Ein Jahr Corona-Pandemie - Dynamisches, soziales Krisenmonitoring für den Zeitraum - Hannover.de
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Ein Jahr Corona-Pandemie Dynamisches, soziales Krisenmonitoring für den Zeitraum März 2020 bis März 2021 Foto von luise / pixelio 1
Einführung Mit der Informationsdrucksache 1302/2020 wurde den Ratsgremien der Landeshauptstadt Hannover im Juni 2020 erstmals das dynamische, soziale Krisenmonitoring vorgestellt. Das Monitoring beobachtet seither – beginnend ab Anfang 2020 bzw. ab dem Beobachtungsmonat März 2020 - monatlich die sich wandelnde soziale Lage der Bevölkerung in Hannover auf der Basis eines fortschreibbaren Indikatoren- sets als Grundlage für Planung und Steuerung. Näheres zur Auswahl der Indikatoren, ihrer „Dynamik“, zu Möglichkeiten der kleinräumigen Abbildung, zur Aktualität und Genauigkeit und ihrer Darstellbarkeit nach Geschlechtern, siehe unter Grundlagen und Basisinformation auf Seite 13. Inhalt A. Kurzarbeit ……………………………………………………………………….………….3 B. Arbeitslosigkeit……………………………………….………………………….……….…4 C. Leistungen nach dem SGB II und SGB XII…………………………………….………….…6 D. Wohngeld……………………………………………………………………….… ….……8 E. Schulden und Verbraucherinsolvenzen………………………………………….………...…9 F. Kinderzuschlag (KIZ) und „Notfall-KIZ“ ……………………………………….………...…10 G. Auswirkungen auf den Mietwohnungsmarkt………………………………….………….…11 Grundlagen und Basisinformation zum sozialen, dynamischen Krisenmonitoring……………13 2
A. Kurzarbeit Durch Kurzarbeit sollen Arbeitslosigkeit vermieden und Arbeitsplätze erhalten werden. Der Indikator zeigt, wie viele Betriebe und Personen wirtschaftliche Einbußen verzeichnen, die zu einer finanziellen und sozialen Notlage führen können. Methodik – Was wird dargestellt? Angezeigte Kurzarbeit: Betriebe müssen vor Beginn der Kurzarbeit eine Anzeige erstatten. Statistische Daten zu eingegangenen Anzeigen beinhalten die Angaben eines Betriebes mit der Anzahl der von Kurz- arbeit voraussichtlich betroffenen Personen und stehen im Folgemonat zur Verfügung. Erst seit Oktober 2020 kann die Statistik der realisierten Kurzarbeit für den Pandemiezeitraum in das Monitoring einbezogen werden. Sie basiert auf Angaben in Abrechnungslisten zu den Anträgen auf Kurz- arbeitergeld. Angezeigte Kurzarbeit in der Region Hannover 124.605 35.000 120.000 gestaucht 30.000 25.000 50.000 43.980 20.000 15.424 15.230 15.000 10.309 Anzahl 8.295 7.603 10.000 6.688 4.585 3.692 2.589 2.653 2.059 2.916 5.000 134 24 195 927 462 206 142 807 99 118 973 795 1.335 948 320 13 0 Jan 20 Feb 20 Mrz 20 Apr 20 Mai 20 Juni 20 Juli 20 Aug 20 Sept 20 Okt 20 Nov. 20 Dez. 20 Jan 21 Feb. 21 März 21 Anzeigen von Betrieben Personen in Anzeigen Quelle: Bundesagentur für Arbeit Realiserte Kurzarbeit in der Region Hannover 120.000 103.567 93.526 100.000 70.755 80.000 Anzahl 50.579 51.718 60.000 40.408 35.367 40.000 944 1.420 20.000 4.856 8.643 7.569 5.813 4.731 4.084 3.687 37 40 0 Jan 20 Feb 20 Mrz 20 Apr 20 Mai 20 Jun 20 Jul 20 Aug 20 Sep 20 Betriebe Personen Quelle: Bundesagentur für Arbeit Zusammenfassung Angezeigte Kurzarbeit in der Region Hannover ist im Frühjahr 2020 in Zeiten des ersten Lockdowns mas- siv und sprunghaft angestiegen. Dies gilt sowohl für die Anzahl der Betriebe, die Kurzarbeit angezeigt haben, als auch für die voraussichtlich von Kurzarbeit betroffenen Personen. In den Monaten ab Mai 2020 ist die Anzahl der Betriebe und Personen im Zuge des „Restarts“ unter das Niveau im März gesun- ken. Im November 2020 und Januar 2021 stieg die Zahl der Betriebe und die Zahl der Personen im Zuge des zweiten Lockdowns temporär, aber deutlich an, um sich seither auf hohem Niveau einzupendeln. Die realisierte Kurzarbeit vollzog im Frühjahr 2020 einen sprunghaften Anstieg. Seit Mai 2020 sinken die Anzahl der Betriebe und Personen mit realisierter Kurzarbeit, liegen aber weiterhin auf hohem Niveau. 3
