyms. Im Respirationstrakt
zeigen die sekretierenden Becherzellen der nasalen Mukosa die höchste Rezeptorexpression
[15]. ACE2 Rezeptoren sind in geringen Mengen auch in Geweben außerhalb des
Respirationstrakts exprimiert, wie beispielsweise in der Niere, in den Enterozyten und
Myokardzellen [16]. In der Mundhöhle zeigen die Epithelzellen der Zunge die höchste
Rezeptordichte [17].
Im Gegensatz zu SARS-CoV1 hat SARS-CoV2 eine 10-20-fach höheren Affinität zum ACE2
Rezeptor und somit auch eine erhöhte Pathogenität [12].

     3.5. Komorbiditäten und Risikofaktoren für die Entwicklung eines
              schweren Verlaufs

Komorbiditäten sind bei schweren Covid-19 Verläufen häufiger zu erheben als bei milden
Verläufen (58.4% vs. 27.6%). Assoziiert mit einem schweren Verlauf ist der Metaanalyse von
Wang et al zufolge das Vorhandensein von Komorbiditäten, insbesondere von Diabetes,
Hypertension, kardiovaskuläre Erkrankungen und COPD.

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Hierbei ist die häufigste Begleiterkrankung, die mit einem erhöhten Risiko für einen schweren
Verlauf einhergeht, die Hypertension, gefolgt von Diabetes. In Bezug auf das Outcome zeigt sich
eine 2.3-fach erhöhte Mortalität bei schwerem Verlauf mit Komorbiditäten [18].

PatientInnen mit Diabetes, kardiovaskulären Erkrankungen oder Hypertonie weisen erhöhte
Th1/Th2 Zytokine auf, welche in Folge des oxidativen Stresses und der proinflammatorischen
Situation einen schweren Covid-19 Verlauf begünstigen können. Beispielsweise wurde bei
PatientInnen auf der Intensivstation eine erhöhte Plasmakonzentration von IL-2, IL-7, IL-10,
GSCF, IP10, MCP1, MIP1A und TNF-a nachgewiesen, die primär Th1 und Th2 zugeordnet sind
[18].
Komorbiditäten wie Diabetes, Hypertension und COPD stellen auch ein signifikant erhöhtes
Risiko für die Exazerbation einer Covid-19 Erkrankung dar [19–21].
Ein erhöhtes Alter, chronischer Niereninsuffizienz und männliches Geschlecht sind ebenfalls mit
einem erhöhten Risiko für einen schweren Covid-19 Verlauf assoziiert [22–25]. Adipositas stellt
einen Risikofaktor für die Entwicklung einer schweren SARS-CoV2 Infektion dar. Adipöse Covid-
19 PatientInnen zeigten in der Studie von Yang et al ein schlechteres Outcome und einen
schwereren Verlauf im Vergleich zu nicht adipösen PatientInnen [26].

                    3.5.1.   COPD und Rauchen

Der Systematic Review [27] zeigt durch die Analyse von 15 Studien, dass PatientInnen mit
diagnostizierter COPD ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlaufe haben, im Gegensatz zu
PatientInnen ohne COPD. Insgesamt ist die Prävalenz der PatientInnen mit COPD und
bestätigter SARS-CoV2 Infektion gering, jedoch konnte ein Zusammenhang mit Schwere der
Erkrankung und Mortalität gezeigt werden [27]. Die Metanalyse von Wang et al beschreibt ein
5.9-fach erhöhtes Risiko für eine Exazerbation bei COPD PatientInnen im Vergleich zu
Gesunden [19]. COPD PatientInnen mit Covid-19 haben ein erhöhtes Risiko für SARS-CoV2
assoziierte Komplikationen und Tod. Die Begleiterkrankung COPD zeigt sich signifikant prädiktiv
für einen schweren Verlauf sowie auch die Behandlung auf der Intensivstation [19, 27–29].
COPD-PatientInnen mit schwerem Verlauf versterben meist an respiratorischem Versagen.
Zudem können weitere Komorbiditäten, wie Lungenkarzinome oder kardiovaskuläre
Erkrankungen zur Mortalität beitragen [10]. Diese PatientInnen benötigen oft eine mechanische
Atemunterstützung.
Aufgrund der hohen Covid-19 Fälle war diese zum Zeitpunkt der Datenerhebung der Studie
limitiert und stand den erkrankten COPD PatientInnen nicht zur Verfügung. Dies könnte
ebenfalls zur erhöhten Mortalität bei infizierten COPD PatientInnen beigetragen haben [27].

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RaucherInnen haben im Vergleich zu NichtraucherInnen und Ex-RaucherInnen ein 1.45-fach
erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-19 Verlauf und auch eine erhöhte Mortalitätsrate [27].
Der „Smokingindex“ (Anzahl der Zigaretten/Tag x Raucherjahre) sollte hierbei beachtet werden.
Jene PatientInnen mit einem „Smokingindex“ von >400 weisen ein erhöhtes Risiko für schwere
Komplikationen auf, im Gegensatz zu jenen PatientInnen mit einem „Smokingindex“ 11mmol/l im
Vergleich zur zweiten Gruppe (
3.5.3.   Kardiovaskuläre Erkrankungen, Hypertonie, Nierenerkrankungen
                             und Herzinsuffizienz

