Zwischen Rekordhoch und Abschaffung: Die EEG-Umlage 2021 in Zeiten der Corona-Krise
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Zwischen Rekordhoch und Abschaffung: Die EEG-Umlage 2021 in Zeiten der Corona-Krise Kurzanalyse Fabian Hein 26. Mai 2020 Fabian.Hein@agora-energiewende.de Thorsten Lenck Thorsten.Lenck@agora-energiewende.de Dr. Patrick Graichen Patrick.Graichen@agora-energiewende.de
Agora Energiewende | Kurzanalyse zur Entwicklung der EEG-Umlage 2021 Liebe Leserin, lieber Leser, Und zum Dritten wird im Zuge der Diskussionen um eine Prognose der EEG-Umlage des kommenden die Wachstum- und Konjunkturprogramme auch Jahres wird üblicherweise im Laufe des Sommers er- eine grundlegende Reform, wenn nicht gar Abschaf- stellt, bis dann Mitte Oktober die Übertragungsnetz- fung der EEG-Umlage gefordert. betreiber die Umlage für das nächste Jahr veröffent- Diese Kurzanalyse geht auf diese drei Diskussionen lichen. ein und betrachtet dabei auch die Frage, welche Ge- Doch dieses Jahr ist hier vieles anders. Denn schon samteffekte dies auf die Haushaltsstrompreise ha- jetzt lässt sich sagen, dass das Krisenjahr 2020 auch ben wird. auf den Strommärkten und damit bei der EEG-Um- lage seine Spuren hinterlässt – was die EEG-Umlage Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre! erhöhen wird. Zudem steht die Umsetzung des Ihr Brennstoffemissionshandelsgesetzes an, wonach ein Dr. Patrick Graichen Teil der CO₂-Preiseinnahmen zur Senkung der EEG- Direktor Agora Energiewende Umlage verwendet werden soll. Die Ergebnisse auf einen Blick: Die EEG-Umlage wird 2021 von 6,8 Cent je Kilowattstunde auf ein Rekordhoch von etwa 8,6 Cent steigen, sofern der Gesetzgeber die Einnahmen aus dem höheren CO2- Preis nach dem novellierten Brennstoffemissionshandelsgesetz nicht zügig auf das 1 EEG-Konto weiterleitet. Die Hauptursache für den Anstieg bei der EEG-Umlage ist ein gesunkener Börsenstrompreise infolge des Preisverfalls bei Erdgas (+1,1 Cent) sowie des Einbruchs der Stromnachfrage durch die Corona-Krise (+0,7 Cent). Die Einnahmen aus dem erhöhten CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne ab 2021 können den Anstieg der EEG-Umlage 2021 auf 7,1 Cent je Kilowattstunde begrenzen. Das Bundeskabinett hat jüngst vorgeschlagen, den von 2021 an geltenden CO2-Preis auf Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas von 10 auf 25 Euro je Tonne zu erhöhen. Werden 2 die Mehreinnahmen entsprechend der Bund-Länder-Einigung im Vermittlungsaus- schuss vom Dezember 2019 komplett zur Senkung der EEG-Umlage eingesetzt, wird dadurch der Anstieg der Umlage um etwa 1,5 Cent pro Kilowattstunde gedämpft. Die eigentlich beabsichtigte Senkung der EEG-Umlage kann aber aufgrund der Corona- Effekte nicht erreicht werden. Im Rahmen des geplanten Corona-Konjunkturprogramms sollte die EEG-Umlage ei- nen Zuschuss von 5 Cent je Kilowattstunde aus dem Bundeshaushalt erhalten – und so im Jahr 2021 auf 3,6 Cent je Kilowattstunde halbiert werden. Diese Finanzspritze von rund 12 Milliarden Euro zuzüglich 1 Milliarde Mehrwertsteuer im Zuge eines Corona-Wachstumspakets würde kurzfristig die Stromrechnung entlasten und Kauf- 3 kraft in gleicher Größenordnung stärken. Sie könnte ab 2022 sukzessive durch die steigenden Einnahmen aus der CO2-Bepreisung abgelöst werden. Bei einer nochmali- gen Erhöhung des CO2-Preises wäre sogar die komplette Abschaffung der EEG-Um- lage denkbar – angesichts aktuell sehr niedriger Öl- und Gaspreise eine historische Chance. 2