B. Arbeitslosigkeit Arbeitslosigkeit bedeutet Einbußen beim Einkommen und den Konsummöglichkeiten und kann, wenn sie länger andauert, zum Verlust sozialer Kontakte, Selbstwert und sozialer Akzeptanz führen. Phasen glo- baler Finanz- und Wirtschaftskrisen führten schon in früheren Jahren zu teils langanhaltender Arbeitslo- sigkeit, weit über die Dauer der eigentlichen Krise hinaus (z.B. Finanzkrise). Methodik – Was wird dargestellt? Arbeitslos sind Personen, die vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, eine versi- cherungspflichtige Beschäftigung suchen und dabei der Vermittlung durch die Agentur für Arbeit zu Ver- fügung stehen und sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben. Wer arbeitslos wird, erhält in der Regel Arbeitslosengeld (ALG I nach dem SGB III). Sollte dieses auf- grund eines geringen vorherigen Einkommens nicht existenzsichernd sein, erhalten Arbeitslose ergän- zend Leistungen nach dem SGB II (ALG II, „Hartz IV“). Dieses gilt auch, wenn die Arbeitslosigkeit bereits so lange dauert, dass nach persönlichen Voraussetzungen kein ALG I mehr gezahlt wird. Arbeitslose im Rechtskreis des SGB II sind damit in einer besonders prekären sozialen Lage. Für die Landeshauptstadt Hannover lassen sich Entwicklungen anhand von monatlichen Arbeitslosen- zahlen darstellen. Darüber hinaus sind differenzierte Angaben zur Zugehörigkeit der Regelkreise SGB II und SGB III, nach Geschlecht, Alter und Nationalität verfügbar. Arbeitslose in der Stadt Hannover 9,5 9,7 9,9 9,6 9,4 9,2 9,2 9,7 9,8 9,6 35.000 8,8 9,2 10,0 8,0 7,9 7,8 Quote Erwerbspersonen 30.000 8,0 25.000 20.000 6,0 Anzahl 30.058 29.648 29.586 29.468 29.296 29.287 28.859 28.542 15.000 Steigerung 28.090 27.898 27.833 26.227 4,0 23.829 23.739 23.418 10.000 Mrz. 20 – Mrz. 21 2,0 5.000 0 0,0 25,1 % Jan 20 Mrz 20 Mai 20 Jul 20 Sep 20 Nov 20 Jan 21 Mrz 21 absolut Quote bez. auf alle Erwerbspersonen Arbeitslose in der Stadt Hannover nach Rechtskreisen 25.000 19.750 20.265 20.360 20.435 20.273 19.968 19.578 19.880 20.453 20.886 20.886 Steigerung 18.666 20.000 17.717 17.524 17.283 Mrz. 20 – Mrz. 21 15.000 Anzahl SGB III 33,6 % 9.623 9.014 8.594 9.226 8.574 8.255 8.210 9.015 8.762 8.762 10.000 7.561 8.148 6.112 6.215 6.135 5.000 22,1 % SGB II - Jan 20 Mrz 20 Mai 20 Jul 20 Sep 20 Nov 20 Jan 21 Mrz 21 Rechtskreis Arbeitslose in der SGB III nach Nationalität, Stadt Hannover RechtskreisAlter SGB II und Geschlecht 4
Arbeitslose insg. in der Stadt Hannover: Deutsche - Ausländer*innen 20.000 15.000 Anzahl 10.000 17.638 17.511 17.501 17.317 17.127 17.069 16.917 16.663 16.623 16.529 16.300 15.669 13.975 12.300 12.160 12.108 12.056 12.021 11.850 11.836 11.774 11.424 11.351 11.262 10.458 9.348 5.000 Steigerung - Mrz. 20 – Mrz. 21 Mrz 20 Mai 20 Jul 20 Sep 20 Nov 20 Jan 21 Mrz 21 Ausländer*innen Deutsche Ausländer*innen 29,0 % U 25 - 55 plus Deutsche 6.000 5.000 22,6 % 4.000 55plus Anzahl 3.000 5.280 5.240 5.213 4.937 4.893 4.837 4.837 4.801 4.764 4.707 4.612 4.425 4.125 2.000 3.150 3.004 2.938 2.785 26,4 % 2.689 2.684 2.656 2.059 2.376 2.500 2.467 2.585 2.540 1.000 - U25 Mrz 20 Mai 20 Jul 20 Sep 20 Nov 20 Jan 21 Mrz 21 U 25 55 plus 23,4 % Frauen Männer - Frauen 26,6 % 20.000 15.000 Männer Anzahl 10.000 17.114 17.082 16.983 16.907 16.776 16.749 16.563 16.278 16.156 16.047 15.894 15.063 24,0 % 13.528 12.944 12.679 12.565 12.538 12.519 12.485 12.296 12.264 11.939 11.934 11.851 11.164 9.890 5.000 - Mrz 20 Mai 20 Jul 20 