Neben den Zivilisationserkrankungen Diabetes mellitus und Hypertonie gehören auch
kardiovaskuläre Erkrankungen zu den am meisten dokumentierten Vorerkrankungen bei
PatientInnen mit einem schweren Covid-19 Verlauf [19, 29, 43].
Hypertension und koronare Herzerkrankungen sind häufiger mit einem schwer symptomatischen
Covid-19 Verlauf assoziiertet [30]. PatientInnen mit Bluthochdruck weisen auch eine erhöhte
Hospitalisierungsrate auf als PatientInnen ohne Hypertension [44]. In der Studie von Jin-Jin
Zhang et al hatten 6.9% der PatientInnen mit schwerem Verlauf begleitend eine kardiovaskuläre
Erkrankung. Im Vergleich dazu, hatten nur 3.7% der Patienten mit einem milden Verlauf diese
Komorbidität. Bluthochdruck wird bei 37.9% der Patienten mit schwerem Verlauf als
Vorerkrankung beschrieben. Bei den PatientInnen mit mildem bis moderatem Verlauf hatten nur
24.4% eine Begleithypertonie [30].
Ein signifikanter Zusammenhang mit einer erhöhten Mortalität besteht auch bei PatientInnen mit
einer Herzinsuffizienz [44].
Chronische Nierenerkrankungen sind in der Studie von Geehan Suleyman beschrieben als
häufige Komorbidität bei schweren Verläufen [45].

     3.6. Symptome

Sowohl bei schweren als auch bei milden Verläufen der Covid-19 Erkrankung stellt Fieber das
häufigste klinische Symptom dar. Verhältnismäßig treten bei schweren Verläufen klinische
Symptome um 10-15% häufiger auf als bei Milden [18].
PatientInnen die intensivmedizinische Behandlung benötigen, leiden meist an Husten, Fieber
und Dyspnoe [29]. Fieber tritt bei 90% aller PatientInnen mit einem schwer symptomatischen
Verlauf auf, Husten bei 69% und erhöhte Sputumproduktion in 37,3% der Fälle [18].
Der Studie von Guan et al in The New England Journal of Medicine zufolge, trat Husten
ebenfalls als häufigstes respiratorisches Symptom auf (67.8%) auf. Erhöhte Sputumproduktion
bzw. Kurzatmigkeit traten bei 33.7% bzw. 18.7% der ProbandInnen auf. Fieber trat bei den
meisten PatientInnen (88.7%) erst im Zuge des Krankenhausaufenthaltes auf [31].
Dyspnoe ist das einzige Symptom, welches signifikant sowohl mit einem erhöhten Risiko für
einen schweren Verlauf als auch mit intensivmedizinischer Betreuung assoziiert ist. Bei
PatientInnen mit Dyspnoe ist der Intensivstationsaufenthalt 6.6 mal häufiger [29].
Weitere, unspezifische Symptome, wie Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, Diarrhö und Übelkeit
werden nur selten beschrieben [46, 47].

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3.7. Bildgebung

Zur Diagnostik einer SARS-CoV2 assoziierten Pneumonie kann eine Computertomografie (CT)
des Thorax oder ein Thoraxröntgen durchgeführt werden. Zu Beginn der Erkrankung ist das
Thoraxröntgen meist unauffällig und erst im weiteren Verlauf zeigt sich das Bild einer
Pneumonie. Dabei ist eine bilaterale Pneumonie im Vergleich zu einer unilateralen Pneumonie
(88.8% vs 11.2%) häufiger zu sehen [48]. Bei PatientInnen mit einem schweren Verlauf zeigt
sich radiologisch häufig das Bild eines ARDS [6]. Der charakteristische CT Befund ist
beschrieben durch eine bilaterale, multifokale Milchglastrübung oder Konsolidierung im unteren,
posterioren und peripheren Lungenabschnitt mit Verdickung der Interlobärsepten [49].
Computertomographisch zeigen sich multiple Läsionen bei 83.9% der PatientInnen. Am
häufigsten treten Milchglastrübungen (40.3%) [50] bzw. (72%) [46] , Konsolidierungen (33.9%),
Milchglastrübungen mit retikulärem Muster (62.9%), Fibrose (33.9%), subpleurale Linie (56.5%)
oder mikrovaskuläre Gefäßdilatationen (45.2%) auf [50] (Abbildung 1,2).
Bei PatientInnen, die in engem Kontakt mit einem/einer SARS-CoV2 Infizierten waren und im
Thorax-CT eine bilaterale, multifokale und periphere Milchglastrübung aufweisen, könnte dies
ein Hinweis auf eine Covid-19 Infektion sein [46, 51].

Abbildung 1: Im oberen CT-Bild sieht man multiple fleckige Milchglastrübungen bilateral und multilobulär. In der
rechten Abbildung zeigt sich ein positives Airbronchogramm sowie Konsolidierungen im rechten unteren Lappen [46].

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Abbildung 2: In der linken Abbildung sieht man multiple Milchglastrübungen in beiden unteren Lappen. Die rechte
Abbildung zeigt die Krankheitsprogression nach 4 Tagen mit einer Zunahme der Läsionen und Verdichtungen [46].

     3.8. Labor

Bei PatientInnen mit schwerem Verlauf zeigt sich im Differentialblutbild eine erhöhte Anzahl an
neutrophilen Granulozyten sowie eine Lymphozytopenie. Ein stark erhöhtes CRP und LDH sind
häufig mit einem schweren Verlauf assoziiert [47, 52]. Auch die Metaanalyse von Pan Ji et al
zeigt eine Erhöhung von C-reaktivem Protein, ESR, Procalcitonin bei schweren Verläufen [53].
In Bezug auf diesen Akutphaseparameter zeigt sich in Zusammenhang mit der SARS-CoV2
Infektion sowohl in der Studie von Wang et al als auch bei Guan et al ein erhöhtes C-reaktives
Protein (CRP). Weiters zeigten sich in beiden Studien laborchemisch ein erhöhtes D-Dimer,
Kreatinin, Kreatinkinase und Leberschädigungsparameter (ALT,AST) [31, 47] (Tabelle 1).
In der Metanalyse von Rodriguez-Morales et al zeigte sich durch die Analyse von 19 Studien,
am häufigsten eine Hypoalbuminämie und erhöhte Entzündungsparameter wie CRP, LDH und
Erythrozyten Sedimentationsrate (ESR) [54]. Weiters sind noch ein erhöhtes IL-6 und eine
Lymphopenie beschrieben [52].