Agora Energiewende | Kurzanalyse zur Entwicklung der EEG-Umlage 2021 1 Die zu erwartende EEG-Umlage Umlage erhöhende Tendenz. So ist der Termin- 2021 marktpreis für Stromlieferungen im nächsten Jahr bereits vor der Corona-Krise (Baseload, Stichtag 17. In den vergangenen sechs Jahren lag die EEG-Um- Februar 2020) um 10 Prozent unter den für 2020 lage zwischen sechs und sieben Cent pro Kilowatt- angesetzten Wert gefallen. stunde. In diesem Jahr beträgt die EEG-Umlage 6,756 Cent je Kilowattstunde und macht damit etwa Beide Preisentwicklungen, die bereits vor der ein Fünftel des Haushaltsstrompreises aus. Die für Corona-Krise aufgetreten sind, erhöhen die getätig- 2021 erwartete Steigerung der EEG-Umlage lässt ten beziehungsweise die voraussichtlichen Auszah- sich im Wesentlichen durch drei Effekte erklären. lungen an die EEG-Anlagenbetreiber aus dem EEG- Konto und damit die EEG-Umlage nach unseren Be- a. Niedrigere Gaspreise senken den Börsens- rechnungen um etwa 1,1 Cent je Kilowattstunde. trompreis (=1,1 ct/kWh Umlageanstieg) Seit der letzten EEG-Umlageprognose im Oktober b. Corona-Effekt (=0,7 ct/kWh Umlageanstieg) 2019 führte der allgemeine Preisverfall an den Ener- Zusätzlich zu dem Anstieg bedingt durch die allge- giemärkten für Kohle und besonders für Erdgas zu meinen Marktentwicklungen führt die Corona-Krise niedrigeren Stromerzeugungskosten. Große Teile der ebenfalls zu einer weiteren Erhöhung der EEG-Um- Steinkohlekraftwerke und sogar Teile der Braun- lage. kohlekraftwerke wurden durch den günstigen Erd- gaspreis bei stabilem CO2-Preis im europäischen Im Zuge des Corona-Kontaktverbots ist der Strom- Emissionshandel aus dem Markt gedrängt; in der verbrauch insgesamt deutlich gesunken – auch Folge ist der Strompreis gesunken. Der Abwärtstrend wenn sich der Stromverbrauch privater Haushalte hat sich Anfang 2020 noch einmal beschleunigt. Im durch die Kontaktbeschränkungen in Summe erhöht Januar und Februar 2020 ist der Börsenstrompreis haben dürfte. In unserer Prognose gehen wir von ei- am Spotmarkt im Mittel auf 28,70 Euro/Megawatt- nem um drei Prozent geringeren Stromverbrauch im stunde (€/MWh) gefallen und damit um rund 40 März, zehn Prozent niedriger im April und Mai so- Prozent gegenüber dem bei der offiziellen Prognose wie fünf Prozent Reduktion im Juni und Juli aus. In vorgegebenen Börsenstrompreis von 49,34 €/MWh. dem für die EEG-Umlageprognose relevanten Zeit- Mitte Februar, also bevor die Corona-Krise in Eu- raum bis zum 30. September 2020 beträgt der Rück- ropa begann, lagen die Terminmarktpreise für die gang des Stromverbrauchs damit rund vier Prozent. nächsten Monate des Jahres 2020 bei etwa Durch die geringere Anzahl verbrauchter Kilowatt- 33 €/MWh, und damit um ein Drittel niedriger als stunden sinken die Einnahmen aus den EEG-Umla- bei der EEG-Umlageprognose angesetzt. Der niedri- gezahlungen insgesamt ab. gere Börsenstrompreis führte zu höheren EEG-Kos- ten zu Beginn dieses Jahres. Die Stromnachfrage 2021 stellt eine weitere wich- tige