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Deutsche Islam Konferenz Wie viele Muslime leben in Deutschland? Eine Hochrechnung über die Anzahl der Muslime in Deutschland zum Stand 31. Dezember 2015 Im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz Working Paper 71 Von Anja Stichs
Wie viele Muslime leben in Deutschland? Eine Hochrechnung über die Anzahl der Muslime in Deutschland zum Stand 31. Dezember 2015 Im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz Von Anja Stichs Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2016
Zentrale Ergebnisse 5 Zentrale Ergebnisse In Deutschland lebten am 31. Dezember 2015 Gut jeder vierte Muslim ist erst kürzlich nach zwischen 4,4 und 4,7 Millionen Muslime. Deutschland zugewandert. Nach einer neuen Hochrechnung des Bundesamtes für Im Zusammenhang mit der insbesondere in den Jahren Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Auftrag der Deut- 2014 und 2015 hohen Zuwanderung von Geflüchteten, da- schen Islam Konferenz (DIK) lebten am 31. Dezember 2015 runter viele aus muslimisch geprägten Herkunftsländern, in Deutschland zwischen 4,4 und 4,7 Millionen Muslime. ist die muslimische Bevölkerungsgruppe in Deutschland Bei einer Einwohnerzahl von insgesamt 82,2 Millionen größer geworden. Seit der Zensuserhebung im Mai 2011 Personen in Deutschland ergibt sich, dass der Anteil der bis Ende des Jahres 2015 sind rund 1,2 Millionen muslimi- Muslime zwischen 5,4 % und 5,7 % liegt. sche Männer und Frauen nach Deutschland gekommen. Der Anteil der neu Zugewanderten an allen Muslimen be- Die Hochrechnung wurde in zwei Schritten durchgeführt. trägt 27,3 %. Zunächst wurde die Zahl der Muslime mit einem Migra- tionshintergrund aus relevanten muslimisch geprägten Das muslimische Leben in Deutschland ist vielfältiger Herkunftsländern zum Stichtag 09. Mai 2011 berechnet. geworden. Datenquellen bilden der Zensus sowie die 2008 erhobenen Türkeistämmige bilden seit vielen Jahren die mit Abstand Daten der Studie „Muslimisches Leben in Deutschland größte Herkunftsgruppe unter Muslimen. Dies hat in der (MLD)“. Anschließend wurde die Zahl der zwischen Mai Vergangenheit teilweise den Blick auf die Vielfalt des mus- 2011 und Ende 2015 neu zugewanderten ausländischen limischen Lebens in Deutschland verstellt oder die Tatsa- Muslime auf Basis der Daten des Ausländerzentralregis- che verdeckt, dass die in Deutschland lebenden Muslime ters (AZR) sowie der Asylgeschäftsstatistik (Asyl-GEST) er- aus unterschiedlichen Ländern und Weltregionen kom- mittelt. Die Gesamtzahl ergibt sich aus der Summe beider men. Berechnungen. Die Ergebnisse der Hochrechnungen über die Zusammen- Ein Vergleich mit der früheren Zahl der Muslime von setzung der Muslime zum Stand Mai 2011 sowie der bis 2008 ist nicht möglich. Ende 2015 zugewanderten Muslime verdeutlichen, dass Vergleicht man das Ergebnis mit einer früheren Hoch- sich die Gruppe im Hinblick auf die Herkunft weiter di- rechnung des BAMF, nach der im Jahr 2008 zwischen 3,8 versifiziert hat. 2011 stammten 67,5 % der Muslime aus und 4,3 Millionen Muslime in Deutschland lebten, ist der Türkei. Die relativ große Gruppe der seither Zugewan- eine Differenz von rund 500.000 Personen zu konstatie- derten wird indessen kaum durch türkische Muslime ge- ren. Aufgrund der starken Zuwanderung Geflüchteter aus prägt. Vielmehr sind viele Neuzuwanderer aus bis dahin muslimisch geprägten Herkunftsländern insbesondere im seltener vertretenen Herkunftsregionen gekommen, so Jahr 2015 war intuitiv ein stärkerer Zuwachs zu erwarten. etwa dem Nahen Osten, Südosteuropa sowie Süd-/ Ursache für die überschaubaren Abweichungen zwischen Südostasien. Hierdurch hat sich die Struktur der Ende beiden Hochrechnungen ist, dass die Zahl der Einwohner 2015 in Deutschland lebenden Muslime deutlich ver- in Deutschland vor der Zensuserhebung von 2011 generell schoben. Der Anteil der türkeistämmigen Muslime ist auf überschätzt wurde. Im Mai 2011 lebten in Deutschland 50,6 % gesunken. Entsprechend stammt mittlerweile fast 1,5 Millionen weniger Bewohner, als zuvor angenommen. jeder zweite Muslim aus einem anderen Land. Muslime Insbesondere die Zahl der ausländischen Staatsangehö- aus dem Nahen Osten haben sich mit einem Anteil von rigen wurde durch den Zensus deutlich nach unten kor- 17,1 % zur zweitgrößten Herkunftsgruppe entwickelt. rigiert. Diese überhöhten Zahlen spiegeln sich in einer ebenfalls überhöhten Zahl der Muslime in der Hochrech- nung von 2008 wider.
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Inhaltsverzeichnis 7 Inhaltsverzeichnis Zentrale Ergebnisse 5 1 Einleitung 8 2 Das Hochrechnungsmodell 10 3 Diskussion der verwendeten Datenquellen 14 4 Berechnung der Zahl der Muslime zum Stand 09. Mai 2011 auf Basis des Zensus 20 5 Berechnung der zwischen Mai 2011 und Ende 2015 zugereisten Muslime auf Basis des Ausländerzentralregisters 25 6 Gesamtzahl der Muslime zum Stand 31. Dezember 2015 29 Literaturverzeichnis 33 Tabellenverzeichnis 35 Abbildungsverzeichnis 35 Abkürzungsverzeichnis 36 Anhang 37 Publikationen des Forschungszentrums Migration, Integration und Asyl 38
8 Einleitung 1 Einleitung In aktuellen Debatten wird immer wieder nach der Zahl zu keiner Religion oder Glaubensrichtung, wurde nur der in Deutschland lebenden Muslime1 gefragt. Für die öf- auf freiwilliger Basis abgefragt. Gut die Hälfte der Betrof- fentliche Verwaltung stellen Informationen über die Zahl fenen verzichtete auf die Möglichkeit einer Angabe. Im und den Anteil der Muslime in Deutschland eine wichtige Zensus liegen daher für 17,4 % der Bewohner in Deutsch- Planungs- und Steuerungsgrundlage dar. Dies gilt etwa land keine Informationen über die Religionszugehörigkeit zur Einschätzung des Bedarfs an öffentlichen Angeboten vor (Statistisches Bundesamt (Destatis) 2013: 10). Folglich für Muslime, wie beispielsweise islamischem Religionsun- geht die Zahl der Personen, die nicht-christlichen Weltre- terricht an Schulen, der bereits in vielen Bundesländern ligionen angehören, also auch die Zahl der Muslime, aus angeboten wird (Engin 2014: 370ff.) oder im Bereich der dem Zensus nicht hervor (Püschel 2014: 395). Auswertun- Wohlfahrtspflege und Seelsorge, beides Schwerpunkthe- gen der statistischen Ämter aus dem Zensus über die re- men der Deutschen Islam Konferenz in der laufenden Le- ligiöse Zusammensetzung der Bevölkerung beschränken gislaturperiode.2 sich daher darauf, einerseits zwischen Angehörigen (ver- schiedener) öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften Auch zur Versachlichung politischer Debatten sind Kennt- sowie andererseits von Personen, die keiner öffentlichen- nisse über die Zusammensetzung der Bevölkerung, dar- rechtlichen Religionsgemeinschaft angehören, zu diffe- unter auch der vertretenen Religionszugehörigkeiten, von renzieren. In der letztgenannten Gruppe sind sowohl Per- Bedeutung. So wird die Zahl der in Deutschland lebenden sonen ohne bekannte Religionszugehörigkeit, Angehörige Muslime gemäß der Ergebnisse des „Integrationsbarome- einer nicht-christlichen Weltreligion als auch Personen, ters 2014“ von etwa 70 % der Bevölkerung in Deutschland die sich zu keiner Religion bekennen, enthalten (Statis- zum Teil deutlich überschätzt (Sachverständigenrat deut- tische Ämter des Bundes und der Länder 2016: 35ff.). Im scher Stiftungen für Integration und Migration 2014: 2). Mikrozensus – einer vom statistischen Bundesamt jährlich durchgeführten Befragung von einem Prozent aller Haus- Die Frage nach der genauen Zahl der Muslime in Deutsch- halte in Deutschland – wird die Religionszugehörigkeit land ist auf Basis vorliegender Datenquellen indessen nicht erfasst. nicht leicht zu beantworten. In amtlichen Registern wird die Religionszugehörigkeit nicht systematisch erfasst. Aus- Vor dem Hintergrund des bestehenden Informations- nahmen bilden die Zugehörigkeiten zur römisch-katho- defizits über Anzahl und Anteil der Muslime wurden in lischen sowie evangelischen Kirche, die zur Erhebung der Deutschland in der Vergangenheit verschiedene Hoch- Kirchensteuer bei Einwohnermelde- und Finanzämtern rechnungen über die Zahl der Muslime durchgeführt registriert sind. Auch die großen Bevölkerungsumfragen (Spielhaus 2013: 5ff.). Die von offizieller Seite, Presse und des statistischen Bundesamtes können nicht als Quelle Forschung in den letzten Jahren zumeist zitierte An- herangezogen werden. Im Zensus von 2011 war nur die gabe von 3,8 bis 4,3 Millionen Muslimen in Deutschland Frage zur Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen stammt aus einer Hochrechnung des Bundesamtes für Religionsgemeinschaft verpflichtend zu beantworten.3 Die Migration und Flüchtlinge (BAMF) (Haug/Müssig et al. Zugehörigkeit zu einer anderen Religionsgemeinschaft, 2009: 11). Sie wurde 2009 im Auftrag der Deutschen Islam so etwa dem Islam, Buddhismus, Hinduismus oder auch Konferenz (DIK) im Rahmen der inhaltlich breit ange- legten Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2008 1 Zur sprachlichen Vereinfachung wird bei Gruppenbezeich- (MLD 2008)“ durchgeführt. Für die Studie wurden 6.004 nungen der männliche Begriff auch dann verwendet, wenn beide Geschlechter gemeint sind. Bezieht sich eine Aussage Personen, die entweder selbst oder deren Haushaltsange- nur auf männliche oder weibliche Gruppenangehörige wird hörige aus einem relevanten muslimisch geprägten Her- dies sprachlich kenntlich gemacht. kunftsland stammen, befragt. Die Hochrechnung erfolgte 2 http://www.deutsche-islam-konferenz.de/DIK/DE/ auf Basis von Informationen über 17.000 in den befragten DIK/1UeberDIK/DIK2014ueberblick/2dik2014Themen/2- dik-2014-themen-node.html (21.05.2016). Haushalten lebenden Personen. 3 Darunter fallen folgende Religionsgesellschaften: die rö- misch-katholische Kirche, die evangelische Kirche, evangeli- Aufgrund der in den vergangenen Jahren und insbeson- sche Freikirchen, orthodoxe Kirchen, jüdische Gemeinden so- wie sonstige öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften. dere im Jahr 2015 stark angestiegenen Zuwanderung von Zum Fragebogen des Zensus unter: https://www.zensus2011. Geflüchteten aus verschiedenen, häufig muslimisch ge- de/SharedDocs/Downloads/DE/Fragebogen/Fragebo- prägten Herkunftsländen ist davon auszugehen, dass sich gen_Haushaltebefragung.pdf;jsessionid=C59D9C57A6E7729A 3D0BAD36FC1B7160.2_cid380?__blob=publicationFile&v=13 sowohl die Zahl als auch die Zusammensetzung der Mus- (22.05.2016).
Einleitung 9 lime in Deutschland stark verändert hat.4 Um die beste- hende Informationslücke zu schließen, hat die DIK das BAMF mit der Durchführung einer neuen Studie über das muslimische Leben in Deutschland sowie einer neuen Hochrechnung über die Anzahl der Muslime beauftragt. In den folgenden Kapiteln werden zunächst das Vorgehen bei der neuen Hochrechnung beschrieben und anschlie- ßend die Ergebnisse der Berechnungen dargestellt. 4 2015 wurden 441.899 Asylerstanträge gestellt. Im Vorjahr waren es 173.072 Asylerstanträge. Damit hat sich die Anzahl der Erstanträge um 155,3 % erhöht. 73,1 % der Asylerstan- tragsteller des Jahres 2015 gaben auf die Frage nach ihrer Religion eine islamische Glaubensrichtung an (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 2016b: 7 und 22). Aus den bislang für 2016 vorliegenden Zahlen lässt sich ablesen, dass auch in diesem Jahr zahlreiche Menschen im Rahmen von Flucht und Asyl nach Deutschland kamen. Die Dynamik hat gegenüber dem Vorjahr jedoch deutlich abgenommen.
10 Das Hochrechnungsmodell 2 Das Hochrechnungsmodell Die hier vorgelegte Hochrechnung über die Zahl der Mus- land zu projizieren.7 Beide Ansätze werden in der Bevöl- lime zum Stand 31. Dezember 2015 orientiert sich im kerungsforschung als wenig präzise kritisiert. Zum einen Grundsatz am Vorgehen zur Studie MLD 2008.5 Das rech- wird nicht berücksichtigt, dass oftmals gerade ethnische nerische Grundmodell ist einfach zu beschreiben. Zum und/oder religiöse Minderheiten aus ihren Herkunfts- einen sind Informationen über die Anzahl in Deutschland ländern auswandern (müssen), so dass die religiöse Ver- lebender Personen mit einem Migrationshintergrund6 aus teilung von Zuwanderern im Einwanderungsland stark relevanten muslimisch geprägten Herkunftsländern er- von der religiösen Zusammensetzung im Herkunftsland forderlich. Im optimalen Fall können entsprechende An- abweichen kann. Zum anderen werden sie nicht der Tat- gaben der amtlichen Statistik entnommen werden. Zum sache gerecht, dass Personen ihre Religion wechseln kön- anderen werden Daten über den Anteil der Muslime unter nen oder sich keiner Religion (mehr) zugehörig fühlen Angehörigen dieser Herkunftsgruppen in Deutschland (Brown 2000: 97f.). Empirische Befunde bestätigen diese benötigt. In Ermangelung anderer Datenquellen wurden Kritik in Bezug auf Deutschland. So gibt in der MLD-Stu- diese Werte in der MLD-Studie von 2008 im Rahmen einer die von 2008 beispielsweise nur jeder zweite der iranisch- Bevölkerungsumfrage selbst ermittelt (Haug/Müssig et al. stämmigen Befragten an, muslimisch zu sein (Haug/Stichs 2009): 36ff). Eine Schätzung der Anzahl der in Deutschland 2014: 111), in der BAMF-Flüchtlingsstudie 2014 liegt der lebenden Muslime erfolgt dann, indem die Anteilswerte Anteil sogar bei unter 20 % (Worbs/Bund et al. 2016: 208). der Muslime auf die Anzahl an Personen der entsprechen- Dafür bekennen sich relativ viele Iranischstämmige in den Herkunftsgruppen gespiegelt werden. Deutschland zum Christentum oder fühlen sich keiner Religionsgemeinschaft zugehörig. Im CIA-World Factbook Das Vorgehen unterscheidet sich von Hochrechnun- wird der Anteil der Muslime in Iran hingegen auf 99,4 % gen über die Anzahl der Muslime in Deutschland, die vor beziffert.8 MLD 2008 durchgeführt wurden. In diesen wurden zu- meist alle Personen mit einem Migrationshintergrund Bisherigen Hochrechnungen über die Zahl der Muslime aus einem muslimisch geprägten Land als Muslime ge- in Deutschland ist gemeinsam, dass sie auf bestimmte zu- zählt, also die nationale Herkunft mit der Religionszuge- gewanderte Bevölkerungsgruppen fokussieren. Dies gilt hörigkeit einer Person gleichgesetzt (Spielhaus 2013: 6). auch für die hier vorgelegte Hochrechnung zum Stand Eine alternative Berechnungsweise besteht darin, Statis- 31. Dezember 2015, in der die Zahl der Muslime mit Mi- tiken über den Anteil der Muslime in den berücksichtig- grationshintergrund aus einem relevanten muslimisch ten Herkunftsländern heranzuziehen