17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen Caroline Schmuker, Ghassan Beydoun und Christian Günster C. Günster | J. Klauber | B.‑P. Robra | C. Schmuker | A. Schneider (Hrsg.) Versorgungs-Report Klima und Gesundheit. DOI 10.32745/9783954666270-17, © MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin 2021 Der Beitrag berichtet für das Jahr 2018 die Häufigkeit von 17.1 Einführung Erkrankungen und Behandlungen in Deutschland. Die Ana- lysen basieren auf standardisierten Abrechnungsdaten von Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) AOK-Versicherten. Dargestellt werden administrative Be- stellt regelmäßig seit 2011 mit dem Versorgungs- handlungsprävalenzen nach den dreistelligen Diagnose- Report Kennzahlen zum Krankheitsgeschehen schlüsseln und den Diagnoseobergruppen des ICD-10. Zu- und zur Inanspruchnahme von medizinischen sätzlich werden in den vier ausgabenwirksamsten Leis- Leistungen zur Verfügung. Der aktuelle Beitrag tungssektoren (stationäre Versorgung, ambulant-ärztliche stellt administrative Behandlungsprävalenzen Versorgung, Arzneimittel- und Heilmittelversorgung) Kenn- nach den dreistelligen ICD-10-Diagnoseschlüs- ziffern zur Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen seln und nach übergreifenden Diagnoseober- berichtet. gruppen bezogen auf das Jahr 2018 dar. Die Dia- gnoseinformationen werden ergänzt um Hospi- This article reports the frequency of diseases and treat- talisierungsraten, sodass die Bedeutung einer ments in Germany for 2018. Analyses are based on stand- Erkrankung für die stationäre Versorgung trans- ardised administrative claims data of the Local Health In- parent wird. Darüber hinaus nimmt der Versor- surance Funds (AOK). The article presents administrative gungs-Report die Versorgung der Versicherten prevalence rates according to three character ICD-10 diag- innerhalb der vier Leistungsbereiche stationäre nosis codes and ICD-10 main groups. In addition, key fig- Versorgung, ambulante vertragsärztliche Ver- ures on the utilisation of health services in the four most sorgung, Arznei- und Heilmittelversorgung in cost-intensive sectors of the health care system are report- den Blick. Alters-und geschlechtsspezifische ed separately: inpatient care, outpatient care, pharmaceu- Kennzahlen der Inanspruchnahme werden bun- tical and remedy care. desweit sowie in regionaler Differenzierung (kartografisch) ausgewiesen. In Ergänzung zu diesem Kapitel bietet der Versorgungs-Report ta- © urheberrechtlich geschützt 235 MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
IV Daten und Analysen bellarische Übersichten über die Behandlungs- 17.2 Datengrundlage häufigkeiten von mehr als 1.500 dokumentier- ten Einzeldiagnosen bzw. 268 Diagnoseober- 17.2.1 Abrechnungsdaten gruppen sowie weitere Einzelauswertungen, die als elektronischer Anhang zu diesem Buchkapi- Datengrundlage für diesen Beitrag sind die tel zur Verfügung gestellt werden1. bundesweiten anonymisierten Abrechnungs- Darstellung und Analysen im Versorgungs- daten aller AOK-Versicherten mit mindestens Report sind personenbezogen, d.h. Leistungs- einem Versichertentag im Auswertungsjahr. oder Diagnoseinformationen aus verschiede- Für die präsentierten Querschnittsanalysen des nen Sektoren werden versichertenbezogenen Jahres 2018 liegen Angaben von 27,8 Mio. Ver- (anonymisiert) zusammengeführt und ausge- sicherten vor (s. Abb. 1). Die im Folgenden wertet. Erst der Personenbezug erlaubt die dargestellten Kennzahlen werden jeweils Schätzung von epidemiologischen Kennzahlen nach Geschlecht, sowie differenziert für die Al- wie Prävalenzen und Inzidenzen. Fallbezogene tersgruppen Kinder und Jugendliche (1 bis Statistiken dagegen (z.B. die Krankenhaussta- 17 Jahre), mittlere Erwachsene (18 bis 59 Jahre) tistik des Statistisches Bundesamtes) ermögli- und ältere Erwachsen (60 Jahre und älter) auf- chen zwar Aussagen zur Zahl der Krankenhaus- bereitet. fälle, lassen aber keinen Rückschluss auf die Für diesen Beitrag wurden die folgenden Ab- Zahl der Personen mit einer Erkrankung oder rechnungs- und Stammdaten versichertenbe- die Häufigkeit der Krankenhausaufenthalte zogen (anonymisiert) zusammengeführt und eines Patienten zu. ausgewertet: Die vorliegenden Auswertungen basieren Versichertenstammdaten (nach § 288, auf den Routinedaten von AOK-Versicherten im SGB V) Jahr 2018, die mehr als ein Drittel der gesetzli- ambulante vertragsärztliche Versorgung chen Krankenversicherung (GKV) und mehr als (nach § 295, Abs. 2, SGB V) 30% der deutschen Bevölkerung repräsentie- Arzneimittelabrechnung (nach § 300, Abs. 1, ren2. Kennzahlen in diesem Beitrag sind hin- SGB V) sichtlich Alter und Geschlecht standardisiert stationäre Versorgung (nach § 301, Abs. 1, und auf die deutsche Wohnbevölkerung des SGB V) Jahres 2018 hochgerechnet. Heilmittelversorgung (nach § 302, Abs. 1, Der Beitrag gliedert sich in die Beschreibung SGB V) der Datengrundlage (s. Kap. 17.2) Methoden (s. Kap. 17.3) und Limitationen bei der Nutzung Die Daten geben Auskunft über die in Deutsch- der AOK-Versichertendaten (s. Kap. 17.4) sowie land behandelten Erkrankungen, so wie sie von die Darstellung der Kennzahlen zur Behand- Ärzten dokumentiert werden, und darüber, lungshäufigkeit (s. Kap. 17.5) und Inanspruch- welche therapeutischen und diagnostischen nahme von Gesundheitsleistungen (s. Kap. 17.6) Leistungen in der Behandlung erbracht wur- im Jahr 2018. den. Dabei können verschiedene Institutionen und Personen (Kliniken und niedergelassene Ärzte) beteiligt gewesen sein. 1 Auffindbar im Open Access-Portal der Medizinisch Wissen- Die folgenden Abschnitte beschreiben den schaftlichen Verlagsgesellschaft: https://www.mwv-open.de/ site/books/e/10.32745/9783954666270/ sozialrechtlichen Rahmen der Leistungsdaten- 2 Laut Mitgliederstatistik des Bundesministeriums für Gesund- übermittlung und präzisieren die Kriterien, die heit gab es im Jahresdurchschnitt 2018 26,5 Mio. AOK-Ver- für die Datenselektion in diesem Beitrag ange- sicherte und 72,8 Mio. GKV-Versicherte (jeweils inkl. mitversi- cherter Angehöriger). Stand der deutschen Wohnbevölkerung wendet wurden. am 31.12.2018 war laut Statistischem Bundesamt 83,0 Mio. 236 © urheberrechtlich geschützt MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen IV 30 27,8 25 AOK-Versicherte* (Mio.) 20 15 15,3 13,7 14,0 10 7,8 5 4,4 0 Gesamt Männer Frauen 1 bis 17 Jahre 18 bis 59 Jahre ≥ 60 Jahre * Basierend auf allen Personen, die im Jahr 2018 mindestens einen Tag bei der AOK versichert waren. Umfasst daher mehr Personen als der Jahresdurchschnitt 2018 der Mitgliederstatistik des BMG (KM1/13). Zielpopulation für die folgenden Auswertungen. Abb. 1 AOK-Versicherte nach Geschlecht und Altersgruppen im Jahr 2018 (in Mio.) Arzneimittelversorgung lichen alle Verordnungen von Fertigarzneimit- teln, Rezepturen, Diagnostika und Substitu- Gemäß § 300 SGB V werden Daten zu allen ver- tionstherapie-Präparate berücksichtigt. schreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln und Nicht-Fertigarzneimitteln übermittelt, die von einem niedergelassenen Vertragsarzt auf Stationäre Versorgung Rezepten zulasten der GKV verordnet und über eine öffentliche Apotheke abgerechnet wur- Im Rahmen der stationären Versorgung von den. Dabei werden auch Angaben zum Apothe- GKV-Versicherten übermitteln die Kliniken kenverkaufspreis, zum Verordnungs- und Ab- je Behandlungsfall Angaben zum Versicher- gabedatum sowie zum verordnenden Arzt do- ten, zum Aufnahme- und Entlassungsdatum, kumentiert. Das Verordnungsdatum bestimmt Diagnosedaten sowie den Rechnungsbetrag. die Zuordnung der Leistung zum Berichtszeit- Die Entlassungsdiagnosen – obligate Hauptdia- raum. Ausgabenschätzungen für Arzneiverord- gnose und fakultative Nebendiagnose(n) – sind nungen zulasten der GKV basieren auf dem je- im Rahmen der Krankenhausabrechnung weiligen Bruttoumsatz inklusive Zuzahlung rechnungsbegründend und werden daher sys- durch den Versicherten (Apothekenverkaufs- tematisch erfasst. Für die Analysen wurden preis). Fertigarzneimittel lassen sich durch die alle abgeschlossenen voll- und teilstationären sogenannte Pharmazentralnummer eindeutig Aufenthalte ausgewertet. Leistungen wurden einem Handelsnamen, dem Hersteller, der gemäß Entlassungsdatum dem Behandlungs- Wirkstoffstärke sowie der Packungsgröße zu- jahr zugeordnet. Zur Bestimmung von Be- ordnen. Auf Basis der Pharmazentralnummer handlungsprävalenzen wurde auf die Haupt- werden im WIdO die Zuordnungen von Fertig- und Nebendiagnose der stationären Behand- arzneimitteln zu den jeweiligen Wirkstoffgrup- lung zurückgegriffen. Der primäre Behand- pen vorgenommen (vgl. Kap. 17.2.2). Für die lungsanlass wurde über die Hauptdiagnose er- Analysen in diesem Beitrag wurden im Wesent- fasst. © urheberrechtlich geschützt 237 MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
IV Daten und Analysen Ambulante Versorgung Facharztrichtungen tätig sind (z.B. als Gemein- schaftspraxis organisierte Facharztpraxen) wur- Grundlage sind die von einem ambulant tätigen den in der bisherigen Darstellung der Kategorie Vertragsarzt durchgeführten Leistungen des „fachgruppenübergreifende Facharztpraxen“ GKV-Leistungsbereichs. Diese Leistungen wer- zugeteilt. Allerdings nimmt der Anteil der Per- den, sofern es sich um kollektivvertragliche Leis- sonen, die in fachübergreifenden Facharztpra- tungen handelt, einmal pro Quartal über eine xen behandelt werden, stetig zu (2010: 47,3%; der 17 regional zuständigen Kassenärztlichen 2016: 52,1%), was zu einer zunehmenden Unter- Vereinigungen abgerechnet und die Daten an- schätzung der Behandlungsraten bei einzelnen schließend an die Krankenkassen weitergelei- Facharztgruppen führt. Das betrifft insbeson- tet. Als ein Behandlungsfall gilt die Konsulta- dere Facharztgruppen, die häufig in Gemein- tion eines Versicherten bei einem Vertragsarzt schaftspraxen tätig sind, darunter z.B. die fach- in einem Quartal; dabei ist die Anzahl der Pra- ärztlichen Bereiche Orthopädie und Chirurgie. xisbesuche im Quartal unerheblich. Eine Person Das neue Verfahren zur Bestimmung der erzeugt mehr als einen Behandlungsfall pro Facharztgruppe setzt auf den Grund- und Ver- Quartal, wenn sie im selben Quartal mehrere sichertenpauschalen der jeweiligen Fachärzte Ärzte aufsucht. Zu jedem Abrechnungsfall wer- gemäß dem EBM-Katalog auf. Die EBM-Fach- den quartalsweise die Behandlungsdiagnosen arztgruppen werden für die Darstellung im Ver- mit Angabe der Diagnosesicherheit (gesicherte sorgungs-Report zu 16 Facharztgruppen zusam- Diagnose, ausgeschlossene Diagnose, Ver- mengefasst (EBM-Fachgruppenzuordnung s. dachtsdiagnose, symptomloser Zustand) ko- elektronischer Anhang). Wie zuvor werden diert. Gemäß § 295 SGB V sind in beiden Fällen Leistungen aus Kollektiv- und selektivvertrag- die amtlichen und aktuell gültigen Fassungen licher Versorgung berücksichtigt. Bei der neu- des DIMDI zu nutzen (vgl. Kap. 17.2.2). Zur Er- en Auswertung nach EBM-Facharztgruppen mittlung der hier dargestellten Behandlungs- sind einige Besonderheiten zu berücksichtigen: prävalenzen werden ausschließlich gesicherte Die Kategorie „Hausarzt“ ersetzt die Facharztgrup- Diagnosen herangezogen. Es werden Behand- pe der „Allgemeinmediziner“. Es werden lungsdiagnosen aus kollektivvertraglicher und alle Behandlungsfälle gezählt, die zur Ab- selektivvertraglicher Versorgung berücksichtigt. rechnung einer hausärztlichen Grundpau- schale geführt haben. Insofern können auch andere Facharztgruppen (z.B. Kardiologen) Neue Zuordnung der Behandlungsfälle an der Versorgung beteiligt gewesen sein, zu EBM-Facharztgruppen sofern sie jeweils eine Zulassung oder Er- mächtigung zur Teilnahme an der hausärzt- Mit der vorliegenden Ausgabe des Versorgungs- lichen Versorgung hatten. Reportes wird das Verfahren zur Auswertung Die Kategorie „Notfall“ ist ein gesonderter ver- der fachärztlichen Inanspruchnahme umge- tragsärztlicher Versorgungsbereich, an dem stellt. Im bisherigen Verfahren wurden Behand- sich grundsätzlich alle EBM-Facharztgrup- lungsfälle über die Betriebsstättennummer pen über den kassenärztlichen Bereit- (BSNR) des Vertragsarztsitzes einer Facharzt- schaftsdienst sowie die Notfallambulanzen gruppe zugeordnet. Die BSNR ermöglicht es, der Krankenhäuser beteiligen. über eine Schlüsseltabelle (nach Richtlinie der In der Kategorie „Weitere vertragsärztliche Leistungen Kassenärztlichen Bundesvereinigung [KBV]) die ohne Versicherten- bzw. Grundpauschale“ werden Be- Facharztgruppe des abrechnenden Arztes ein- handlungsfälle gezählt, für die keine Versi- deutig zu ermitteln. Arztpraxen (Betriebsstät- cherten- bzw. Grundpauschale und keine ten) in denen mehrere Ärzte verschiedener ambulanten Notfallleistungen nach dem 238 © urheberrechtlich geschützt MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen IV EBM-Kapitel 1.2 abgerechnet wurden. Hier- nosen in der ambulanten und stationären Ver- bei handelt es sich oftmals um Leistungen sorgung in Deutschland. Für die Analysen des ohne Versichertenkontakt, darunter be- Beitrags wird die Ausgabe der ICD-10-GM für das stimmte Laborleistungen oder Sachkosten Jahr 2018 genutzt (DIMDI 2018a). Die vorliegen- (z.B. Arztbriefe). den Analysen basieren auf den ICD-Schlüssel- In der Kategorie „Fälle mit mehreren Grundpauschalen“ nummern der Haupt- und Nebendiagnosen sta- (s. Abb. 10) werden Behandlungsfälle mit tionärer Behandlungen sowie den gesicherten mehr als einer Grund- bzw. Versicherten- Diagnosen aus der ambulanten vertragsärztli- pauschale gezählt. Dabei handelt es sich chen Versorgung. Im vorliegenden Kapitel er- häufig um labormedizinische Leistungen in folgte die Auswertung der Behandlungshäufig- Verbindung mit einer gynäkologischen Kon- keiten auf der Basis von dreistelligen Einzeldia- sultation. Diese Behandlungsfälle werden gnosen (ICD-10-Dreisteller). In Ergänzung hier- in der Darstellung gesondert ausgewiesen. zu werden Behandlungshäufigkeiten auf Ebene der ICD-10-Diagnoseobergruppen im elektroni- schen Anhang zur Verfügung gestellt. Abwei- Heilmittelversorgung chend vom ICD-10-Katalog werden in diesem Beitrag Obergruppen weiter unterteilt, um zwi- Basis sind Heilmittelleistungen – also Physio- schen akuten Zuständen und i.d.R. nicht be- therapie, Ergotherapie, Podologie und Sprach- handlungsbedürftigen Erkrankungen zu diffe- therapie –, die von einem niedergelassenen Ver- renzieren. Auf diese Weise sind 268 Obergrup- tragsarzt zulasten der GKV verordnet und von pen entstanden – die Modifikationen sind in der einem zur Heilmittelversorgung zugelassenen Auswertung mit einem Sternchen (*) am ICD- Leistungsanbieter erbracht werden. Indikatio- Code gekennzeichnet nen, die zur Verordnung eines Heilmittels füh- ren, werden nach dem im jeweiligen Auswer- tungsjahr gültigen Heilmittelkatalog klassifi- Klassifikation von Arzneimittelwirkstoffen ziert. Die erbrachten Leistungen lassen sich über eine fünfstellige bundeseinheitliche Heil- Wirkstoffe von Fertigarzneimitteln werden auf mittelpositionsnummer eindeutig zuordnen. der Basis der eindeutigen Pharmazentralnum- Bei der Abrechnung erhalten die Krankenkas- mer nach der Anatomisch-Therapeutischen sen außerdem die auf der Heilmittelverord- Klassifikation (ATC) verschlüsselt. Für diesen nung dokumentierten Angaben zum Versicher- Beitrag wird der ATC-Index des GKV-Arzneimit- ten (Alter, Geschlecht, Wohnort), zum verord- telindex des jeweiligen Auswertungsjahres nenden Arzt, zum Verordnungsdatum sowie (hier 2018) verwendet, der Spezifizierungen für zum Leistungserbringer. Bei Zählung der Leis- den deutschen Arzneimittelmarkt enthält und tungen wurden nur therapeutische Leistungen in dem auch die definierten Tagesdosen (DDD) berücksichtigt (ohne Zusatzleistungen). festgelegt sind (DIMDI 2018b). Das WIdO passt diese Systematik kontinuierlich an die Beson- derheiten der Versorgungssituation in Deutsch- 17.2.2 Klassifikationen land an (Fricke et al. 2018) Klassifikation von Erkrankungen Raumordnungsregionen Die für Deutschland modifizierte Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten (ICD- Als Bezugsrahmen für die großräumigen Ana- 10-GM) ist die amtliche Klassifikation für Diag- lysen von Diagnose- und Erkrankungshäufig- © urheberrechtlich geschützt 239 MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
IV Daten und Analysen keiten in diesem Beitrag wurden die 96 Raum- anspruchnahme von Gesundheitsleistungen ha- ordnungsregionen des Bundesinstituts für ben, wurde in diesem Beitrag zur Berechnung Bau‑, Stadt- und Raumforschung (BBSR 2017) der verschiedenen Kennzahlen eine direkte Al- verwendet. Die Zuordnung erfolgt auf Basis der ters- und Geschlechtsstandardisierung vorge- in den Daten der Mitgliederbestandsführung nommen (Kreienbrock et al. 2012). Dabei wurden gespeicherten Postleitzahl des Versicherten- für die AOK-Versicherten die entsprechenden wohnortes. Die Zuordnung des Versicherten- Kennzahlen in Geschlechts- und Altersklassen wohnortes zu einem Bundesland geschieht berechnet und mit der Geschlechts- und Alters- über den Kreis-Gemeindeschlüssel, der jährlich zusammensetzung der deutschen Wohnbevöl- von der Post zur Verfügung gestellt wird. Zu be- kerung gewichtet. Es wurden die in Abbildung 2 achten ist, dass sich die empirisch festgelegten gezeigten Altersklassen genutzt. Bei alters- und Raumordnungsregionen nicht zwangsläufig geschlechtsübergreifenden Darstellungen wur- mit den amtlich festgelegten Regionalgrenzen den die derartig gewichteten Kennzahlen ent- von Gemeinden, Kreisen oder Bundesländern sprechend aufsummiert. Bei den regionalisier- decken. Bei Stadtstaaten wie beispielsweise ten Darstellungen wurde die Vergleichbarkeit Bremen können die für das Bundesland doku- der einzelnen Regionen hergestellt, indem auch mentierten Behandlungshäufigkeiten daher hier die Alters- und Geschlechtsstruktur in ganz von den Behandlungshäufigkeiten der Raum- Deutschland zugrunde gelegt und auf die deut- ordnungsregion Bremen abweichen. sche Wohnbevölkerung standardisiert wurde. Unterschiede in der (regionalen) Inanspruch- nahme von medizinischen Leistungen sind so- 17.3 Methoden mit nicht auf demografische Unterschiede zu- rückzuführen. 17.3.1 Alters- und Geschlechts- standardisierung 17.3.2 Kennzahlen für Behandlungs- Die Alters- und Geschlechtsstruktur der AOK- häufigkeiten und die Inanspruch- Versicherten unterscheidet sich teilweise von nahme von Gesundheitsleistungen der der bundesdeutschen Wohnbevölkerung. So liegt der Anteil der Frauen im Alter von 35 bis Bestimmung der administrativen Behandlungs- 65 Jahren bei AOK-Versicherten unter dem Bun- prävalenzen desdurchschnitt, während Frauen ab einem Al- ter von 75 Jahren in der AOK überproportional Dieser Beitrag weist Behandlungsprävalenzen häufig vertreten sind (s. Abb. 2). Männer sind für die häufigsten Erkrankungen bzw. Behand- vor allem im jüngeren Erwachsenenalter zwi- lungsanlässe für das Jahr 2018 aus. Die Jahresprä- schen 18 und 35 Jahren in der AOK überrepräsen- valenz einer Erkrankung wurde definiert als die tiert, im höheren Erwachsenenalter (zwischen Anzahl aller Personen mit der Zieldiagnose (Ana- 45 und 75 Jahren) hingegen liegt der Anteil der lysepopulation) bezogen auf alle Versicherten Männer (vergleichbar zu den Frauen) unter dem mit mindestens einem Versichertentag im Jahr Bundesdurchschnitt, wenngleich die Differenz 2018. Die Daten dafür beruhen auf den stationär zur deutschen Wohnbevölkerung bei ihnen ge- gestellten oder – wenn keine Krankenhausbe- ringer ausfällt als bei den Frauen. Zudem weist handlung vorlag – auf ambulant dokumentierten die AOK im Jahr 2018 einen überdurchschnittli- gesicherten Diagnosen. Sämtliche ausgewiese- chen Anteil an hochbetagten Menschen (insbe- nen Prävalenzen sind daher als dokumentierte sondere Frauen über 80 Jahre) auf. Da diese Behandlungsprävalenz bzw. administrative Prä- Merkmale einen Einfluss auf Morbidität und In- valenz zu interpretieren. Allerdings beziehen 240 © urheberrechtlich geschützt MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen IV Altersgruppen (Jahre) Männer ≥ 95 Frauen 90–94 85–89 80–84 75–79 70–74 65–69 60–64 55–59 50–54 45–49 40–44 35–39 30–34 25–29 18–24 13–17 6–12 1–5