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erniedrigt                                          erhöht
 Albumin (62,9%)                      C-reaktives Protein (73,6%)
 Lymphozyten (47,9%)                  LDH (46,2%)
                                      Erythrozyten Sedimentationsrate (61,2%)
                                      AST
                                      ALT
                                      Kreatinin Kinase
                                      D-Dimer
                                      IL-6
Tabelle 1: Die Tabelle zeigt zusammenfassend die Covid-19 typischen Laborveränderungen [47, 52].

Ein möglicher Erklärungsversuch für die Lymphozytopenie ist, dass SARS-CoV2 hauptsächlich
mit den T-Lymphozyten des Immunsystems interagiert und durch den Befall der Immunzellen
sowie der Epithelzellen ein Zytokinsturm ausgelöst, welcher zur Zerstörung der Lymphozyten
führt [5, 54]. Mit zunehmendem Schweregrad des Covid-19 Verlaufs steigt auch die Prävalenz
der hospitalisierten Patienten mit einer Lymphozytopenie [55].

     3.9. Diagnostik

Für PatientInnen mit einem moderaten Verlauf oder schwerer ist bei entsprechender klinischer
Manifestation sowohl eine laborchemische als auch eine bildgebende Diagnostik indiziert.
Thoraxröntgen, Ultraschall und Computertomographie sollten bei Indikation durchgeführt
werden. Ein Blutbild mit Differentialblutbild, sowie Bestimmung der Nieren- und
Leberfunktionsparameter sollte ebenfalls durchgeführt werden [56].
Grundsätzlich unterscheidet man im Nachweis von SARS-CoV2 den direkten Nachweis des
genetischen Materials des Virus (Virus RNA) und den indirekten Nachweis von Antikörper gegen
das Coronavirus [57].
Zur Diagnostik von SARS-CoV2 ist der Goldstandard die RT-PCR (reverse transcription
polymerase chain reaction), welche die Virus RNA durch Amplifikation nachweist. Hierbei ist der
CT-Wert (cycle threshold) ein wichtiger Marker für die Viruslast.
Je höher die Viruslast ist, desto niedriger ist der CT Wert, denn das Verhältnis zwischen der
Anzahl an Amplifikationszyklen der PCR ist indirekt proportional zu der Virusmenge in der Probe
[58]. Als Probematerial können nasopharyngeale, oropharyngeale Abstriche oder
Bronchialsekret verwendet werden. In der Klinik wird jedoch ein naso-und oropharyngealer
Abstrich als Probematerial für die RT-PCR bevorzugt verwendet.

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Falsch negative Ergebnisse müssen bedacht werden, wenn zu wenig Virusgenom im
Probematerial vorhanden ist, oder das Detektionsfenster nicht getroffen wurde [49]. Im Vergleich
zu den Speicheltests oder getrennten Nasen- und Rachenabstrichen, weist der kombinierte
Nasen- und Rachenabstrich die höchste Sensitivität (97%) auf [59].
Eine weitere Möglichkeit ist der serologische Nachweis von IgG und IgM. Der Nachweis der
Antikörper ist erst 1-3 Wochen nach dem Auftreten der ersten Symptome möglich [49].
Diagnostischen Standard stellt die Kombination aus Klinik, molekularen Diagnostik und
Serologie dar, um eine möglichst hohe Sensitivität und Spezifität zu erreichen [49].
Eine weitere Methode, um SARS-CoV2 nachzuweisen, ist mittels Antigen Schnelltest. Diese
Nachweismethode wird dazu verwendet, innerhalb von 15 Minuten die SARS-CoV2
Nukleoproteinantigene im nasopharyngealen Sekret nachzuweisen. Mittels passiver Diffusion
gelangt das nasopharyngeale Sekret über eine Membran in Kontakt mit den festsitzenden
monoklonalen anti-SARS-CoV2 Antikörpern, welche auf der Nitrozellulose Membran
immobilisiert sind. In Folge kommt es zur Antigen-Antikörperreaktion, falls die nachzuweisenden
Antigene vorhanden sind. Nach 15 Minuten kann das Ergebnis abgelesen werden. Der
Kontrollstreifen sollte immer positiv sein. Der Streifen der Probe erscheint, wenn Antigene in der
Probe vorhanden sind [60].
Die höchste Sensitivität und Spezifität wird vor allem in der ersten Woche nach dem Auftreten
der ersten Symptome erreicht, da die Viruslast hier am höchsten ist. Der Antigenschnelltest zeigt
eine höhere Sensitivität bei symptomatischen PatientInnen im Vergleich zu asymptomatischen
PatientInnen, vermutlich durch den niedrigeren Ct Wert bei symptomatischen PatientInnen
(höhere Viruslast) [61].