und diesen Anteil geprägten Herkunftsland berechnet wird. Als relevant auf die entsprechende Bevölkerungsgruppe in Deutsch- gelten in Anlehnung an die Kriterien der Hochrechnung von 2008 solche Länder, aus denen zum einen eine grö- ßere Zahl an Personen nach Deutschland eingewandert 5 Das methodische Vorgehen bei der Hochrechnung 2008 wird in dem Forschungsbericht zur Studie ausführlich beschrieben und die zum anderen durch einen nennenswerten mus- (Haug/Müssig et al. 2009: 57ff.). limischen Bevölkerungsanteil charakterisiert sind. In der 6 Das Konzept des Migrationshintergrundes (MH) wurde in Hochrechnung von 2008 wurden 49 verschiedene Her- der Integrationsforschung eingeführt, um bei der Analyse kunftsländer, die zu insgesamt acht Länder- bzw. Regio- von Integrationsprozessen nicht nur ausländische Staatsan- gehörige sondern auch Eingebürgerte sowie Nachkommen von Zuwanderern zu berücksichtigen. Wichtige Quelle über die Anzahl der Personen mit MH ist der Mikrozensus (MZ), in dem diese Bevölkerungsgruppe seit 2005 regelmäßig aus- gewiesen wird. Nach Definition des MZ 2015 hat eine Person einen MH, „wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde. Im Einzelnen umfasst diese Definition zugewanderte und nicht zugewanderte Ausländer, zugewanderte und nicht zugewan- derte Eingebürgerte, (Spät-)Aussiedler sowie die als Deutsche geborenen Nachkommen dieser Gruppen“ (Statistisches Bun- 7 Eine mögliche Datenquelle stellt etwa das CIA World Fact- desamt (Destatis) 2016c: 4). Für den MZ 2015 wurde die Defi- book dar, das für die meisten Länder Angaben über die reli- nition sprachlich vereinfacht, zuvor galt eine anders lautende giöse Zusammensetzung der Bevölkerung enthält. Es kann Definition, die aber weitgehend die gleiche Personengruppe unter folgendem Link abgerufen werden: https://www.cia. beschreibt. Laut MZ 2015 sind 54,6 % der insgesamt 17,1 gov/library/publications/the-world-factbook/ . Millionen Personen in Deutschland mit MH deutsche Staats- 8 https://www.cia.gov/library/publications/the-world-fact- angehörige (Statistisches Bundesamt (Destatis) 2016c: 36). book/geos/ir.html (28.06.2016).
Das Hochrechnungsmodell 11 Abbildung 1: Hochrechnungsmodell und Datenquellen zur Bestimmung der Zahl der Muslime zum Stand 31. Dezember 2015 Anteil der Muslime Zahl der Personen muslimisch geprägter HKL laut * = Zahl der Muslime am 09.05.2011 aus MLD 2008 Zensus 2011 + Zahl der von 5/2011 bis 12/2015 zugewanderten Anteil der Muslime Zahl der neu zugewanderten Muslime * ausländischen Staatsangehörigen relevanter HKL = aus Asyl-GEST mit ausländischer Staatsangehörigkeit laut AZR = Zahl der Muslime am 31.12.2015 Eigene Darstellung. nengruppen zusammengefasst wurden, berücksichtigt.9 Eine nachträgliche Ergänzung der Hochrechnung mit aus Diese werden soweit möglich auch weiterhin einbezogen Drittquellen stammenden Informationen über die Zahl in (Kapitel 4 und 5). Deutschland lebender Muslime ohne oder mit einem an- deren Migrationshintergrund ist aufgrund der schlechten Die Zahl der Muslime, die aus nicht muslimisch gepräg- Datenlage ebenfalls nicht möglich. So ist etwa die Anzahl ten Herkunftsländern stammen oder die keinen Migrati- erfolgter Konversionen von Deutschen ohne Migrations- onshintergrund haben, also insbesondere deutschstäm- hintergrund zum Islam nicht bekannt (Uhlmann 2015: miger Konvertiten, wird entsprechend nicht berechnet. 214ff.). Hintergrund ist, dass der Islam keine zentrale, Grund ist, dass valide Informationen über den Anteil der den christlichen Kirchen vergleichbare Organisations- Muslime für Bevölkerungsgruppen, die überwiegend aus struktur kennt. Das Ritual, um zum Islam überzutreten, Angehörigen einer anderen oder ohne Religion beste- ist zudem wenig formalisiert. Es reicht aus, in Gegenwart hen, nicht vorliegen und im Rahmen dieses Projekts mit von zwei muslimischen Zeugen das öffentliche Glaubens- einem vertretbaren Aufwand nicht zu ermitteln sind. So bekenntnis abzulegen. Entsprechend werden Konversio- müssten etwa sehr viele Deutsche ohne Migrationshin- nen nicht zwingend schriftlich dokumentiert. Kursierende tergrund befragt werden, um nur einen Muslim innerhalb Zahlen, so etwa die des Zentralinstituts Islam-Archiv von dieser Bevölkerungsgruppe zu erreichen. Gleiches gilt für 5.000 Konversionen zwischen Juli 2005 und Juni 2006 Personen, die aus einem Land stammen, das zwar im Hin- zum Islam, werden nicht zuletzt aufgrund der bestehen- blick auf das Zuwanderungsgeschehen relevant ist, in dem den Erfassungsprobleme kritisch betrachtet (Haug/Stichs aber der Islam kaum verbreitet ist, wie dies beispielsweise 2014: 58; Uhlmann 2015: 216). Auch Zahlen über Mus- für Polen, Griechenland oder Italien zutrifft. Nicht zuletzt lime in Deutschland mit einem Migrationshintergrund ist anzumerken, dass durch eine Nicht-Berücksichtigung aus Ländern, in denen der Islam kaum verbreitet ist, sind der Muslime aus diesen Bevölkerungsgruppen nur eine nicht bekannt. geringfügige Auswirkung auf die berechnete Gesamtzahl der Muslime in Deutschland zu erwarten ist, da es sich um Das Modell zur Berechnung der Zahl der Muslime vergleichsweise wenige Personen handeln sollte. zum Stand 31. Dezember 2015 Die aktuelle Hochrechnung über die Anzahl der Muslime 9 Es handelt sich um folgende Länder: Afghanistan, Ägypten, zum Stand 31. Dezember 2015 wurde in mehreren Schrit- Albanien, Algerien, Aserbaidschan, Äthiopien, Bangladesch, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Elfenbeinküste, Eritrea, ten durchgeführt und beruht auf vier Datenquellen Gambia, Ghana, Guinea, Indien, Indonesien, Irak, Iran, Israel, (Abbildung 1). Jemen, Jordanien, Kamerun, Kasachstan, Kirgisistan, Kosovo, Libanon, Liberia, Libyen, Malaysia, Marokko, Mazedonien, Montenegro, Mosambik, Nigeria, Pakistan, Russische Födera- In einem ersten Schritt wird die Anzahl der Muslime tion, Saudi-Arabien, Senegal, Serbien, Sierra Leone, Somalia, mit Migrationshintergrund aus relevanten muslimisch Sudan, Syrien, Togo, Tunesien, Türkei, Turkmenistan und Usbekistan. Außerdem wurde die Angabe „ehemaliges Ju- geprägten Herkunftsländern (HKL) berechnet, die An- goslawien“, eine Bezeichnung, die sowohl in MLD 2008 von fang 2011 in Deutschland lebten. Hierfür werden zum Befragten angegeben wurde als auch im AZR enthalten war, einen die Daten des Zensus 2011 über die Bevölkerung als Land gezählt. Bei Personen aus Nachfolgestaaten des ehe- maligen Jugoslawien war der Migrationshintergrund häufig in Deutschland zum Stand 09. Mai 2011 verwendet. nicht trennscharf zu definieren, da etwa die Eltern beide aus Durch eine beim Statistischen Bundesamt angefragte dem ehemaligen Jugoslawien aber aus unterschiedlichen Sonderauswertung wurde die Anzahl der Personen Nachfolgestaaten stammten. Aufgrund dieser Schwierigkei- ten wurden die betreffenden Länder für die Hochrechnung mit relevantem Migrationshintergrund bestimmt. zu einer Kategorie zusammengefasst. Zur Bestimmung des Anteils der Muslime dieser Her-