Einflussgröße für die EEG-Umlage dar. Führt der Für die EEG-Umlage 2021 ist darüber hinaus der für Corona-Effekt zu einer Fortsetzung der Krise im Jahr 2021 zu erwartende Strompreis relevant. Dieser wird 2021 mit anhaltend geringer Stromnachfrage, müss- über den Börsenstrompreis am Terminmarkt ermit- ten die EEG-Kosten im nächsten Jahr auf eine klei- telt, wobei nach gesetzlichen Vorgaben die Preise des nere Grundgesamtheit verteilt werden, wodurch die Jahres-Futures von Mitte Juni bis Mitte September EEG-Umlage steigt. Rechnet man hingegen mit Er- 2020 hierfür herangezogen werden. Schätzt man den holungs- oder sogar Nachholeffekten unterstützt anzusetzenden Strompreis mit dem Terminmarkt- durch Konjunkturprogramme und einem damit ver- preis 2021 ab, ergibt sich ebenfalls eine die EEG- bundenen Anstieg der Stromnachfrage, würde 3
Agora Energiewende | Kurzanalyse zur Entwicklung der EEG-Umlage 2021 umgekehrt die EEG-Umlage 2021 sinken. Die Ent- Wirkungsweise von Börsenstrompreisen wicklung der Stromnachfrage 2021 ist derzeit nicht und der Nachfrage auf die EEG-Umlage seriös zu prognostizieren, weswegen wir in der vor- liegenden Analyse von einer durch die Corona-Krise EEG-Umlage und Börsenstrompreise sind kom- munizierende Röhren: Sinken die Börsenstrom- unveränderten Stromnachfrage 2021 ausgehen. preise, erhöht dies die EEG-Umlage – und umge- kehrt. Niedrigere Börsenstrompreise führen zu Zudem ist der Börsenstrompreis durch die Corona- niedrigeren Vermarktungserlösen für Strom aus bedingt niedrigere Stromnachfrage zusätzlich ge- EEG-Anlagen. Weil das EEG diese niedrigeren sunken. Im März betrug der durchschnittliche Erlöse ausgleicht, steigen die EEG-Kosten, die bis Strompreis am Spotmarkt 22,49 €/MWh und zum Start der nächsten Umlageperiode zum 17,09 €/MWh im April. Gegenüber dem bei der EEG- 1.1.2021 über das EEG-Konto bei den Übertra- Umlageprognose angesetzten Strompreis ist dies ein gungsnetzbetreibern abgerechnet werden. Rückgang um die Hälfte bis zwei Drittel. Die Einnahmen aus der EEG-Umlage, die Strom- verbraucherinnen und -verbraucher mit ihrer Bis zum relevanten Stichtag für die EEG-Umlage- Stromrechnung für jede verbrauchte Kilowatt- prognose 2021, dem 30. September 2020, gehen wir stunde Strom bezahlen, werden ebenfalls über von einem durch die Corona-Krise bedingt niedrige- das EEG-Umlagekonto verrechnet. Sinkt nun die ren durchschnittlichen Strompreis 2020 am kurz- Stromnachfrage, gehen auch die Einnahmen aus fristigen Spotmarkt von etwa 26,5 €/MWh aus. Die der EEG-Umlage zurück. Preise für die noch fehlenden Monate dieses Jahres Beide Effekte – die niedrigeren Börsenstrom- schätzen wir dabei mit Terminmarktpreisen ab preise und die niedrigere Stromnachfrage – wir- (Stichtag 15. Mai 2020). Der von uns angenommene ken sich belastend auf das EEG-Umlagekonto Börsenstrompreis liegt etwa 50 Prozent unter dem aus. Per Stichtag 30. September fließt dann der Strompreis, der für die diesjährige EEG-Umlage- Kontostand in die neue EEG-Umlageberechnung prognose anzusetzen war. ein, die am 15. Oktober für das nächste Kalender- jahr von den Übertragungsnetzbetreibern veröf- fentlicht wird. Die EEG-Umlage wird dann so Die Corona-Krise zeigt aber auch Auswirkungen auf berechnet, dass