Grüne Energieprodukte - ein nachhaltiges Geschäftsmodell - EYCarbon

Die Seite wird erstellt Inge Schmitz
 
WEITER LESEN
Grüne Energieprodukte - ein nachhaltiges Geschäftsmodell - EYCarbon
EYCarbon
    Grüne Energieprodukte —
    ein nachhaltiges Geschäftsmodell
     Wie die Dekarbonisierung Energie- und Industrie-
     unternehmen bis 2025 prägt

In Kooperation mit
Grüne Energieprodukte - ein nachhaltiges Geschäftsmodell - EYCarbon
Grüne Energieprodukte - ein nachhaltiges Geschäftsmodell - EYCarbon
Grüne Energieprodukte —
ein nachhaltiges Geschäftsmodell
Wie die Dekarbonisierung Energie- und Industrie-
unternehmen bis 2025 prägt

Danksagung
Als Teil unserer Nachhaltigkeitsstrategie bedanken wir uns für die Teilnahme an der
Befragung, indem wir in Deutschland 100 Bäume pflanzen werden. Die Survey-Teilnehmer
haben damit aktiv das Projekt „Zollhaus I“ im Landschaftsschutzgebiet „Harz und
südliches Harzvorland“ unterstützt.

Weitere Informationen finden Sie unter: https://iplantatree.org/projects/Zollhaus%20I

                                                        Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 3
Grüne Energieprodukte - ein nachhaltiges Geschäftsmodell - EYCarbon
Inhalt

                                                               1
06         Editorial
08         Kernergebnisse
09	Survey-Design und -Methodik

12         Markttrends
20         Strategie
32         Umsetzung

40         Empfehlungen
42
44
           Glossar
           Ihre Ansprechpartner
                                                               Markttrends
                                                               Die globalen
                                                               Dekarbonisierungs-
                                                               ziele erfordern eine
                                                               Fokussierung auf grüne
                                                               Energieprodukte

                                                               Seite 12

4 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
Grüne Energieprodukte - ein nachhaltiges Geschäftsmodell - EYCarbon
2                        3
Strategie                Umsetzung
Viele EVU richten        Grüne Energieprodukte
grüne Geschäftsmodelle   bedürfen spezifische
nach Upstream- oder      Absicherungsstrategien
Downstream-Aktivitäten   und hoch entwickelte
aus                      Digitaltechnologien

Seite 20                 Seite 32

                          Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 5
Grüne Energieprodukte - ein nachhaltiges Geschäftsmodell - EYCarbon
Editorial

                                                               D
                                                                      ie globale Erderwärmung ist omnipräsent. Die sieben
                                                                      wärmsten Jahre innerhalb der 150-jährigen Auf-
                                                                      zeichnungshistorie liegen im Zeitraum von 2014 bis
                                                               2020.1 Der Klimawandel, ausgelöst durch Treibhausgas-
                                                               emissionen, oft als CO2- oder als CO2-äquivalenter Ausstoß
                                                               bezeichnet, ist im Zentrum unserer Gesellschaft angekom-
                                                               men. Die Weltgemeinschaft hat sich daher mit dem Über-
                                                               einkommen von Paris auf eine massive Reduktion der Treib-
                                                               hausgasemissionen verständigt. Die Energiewirtschaft als
                                                               größter globaler CO2-Emittent2 steht im Mittelpunkt, da sie
                                                               Ursache und Lösung zugleich ist.

                                                               Trotz der geänderten Rahmenbedingungen hinsichtlich Um-
Carsten Buhl                                                   weltverträglichkeit sind die Ansprüche der weiteren Dimensi-
Leiter Trading, Generation & Heating                           onen des energiepolitischen Dreiecks, Versorgungssicher-
Energy & Resources                                             heit und Wirtschaftlichkeit, unverändert hoch bzw. steigen
                                                               durch die Ausweitung der Elektrifizierung auf neue Sektoren
                                                               sogar an. Die Erfüllung der immer komplexeren Ansprüche
                                                               insbesondere für die Energiebeschaffung, als Bindeglied
                                                               zwischen Angebot und Nachfrage, wird immer aufwändiger.

Treibhausgasemis
                                                               Die Angebotsseite durchläuft eine rasante Transforma-
                                                               tion. Die Netto-Zunahme von erneuerbaren Energien (EE)
                                                               flacht ab, da mehr und mehr Anlagen das Förderende (z. B.
                                                               nach 20 Jahren EEG-Förderung) erreichen und aktuelle
                                                               Marktpreise nur unzureichende Anreize für den Fortbestand
                                                               bieten. In Deutschland wurde mit einer unerwarteten Ver-
                                                               längerung der EEG-Förderung eine temporäre Lösung ange-
                                                               boten, die jedoch auch die regulatorische Instabilität zeigt.
                                                               Gleichzeitig wird planbare Erzeugungsleistung in Form von

                                                                                    Klim
                                                               Kohle- und Kernkraftwerken außer Betrieb genommen. Da
                                                               sich bisher kein ausreichender Zuwachs an Erzeugungs- und
                                                               Verbrauchsflexibilität eingestellt hat, steigt die Volatilität
                                                               von Strompreisen.

                                                               Im gleichen Zug gewinnt die Umweltverträglichkeit für die
                                                               Nachfrageseite an Relevanz. Privatkunden und Industrie-
                                                               unternehmen verfolgen vergleichbare Dekarbonisierungs-
                                                               ziele wie die Energiewirtschaft. Konsequent fordern sie
                                                               daher umweltverträgliche Energieprodukte, wobei die
                                                               Energiekosten nicht signifikant steigen dürfen.

                                                               1	National Centers for Environmental Information, State of the Climate:
                                                                  Global Climate Report for Annual 2020, 2021.
                                                               2   Diese Aussage bezieht sich auf CO2-Äquivalente.

6 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
Grüne Energieprodukte - ein nachhaltiges Geschäftsmodell - EYCarbon
Die Energiewirtschaft verfügt bereits über marktreife oder      Die Beiträge und die Rolle der Energiebeschaffung als un-
 kurz vor der Markteinführung stehende Technologien und          verzichtbare Drehscheibe dieser grünen Energiewende sind
 Instrumente, um die Herausforderungen zu meistern bzw.          bisher noch nicht umfassend untersucht worden. Deshalb
 Chancen der Dekarbonisierung zu nutzen. So kann beispiels-      haben EY und der BDEW einen Survey mit 72 Teilnehmern,
 weise mittels der Wasserelektrolyse langfristige Flexibilität   die Beschaffungsaktivitäten in Deutschland, Österreich
 zur Stabilisierung des Stromnetzes geschaffen werden.           oder der Schweiz betreiben, durchgeführt.
 CO2-neutral hergestellter Wasserstoff kann zudem das emis-
 sionsbelastete Erdgas substituieren. Power Purchase Agree-      Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen. Sollten Sie
 ments (PPAs) ermöglichen die subventionsfreie Vermarktung       Rückfragen haben oder möchten Sie einzelne Themenkom-
 von Neubau- und Bestandsanlagen auf EE-Basis, wodurch           plexe diskutieren, sprechen Sie uns gerne an.
 sich die Netto-Zunahme beschleunigt. Insbesondere große
 Neubauanlagen profitieren durch stetig sinkende Stromge-
 stehungskosten. Parallel unterstützen derartige Projekte die
 Entwicklung grüner Energieprodukte, die für die Dekarboni-
 sierung nachgelagerter Industriezweige nutzbar sind. Haupt-
 aufgabe der Energiebeschaffung im Rahmen der Dekarboni-
 sierung ist die Überführung des bestehenden Potenzials in
 nachhaltige Energieprodukte und Geschäftsmodelle, die die
 Anforderungen des energiepolitischen Dreiecks erfüllen.

ssionen

mawandel                                                                   Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 7
Grüne Energieprodukte - ein nachhaltiges Geschäftsmodell - EYCarbon
Kernergebnisse
Wir haben 72 Expertinnen und Experten in Deutschland, Österreich und der Schweiz zur Entwicklung
grüner Energieprodukte bis zum Jahr 2025 befragt. Wie die folgenden Kernergebnisse zeigen, befinden
sich die Befragten bereits in der Transformation von konventionellen zu grünen Energieprodukten.
Bezüglich der drei Fokusthemen haben wir folgende Erkenntnisse gewonnen:

