Grüne Energieprodukte - ein nachhaltiges Geschäftsmodell - EYCarbon
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EYCarbon Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell Wie die Dekarbonisierung Energie- und Industrie- unternehmen bis 2025 prägt In Kooperation mit
Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell Wie die Dekarbonisierung Energie- und Industrie- unternehmen bis 2025 prägt Danksagung Als Teil unserer Nachhaltigkeitsstrategie bedanken wir uns für die Teilnahme an der Befragung, indem wir in Deutschland 100 Bäume pflanzen werden. Die Survey-Teilnehmer haben damit aktiv das Projekt „Zollhaus I“ im Landschaftsschutzgebiet „Harz und südliches Harzvorland“ unterstützt. Weitere Informationen finden Sie unter: https://iplantatree.org/projects/Zollhaus%20I Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 3
Inhalt 1 06 Editorial 08 Kernergebnisse 09 Survey-Design und -Methodik 12 Markttrends 20 Strategie 32 Umsetzung 40 Empfehlungen 42 44 Glossar Ihre Ansprechpartner Markttrends Die globalen Dekarbonisierungs- ziele erfordern eine Fokussierung auf grüne Energieprodukte Seite 12 4 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
2 3 Strategie Umsetzung Viele EVU richten Grüne Energieprodukte grüne Geschäftsmodelle bedürfen spezifische nach Upstream- oder Absicherungsstrategien Downstream-Aktivitäten und hoch entwickelte aus Digitaltechnologien Seite 20 Seite 32 Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 5
Editorial D ie globale Erderwärmung ist omnipräsent. Die sieben wärmsten Jahre innerhalb der 150-jährigen Auf- zeichnungshistorie liegen im Zeitraum von 2014 bis 2020.1 Der Klimawandel, ausgelöst durch Treibhausgas- emissionen, oft als CO2- oder als CO2-äquivalenter Ausstoß bezeichnet, ist im Zentrum unserer Gesellschaft angekom- men. Die Weltgemeinschaft hat sich daher mit dem Über- einkommen von Paris auf eine massive Reduktion der Treib- hausgasemissionen verständigt. Die Energiewirtschaft als größter globaler CO2-Emittent2 steht im Mittelpunkt, da sie Ursache und Lösung zugleich ist. Trotz der geänderten Rahmenbedingungen hinsichtlich Um- Carsten Buhl weltverträglichkeit sind die Ansprüche der weiteren Dimensi- Leiter Trading, Generation & Heating onen des energiepolitischen Dreiecks, Versorgungssicher- Energy & Resources heit und Wirtschaftlichkeit, unverändert hoch bzw. steigen durch die Ausweitung der Elektrifizierung auf neue Sektoren sogar an. Die Erfüllung der immer komplexeren Ansprüche insbesondere für die Energiebeschaffung, als Bindeglied zwischen Angebot und Nachfrage, wird immer aufwändiger. Treibhausgasemis Die Angebotsseite durchläuft eine rasante Transforma- tion. Die Netto-Zunahme von erneuerbaren Energien (EE) flacht ab, da mehr und mehr Anlagen das Förderende (z. B. nach 20 Jahren EEG-Förderung) erreichen und aktuelle Marktpreise nur unzureichende Anreize für den Fortbestand bieten. In Deutschland wurde mit einer unerwarteten Ver- längerung der EEG-Förderung eine temporäre Lösung ange- boten, die jedoch auch die regulatorische Instabilität zeigt. Gleichzeitig wird planbare Erzeugungsleistung in Form von Klim Kohle- und Kernkraftwerken außer Betrieb genommen. Da sich bisher kein ausreichender Zuwachs an Erzeugungs- und Verbrauchsflexibilität eingestellt hat, steigt die Volatilität von Strompreisen. Im gleichen Zug gewinnt die Umweltverträglichkeit für die Nachfrageseite an Relevanz. Privatkunden und Industrie- unternehmen verfolgen vergleichbare Dekarbonisierungs- ziele wie die Energiewirtschaft. Konsequent fordern sie daher umweltverträgliche Energieprodukte, wobei die Energiekosten nicht signifikant steigen dürfen. 1 National Centers for Environmental Information, State of the Climate: Global Climate Report for Annual 2020, 2021. 2 Diese Aussage bezieht sich auf CO2-Äquivalente. 6 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
Die Energiewirtschaft verfügt bereits über marktreife oder Die Beiträge und die Rolle der Energiebeschaffung als un- kurz vor der Markteinführung stehende Technologien und verzichtbare Drehscheibe dieser grünen Energiewende sind Instrumente, um die Herausforderungen zu meistern bzw. bisher noch nicht umfassend untersucht worden. Deshalb Chancen der Dekarbonisierung zu nutzen. So kann beispiels- haben EY und der BDEW einen Survey mit 72 Teilnehmern, weise mittels der Wasserelektrolyse langfristige Flexibilität die Beschaffungsaktivitäten in Deutschland, Österreich zur Stabilisierung des Stromnetzes geschaffen werden. oder der Schweiz betreiben, durchgeführt. CO2-neutral hergestellter Wasserstoff kann zudem das emis- sionsbelastete Erdgas substituieren. Power Purchase Agree- Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen. Sollten Sie ments (PPAs) ermöglichen die subventionsfreie Vermarktung Rückfragen haben oder möchten Sie einzelne Themenkom- von Neubau- und Bestandsanlagen auf EE-Basis, wodurch plexe diskutieren, sprechen Sie uns gerne an. sich die Netto-Zunahme beschleunigt. Insbesondere große Neubauanlagen profitieren durch stetig sinkende Stromge- stehungskosten. Parallel unterstützen derartige Projekte die Entwicklung grüner Energieprodukte, die für die Dekarboni- sierung nachgelagerter Industriezweige nutzbar sind. Haupt- aufgabe der Energiebeschaffung im Rahmen der Dekarboni- sierung ist die Überführung des bestehenden Potenzials in nachhaltige Energieprodukte und Geschäftsmodelle, die die Anforderungen des energiepolitischen Dreiecks erfüllen. ssionen mawandel Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 7