der Kontostand vom 30. Septem- den Strompreis für das nächste Jahr, der bereits an ber mit der EEG-Umlage im nächsten Jahr wie- den Großhandelsmärkten gehandelt wird. Der ent- der ausgeglichen wird. sprechende Jahres-Future wird aktuell nur noch auf einem Niveau von 35 €/MWh bis 40 €/MWh gehan- delt. Wir gehen von einer leichten Erholung aus und Hinweis zu dem bei der EEG-Umlage an- setzen 40 €/MWh in unserer Prognose an. Dieser zusetzenden Strompreis Wert liegt knapp 20 Prozent unter dem Strompreis, der für die diesjährige EEG-Umlage nach gesetzli- Der Strompreis, welcher der Prognose der EEG- Umlage zugrunde gelegt wird, ist nicht Bestand- chen Vorgaben angesetzt wurde. Ausschlaggebend teil einer eigentlichen Prognose. Vielmehr ist die für die EEG-Umlage 2021 ist der Durchschnittswert Ermittlung des anzusetzenden Strompreises im Zeitraum von Mitte Juni bis Mitte September durch gesetzliche Reglungen vorgegeben. Der 2020, sodass Aussagen zu dem in der EEG-Umlage anzusetzende Strompreis ist aus dem Mittelwert anzusetzenden Strompreis noch mit großen Unsi- der am Markt realisierten Tagesschlusskursen cherheiten behaftet sind. Ein geringerer Strompreis (Settlementpreis) des Strom-Terminkontraktes in der Prognose führt direkt zu einem höheren Wert (Baseload) für das nächste Jahr zu ermitteln. der EEG-Umlage. 4
Agora Energiewende | Kurzanalyse zur Entwicklung der EEG-Umlage 2021 Die sich abzeichnenden niedrigeren Strompreise in Vertreterinnen und Vertreter von Bundesrat und diesem sowie im nächsten Jahr zusammen mit der Bundestag vereinbart, den CO2-Preis im Jahr 2021 Corona-bedingt niedrigeren Stromnachfrage führen von 10 auf 25 Euro pro Tonne zu erhöhen, wobei die zu einem Corona-Effekt, der die EEG-Umlage 2021 zusätzlichen Einnahmen vollständig zur Senkung nach unserer Prognose um etwa 0,7 Cent je Kilo- der EEG-Umlage verwendet werden sollen. Die Bun- wattstunde erhöht. desregierung hat einen entsprechenden Geset- zesentwurf für Frühjahr 2020 angekündigt, diesen c. Teilrückzahlung über CO2-Preis: Senkung der jedoch bisher nicht vorgelegt. Die Umsetzung des Er- EEG-Umlage um 0,3 ct/kWh oder 1,5 ct/kWh gebnisses des Vermittlungsausschusses wird die ab 2021 EEG-Umlage in Höhe von etwa 1,5 Cent pro Kilo- Von 2021 an wird im Rahmen des Brennstoffemissi- wattstunde entlasten. onshandelsgesetzes (BEHG) auf Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas ein CO2-Preis erhoben. Die Ein- Die Teilrückzahlung aus dem zukünftigen CO2-Preis nahmen daraus sollen – zumindest teilweise – in kann die EEG-Umlageerhöhung, die von allgemeinen Form einer Senkung der EEG-Umlage an die Strom- Entwicklungen am Energiemarkt und von der verbraucher zurückgegeben werden. Die Senkung Corona-Krise verursacht wird, nicht vollständig der hohen Abgaben- und Umlagelast auf Strom dient kompensieren. Unter der Annahme eines Termin- zum einen einer sozial gerechten Rückverteilung, marktpreises für 2021 von 40 €/MWh, einem weil der Stromverbrauch nur geringfügig mit dem durchschnittlichen Spotmarktpreis 2020 bis zum Haushaltseinkommen steigt und so einkommens- Stichtag der EEG-Umlageprognose am 30. Septem- schwache Haushalte anteilig zum verfügbaren Net- ber in Höhe von 26,5 €/MWh (Terminmarktpreise toeinkommen stärker