1. Markttrends                                                                      Aufgrund der strategischen Ausrichtung differenzieren
                                                                                    EVU ihre Beschaffungskanäle für grüne Energieprodukte
Die globalen Dekarbonisierungsziele erfordern eine                                  zunehmend. Diese Entwicklung führt zur Herausbildung
Fokussierung auf grüne Energieprodukte                                              von zwei Geschäftsmodellen: Das eine fokussiert sich auf
                                                                                    Upstream-, das andere auf Downstream-Aktivitäten. EVU,
Die Dekarbonisierung3 verzeichnet den größten Relevanz-                             die insbesondere auf Upstream-Aktivitäten setzen, forcie-
gewinn in der Energiewirtschaft und ist damit der beherr-                           ren den Ausbau eigener EE-Anlagen und den Direktbezug
schende Megatrend, der die Stoßrichtung für zukünftige                              aus EE ohne Zwischenhändler. EVU mit reinem Downstream-
Geschäftsmodelle setzt. Die Fokussierung im Energiehan-                             Geschäftsmodell beschaffen grüne Energieprodukte vor-
del liegt damit in Zukunft auf grünen Energieprodukten.                             zugsweise über Marktplätze. Sowohl für Upstream- als
Die Mehrheit der Energieversorgungsunternehmen (EVU)                                auch für Downstream-Geschäftsmodelle sind Investitionen
verbindet mit grünen Energieprodukten eine Kombination                              in die Weiterentwicklung der Automatisierung von Ge-
aus Strom bzw. Gas und Herkunftsnachweisen (HKN) aus                                schäftsabläufen und in den Ausbau der Synergieeffekte
EE. Eine Schlüsselrolle im Commodity-Handel übernimmt                               aus dem Produktportfolio erforderlich.
zukünftig Wasserstoff als Energieträger und Speicherme-
dium von EE. 40 % der Marktteilnehmer werden Wasser-
stoff beschaffen oder vermarkten, wodurch in Power-to-X-                             3. Umsetzung
und Großhandels-Know-how investiert wird.
                                                                                    Grüne Energieprodukte bedürfen spezifische Absicherungs-
Die dominierenden Handelsplätze bleiben OTC-Märkte,                                 strategien und hoch entwickelte Digitaltechnologien
da grüne Energieprodukte und passende Absicherungs-
instrumente noch nicht ausreichend für den börslichen                               Die noch geringe Standardisierung grüner Energieprodukte
Handel standardisiert sind.                                                         hemmt derzeit sowohl die Geschäftsanbahnung als auch
                                                                                    die Geschäftsabwicklung. In der Umsetzung des Handels
                                                                                    mit grünen Energieprodukten rechnen die Marktteilnehmer
2. Strategie                                                                        mit einer Zunahme von Preis-, Volumen- und regulatori-
                                                                                    schen Risiken. Langfristige Standardprodukte und speziali-
Viele EVU richten grüne Geschäftsmodelle nach Upstream-                             sierte Solar- und Windprofile dienen dabei als Absicherungs-
oder Downstream-Aktivitäten aus                                                     instrumente.

Die steigende Nachfrage nach klimaneutralen Lösungen                                Desktop Automation/Robotic Process Automation sowie
durch Industrieunternehmen und die Vorgaben der unter-                              Analytics-Lösungen fungieren als Enabler der Umsetzung
nehmensinternen Nachhaltigkeitsstrategien sind die Haupt-                           von dekarbonisierten Beschaffungsstrategien und führen
gründe für die Beschaffung grüner Energieprodukte.                                  somit zu Effizienzsteigerungen in den Geschäftsabläufen
Grundlage für die Funktionalstrategie von Beschaffungs-                             zur Vermarktung grüner Energieprodukte.
und Handelseinheiten ist die Auswahl von Geschäftsfel-
dern, die das Potenzial besitzen, Dekarbonisierung und Un-
ternehmenserfolg gleichermaßen zu fördern. Über 50 %
der Befragten erachten hierbei den Handel mit Green PPAs
sowie dazugehörige Dienstleistungen als Geschäftsfelder
mit einem solchen Potenzial.

3   Kursiv geschriebene Begriffe werden im Glossar definiert oder erläutert. Die Begriffe werden jeweils beim ersten Auftreten entsprechend kursiv markiert.

8 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
Grüne Energieprodukte - ein nachhaltiges Geschäftsmodell - EYCarbon
Survey-Design und -Methodik

Der vorliegende Survey basiert auf einer Online-Befragung                         Zum Erlangen eines besseren Verständnisses zu grünen
von EVU und Interviews mit überwiegend energieintensiven                          Energieprodukten und deren Geschäftsmodellen umfasst der
Industrieunternehmen, die EY und der BDEW von September                           Survey die drei Fokusbereiche Markttrends, Strategie und
2020 bis Februar 2021 durchgeführt haben. Der Survey                              Umsetzung (Abbildung 1). Abgeleitet aus den Erkenntnissen
untersucht die Entwicklung grüner Energieprodukte in der                          aus der Umfrage erfolgen Empfehlungen, die dazu beitragen
DACH-Region bis zum Jahr 2025.                                                    sollen, grüne Energieprodukte und deren Geschäftsmodelle
                                                                                  nachhaltig erfolgreich auszurichten.

Abbildung 1: Inhalte und Aufbau des Surveys

Survey-Design „Grüne Energieprodukte“

                                                                      Markttrends

                                                                                                                                                    Befragungen Industrieunternehmen
                         1.      Auswertung der          Abgrenzung grüne            Entwicklung des          Auswirkungen auf
                                  Megatrends              Energieprodukte          Commodity-Handels           Handelsplätze
  Befragungen EVU

                                                                        Strategie
                        2.       Beweggründe für      Profitabilität von grünen      Ausrichtung von           Festlegung von
                              grüne Energieprodukte      Geschäftsfeldern           Geschäftsmodellen           Investitionen

                                                                       Umsetzung
                        3.      Identifizierung von   Entwicklung von Risiken     Einsatz von Sicherungs-    Implementierung von
                                   Hemmnissen            im Energiehandel              instrumenten         digitalen Technologien

                                                                    Empfehlungen

Der erste Fokusbereich zu Markttrends konzentriert sich u. a.                     Geschäftsfelder und geeigneter Beschaffungskanäle. Da-
auf die Rahmenbedingungen, unter denen sich Geschäfts-                            raus leitet sich die strategische Ausrichtung des jeweiligen
modelle von grünen Energieprodukten innerhalb der nächs-                          Geschäftsmodells ab. Abschließend werden die Investitions-
ten fünf Jahre entwickeln.                                                        bereiche identifiziert, die im Rahmen der strategischen
                                                                                  Ausrichtung als notwendig erachtet werden.
Davon ausgehend befasst sich der zweite Fokusbereich mit
der Ausgestaltung der funktionalen Strategie für grüne Ener-                      Der dritte Fokusbereich setzt sich mit der Frage der erfolg-
gieprodukte. Ausgangspunkt ist die Frage nach den Beweg-                          reichen Umsetzung der Strategie auseinander. Dazu werden
gründen für die Beschaffung grüner Energieprodukte. Dar-                          Herausforderungen aufgezeigt, die im Zusammenhang mit
aufhin erfolgt die Untersuchung der Profitabilität grüner                         der Dekarbonisierung von Energieprodukten bestehen.

                                                                                               Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 9
Grüne Energieprodukte - ein nachhaltiges Geschäftsmodell - EYCarbon
Survey-Design und -Methodik

Mit der Zunahme grüner Energieprodukte gehen auch                                  Abbildung 2 schlüsselt die teilnehmenden EVU nach Umsatz-
Änderungen im Risikomanagement einher, die im Anschluss                            größe und regionalem Schwerpunkt auf.
beleuchtet werden. Zuletzt wird der Einfluss digitaler
Schlüsseltechnologien auf den Energiehandel skizziert.                             Der Survey ist repräsentativ6 für die Gruppe der umsatz-
                                                                                   starken EVU. Auffällig gegenüber dem EY/BDEW Survey
Der Großteil der Survey-Teilnehmer sind über-                                      „Neue Wege in der Energiebeschaffung“ (im Folgenden
regionale Energieversorger mit Umsätzen von über                                   „Survey 2019“) 7 ist der geringere Anteil kleiner und mittle-
                                                                                   rer EVU (KMU-EVU). Mögliche Ursachen könnten die Über-
500 Mio. Euro in Deutschland
                                                                                   schneidung des Abfragezeitraums mit der COVID-19-Pande-
72 Teilnehmer4 — davon fünf Industrieunternehmen —                                 mie, die Komplexität der gestellten Fragen oder Kapazitäts-
nahmen an der Befragung teil. Dabei handelte es sich über-                         engpässe aufgrund bestehender Verpflichtungen zur Er-
wiegend um Mitglieder der Geschäftsführung oder um Mit-                            hebung von Statistiken und anderer Daten bei KMU-EVU
arbeiterinnen und Mitarbeiter in leitender Funktion innerhalb                      sein. Die Survey-Ergebnisse wurden mit Rücksicht auf die
der Handels- bzw. Beschaffungsorganisationen von EVU5.                             Stichprobengruppe analysiert und interpretiert.