12 Das Hochrechnungsmodell kunftsländer wurden die Befragungsdaten aus MLD scheinlichkeit angesetzt wird, desto größer ist die Breite 2008 verwendet, die Angaben über die Religionszuge- des berechneten Intervalls. In der vorliegenden Studie hörigkeit von 16.992 in Deutschland lebenden Perso- wird die Irrtumswahrscheinlichkeit gemäß sozialwissen- nen mit einem Migrationshintergrund aus insgesamt schaftlicher Standards auf 5 % festgelegt, d.h. der zu schät- 49 muslimisch geprägten Herkunftsländern enthalten zende Populationswert liegt mit einer Wahrscheinlichkeit (Haug/Stichs 2014: 57). Zur Bestimmung der Anzahl von 95 % in dem berechneten Wertebereich.11 Dane- der Muslime werden diese herkunftslandspezifischen ben wird die Spannbreite eines Konfidenzintervalls auch Anteilswerte mit den Bestandszahlen des Zensus mul- durch die Größe der berücksichtigten Stichprobe beein- tipliziert. flusst. Hohe Fallzahlen gewährleisten statistisch gesehen In einem zweiten Schritt wird die Anzahl der zwischen solidere Daten und erzielen entsprechend eine höhere Ge- 01. Mai 2011 und 31. Dezember 2015 neu zugewander- nauigkeit bzw. ein engeres Intervall. ten ausländischen Muslime bestimmt. Hierfür wird eine Sonderauswertung des Ausländerzentral- Das Hochrechnungsmodell von 2008 zum Vergleich registers (AZR) herangezogen, aus der die Anzahl der Das Verfahren der Hochrechnung von 2015 orientiert zwischen Mai 2011 und Ende 2015 nach Deutschland sich an dem 2008 entwickelten Modell. Allerdings konnte zugewanderten ausländischen Staatsangehörigen der dank des zwischenzeitlich durchgeführten Zensus auf berücksichtigten Herkunftsländer hervorgeht. Au- eine passgenauere Datenquelle zurückgegriffen werden. ßerdem wird auf Basis einer Sonderauswertung aus In der Hochrechnung zur Studie MLD 2008 basierte die der Asylgeschäftsstatistik (Asyl-GEST) der Anteil der Anzahl der in Deutschland lebenden Personen relevanter Muslime unter den Personen der berücksichtigten Herkunftsländer auf Daten des Ausländerzentralregisters muslimisch geprägten Herkunftsländer berechnet, die (AZR) zum Stand 30. Juni 2008 (Haug/Stichs 2014: 62). Das zwischen dem 01. Januar 2011 und dem 30. Septem- AZR hat den Vorteil, dass es systematisch fortgeschrieben ber 2016 einen Erstantrag auf Asyl gestellt haben.10 Die wird, so dass die Größe einer Zielgruppe in regelmäßigen Anzahl der Muslime ergibt sich durch Multiplikation Abständen bestimmt werden kann. Nachteil ist jedoch, beider Werte. dass nur ausländische Staatsangehörige, nicht jedoch In einem dritten Schritt zur Berechnung der Gesamt- Deutsche mit Migrationshintergrund, enthalten sind. Um zahl der am 31. Dezember 2015 in Deutschland leben- die Gesamtzahl der Muslime mit relevantem Migrations- den Muslime werden die beiden Teilergebnisse über hintergrund zu schätzen, also sowohl ausländischer als die Anzahl der im Mai 2011 in Deutschland lebenden auch deutscher Staatsangehöriger, war in der Hochrech- Muslime und der danach neu zugewanderten auslän- nung von 2008 daher ein zusätzlicher Rechenschritt er- dischen Muslime addiert. forderlich. Auf Basis der Befragungsdaten von MLD 2008 über das Verhältnis der Deutschen mit relevantem Mig- Wie bei der Hochrechnung von 2008 wird bei den Berech- rationshintergrund zu den Personen mit ausländischer nungen das in den Sozialwissenschaften übliche Verfah- Staatsangehörigkeit musste zunächst die Anzahl der Deut- ren einer Intervallschätzung angewendet. Grund ist, dass schen mit Migrationshintergrund berechnet werden. Erst die in der MLD-Studie sowie der Asyl-GEST ermittelten darauf aufbauend wurde getrennt für Personen mit aus- Werte über den Anteil der Muslime für die verschiedenen schließlich ausländischer Staatsangehörigkeit sowie für Herkunftsgruppen je nach Anzahl der zugrunde liegen- deutsche Staatsangehörige mit relevantem Migrationshin- den Fallzahlen unterschiedlich belastbar sind. Die Inter- tergrund die Anzahl der Muslime berechnet (Abbildung 2). vallschätzung ist dadurch gekennzeichnet, dass statt der Daten des Mikrozensus, der sowohl Angaben über Perso- Ausweisung eines konkreten Wertes (Punktschätzung) ein nen ausländischer als auch deutscher Staatsangehörig- Wertebereich – das sogenannte Konfidenzintervall – be- keit mit Migrationshintergrund enthält, konnten für die rechnet wird (Kühnel/Krebs 2010: 170f.). Konfidenzinter- Berechnungen nicht anstelle des AZR verwendet werden, valle sind dadurch charakterisiert, dass der zu schätzende da die Anzahl der Personen verschiedener berücksichtig- Populationswert zu einer vorab festgelegten Wahrschein- ter Herkunftsländer aufgrund zu kleiner Fallzahlen nicht lichkeit in diesem Wertebereich enthalten ist. Die Breite ausgewiesen wird. Zeitnahe Zensusdaten lagen im Jahr des Intervalls hängt hierbei von der Größe der gesetzten 2008 nicht vor. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durch- Irrtumswahrscheinlichkeit ab. Je kleiner die Irrtumswahr- geführt. 10 Aufgrund des starken Andrangs konnten im Jahr 2015 einge- reiste Asylsuchende ihre formalen Anträge auf Asyl teilweise erst mit zeitlicher Verzögerung im Laufe des Jahres 2016 stel- len (Bundesministerium des Inneren/Bundesamt für Migrati- on und Flüchtlinge (BMI/BAMF) 2016: 10). Aus diesem Grund 11 Die Formel für die Berechnung eines 95 % Konfidenzinter- wurden in die Auswertungen über den Anteil der Muslime valls zur Berechnung des Anteils der Muslime lautet: aus der Asyl-GEST auch Asylsuchende, die ihren Antrag bis p±1,96 p (1-p) (Kühnel/Krebs 2001: 248). zum 30.09.2016 gestellt haben, einbezogen. √ n
Das Hochrechnungsmodell 13 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass durch die deutlich vereinfacht, ein zuvor erforderlicher Rechen- Durchführung des Zensus 2011 eine neue und umfassen- schritt weggelassen und damit verbundene Unschärfen dere Datenquelle zur Berechnung der Anzahl der Mus- minimiert werden. Als Nachteil erweist sich, dass der Zen- lime in Deutschland zur Verfügung steht, als dies 2008 der sus die Bevölkerung nur zu einem bestimmten Stichtag Fall war. Die Zensusdaten ermöglichen zum einen, die Be- ausweist. Um die nach diesem Stichtag erfolgten Entwick- rechnungen über die Anzahl der Muslime zu aktualisie- lungen zu berücksichtigen, ist es erforderlich, weitere Da- ren. Zum anderen bieten sie aber auch den Vorteil, dass sie tenquellen heranzuziehen. Die Reichweite der verwende- präzise und differenzierte Zahlen sowohl über ausländi- ten Datenquellen und die Möglichkeiten sowie Grenzen sche Staatsangehörige als auch über Deutsche mit Migra- ihrer Verzahnung werden im folgenden Kapitel ausführ- tionshintergrund verschiedener Herkunftsländer enthal- lich diskutiert. ten. Hierdurch konnten das neue Hochrechnungsmodell Abbildung 2: Hochrechnungsmodell und Datenquellen zur Bestimmung der Zahl der Muslime zum Stand 30. Juni 2008 Anteil der ausländi- Zahl der ausländischen Staatsangehörigen aus Zahl der ausländischen Muslime schen Muslime aus * = muslimisch geprägten HKL laut AZR am 30.06.2008 MLD 2008 Zwischenschritt: Verhältnis Deutsche Zahl der ausländischen Zahl der mit relevantem MH / Staatsangehörigen aus Deutschen mit ausländische * muslimisch geprägten = relevantem MH + Staatsangehörige HKL laut AZR aus MLD 2008 Anteil der deutschen Oben berechnete Muslime mit Zahl der deutschen Muslime mit Zahl der relevantem MH relevantem MH * Deutschen mit = aus MLD 2008 am 30.06.2008 relevantem MH = Zahl der Muslime am 30.06.2008 Eigene Darstellung.