IV Daten und Analysen die betreffende Diagnose daher in mindestens Diagnosen ungewollt über mehrere Abrech- zwei von vier Quartalen (auch M2Q-Kriterium nungsquartale hinweg fortgeführt werden, genannt) dokumentiert sein. In Abhängigkeit obwohl eine Erkrankung nicht mehr be- von der jeweiligen Zielerkrankung gelten aller- steht. dings unterschiedliche Bezugszeiträume: Diagnosestellungen haben oftmals eine le- Bei Erkrankungen mit kontinuierlichem gitimatorische Funktion in der jeweiligen Krankheitsverlauf und Behandlungsbedarf Vergütungssystematik. Sie bezeichnen pri- (z.B. Herzinsuffizienz) ist der Bezugszeitraum mär den Beratungs- und Behandlungsanlass das Kalenderjahr. Die Diagnosevalidierung er- und begründen das weitere ärztliche Han- folgt innerhalb der vier Quartale des Berichts- deln. Insofern spiegeln die dokumentierten jahres. Diagnosen nur bedingt die Morbidität wi- der. Mit der Einführung von diagnoseorien- tierten Fallpauschalen zur Vergütung von 17.4 Limitationen und Validität Krankenhausleistungen im Jahr 2003 wurde von AOK-Routinedaten die Diagnosekodierung bestimmend für die Erlössituation der Krankenhäuser. Die Dia- Die Abrechnungsdaten von mehr als 27,8 Mio. gnosekodierung wird seitdem geregelt AOK-Versicherten geben die Chance, sektoren- durch die Deutschen Kodierrichtlinien und übergreifend Langzeitverläufe von großen ist Gegenstand der Abrechnungsprüfung der Populationen ohne regionale Eingrenzung und Krankenkassen und ihrer medizinischen ohne Beschränkung auf einen einzelnen Leis- Dienste. Die Kodierqualität gilt im stationä- tungssektor zu analysieren. Dennoch sind fol- ren Bereich daher als verlässlich. gende Limitationen bei der Interpretation der Für den ambulanten Bereich liegen bislang dargestellten Ergebnisse zu berücksichtigen. keine entsprechenden Kodierrichtlinien vor. Die Dokumentation von Diagnosen durch hausärztlich tätige Ärzte kann (theoretisch) Validität der dokumentierten Diagnose- relativ unscharf sein, denn für Hausärzte ist informationen das endstellige Kodieren nicht obligatorisch. Eine aktuelle empirische Untersuchung Die von ärztlichen Leistungserbringern doku- zeigt jedoch, dass die Kodierqualität unter mentierte Behandlungsmorbidität kann aus Hausärzten durchaus gut ist. Demnach ver- mehreren Gründen von der wahren Prävalenz wenden Hausärzte mittlerweile nicht nur einer Erkrankung abweichen: eine Vielzahl sehr unterschiedlicher ICD- Über Diagnosenennungen können besten- 10-Diagnosen, sondern nutzen in der Praxis- falls therapierte Erkrankte ermittelt wer- realität auch die Möglichkeit zum endstelli- den. Erkrankte ohne Arztkontakt bleiben gen Kodieren (Carnarius et al. 2018). unerkannt. Diagnosen können fehlerhaft nach der ICD- Auch wenn die Verlässlichkeit der Diagnose- Systematik verschlüsselt werden. qualität zunimmt, sollten Diagnosen immer Bei multimorbiden Patienten können bei unter Hinzuziehung weiterer Merkmale wie konkurrierenden Diagnosen tatsächlich vor- Diagnoseherkunft (stationär oder ambulant), liegende Erkrankungen ungenannt bleiben, Dokumentationsdauer, Medikation erkran- wenn nur die vergleichsweise „höherwerti- kungsspezifischer Wirkstoffe oder – je nach Fra- ge“ Diagnose aufgezeichnet wird. gestellung – weiterer Merkmale validiert wer- Aus Gründen praxisinterner Abläufe können den (Hartmann et al. 2016; Schubert et al. im ambulanten Bereich möglicherweise 2010). 242 © urheberrechtlich geschützt MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen IV Operationalisierung von Krankheiten Repräsentativität der Daten Bei der Nutzung von routinedatenbasierten Prä- Die Übertragbarkeit der in diesem Beitrag aus- valenzangaben ist neben der Diagnosevalidie- gewiesenen Kennzahlen auf die deutsche rung auch das methodische Vorgehen zur Wohnbevölkerung kann trotz der vorgenomme- Krankheitsdefinition von Bedeutung. Mit der nen Alters- und Geschlechtsstandardisierung Krankheits- bzw. Falldefinition wird festge- eingeschränkt sein. Denn neben Alter und Ge- legt, welche Kriterien zur Bestimmung einer schlecht gibt es weitere Einflussfaktoren, z.B. Erkrankung in Routinedaten herangezogen soziodemografische Merkmale einer Person, werden sollen. Die in diesem Beitrag dargestell- die die Morbidität und Inanspruchnahme von ten Prävalenzangaben basieren auf der ärztli- Gesundheitsleistungen beeinflussen. Da sich chen Inanspruchnahme mit entsprechend va- die AOK-Versicherten möglicherweise in sozio- lidierter ICD-Kodierung (Behandlungspräva- demografischen Merkmalen von denen der lenz). Dieses Vorgehen erlaubt Angaben zu Prä- deutschen Wohnbevölkerung unterscheiden, valenzen und Hospitalisierungsraten für die ist trotz Standardisierung bei der Hochrech- 1.500 häufigsten Erkrankungsgruppen und er- nung auf die deutsche Wohnbevölkerung eine möglicht somit eine umfassende Einschätzung Über- oder Unterschätzung der betrachteten der epidemiologischen Bedeutung von Erkran- Maßzahlen denkbar (Hoffmann u. Icks 2012). kungen in Deutschland. Zur Abbildung von Die Daten einer einzelnen Krankenkasse kön- Krankheiten in Sekundärdaten sind jedoch nen daher keinen Anspruch auf vollständige auch komplexere Krankheitsdefinitionen mög- Repräsentativität erheben (Jaunzeme et al. lich. Je nach Kontext der Forschungsfrage wer- 2013). Ferner ist bei der Interpretation der vor- den Krankheiten über verschiedene ICD-Schlüs- liegenden Daten zu berücksichtigen, dass die sel zusammengefasst oder mit weiteren Krite- AOK