Sep 20 Nov 20 Jan 21 Mrz 21 Männer Frauen Zusammenfassung In der Stadt Hannover waren die Zahl der Arbeitslosen und deren Quote an den Erwerbspersonen zu Beginn des Jahres 2020 leicht rückläufig. Von März 2020 bis März 2021 erfolgte ein Anstieg der Arbeits- losigkeit von insgesamt 25,1 Prozent. In der Stadt Hannover basiert die Steigerung von März 2020 bis Februar 2021 primär auf der Zunahme von Arbeitslosen mit ALG I im Rechtskreis des SGB III von plus 33,6 Prozent, weniger durch die Zunahme von Arbeitslosen im SGB II (plus 22,1 Prozent). Der Anstieg der Arbeitslosigkeit trifft Frauen etwas häu- figer als Männer und Ausländer*innen deutlich häufiger als Deutsche. Zu Beginn der Pandemie waren besonders hohe Steigerungsraten in der Gruppe der unter 25-Jährigen zu verzeichnen. Seitdem ist deren Steigerung mit einigen Schwankungen nahe am Durchschnitt, aktuell 23,4 Prozent. Dies gilt auch für die 55-Jährigen und älteren (plus 26,4 Prozent). 5
C. Leistungen nach dem SGB II und SGB XII Das Sozialstaatsprinzip garantiert Menschen, dass im Fall einer längeren Zeit ohne Erwerbstätigkeit oder bei Erwerbsunfähigkeit für das Existenzminimum gesorgt ist. Dieses meint, dass die Wohnung bezahlt wird und das Existenzminimum dessen, was zum täglichen Leben gehört. Abhängig davon, ob jemand bei Hilfebedürftigkeit erwerbsfähig ist oder nicht, besteht Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV“) oder nach dem SGB XII (hier: Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung). Methodik - Was wird dargestellt? Für die Landeshauptstadt Hannover stehen SGB II-Daten mit einer zeitlichen Verzögerung von ungefähr vier Monaten zur Verfügung. Aktuell kann bis auf den Monat November 2020 zurückgeblickt werden. Für die Region Hannover insgesamt werden Daten der Bundesagentur für Arbeit monatsaktuell veröffent- licht. Leistungen nach dem SGB XII (hier: Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) werden durch die Landeshauptstadt Hannover gewährt und ausgezahlt. Jeweils zum Monatsende ist bekannt, um wie viele Personen es sich handelt. Bis zur Veröffentlichung mit einem ti- melag von rund vier Monaten sind diese Daten als vorläufig zu betrachten. SGB II-Empfänger*innen in der Region Hannover 122.000 120.000 Entwicklung Mrz. 20 bis Mrz. 21 118.000 3,2 % 116.000 Anzahl 121.277 121.072 120.992 120.562 119.220 119.100 114.000 118.693 118.180 117.490 117.217 116.999 116.833 115.007 112.000 113.524 113.442 110.000 108.000 Jan 20 Mrz 20 Mai 20 Jul 20 Sep 20 Nov 20 Jan 21 Mrz 21 SGB II-Empfänger*innen* in der Stadt Hannover 70.000 69.000 68.000 Entwicklung 67.000 März –Nov. 2020 Anzahl 66.000 69.163 68.944 68.943 2,1 % 68.508 67.914 67.751 65.000 66.866 66.746 64.000 65.391 64.531 64.398 63.000 62.000 Jan 20 Feb 20 Mrz 20 Apr 20 Mai 20 Jun 20 Jul 20 Aug 20 Sep 20 Okt 20 Nov 20 6
SGB XII - Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in der Stadt Hannover 13.600 Entwicklung Mrz. 20 bis Mrz. 21 13.400 Anzahl -0,1 % 13.539 13.524 13.510 13.509 13.494 13.493 13.464 13.447 13.439 13.432 13.432 13.200 13362 13.329 13.329 13.305 13.000 Jan 20 Mrz 20 Mai 20 Jul 20 Sep 20 Nov 20 Jan 21 Mrz 21 Quelle: Landeshauptstadt Hannover, Fachbereich Soziales Zusammenfassung Für die Stadt Hannover liegen Daten der SGB II-Empfänger*innen im Pandemiezeitraum bis November 2020 vor. Von März bis November 2020 wurde ein Anstieg um 1.355 Personen (+2,1 Prozent) verzeich- net. Erfreulicherweise sinken die Fallzahlen seit Juni, liegen aber noch sehr deutlich über dem Niveau, das vor der Pandemie gemessen wurde. Die Anzahl der SGB XII Empfänger*innen in der Stadt Hannover stieg im März, dem Beginn des Lock- downs, um 110 Personen an, erreichte im Juni mit 13.539 Personen ein vorläufiges Maximum, um bis März 2021 mit leichten Schwankungen auf 13.432 zu sinken. Im März 2020 war in der Region Hannover bereits ein Anstieg der Empfänger*innen von SGB II-Leistun- gen von 1.565 Personen und im April von 4.213 Personen zu verzeichnen. Seit Juli sank die Anzahl der SGB II-Empfänger*innen wieder, um im März 2021 wegen des erneuten Lockdowns wieder auf 118.693 anzusteigen. 7
