Zweite medizinische Indikation - Patentschutz in wichtigen Ländern

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Pharma Days
7. und 8. Juli 2011, München

Zweite medizinische Indikation
Patentschutz in wichtigen Ländern

                                    Dr. Wolfgang Bublak
                                    Patentanwalt
                                    Galileiplatz 1
                                    81679 München
Dr. Wolfgang Bublak                 Tel. +49 (89) 92 80 5-0
                                    Fax +49 (89) 92 80 5-444
                                    bublak@bardehle.de
                                    www.bardehle.com         1
Historie in Deutschland

        § 1 Reichspatentgesetz (1877)

        Patente werden erteilt für neue Erfindungen, welche eine gewerbliche
        Verwerthung gestatten.
        Ausgenommen sind:
        1. Erfindungen, deren Verwerthung den Gesetzen oder guten Sitten
           zuwiderlaufen würde;
        2. Erfindungen von Nahrungs-, Genuß- und Arzneimitteln, sowie von
           Stoffen, die auf chemischem Wege hergestellt werden …

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Historie in Deutschland

        Begründung zu § 1 Reichspatentgesetz

           „Die Ausnahmestellung, welche das Gesetz den Nahrungs-, Genuß- und
           Arzneimitteln gibt, beruht auf zwei Gesichtspunkten: erstens will es
           verhüten, daß durch eine Monopolisierung dieser Artikel, welche für die
           Gesundheitspflege uns Volkswohlfahrt von größter Wichtigkeit sind, ihr
           Preis ein unverhältnismäßig hoher wird, andererseits liegt die Befürchtung
           vor, daß durch die Patentierung dieser Artikel die Charlatanerie
           begünstigt werden kann.“

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Historie in Deutschland

           Warum kein chemischer Stoffschutz?

           Der fast 100 Jahre lange Ausschluss von chemischen Stoffen und
           Arzneimitteln geht auf den Wunsch der "deutschen chemischen
           Gesellschaft" zurück: „Denn ein chemischer Stoff lässt sich auf
           verschiedene Art herstellen, wäre er selbst patentiert, dürfte man ihn nicht
           nach anderen, verbesserten Verfahren herstellen.“

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Historie in Deutschland

        Das Stoffschutzverbot für chemische Stoffe und Arzneimittel
        fiel in Deutschland erst mit der Patentgesetznovelle 1968

        § 1 Patentgesetz von 1968

           (1) Patente werden erteilt für neu Erfindungen, die eine gewerbliche
           Verwertung gestatten.

           (2) Ausgenommen sind Erfindungen, deren Verwertung den Gesetzen
           oder den guten Sitten zuwiderlaufen würde…

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Historie in Deutschland

        Begründung

           „Erfahrungen in Ländern, die ein solches Verbot nicht kennen, hatten
           gezeigt, daß die Gefahren, mit denen es begründet wurde, nicht
           bestanden oder anders abgewehrt werden konnten. Auch war die
           deutsche Praxis beim Verfahrensschutz einem Stoffschutz schon recht
           nahe gekommen, indem sie sogenannte Analogieverfahren, denen als
           solchen die Schutzfähigkeit gefehlt hätte, mit Rücksicht auf die
           Eigenschaft des neuen Stoffs patentierte, zu dem sie führten.“

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Historie in Deutschland und Europa

        Die Europäer kommen:

        § 3 Abs. 3 PatG (1978)
          „Neuheit“

           (3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird
           ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen,
           sofern sie zur Anwendung in einem der in § 5 Abs. 2 genannten
           Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren
           nicht zum Stand der Technik.

             Art. 54 EPÜ

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Historie in Deutschland und Europa

            Zweckgebundener Stoffschutz = 1. medizinische Indikation

        Begründung

           „Es wurde auf den Nutzen abgestellt, dass die weitere Forschung und
           Entwicklung neuer therapeutischer Anwendungen (auch von bereits
           bekannten Substanzen) von Interesse für die Medizin und die
           Volksgesundheit im Allgemeinen sei, denn ohne diesen Anreiz würde die
           Gefahr bestehen, dass die pharmazeutische Industrie überwiegend auf
           völlig neue Erzeugnisse konzentriere, deren Entwicklungskosten sehr
           hoch seien.“

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1. Medizinische Indikation

        Zuvor:

        Neuer chemischer Stoff als Arzneimittel
         Absoluter Stoffschutz

        Danach zusätzlich:

        Bekannter Stoff erstmals als Arzneimittel
          Zweckgebundener Stoffschutz für alle therapeutischen,
         diagnostischen und chirurgischen Verwendungen!