4   Die folgenden Ausführungen beziehen sich stets auf EVU, falls nicht anders gekennzeichnet.
5	Dieser Survey nutzt die Erkenntnisse bzgl. der Abgrenzung und Definition von „Handels- bzw. Beschaffungsorganisationen von EVU“ aus der vorangegangenen
   Veröffentlichung „Neue Wege in der Energiebeschaffung“.
6   Rund 30 % der am EEX-Terminhandel tätigen Unternehmen mit Sitz in Deutschland haben an der Befragung teilgenommen.
7   EY/BDEW, Neue Wege in der Energiebeschaffung, 2019.

Abbildung 2: Übersicht der Survey-Teilnehmer

Survey-Teilnehmer nach Fokusregion, Umsatz und Sektoren bei Industrieunternehmen

// Regionen                                                                        // Jahresumsatz

                                                                                                                                  9     %

                                                                                                                                  < 100 Mio. EUR

                   62           EVU

                                                                                                 EVU                              13          %

                                                                                                                                  100–500 Mio. EUR

       5      Industrieunter-
              nehmen
                                                                                                                                  78          %

                                                                                                                                  > 500 Mio. EUR
                                                                                   // Industriesektoren

                                            1      EVU

      4      EVU                                                                       Automobil-
                                                                                        zulieferer
                                                                                                               Chemische
                                                                                                                Industrie
                                                                                                                                         Verbrauchs-
                                                                                                                                            güter

10 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 11
Markttrends

                                     Die globale Erderwärmung hat sich innerhalb weniger
                                     Jahre von einer akademischen Diskussion zum alltagsbe-
                                     stimmenden Thema entwickelt. Die Energiewirtschaft als
                                     größter CO2-Emittent steht im besonderen Fokus.

                                     Dieses Kapitel analysiert die beherrschenden Megatrends,
                                     deren Einfluss auf die Energiewirtschaft und deren Reak-
                                     tion, die zukünftige Rolle grüner Energieprodukte und die
                                     Entwicklung der Handelsvolumina bis zum Jahr 2025.

12 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
1. Markttrends

                                          “
                                          Die globalen Dekarbonisierungsziele
                                          erfordern eine Fokussierung auf grüne
                                          Energieprodukte.

Die Dekarbonisierung verzeichnet den größten Relevanz-
gewinn und ist hiermit der beherrschende Megatrend
Die Energiebeschaffung im Jahr 2025 ist grün, digital und                             Unter allen abgefragten Trends hat nur die Dekarbonisie-
sektorübergreifend vernetzt. Die außergewöhnliche Stellung                            rung gegenüber dem Survey 2019 an Relevanz gewonnen.
der Dekarbonisierung zeigt Abbildung 3 deutlich.8                                     Sie ist somit der führende Megatrend.

8   Die auf der rechten Seite der Grafik gezeigten Prozentangaben stellen relative Veränderungen dar. Dies gilt für alle Grafiken.

Abbildung 3: Relevanz ausgewählter Trends für die Energiebeschaffung

Welche der ausgewählten Trends sind Ihrer Auffassung nach besonders
relevant für die Beschaffung?
Dekarbonisierung                                                                                                                                         21 %

Digitalisierung                                                                                                                                         −19 %

Sektorkopplung*                                                                                                                                           N/A

Dezentralisierung                                                                                                                                       −27 %

Großhandelsregulierung                                                                                                                                  −65 %

Grenzüberschreitender Handel                                                                                                                            −73 %

Neue Wettbewerber                                                                                                                                       −75 %

                                                       0%                     25 %                     50 %                     75 %            100 %
                                                         *Nicht im Survey 2019 abgefragt             Highlight          Survey 2019      Survey 2021

                                                                                                   Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 13
1. Markttrends

Weniger überraschend ist die weiterhin hohe Relevanz der                       Gleichsam verlieren andere Themen spürbar an Bedeutung.
Digitalisierung. Der leichte Bedeutungsrückgang ist mit dem                    Die Regulierungsoffensive im Großhandel beispielsweise,
Lebenszyklus von Trends erklärbar, die mit steigendem Reife-                   die in Form der Marktintegritäts- und Transparenzregeln
grad der zugrunde liegenden Technologien (z. B. Robotic                        REMIT etc. die Abläufe der Energiebeschaffung in den letzten
Process Automation) zum Tagesgeschäft werden.                                  drei Jahren maßgeblich beeinflusst hat, ist vollständig um-
                                                                               gesetzt. Die Umfrageergebnisse spiegeln die zunehmende
Da eine ökonomisch tragbare Dekarbonisierung nur durch                         Integration der Großhandelsregulierung in das Tagesge-
eine weitreichende Vernetzung unterschiedlicher Sektoren                       schäft wider.
erreichbar ist, messen die Befragten dem Trend Sektorkopp-
lung eine signifikante Rolle in der Energiebeschaffung bei.

Die Mehrheit der EVU verbindet mit „grünen Energiepro-
dukten“ eine Kombination aus Strom bzw. Gas und HKN
In der jüngsten Vergangenheit sind u. a. durch das Über-                       hierfür sind gesetzliche Vorgaben wie die Stromkennzeich-
einkommen von Paris und den European Green Deal verbind-                       nung, die HKN für die Deklarierung von Ökostrom voraus-
liche Klimaziele für die DACH-Region beschlossen worden.                       setzt. Zudem bestand in der Vergangenheit eine geringe
Im Gegensatz zu anderen Sektoren wie der Baubranche gibt                       Zahlungsbereitschaft der Energieabnehmer, insbesondere
es in der Energiewirtschaft bereits marktreife Technologien                    bei energieintensiven Industriekunden, für grüne Energiepro-
und Produkte, die das Beschreiten des ambitionierten Dekar-                    dukte. Hierdurch lag der Fokus der EVU auf besonders kos-
bonisierungspfades ermöglichen. Hierzu gehören „grüne                          teneffizienten Produkten und weniger auf dem ökologischen
Energieprodukte“ auf EE-Basis.                                                 Mehrwert. Letzterer rückt zunehmend in den Fokus der End-
                                                                               verbraucher und der Politik9, wodurch auch für höherwertige
Bisher gibt es keine allgemeingültige Definition oder Abgren-                  grüne Produkte Absatzpotenzial entsteht.
zung von grünen Energieprodukten. Es bestehen jedoch Kon-
zepte zur Bewertung der grünen Eigenschaften von Strom                         Die vergleichsweise geringe Anzahl von EVU, die noch keine
und Gas. Beispielsweise beschreibt die Credibility neben der                   Mindestanforderungen an grüne Energieprodukte definiert
grünen Qualität das Risiko von Greenwashing bei grünen                         haben (Abbildung 4, „Keine Angabe“), bestätigt den Trend
Energieprodukten, wobei ökologisch hochwertige Produkte                        und die Relevanz der Dekarbonisierung.
einem niedrigen Risiko ausgesetzt sind. Abbildung 4 zeigt die
Survey-Ergebnisse und deren Einordnung bezüglich Credibi-                      Das Bestreben, grüne Produkte einzusetzen, zeigt sich auch
lity. Demnach sind für 65 % der Befragten HKN von EE zwin-                     in den beschafften bzw. vermarkteten Commodities der EVU
gend notwendig, um Produkte als grün zu deklarieren. Ledig-                    (Abbildung 5). Während Erdgas und Strom auf annähernd
lich 10 % der Teilnehmer setzen höhere Standards wie den                       konstantem Niveau verharren, entfernt ein signifikanter An-
Direktbezug aus EE (Green PPA). Weniger als 15 % erkennen                      teil der Befragten Kohle oder Erdöl aus dem Portfolio. Gleich-
eine CO2-Reduktion bzw. die CO2-Neutralität der beschafften                    zeitig steigt der Anteil der EVU, die zukünftig grüne Energie-
Energie als grünes Energieprodukt an. Ein Großteil der in der                  produkte vermarkten. Herausragend ist der starke Anstieg
DACH-Region vermarkteten grünen Energieprodukte befindet                       von Wasserstoff und HKN für Gas, die zur Dekarbonisierung
sich somit im Mittelfeld auf der Credibility-Skala. Gründe                     der Industrie beitragen.