     3.10.          Therapie

In der Covid-19 Therapie unterscheidet man die medikamentöse Therapie und die
symptomatische Therapie mit der Unterstützung der respiratorischen Funktion der PatientInnen
mittels O2-Gabe.
ECMO (extracorporal membrane oxygenation): Bei kritische kranken PatientInnen mit einer
Covid-19 assoziierten ARDS wird von der WHO die ECMO-Therapie empfohlen, falls die
mechanische Beatmung insuffizient ist. Als Komplikation der ECMO können Blutungen,
Infektionen und Thrombosen auftreten.
Deshalb sollten die Risiken für die PatientInnen entsprechend der Komorbiditäten abgewogen
werden [62]. Für PatientInnen mit Covid assoziiertem ARDS kann die ECMO vorteilhaft für das
Outcome sein [63].
Ramanathan et al beschreiben in ihrem Systematic Review eine ARDS assoziierte Mortalität bei
PatientInnen, die mit einer veno-venösen ECMO behandelt wurden, von 37.1%.

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Sie beschreiben die veno-venöse ECMO schlussfolgernd als effektive Intervention bei
PatientInnen mit Covid-19 assoziierter ARDS [64].
NIPPV (noninvasive positive pressure ventilation) wird für PatientInnen mit einer hypoxischen
respiratorischen Insuffizienz außerhalb der Intensivstation empfohlen, um Intubationen möglichst
zu vermeiden [62]. Diese Beatmungsform ist jedoch mit einem höheren Infektionsrisiko für das
medizinische Personal assoziiert, aufgrund der lokal vermehrten Aerosole [2, 62].
Auch die antivirale Therapie mit Remdesivir und Lopinavir/Ritonavir wird im Review von Ko et al
analysiert. Die Metaanalyse von 4 randomisiert kontrollierten Studien ergab, dass Remdesivir
bei PatientInnen mit einem milden bis moderaten Verlauf im Vergleich zur Standardtherapie mit
einer signifikant höheren Verbesserung der Klinik einhergeht [62].
Als nicht-antivirale Therapie werden Corticosteroiden (Dexamethason), Tozilizumab, Baricitinib
und die Intravenöse Gabe von Immunglobulinen eingesetzt.

Vor allem bei kritisch kranken PatientInnen oder bei jenen mit einem schweren Verlauf wird die
Therapie mit Corticosteroiden bevorzugt eingesetzt. Hierbei wird vor allem Dexamethason
empfohlen. Als Nebenwirkungen können Hyperglykämie, bakterielle und mykotische Infektionen
oder neurologische Nebenwirkungen wie Verwirrtheit auftreten [62]. Die Metaanalysen von
Wagner et al und Ko et al zeigen, dass die Sterblichkeitsrate durch den Einsatz von
Glukokortikoiden gesenkt wird [66].

Zusätzlich kann bei schwer und kritisch kranken PatientInnen mit erhöhten systemmischen
Entzündungsmarkern, Tozilizumab (IL-6-Rezeptor Blocker [67]) verabreicht werden [62]. Durch
die Gabe von Tozilizumab kann sowohl bei intensivpflichtigen als auch bei nicht
intensivpflichtigen PatientInnen die Mortalität gesenkt werden [68]. Zusammenfassend
verbessert die Gabe von Tocilizumab das Outcome von Covid-19 PatientInnen und führt trotz
des Eingriffs in die Mediatoren des Immunsystems nicht zu einem erhöhten Risiko für schwere
Nebenwirkungen oder Sekundärinfektionen [69, 70].

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3.11.          Komplikationen

Die häufigsten Komplikationen sind der diffuse alveoläre Schaden (92%) und die akute
Bronchopneumonie (27%).
Somit ist die Lunge jenes Organ, welches die meisten Covid-19 assoziierten Pathologien
aufweist, gefolgt von der Leber (Hepatitis 21%) und dem Herz (Myokarditis 11.4%).
Koagulopathien in den genannten Organen zählen weiters zu den möglichen Komplikationen
[16]. Diese erhöhte Hyperkoagubilität ist vermutlich assoziiert mit dem erhöhten
Entzündungsgeschehen im Körper als Folge der Covid-19 Erkrankung [71].
Des Weiteren haben PatientInnen mit einem schweren Covid-19 Verlauf eine signifikant höhere
Prävalenz für ARDS im Vergleich zu der Kontrollgruppe ohne schweren Covid-19 Verlauf
(41,1% vs. 3%) und akute Niereninsuffizienz (16,4% vs. 2,2%). Die Mortalität ist bei PatientInnen
mit einem schweren Verlauf um das 2,3-fache erhöht [18].

Des Weiteren müssen nicht nur direkt Covid-assoziierte Komplikationen beachtet werden,
sondern auch jene, die durch nosokomiale Infektionen bei der Hospitalisierung von schwer
kranken Covid PatientInnen entstehen können. Dazu gehören beispielsweise die hospital
acquired pneumonia und die ventilator-associated pneumonia, die durch die künstliche
Beatmung begünstigt werden. Durch die Versorgung der PatientInnen mit einem Harnkatether
auf der Station können sich auch Infektionen des Urogenitaltraktes entwickeln [56].

                      3.11.1. Milder und moderater Verlauf einer Covid-19 Erkrankung

Milder Verlauf: „Leichte Symptome ohne pulmonale Beteiligung in der thorakalen Bildgebung [2],
keine Kurzatmigkeit oder Dyspnoe.“ Die meisten PatientInnen werden ambulant oder zu Hause
betreut. Bei PatientInnen ohne Komorbiditäten ist routinemäßig keine Bildgebung oder
Laborkontrolle indiziert [56].
Moderater Verlauf: „Milde respiratorische Erkrankung in Bezug auf Klinik und Bildgebung.“
Fieber und/oder geringgradige respiratorische Symptome, multiple fleckige Verschattungen oder
interstitielle Veränderungen in der thorakalen Bildgebung, SpO2 ≥94% [2, 56]. Die PatientInnen
sollten aufgrund der möglichen raschen Progression zu einem schwer symptomatischen Verlauf
mit bakterieller Superinfektion oder Sepsis strenger überwacht werden und bei Verdacht sollte
eine empirische antibiotische Therapie begonnen werden [56].