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2. Medizinische Indikation ?

        • Die erste medizinische Anwendungsmöglichkeit ist nicht
          immer die effektivste oder wirtschaftlich sinnvollste.

        • Es ist wünschenswert, dass an bereits bekannten
          medizinischen Stoffen weiter geforscht wird.

        • Anreiz: Patentschutz für eine zweite oder weitere
          medizinische Indikation

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2. Medizinische Indikation

        Lösung:

        • „Verwendung des Stoffes A zur Behandlung der Krankheit B.“

        • Kein Problem in Deutschland, BGH: „Hydropyridin“

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2. Medizinische Indikation

        Europa:

        • Anspruch auf die Verwendung eines Stoffes zur Behandlung
          einer Krankheit ist wesensgleich mit einem Verfahren zur
          therapeutischen Behandlung, welches nach Art. 52(4) EPÜ
          nicht gewerblich anwendbar ist.

        • Lösung (Große Beschwerdekammer EPA):
          Ein Anspruch, der auf die vorangegangene Herstellung des
          Arzneimittel gerichtet ist, da die Herstellung im gewerblichen
          Bereich stattfindet.

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2. Medizinische Indikation

        Lösung:

        • „Verwendung des Stoffes A zur Herstellung eines
          Arzneimittels zur Behandlung der Krankheit B.“

        • Schweizer Anspruch – swiss-type claim

        • Kritik: Man versucht durch „vage Konstruktionen“ einen
          eindeutigen Gesetzeswortlaut zu umgehen.

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2. Medizinische Indikation weltweit

           Trotz aller Kritik am Schweizer Anspruch, tritt er einen
           weltweiten Siegeszug an.

           Neben Europa (mit Ausnahme von FR und NL) wird er in
           folgenden Ländern voll anerkannt:

        • Kanada, Mexiko, Brasilien, Südafrika, ARIPO, OAPI, Indien,
          China, Japan, Australien, Neuseeland

        Behandlungsverfahren – method of treatment

        • USA, Russland

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2. Medizinische Indikation weltweit

        • Obwohl es in Australien und Neuseeland kein gesetzliches
          Verbot der Patentierung von Behandlungsverfahren gibt,
          entschied man sich für die Schweizer Anspruchsformulierung

        • Wachsender politischer Druck gegen die 2. medizinische
          Indikation (z.B. ist das brasilianische Gesundheitsministerium
          dagegen)

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2. Medizinische Indikation in EP - NEU

        Auflösung der „vagen Konstruktion“:

        • Art. 54(5) EPÜ 2000:

           Zweckgebundener Stoffanspruch auch für die zweite und
           weitere medizinische Indikationen.

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2. Medizinische Indikation in EP - NEU

        Formulierungen der 2. medizinischen Indikation:

        • Stoff A zur Behandlung der Krankheit X.

        • Stoff A zur Verwendung als Arzneimittel zur Behandlung von
          Krankheit X.

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2. Medizinische Indikation weltweit

        • Es bleibt abzuwarten, ob sich andere Staaten mit der EP-
          Ansatz anfreunden.

        • Was ist der praktische Unterschied zwischen der Schweizer
          Anspruchsformulierung und der 2. medizinischen Indikation
          gemäß EPÜ 2000? Auswirkung auf SPC?

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3. Medizinische Indikation ?

        Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 2/08

        • Schutz für eine andere therapeutische Behandlung derselben
          Krankheit ist möglich.

        • Dosierungsanleitung („einmal täglich vor dem
          Schlafengehen“) ist erlaubt, um sich von Stand der Technik
          abzugrenzen.

        • Die Schweizer Anspruchsformulierung ist tot.

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3. Medizinische Indikation ?

        Entscheidung des BGHs „Carvedilol II“

        • Dosierungsanleitung ist erlaubt, um sich von Stand der
          Technik abzugrenzen.

        • „Verwendung von Carvedilol zur Herstellung eines
          Medikaments zur Senkung der Mortalität aufgrund
          kongestiven Herzversagens … , wobei das Medikament mit
          einer Anfangsdosis von … , gefolgt von
          Dosierungssteigerungen … hergerichtet ist.“

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3. Medizinische Indikation ?

        Wie steht der Rest der Welt zu Dosierungsanleitungen in
        Patentansprüchen?

        Schweiz:                JA (Bundesgericht 4. März 2011)

        Frankreich:             NEIN (Tribunal de Grande Instance Paris
                                       28 Sept. 2010)

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Vielen Dank
                                   für
                          Ihre Aufmerksamkeit

                                  Wolfgang Bublak
                                bublak@bardehle.de

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