9	Beispielsweise die Verknüpfung der Grünstromqualität und Subventionen bzw. Gebührenreduktion für die Erzeugung von Grünem Wasserstoff.

14 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
1. Markttrends

Abbildung 4: Mindestanforderungen an „grüne Energieprodukte“

Welche Mindestanforderung stellen Sie an die Produkte der Strom- und Gasbeschaffung,
um diese als „grüne Energieprodukte“ zu deklarieren?
CO2-Reduktion                             9%                                                                       Gering

CO2-Neutralität                             5%

                                                                                                                          Credibility
EE-Herkunftsnachweise                                                                      66 %

Direktbezug aus EE                        9%

Ökologische Zertifizierung                2%                                                                        Hoch

Keine Angabe                              9%

                                     0%                   25 %                  50 %                  75 %

Abbildung 5: Entwicklung der beschafften oder vermarkteten Commodities von EVU bis 2025

Welche Commodities wird Ihr Unternehmen in 2025 voraussichtlich
beschaffen oder vermarkten?
Erdgas                                                                                                                                       −6 %

                                                                                                                                                    Primärenergie
Kohle                                                                                                                                       −26 %

Erdöl                                                                                                                                       −12 %

Strom                                                                                                                                        −5 %
                                                                                                                                                    Sekundärenergie

Wasserstoff                                                                                                                                 486 %

LNG                                                                                                                                         123 %

Strom-HKN                                                                                                                                     5%
                                                                                                                                                    Zertifikate

EUA                                                                                                                                          −1 %

Gas-HKN                                                                                                                                      52 %

     Status quo        2025          0%                   25 %                  50 %                  75 %                   100 %

                                                                                          Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 15
1. Markttrends

                                                                                                                                        Exkurs
 Interviews mit Industrieunternehmen
 Die durchgeführten Interviews mit Vertreterinnen und                            kunden, deren Nachhaltigkeitsbewusstsein ständig wächst.
 Vertretern aus den Sektoren Chemie, Automobilzulieferer                         Die Unternehmen reagieren mit der Herstellung ökologisch
 und Verbrauchsgüter ergeben ein mit den Umfrageergeb-                           verträglicher Güter. Grundvoraussetzung ist der Einsatz
 nissen der EVU übereinstimmendes Bild.                                          grüner Energieprodukte, die eine hohe Credibility auf-
                                                                                 weisen. Die heute übliche Verwendung von HKN aus
 Insbesondere die energieintensiven Unternehmen der                              norwegischer Wasserkraft verliert damit an Relevanz.10
 Chemiebranche bestätigen die Preissensitivität für Energie.                     Unternehmen dieser Sektoren fragen verstärkt hochwer-
 Ursächlich hierfür ist der globale Wettbewerb bei Grund-                        tige grüne Energieprodukte nach.11 Die Interviews legen
 chemikalien, wobei der Produktpreis — bei gleicher Produkt-                     eine Beschleunigung dieser Entwicklung nahe.
 qualität — ausschlaggebend für den wirtschaftlichen Erfolg
 ist. Jedoch verfolgen alle befragten Unternehmen Nach-                          Der Großteil der CO2-Emissionen der befragten Unter-
 haltigkeitsstrategien, die ähnlich ambitionierte Ziele wie                      nehmen ist auf den Gasverbrauch zur Erzeugung von
 das Übereinkommen von Paris enthalten. Grüne Energie-                           Prozesswärme zurückzuführen. Im Gegensatz zur
 produkte gewinnen an Attraktivität, falls Subventionen oder                     Stromversorgung sehen die Industrieunternehmen eine
 Umlagebefreiungen (z. B. Erlass der EEG-Umlage) an die                          Substitution von konventionellem Erdgas zur Wärme-
 CO2-Emissionen der Beschaffung gekoppelt werden.                                erzeugung kritisch. Einerseits sind emissionsarme Erd-
                                                                                 gasalternativen wie Biogas nur begrenzt verfügbar und
 Im Automobil- und Verbrauchsgütersektor ist der Fokus                           der Einsatz von Wasserstoff-Technologien ist zurzeit
 auf den Energiepreis weniger ausgeprägt, da die Energie-                        noch relativ kostenintensiv; andererseits ist der Markt
 kosten einen geringeren Anteil am Gesamtproduktpreis                            aufgrund der fehlenden gesetzlichen Standardisierung
 ausmachen. Zudem werden die Produkte regelmäßig lokal                           von HKN intransparent, wodurch der grüne Mehrwert
 produziert und vermarktet, d. h., alle Produzenten unter-                       nur begrenzt nachweisbar ist. Für die Nutzung des
 liegen ähnlichen Regularien bezüglich der Emissionskosten.                      von den EVU gesehenen Potenzials von Gas-HKN (Abbil-
 Beide Branchen verkaufen Güter hauptsächlich an End-                            dung 5) ist der Abbau dieser Hindernisse erforderlich.

 10	Das HKN-System für Strom ist im Europäischen Wirtschaftsraum einheitlich. Daher können z. B. in Norwegen produzierte HKN in Deutschland eingelöst
     werden. Aufgrund der hohen Wasserkraftkapazität in Norwegen sind die HKN hieraus besonders günstig und wurden in Deutschland stark nachgefragt.
 11	Beispiele: Mercedes-Benz und Statkrafts PPA basierend auf deutscher Onshore-Windenergie, https://www.statkraft.de/presse/news/Archiv/2018/daimler/;
     BMW & Stadtwerke Münchens PPA basierend auf deutscher Wasserkraft, https://www.solarserver.de/2021/03/04/stadtwerke-muenchen-schliessen-
     wasserkraft-ppa-mit-bmw/

16 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
1. Markttrends

40 % der Marktteilnehmer werden Wasserstoff beschaffen
oder vermarkten, wodurch insbesondere in Power-to-X- und
Großhandels-Know-how investiert wird
„Schlüsseltechnologie der Energiewende“, „Klimaretter“,                          der Befragten eine Wasserstoffbeschaffung oder -ver-
„Energieträger der Zukunft“ — Wasserstoff wird eine zentrale                     marktung an. Dies entspricht einer Verfünffachung gegen-
Rolle in der zukünftigen Energiewirtschaft spielen. Wie die                      über dem Status quo.
Umfrageergebnisse zeigen, streben bis 2025 rund 40 %

Abbildung 6: Beweggründe für den Aufbau von Wasserstoff-Know-how

Welche Beweggründe gibt es für Sie, in den Aufbau von Wasserstoff-Know-how
bis 2025 zu investieren?
Speichermedium für überschüssige Energie                                                                                    50 %

Wasserstoffgroßhandel                                                                                                43 %

Regulatorische Verpflichtungen                                                                                35 %

Absatzpotenzial für Mobilitätsanwendungen                                                                 33 %

Absatzpotenzial als chemischer Ausgangsstoff                                                    22 %

     Highlight                                                                  0%                     25 %                   50 %                 75 %

Abbildung 6 verdeutlicht die vielfältigen Beweggründe                            die Zahlungsbereitschaft in diesen Sektoren besonders hoch
für diesen rasanten Anstieg. Rund die Hälfte der Befragten                       sind.13 Ursächlich für die Einschätzung der Befragten könnte
möchte zukünftig Wasserstoff als Speichermedium für Ener-                        einerseits der bereits bestehende Wettbewerb mit den Big-
gie nutzen. Hierzu laufen bereits zahlreiche Pilotprojekte in                    Oil-Unternehmen sein, die neben dem Erzeugungs-Know-
der DACH-Region.12 Über 40 % der befragten EVU sind opti-                        how auch im Besitz entsprechender Infrastruktur (z. B. Raffi-
mistisch, dass die derzeitigen Hürden für den Wasserstoff-                       nerien für synthetische Kraftstoffe, Tankstellennetz) sind;
großhandel wie hohe Erzeugungskosten, fehlende Infrastruk-                       andererseits gehört die Erzeugung und Verwertung von
tur zur Erzeugung und Verteilung, regulatorische Unsicher-                       Wasserstoff zu den Hauptkompetenzen des Chemiesektors,
heiten etc. zügig abgebaut werden, und investieren daher                         der auf jahrzehntelange Partnerschaften mit bestehenden
in den Know-how-Aufbau für einen Wasserstoffgroßhandel.                          Lieferanten oder Eigenerzeugungsanlagen zurückblickt.