entlastet werden.1 Zum ande- mit Stichtag 15. Mai 2020) und einer geringeren ren ist die Senkung der Abgaben und Umlagen auf Nachfrage durch Corona-Effekte in Höhe von drei Strom essenziell für die Sektorenkopplung, weil Prozent im März, zehn Prozent Rückgang im April Strom aktuell überproportional stark gegenüber an- und Mai sowie fünf Prozent im Juni und Juli, ergibt deren klimaschädigenden Energieträgern belastet ist sich eine EEG-Umlage im Basisszenario von 7,1 Cent und nur mit einer Senkung dieser Belastung des pro Kilowattstunde (Abbildung 1) und damit ein An- Strompreises effiziente und klimafreundliche stieg von rund fünf Prozent. Für einen Haushalt mit strombasierte Technologien bei Industrie, Wärme einem Stromverbrauch von 3.000 Kilowattstunden und Verkehr wettbewerbsfähig werden. Diese Rück- bedeutet die voraussichtliche Erhöhung der EEG- verteilung fällt in jedem Jahr abhängig von den Umlage Mehrkosten im Jahr 2021 von mehr als 12 BEHG-Einnahmen unterschiedlich stark aus. Euro inklusive Mehrwertsteuer. Dem ursprünglichen Beschluss der Bundesregierung Wird, wie teilweise gefordert, das Ergebnis des Ver- vom September 2019 gemäß sollten im Jahr 2021 mittlungsausschusses zum höheren CO2-Preis im etwa 900 Millionen Euro der Einnahmen aus dem BEHG jetzt doch nicht umgesetzt, dann steigt die BEHG in die Senkung der EEG-Umlage fließen. Dies EEG-Umlage 2021 sehr deutlich an, und zwar auf entspricht einer Verringerung von etwa 0,3 Cent je den Rekordwert von 8,3 Cent je Kilowattstunde. Kilowattstunde. Bei den Verhandlungen im Vermitt- Grund: Dann kämen die Entlastungen, die aus der lungsausschuss im Dezember 2019 haben CO2-Bepreisung für die EEG-Umlage vorgesehen 1 Vgl. Agora Verkehrswende/Agora Energiewende (2019): Kli- maschutz auf Kurs bringen. Wie eine CO2-Bepreisung sozial ausgewogen wirkt. 5
Agora Energiewende | Kurzanalyse zur Entwicklung der EEG-Umlage 2021 Tabelle 1: Durchschnittliche Börsenstrompreise für Stromlieferungen im Jahre 2020 und 2021 bei einer Beschaffung ein und zwei Jahre im Voraus sowie resultierende Preisveränderung in ct/kWh Durchschnittsbeschaffung Durchschnittsbeschaffung Stromlieferung* 1 Jahr im Voraus 2 Jahre im Voraus für das Jahr 2020 4,8 4,5 für das Jahr 2021 3,7 4,2 Veränderung 2021 zu 2020 -1,1 -0,3 * Vereinfachend wird von einer Bandlieferung (Baseload) ausgegangen. ** konstante Fortschreibung des letzten betrachteten Schlusskurses vom 7. Mai 2020 bis Jahresende 2020 Agora Energiewende (2020). waren, nur in sehr begrenztem Umfang (900 Millio- 2 Strompreissenkungen werden nen Euro statt rund fünf Milliarden Euro), sodass der den Anstieg der EEG-Umlage gesunkene Gaspreis und die Corona-Effekte voll nicht ausgleichen durchschlagen. In den Stromrechnungen für Verbraucherinnen und Verbraucher sind beide Preisbestandteile enthalten: Abbildung 1: Entwicklung der EEG-Umlage im Basisszenario KSP: Klimaschutzprogramm 2030, VA: Vermittlungsausschuss. Quelle: Eigene Berechnung auf Basis des EEG-Rechners (2020). 6