Kernergebnisse Wir haben 72 Expertinnen und Experten in Deutschland, Österreich und der Schweiz zur Entwicklung grüner Energieprodukte bis zum Jahr 2025 befragt. Wie die folgenden Kernergebnisse zeigen, befinden sich die Befragten bereits in der Transformation von konventionellen zu grünen Energieprodukten. Bezüglich der drei Fokusthemen haben wir folgende Erkenntnisse gewonnen: 1. Markttrends Aufgrund der strategischen Ausrichtung differenzieren EVU ihre Beschaffungskanäle für grüne Energieprodukte Die globalen Dekarbonisierungsziele erfordern eine zunehmend. Diese Entwicklung führt zur Herausbildung Fokussierung auf grüne Energieprodukte von zwei Geschäftsmodellen: Das eine fokussiert sich auf Upstream-, das andere auf Downstream-Aktivitäten. EVU, Die Dekarbonisierung3 verzeichnet den größten Relevanz- die insbesondere auf Upstream-Aktivitäten setzen, forcie- gewinn in der Energiewirtschaft und ist damit der beherr- ren den Ausbau eigener EE-Anlagen und den Direktbezug schende Megatrend, der die Stoßrichtung für zukünftige aus EE ohne Zwischenhändler. EVU mit reinem Downstream- Geschäftsmodelle setzt. Die Fokussierung im Energiehan- Geschäftsmodell beschaffen grüne Energieprodukte vor- del liegt damit in Zukunft auf grünen Energieprodukten. zugsweise über Marktplätze. Sowohl für Upstream- als Die Mehrheit der Energieversorgungsunternehmen (EVU) auch für Downstream-Geschäftsmodelle sind Investitionen verbindet mit grünen Energieprodukten eine Kombination in die Weiterentwicklung der Automatisierung von Ge- aus Strom bzw. Gas und Herkunftsnachweisen (HKN) aus schäftsabläufen und in den Ausbau der Synergieeffekte EE. Eine Schlüsselrolle im Commodity-Handel übernimmt aus dem Produktportfolio erforderlich. zukünftig Wasserstoff als Energieträger und Speicherme- dium von EE. 40 % der Marktteilnehmer werden Wasser- stoff beschaffen oder vermarkten, wodurch in Power-to-X- 3. Umsetzung und Großhandels-Know-how investiert wird. Grüne Energieprodukte bedürfen spezifische Absicherungs- Die dominierenden Handelsplätze bleiben OTC-Märkte, strategien und hoch entwickelte Digitaltechnologien da grüne Energieprodukte und passende Absicherungs- instrumente noch nicht ausreichend für den börslichen Die noch geringe Standardisierung grüner Energieprodukte Handel standardisiert sind. hemmt derzeit sowohl die Geschäftsanbahnung als auch die Geschäftsabwicklung. In der Umsetzung des Handels mit grünen Energieprodukten rechnen die Marktteilnehmer 2. Strategie mit einer Zunahme von Preis-, Volumen- und regulatori- schen Risiken. Langfristige Standardprodukte und speziali- Viele EVU richten grüne Geschäftsmodelle nach Upstream- sierte Solar- und Windprofile dienen dabei als Absicherungs- oder Downstream-Aktivitäten aus instrumente. Die steigende Nachfrage nach klimaneutralen Lösungen Desktop Automation/Robotic Process Automation sowie durch Industrieunternehmen und die Vorgaben der unter- Analytics-Lösungen fungieren als Enabler der Umsetzung nehmensinternen Nachhaltigkeitsstrategien sind die Haupt- von dekarbonisierten Beschaffungsstrategien und führen gründe für die Beschaffung grüner Energieprodukte. somit zu Effizienzsteigerungen in den Geschäftsabläufen Grundlage für die Funktionalstrategie von Beschaffungs- zur Vermarktung grüner Energieprodukte. und Handelseinheiten ist die Auswahl von Geschäftsfel- dern, die das Potenzial besitzen, Dekarbonisierung und Un- ternehmenserfolg gleichermaßen zu fördern. Über 50 % der Befragten erachten hierbei den Handel mit Green PPAs sowie dazugehörige Dienstleistungen als Geschäftsfelder mit einem solchen Potenzial. 3 Kursiv geschriebene Begriffe werden im Glossar definiert oder erläutert. Die Begriffe werden jeweils beim ersten Auftreten entsprechend kursiv markiert. 8 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
Survey-Design und -Methodik Der vorliegende Survey basiert auf einer Online-Befragung Zum Erlangen eines besseren Verständnisses zu grünen von EVU und Interviews mit überwiegend energieintensiven Energieprodukten und deren Geschäftsmodellen umfasst der Industrieunternehmen, die EY und der BDEW von September Survey die drei Fokusbereiche Markttrends, Strategie und 2020 bis Februar 2021 durchgeführt haben. Der Survey Umsetzung (Abbildung 1). Abgeleitet aus den Erkenntnissen untersucht die Entwicklung grüner Energieprodukte in der aus der Umfrage erfolgen Empfehlungen, die dazu beitragen DACH-Region bis zum Jahr 2025. sollen, grüne Energieprodukte und deren Geschäftsmodelle nachhaltig erfolgreich auszurichten. Abbildung 1: Inhalte und Aufbau des Surveys Survey-Design „Grüne Energieprodukte“ Markttrends Befragungen Industrieunternehmen 1. Auswertung der Abgrenzung grüne Entwicklung des Auswirkungen auf Megatrends Energieprodukte Commodity-Handels Handelsplätze Befragungen EVU Strategie 2. Beweggründe für Profitabilität von grünen Ausrichtung von Festlegung von grüne Energieprodukte Geschäftsfeldern Geschäftsmodellen Investitionen Umsetzung 3. Identifizierung von Entwicklung von Risiken Einsatz von Sicherungs- Implementierung von Hemmnissen im Energiehandel instrumenten digitalen Technologien Empfehlungen Der erste Fokusbereich zu Markttrends konzentriert sich u. a. Geschäftsfelder und geeigneter Beschaffungskanäle. Da- auf die Rahmenbedingungen, unter denen sich Geschäfts- raus leitet sich die strategische Ausrichtung des jeweiligen modelle von grünen Energieprodukten innerhalb der nächs- Geschäftsmodells ab. Abschließend werden die Investitions- ten fünf Jahre entwickeln. bereiche identifiziert, die im Rahmen der strategischen Ausrichtung als notwendig erachtet werden. Davon ausgehend befasst sich der zweite Fokusbereich mit der Ausgestaltung der funktionalen Strategie für grüne Ener- Der dritte Fokusbereich setzt sich mit der Frage der erfolg- gieprodukte. Ausgangspunkt ist die Frage nach den Beweg- reichen Umsetzung der Strategie auseinander. Dazu werden gründen für die Beschaffung grüner Energieprodukte. Dar- Herausforderungen aufgezeigt, die im Zusammenhang mit aufhin erfolgt die Untersuchung der Profitabilität grüner der Dekarbonisierung von Energieprodukten bestehen. Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 9
Survey-Design und -Methodik Mit der Zunahme grüner Energieprodukte gehen auch Abbildung 2 schlüsselt die teilnehmenden EVU nach Umsatz- Änderungen im Risikomanagement einher, die im Anschluss größe und regionalem Schwerpunkt auf. beleuchtet werden. Zuletzt wird der Einfluss digitaler Schlüsseltechnologien auf den Energiehandel skizziert. Der Survey ist repräsentativ6 für die Gruppe der umsatz- starken EVU. Auffällig gegenüber dem EY/BDEW Survey Der Großteil der Survey-Teilnehmer sind über- „Neue Wege in der Energiebeschaffung“ (im Folgenden regionale Energieversorger mit Umsätzen von über „Survey 2019“) 7 ist der geringere Anteil kleiner und mittle- rer EVU (KMU-EVU). Mögliche Ursachen könnten die Über- 500 Mio. Euro in Deutschland schneidung des Abfragezeitraums mit der COVID-19-Pande- 72 Teilnehmer4 — davon fünf Industrieunternehmen — mie, die Komplexität der gestellten Fragen oder Kapazitäts- nahmen an der Befragung teil. Dabei handelte es sich über- engpässe aufgrund bestehender Verpflichtungen zur Er- wiegend um Mitglieder der Geschäftsführung oder um Mit- hebung von Statistiken und anderer Daten bei KMU-EVU arbeiterinnen und Mitarbeiter in leitender Funktion innerhalb sein. Die Survey-Ergebnisse wurden mit Rücksicht auf die der Handels- bzw. Beschaffungsorganisationen von EVU5. Stichprobengruppe analysiert und interpretiert. 