Im Gegensatz dazu wird das Absatzpotenzial von Wasserstoff
für Mobilitätsanwendungen oder als chemischer Ausgangs-
stoff von weniger als einem Drittel der Survey-Teilnehmer
als Beweggrund für den Aufbau von Wasserstoff-Know-how
gesehen. Dies ist insoweit überraschend, als nach EY-Berech-
nungen der Mehrwert von Grünem Wasserstoff und damit

12	Beispiele: Integriertes Kraftwerk mit 200 MW Elektrolyseleistung am Standort Hamburg Moorburg (HH2e AG), BHKW mit 2 MW Elektrolyseleistung in Rostock
    (APEX Energy Teterow GmbH), Power-to-Gas-Anlage mit 100 MW Elektrolyseleistung in Lingen (GET H2 Initiative).
13	Nach EY-Berechnungen ist die Zahlungsbereitschaft für Wasserstoff als chemischer Ausgangsstoff bzw. für Mobilitätsanwendungen drei- bzw. neunmal so hoch
    wie bei der Verwertung als Speichermedium für überschüssige Energie.

                                                                                             Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 17
1. Markttrends

Grüne Energieprodukte und passende
Absicherungsinstrumente sind nicht standardisiert
und werden OTC gehandelt
Die Energiewirtschaft verändert sich kontinuierlich durch                         originären Geschäft. Die Marktteilnehmer setzen daher ver-
Technologieinnovationen und regulatorische Anforderungen.                         mehrt auf OTC-gehandelte Nichtstandardprodukte (Abbil-
EVU erfinden, modifizieren und verwerfen Geschäftsmodelle                         dung 17). Zudem besteht seit längerem die Situation, dass
regelmäßig. Trotz des stetigen Wandels sind die Handelsvolu-                      Spotpreise unter dem Terminpreis realisieren, wodurch weni-
mina stets gestiegen. Dekarbonisierung und Digitalisierung                        ger Anreiz für eine Langfristabsicherung besteht.
stützen diese robuste Entwicklung.
                                                                                  Im Gashandel zeichnet sich ein ähnliches Bild ab, jedoch
Bei allen analysierten Commodities erwartet die Mehrheit                          sind die Tendenzen weniger stark ausgeprägt als im Strom-
der Survey-Teilnehmer eine Zunahme der Handelsvolumina                            handel. Dies ist physikalischen Gegebenheiten (z. B. Spei-
(Abbildung 7). Der Spothandel von Strom erfährt bis zum                           cherfähigkeit, Trägheit des Gesamtsystems) und der Markt-
Jahr 2025 eine signifikante Steigerung. Der starke Zuwachs                        reife geschuldet.
ist zum einen durch den Anstieg von fluktuierenden EE, ins-
besondere aus Wind- und Photovoltaik-(PV-)Anlagen, und                            Aufgrund der steigenden Nachfrage an grünen Energiepro-
deren Kurzfristoptimierung in Form von Residualmengen-                            dukten forcieren die Befragten die Beschaffung von HKN.
bewirtschaftung zu erklären; zum anderen etablieren sich                          Der erwartete Anstieg des Zertifikatehandels wirft die Frage
digitale Technologien wie Autotrader, die Commodity-Positio-                      auf, wie eine Standardisierung — als Voraussetzung der
nen je nach aktueller Prognose mehrfach innerhalb eines                           Skalierbarkeit — ohne Verlust der wertbestimmenden Eigen-
Tages umschichten. Insbesondere der börsliche Handel profi-                       schaften14 von HKN gelingt. Derzeit existiert eine Vielzahl
tiert aufgrund der hohen Liquidität, die Grundlage für eine                       heterogener HKN-Produkte, die wiederum auf einem unein-
Kurzfristoptimierung ist.                                                         heitlichen HKN-Markt gehandelt werden. Dies gilt speziell im
                                                                                  Gasmarkt, da HKN für Gas bisher auf freiwilliger Basis ohne
Die Stromvolumina im Terminhandel, sowohl börslich als                            Standards ausgestellt und entwertet werden. Die daraus
auch OTC, steigen für alle untersuchten Commodities am                            resultierende Intransparenz ist hinderlich für die Vermark-
langsamsten. Grund hierfür ist die abnehmende Passfähig-                          tung von grünen Energieprodukten, da Endabnehmern keine
keit der Standardprodukte wie Base- und Peakload zum                              Vergleichsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

14	Der Preis von HKN ist abhängig von der Erzeugungsanlagenart (Wind onshore, Wind offshore etc.), Anlagenstandort, Anlagenalter etc.

18 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
1. Markttrends

Abbildung 7: Entwicklung der Handelsvolumina von Strom, Gas und deren HKN

Wie schätzen Sie die Entwicklung der Handelsvolumina im Energiegroßhandel bis 2025
ggü. dem Status quo ein?
                                                                2%
                          Spot-Börse                                           17 %                                                                     81 %

                          Spot-OTC                                    11 %                                35 %                                         54 %

Strom
                          Termin-Börse                                         19 %                                           45 %                      36 %

                          Termin-OTC                                            21 %                                 34 %                               45 %

                                                                0%
                          Spot-Börse                                                                         47 %                                       53 %
                                                                0%
                          Spot-OTC                                                23 %                                                                 77 %

Strom-HKN
                          Termin-Börse                           5%                                   37 %                                             58 %
                                                                0%
                          Termin-OTC                             5%                                                                                     95 %

                          Spot-Börse                             5%                                                  50 %                               45 %

                          Spot-OTC                                    12 %                                                         56 %                 32 %

Gas
                          Termin-Börse                                12 %                                                   51 %                       37 %

                          Termin-OTC                                                  24 %                                    40 %                      36 %

                                                                2%
                          Spot-Börse                                                                                        59 %                        39 %
                                                                2%
                          Spot-OTC                                                                 36 %                                                 62 %

Gas-HKN
                          Termin-Börse                               8%                                   38 %                                          55 %

                          Termin-OTC                             5%       7%                                                                           88 %

    Abnahme           Konstant         Zunahme                 0%                        25 %                       50 %                   75 %           100 %

                                                                                                Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 19
Strategie

                                     Die Markttrends verdeutlichen, dass EVU ihr Geschäft
                                     grüner, digitaler und sektorübergreifender gestalten
                                     wollen. Gleichzeitig haben sie die Aufgabe, eine Balance
                                     aus Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und
                                     Wirtschaftlichkeit herzustellen.

                                     Dieses Kapitel untersucht die Gründe für eine grüne
                                     Beschaffungsstrategie und zeigt das Potenzial grüner
                                     Geschäftsfelder unter Berücksichtigung der Margen-
                                     entwicklung auf. Weiterhin stehen die Ausrichtung der
                                     Beschaffungskanäle und damit die angestrebte Wert-
                                     schöpfungstiefe der EVU sowie die Investitionsbereiche
                                     im Fokus.

20 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
2. Strategie

                                         “
                                         Viele EVU richten grüne Geschäfts-
                                         modelle nach Upstream- oder Down-
                                         stream-Aktivitäten aus.

Steigende Nachfrage durch Industrieunternehmen und
Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie sind die wesentli-
chen Gründe für die Beschaffung grüner Energieprodukte
Agieren oder reagieren? An dieser Entscheidung orien-                         Wettbewerbsvorteilen. Derzeit überwiegen die Push-
tiert sich die strategische Positionierung von EVU auf                        Faktoren in der Energiewirtschaft.
dem Weg zum grünen Energiehandel (Abbildung 8). Wäh-
rend EVU auf Push-Faktoren zur Vermeidung negativer                           Als wichtigster Push-Faktor für die Beschaffung von
Implikationen reagieren, z. B. drohende Geschäftsver-                         grüner Energie gilt dabei die steigende Nachfrage von
luste, nutzen sie Pull-Faktoren aktiv zur Generierung von                     Industriekunden.