14 Diskussion der verwendeten Datenquellen 3 Diskussion der verwendeten Datenquellen Reichweite und Passgenauigkeit der Zensus- sowie MLD-Daten Die Ergebnisse des Zensus 2011 stellen für eine neue tem Umfang Wechsel im Hinblick auf die Religionszu- Hochrechnung über die Anzahl der Muslime aus verschie- gehörigkeit stattgefunden haben. Auch unterschiedliche denen Gründen eine sehr gute Datengrundlage dar. Ein Mortalitäts- und Fertilitätsraten bei Teilen der Bevölke- wesentlicher Vorteil der Zensusdaten besteht darin, dass rung können einen Einfluss haben. In der Regel wirken er Informationen über die Anzahl der Personen mit Mi- sich solche demographischen Prozesse jedoch nur lang- grationshintergrund zahlreicher Herkunftsländer ent- sam auf die Gesamtstruktur einer Bevölkerung aus. hält, also über eine Gruppe, die sich aus Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit sowie Deutschen mit Deutlich schneller kann sich eine Bevölkerungsgruppe entsprechendem Migrationshintergrund zusammen- durch sozial selektive Wanderungsbewegungen verän- setzt. Die 2008 verwendeten AZR-Daten beziffern indes- dern, also durch eine deutliche Zu- oder Abwanderung sen lediglich die Anzahl ausländischer Staatsangehöriger. von Angehörigen bestimmter Religionen. Grenzüber- Im Unterschied zum vorherigen Hochrechnungsmodell, schreitende Zu- und Abwanderungen werden in Bezug in dem zunächst die Anzahl der Deutschen mit Migrati- auf Personen mit Migrationshintergrund statistisch nicht onshintergrund geschätzt werden musste, sind getrennte erfasst. Allerdings können Wanderungsbewegungen von Rechnungen für die Bewohner mit ausländischer Staats- deutschen und ausländischen Staatsangehörigen analy- angehörigkeit sowie für Deutsche mit entsprechendem siert werden. Als Datenquellen stehen die Wanderungssta- Migrationshintergrund bei Berücksichtigung der Zensus- tistik sowie die AZR-Daten zur Verfügung. daten nicht mehr erforderlich. Damit geht einher, dass für die Berechnungen der Anteilswerte der Muslime pro Die Wanderungsstatistik erfasst grenzüberschreitende Zu- Herkunftsgruppe höhere Fallzahlen zur Verfügung stehen, und Fortzüge deutscher sowie ausländischer Staatsange- so dass die aus den MLD-Daten berechneten Quoten aus höriger. Die Daten zeigen, dass die deutsche Bevölkerung statistischer Sicht stabiler sind. Dies trägt auch zu einer das Wanderungsgeschehen nur partiell prägt. So waren geringeren Spannbreite der berechneten Konfidenzinter- nach der Wanderungsstatistik im Jahr 2008, also dem Jahr valle bei. der MLD-Erhebung, 84,1 % der insgesamt aus dem Aus- land zugezogenen Personen ausländische Staatsangehö- Auch die relative zeitliche Nähe der Bevölkerungsberech- rige, lediglich 15,9 % hatten die deutsche Staatsangehörig- nung des Zensus zum Stichtag 09. Mai 2011 sowie der keit (Abbildung 3). Seither ist der Anteil der ausländischen MLD-Erhebung im ersten Halbjahr 2008 deutet darauf Staatsangehörigen unter den Zugezogenen noch gestie- hin, dass beide Datenquellen gut miteinander in Bezie- gen. Im Jahr 2015 war der Zuzug nach den vorliegenden hung gesetzt werden können. Dies sollte insbesondere vorläufigen Zahlen fast vollständig durch ausländische dann gewährleistet sein, wenn sich die religiöse Zusam- Staatsangehörige geprägt, ihr Anteil unter allen Zugezo- mensetzung der in der MLD-Studie betrachteten Bevöl- genen betrug 94,4 % (Statistisches Bundesamt (Destatis) kerungsgruppen in dem dazwischen liegenden Zeitraum 2016a: 14). Auch die aus Deutschland Fortziehenden sind von knapp drei Jahren nicht wesentlich verändert hat. überwiegend ausländische Staatsangehörige. 2008 betrug ihr Anteil unter allen Fortziehenden 76,3 %, 2015 stieg der Entwicklung der Bevölkerung nach der Zensuserhe- Anteil auf 86,1 %. Da anzunehmen ist, dass nur ein Teil bung zur Beurteilung der Passgenauigkeit der MLD- der wenigen zu- und fortziehenden deutschen Staatsan- sowie AZR-Daten gehörigen einen Migrationshintergrund hat, erscheint es Die religiöse Zusammensetzung einer Bevölkerung kann legitim, aus den für die ausländische Bevölkerung festge- sich durch verschiedene Faktoren verändern. Bei einer stellten Tendenzen Ableitungen für die Bevölkerung mit weitgehend gleichbleibenden Bevölkerung sind Struk- Migrationshintergrund insgesamt zu treffen. turverschiebungen durch Konversionen möglich. Für Deutschland liegen indessen keine Hinweise dafür vor, dass zwischen 2008 und 2011 in einem statistisch relevan-
Diskussion der verwendeten Datenquellen 15 Abbildung 3: Anteil der ausländischen Staatsangehörigen unter den insgesamt aus dem Ausland Zu- und Fortgezogenen in Prozent Jahr der Zensus-Bestandsaufnahme 100,0 90,3 91,7 94,4 87,8 89,4 84,1 84,1 85,6 80,0 86,1 81,3 82,4 83,7 76,3 78,9 79,0 79,4 60,0 40,0 20,0 0,0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Anteil der ausländischen Staatsangehörigen unter den Zugezogenen Fortgezogenen Datenquelle: Wanderungsstatistik (Statistisches Bundesamt (Destatis) 2016d: 14), eigene Darstellung. Eine vertiefende Analyse auf Basis der AZR-Daten über Zahl der Zuzüge ausländischer Staatsangehöriger jeweils grenzüberschreitende Wanderungsbewegungen ausländi- in einem überschaubaren Rahmen von unter 400.000 Per- scher Staatsangehöriger zeigt, dass in den knapp drei Jah- sonen. Die Zahl der Fortzüge war etwas geringer, so dass ren zwischen der MLD- und der Zensuserhebung relativ sich ein leicht positiver Gesamtsaldo ergibt (Abbildung 4). wenige grenzüberschreitende Bevölkerungsbewegungen Im Jahr 2010 war erstmals ein Anstieg der Zuzugszahlen stattgefunden haben.12 In den Jahren 2008 bis 2009 lag die zu verzeichnen, insgesamt wanderten 475.840 ausländi- sche Staatsangehörige zu. Die Zahl der Fortzüge blieb hin- 12 Aufgrund umfangreicher Melderegisterbereinigungen sind gegen weitgehend konstant. In den Folgejahren ab 2011 die Fortzugszahlen in der Wanderungsstatistik von 2008 bis verstärkte sich dieser Trend. Es waren deutlich mehr Zu- 2011 nur bedingt mit dem jeweiligen Vorjahr vergleichbar, so dass für die folgende Analyse den AZR-Daten der Vorzug züge als Abwanderungen zu verzeichnen. Insbesondere im gegeben wird. Abbildung 4: Zu- und Fortzüge ausländischer Staatsangehöriger von 2008 bis 2015 Jahr der Zensus-Bestandsaufnahme 2.000.000 1.810.904 1.750.000 1.500.000 1.242.265 1.250.000 1.000.000 750.000 568.639 500.000 250.000 0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Ausländische Staatsangehörige Zuzüge Saldo Fortzüge Datenquelle: AZR, (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 2015: 72), eigene Darstellung.