4 Die folgenden Ausführungen beziehen sich stets auf EVU, falls nicht anders gekennzeichnet. 5 Dieser Survey nutzt die Erkenntnisse bzgl. der Abgrenzung und Definition von „Handels- bzw. Beschaffungsorganisationen von EVU“ aus der vorangegangenen Veröffentlichung „Neue Wege in der Energiebeschaffung“. 6 Rund 30 % der am EEX-Terminhandel tätigen Unternehmen mit Sitz in Deutschland haben an der Befragung teilgenommen. 7 EY/BDEW, Neue Wege in der Energiebeschaffung, 2019. Abbildung 2: Übersicht der Survey-Teilnehmer Survey-Teilnehmer nach Fokusregion, Umsatz und Sektoren bei Industrieunternehmen // Regionen // Jahresumsatz 9 % < 100 Mio. EUR 62 EVU EVU 13 % 100–500 Mio. EUR 5 Industrieunter- nehmen 78 % > 500 Mio. EUR // Industriesektoren 1 EVU 4 EVU Automobil- zulieferer Chemische Industrie Verbrauchs- güter 10 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
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Markttrends Die globale Erderwärmung hat sich innerhalb weniger Jahre von einer akademischen Diskussion zum alltagsbe- stimmenden Thema entwickelt. Die Energiewirtschaft als größter CO2-Emittent steht im besonderen Fokus. Dieses Kapitel analysiert die beherrschenden Megatrends, deren Einfluss auf die Energiewirtschaft und deren Reak- tion, die zukünftige Rolle grüner Energieprodukte und die Entwicklung der Handelsvolumina bis zum Jahr 2025. 12 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
1. Markttrends “ Die globalen Dekarbonisierungsziele erfordern eine Fokussierung auf grüne Energieprodukte. Die Dekarbonisierung verzeichnet den größten Relevanz- gewinn und ist hiermit der beherrschende Megatrend Die Energiebeschaffung im Jahr 2025 ist grün, digital und Unter allen abgefragten Trends hat nur die Dekarbonisie- sektorübergreifend vernetzt. Die außergewöhnliche Stellung rung gegenüber dem Survey 2019 an Relevanz gewonnen. der Dekarbonisierung zeigt Abbildung 3 deutlich.8 Sie ist somit der führende Megatrend. 8 Die auf der rechten Seite der Grafik gezeigten Prozentangaben stellen relative Veränderungen dar. Dies gilt für alle Grafiken. Abbildung 3: Relevanz ausgewählter Trends für die Energiebeschaffung Welche der ausgewählten Trends sind Ihrer Auffassung nach besonders relevant für die Beschaffung? Dekarbonisierung 21 % Digitalisierung −19 % Sektorkopplung* N/A Dezentralisierung −27 % Großhandelsregulierung −65 % Grenzüberschreitender Handel −73 % Neue Wettbewerber −75 % 0% 25 % 50 % 75 % 100 % *Nicht im Survey 2019 abgefragt Highlight Survey 2019 Survey 2021 Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 13
1. Markttrends Weniger überraschend ist die weiterhin hohe Relevanz der Gleichsam verlieren andere Themen spürbar an Bedeutung. Digitalisierung. Der leichte Bedeutungsrückgang ist mit dem Die Regulierungsoffensive im Großhandel beispielsweise, Lebenszyklus von Trends erklärbar, die mit steigendem Reife- die in Form der Marktintegritäts- und Transparenzregeln grad der zugrunde liegenden Technologien (z. B. Robotic REMIT etc. die Abläufe der Energiebeschaffung in den letzten Process Automation) zum Tagesgeschäft werden. drei Jahren maßgeblich beeinflusst hat, ist vollständig um- gesetzt. Die Umfrageergebnisse spiegeln die zunehmende Da eine ökonomisch tragbare Dekarbonisierung nur durch Integration der Großhandelsregulierung in das Tagesge- eine weitreichende Vernetzung unterschiedlicher Sektoren schäft wider. erreichbar ist, messen die Befragten dem Trend Sektorkopp- lung eine signifikante Rolle in der Energiebeschaffung bei. Die Mehrheit der EVU verbindet mit „grünen Energiepro- dukten“ eine Kombination aus Strom bzw. Gas und HKN In der jüngsten Vergangenheit sind u. a. durch das Über- hierfür sind gesetzliche Vorgaben wie die Stromkennzeich- einkommen von Paris und den European Green Deal verbind- nung, die HKN für die Deklarierung von Ökostrom voraus- liche Klimaziele für die DACH-Region beschlossen worden. setzt. Zudem bestand in der Vergangenheit eine geringe Im Gegensatz zu anderen Sektoren wie der Baubranche gibt Zahlungsbereitschaft der Energieabnehmer, insbesondere es in der Energiewirtschaft bereits marktreife Technologien bei energieintensiven Industriekunden, für grüne Energiepro- und Produkte, die das Beschreiten des ambitionierten Dekar- dukte. Hierdurch lag der Fokus der EVU auf besonders kos- bonisierungspfades ermöglichen. Hierzu gehören „grüne teneffizienten Produkten und weniger auf dem ökologischen Energieprodukte“ auf EE-Basis. Mehrwert. Letzterer rückt zunehmend in den Fokus der End- verbraucher und der Politik9, wodurch auch für höherwertige Bisher gibt es keine allgemeingültige Definition oder Abgren- grüne Produkte Absatzpotenzial entsteht. zung von grünen Energieprodukten. Es bestehen jedoch Kon- zepte zur Bewertung der grünen Eigenschaften von Strom Die vergleichsweise geringe Anzahl von EVU, die noch keine und Gas. Beispielsweise beschreibt die Credibility neben der Mindestanforderungen an grüne Energieprodukte definiert grünen Qualität das Risiko von Greenwashing bei grünen haben (Abbildung 4, „Keine Angabe“), bestätigt den Trend Energieprodukten, wobei ökologisch hochwertige Produkte und die Relevanz der Dekarbonisierung. einem niedrigen Risiko ausgesetzt sind. Abbildung 4 zeigt die Survey-Ergebnisse und deren Einordnung bezüglich Credibi- Das Bestreben, grüne Produkte einzusetzen, zeigt sich auch lity. Demnach sind für 65 % der Befragten HKN von EE zwin- in den beschafften bzw. vermarkteten Commodities der EVU gend notwendig, um Produkte als grün zu deklarieren. Ledig- (Abbildung 5). Während Erdgas und Strom auf annähernd lich 10 % der Teilnehmer setzen höhere Standards wie den konstantem Niveau verharren, entfernt ein signifikanter An- Direktbezug aus EE (Green PPA). Weniger als 15 % erkennen teil der Befragten Kohle oder Erdöl aus dem Portfolio. Gleich- eine CO2-Reduktion bzw. die CO2-Neutralität der beschafften zeitig steigt der Anteil der EVU, die zukünftig grüne Energie- Energie als grünes Energieprodukt an. Ein Großteil der in der produkte vermarkten. Herausragend ist der starke Anstieg DACH-Region vermarkteten grünen Energieprodukte befindet von Wasserstoff und HKN für Gas, die zur Dekarbonisierung sich somit im Mittelfeld auf der Credibility-Skala. Gründe der Industrie beitragen. 9 Beispielsweise die Verknüpfung der Grünstromqualität und Subventionen bzw. Gebührenreduktion für die Erzeugung von Grünem Wasserstoff. 14 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