in den letzten Jahren einen starken Versi- rien der Leistungsinanspruchnahme (z.B. Arz- chertenzuwachs erfahren hat. Laut der Mitglie- neimittelverordnungen oder spezifischen EBM- derstatistik des Bundesministeriums für Ge- Leistungen) validiert. Ein Beispiel hierfür sind sundheit (KM1/13) ist die Zahl der AOK-Versi- die spezifischen Falldefinitionen des WIdO, die cherten im Jahresdurchschnitt 2015 von zur Berechnung von Krankheitshäufigkeiten in 24,5 Mio. auf 26,5 Mio. im Jahr 2018 um rund Deutschland im Rahmen des vom Innovations- 2 Mio. Versicherte gestiegen (BMG 2019). Da der fonds geförderten Projekts „BURDEN 2020“ ver- hohe Versichertenzuwachs möglicherweise wendet werden (Breitkreuz et al. 2021). Hierfür auch Auswirkungen auf die Morbiditätsstruk- wurden Krankheitsdefinitionen für 18 ausge- tur der AOK hat, wird auch in der diesjährigen wählte Erkrankungen und Schweregrade auf Ausgabe des Versorgungs-Reportes auf Vorjah- Basis von Routinedaten operationalisiert. Das resvergleiche verzichtet. entsprechende methodische Vorgehen mit den angewendeten Krankheitsdefinitionen, dem Prävalenzkonzept, dem alters-, geschlechts- Einschränkung auf Leistungen der gesetzlichen und morbiditätsadjustierenden Hochrech- Krankenversicherung nungsverfahren wie auch die ermittelten Prä- valenzen für alle Einwohner Deutschlands sind Die verwendete Datenbasis bildet den medizini- unter www.krankheitslage-deutschland.de zu- schen Leistungsbedarf in den dargestellten Leis- gänglich. tungsbereichen fast vollständig ab, soweit die Leistungen im GKV-Leistungskatalog enthalten sind. Grundsätzlich sind bei GKV-Routinedaten folgende Einschränkungen zu beachten: © urheberrechtlich geschützt 243 MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
IV Daten und Analysen In den Routinedaten fehlen individuelle Ge- Diagnose bzw. Behandlungsanlass: Klartextbeschrei- sundheitsleistungen (IGel), deren Umfang bung der ICD-Schlüsselnummer in den letzten Jahren kontinuierlich gestie- Prävalenz gesamt: Häufigkeit der Diagnose im Jahr gen ist (Zok 2015). 2018 insgesamt in der Bevölkerung. Anteil aller mit In den Arzneimittelverordnungsdaten sind der Diagnose behandelten Personen an der Gesamt- nur die von niedergelassenen Vertragsärzten bevölkerung. verordneten, in öffentlichen Apotheken ein- Prävalenz männlich: Diagnosehäufigkeit in der gelösten und mit den gesetzlichen Kranken- männlichen Bevölkerung. Anteil der erkrankten kassen abgerechneten Arzneimittelrezepte männlichen Personen an allen männlichen Personen. berücksichtigt. Wenn Patienten Medika- Prävalenz weiblich: Diagnosehäufigkeit in der weib- mente in der Apotheke selbst bezahlen, dann lichen Bevölkerung. Anteil der erkrankten weiblichen liegt der Krankenkasse darüber keine Infor- Personen an allen weiblichen Personen. mation vor, obwohl die Leistung selbst im Prävalenz 1–17 Jahre: Diagnosehäufigkeit bei Kin- GKV-Leistungskatalog enthalten sein kann. dern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Neugeborene Dies ist relativ häufig bei sogenannten OTC- bis unter 1 Jahr werden aufgrund der besonderen Präparaten (Over the Counter) der Fall, Situation bei der Versorgung von Säuglingen/Früh- wenn – wie bei der Acetylsalicylsäure – der geborenen nicht berücksichtigt. Packungspreis unterhalb des Zuzahlungsbe- Prävalenz 18–59 Jahre: Diagnosehäufigkeit bei Er- trags liegt; es ist seltener der Fall, wenn ein wachsenen jüngeren und mittleren Alters von 18 bis Versicherter einen Selbstbehalt-Tarif seiner unter 60 Jahren Krankenkasse gewählt hat und aufgrund Prävalenz 60 und mehr Jahre: Diagnosehäufigkeit dessen eine Verordnung selbst bezahlt. bei älteren Erwachsenen ab 60 Jahren Es liegen keine Informationen darüber vor, Hospitalisierungsrate allgemein: Anteil der Perso- welche Arzneimittel im Rahmen stationärer nen, die im Jahr 2018 in stationärer Behandlung wa- Aufenthalte verabreicht wurden. ren. Dabei werden alle Krankenhausaufenthalte ge- zählt unabhängig von der betrachteten Diagnose. Hospitalisierungsrate mit dieser Hauptdiagnose: 17.5 Administrative Behandlungs- Anteil der Personen, die im Auswertungsjahr mit die- prävalenzen ser Hauptdiagnose in stationärer Behandlung waren (d.h. diese Diagnose stellt den stationären Behand- Tabelle 1 zeigt die 30 häufigsten dokumentierten lungsanlass dar). Einzeldiagnosen bzw. Behandlungsanlässe in der Gesamtbevölkerung im Jahr 2018 differenziert Die Diagnosen Rückenschmerzen (ICD-10 M54) nach Altersgruppen und Geschlecht. Eine erwei- und die essentielle (primäre) Hypertonie (ICD-10 terte Übersicht über im Jahr 2018 dokumentierte I10) stellten mit einer Behandlungsprävalenz Einzeldiagnosen (mit mehr als 1.000 Betroffenen) von 26,8% bzw. 26,6% die häufigsten dokumen- steht im elektronischen Anhang zur Verfügung. tierten Einzeldiagnosen der deutschen Wohn- bevölkerung dar. Damit stehen beide Diagno- sen – wie auch in den Vorjahren – unverändert Tabelle 1: Die Bedeutung der Tabellenspalten an der Spitze der häufigsten Behandlungsanläs- im Einzelnen se (Gerste et al. 2014, 2016; Schmuker et al. 2019). In der Rangliste folgen akute Infektionen der Rang: Rangposition in der „Hitliste“ der häufigsten oberen Atemwege (ICD-10 J06), von denen 22,0% Erkrankungen der Gesamtbevölkerung betroffen waren. Ein ICD-10: dreistellige ICD-Schlüsselnummer nach ICD- Viertel der Gesamtbevölkerung mit essentieller 10-GM (primärer) Hypertonie (ICD-10 I10) war im Jahr 244 © urheberrechtlich geschützt MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen IV Tab. 1 Prävalenzen und Hospitalisierungsquoten für die 30 häufigsten Behandlungsdiagnosen nach ICD-Dreistellern (2018) Prävalenz (in %) Hospitalisierungsrate gesamt (in %) Rang ICD- Diagnose bzw. Behandlungsanlass gesamt männ- weib- 1–17 18–59 60 und allg. mit dieser 10 lich lich Jahre Jahre mehr Jahre Hauptdiagnose 1 M54 Rückenschmerzen 26,8 23,9 29,6 2,8 28,8 37,0 21,1 0,9 2 I10 Essentielle (primäre) Hypertonie 26,6 25,1 28,1 0,2 15,1 64,8 25,8 1,0 3 J06 Akute Infektionen an mehreren oder 22,0 21,6 22,3 39,8 23,4 9,0 13,2 0,3 nicht näher bezeichneten Lokalisationen der oberen Atemwege 4 Z12 Spezielle Verfahren zur Untersuchung 19,1 8,6 29,3 0,4 21,9 24,2 18,7 0,0 auf Neubildungen 5 Z00 Allgemeinuntersuchung und Abklärung 18,0 17,0 18,9 32,4 11,2 21,1 16,8 0,0 bei Personen ohne Beschwerden oder angegebene Diagnose 6 E78 Störungen des Lipoproteinstoffwechsels 16,1 15,7 16,5 0,1 