16 Diskussion der verwendeten Datenquellen Abbildung 5: Ausländische Bevölkerung in Deutschland in den Jahren 2008 bis 2015 (in Millionen) Jahr der Zensus-Bestandsaufnahme 10,00 8,00 4,01 6,00 3,67 2,82 3,05 3,37 2,58 2,59 2,66 4,00 5,09 2,00 4,14 4,11 4,09 4,11 4,16 4,27 4,48 0,00 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Drittstaatsangehörige EU-Ausländer* Datenquelle: AZR (Statistisches Bundesamt (Destatis) 2016b: 30ff.), eigene Berechnung und Darstellung. * = EU-Ausländer zum Stand 31.12.2015, zur besseren Vergleichbarkeit werden in den Vorjahren die gleichen Gruppierungen dargestellt. Jahr 2015 ist nochmals ein außerordentlicher Sprung zu bestandsaufnahme des Zensus – relativ stabil geblieben ist. verbuchen, der Wanderungssaldo von + 1,2 Millionen Per- Es scheint daher gerechtfertigt, die im Rahmen der MLD- sonen hat sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Studie erhobenen Daten über den Anteil der Muslime auf die Zensusdaten zu spiegeln. Die Zahl der ausländischen Staatsangehörigen ist dem- entsprechend von 2008 bis 2010 weitgehend stabil geblie- Gleichzeitig wird deutlich, dass vor allem die ausländi- ben. Dies gilt sowohl für EU-Staatsangehörige als auch für sche Bevölkerung in Deutschland durch Zuwanderung sogenannte Drittstaatsangehörige, die aus einem ande- zugenommen hat. Im Jahr 2015 ist dabei insbesondere die ren Land als der EU stammen. Seit 2011, also vor allem in Zahl der Drittstaatsangehörigen deutlich angestiegen. Um den Jahren nach der Bevölkerungsbestandsaufnahme des auch den Entwicklungen nach der Zensuserhebung Rech- Zensus, ist indessen eine kontinuierliche Zunahme zu ver- nung zu tragen, wird die auf Basis des Zensus berechnete zeichnen (Abbildung 5). Insbesondere in den Jahren 2014 Zahl der Muslime zum Stand 09. Mai 2011 daher in einem und 2015 hat sich im Zusammenhang mit der zunehmen- zweiten Schritt um die Zahl der zwischenzeitlich zuge- den Zuwanderung Geflüchteter die Zahl der Drittstaats- wanderten ausländischen Muslime ergänzt (Abbildung 1 angehörigen deutlich erhöht. Dies deckt sich mit dem Be- in Kapitel 2). fund, dass 2015 im Unterschied zu den Vorjahren mehr Drittstaatsangehörige nach Deutschland zuwanderten Die zwischen 2011 und 2015 erfolgten Abwanderungen als EU-Staatsangehörige (Bundesamt für Migration und werden bei der Hochrechnung vernachlässigt. Bereits die Flüchtlinge (BAMF) 2016c: 8). Gleichzeitig zogen mehr EU- Gesamtzahl der im entsprechenden Zeitraum fortgezo- Staatsangehörige als Drittstaatsangehörige aus Deutsch- genen ausländischen Staatsangehörigen ist im Unter- land fort. Da die Entwicklung der muslimischen Bevölke- schied zu den Zugezogenen überschaubar. Die Zahl redu- rung vor allem durch die Zuwanderung aus Drittstaaten ziert sich weiter, wenn man berücksichtigt, dass ein Teil beeinflusst wird, sind dies wichtige Ergebnisse zur Ein- der Fortgezogenen am 09. November 2011, dem Stichtag schätzung des Hochrechnungsmodells.13 der Zensuserhebung, noch nicht in Deutschland lebte. Diese Personen gehören damit zu der im zweiten Hoch- Zusammenfassend betrachtet liefern die Daten über das rechnungsschritt berücksichtigten Gruppe der neu Zu- Wanderungsgeschehen und die Entwicklung der auslän- gewanderten.14 Nicht zuletzt handelt es sich bei den zwi- dischen Bevölkerung verschiedene Hinweise dafür, dass schen 2011 und 2015 Abgewanderten mehrheitlich um diese in den drei Jahren zwischen 2008 – dem Jahr der MLD-Erhebung – und 2011 – dem Jahr der Bevölkerungs- 14 In der Sonderauswertung aus dem AZR für den zweiten Hochrechnungsschritt werden ausschließlich diejenigen 13 Das einzige Land innerhalb der EU mit einem relevanten Personen ausgewiesen, die nach Mai 2011 zugezogen sind muslimischen Bevölkerungsanteil ohne Migrationshinter- und die Ende 2015 noch in Deutschland lebten. Personen die grund stellt Bulgarien dar. Laut CIA-World-Factbook sind zwischen diese beiden Stichtagen erst zu- und dann wieder 7,8 % der bulgarischen Bevölkerung Muslime (05.07.2016). abgewandert sind, werden nicht gezählt.