1. Markttrends Abbildung 4: Mindestanforderungen an „grüne Energieprodukte“ Welche Mindestanforderung stellen Sie an die Produkte der Strom- und Gasbeschaffung, um diese als „grüne Energieprodukte“ zu deklarieren? CO2-Reduktion 9% Gering CO2-Neutralität 5% Credibility EE-Herkunftsnachweise 66 % Direktbezug aus EE 9% Ökologische Zertifizierung 2% Hoch Keine Angabe 9% 0% 25 % 50 % 75 % Abbildung 5: Entwicklung der beschafften oder vermarkteten Commodities von EVU bis 2025 Welche Commodities wird Ihr Unternehmen in 2025 voraussichtlich beschaffen oder vermarkten? Erdgas −6 % Primärenergie Kohle −26 % Erdöl −12 % Strom −5 % Sekundärenergie Wasserstoff 486 % LNG 123 % Strom-HKN 5% Zertifikate EUA −1 % Gas-HKN 52 % Status quo 2025 0% 25 % 50 % 75 % 100 % Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 15
1. Markttrends Exkurs Interviews mit Industrieunternehmen Die durchgeführten Interviews mit Vertreterinnen und kunden, deren Nachhaltigkeitsbewusstsein ständig wächst. Vertretern aus den Sektoren Chemie, Automobilzulieferer Die Unternehmen reagieren mit der Herstellung ökologisch und Verbrauchsgüter ergeben ein mit den Umfrageergeb- verträglicher Güter. Grundvoraussetzung ist der Einsatz nissen der EVU übereinstimmendes Bild. grüner Energieprodukte, die eine hohe Credibility auf- weisen. Die heute übliche Verwendung von HKN aus Insbesondere die energieintensiven Unternehmen der norwegischer Wasserkraft verliert damit an Relevanz.10 Chemiebranche bestätigen die Preissensitivität für Energie. Unternehmen dieser Sektoren fragen verstärkt hochwer- Ursächlich hierfür ist der globale Wettbewerb bei Grund- tige grüne Energieprodukte nach.11 Die Interviews legen chemikalien, wobei der Produktpreis — bei gleicher Produkt- eine Beschleunigung dieser Entwicklung nahe. qualität — ausschlaggebend für den wirtschaftlichen Erfolg ist. Jedoch verfolgen alle befragten Unternehmen Nach- Der Großteil der CO2-Emissionen der befragten Unter- haltigkeitsstrategien, die ähnlich ambitionierte Ziele wie nehmen ist auf den Gasverbrauch zur Erzeugung von das Übereinkommen von Paris enthalten. Grüne Energie- Prozesswärme zurückzuführen. Im Gegensatz zur produkte gewinnen an Attraktivität, falls Subventionen oder Stromversorgung sehen die Industrieunternehmen eine Umlagebefreiungen (z. B. Erlass der EEG-Umlage) an die Substitution von konventionellem Erdgas zur Wärme- CO2-Emissionen der Beschaffung gekoppelt werden. erzeugung kritisch. Einerseits sind emissionsarme Erd- gasalternativen wie Biogas nur begrenzt verfügbar und Im Automobil- und Verbrauchsgütersektor ist der Fokus der Einsatz von Wasserstoff-Technologien ist zurzeit auf den Energiepreis weniger ausgeprägt, da die Energie- noch relativ kostenintensiv; andererseits ist der Markt kosten einen geringeren Anteil am Gesamtproduktpreis aufgrund der fehlenden gesetzlichen Standardisierung ausmachen. Zudem werden die Produkte regelmäßig lokal von HKN intransparent, wodurch der grüne Mehrwert produziert und vermarktet, d. h., alle Produzenten unter- nur begrenzt nachweisbar ist. Für die Nutzung des liegen ähnlichen Regularien bezüglich der Emissionskosten. von den EVU gesehenen Potenzials von Gas-HKN (Abbil- Beide Branchen verkaufen Güter hauptsächlich an End- dung 5) ist der Abbau dieser Hindernisse erforderlich. 10 Das HKN-System für Strom ist im Europäischen Wirtschaftsraum einheitlich. Daher können z. B. in Norwegen produzierte HKN in Deutschland eingelöst werden. Aufgrund der hohen Wasserkraftkapazität in Norwegen sind die HKN hieraus besonders günstig und wurden in Deutschland stark nachgefragt. 11 Beispiele: Mercedes-Benz und Statkrafts PPA basierend auf deutscher Onshore-Windenergie, https://www.statkraft.de/presse/news/Archiv/2018/daimler/; BMW & Stadtwerke Münchens PPA basierend auf deutscher Wasserkraft, https://www.solarserver.de/2021/03/04/stadtwerke-muenchen-schliessen- wasserkraft-ppa-mit-bmw/ 16 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
1. Markttrends 40 % der Marktteilnehmer werden Wasserstoff beschaffen oder vermarkten, wodurch insbesondere in Power-to-X- und Großhandels-Know-how investiert wird „Schlüsseltechnologie der Energiewende“, „Klimaretter“, der Befragten eine Wasserstoffbeschaffung oder -ver- „Energieträger der Zukunft“ — Wasserstoff wird eine zentrale marktung an. Dies entspricht einer Verfünffachung gegen- Rolle in der zukünftigen Energiewirtschaft spielen. Wie die über dem Status quo. Umfrageergebnisse zeigen, streben bis 2025 rund 40 % Abbildung 6: Beweggründe für den Aufbau von Wasserstoff-Know-how Welche Beweggründe gibt es für Sie, in den Aufbau von Wasserstoff-Know-how bis 2025 zu investieren? Speichermedium für überschüssige Energie 50 % Wasserstoffgroßhandel 43 % Regulatorische Verpflichtungen 35 % Absatzpotenzial für Mobilitätsanwendungen 33 % Absatzpotenzial als chemischer Ausgangsstoff 22 % Highlight 0% 25 % 50 % 75 % Abbildung 6 verdeutlicht die vielfältigen Beweggründe die Zahlungsbereitschaft in diesen Sektoren besonders hoch für diesen rasanten Anstieg. Rund die Hälfte der Befragten sind.13 Ursächlich für die Einschätzung der Befragten könnte möchte zukünftig Wasserstoff als Speichermedium für Ener- einerseits der bereits bestehende Wettbewerb mit den Big- gie nutzen. Hierzu laufen bereits zahlreiche Pilotprojekte in Oil-Unternehmen sein, die neben dem Erzeugungs-Know- der DACH-Region.12 Über 40 % der befragten EVU sind opti- how auch im Besitz entsprechender Infrastruktur (z. B. Raffi- mistisch, dass die derzeitigen Hürden für den Wasserstoff- nerien für synthetische Kraftstoffe, Tankstellennetz) sind; großhandel wie hohe Erzeugungskosten, fehlende Infrastruk- andererseits gehört die Erzeugung und Verwertung von tur zur Erzeugung und Verteilung, regulatorische Unsicher- Wasserstoff zu den Hauptkompetenzen des Chemiesektors, heiten etc. zügig abgebaut werden, und investieren daher der auf jahrzehntelange Partnerschaften mit bestehenden in den Know-how-Aufbau für einen Wasserstoffgroßhandel. Lieferanten oder Eigenerzeugungsanlagen zurückblickt. Im Gegensatz dazu wird das Absatzpotenzial von Wasserstoff für Mobilitätsanwendungen oder als chemischer Ausgangs- stoff von weniger als einem Drittel der Survey-Teilnehmer als Beweggrund für den Aufbau von Wasserstoff-Know-how gesehen. Dies ist insoweit überraschend, als nach EY-Berech- nungen der Mehrwert von Grünem Wasserstoff und damit 12 Beispiele: Integriertes Kraftwerk mit 200 MW Elektrolyseleistung am Standort Hamburg Moorburg (HH2e AG), BHKW mit 2 MW Elektrolyseleistung in Rostock (APEX Energy Teterow GmbH), Power-to-Gas-Anlage mit 100 MW Elektrolyseleistung in Lingen (GET H2 Initiative). 13 Nach EY-Berechnungen ist die Zahlungsbereitschaft für Wasserstoff als chemischer Ausgangsstoff bzw. für Mobilitätsanwendungen drei- bzw. neunmal so hoch wie bei der Verwertung als Speichermedium für überschüssige Energie. Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 17