8,9 39,6 25,2 0,0 und sonstige Lipidämien 7 Z25 Notwendigkeit der Impfung [Immuni- 14,2 12,5 15,8 10,5 6,2 31,0 23,6 0,0 sierung] gegen andere einzelne Virus- krankheiten 8 R10 Bauch- und Beckenschmerzen 11,2 7,2 15,0 10,2 12,8 8,6 25,2 1,5 9 E11 Diabetes mellitus, Typ 2 10,1 10,2 10,0 0,0 4,3 27,3 29,9 2,0 10 N89 Sonstige nichtentzündliche Krankheiten 9,9 0,0 19,5 1,5 14,9 5,1 18,6 0,0 der Vagina 11 E66 Adipositas 9,5 7,9 11,1 2,7 7,8 17,0 25,1 0,3 12 Z01 Sonstige spezielle Untersuchungen und 9,1 2,7 15,3 3,0 10,8 9,3 19,3 0,1 Abklärungen bei Personen ohne Beschwerden oder angegebene Diagnose 13 R52 Schmerz, anderenorts nicht klassifiziert 9,1 7,1 10,9 0,9 6,7 18,5 31,5 0,1 14 F32 Depressive Episode 8,8 6,0 11,5 0,4 8,0 15,0 27,9 1,3 15 M17 Gonarthrose [Arthrose des Kniegelenkes] 8,8 6,9 10,5 0,0 4,1 23,0 28,5 2,5 16 A09 Sonstige und nicht näher bezeichnete 8,6 8,9 8,3 12,8 10,1 3,3 17,3 2,4 Gastroenteritis und Kolitis infektiösen und nicht näher bezeichneten Ursprungs 17 K29 Gastritis und Duodenitis 8,1 7,2 9,0 1,4 8,2 12,0 26,6 2,5 18 M99 Biomechanische Funktionsstörungen, 7,9 6,6 9,1 2,2 8,9 9,1 20,2 0,0 anderenorts nicht klassifiziert 19 M25 Sonstige Gelenkkrankheiten, anderenorts 7,7 6,9 8,5 2,3 7,9 10,5 23,1 0,5 nicht klassifiziert 20 M53 Sonstige Krankheiten der Wirbelsäule 7,6 5,9 9,4 0,5 7,4 12,2 22,7 0,4 und des Rückens, anderenorts nicht klassifiziert 21 K21 Gastroösophageale Refluxkrankheit 7,6 7,0 8,1 0,3 6,0 14,9 27,3 0,8 22 M51 Sonstige Bandscheibenschäden 7,5 7,2 7,9 0,0 7,1 12,7 25,9 2,0 23 J20 Akute Bronchitis 7,3 7,2 7,4 14,1 6,2 5,7 18,5 2,0 24 E04 Sonstige nichttoxische Struma 7,3 3,6 10,9 0,3 5,8 14,3 22,4 0,7 25 Z27 Notwendigkeit der Impfung [Immunisie- 7,2 6,9 7,5 17,4 4,6 5,1 15,3 0,0 rung] gegen Kombinationen von Infek- tionskrankheiten 26 L30 Sonstige Dermatitis 7,1 6,4 7,8 7,4 5,7 9,6 21,1 0,2 27 H52 Akkommodationsstörungen und 6,9 5,9 8,0 6,5 2,8 15,6 23,3 0,0 Refraktionsfehler 28 I83 Varizen der unteren Extremitäten 6,9 4,0 9,8 0,0 4,5 15,7 25,7 1,2 29 Z30 Kontrazeptive Maßnahmen 6,9 0,0 13,5 2,2 11,7 0,1 15,6 0,0 30 M79 Sonstige Krankheiten des Weichteil- 6,9 5,4 8,3 2,4 7,0 9,2 23,9 0,7 gewebes, anderenorts nicht klassifiziert © urheberrechtlich geschützt 245 MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
IV Daten und Analysen 2018 in stationärer Behandlung. Lediglich bei 1% 2018 dar. In diese Obergruppe fallen beispielswei- aller Patienten war die Diagnose zugleich der se Früherkennungs- und Reihenuntersuchungen primäre Behandlungsanlass (stationäre Haupt- sowie Nachuntersuchungen nach Behandlung diagnose) für den Krankenhausaufenthalt. von bösartigen Neubildungen. Bei Frauen war Die häufigsten Behandlungsanlässe bei Kin- die Prävalenz mehr als doppelt so hoch wie bei dern und Jugendlichen, jüngeren und älteren Er- Männern, was durch eine höhere Teilnahme von wachsenen sowie bei Männern und Frauen ste- Frauen an Früherkennungsuntersuchungen zu hen elektronisch zur Verfügung. Von essentieller erklären sein dürfte (Tillmanns et al. 2019). Bei (primärer) Hypertonie und Rückenschmerzen Betrachtung der Behandlungsprävalenzen auf waren vor allem Erwachsene betroffen. Während der Ebene der Diagnosegruppen wird insbeson- bei den jüngeren Erwachsenen (bis 59 Jahre) die dere auch die hohe Prävalenz der dokumentier- Rückenschmerzen mit einer Prävalenz von 28,8% ten Gelenkerkrankungen (Arthropathien) deut- dominierten, war bei älteren Erwachsenen die lich. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung (26,2%) essentielle (primäre Hypertonie) mit einer Prä- hatte eine Diagnose aus dem Bereich der Arthro- valenz von 64,8% die häufigste dokumentierte pathien (M00-M25). In der Altersgruppe der über Behandlungsdiagnose. Bei den Kindern und Ju- 60-Jährigen war fast die Hälfte der Bevölkerung gendlichen (1–17 Jahre) dominierten wie auch in (49%) betroffen. den Vorjahren akute Infektionen der oberen und unteren Atemwege wie beispielsweise akute Bronchitis (ICD-10 J20), akute Tonsillitis (ICD-10 17.6 Inanspruchnahme innerhalb J03) oder akute Pharyngitis (ICD-10 J03). In dieser der einzelnen Leistungssektoren Altersgruppe ist zudem auch die Prävalenz von Symptomen und abnormen klinischen und La- 17.6.1 Stationäre Behandlungen borbefunden, die anderenorts nicht klassifiziert sind, hoch (z.B. ICD-10 R50 Fieber sonstiger und Im Jahr 2018 wurden von 100.000 Einwohnern unbekannter Ursache [11,5%] und R10 Bauch- und insgesamt 15.353 Personen mindestens einmal Beckenschmerzen [10,2%]). stationär behandelt (s. Abb. 3). Innerhalb der Frauen und Männer wiesen geschlechtsspe- drei Altersgruppen sind erwartungsgemäß er- zifische Besonderheiten in den Behandlungs- hebliche Unterschiede in der Inanspruchnahme häufigkeiten auf. So ist beispielsweise die do- von stationären Leistungen zu sehen. In der Al- kumentierte Behandlungsprävalenz der depres- tersgruppe der über 60-Jährigen hatte jede vierte siven Episode (ICD-10 F32) bei Frauen mit 11,5% Person mindestens eine stationäre Behandlung. fast doppelt so hoch wie bei Männern mit 6,0%. Ältere Personen wurden damit mehr als doppelt Auch spezielle Verfahren zur Untersuchung auf so oft in einer Klinik behandelt wie Erwachsene Neubildungen (ICD-10 Z12) wurden bei Frauen der Altersgruppe 18 bis 59 Jahre und etwa dreimal (28,9%) deutlich häufiger dokumentiert als bei häufiger als Kinder und Jugendliche. Männern (8,6%). Bei der Inanspruchnahme von stationären In Ergänzung hierzu stehen im elektroni- Leistungen gab es große regionale Unterschiede schen Anhang Prävalenzen und Hospitalisie- (s. Abb. 4). Die Regionen Emscher-Lippe (19.604 rungsraten des Jahres 2018 auf Ebene der ICD- Patienten je 100.000 Einwohner) und Arnsberg 10-Diagnoseobergruppen zur Verfügung. Mit (18.699 Patienten je 100.000 Einwohner) in einer Prävalenz von 37,2% stellte die Diagnose- Nordrhein-Westfalen sowie die Region Altmark gruppe Z00-Z13 (Personen, die das Gesundheits- (18.228 Patienten je 100.000 Einwohner) in wesen zur Untersuchung und Abklärung in An- Sachsen-Anhalt wiesen den höchsten Anteil an spruch nehmen) den häufigsten Behandlungs- Krankenhauspatienten auf. Besonders niedrig anlass der deutschen Wohnbevölkerung im Jahr war die Hospitalisierungsrate in weiten Teilen 246 © urheberrechtlich geschützt MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen IV 30.000 25.000 25.813 Anzahl je 100.000 Einwohner 20.000 15.000 16.281 15.353 