D. Wohngeld Wohngeld ist nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) ein staatlicher Zuschuss für Mieter*innen von Wohn- raum sowie Eigentümer*innen selbst genutzten Wohnraums. Wohngeld wird an Personen gezahlt, die keine Transferleistungen, wie z. B. Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter und bei Er- werbsminderung, beziehen. Ziel des Wohngeldes ist es, einkommensschwachen Haushalten, deren Le- bensunterhalt durch eigene Mittel bestritten wird, bei der Finanzierung ihrer Wohnkosten zu unterstüt- zen, ohne dazu weitergehende soziale Leistungen in Anspruch nehmen zu müssen. Methodik - Was wird dargestellt Wohngeldempfänger*innen: Wohngeld wird durch die Landeshauptstadt Hannover gewährt und ausge- zahlt. Dargestellt werden Wohngeldzahlungen des jeweils laufenden Monats. Wohngeldempfänger*innen in der Stadt Hannover 5.500 Steigerung 5.000 Mrz. 20 - Mrz. 21 4.500 11,2 % Anzahl 5.358 5.181 5.176 5.165 5.097 5.039 4.983 4.979 4.958 4.000 4.923 4.776 4.594 4.480 4.310 4.201 3.500 3.909 3.000 Dez. 19 Feb. 20 Apr. 20 Jun. 20 Aug. 20 Okt. 20 Dez. 20 Feb. 21 Zusammenfassung Seit Januar 2020 steigt die Anzahl der Wohngeldempfänger*innen in der Stadt Hannover an. Nach Kenntnis des zuständigen Bereichs ist dies auf die Wohngeldreform vom 01.01.2020 zurückzuführen. Mehr Haushalte haben seitdem Anspruch auf Wohngeld. Die Steigerung der Antragszahlen ab März 2020 sind nach Kenntnis der Sachbearbeitung auf coronabedingte Einkommensausfälle (z.B. Kurzarbeit, ALG I und Einkommensausfälle Studierender) zurückzuführen. Im Dezember 2020 ist im Vergleich zum Vor- monat ein deutlicher Anstieg festzustellen. Auch in den Vorjahren wurden für diesen Monat Steigerungen festgestellt, diese fielen aber wesentlich geringer aus. Die aktuelle Steigerung ist damit vermutlich auf die Corona-Pandemie zurückzuführen. Im Januar 2021 fällt die Anzahl der Empfänger*innen deutlich unter das Vormonatsniveau und bleibt auch im Februar und März 2021 auf diesem Niveau. 8
E. Schulden und Verbraucherinsolvenzen Die Coronakrise führt unter Umständen dazu, dass Einkommen ausfallen und Vermögen aufgebraucht werden müssen. Schnell entstehen in solchen Situationen Schulden. Grundsätzlich ist das Risiko, sich zu verschulden oder sogar zu überschulden, für Haushalte mit einem niedrigen Einkommen und geringer Qualifikation höher (vgl. Sozialbericht 2018, Seite 72 ff). Private Haushalte sind überschuldet, wenn sie ihre Schulden, nach Abzug aller Lebenshaltungskosten, nicht fristgerecht tilgen können (relative Über- schuldung). Wenn Einkommen und Vermögen der Schuldner*innen nicht mehr ausreichen, um beste- hende Verbindlichkeiten zu decken, liegt eine absolute Überschuldung (Insolvenz, Vermögensauskunft) vor. Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen sind meist die ersten Instanzen, die sich mit der Situation der Schuldner*innen professionell befassen, auch im Falle einer angestrebten Verbraucherinsolvenz ist eine Schuldnerberatung vorgelagert. Der Indikator Verbraucherinsolvenzen wird seit November 2020 nicht mehr im Monitoring dargestellt. Er sollte anhand der monatlichen Anzahl der eröffneten verbraucherinsolvenzverfahren mittel- oder lang- fristigen Auswirkung der Pandemie darstellen. Aufgrund einer vom Bundesjustizministerium im Juli an- gekündigten Gesetzesänderung verliert der Indikator an Aussagekraft. Die Gesetzesänderung beinhaltet, dass eine Restschuldbefreiung bereits nach drei Jahren und nicht wie derzeit sechs Jahren erfolgen wird. Die Beantragung von Verbraucherinsolvenzen wird von den Betroffenen nun soweit wie möglich verzö- gert, um in den Genuss der neuen Regelung zu kommen. Die Entwicklung ist somit nicht coronabedingt und nicht Ausdruck sozialer Lagen, sondern Abbild der Erwartung einer neuen gesetzlichen Regelung. Methodik - Was wird dargestellt? Erstkontakte via Telefonsprechstunde: Bei der sogenannten „Telefon-Sprechstunde“ der städtischen Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle handelt es sich um Erstkontakte. Deren Anzahl und Entwicklung werden monatlich dargestellt. Die Daten der städtischen Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle wer- den zum Auftakt des Monitorings stellvertretend für die Beratungsstellen in der Stadt Hannover heran- gezogen. Schuldnerberatung der Stadt Hannover -Erstkontakte via Telefonsprechstunde 90 80 70 60 50 Anzahl 40 82 30 68 65 62 66 68 59 55 59 57 58 51 44 20 35 29 10 0 Jan 20 Mrz 20 Mai 20 Jul 20 Sep 20 Nov 20 Jan 21 Mrz 21 Quelle: Landeshauptstadt Hannover, Fachbereich Soziales Zusammenfassung Erstkontakte via Telefonsprechstunde: Seit Januar 2020 sind die telefonischen Erstkontakte zur städti- schen Schuldnerberatung zunächst rückläufig gewesen. Mit Ausreißern nach unten bewegt sich das Kon- taktgeschehen seit Mai auf ähnlichem, leicht steigendem Niveau. Geringere Fallzahlen im Dezember wurden auch in den Vorjahren verzeichnet, mit 29 Erstkontakten liegt der Wert jedoch deutlich unter dem durchschnittlichen Dezemberwert (48 Fälle). Eine inhaltliche Erklärung hierfür gibt es nicht. Im Januar hat sich die Zahl der telefonischen Erstkontakte im Vergleich zum Vormonat mehr als verdoppelt und liegt und wieder auf dem Niveau der Monate davor. Dieses Niveau wurde im Februar 2021 mit 58 und im März mit 68 Kontakten gehalten. 9
F. Kinderzuschlag (KIZ) und „Notfall-KIZ“ KIZ: Kinderzuschlag bekommen Familien mit einem niedrigen Einkommen, das knapp über dem „Hartz- IV-Niveau“ liegt. Abhängig von der individuell berechneten finanziellen Bedürftigkeit, gibt es bis zu 205 Euro pro Kind und Monat. Durch gesetzliche Neuregelungen im Rahmen des Starke-Familien-Gesetzes zum 1. Januar 2020 erweiterte sich der Kreis der Anspruchsberechtigten. Das Bundesfamilienministe- rium erwartete im Jahr 2020 eine Verdopplung der Anzahl der Kinder, die den Zuschlag erhalten. Notfall-KIZ: Familien, bei denen sich coronabedingt das Einkommen durch Kurzarbeit, Arbeitslosengeld oder geringere Einnahmen reduziert hat, erhielten in der Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 2020 einen leichteren Zugang zum Kinderzuschlag („Notfall-KIZ“). Die Bundesagentur für Arbeit prüfte vorüberge- hend nur das Einkommen des vergangenen Monats und nicht aus den vergangenen sechs Monaten. Au- ßerdem wurde die Vermögensprüfung ausgesetzt. Methodik - Was wird dargestellt? Statistische Informationen zum Kinderzuschlag stellen die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (Fa- milienkasse der BA) zur Verfügung. Bis Dezember 2021 wurden als kleinste räumliche Ebene die Bundes- länder ausgewiesen. Seit Januar 2021 stehen darüber hinaus für die Region Hannover Daten zur Verfü- gung. Dargestellt wird die monatliche Entwicklung der Anzahl der Kinder in Niedersachsen und ab Januar 2021 auch in der Region Hannover, die einen Kinderzuschlag erhielten. Kinderzuschlag in Niedersachsen und in der Stadt