1. Markttrends Grüne Energieprodukte und passende Absicherungsinstrumente sind nicht standardisiert und werden OTC gehandelt Die Energiewirtschaft verändert sich kontinuierlich durch originären Geschäft. Die Marktteilnehmer setzen daher ver- Technologieinnovationen und regulatorische Anforderungen. mehrt auf OTC-gehandelte Nichtstandardprodukte (Abbil- EVU erfinden, modifizieren und verwerfen Geschäftsmodelle dung 17). Zudem besteht seit längerem die Situation, dass regelmäßig. Trotz des stetigen Wandels sind die Handelsvolu- Spotpreise unter dem Terminpreis realisieren, wodurch weni- mina stets gestiegen. Dekarbonisierung und Digitalisierung ger Anreiz für eine Langfristabsicherung besteht. stützen diese robuste Entwicklung. Im Gashandel zeichnet sich ein ähnliches Bild ab, jedoch Bei allen analysierten Commodities erwartet die Mehrheit sind die Tendenzen weniger stark ausgeprägt als im Strom- der Survey-Teilnehmer eine Zunahme der Handelsvolumina handel. Dies ist physikalischen Gegebenheiten (z. B. Spei- (Abbildung 7). Der Spothandel von Strom erfährt bis zum cherfähigkeit, Trägheit des Gesamtsystems) und der Markt- Jahr 2025 eine signifikante Steigerung. Der starke Zuwachs reife geschuldet. ist zum einen durch den Anstieg von fluktuierenden EE, ins- besondere aus Wind- und Photovoltaik-(PV-)Anlagen, und Aufgrund der steigenden Nachfrage an grünen Energiepro- deren Kurzfristoptimierung in Form von Residualmengen- dukten forcieren die Befragten die Beschaffung von HKN. bewirtschaftung zu erklären; zum anderen etablieren sich Der erwartete Anstieg des Zertifikatehandels wirft die Frage digitale Technologien wie Autotrader, die Commodity-Positio- auf, wie eine Standardisierung — als Voraussetzung der nen je nach aktueller Prognose mehrfach innerhalb eines Skalierbarkeit — ohne Verlust der wertbestimmenden Eigen- Tages umschichten. Insbesondere der börsliche Handel profi- schaften14 von HKN gelingt. Derzeit existiert eine Vielzahl tiert aufgrund der hohen Liquidität, die Grundlage für eine heterogener HKN-Produkte, die wiederum auf einem unein- Kurzfristoptimierung ist. heitlichen HKN-Markt gehandelt werden. Dies gilt speziell im Gasmarkt, da HKN für Gas bisher auf freiwilliger Basis ohne Die Stromvolumina im Terminhandel, sowohl börslich als Standards ausgestellt und entwertet werden. Die daraus auch OTC, steigen für alle untersuchten Commodities am resultierende Intransparenz ist hinderlich für die Vermark- langsamsten. Grund hierfür ist die abnehmende Passfähig- tung von grünen Energieprodukten, da Endabnehmern keine keit der Standardprodukte wie Base- und Peakload zum Vergleichsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. 14 Der Preis von HKN ist abhängig von der Erzeugungsanlagenart (Wind onshore, Wind offshore etc.), Anlagenstandort, Anlagenalter etc. 18 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
1. Markttrends Abbildung 7: Entwicklung der Handelsvolumina von Strom, Gas und deren HKN Wie schätzen Sie die Entwicklung der Handelsvolumina im Energiegroßhandel bis 2025 ggü. dem Status quo ein? 2% Spot-Börse 17 % 81 % Spot-OTC 11 % 35 % 54 % Strom Termin-Börse 19 % 45 % 36 % Termin-OTC 21 % 34 % 45 % 0% Spot-Börse 47 % 53 % 0% Spot-OTC 23 % 77 % Strom-HKN Termin-Börse 5% 37 % 58 % 0% Termin-OTC 5% 95 % Spot-Börse 5% 50 % 45 % Spot-OTC 12 % 56 % 32 % Gas Termin-Börse 12 % 51 % 37 % Termin-OTC 24 % 40 % 36 % 2% Spot-Börse 59 % 39 % 2% Spot-OTC 36 % 62 % Gas-HKN Termin-Börse 8% 38 % 55 % Termin-OTC 5% 7% 88 % Abnahme Konstant Zunahme 0% 25 % 50 % 75 % 100 % Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 19
Strategie Die Markttrends verdeutlichen, dass EVU ihr Geschäft grüner, digitaler und sektorübergreifender gestalten wollen. Gleichzeitig haben sie die Aufgabe, eine Balance aus Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit herzustellen. Dieses Kapitel untersucht die Gründe für eine grüne Beschaffungsstrategie und zeigt das Potenzial grüner Geschäftsfelder unter Berücksichtigung der Margen- entwicklung auf. Weiterhin stehen die Ausrichtung der Beschaffungskanäle und damit die angestrebte Wert- schöpfungstiefe der EVU sowie die Investitionsbereiche im Fokus. 20 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
2. Strategie “ Viele EVU richten grüne Geschäfts- modelle nach Upstream- oder Down- stream-Aktivitäten aus. Steigende Nachfrage durch Industrieunternehmen und Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie sind die wesentli- chen Gründe für die Beschaffung grüner Energieprodukte Agieren oder reagieren? An dieser Entscheidung orien- Wettbewerbsvorteilen. Derzeit überwiegen die Push- tiert sich die strategische Positionierung von EVU auf Faktoren in der Energiewirtschaft. dem Weg zum grünen Energiehandel (Abbildung 8). Wäh- rend EVU auf Push-Faktoren zur Vermeidung negativer Als wichtigster Push-Faktor für die Beschaffung von Implikationen reagieren, z. B. drohende Geschäftsver- grüner Energie gilt dabei die steigende Nachfrage von luste, nutzen sie Pull-Faktoren aktiv zur Generierung von Industriekunden. Abbildung 8: Beweggründe für die Beschaffung von grünen Energieprodukten Aus welchen Gründen beschafft Ihr Unternehmen grüne Energieprodukte? Steigende Nachfrage im Vertrieb von Industriekunden 81 % Push-Faktor Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie 68 % Steigende Nachfrage im Vertrieb von Haushaltskunden 48 % Regulatorische Anforderungen/politischer Druck 29 % Verbesserung der Unternehmensreputation 45 % Pull-Faktor Differenzierungsmöglichkeit zu Wettbewerbern 42 % Auskömmliche Deckungsbeiträge 16 % Kostendegression von EE 8% 0% 25 % 50 % 75 % 100 % Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 21