Diskussion der verwendeten Datenquellen 17 Abbildung 6: Entwicklung der Asylantragszahlen von 2008 bis 30. September 2016 Jahr der Zensus-Bestandsaufnahme 700.000 643.211 600.000 441.899 500.000 400.000 300.000 173.072 200.000 109.580 100.000 45.741 64.539 22.085 27.649 41.332 34.750 14.644 0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 09/2016 Erstanträge Folgeanträge Datenquelle: Asyl-GEST (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 2016a: 4), eigene Darstellung. EU-Staatsangehörige, unter denen sich voraussichtlich Reichweite und Passgenauigkeit der Daten der nur wenige Muslime befinden. Der Auswirkungen auf die Asyl-GEST Hochrechnung der Ende 2015 in Deutschland lebenden Betrachtet man die Ursachen für die sich vor allem in den Muslime sollten sich vor diesem Hintergrund in Grenzen Jahren 2014 und 2015 vollziehende Zunahme der Dritt- halten und nur zu einer geringfügigen Überschätzung der staatsangehörigen zeigt sich, dass diese vor allem auf die tatsächlichen Zahl führen. vermehrte Zuwanderung von Bürgerkriegsflüchtlingen zurückzuführen ist (Bundesministerium des Inneren/ Vor diesem Hintergrund stellt das AZR eine gute Daten- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BMI/BAMF) quelle zur Berechnung der neu zugewanderten Muslime 2016: 25f.). So wurden in den Jahren von 2008 bis 2011 dar. Die Anzahl der ausländischen Personen, die zu einem noch jeweils unter 50.000 Erstanträge auf Asyl gestellt bestimmten Stichtag in Deutschland lebten, können diffe- (Abbildung 6). Seit 2012 steigen die Zahlen sichtbar an. Im renziert nach Zuwanderungsjahr sowie Staatsangehörig- Jahr 2014 waren es bereits 173.072 Erstanträge. 2015 hat keit bestimmt werden. Zwar sind nur Personen enthalten, sich die Zahl sprunghaft auf insgesamt 441.899 Anträge die bis zum Stichtag der Hochrechnung, dem 31. Dezem- erhöht (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ber 2015, keine deutsche Staatsangehörigkeit erworben 2016a: 4). Im Jahr 2016 wurde diese Zahl mit 643.211 bis haben. Aufgrund des überschaubaren Einreisezeitraums September gestellten Erstanträgen nochmal übertroffen, zwischen Zensuserhebung und Stichtag der Hochrech- wobei ein Großteil der Anträge von Geflüchteten gestellt nung, der maximal etwas unter fünf Jahre betragen kann, wurden, die bereits 2015 eingereist waren. Aufgrund des sind bei der Zielbevölkerung aber kaum Verluste durch großen Andrangs war eine formale Antragstellung teil- Einbürgerungen zu erwarten. Im Regelfall kann diese weise erst mit zeitlicher Verzögerung möglich.15 nach einem achtjährigen Aufenthalt beantragt werden, bei besonderen Integrationsleistungen, so etwa deutschen Insbesondere aus muslimisch geprägten Herkunftslän- Sprachkenntnissen auf B1-Niveau, bereits nach sechs Jah- dern reisten in den letzten Jahren viele Asylsuchende ein. ren (Bundesministerium des Inneren/Bundesamt für Mig- Seit 2011 finden sich unter den zehn zugangsstärksten ration und Flüchtlinge (BMI/BAMF) 2016: 158). Allerdings Herkunftsländern von Asylerstantragstellern ausschließ- wird im AZR nicht systematisch die Religionszugehörig- lich Länder, die aufgrund eines hohen muslimischen Be- keit erfasst. Für die Berechnung der neu zugewanderten völkerungsanteils auch in der Hochrechnung berücksich- Muslime ist daher eine ergänzende Datenquelle erforder- lich, aus der der Anteil der Muslime unter den kürzlich 15 Gemäß einer Pressemitteilung des BMI vom 30.09.2016 sind im Jahr 2015 rund 890.000 Asylsuchende eingereist. Rund zugewanderten ausländischen Staatsangehörigen hervor- 50.000 der registrierten Schutzsuchenden sind zwischen- geht. zeitlich in andere EU-Staaten weitergereist sind und haben ihr Asylverfahren in Deutschland nicht weiter betrieben. http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/ DE/2016/09/ asylsuchende-2015.html;jsessionid=0A7F9240F 2EC8F797D47 EBD89B8C41D6.2_cid295 (03.10.2016)
18 Diskussion der verwendeten Datenquellen tigt werden, so etwa Afghanistan, Irak und Syrien. Der (können). Auf die von dieser Problematik betroffene Län- Anteil der Asylerstanträge aus diesen Top-Ten-Ländern der und die Konsequenzen für die Hochrechnung wird in betrug zwischen 65,7 % im Jahr 2013 und 82,3 % im Jahr Kapitel 5 eingegangen. 2015 (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 2016b: 16). Eine weitere Fehlerquelle bei der Übertragung des Anteils der Muslime laut Asyl-GEST auf die Gesamtgruppe der Der Umstand, dass die Zuwanderung aus muslimisch ge- seit 2011 Zugewanderten gleicher Staatsangehörigkeit be- prägten Herkunftsländern aktuell häufig auf humani- steht in der retrospektiven Betrachtungsweise. Die Son- täre Gründe, Flucht oder Asyl zurückzuführen ist, ist für derauswertung aus dem AZR weist Personen bestimmter die Hochrechnung insofern von Vorteil, als im Rahmen Staatsangehörigkeiten aus, die zum Stichtag 31. Dezem- des Asylantragsverfahrens auch die Religionszugehörig- ber 2015 in Deutschland lebten. Die Daten der Asyl-GEST keit der Antragsteller aufgenommen und in der Asylge- bilden alle Personen einschließlich der mit eingereisten schäftsstatistik (Asyl-GEST) des BAMF ausgewiesen wird. Familienangehörigen ab, die einen Erstantrag auf Asyl ge- In der Asyl-GEST werden alle Asylantragsteller erfasst.16 stellt haben, unabhängig davon, ob diese Personen noch in Sie stellt eine personenbezogene Asylbewerberzugangs- Deutschland leben oder nicht. Da die Bleibeaussichten bei statistik dar (Bundesministerium des Inneren/Bundesamt Personen gleicher Staatsangehörigkeit je nach ethnischer für Migration und Flüchtlinge (BMI/BAMF) 2016: 25f: 73). und/oder religiöser Zugehörigkeit variieren können, sind Die Daten können sowohl herkunftslandspezifisch als Veränderungen im Hinblick auf die religiöse Zusammen- auch nach Jahr der Antragstellung differenziert dargestellt setzung denkbar. In Anbetracht dessen, dass die meisten werden. Für die Hochrechnung wurde eine Sonderaus- Zuzüge Asylsuchender erst in den Jahren 2014 und 2015 wertung über die Religionszugehörigkeit der Asylsuchen- erfolgten, erscheint es jedoch wenig wahrscheinlich, dass den relevanter Herkunftsländer, die zwischen dem 01. Ja- sich diese Problematik in statistisch relevantem Umfang nuar 2011 bis 30.September 2016 einen Erstantrag gestellt auf die religiöse Zusammensetzung der erst kürzlich ein- haben, erstellt. Durch die Ausdehnung des Auswertungs- gereisten und Ende 2015 noch in Deutschland aufhältigen zeitraums auf das Jahr 2016 ist gewährleistet, dass auch ausländischen Staatsangehörigen auswirkt. mit zeitlicher Verzögerung gestellten Anträge von Perso- nen, die 2015 eingereist sind, bei der Berechnung der her- Nicht zuletzt sei erwähnt, dass die Religionszugehörigkeit kunftslandspezifischen Werte über den Anteil der Mus- einer Person kein objektiv messbares Merkmal darstellt, lime Berücksichtigung finden. wie dies etwa bei der Köpergröße der Fall ist. So verfü- gen viele Religionen über kein formales Erfassungssys- Bei seit 2011 eingereisten ausländischen Staatsange- tem ihrer Angehörigen, wie dies etwa im Taufregister er- hörigen eines Landes, aus denen ein hoher Anteil der folgt. Hinzu kommt, dass Religionswechsel und –austritte Neuzuwanderer einen Antrag auf Asyl gestellt hat, ist möglich sind. Eine Zuordnung ist daher letztlich nur auf anzunehmen, dass die aus der Asyl-GEST ermittelten her- Basis einer Selbstauskunft möglich. Gleichzeit ist festzu- kunftslandspezifischen Quoten über den Anteil der Mus- halten, dass die Religionszugehörigkeit nach der Genfer lime weitgehend die religiöse Zusammensetzung abbil- Flüchtlingskonvention (GFK) eines von mehreren asyler- den. Abweichungen sind allerdings dann zu befürchten, heblichen Merkmalen darstellt (Bundesamt für Migration wenn von einer Herkunftsgruppe verschiedene Zuwande- und Flüchtlinge (BAMF) 2016b: 31f.). Der Ausgang eines rungswege genutzt werden, also nur ein Teil der Zuwan- Asylverfahrens und somit die Bleibeperspektiven bzw. derer asylsuchend ist, während ein anderer Kanal etwa in Chancen auf einen längerfristigen Aufenthaltstitel wer- der Einreise zu Ausbildungszwecken oder zur Aufnahme den maßgeblich davon beeinflusst, ob eine Person einer einer Beschäftigung besteht. Dies ist umso mehr der Fall, in ihrem Herkunftsland verfolgten ethnischen und/oder wenn viele Asylsuchende einer (verfolgten) ethnischen religiösen Minderheit angehört. Es ist daher zu vermuten, und/oder religiösen Minderheit in ihrem Land angehören, dass manche Asylsuchende die Frage nach ihrer Religions- während Angehörige dominierender Gruppen aus dem zugehörigkeit fehlerhaft beantworten, wenn sie sich hier- gleichen Land häufiger als Hochqualifizierte einreisen durch günstige Auswirkungen auf ihr laufendes Anerken- nungsverfahren versprechen. Dem ist entgegenzuhalten, dass gerade asylerhebliche Merkmale in der Anhörung 16 Insbesondere im Jahr 2015 war der tatsächliche Zugang von Asylsuchenden höher als die Zahl der Asylantragsteller, da auf Plausibilität geprüft werden. Hinzu kommt, dass diese aufgrund des starken Andrangs ein formaler Antrag zum Teil Problematik nicht nur die Asyl-GEST betrifft, sondern erst zeitlich verzögert gestellt werden konnte. 2015 wurden 441.899 Erstanträge auf Asyl gestellt (Bundesamt für Migra- dass auch im Rahmen anderer Umfragen keine objektive tion und Flüchtlinge (BAMF) 2016a: 4). Die Zahl der im Jahr Feststellung möglich wäre. 2015 eingereisten Asylsuchenden wird nach den Daten im EASY-System (Erstverteilung der Asylbegehrenden auf die Bundesländer) auf rund 890.000 Personen beziffert (vgl. dazu Pressemitteilung des BMI vom 30.09.2016).