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3.11.2. Schwerer und Intensivpflichtiger Verlauf der SARS-CoV2 Infektion

Schwer symptomatische Covid-19 Verläufe manifestieren sich hauptsächlich durch den
multiplen Organschaden im gesamten Körper. Zuerst werden die Epithelzellen des
Respiratiostraktes und des Oropharyngealtraktes durch SARS-CoV2 befallen. Bevorzugt werden
hierbei die ACE2 Rezeptor exprimierenden Pneumozyten Typ 2. Dadurch kommt es zu einer
Schädigung des Lungenepithels und in weitere Folge über die Aktivierung des Immunsystems
zu einem Zytokinsturm. Die erhöhte Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen führt zu
einem Gewebeschaden in multiplen Organen (siehe Kapitel 3.4 Pathophysiologie).
Bei PatientInnen, die intensivmedizinisch betreut werden, sind erhöhte Plasma Level von pro-
inflammatorischen Entzündungsparametern (IL2, IL7, IL10,IL6, GSCF, IP10, MCP1, MIP1A und
TNFα) sowie ein erhöhtes CRP und Procalcitonin nachzuweisen. Durch den Zytokinsturm, der
im Vergleich zu moderaten und milden Verläufen häufiger bei schweren Verläufen auftritt,
kommt es vermehrt zu Lungenentzündungen und in weitere Folge zu starken
Lungenschädigungen [53, 72]. Des Weiteren konnte durch einige Studien gezeigt werden, dass
die Antikörperreaktionen bei schwer symptomatischen Verläufen früher auftreten und den Titer
Peak früher erreichen [73].

Ein schwer symptomatischer Verlauf ist nach Shi et al folgendermaßen definiert [2]:
    •    Dyspnoe mit einer Atemfrequenz von >30 Atemzüge/min.
    •    Sauerstoffsättigung in Ruhe
Die häufigsten Komplikationen sind Schock, ARDS, kardiale Dysfunktion oder Exacerbation der
Komorbiditäten. Des Weiteren können bei kritischem Verlauf neben respiratorischen auch
renale, kardiale, hepatische und thromboembolische Komplikationen auftreten [56].

In einer Studie mit 41 PatientInnen mussten ca. 32% intensivmedizinisch betreut werden. 38%
aller PatientInnen hatten eine Komorbidität, am häufigsten eine kardiovaskuläre Erkrankung
(23%) [75]. Diabetes als Komorbidität tritt mehr als 2 mal häufiger bei schwerem Verlauf/
Intensivstation auf, im Vergleich zu PatientInnen auf der Normalstation [29]. Im Vergleich von
intensivmedizinisch betreuten PatientInnen zu nicht intensivmedizinisch betreuten PatientInnen,
waren diese hochgradig symptomatischer, vor allem in Bezug auf respiratorische Symptome wie
z.B Dyspnoe (92% vs 37%), Sputumproduktion, (38% vs 23%), Husten (85% vs 71%) und
Dyspnoe (92% vs. 37%) [75]. Die Hauptsymptome bei PatientInnen mit einem schweren Verlauf
sind Husten, Fieber und Abgeschlagenheit. Bei intensivmedizinisch betreuten PatientInnen
waren Husten, Fieber und Dyspnoe die Leitsymptome [29].
Dyspnoe zeigt sich auch als einziger signifikanter Prädiktor für einen schwer symptomatischen
Verlauf oder für einen intensivmedizinischen Aufenthalt. 67,2% der intensivmedizinisch
betreuten PatientInnen vs. 10,2% der Normalstation-PatientInnen waren symptomatisch in der
Metaanalyse von Jain et al [29].

     3.12.          Impfstoffe

                      3.12.1. Janssen Ad26.COV2.S Covid-19 Impfstoff

Der Impfstoff Ad26.COV2.S der Pharmafirma Janssen zählt zu den Vektorimpfstoffen und führt,
im Gegensatz zu den anderen Impfstoffen, mit einer Einzeldosis zur Grundimmunisierung. Als
Vektor wird ein rekombinanter vermehrungsunfähiger Adenovirus von Serotyp 26 verwendet, der
die genetische Information des SARS-CoV2 Spike Protein enthält. Diese wurde aus dem
Ursprungsstamm aus Wuhan isoliert [76].
Für die Einzeldosis der Grundimmunisierung wir eine Standarddosis von 5x1010 viralen Partikeln
in einer 0,5ml Injektion verabreicht [77].