2. Strategie Exkurs Interviews mit Industrieunternehmen Industrieunternehmen sehen sich einerseits mit den Zudem wäre die Versorgungssicherheit durch aus- regulatorisch vorgegebenen Emissionsreduktionszielen schließliche EE-Eigenerzeugung in Form von volatilen konfrontiert, andererseits besteht ein wettbewerbsbe- Einspeisern nicht realisierbar. Darüber hinaus besitzen dingter Kostendruck. Nachhaltigkeitsstrategien von energieintensive Standorte oft eine gasbasierte Eigen- Industrieunternehmen setzen im ersten Schritt primär erzeugung, die zukünftig mit grünem Gas versorgt auf die Senkung der Emissionen durch die Beschaffung werden muss. grüner Energie. Ein solcher Ansatz hat den Vorteil einer zügigen Umsetzung unter Beibehaltung der bestehenden Grüne Energieprodukte von EVU bieten hierfür unter- Produktionsprozesse und mit einer im Vergleich zu Maß- schiedliche Lösungsansätze, um die Industrieansprüche nahmen der Energieeffizienzsteigerung verhältnismäßig sowohl an Versorgungssicherheit als auch an Klima- geringen Kapitalbindung. schutz gleichermaßen zu erfüllen. Problematisch aus EVU-Sicht ist dabei jedoch die derzeit geringe Zahlungs- Insbesondere kleine und mittlere Industrieunternehmen bereitschaft für grüne Energie. Diese ist nach Aussagen ohne Eigenerzeugung können durch Grünstrombezug von Industrieunternehmen u. a. darauf zurückzuführen, innerhalb weniger Monate ihre Emissionen signifikant ver- dass ihnen der Mehrwert grüner Energieprodukte ringern.15 Aber auch größere Industrieunternehmen, die aktuell nicht ausreichend erklärt wird. über ausreichend Kapital für den Bau eigener EE-Anlagen verfügen, greifen auf den Bezug grüner Energie durch EVU anstelle von Eigenerzeugung oder Contracting- Modellen zurück. Ursächlich hierfür sind die Platz- und Raumanforderungen16 für PV- und Windanlagen, die auf Firmengeländen meist nicht erfüllt werden können. 15 Nach dem Greenhouse Gas Protocol werden Emissionen in drei „Scopes“ eingeteilt. Scope 1 beschreibt die unmittelbar durch die Geschäftsaktivität ver- ursachten Emissionen, z. B. durch die Fahrzeugflotte. Scope 2-Emissionen entstehen durch den Zukauf von Energie z. B. in Form von Strom. Scope 3- Emissionen sind mittelbar verursachte Emissionen, z. B. in der Lieferkette oder durch Pendleraktivitäten der Mitarbeiter des Unternehmens. Für kleine und mittlere Industrieunternehmen führt ein Grünstrombezug zu einer signifikanten Senkung der Scope 2-Emissionen. 16 Insbesondere Abstandsregeln für Windkraftanlagen sowie der hohe Flächenbedarf von PV-Anlagen begründen den erhöhten Raumbedarf im Vergleich zu konventionellen Erzeugungsarten. 22 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
2. Strategie Die steigende Nachfrage von Haushaltskunden nach nach- produkten. Mit steigenden CO2-Preisen19 und einer Aus- haltiger Energie spüren die EVU ebenfalls als Push-Faktor. weitung der CO2-Bepreisung auf andere Sektoren ist jedoch Zwischen 2015 und 2019 ist die Anzahl von Ökostrom- zu erwarten, dass zu dem ideellen Mehrwert auch Kosten- beziehern um ca. 50 % gestiegen. Demnach bezieht jeder ersparnisse durch die Beschaffung grüner Energie erzielt fünfte Haushalt bereits Ökostrom und jeder zweite Privat- werden können.20 haushalt berücksichtigt grüne Stromprodukte bei der Auswahl von Stromtarifen.17 EVU, die dieses grüne Kunden- Neben dem „Push“ durch die Nachfrageseite zu mehr grünen segment zukünftig nicht bedienen können, müssen mit Energieprodukten wird auf die Beschaffungseinheiten durch Absatzeinbrüchen rechnen. die Umsetzung der eigenen unternehmensweiten Nachhaltig- keitsstrategie zusätzlicher Druck aufgebaut. Diese Strategien Im Gegensatz zur erhöhten Nachfrage steht die geringe können dabei das Resultat einer aktiven Entscheidung zu Zustimmung von nur 16 % der Befragten, dass mit grünen mehr Nachhaltigkeit oder auch die Reaktion auf veränderte Energieprodukten „auskömmliche Deckungsbeiträge“ erwirt- Rahmenbedingungen21 sein. Für eine aktive Strategie spre- schaftet werden können. Zurückzuführen ist dieses Ergebnis chen vor allem jene Pull-Faktoren, die direkte oder indirekte auf das gegenwärtige Marktdesign.18 Der Mehrwert grüner positive Umsatzeffekte generieren. Hierzu gehören die Ver- Energieprodukte beschränkt sich überwiegend auf ideelle besserung der Unternehmensreputation und die Differenzie- Vorteile für Produzenten und Konsumenten. Aus dem er- rung von Wettbewerbern durch ein spezialisiertes grünes höhten Aufwand in der Beschaffung grüner Energie in Kom- Energieprodukteportfolio. bination mit der geringen Zahlungsbereitschaft der Kunden resultieren somit durchschnittlich geringere Deckungs- beiträge im Vergleich zu konventionell erzeugten Energie- 17 VuMa, Verbrauchs- und Medienanalyse, 2020. 18 Ein Energy-only-Markt, so wie er z. B. in Deutschland existiert, vergütet nur die zur Verfügung gestellte Energie, wobei diese als homogen betrachtet wird. Etwaige Eigenschaften der Energie wie z. B. Herkunft finden keinen unmittelbaren Eingang in die Preisbildung. Grüne Energieprodukte auf EE-Basis sind i. d. R. abhängig von der aktuellen Wetterlage, wodurch eine hohe Korrelation zwischen der Erzeugung der Anlagen besteht. Bei günstigen Wetterbedingungen steht Energie daher im Überfluss zur Verfügung, wodurch der Preis fällt, und umgekehrt. 19 Nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz steigt der Preis pro Emissionszertifikat innerhalb von fünf Jahren von 25 auf 55 Euro. Im Rahmen des EUA-Handels, ist zudem ein Preisanstieg aufgrund der Verknappung der Zertifikate zu erwarten. 20 Steigende CO2-Abgaben auf emissionsbelastete Energien wirken sich negativ auf deren Preise aus. Da EE nicht emissionsbelastet sind und daher keine Abgaben geleistet werden müssen, steigt deren komparativer Vorteil gegenüber emissionsbelasteten Energien. 21 Zum Beispiel gestiegenes Interesse von Stakeholdern an Nachhaltigkeit, Verknüpfung von Finanzierungsalternativen mit dem CO2-Abdruck. Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 23