Agora Energiewende | Kurzanalyse zur Entwicklung der EEG-Umlage 2021 die EEG-Umlage und der Großhandelspreis. Ob die gesenkt werden, bei einer Beschaffung von nur ei- derzeit niedrigen Strompreise im Großhandel jedoch nem Jahr im Voraus sogar noch stärker, nämlich um an die Stromkunden weitergegeben werden und ob 1,1 Cent je Kilowattstunde. Da die von uns prognosti- sie so die steigende EEG-Umlage kompensieren zierte EEG-Umlageerhöhung 2021 bei 0,3 Cent je Ki- können, hängt im Wesentlichen von zwei Dingen ab: lowattstunde (von rund 6,8 auf 7,1 Cent je Kilowatt- stunde) liegt, würde sich ein Gesamteffekt von 1. Die Stromvertriebe müssten die aktuelle Strompreis und EEG-Umlage von +0,1 bis -0,8 Cent Preissenkung an ihre Kundinnen und Kun- je Kilowattstunde ergeben. Die geplante BEHG-EEG- den weitergeben. Tun dies nur manche, Umlageabsenkung würde also im günstigsten Fall müssten Kunden und Kundinnen aktiv in (kurzfristige Beschaffungsstrategie und volle Wei- einen Wettbewerbstarif (beim gleichen oder tergabe der Preissenkung an Kundinnen und Kund- einem anderen Stromanbieter) wechseln, bei en) halbiert oder im ungünstigen Fall ganz wegfallen. dem die Preissenkung weitergegeben wird. Da gerade Verbraucherinnen und Verbrau- Berücksichtigt man darüber hinaus einen Anstieg cher mit schlechter Bonität häufig an den der Netzentgelte wie zuletzt von 0,4 Cent je Kilo- Grundversorger gebunden sind, sind sie da- wattstunde ergibt sich in Summe für Stromverbrau- rauf angewiesen, dass der Grundversorger cherinnen und -verbraucher eine Bandbreite von gesunkene Einstandspreise an sie weiterlei- einer Belastung der Stromrechnung von 0,6 Cent je tet. Kilowattstunde bis hin zu einer Entlastung von 2. Von der Strombeschaffungsstrategie des knapp 0,5 Cent je Kilowattstunde inklusive Mehr- Stromanbieters hängt ab, welchen Preis der wertsteuer. Auf einen Jahresstromverbrauch von Stromanbieter selbst an den Großhandels- 3.000 Kilowattstunden hochgerechnet ergibt sich märkten erzielen konnte, den er dann an eine Mehrbelastung von rund 18 beziehungsweise seine Kundinnen und Kunden weitergeben eine Entlastung von rund 15 Euro pro Jahr. kann. Zwei typische Beschaffungsstrategien von Strom- 3 Aktuelle Reformvorschläge für die vertrieben haben wir analysiert, die eine gute EEG-Umlage als Teil eines Wachs- Bandbreite einer Vielzahl von Beschaffungsstrate- tums- und Konjunkturprogramms gien darstellen sollten, nämlich die Beschaffung im Jahr vor dem Lieferjahr und die Beschaffung zwei Aktuell wird von vielen Seiten diskutiert die EEG- Jahre im Voraus an den Terminmärkten. Die Be- Umlage als Teil eines Wachstum- und Konjunktur- schaffung an den Terminmärkten soll das Risiko programms deutlich zu reduzieren oder sogar ganz kurzfristig starker Strompreisschwankungen mini- abzuschaffen. So hat etwa die Energieministerkon- mieren. ferenz am 4. Mai 2020 gefordert, zur Entlastung pri- Vereinfachend haben wir eine Bandbeschaffung, vater Haushalte, des Mittelstandes und der nichtpri- also eine konstante Stromlieferung über das Jahr un- vilegierten Industrie die EEG-Umlage 2021 „spürbar terstellt. Tabelle 1 zeigt dabei die resultierenden abzusenken“, der FDP-Wirtschaftsminister Nord- durchschnittlichen Beschaffungskosten an den Ter- rhein-Westfalens, Prof. Andreas Pinkwart, – zu- minmärkten für die jeweilige Strategie. gleich aktueller Vorsitzender der Energieminister- konferenz – konkretisiert dies mit einer Absenkung Mit dem Jahreswechsel 2020 zu 2021 könnte der auf 2 Cent je Kilowattstunde. Auch ein Autorenpa- Strompreis bei einer Beschaffung von zwei Jahren pier namhafter SPD-Energiepolitiker vom 14. Mai im Voraus also um 0,2 Cent je Kilowattstunde 2020 („Leitlinien einer sozialdemokratischen 7