Hannover 100.000 Mit „Notfall-KIZ“ ab 1.4.20 80.000 Anzahl Kinder 60.000 Entwicklung Mrz. 20 –Mrz. 21 96.490 93.204 91.413 90.389 89.903 86.651 84.475 84.277 81.436 79.391 75.728 40.000 84,9 % 64.330 45.572 37.975 10.594 34.159 20.000 10.331 10.467 0 Jan. 20 Mrz. 20 Mai. 20 Jul. 20 Sep. 20 Nov. 20 Jan. 21 Mrz. 21 Niedersachsen LHH Quelle: Familienkasse, Direktion Zusammenfassung Bereits seit Januar 2020 also vor der Coronakrise, ist die Zahl der Kinder, die in Niedersachsen einen Kinderzuschlag erhielten, deutlich angestiegen. Dieses ist auf die erwähnte gesetzliche Neuregelung zu- rückzuführen. Mit der Einführung des „Notfall-KIZ“ kam es zu einem sprunghalten Anstieg der Empfän- ger*innen. Es lässt sich anhand der dargestellten Daten nicht unterscheiden, welche Entwicklung dem „Notfall-KIZ“ und welche der Gesetzesänderung zuzuordnen ist. Geht man aber von der vom Bundesfa- milienministerium (coronaunabhängig) erwarteten Verdopplung der Empfänger*innenzahlen aus (hier rd. 68.000), müssten zum Beispiel im Juli rund 28.500 der insgesamt über 96.000 Empfänger*innen nach den Regeln des Notfall-KIZ den Zuschlag erhalten haben. Seit Juli hat sich die Anzahl der Leistungsemp- fänger*innen auf hohem ungefähr gleichbleibendem Niveau eingependelt. Das Absinken im Dezember 2020 und Januar 2021 entspricht einer bundesweiten Entwicklung für die aktuell keine Erklärung ange- boten werden kann. Im Februar und März ist wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Erstmals liegen mit dem Januarbericht 2021 der Familienkasse regionalisierte Daten vor. In der Region Hannover wurde im Januar 2021 für 10.331 Kinder der Kinderzuschlag gezahlt. Im Februar stieg die Zahl der leistungsempfangenden Kinder auf 10.594, um im März wieder leicht zu sinken (10.467). 10
G. Auswirkungen auf den Mietwohnungsmarkt Im Durchschnitt wendete die Bevölkerung in Deutschland im Jahr 2019 rund 26 Prozent ihres verfügba- ren Haushaltseinkommens für Miete und Nebenkosten beziehungsweise für den Unterhalt ihres Wohn- eigentums auf (Wohnkostenbelastungsquote) 1. Vor dem Hintergrund zunehmender Kurzarbeit und stei- gender Arbeitslosigkeit in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie ist anzunehmen, dass die Wohn- kostenbelastungsquote für Miet- und Eigentumshaushalte steigt. Zu dieser Einschätzung kommt eine Studie des Sachverständigenrates für Verbraucherfragen im Mai 2020 2. Hohe Wohnkosten führen dazu, dass Haushalte in ihren übrigen Konsumentscheidungen eingeschränkt werden. Eine Überbelastung durch Wohnkosten liegt vor, wenn ein Haushalt mehr als 40 Prozent seines verfügbaren Einkommens für Wohnen ausgibt – unabhängig davon, ob die Betroffenen zur Miete oder in den eigenen vier Wänden leben. 2019 traf dies für 14 Prozent der Haushalte in Deutschland zu. Dabei sind es insbesondere alleinlebende, alleinerziehende und armutsgefährdete Haushalte, die eine über- durchschnittlich hohe Wohnkostenbelastung aufweisen. Dies sind Haushaltstypen, die vor allem in Groß- städten wie Hannover leben 3. Die Wohnkostenbelastung ist nur bundesweit abbildbar. Um die Situation auf dem Wohnungsmarkt in der Stadt Hannover näherungsweise abzubilden, wertet die Verwaltung seit Sommer 2020 in einem mo- natlichen Rhythmus das vorhandene Angebot auf dem freien Wohnungsmarkt aus. Dabei lassen sich Angebotsmieten aus Mietwohnungsinseraten ermitteln und es zeigt sich, zu welchem Mietpreis die je- weils verfügbaren Wohnungen Wohnungssuchenden auf dem lokalen Wohnungsmarkt in der Stadt Han- nover angeboten werden. Sie sind ein guter Spiegel der aktuellen Marktlage und illustrieren die Versor- gungschancen von Haushalten, die aktuell umziehen (müssen). Aus den Angebotsmieten lässt sich nicht ableiten, wie hoch die mittlere Wohnkostenbelastung in der Landeshauptstadt ist, jedoch ist anzunehmen, dass aufgrund steigender Angebotsmieten auch die Wohn- kostenbelastung insgesamt zunimmt. Methodik – Was wird dargestellt? Grundlage der Angebotserfassung und des Indikators „Angebotsmiete“ sind inserierte Mietwohnungen in der Stadt Hannover mit Angaben zur Nettokaltmiete je Quadratmeter. Die Stadt Hannover greift hierzu auf die vom Institut empirica angebotene Datenbank zurück, die die Angebote verschiedener Online- Immobilienportale (Immoscout24, Immonet, Immowelt usw.) sowie der Webportale größerer lokaler Tageszeitungen sammelt. Die Angebotsmiete ergibt sich aus den erfassten Mietwohnungsangebote im jeweiligen Monat. Dabei wird die mittlere Angebotsmiete als Median ausgegeben. Der Median teilt die monatlich erfassten Inserate in zwei gleich große Gruppen auf: 50 Prozent der inserierten Angebotsmie- ten sind geringer und 50 Prozent fallen höher aus. Der Median hat im Unterschied zum arithmetischen Mittelwert den Vorteil, dass er weniger anfällig auf Ausreißermieten (besonders hohe/niedrige Ange- botsmieten) reagiert. 1 Quelle: www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen / 2020/10/PD20_428_639.html 2 Quelle: Groß, C., Göbler, K. & Wagner, G. G. (2020). Corona-Pandemie: Auch ein Stresstest für den Wohnungsmarkt. Veröf- fentlichungen des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen, Berlin Mai 2020 3 Quelle: www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Wohnen/Tabellen/eurostat-anteil-wohnkosten-haushaltsein- kommen-silc.html 11
Mietwohnungsinserate und Angebotsmieten in der Stadt Hannover 2018 bis Februar 2021 2.000 10,00 Durchschnitt: 1.320 Inserate / Monat 1.600 9,60 Inserate* absolut 1.200 9,20 in Euro/m² 800 8,80 400 8,40 0 8,00 Jan Mrz Mai Jul Sep Nov Jan Mrz Mai Jul Sep Nov Jan Mrz Mai Jul Sep Nov Jan 18 18 18 18 18 18 19 19 19 19 19 19 20 20 20 20 20 20 21 Inserate* absolut in Euro/m² Quelle: Landeshauptstadt Hannover, Bereich Stadtentwicklung/ empirica Preisdatendatenbank * Hierbei erfasst sind: alle inserierten Mietwohnungen (Bestand und Neubau) ohne weitere Filterung. Die Abbildung zeigt die Zahl inserierter Mietwohnungen sowie die Angebotsmiete des jeweiligen Monats. Durchschnittlich werden im langjährigen Mittel rund 1.320 Mietwohnungsinserate pro Monat erfasst. Generell werden im Dezember und Januar weniger Inserate geschaltet. Zusammenfassung Die Zahl inserierter Mietwohnungen war in den Monaten März 2020 bis Juni 2020 deutlich reduziert. Im März betrug der Rückgang der Inserate 4 Prozent gegenüber dem Mittelwert. Weniger Wohnungsange- bote bedeuten weniger Auswahloptionen bei möglicherweise anstehender Wohnungssuche. Zudem sind auch während der Pandemie die Angebotsmieten gestiegen, beziehungsweise die monatlichen Ange- botsmieten halten seit März 2020 ihr hohes Niveau. Wie viele Haushalte sich am Ende der Corona-Pan- demie in einer Überlastungssituation befinden werden, ist noch nicht absehbar. Die zu Beginn der Pan- demie ergriffene Maßnahme, dass Mieter*innen, denen pandemiebedingt die Einnahmen fehlten, ihre Miete stunden konnten, ist Ende Juni 2020 ausgelaufen. Der Kündigungsschutz hat mögliche Geldsorgen demnach nur verschoben. Der 2. Lockdown führte erneut zu einer Abnahme der inserierten Angebote, während die Preisforderungen für inserierte Mietwohnungen weiter steigen. Dies ist ein inhaltlicher und redaktioneller Beitrag des Bereichs Stadtentwicklung (OE 61.5) der Landes- hauptstadt Hannover. 12