2. Strategie Über 50 % der Befragten erachten den Handel mit Green PPAs und den dazugehörigen Dienstleistungen zukünftig als profitable Geschäftsfelder Aufgrund der derzeit anspruchsvollen Rahmenbedingun- von EE dazu, dass EE-Anlagen vermehrt durch PPAs finan- gen wie des unvorteilhaften Marktdesigns oder der gerin- ziert werden. Aus diesem Nachfrage- und Angebotsanstieg gen Zahlungsbereitschaft der Endkunden stehen EVU vor resultiert die Zunahme von PPA-Handelsvolumina, die mit der Herausforderung, grüne Geschäftsfelder mit positiven Skalen- und Lerneffekten einhergeht und dadurch die Profi- Deckungsbeiträgen zu identifizieren. tabilität steigert. Zusätzlich führen Standardisierung und Automatisierung in der Abwicklung grüner Energieprodukte Aussichtsreich ist dabei vor allem das Geschäft mit Green zur Reduktion von Transaktions- und Prozesskosten, was PPAs und den damit verbundenen Dienstleistungen, wie sich positiv auf die Deckungsbeiträge auswirkt. z. B. Bilanzkreismanagement oder Residualmengenbeschaf- fung (Abbildung 9). Die Profitabilität der PPA-Geschäfte Ein Viertel der Befragten erwartet, dass der Betrieb von nimmt durch die steigende Nachfrage nach grüner Energie OTC-Plattformen22 für EE bis 2025 profitabel sein wird. Das zu. Gleichzeitig führen sinkende Stromgestehungskosten ist eine Vervierfachung gegenüber unserem Survey 2019. 22 Plattformen umfassen auch digitale Vertriebsportale. 24 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
2. Strategie Abbildung 9: Erwartungen bezüglich positiver Deckungsbeiträge grüner Geschäftsfelder In welchen grünen Geschäftsfeldern kann Ihr Unternehmen gegenwärtig bzw. im Jahr 2025 positive Deckungsbeiträge erwirtschaften? Handel mit Green PPA 88 % Erweiterte PPA-Services 53 % Handel mit HKN 2% Marktprämienbasierte Direktvermarktung von EE −10 % Flexibilitätsvermarktung von EE 40 % Dezentrales Plattformmanagement für den OTC-Handel von EE 382 % Sonstige −4 % Highlight Status quo 2025 0% 25 % 50 % 75 % Bedingt durch die Gesetzmäßigkeiten der Plattformökonomie Hierbei sind insbesondere Effizienzsteigerungen durch ist die Anzahl unterschiedlicher Plattformbetreiber jedoch weitere Automatisierung der Direktvermarktung ein mög- begrenzt. Nur ausreichend große Plattformen generieren liches Handlungsfeld zum Erhalt der Wettbewerbsfähig- Netzwerkeffekte, die wiederum die notwendige Liquidität keit.23 Bedingt durch den bereits hohen Automatisierungs- schaffen. Daher ist in plattformbasierten Geschäftsfeldern grad sind marginale Kostenersparnisse nur noch mit zukünftig mit einer Konsolidierung zu rechnen. relativ hohen Investitionen möglich. Vorteilhaft sind solche Investments daher nur für EVU mit großen Direkt- Im Geschäftsfeld der marktprämienbasierten Direktver- vermarktungsportfolios. marktung von EE zeichnen sich ebenfalls Konsolidierungs- tendenzen ab. Der steigende Wettbewerb in der Direkt- vermarktung entwickelt zusätzlichen Margendruck. 23 Diese Erkenntnis basiert auf der EY-Benchmarking-Datenbank für Direktvermarktung (Benchmarking-Teilnehmer decken über 40 % der in Deutschland direkt vermarkteten Leistung ab). Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 25
2. Strategie EVU differenzieren zunehmend die Beschaffungskanäle für grüne Energieprodukte Eine der zentralen strategischen Entscheidungen ist die Credibility dieses Kanals begründen. Energie aus konventio- Wahl der Beschaffungskanäle für grüne Energieprodukte für neller Erzeugung mit „bilanzieller Grünstellung“ durch den das jeweilige Geschäftsmodell. Einkauf von HKN wird von einigen Endkunden bereits nicht mehr als nachhaltige Form der Energiebeschaffung Hierfür können EVU aus unterschiedlichen Optionen wählen, angesehen. die vom Bezug aus eigenen EE-Anlagen bis zum Zukauf von HKN für konventionell erzeugte Energie reichen (Abbildung Auf welchen der grünen Kanäle die Beschaffungsstrategie 10). Die momentan dominanten Kanäle sind dabei der Bezug ausgerichtet ist, hängt indessen vom Unternehmensprofil ab. von Strom via Börsen in Verbindung mit dem OTC-Zukauf von So ist z. B. für den Aufbau eigener EE-Anlagen eine ausrei- HKN, die Beschaffung aus eigenen EE-Anlagen sowie der Be- chende Kapitalausstattung und Expertise in der Anlagensteu- zug via PPAs vom Erzeuger. Einen deutlichen Relevanzge- erung vorteilhaft. Erfolgt die Beschaffung hingegen via PPA- winn verzeichnen in den kommenden Jahren PPAs und OTC- Direktbezug vom Erzeuger, sind hauptsächlich Fähigkeiten im Plattformen als Beschaffungskanäle. Umgang mit den Vertragspartnern notwendig. Als ungeeignet für den Bezug grüner Energie gelten eigene Auffällig ist die Spezialisierung der EVU auf die einzelnen konventionelle Anlagen in Verbindung mit dem Zukauf von Beschaffungskanäle. EVU, die den Upstream-Beschaffungs- HKN. Die geringe Relevanz lässt sich durch die mangelnde kanälen eine hohe Relevanz zusprechen, nutzen weniger Abbildung 10: Relevanz von Beschaffungskanälen für grüne Energieprodukte Wie relevant sind die folgenden Beschaffungskanäle für grüne Energieprodukte in Ihrem Unternehmen? Nicht vorhanden Relevanz Hoch PPA Direktbezug vom 33 % Upstream Erzeuger Bezug aus eigenen 14 % EE-Assets Strom/Gas via Börse/OTC 3% i.V.m. HKNs Downstream Grün-Strom/-Gas via 42 % OTC-Plattform PPA Direktbezug 49 % via EVU Eigene konv. Assets 4% i.V.m. HKNs Status quo 2025 26 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
2. Strategie stark Downstream-Beschaffungskanäle und umgekehrt. Abbildung 11: Schematische Darstellung der Wertschöpfungskette EVU fokussieren sich demnach, wie in Abbildung 11 darge- stellt, entweder auf ein Upstream-Geschäftsmodell (im Fol- Lieferbeziehungen von Upstreamern genden Upstreamer) oder auf ein Geschäftsmodell mit Fokus und Downstreamern auf Downstream-Aktivitäten (im Folgenden Downstreamer). Beim Upstreamer konzentriert man sich auf Beschaffungs- Unabhängige Betreiber kanäle, die den Einkauf und Handel mit grüner Energie ohne vorherige Zwischenhändler ermöglichen. Hier liegt der Fokus auf PPAs von unabhängigen Betreibern und auf dem Bezug aus eigenen EE-Anlagen. Die Upstreamer agieren als Aggre- gatoren, d. h., sie kontrahieren und bündeln eine Vielzahl von EE-Anlagen, bevor diese weiter vermarktet werden. Das Upstream-Modell wählen vor allem EVU, die über Fähigkeiten und Ressourcen verfügen, um komplexe Pro- dukte zu bewerten, Mengen inkl. der dazugehörigen Profile zu neuen Produkten zu bündeln und diese weiter- Upstreamer zuverkaufen. Damit weist dieses Geschäftsmodell einen hohen Grad an vertikaler Integration in der Wertschöp- fungskette von grünen Energieprodukten auf. Zusätzlich benötigen Upstreamer eine passende Risikokapitalausstat- tung, um insbesondere Preisrisiken aus der Residualbe- schaffung, Projekt- und Rechtsrisiken zu managen. Poten- zielle Kunden von Upstreamern sind sowohl (industrielle) Endkunden als auch Downstreamer. Downstreamer Börse/OTC Endkunden Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 27