Abbildung 8: Beweggründe für die Beschaffung von grünen Energieprodukten

Aus welchen Gründen beschafft Ihr Unternehmen grüne Energieprodukte?
Steigende Nachfrage im Vertrieb von Industriekunden                                                                 81 %

                                                                                                                                                  Push-Faktor
Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie                                                                   68 %

Steigende Nachfrage im Vertrieb von Haushaltskunden                                      48 %

Regulatorische Anforderungen/politischer Druck                         29 %

Verbesserung der Unternehmensreputation                                             45 %
                                                                                                                                                  Pull-Faktor

Differenzierungsmöglichkeit zu Wettbewerbern                                      42 %

Auskömmliche Deckungsbeiträge                                   16 %

Kostendegression von EE                                    8%

                                                      0%               25 %                     50 %              75 %                100 %

                                                                                         Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 21
2. Strategie

                                                                                                                                           Exkurs
 Interviews mit Industrieunternehmen
 Industrieunternehmen sehen sich einerseits mit den                                Zudem wäre die Versorgungssicherheit durch aus-
 regulatorisch vorgegebenen Emissionsreduktionszielen                              schließliche EE-Eigenerzeugung in Form von volatilen
 konfrontiert, andererseits besteht ein wettbewerbsbe-                             Einspeisern nicht realisierbar. Darüber hinaus besitzen
 dingter Kostendruck. Nachhaltigkeitsstrategien von                                energieintensive Standorte oft eine gasbasierte Eigen-
 Industrieunternehmen setzen im ersten Schritt primär                              erzeugung, die zukünftig mit grünem Gas versorgt
 auf die Senkung der Emissionen durch die Beschaffung                              werden muss.
 grüner Energie. Ein solcher Ansatz hat den Vorteil einer
 zügigen Umsetzung unter Beibehaltung der bestehenden                              Grüne Energieprodukte von EVU bieten hierfür unter-
 Produktionsprozesse und mit einer im Vergleich zu Maß-                            schiedliche Lösungsansätze, um die Industrieansprüche
 nahmen der Energieeffizienzsteigerung verhältnismäßig                             sowohl an Versorgungssicherheit als auch an Klima-
 geringen Kapitalbindung.                                                          schutz gleichermaßen zu erfüllen. Problematisch aus
                                                                                   EVU-Sicht ist dabei jedoch die derzeit geringe Zahlungs-
 Insbesondere kleine und mittlere Industrieunternehmen                             bereitschaft für grüne Energie. Diese ist nach Aussagen
 ohne Eigenerzeugung können durch Grünstrombezug                                   von Industrieunternehmen u. a. darauf zurückzuführen,
 innerhalb weniger Monate ihre Emissionen signifikant ver-                         dass ihnen der Mehrwert grüner Energieprodukte
 ringern.15 Aber auch größere Industrieunternehmen, die                            aktuell nicht ausreichend erklärt wird.
 über ausreichend Kapital für den Bau eigener EE-Anlagen
 verfügen, greifen auf den Bezug grüner Energie durch
 EVU anstelle von Eigenerzeugung oder Contracting-
 Modellen zurück. Ursächlich hierfür sind die Platz- und
 Raumanforderungen16 für PV- und Windanlagen, die auf
 Firmengeländen meist nicht erfüllt werden können.

 15	Nach dem Greenhouse Gas Protocol werden Emissionen in drei „Scopes“ eingeteilt. Scope 1 beschreibt die unmittelbar durch die Geschäftsaktivität ver-
     ursachten Emissionen, z. B. durch die Fahrzeugflotte. Scope 2-Emissionen entstehen durch den Zukauf von Energie z. B. in Form von Strom. Scope 3-
     Emissionen sind mittelbar verursachte Emissionen, z. B. in der Lieferkette oder durch Pendleraktivitäten der Mitarbeiter des Unternehmens. Für kleine
     und mittlere Industrieunternehmen führt ein Grünstrombezug zu einer signifikanten Senkung der Scope 2-Emissionen.
 16	Insbesondere Abstandsregeln für Windkraftanlagen sowie der hohe Flächenbedarf von PV-Anlagen begründen den erhöhten Raumbedarf im Vergleich
     zu konventionellen Erzeugungsarten.

22 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
2. Strategie

Die steigende Nachfrage von Haushaltskunden nach nach-                               produkten. Mit steigenden CO2-Preisen19 und einer Aus-
haltiger Energie spüren die EVU ebenfalls als Push-Faktor.                           weitung der CO2-Bepreisung auf andere Sektoren ist jedoch
Zwischen 2015 und 2019 ist die Anzahl von Ökostrom-                                  zu erwarten, dass zu dem ideellen Mehrwert auch Kosten-
beziehern um ca. 50 % gestiegen. Demnach bezieht jeder                               ersparnisse durch die Beschaffung grüner Energie erzielt
fünfte Haushalt bereits Ökostrom und jeder zweite Privat-                            werden können.20
haushalt berücksichtigt grüne Stromprodukte bei der
Auswahl von Stromtarifen.17 EVU, die dieses grüne Kunden-                            Neben dem „Push“ durch die Nachfrageseite zu mehr grünen
segment zukünftig nicht bedienen können, müssen mit                                  Energieprodukten wird auf die Beschaffungseinheiten durch
Absatzeinbrüchen rechnen.                                                            die Umsetzung der eigenen unternehmensweiten Nachhaltig-
                                                                                     keitsstrategie zusätzlicher Druck aufgebaut. Diese Strategien
Im Gegensatz zur erhöhten Nachfrage steht die geringe                                können dabei das Resultat einer aktiven Entscheidung zu
Zustimmung von nur 16 % der Befragten, dass mit grünen                               mehr Nachhaltigkeit oder auch die Reaktion auf veränderte
Energieprodukten „auskömmliche Deckungsbeiträge“ erwirt-                             Rahmenbedingungen21 sein. Für eine aktive Strategie spre-
schaftet werden können. Zurückzuführen ist dieses Ergebnis                           chen vor allem jene Pull-Faktoren, die direkte oder indirekte
auf das gegenwärtige Marktdesign.18 Der Mehrwert grüner                              positive Umsatzeffekte generieren. Hierzu gehören die Ver-
Energieprodukte beschränkt sich überwiegend auf ideelle                              besserung der Unternehmensreputation und die Differenzie-
Vorteile für Produzenten und Konsumenten. Aus dem er-                                rung von Wettbewerbern durch ein spezialisiertes grünes
höhten Aufwand in der Beschaffung grüner Energie in Kom-                             Energieprodukteportfolio.
bination mit der geringen Zahlungsbereitschaft der Kunden
resultieren somit durchschnittlich geringere Deckungs-
beiträge im Vergleich zu konventionell erzeugten Energie-

17	VuMa, Verbrauchs- und Medienanalyse, 2020.
18	Ein Energy-only-Markt, so wie er z. B. in Deutschland existiert, vergütet nur die zur Verfügung gestellte Energie, wobei diese als homogen betrachtet wird. Etwaige
    Eigenschaften der Energie wie z. B. Herkunft finden keinen unmittelbaren Eingang in die Preisbildung. Grüne Energieprodukte auf EE-Basis sind i. d. R. abhängig
    von der aktuellen Wetterlage, wodurch eine hohe Korrelation zwischen der Erzeugung der Anlagen besteht. Bei günstigen Wetterbedingungen steht Energie daher
    im Überfluss zur Verfügung, wodurch der Preis fällt, und umgekehrt.
19	Nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz steigt der Preis pro Emissionszertifikat innerhalb von fünf Jahren von 25 auf 55 Euro. Im Rahmen des EUA-Handels,
    ist zudem ein Preisanstieg aufgrund der Verknappung der Zertifikate zu erwarten.
20	Steigende CO2-Abgaben auf emissionsbelastete Energien wirken sich negativ auf deren Preise aus. Da EE nicht emissionsbelastet sind und daher keine Abgaben
    geleistet werden müssen, steigt deren komparativer Vorteil gegenüber emissionsbelasteten Energien.
21	Zum Beispiel gestiegenes Interesse von Stakeholdern an Nachhaltigkeit, Verknüpfung von Finanzierungsalternativen mit dem CO2-Abdruck.