Agora Energiewende | Kurzanalyse zur Entwicklung der EEG-Umlage 2021 Industrie- und Klimapolitik“) fordert aktuell einen Booster“2 ist es, die für 2021 vorgesehene Entlastung Umbau des Steuer- und Umlagesystems („z.B. durch der EEG-Umlage aus Bundesmitteln von etwa 1,5 auf einen Streckungsfonds zur Absenkung der EEG-Um- 5 Cent je Kilowattstunde zu verdreifachen (Abbil- lage“), und der bayerische Ministerpräsident Markus dung 2) – mit dreifachem Effekt: Söder hatte bereits im März 2020 gefordert, die „EEG-Umlage grundlegend und radikal zu senken“. 1. Der drohende Anstieg der EEG-Umlage wird Der wissenschaftliche Leiter der Stiftung Umwelte- verhindert; die EEG-Umlage im kommen- nergierecht, Thorsten Müller, ist am 14. Mai 2020 in den Jahr wird auf etwa 3,6 Cent pro Kilo- einem Namensbeitrag noch weiter gegangen und wattstunde halbiert und die Stromrechnun- diskutiert unter dem Titel „Senkung der EEG-Um- gen der Stromverbraucherinnen und - lage: Warum nicht auf null?“ die vollständige Ab- verbraucher sinken effektiv, wodurch zu- schaffung der EEG-Umlage. sätzliche Kaufkraft in Höhe von etwa 12 Milliarden Euro zuzüglich rund 1 Milliarde Agora Energiewende hat sich mit einem eigenen Euro durch den Mehrwertsteuereffekt ent- Vorschlag in diese Diskussion eingebracht. Zentraler steht, um die Konjunktur anzukurbeln. Bestandteil des Agora-Impulses „Der Doppelte Abbildung 2: Agora-Vorschlag zur Absenkung der EEG-Umlage: Der „Doppelte Booster“ * Rückzahlungen sind beschlossen, jedoch noch nicht gesetzlich verankert. ** Absenkung der EEG-Umlage könnte auf 01.07.2020 vorgezogen werden. Quelle: Eigene Berechnung. 2 Vgl. Agora Energiewende/Agora Verkehrswende (2020): Der Doppelte Booster. Vorschlag für ein zielgerichtetes 100-Mil- liarden-Wachstums- und Investitionsprogramm. 8
Agora Energiewende | Kurzanalyse zur Entwicklung der EEG-Umlage 2021 2. Gleichzeitig würden dadurch strombasierte Gerade angesichts der im Frühjahr 2020 sehr nied- Technologien wirtschaftlicher und neue auf rigen Öl- und Gaspreise würde dies für die Verbrau- Flexibilisierung basierende Geschäftsmo- cherinnen und Verbraucher lediglich bedeuten, dass delle attraktiver, wodurch ein zusätzlicher bei Heizöl, Erdgas, Diesel und Benzin die Vor- Impuls für Investitionen, Digitalisierung Corona-Preise wieder gelten. und Innovation und letztlich für Arbeits- plätze und Exportchancen über die Energie- wirtschaft hinaus ausgelöst würde. 4 Fazit 3. Gerade in der Corona-Krise sind durch die niedrigere Stromnachfrage vermehrt Stun- Die EEG-Umlage, die heute 6,8 Cent je Kilowatt- den mit negativen Strompreisen aufgetre- stunde beträgt, wird im Jahr 2021 ten. Dabei hätten wenige 1.000 Megawatt zusätzlicher Stromnachfrage zu niedrigen a) auf ein Rekordhoch von etwa 8,6 Cent je Ki- Preisen genügt, um die Strompreise ins Po- lowattstunde steigen, wenn an der gelten- sitive zu drehen. Jedoch verhindern derzeit den Rechtslage nichts geändert wird, die hohen Abgaben und Umlagen auf Strom, b) auf etwa 7,1 Cent je Kilowattstunde steigen, dass