2. Strategie Das Downstream-Geschäftsmodell fokussiert die Weiter- Somit lassen sich unterschiedliche grüne Produkte konzi- vermarktung von grünen Energieprodukten an Industrie- pieren, die sich in Bezug auf Alter, Standort und Art der Er- und Haushaltskunden. Downstreamer beschaffen grüne zeugungsanlagen unterscheiden. Je nach Ausgestaltung Energie dabei über Börsen, OTC-Plattformen oder mittels der Produkte variiert dabei der Nachhaltigkeitsbeitrag, der PPAs von anderen EVU. Sowohl OTC-Plattformen als auch z. B. über eine Zertifizierung gegenüber dem Endkunden PPAs gewinnen für dieses Beschaffungsmodell in den kom- als Mehrwert ausgewiesen werden kann.24 menden Jahren deutlich an Relevanz. Dies lässt sich damit begründen, dass OTC-Plattformen sowie PPA-Bezug von Abbildung 12 verdeutlicht die dargelegte Einteilung in Up- Upstreamern gebündelte grüne Produkte darstellen, die und Downstream-Geschäftsmodelle für das Jahr 2025, wo- aus der Energie-Commodity und dem dazugehörigen HKN bei sich die befragten EVU in rund ein Drittel Upstream- und bestehen. Speziell OTC-Plattformen unterliegen geringeren rund zwei Drittel Downstream-Geschäftsmodelle aufteilen. Standardisierungsanforderungen als Börsen, sodass ein Die Zuordnung ist in den Grenzbereichen aufgrund der op- breiteres Spektrum an grünen Produkten abbildbar ist. portunen Haltung und von „Legacy-Verträgen“25 nicht voll- OTC-Plattformen haben so die Möglichkeit, die unterschied- ständig überschneidungsfrei. lichen Ausprägungen der HKN in den Produkten abzubilden. 24 Hierzu dienen unabhängige Zertifizierungen, die z. B. den ökologischen Einfluss der Erzeugungsanlagen bewerten und u. a. die Zunahme der Nettoerzeugungs- kapazität als „Additionality“-Beitrag zur Energiewende ausweisen. 25 So können EVU mit aktuellem Fokus auf Downstream-Aktivitäten beispielsweise in der Vergangenheit langfristige PPAs abgeschlossen haben, die im Jahr 2025 einen Teil der grünen Energieversorgung decken. Der Beschaffungskanal hat damit noch immer eine gewisse Relevanz für das EVU, obwohl er nicht mehr zur stra- tegischen Ausrichtung passt. Abbildung 12: Zusammenhang zwischen Beschaffungskanälen und Geschäftsmodell Einteilung der EVU mit Downstream- bzw. Upstream-Geschäftsmodell im Jahr 2025 PPA Direktbezug vom EVU + Grün-Strom/-Gas via OTC Platt- Hoch form + Strom/Gas via Börse/OTC i.V.m. HKN Downstream- Geschäftsmodell Durchschnittliche Relevanz: Mittel Upstreamer Gering EVU mit Fokus auf Upstream- Upstream- Aktivitäten Geschäftsmodell Downstreamer EVU mit Fokus auf Downstream- Aktivitäten Keine Relevanz Gering Mittel Hoch Durchschnittliche Relevanz: PPA Direktbezeug vom Erzeuger + Bezug aus eigenen EE-Assets 28 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
2. Strategie EVU investieren in die Weiterentwicklung der Automati- sierung der Geschäftsabläufe und den Ausbau der Synergie- effekte aus dem Produktportfolio Langfristig erfolgreich in den skizzierten Geschäftsmodel- len werden EVU sein, die sich Wettbewerbsvorteile sichern (Abbildung 13). Das wichtigste Differenzierungsmerkmal und somit die Chance auf einen Wettbewerbsvorteil, unabhängig vom ge- wählten Geschäftsmodell, ist ein hoher Automatisierungs- grad in der Geschäftsabwicklung und damit niedrige Cost to Serve. Für grüne Energieprodukte ist dies aufgrund der Nichtstandardisierung anspruchsvoll, da nur wenige Pro- zesse vollumfänglich durch bestehende Automatisierungs- strukturen abgebildet werden können. Ein voll integriertes Produktportfolio — d. h., wesentliche Dienstleistungen und Handelsgüter werden vom EVU bereit- gestellt — ist für das Upstream-Geschäftsmodell ein deutlich stärkeres Differenzierungsmerkmal als für das Downstream- Geschäftsmodell. Dies ist nachvollziehbar, da einerseits das Schnittstellenmanagement zu Dienstleistern für derart kom- plexe und teils kleinteilige Produkte aufwendig und kosten- intensiv ist; andererseits bietet ein voll integriertes Produkt- Abbildung 13: Differenzierungsmerkmale von EVU Durch welche Differenzierungsmerkmale der Beschaffungseinheiten lassen sich zukünftig Wettbewerbsvorteile generieren? Automatisierung der Geschäftsabwicklung 68 % Voll integriertes Produktportfolio 54 % Reputation des Unternehmens bzgl. Nachhaltigkeit 43 % Hochauflösende Wetterprognosemodelle 30 % Optimierte Risikokapitalbewirtschaftung 22 % Fundamentalmodelle zur Bewertung illiquid. Zeiträume 21 % Diversifikation Datendienstleister 14 % Highlight 0% 25 % 50 % 75 % Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell | 29
2. Strategie portfolio die Grundlage für Synergieeffekte. Dies gilt ins- EVU bereits gut vorbereitet sind und eher evolutionäre besondere für die Beschaffung und Vermarktung von PPAs, oder inkrementelle Änderungen an Prozessen und der Sys- die neben dem originären Produkt regelmäßig Dienstleistun- temlandschaft vornehmen. gen wie Bilanzkreismanagement und (grüne) Residualmen- genbeschaffung erfordern. Wie relevant eine glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategie ist, unterstreicht die Bedeutungszuweisung der Unternehmens- reputation als drittwichtigstes Differenzierungsmerkmal. Demnach haben EVU mit sortenreinen Portfolios ohne stark CO2-belastete Produkte einen Wettbewerbsvorteil gegenüber solchen, die nur teilweise auf grüne Energieprodukte setzen. Zudem besteht bei Letzteren ein Reputationsrisiko durch Greenwashing-Anschuldigungen. Zur Ausprägung der Differenzierungsmerkmale bedarf es laut 94 % der Survey-Teilnehmer Investitionen. Bemerkens- wert hierbei ist die relative Gleichverteilung der Investitionen auf alle Kernbereiche (Abbildung 14). Zudem schätzen die Survey-Teilnehmer den Investitionsbedarf für die Integration grüner Energieprodukte geringer ein als für die Umsetzung der Digitalisierung.26 Beide Beobachtungen zeigen, dass die 26 Im Survey 2019 hatten die Investitionsbereiche stärkere Zustimmungswerte (teils > 75 %). Abbildung 14: Geplante Investitionen Welche Investitionen sind in Ihrer Beschaffungseinheit geplant, um die Herausforderungen der Dekarbonisierung zu bewältigen? Aufbau & Akquisition von Fähigkeiten bzgl. grüner Energieprodukte 51 % Verbesserung Softwarelandschaft 46 % Aufstockung der IT-Infrastruktur 34 % Ausbau quantitativer Modelle 33 % Organisatorische Neustrukturierung 27 % Keine Investitionen geplant 6% Highlight 0% 25 % 50 % 75 % 30 | Grüne Energieprodukte — ein nachhaltiges Geschäftsmodell
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