14.399 10.000 12.038 7.485 5.000 0 Gesamt Männer Frauen 1 bis 17 Jahre 18 bis 59 Jahre ≥ 60 Jahre Abb. 3 Anzahl der jährlichen Krankenhauspatienten je 100.000 Einwohner nach Alter und Geschlecht (2018) Baden-Württembergs (Minimum in der Region Tabelle 2: Die Bedeutung der Tabellenspalten Neckar-Alb mit 12.603 Krankenhauspatienten im Einzelnen je 100.000 Einwohner). Das Statistische Bundesamt veröffentlicht Rang: Rangposition in der „Hitliste“ der häufigsten jährlich mit der DRG-Statistik Zahlen zur Ent- stationären Behandlungsanlässe des Jahres 2018 wicklung der (vollstationären) Fälle in deut- ICD-10: Dreistellige ICD-Schlüsselnummer nach ICD- schen Krankenhäusern. Der Statistik nach sind 10-GM. Es wurden auch ICD-Schlüsselnummern ein- die absoluten Fallzahlen im Zeitraum 2007 bis geschlossen, die zur Inanspruchnahme des Gesund- 2016 erheblich (insgesamt um 12,5%) gestiegen heitswesens führen und nicht als Krankheit oder Ver- (Statistisches Bundesamt 2016). Zwischen 2016 letzung klassifizierbar sind („Z-Diagnosen“). und 2018 ist ein leichter Rückgang (-1,1%) der Diagnose bzw. Behandlungsanlass: Klartextbeschrei- Fallzahlen zu beobachten (Statistisches Bun- bung der ICD-Schlüsselnummer desamt 2021b). KH-Patienten je 100.000 Einwohner: Anzahl der Perso- nen in der Gesamtbevölkerung, die – von 100.000 Ein- wohnern – im Jahr mindestens einen Krankenhausauf- Die häufigsten Behandlungsanlässe enthalt anlässlich der betreffenden Diagnose hatten. Fälle je KH-Patient: durchschnittliche Anzahl an Kran- Die 30 häufigsten stationären Behandlungsan- kenhausfällen je stationär behandeltem Patient lässe aller im Jahr 2018 abgeschlossenen voll- und teilstationären Krankenhausfälle sind in Zu den häufigsten stationären Behandlungs- Tabelle 2 dargestellt. Eine erweiterte Tabelle anlässen des Jahres 2018 zählten unverändert über die 100 häufigsten stationären Behand- Geburten (ICD-10 Z38), Herzinsuffizienz (ICD-10 lungsdiagnosen ist elektronisch verfügbar. Für I50), psychische und Verhaltensstörungen jede Patientin/jeden Patienten wird in dieser durch Alkohol (ICD-10 F10), Angina pectoris Tabelle nur die Diagnose ausgewertet, die (ICD-10 I20) und Pneumonie (ICD-10 J18). Diese hauptsächlich für die Veranlassung des statio- fünf Behandlungsanlässe führten bereits in nären Krankenhausaufenthaltes verantwort- den früheren Jahren die Liste der wichtigsten lich ist (Hauptdiagnose). Hauptdiagnosen stationärer Aufenthalten an. © urheberrechtlich geschützt 247 MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
IV Daten und Analysen Schleswig- Holstein Mecklenburg- Vorpommern Hamburg Bremen Niedersachsen Brandenburg Sachsen- Berlin Anhalt Nordrhein- Westfalen Thüringen Sachsen Hessen Rheinland- Pfalz Saarland Bayern Baden- Württemberg Anzahl der jährlichen Krankenhauspatienten je 100.000 Einwohner* 12.603–14.683 14.684–15.548 15.549–16.094 16.095–17.257 17.258–19.604 * standardisiert auf die deutsche Wohnbevölkerung Abb. 4 Anzahl der jährlichen Krankenhauspatienten je 100.000 Einwohner nach Raumordnungsregionen (2018) 248 © urheberrechtlich geschützt MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen IV Tab. 2 Die 30 häufigsten stationären Behandlungsanlässe des Jahres 2018 bei Krankenhauspatienten in Deutschland Hauptdiagnose KH-Patienten ICD-10 Diagnose bzw. Behandlungsanlass je 100.000 Fälle je Rang (Dreisteller) Einwohner KH-Patient insgesamt 15.353 1,6 1 Z38 Lebendgeborene nach dem Geburtsort 678 1,0 2 I50 Herzinsuffizienz 503 1,3 3 J18 Pneumonie, Erreger nicht näher bezeichnet 294 1,1 4 F10 Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol 287 1,7 5 S06 Intrakranielle Verletzung 278 1,1 6 I48 Vorhofflimmern und Vorhofflattern 275 1,2 7 I63 Hirninfarkt 274 1,2 8 I20 Angina pectoris 271 1,1 9 J44 Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit 268 1,5 10 M54 Rückenschmerzen 257 1,1 11 K80 Cholelithiasis 256 1,2 12 I10 Essentielle (primäre) Hypertonie 255 1,1 13 I21 Akuter Myokardinfarkt 240 1,2 14 M17 Gonarthrose [Arthrose des Kniegelenkes] 221 1,0 15 I70 Atherosklerose 219 1,3 16 E11 Diabetes mellitus, Typ 2 209 1,2 17 A09 Sonstige und nicht näher bezeichnete Gastroenteritis und Kolitis 207 1,0 infektiösen und nicht näher bezeichneten Ursprungs 18 I25 Chronische ischämische Herzkrankheit 206 1,1 19 K29 Gastritis und Duodenitis 201 1,0 20 F33 Rezidivierende depressive Störung 193 1,2 21 S72 Fraktur des Femurs 189 1,1 22 N39 Sonstige Krankheiten des Harnsystems 189 1,1 23 K40 Hernia inguinalis 186 1,0 24 R07 Hals- und Brustschmerzen 183 1,0 25 R55 Synkope und Kollaps 179 1,0 26 M16 Koxarthrose [Arthrose des Hüftgelenkes] 178 1,0 27 O80 Spontangeburt eines Einlings 172 1,0 28 R10 Bauch- und Beckenschmerzen 170 1,0 29 E86 Volumenmangel 169 1,1 30 A41 Sonstige Sepsis 163 1,1 © urheberrechtlich geschützt 249 MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
IV Daten und Analysen 25 Anzahl Arzneiverordnungen je Einwohner 20 21,1 15 10 11,0 10,2 9,5 5 5,4 6,1 0 Gesamt Männer Frauen 1 bis 17 Jahre 18 bis 59 Jahre ≥ 60 Jahre Abb. 5 Anzahl der jährlichen Arzneiverordnungen je Einwohner nach Geschlecht und Alter (2018) Allerdings ist die Häufigkeit insgesamt im mittel erhalten. Auf jeden dieser Arzneimittel- Niveau gestiegen. Beispielsweise ist die Zahl patienten entfielen im Mittel 13,4 Verordnun- der Krankenhauspatienten je 100.000 Einwoh- gen und rein rechnerisch im Durchschnitt ner mit Hauptdiagnose Herzinsuffizienz (ICD- 804 Tagesdosen mindestens eines Arzneimittels 10 I50) von 347 im Jahr 2010 auf 503 im Jahr 2018 (vgl. Wirkstoffgruppen gemäß ATC-Klassifika- angestiegen (Gerste et al. 2012; Schmuker et al. tion im elektronischer Anhang). 