Hintergrundinformation zum sozialen, dynamischen Krisenmonitoring Mit der Informationsdrucksache 1302/2020 wurde den Ratsgremien der Landeshauptstadt Hannover im Juni 2020 erstmals das dynamische, soziale Krisenmonitoring vorgestellt. Das Monitoring beobachtet seither die sich wandelnde soziale Lage der Bevölkerung in Hannover auf der Basis eines geeigneten, fortschreibbaren Indikatorensets. Vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie sind innerhalb sehr kur- zer Zeit viele Menschen in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Wie lange die Pandemie andauern und wie viele Menschen innerhalb welchen Zeitraums wieder finanziell unabhängig werden, ist ungewiss. Die Beobachtung, Messung und Kommunikation der sozialen Lage der Bevölkerung infolge der Pandemie ist Ziel des Krisenmonitorings. Das Monitoring ist eine monatlich aktualisierte, faktenbasierte Grundlage für Planung und Steuerung der kommunalen Maßnahmen für die Bewohner*innen Hannovers. Vorgehensweise 1. Indikatoren: Es wurden Indikatoren ausgewählt, die soziale, finanzielle Auswirkungen der Krise ver- deutlichen. Das soziale Krisenmonitoring umfasst die Indikatoren aus den Themenfeldern Arbeitslo- sigkeit, Kurzarbeit, Leistungsbeziehende im SGB II und SGB XII, Wohngeld, Schulden, Kinderzu- schlag und Mietwohnungsinserate und Angebotsmieten. 2. Aktualität und Genauigkeit: Kennzeichnend für die Corona-Krise ist deren Dynamik im Verlauf sowie die Dynamik der Gesetzgebung, der Erlasse und Sofortmaßnahmen. Um dieser Dynamik annähernd gerecht zu werden und diese zeitnah beobachten zu können, ist Aktualität erforderlich. Diese Aktu- alität geschieht teilweise auf Kosten der Genauigkeit, weil zum Beispiel auch vorläufige oder noch nicht final revidierte Daten verwendet werden müssen. 3. Kleinräumigkeit: Relevante und zugleich monatlich oder quartalsweise verfügbare Daten liegen nicht auf Stadtteilebene vor, teilweise nicht mal auf Ebene des Stadtgebiets. In diesem Fall werden Daten für das Gebiet der Region Hannover und Niedersachsen insgesamt herangezogen. 4. Gender: Zur Differenzierung nach Geschlecht sind ausschließlich im Themenfeld Arbeitslosigkeit un- terjährige Daten verfügbar. Mit Veröffentlichung der Daten der anderen Themenfelder zum Jahres- ende sind weitere Differenzierungen nach Geschlecht, Alter, Nationalität möglich. Die Beobachtung, dass sich Rollenmuster infolge der Coronakrise retraditionalisieren, kann durch die klassischen und derzeit lokal verfügbaren Indikatoren nicht abgebildet werden. Auch für Arbeitsteilungsmuster bei der Care- und Familientätigkeit stehen leider keine (kleinräumigen) Quellen zur Verfügung. Die hier verwendeten Indikatoren zielen primär auf die monetären Auswirkungen der Coronakrise auf die hannoversche Bevölkerung und werden - wann immer es möglich ist – nach Geschlecht differenziert. 5. Turnus: Das Monitoring erscheint jeweils Mitte des Monats • Download auf der Intranetseite der Koordinationsstelle Sozialplanung unter Intranet > LHH > Service > Koordinationsstelle Sozialplanung > Soziales Krisenmonitoring • Internet unter www.hannover.de/soziales-krisenmonitoring. Dynamik: Je nach Verfügbarkeit werden neue relevante Themenfelder dargestellt, ab Oktober 2020 erst- malig die „realisierte Kurzarbeit in der Region Hannover“ (Kapitel A) und der Bezug von „Kinderzuschlag in Niedersachsen“ (Kapitel F). Mietwohnungsinserate und Angebotsmieten ab Dezember 2020 (Kapitel G). Verbraucherinsolvenzen werden ab November 2020 nicht weiter im Monitoring dargestellt. Die Ent- wicklung ist nicht coronabedingt und nicht Ausdruck sozialer Lagen, sondern Abbild der Erwartung einer neuen gesetzlichen Regelung (s.o.). 13
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