Diskussion der verwendeten Datenquellen 19 Insgesamt ist festzuhalten, dass die Asyl-GEST für die Hochrechnung der Anzahl der Muslime, die seit dem Zen- sus neu zugewandert sind, eine gut geeignete Datenquelle darstellt. Zwar unterliegt die Übertragung der herkunfts- landspezifischen Werte über den Anteil der Muslime bei einigen Ländern Einschränkungen. Insbesondere bei den zuwanderungsstarken muslimisch geprägten Herkunfts- ländern der letzten Jahre wie etwa Syrien und Irak bildet die Asyl-GEST jedoch einen Großteil der Zielpopulation ab. Auch ist sie für die hier vorgenommene Hochrechnung alternativlos. Andere belastbare Daten über die Religions- zugehörigkeit neu Zugewanderter oder über die derzeit in Deutschland lebende Bevölkerung stehen nicht zur Ver- fügung.
20 Berechnung der Zahl der Muslime zum Stand 09. Mai 2011 auf Basis des Zensus 4 Berechnung der Zahl der Muslime zum Stand 09. Mai 2011 auf Basis des Zensus In einem ersten Schritt wird die Anzahl der Muslime zum „Naher Osten“ sowie „Süd-/Südostasien“ verteilen, hat der Stand 09. Mai 2011 berechnet. Datenquellen sind, wie in Verzicht auch auf die nach regionaler Herkunft differen- Kapitel 2 dargelegt, die Bevölkerungsberechnung des Zen- zierte Auswertung nur geringfügige Auswirkungen.19 sus sowie die Daten der MLD-Studie von 2008. Im Fall der afrikanischen Länder südlich der Sahara stellt Personen mit Migrationshintergrund, die aus einem in sich die Situation anders dar. Von den in der Hochrech- Deutschland kaum vertretenen Herkunftsland kommen, nung von 2008 berücksichtigten 15 muslimisch geprägten werden im Zensus nicht separat ausgewiesen. Bereits bei Ländern, die in dieser Regionengruppe zusammengefasst der Erhebung wurden Personen solcher Länder Sammel- wurden, wird im Zensus lediglich die Anzahl der Personen kategorien zugeordnet, um ihre Anonymität zu gewähr- mit Migrationshintergrund aus Ghana und Nigeria ausge- leisten. In Bezug auf die in der Hochrechnung von 2008 wiesen. Die verbleibenden 13 Länder wurden im Zensus berücksichtigten Herkunftsländer betrifft dies Bangla- gemeinsam mit zahlreichen nicht muslimisch geprägten desch, Malaysia, Jemen, Saudi-Arabien sowie fast alle mus- afrikanischen Ländern in der Kategorie „Sonstiges Afrika“ limisch geprägten afrikanischen Länder südlich der Saha- zusammengefasst. Diese umfasst immerhin 208.440 in ra.17 Deutschland lebende Personen. Für eine Hochrechnung auf Basis des Zensus stehen damit zwei Möglichkeiten zur Auf die Berechnung der Anzahl der Muslime zum Stand Verfügung. Eine Lösung besteht darin, die Berechnungen Mai 2011, die aus Bangladesch, Malaysia, Jemen und auf Personen aus Ghana und Nigeria zu reduzieren. Für Saudi-Arabien stammen, wird bei der hier vorgelegten beide Länder liegen sowohl aus dem Zensus als auch aus neuen Hochrechnung verzichtet. Eine Sonderauswer- der MLD-Studie Daten vor. Bei diesem Vorgehen würde tung aus dem AZR bestätigt, dass in Deutschland außer- die Zahl Muslime aus Afrika südlich der Sahara allerdings ordentlich wenige Menschen mit einer Staatsangehö- deutlich unterschätzt. Alternativ kann die im Zensus aus- rigkeit dieser vier Länder leben. Ende Juni 2011 waren es gewiesene Zahl der Personen aus dem restlichen Afrika zusammengenommen weniger als 15.000 Personen.18 Die herangezogen werden, in der allerdings eine unbestimmte Zahl der Deutschen mit äquivalentem Migrationshinter- Zahl an Personen aus nicht muslimisch geprägten afri- grund wird ebenfalls überschaubar sein. Aufgrund der kanischen Ländern enthalten sind. Da diese Länder in kleinen Fallzahlen wird die zu schätzende Gesamtzahl der der MLD-Studie nicht berücksichtigt wurden, decken die in Deutschland lebenden Muslime durch diese vier Län- Daten aus dem Zensus sowie die in der MLD-Studie er- der kaum beeinflusst. Da sich die Länder gemäß der geo- mittelten Anteilswerte unterschiedliche Zielgruppen ab. graphischen Zuordnung zudem auf die beiden Regionen Die Zahl der afrikanischen Muslime würde überschätzt. Beide Lösungen erscheinen als wenig befriedigend. 17 Die Liste der Länder sowie Sammelkategorien kann dem Für die vorgelegte Hochrechnung wird daher eine Zwi- Fragebogen des Zensus 2011 zur Haushaltsbefragung auf S. 3 unter folgendem Link entnommen werden: https://www.zen- schenlösung gewählt. Die afrikanischen Länder südlich sus2011.de/SharedDocs/Downloads/DE/Fragebogen/Frage- der Sahara werden in zwei Subgruppen untereilt. In der bogen_Haushaltebefragung.pdf?__blob=publicationFile&v=13 ersten Gruppe werden Personen aus Ghana und Nige- (22.07.2016). 18 Aufgeschlüsselt nach Staatsangehörigkeiten waren es 5.010 ria zusammengefasst, für die sowohl Zensus- als auch Personen aus Bangladesch, 4.243 aus Malaysia, 2.849 aus MLD-Daten vorliegen. Die andere Ländergruppe besteht dem Jemen und 2.261 aus Saudi Arabien. Für die Auswertung aus den verbleibenden 13 muslimisch geprägten afrika- wurde der Stand 30.06.2011 gewählt. Da etwa eingebürgerte Personen oder dauerhaft aus Deutschland fortgezogene nischen Ländern südlich der Sahara. Um die Anzahl der ausländische Staatsangehörige aus dem aktuellen Register entfernt werden müssen, sind nachträgliche Auswertungen über die Anzahl in Deutschland lebender Personen nur aus 19 Bangladesch sowie Malaysia wurden wie bereits in der Hoch- den in halbjährlichen Abständen zwischengespeicherten rechnung von 2008 der Region „Süd-/Südostasien“ zugeord- Datensätzen möglich. net, Jemen sowie Saudi-Arabien der Region „Naher Osten“.
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