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3.12.2. Moderna mRNA-1273 und BioNTech-Pfizer BNT162b2

Moderna und BioNTech-Pfizer entwickelten beide einen mRNA Impfstoff. Die Funktionsweise
der mRNA Impfstoffe beruht auf demselben Prinzip wie die körpereigene Proteinsynthese. Das
Zielantigen, das die mRNA codiert, wird aus dem Pathogen entwickelt, gegen das der Impfstoff
eingesetzt wird. Die mRNA codiert hierbei die genetische Information, die über die Translation in
eine Aminosäurensequenz überschrieben wird. Diese ist charakteristisch für ein Covid-19
spezifisches Spike-Protein, welches das Zielantigen für das körpereigene Immunsystem darstellt
[76].
BioNTech-Pfizer entwickelte die Impfstoffe BNT162b1 und BNT162b2. Bei diesen Kandidaten
handelt es sich um SARS-CoV2 Spike Protein codierende mRNAs, die durch die Induktion der
Translation in ihre Antigene umgewandelt werden und als Zielantigene für das Immunsystem
dienen [78].
Durch Mimikry wird eine Infektion mit SARS-CoV2 vorgetäuscht und in weiterer Folge sowohl
das humorale und zelluläre Immunsystem als auch die Cytokine und Chemokine aktiviert [76].
Der Impfstoff BNT16b2 wird im Abstand von 21 Tagen als Zweifachimpfung intramuskulär
verabreicht. Dabei wird pro Teilimpfung eine Dosis von 0.3ml nach entsprechender Verdünnung
verwendet [77].
Bei der mRNA-1273 Moderna werden unverdünnt von der 0.2mg/ml Vial 0,5ml für die erste
Dosis als Intramuskuläre Injektion gespritzt. Die zweite Teilimpfung wird nach 28 Tagen mit der
halben Dosis verabreicht [77]. Mittlerweile wurde das Impfschema für beide Impfstoffe um
weitere Injektionen erweitert.

                    3.12.3. AstraZeneca ChAdOx1

Bei dem Vektorimpfstoff, der von der Firma AstraZeneca entwickelt wurde, handelt es sich um
einen genbasierten Impfstoff. Ein Teil des genetischen Materials, das die Information für die
Herstellung des S-Protein des SARS-CoV2 Virus codiert, wird in eine nicht pathogene
Virusspezies eingeschleust. Diese nicht krankmachende Virusart dient als Vektor für das
Coronavirus Genmaterial, das die Erbinformation über Fusion und Integration bei der Wirt-Virus
Interaktion in die Zelle einschleust. Durch die Integration des viralen Genmaterials in die DNA
der Wirtszelle, beginnt die Zelle die Erregerantigene zu produzieren. Die Impfung ChAdOx1
verwendet als Vektorvirus ein modifiziertes Adenovirus des Schimpansen, welches die DNA
enthält, die das Oberflächenglykoprotein (S-Protein) von SARS-CoV2 codiert. Aufgrund der
steigenden Anzahl an S-Proteinen wird das Immunsystem aktiviert und die humorale und
zelluläre Abwehr werden hervorgerufen [76].

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Der virale Vektorimpfstoff ChAdOx1 wird als Standarddosis mit 5x1010 viralen Partikel mit 0,5ml
der Vial injiziert. Die zweite Dosis wird nach 4-12 Wochen intramuskulär verabreicht [77]. 1

      3.13.          Effektivität der Impfung bei der Deltavariante

Die Effektivität der Impfung ist entsprechend der Studie von Lopez Bernal et al bei der ersten
Dosis (BNT162b2 oder ChAdOx1 nCoV-19) bei der Deltavariante beachtlich geringer im
Vergleich zur Alphavariante (30,7% vs 48,7%). Personen, welche die zweite Dosis mit
BNT162b2 erhalten haben, hatten eine bessere Effektivität gegen beide Varianten als jene die
mit ChAdOx1 nCoV-19 geimpft wurden. Zwei Dosen von ChAdOx1 nCoV-19 zeigten gegen die
Alphavariante eine Effektivität von 74,5% und gegen die Deltavariante 67%. Im Gegensatz dazu
zeigt die Studie bei der Zweifachimpfung mit BNT162b2 eine Wirksamkeit von 93,7% gegen die
Alpha- und 88% gegen die Deltavariante [79].
Ältere PatientInnen sprechen schlechter auf die Impfung an und erreichen niedrigere
Antikörperlevels zu Beginn. Des Weiteren kommt es bei älteren PatientInnen zu einer rascheren
Abnahme der Antikörper, was das frühere Risiko für einen Impfdurchbruch erhöht. 12 Wochen
oder 6 Monate nach der zweiten Impfung ist der signifikante Einfluss des Alters auf den
Antikörperspiegel geringer [80, 81].
PatientInnen mit einem Alter von 65+ zeigen eine schnellere Abnahme der Antikörper im Vergleich
zu der PatientInnengruppe der 40-64-Jährigen. Der beste Impfschutz gegen die Deltavariante wird
in der Zeit 20 Wochen nach der 2.Teilimpfung erreicht. Gegen Hospitalisierung weist die Impfung
eine Effektivität von 77% bzw. 92.7 % und gegen Tod 78.7% bzw. 90.4% für ChAdOx1 bzw.
BNT162b2 auf [82].
mRNA basierte Impfstoffe zeigen eine höhere Effektivität von 94.6% im Vergleich zu den
Vektorimpfstoffen mit 80.2% [83].

1 Anmerkung: Die Impfschemata sind entsprechend dem Stand Oktober 2022 bereits erweitert. Die PatientInnendaten, die im experimentellen Teil der
Arbeit angegeben sind, entsprechen jedoch den oben genannten Impfschemata.

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Fiolet et al fassen die Effektivität der einzelnen Impfstoffe gegen die Deltavariante
folgendermaßen zusammen (Tabelle 2):

                                                gegen                           Gegen Infektion mit
                    Impfstoff                  Hospitalisierung                 SARS-CoV2
                                               /Tod
                    BNT162b2                   80%                              42-79%
                    (BioNTech-Pfizer)
                    Ad26.CoV2.S                60-85%                           47-79%
                    (Janssen)
                    mRNA-1273                  95%                              64%
                    (Moderna)
                    ChAdOx1 nCoV               -                                60-67%
                    (AstraZeneca)
                           Tabelle 2: Effektivität der Impfstoffe gegen die Delta Variante [77].