die Stromverbraucherinnen und -ver- wenn der Bundestag das Ergebnis des Ver- braucher die negativen Strompreise an der mittlungsausschusses vom Dezember 2019 Börse direkt zu spüren bekommen. Die Ver- zügig umsetzt, d.h. den CO2-Preis im BEHG ringerung der EEG-Umlage würde nun zur ab 2021 auf 25 Euro pro Tonne erhöht und wirtschaftlichen Mobilisierung der tech- die Mehreinnahmen komplett zur Senkung nisch bereits in vielen Industrieunterneh- der EEG-Umlage eingesetzt werden, men verfügbaren Flexibilität auf der Ver- c) auf etwa 3,6 Cent je Kilowattstunde sinken, brauchsseite führen.3 Dies würde auch den wenn – wie von Agora Energiewende vor- Stromerzeugern helfen, da die vermehrt geschlagen – substanzielle Haushaltsmittel auftretenden Stunden mit negativen Strom- als Teil des Wachstums- und Konjunktur- preisen für alle Produzenten – gerade auch pakets zur Senkung der EEG-Umlage 2021 für die Erneuerbaren-Energien-Anlagen- eingesetzt werden, betreiber ein erhebliches Erlösrisiko dar- d) ganz abgeschafft, falls im Zuge der Corona- stellen. Krisen-Antwort eine fundamentale Reform der Steuern, Abgaben und Umlagen verein- Als Konjunkturimpuls sollte eine EEG-Umlagesen- bart wird, die vollständig auf eine Logik der kung im Jahr 2021 – oder sogar gegebenenfalls noch CO2-Vermeidung abzielt. im zweiten Halbjahr 2020 – aus Haushaltsmitteln finanziert werden. Ab dem Jahr 2022 müsste sie je- Demgegenüber steht zu erwarten, dass die Beschaf- doch gegenfinanziert werden, um nicht dauerhaft fungskosten der Stromvertriebe um 0,2 bis 1,1 Cent den Bundeshaushalt zu belasten. Hier bietet es sich je Kilowattstunde sinken und die Netzentgelte wie- an, den CO2-Preis im Brennstoffemissionshandels- der leicht steigen werden (+0,4 Cent je Kilowatt- gesetz auf etwa 50 Euro pro Tonne CO2 anzuheben. stunde). Als Folge dürften die Haushaltsstrompreise 3 Eine zusätzliche Beseitigung der Flexibilitätshemmnisse bei vereinfachen) würde die Flexibilisierung weiter vereinfachen den Netzentgelten (u. a. Lockerung der 7.000 Stunden-Rege- und mit wenigen rechtlichen Änderungen wesentlich Moder- lung nach § 19 Absatz 2 Satz 2 ff. StromNEV, Stoppen der nisierungsschritte bei den Netzentgelten vornehmen. Vgl. Zahlung vermiedener Netzentgelte nach § 18 StromNEV auch Agora Energiewende/RAP (2019): Netzentgelte 2019 – Zeit für für fossile Erzeugung, Zugang für die Bereitstellung von Fle- Reformen. xibilität für die Netze nach 19 Absatz 2 Satz 1 Strom-NEV 9
Agora Energiewende | Kurzanalyse zur Entwicklung der EEG-Umlage 2021 a) im Szenario „Status Quo“ um etwa 2 Cent je Kilowattstunde (inklusive Mehrwertsteuer) steigen b) im Szenario „Umsetzung Vermittlungsaus- schuss“ etwa konstant bleiben, c) im Szenario „Doppelter Booster“ um etwa 4 Cent je Kilowattstunde (inklusive Mehr- wertsteuer) sinken d) im Szenario „Abschaffung“ um etwa 8 Cent je Kilowattstunde (inklusive Mehrwert- steuer) sinken. Welches der Szenarien Anfang 2021 tatsächlich ein- tritt, ist derzeit noch nicht absehbar. Aus energiepo- litischer Sicht wäre es dringend erforderlich, jetzt als Antwort auf die Corona-Wirtschaftskrise auch energiepolitisch mutige Schritte zu gehen und die EEG-Umlage deutlich abzusenken. 10
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