                                                                                                  Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 23
2. Strategie

Über 50 % der Befragten erachten den Handel mit Green
PPAs und den dazugehörigen Dienstleistungen zukünftig als
profitable Geschäftsfelder
Aufgrund der derzeit anspruchsvollen Rahmenbedingun-            von EE dazu, dass EE-Anlagen vermehrt durch PPAs finan-
gen wie des unvorteilhaften Marktdesigns oder der gerin-        ziert werden. Aus diesem Nachfrage- und Angebotsanstieg
gen Zahlungsbereitschaft der Endkunden stehen EVU vor           resultiert die Zunahme von PPA-Handelsvolumina, die mit
der Herausforderung, grüne Geschäftsfelder mit positiven        Skalen- und Lerneffekten einhergeht und dadurch die Profi-
Deckungsbeiträgen zu identifizieren.                            tabilität steigert. Zusätzlich führen Standardisierung und
                                                                Automatisierung in der Abwicklung grüner Energieprodukte
Aussichtsreich ist dabei vor allem das Geschäft mit Green       zur Reduktion von Transaktions- und Prozesskosten, was
PPAs und den damit verbundenen Dienstleistungen, wie            sich positiv auf die Deckungsbeiträge auswirkt.
z. B. Bilanzkreismanagement oder Residualmengenbeschaf-
fung (Abbildung 9). Die Profitabilität der PPA-Geschäfte        Ein Viertel der Befragten erwartet, dass der Betrieb von
nimmt durch die steigende Nachfrage nach grüner Energie         OTC-Plattformen22 für EE bis 2025 profitabel sein wird. Das
zu. Gleichzeitig führen sinkende Stromgestehungskosten          ist eine Vervierfachung gegenüber unserem Survey 2019.

22 Plattformen umfassen auch digitale Vertriebsportale.

24 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
2. Strategie

Abbildung 9: Erwartungen bezüglich positiver Deckungsbeiträge grüner Geschäftsfelder

In welchen grünen Geschäftsfeldern kann Ihr Unternehmen gegenwärtig bzw.
im Jahr 2025 positive Deckungsbeiträge erwirtschaften?

Handel mit Green PPA                                                                                                                                     88 %

Erweiterte PPA-Services                                                                                                                                  53 %

Handel mit HKN                                                                                                                                             2%

Marktprämienbasierte Direktvermarktung von EE                                                                                                        −10 %

Flexibilitätsvermarktung von EE                                                                                                                          40 %

Dezentrales Plattformmanagement für den OTC-Handel von EE                                                                                            382 %

Sonstige                                                                                                                                                 −4 %

     Highlight         Status quo         2025                                 0%                    25 %                  50 %                   75 %

Bedingt durch die Gesetzmäßigkeiten der Plattformökonomie                       Hierbei sind insbesondere Effizienzsteigerungen durch
ist die Anzahl unterschiedlicher Plattformbetreiber jedoch                      weitere Automatisierung der Direktvermarktung ein mög-
begrenzt. Nur ausreichend große Plattformen generieren                          liches Handlungsfeld zum Erhalt der Wettbewerbsfähig-
Netzwerkeffekte, die wiederum die notwendige Liquidität                         keit.23 Bedingt durch den bereits hohen Automatisierungs-
schaffen. Daher ist in plattformbasierten Geschäftsfeldern                      grad sind marginale Kostenersparnisse nur noch mit
zukünftig mit einer Konsolidierung zu rechnen.                                  relativ hohen Investitionen möglich. Vorteilhaft sind
                                                                                solche Investments daher nur für EVU mit großen Direkt-
Im Geschäftsfeld der marktprämienbasierten Direktver-                           vermarktungsportfolios.
marktung von EE zeichnen sich ebenfalls Konsolidierungs-
tendenzen ab. Der steigende Wettbewerb in der Direkt-
vermarktung entwickelt zusätzlichen Margendruck.

23	Diese Erkenntnis basiert auf der EY-Benchmarking-Datenbank für Direktvermarktung (Benchmarking-Teilnehmer decken über 40 % der in Deutschland direkt
    vermarkteten Leistung ab).

                                                                                            Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 25
2. Strategie

EVU differenzieren zunehmend die Beschaffungskanäle
für grüne Energieprodukte
Eine der zentralen strategischen Entscheidungen ist die                    Credibility dieses Kanals begründen. Energie aus konventio-
Wahl der Beschaffungskanäle für grüne Energieprodukte für                  neller Erzeugung mit „bilanzieller Grünstellung“ durch den
das jeweilige Geschäftsmodell.                                             Einkauf von HKN wird von einigen Endkunden bereits nicht
                                                                           mehr als nachhaltige Form der Energiebeschaffung
Hierfür können EVU aus unterschiedlichen Optionen wählen,                  angesehen.
die vom Bezug aus eigenen EE-Anlagen bis zum Zukauf von
HKN für konventionell erzeugte Energie reichen (Abbildung                  Auf welchen der grünen Kanäle die Beschaffungsstrategie
10). Die momentan dominanten Kanäle sind dabei der Bezug                   ausgerichtet ist, hängt indessen vom Unternehmensprofil ab.
von Strom via Börsen in Verbindung mit dem OTC-Zukauf von                  So ist z. B. für den Aufbau eigener EE-Anlagen eine ausrei-
HKN, die Beschaffung aus eigenen EE-Anlagen sowie der Be-                  chende Kapitalausstattung und Expertise in der Anlagensteu-
zug via PPAs vom Erzeuger. Einen deutlichen Relevanzge-                    erung vorteilhaft. Erfolgt die Beschaffung hingegen via PPA-
winn verzeichnen in den kommenden Jahren PPAs und OTC-                     Direktbezug vom Erzeuger, sind hauptsächlich Fähigkeiten im
Plattformen als Beschaffungskanäle.                                        Umgang mit den Vertragspartnern notwendig.

Als ungeeignet für den Bezug grüner Energie gelten eigene                  Auffällig ist die Spezialisierung der EVU auf die einzelnen
konventionelle Anlagen in Verbindung mit dem Zukauf von                    Beschaffungskanäle. EVU, die den Upstream-Beschaffungs-
HKN. Die geringe Relevanz lässt sich durch die mangelnde                   kanälen eine hohe Relevanz zusprechen, nutzen weniger

Abbildung 10: Relevanz von Beschaffungskanälen für grüne Energieprodukte

Wie relevant sind die folgenden Beschaffungskanäle für grüne Energieprodukte
in Ihrem Unternehmen?
                                      Nicht vorhanden                      Relevanz                           Hoch

PPA Direktbezug vom                                                                                                       33 %      Upstream
Erzeuger

Bezug aus eigenen                                                                                                         14 %
EE-Assets

Strom/Gas via Börse/OTC                                                                                                     3%
i.V.m. HKNs
                                                                                                                                    Downstream

Grün-Strom/-Gas via                                                                                                       42 %
OTC-Plattform

PPA Direktbezug                                                                                                           49 %
via EVU

Eigene konv. Assets                                                                                                         4%
i.V.m. HKNs

                                           Status quo           2025

26 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
2. Strategie

stark Downstream-Beschaffungskanäle und umgekehrt.               Abbildung 11: Schematische Darstellung der Wertschöpfungskette
EVU fokussieren sich demnach, wie in Abbildung 11 darge-
stellt, entweder auf ein Upstream-Geschäftsmodell (im Fol-
                                                                 Lieferbeziehungen von Upstreamern
genden Upstreamer) oder auf ein Geschäftsmodell mit Fokus        und Downstreamern
auf Downstream-Aktivitäten (im Folgenden Downstreamer).

Beim Upstreamer konzentriert man sich auf Beschaffungs-                                Unabhängige Betreiber
kanäle, die den Einkauf und Handel mit grüner Energie ohne
vorherige Zwischenhändler ermöglichen. Hier liegt der Fokus
auf PPAs von unabhängigen Betreibern und auf dem Bezug
aus eigenen EE-Anlagen. Die Upstreamer agieren als Aggre-
gatoren, d. h., sie kontrahieren und bündeln eine Vielzahl von
EE-Anlagen, bevor diese weiter vermarktet werden.

Das Upstream-Modell wählen vor allem EVU, die über
Fähigkeiten und Ressourcen verfügen, um komplexe Pro-
dukte zu bewerten, Mengen inkl. der dazugehörigen
Profile zu neuen Produkten zu bündeln und diese weiter-                                       Upstreamer
zuverkaufen. Damit weist dieses Geschäftsmodell einen
hohen Grad an vertikaler Integration in der Wertschöp-
fungskette von grünen Energieprodukten auf. Zusätzlich
benötigen Upstreamer eine passende Risikokapitalausstat-
tung, um insbesondere Preisrisiken aus der Residualbe-
schaffung, Projekt- und Rechtsrisiken zu managen. Poten-
zielle Kunden von Upstreamern sind sowohl (industrielle)
Endkunden als auch Downstreamer.