Insgesamt kann durch die Reviews gezeigt werden, dass die Effektivität der mRNA Impfstoffe
gegen die Deltavariante geringer ist im Vergleich zu früheren Varianten, aber trotzdem bei
vollständiger Immunisierung einen hohen Schutz gegen schwere Covid-19 Verläufe und
Hospitalisierung darstellen [77].

     3.14.           Impfdurchbrüche mit der Deltavariante

Als Impfdurchbruch wird ein positiver PCR-Test bei Personen bezeichnet, die vollständig
immunisiert sind. Dabei muss die zweite Impfung mindestens 14 Tage vor der SARS CoV2
Infektion erfolgt sein [84].
Ein kleiner Anteil an Personen, die mit BNT162b2 (Firma BioNTech-Pfizer) geimpft wurden,
zeigte in einer Studie einen schweren Verlauf der Covid-19 Erkrankung trotz zweifacher
Impfung, 8 oder mehr Tage nach der zweiten Impfdosis. Trotz der hohen Effektivität der mRNA
Impfung (≥82% gegen Hospitalisierung und ≥81% gegen schwere/intensivpflichtige Verläufe bei
>16 jährigen, bei Älteren PatientInnen ≥75% [85]), zeigen vor allem die ältere, männliche
PatientInnengruppe mit Komorbiditäten, ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf. Diese
Begleiterkrankungen sind vorwiegend Diabetes, Hypertension, Herzinsuffizienz, chronische
Lungenerkrankungen oder chronische Nierenerkrankungen. Auch PatientInnen mit
Immunsupression sind häufiger von Impfdurchbrüchen betroffen [86].

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Ein geringer Antikörpertiter an neutralisierenden, S-Antigen spezifischen IgG dient als Marker für
einen Impfdurchbruch [87]. Der Titer an neutralisierenden Antikörperreaktionen korreliert positiv
mit dem Schutz vor Covid-19 durch das Immunsystem [87–90].
Im Vergleich zu den vorhergehenden Varianten ist der Antikörpertiter der neutralisierenden
Antikörper bei der Deltavariante signifikant reduziert. Die neutralisierenden Antikörper gegen alle
Antigenstrukturen, sowie die anti-S Antikörper sind beispielsweise bei der Deltavariante im
Vergleich zum Wildtyp, nach der zweiten Dosis BNT162b25 8-fach geringer [91].
Höheres Alter und eine lange Zeitdauer zwischen der 2.Impfung und der Infektion korrelieren
negativ mit dem Titer der neutralisierenden Antikörper und sind häufiger bei PatientInnen mit
einem schweren Covid-19 Verlauf [91].

Laut Aldridge et al korreliert der anti-S Titer mit dem Impfschutz. Sie verglichen die beiden
Impfstoffe BNT162b2 und ChAdOx1 miteinander und stellten festen, dass bei Personen, die mit
BNT162b2 geimpft wurden, höhere anti-S Titer nachgewiesen werden konnten, im Vergleich zu
jenen die ChAdOx1 erhalten haben [84, 92].
Dabei konnten sie in der Studie zeigen, dass das Risiko für einen Impfdurchbruch nach der
zweiten Impfung bei Personen mit einem anti-S Level ≥500 U/ml geringer ist, im Vergleich zu
jenen, die einen Titer unter 500 U/ml aufwiesen [84]. Die Impfeffektivität ist sowohl bei
BNT162b2 als auch bei ChAdOx1 geringer bei der Deltavariante als bei der Alphavariante. Der
Schutz gegen die Covid-19 Deltainfektion zeigt sich zudem höher bei vorhergehender
natürlichen Infektion und zweimaliger Impfung [92].

Die Immunität, die durch die Impfung oder durch die Infektion erworben wird, gibt weniger
Schutz gegen schwere Verläufe der SARS-CoV2 Deltavariante. Als Ursache wir der Einfluss
zahlreicher Mutationen vor allem im S-Protein der Deltavariante von SARS-CoV2 diskutiert.
Durch die Veränderung des genetischen Materials spricht das Virus weniger auf die Wirkung der
neutralisierenden Antikörper an und kann dem Immunsystem somit leichter entgehen [91].
(Diese Mutationen werden im Kapitel 3.15.1 genauer beschrieben.)

Es ist in der Literatur noch nicht eindeutig beschrieben, ob eine Korrelation zwischen der Höhe
der Viruslast und dem Titer an neutralisierenden Antikörpern besteht bei Infektion. Bergwerk et
al beschreiben eine Korrelation zwischen den beiden genannten Faktoren, wobei Nguyen Van
Vinh Chau et al keine Korrelation finden konnten [87, 90].
Bei PatientInnen mit einer Impfdurchbruchsinfektion der Deltavariante konnte in einigen Studien
eine höhere Viruslast nachgewiesen werden, welche 251fach [90] bzw. 1000fach [93] höher war
im Vergleich zu den Infektionen, die in der frühen pandemischen Phase 2020 nachgewiesen
wurde.

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Ca 2-3 Tagen nachdem die Patienten symptomatisch geworden sind, konnte die höchste
Viruslast nachgewiesen werden. Die höhere Viruslast, die bei Patienten mit dem Deltavirus
nachgewiesen wurde [94], stellt auch eine mögliche Ursache für die stärkere Ausbreitung der
Delta Variante dar [90].

     3.15.          Varianten

SARS-CoV2 gehört zur Familie der Betacoronaviren der Coronaviren. Antigendrifts und
natürliche Adaptierung, die sich für den Virus als vorteilhaft erweisen, führen zu zahlreichen
Mutationen. Mitte 2020 wurden die ersten Veränderungen des Virus entdeckt, die sich in der
Übertragungsrate, in der Schwere der Verläufe und dem „Immun escape“ unterscheiden [95].

Im Mai 2021 wurden die ersten neuen Varianten des neuartigen Coronavirus SARS-CoV2 von
der WHO benannt: [96]
•   Alpha (B.1.1.7)

•   Beta (B.1.526, B.1.315)
•   Gamma (B.1.1.28.1)
•   Delta (B.1.617)

Diese weisen im Vergleich zum Wildtyp zahlreiche Mutationen auf, welche bevorzugt im S-
Protein dominieren. Veränderungen in der Interaktion mit dem menschlichen Immunsystem
können die Folge dieser Mutationen sein [96].
Bei der ersten Variante, die im Jänner 2020 in Deutschland und in China entdeckt wurde, konnte
eine Punktmutation von D614G im S-Protein nachgewiesen werden. Im Vergleich zum Original
D614 Virus weist diese Variante, aufgrund der gesteigerten Affinität der RBD, eine höhere
Infektiosität auf. Die Letalität ist bei dieser Variante nicht erhöht. In Bezug auf die
Impfwirksamkeit zeigte sich bei der Impfung mit BNT162b2 ein 1.7-2.0-fache Reduktion der
Effektivität [96].
B.1.1.7 wurde erstmals im Dezember 2020 im United Kingdom beschrieben und weist wie die
Vorhergehende die D614G Mutation auf, sowie 7 weitere im S-Protein. Eine der Mutationen im
S-Protein des Virus zeigt eine höhere Affinität von RBD zu den ACE2 Rezeptoren in der
Wirtszelle [96].
Im November 2020 wurde die Mutation B.1.526 erstmals in New York City identifiziert. Trotz der
S447N Mutation im S-Protein konnte keine Verminderung der Neutralisationsreaktion festgestellt
werden, im Gegensatz zu der Mutation E484K in B.1.526, welche aufgrund der Hemmung der
Antikörperbindung an die RBD zu einer reduzierten Antikörperreaktion führt [96].

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Die Betavariante (B.1.351), welche erstmals 2020 in Südafrika beschrieben wurde, weist
ebenfalls zahlreiche Mutationen im S-Protein auf, wie zB.: E484K, die zu einer Reduktion der
Antikörper-Neutralisationsreaktion führt. Bei zusätzlichem Nachweis der K417N und N501Y
Mutation steigt die Infektiosität des Virus [96].
Die E484K Mutation wurde auch in der in Rio de Janeiro identifizierten Variante B.1.1.28
nachgewiesen. Die Gamma Variante, eine Form der B.1.1.28 Linie weist eine höhere
Infektiosität und verminderte Antikörperreaktion auf, was das Virus gefährlicher macht [96].

                    3.15.1. Deltavariante

Zuerst wurde die Deltavariante in Indien beschrieben und breitete sich in den US, im UK und
Japan, bis über die ganze Welt aus [95]. Der erstmalige Bericht von der Deltavariante erfolgte in
im Oktober 2020 und wurde im Mai 2021 von der WHO als besorgniserregende Variante
eingestuft [97]. Die Deltavariante zeigt eine 108%-ige Erhöhung der Hospitalisierungsrate, sowie
einen 235%-igen Anstieg der Intensivaufenthalte im Vergleich zur Originalvariante. Im Vergleich
zur Alphavariante zeigt Delta eine erhöhte Übertragbarkeit um 40-60% [98].
In Indien wurde im Oktober 2020 die B.1.617 Mutation erstmals beschrieben, welche in 3
Untervarianten (B.1.617.1 Kappa, B.1.617.2 Delta, B.1.617.3 [95]) eingeteilt wird. Die am
häufigsten vorkommende Variante ist Delta (B.1.617.2) mit Mutationen sowohl in der RBD als
auch im S-Protein. Diese führen zu einer erhöhten Bindung an ACE-Rezeptoren in der
Wirtszelle. Im Vergleich zur Originalvariante weist Delta 23 Mutationen auf, wobei sich
insgesamt 12 davon im S-Protein befinden (Abbildung 3). Die Spikeproteine ermöglichen
einerseits die Bindung an den ACE2 Rezeptor der Wirtszelle (S1), andererseits ermöglichen sie
das Eindringen des Viruserbmaterials in die menschlichen Zellen (S2) [98].

Durch die Substitution des Leucin an Stelle 452 für ein Arginin (L452R) erlangt das Spikeprotein
eine höhere Affinität für die Bindung an den ACE2 Rezeptor. Durch die höhere Affinität der
Bindung des Spikeprotein an den Wirtszellenrezeptor wird eine geringere Wirkung der Impfstoffe
vermutet, da die Antikörper somit nicht an ihr Zielantigen, dem S Protein, binden können. Die
Substitutionsmutation P681R führt in der Deltavariante zu einer vermehrten Aktivierung der S-
Protein Untergruppen S1 und S2, sodass die Fusion und das Eindringen des Virusmaterial in die
Wirtszelle verbessert werden [98]. Des Weiteren weist die Deltavariante als einzige Subgruppe
die T478K Mutation in der RBD und die G142D in der N-terminalen Domäne des S-Protein auf.
Diese Mutationen führen zu einem „Immun escape“ [95].

Die L452R Mutation zeigt eine verminderte Ansprechbarkeit der mRNA Impfstoffe sowie ein
Entgehen der Immunantwort [96].

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