                                                                   Downstreamer                Börse/OTC

                                                                                               Endkunden

                                                                            Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 27
2. Strategie

     Das Downstream-Geschäftsmodell fokussiert die Weiter-                                                       Somit lassen sich unterschiedliche grüne Produkte konzi-
     vermarktung von grünen Energieprodukten an Industrie-                                                       pieren, die sich in Bezug auf Alter, Standort und Art der Er-
     und Haushaltskunden. Downstreamer beschaffen grüne                                                          zeugungsanlagen unterscheiden. Je nach Ausgestaltung
     Energie dabei über Börsen, OTC-Plattformen oder mittels                                                     der Produkte variiert dabei der Nachhaltigkeitsbeitrag, der
     PPAs von anderen EVU. Sowohl OTC-Plattformen als auch                                                       z. B. über eine Zertifizierung gegenüber dem Endkunden
     PPAs gewinnen für dieses Beschaffungsmodell in den kom-                                                     als Mehrwert ausgewiesen werden kann.24
     menden Jahren deutlich an Relevanz. Dies lässt sich damit
     begründen, dass OTC-Plattformen sowie PPA-Bezug von                                                         Abbildung 12 verdeutlicht die dargelegte Einteilung in Up-
     Upstreamern gebündelte grüne Produkte darstellen, die                                                       und Downstream-Geschäftsmodelle für das Jahr 2025, wo-
     aus der Energie-Commodity und dem dazugehörigen HKN                                                         bei sich die befragten EVU in rund ein Drittel Upstream- und
     bestehen. Speziell OTC-Plattformen unterliegen geringeren                                                   rund zwei Drittel Downstream-Geschäftsmodelle aufteilen.
     Standardisierungsanforderungen als Börsen, sodass ein                                                       Die Zuordnung ist in den Grenzbereichen aufgrund der op-
     breiteres Spektrum an grünen Produkten abbildbar ist.                                                       portunen Haltung und von „Legacy-Verträgen“25 nicht voll-
     OTC-Plattformen haben so die Möglichkeit, die unterschied-                                                  ständig überschneidungsfrei.
     lichen Ausprägungen der HKN in den Produkten abzubilden.

     24	Hierzu dienen unabhängige Zertifizierungen, die z. B. den ökologischen Einfluss der Erzeugungsanlagen bewerten und u. a. die Zunahme der Nettoerzeugungs-
         kapazität als „Additionality“-Beitrag zur Energiewende ausweisen.
     25	So können EVU mit aktuellem Fokus auf Downstream-Aktivitäten beispielsweise in der Vergangenheit langfristige PPAs abgeschlossen haben, die im Jahr 2025
         einen Teil der grünen Energieversorgung decken. Der Beschaffungskanal hat damit noch immer eine gewisse Relevanz für das EVU, obwohl er nicht mehr zur stra-
         tegischen Ausrichtung passt.

     Abbildung 12: Zusammenhang zwischen Beschaffungskanälen und Geschäftsmodell

     Einteilung der EVU mit Downstream- bzw. Upstream-Geschäftsmodell im Jahr 2025
PPA Direktbezug vom EVU + Grün-Strom/-Gas via OTC Platt-

                                                                    Hoch
       form + Strom/Gas via Börse/OTC i.V.m. HKN

                                                                                                  Downstream-
                                                                                                  Geschäftsmodell
              Durchschnittliche Relevanz:

                                                                   Mittel

                                                                                                                                                       Upstreamer
                                                                  Gering                                                                               EVU mit Fokus auf Upstream-
                                                                                                                      Upstream-                        Aktivitäten
                                                                                                                      Geschäftsmodell
                                                                                                                                                       Downstreamer
                                                                                                                                                       EVU mit Fokus auf Downstream-
                                                                                                                                                       Aktivitäten
                                                           Keine Relevanz
                                                                                    Gering                          Mittel                   Hoch

                                                                                           Durchschnittliche Relevanz:
                                                                            PPA Direktbezeug vom Erzeuger + Bezug aus eigenen EE-Assets

     28 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
2. Strategie

EVU investieren in die Weiterentwicklung der Automati-
sierung der Geschäftsabläufe und den Ausbau der Synergie-
effekte aus dem Produktportfolio
Langfristig erfolgreich in den skizzierten Geschäftsmodel-
len werden EVU sein, die sich Wettbewerbsvorteile sichern
(Abbildung 13).

Das wichtigste Differenzierungsmerkmal und somit die
Chance auf einen Wettbewerbsvorteil, unabhängig vom ge-
wählten Geschäftsmodell, ist ein hoher Automatisierungs-
grad in der Geschäftsabwicklung und damit niedrige Cost
to Serve. Für grüne Energieprodukte ist dies aufgrund der
Nichtstandardisierung anspruchsvoll, da nur wenige Pro-
zesse vollumfänglich durch bestehende Automatisierungs-
strukturen abgebildet werden können.

Ein voll integriertes Produktportfolio — d. h., wesentliche
Dienstleistungen und Handelsgüter werden vom EVU bereit-
gestellt — ist für das Upstream-Geschäftsmodell ein deutlich
stärkeres Differenzierungsmerkmal als für das Downstream-
Geschäftsmodell. Dies ist nachvollziehbar, da einerseits das
Schnittstellenmanagement zu Dienstleistern für derart kom-
plexe und teils kleinteilige Produkte aufwendig und kosten-
intensiv ist; andererseits bietet ein voll integriertes Produkt-

Abbildung 13: Differenzierungsmerkmale von EVU

Durch welche Differenzierungsmerkmale der Beschaffungseinheiten lassen sich zukünftig
Wettbewerbsvorteile generieren?

Automatisierung der Geschäftsabwicklung                                                                                 68 %

Voll integriertes Produktportfolio                                                                          54 %

Reputation des Unternehmens bzgl. Nachhaltigkeit                                                   43 %

Hochauflösende Wetterprognosemodelle                                                     30 %

Optimierte Risikokapitalbewirtschaftung                                          22 %

Fundamentalmodelle zur Bewertung illiquid. Zeiträume                            21 %

Diversifikation Datendienstleister                                      14 %

     Highlight                                                     0%                   25 %                50 %                 75 %

                                                                               Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 29
2. Strategie

portfolio die Grundlage für Synergieeffekte. Dies gilt ins-                       EVU bereits gut vorbereitet sind und eher evolutionäre
besondere für die Beschaffung und Vermarktung von PPAs,                           oder inkrementelle Änderungen an Prozessen und der Sys-
die neben dem originären Produkt regelmäßig Dienstleistun-                        temlandschaft vornehmen.
gen wie Bilanzkreismanagement und (grüne) Residualmen-
genbeschaffung erfordern.

Wie relevant eine glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategie ist,
unterstreicht die Bedeutungszuweisung der Unternehmens-
reputation als drittwichtigstes Differenzierungsmerkmal.
Demnach haben EVU mit sortenreinen Portfolios ohne stark
CO2-belastete Produkte einen Wettbewerbsvorteil gegenüber
solchen, die nur teilweise auf grüne Energieprodukte setzen.
Zudem besteht bei Letzteren ein Reputationsrisiko durch
Greenwashing-Anschuldigungen.

Zur Ausprägung der Differenzierungsmerkmale bedarf es
laut 94 % der Survey-Teilnehmer Investitionen. Bemerkens-
wert hierbei ist die relative Gleichverteilung der Investitionen
auf alle Kernbereiche (Abbildung 14). Zudem schätzen die
Survey-Teilnehmer den Investitionsbedarf für die Integration
grüner Energieprodukte geringer ein als für die Umsetzung
der Digitalisierung.26 Beide Beobachtungen zeigen, dass die

26 Im Survey 2019 hatten die Investitionsbereiche stärkere Zustimmungswerte (teils > 75 %).

Abbildung 14: Geplante Investitionen

Welche Investitionen sind in Ihrer Beschaffungseinheit geplant, um die Herausforderungen
der Dekarbonisierung zu bewältigen?
Aufbau & Akquisition von Fähigkeiten bzgl. grüner Energieprodukte                                                     51 %

Verbesserung Softwarelandschaft                                                                                46 %

Aufstockung der IT-Infrastruktur                                                                        34 %

Ausbau quantitativer Modelle                                                                           33 %

Organisatorische Neustrukturierung                                                              27 %

Keine Investitionen geplant                                                        6%

     Highlight                                                                  0%               25 %                  50 %        75 %

30 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
Sie können auch lesen