2019). Bezogen auf die Gesamtbevölkerung wurden Auf alle Personen der deutschen Wohnbe- im Jahr 2018 je Einwohner im Mittel 10,2 Arz- völkerung, die 2018 stationär behandelt wur- neimittel verordnet (s. Abb. 5). Die Häufigkeit den, entfielen im Mittel 1,6 Krankenhausfälle. von Arzneiverordnungen variiert in Abhängig- Das bedeutet, dass ein Großteil der Patienten keit vom Alter erkennbar. Während es bei Kin- im Jahr 2018 mehr als einmal in ein Kranken- der und Jugendlichen (1 bis 17 Jahren) und bei haus aufgenommen wurde. Die Anzahl der Erwachsenen mittleren Alters (18 bis 59 Jahren) Krankenhausfälle je Patient schwankte jedoch ca. 6 jährliche Verordnungen waren, erhielten in Abhängigkeit von der Hauptdiagnose. Bös- ältere Personen durchschnittlich 21,1 Arznei- artige Neubildungen der Bronchien und der verordnungen. Lungen (ICD-10 C34), der Harnblase (ICD-10 C67) In Abhängigkeit von der geografischen Re- und des Kolons (ICD-10 C18) waren am häufigs- gion streute die Häufigkeit von Arzneiverord- ten für mehrfache stationäre Aufenthalte ver- nungen im Jahr 2018 deutlich (s. Abb. 6). Mit antwortlich, gefolgt von psychischen und Ver- mehr als 13,6 Verordnungen pro Einwohner la- haltensstörungen durch Alkohol (ICD-10 F10). gen die Regionen Vorpommern, Westmecklen- burg und Saar an der Spitze des Verordnungs- geschehens. Die niedrigsten Raten (< 8,5 Ver- 17.6.2 Arzneiverordnungen ordnungen je Einwohner) wurden in den Bun- desländern Bayern und Baden-Württemberg Im Jahr 2018 haben mit 77,1% über drei Viertel dokumentiert und hier speziell in den Regionen der deutschen Bevölkerung mindestens eine Allgäu, Oberland, München, Südostoberbayern Verordnung für ein erstattungsfähiges Arznei- und Donau-Iller. 250 © urheberrechtlich geschützt MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen IV Schleswig- Holstein Mecklenburg- Vorpommern Hamburg Bremen Brandenburg Niedersachsen Sachsen- Berlin Anhalt Nordrhein- Westfalen Thüringen Sachsen Hessen Rheinland- Pfalz Saarland Bayern Baden- Württemberg Anzahl der jährlichen Arzneiverordnungen je Einwohner * 7,22–8,46 8,47–9,18 9,19–9,67 9,68–10,44 10,44–13,64 * standardisiert auf die deutsche Wohnbevölkerung Abb. 6 Anzahl der jährlichen Arzneiverordnungen je Einwohner nach Raumordnungsregionen (2018) © urheberrechtlich geschützt 251 MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
IV Daten und Analysen Arzneiverordnungen nach therapeutischer Antibiotika mit 15 Tagesdosen verordnet, bei Wirkstoffgruppe den Antiphlogistika und Antirheumatika wa- ren es 2,0 Packungen mit 55 DDD. Die ver- Abbildung 7: Die Bedeutung der Kennziffern gleichsweise niedrigen DDD-Mengen bei den im Einzelnen Antibiotika weisen darauf hin, dass diese bei- den Wirkstoffgruppen primär bzw. häufig zur Wirkstoffgruppe mit ATC-Code: Zweite hierarchische Behandlung akuter oder schubweiser Krank- Ebene des anatomisch-therapeutisch-chemischen heitsverläufe eingesetzt werden. Anders ver- Klassifikationssystems (ATC): therapeutische Unter- hält es sich bei chronischen Erkrankungen wie gruppe mit dreistelligem ATC-Code. Eine verlässliche Hypertonie oder Diabetes mellitus, die einen Zuordnung der Arzneimittel zu ATC-Gruppen samt Be- kontinuierlichen Behandlungsbedarf erfor- stimmung der verordneten Tagesdosen in DDD kann dern. Dementsprechend hoch sind die Tages- nur für Fertigarzneimittel vorgenommen werden, die dosen bei Mitteln mit Wirkung auf das Renin- entsprechend klassifiziert sind. Angiotensin-System (ATC C09; 581 DDD je Arz- Verordnungsrate: Verordnungsrate je ATC-Gruppe. neimittelpatient) oder bei den Antidiabetika Anteil der Personen in der Gesamtbevölkerung, die (ATC A10; 468 DDD je Arzneimittelpatient). Ins- im Jahr mindestens eine Verordnung aus der betref- gesamt ist im GKV-Arzneimittelmarkt ein kon- fenden Wirkstoffgruppe erhalten haben. tinuierlicher Anstieg des Verordnungsvolu- Verordnungen je Arzneimittelpatient der ATC-Grup- mens nach definierten Tagesdosen (DDD) zu pe: durchschnittliche Anzahl an Verordnungen, die beobachten. Zwischen 2008 und 2018 sind die ein Patient mit Verordnung in der betreffenden Wirk- definierten Tagesdosen im Gesamtmarkt (Ge- stoffgruppe erhalten hat nerika und patentgeschützte Arzneimittel) von Tagesdosen (DDD) je Arzneimittelpatient der ATC- 32,3 Mrd. auf 41,4 Mrd. und damit um fast 30% Gruppe: verordnete Arzneimittelmenge (Angabe in gestiegen (Schwabe et al. 2018). DDD) je Patient Einen Überblick über die häufigsten im Jahr 17.6.3 Ärztliche Inanspruchnahme 2018 verordneten Wirkstoffgruppen gemäß ATC-Klassifikation liefert Abbildung 7. Darge- Im Jahr 2018 haben 90,5% der deutschen Wohn- stellt wurde der prozentuale Anteil an Personen bevölkerung mindestens einmal einen ambu- mit einer Verordnung der jeweiligen Wirkstoff- lant tätigen Vertragsarzt aufgesucht (vgl. elek- gruppe bezogen auf die deutsche Wohnbevölke- tronischer Anhang). Bezogen auf die Gesamt- rung. Die ebenso dargestellten definierten Ta- bevölkerung entfielen auf jede Person durch- gesdosen (DDD) beziehen sich dagegen aus- schnittlich 8,1 ambulante Behandlungsfälle schließlich auf diejenigen Patienten, die tat- (s. Abb. 8). Dabei gelten mehrere Praxisbesuche sächlich eine entsprechende Medikation ver- eines Patienten pro Quartal bei ein und demsel- ordnet bekamen. Die DDD wird dabei als Maß ben Arzt als ein einziger Behandlungsfall. Im für die verordnete Arzneimittelmenge verwen- Mittel wurden pro Person und Quartal demzu- det. Wie auch in früheren Jahren wurden sowie folge mehr als zwei ambulant tätige Vertrags- Antiphlogistika und Antirheumatika (ATC M01) ärzte aufgesucht. Erwartungsgemäß war die In- sowie Antibiotika zur systemischen Anwen- anspruchnahme ambulanter Leistungen bei äl- dung (ATC J01)besonders häufig verordnet teren Erwachsenen der Altersgruppe (60 Jahre (Gerste et al. 2016; Schmuker et al. 2019). Fast und älter) am höchsten (11,6 Behandlungsfälle ein Drittel der Deutschen hat 2018 mindestens je Einwohner). eine solche Verordnung erhalten. Je Arzneimit- Die kartografische Darstellung ambulanter telpatient wurden im Mittel 1,7 Packungen Behandlungsfälle je Einwohner zeigte eine 252 © urheberrechtlich geschützt MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen IV Tagesdosen (DDD) Wirkstoffgruppe mit ATC-Code (3-stellig) je Arzneimittelpatient Antiphlogistika und Antirheumatika M01 29,6 53 Antibiotika zur systemischen Anwendung J01 28,2 15 Mittel mit Wirkung auf das Renin-Angiotensin-System C09 22,3 581 Analgetika N02 19,7 51 Mittel bei Säure bedingten Erkrankungen A02 17,6 314 Beta-Adrenozeptor-Antagonisten C07 15,6 192 Mittel, die den Lipidstoffwechsel beeinflussen C10 11,1 317 Schilddrüsentherapie H03 10,9 208 Antithrombotische Mittel B01 10,4 247 Mittel bei obstruktiven Atemwegserkrankungen R03 10,0 193 Ophthalmika S01 9,0 110 Husten- und Erkältungspräparate R05 9,0 17 Diuretika C03 9,0 309 Psychoanaleptika N06 8,8 265 Corticosteroide, dermatologische Zubereitungen D07 8,3 55 Calciumkanalblocker C08 8,1 398 Antidiabetika A10 7,7 468 Rhinologika R01 7,5 47 Corticosteroide zur systemischen Anwendung H02 6,2 95 Psycholeptika N05 5,9 151 Rezepturen V70 4,6 0 Sexualhormone und Modulatoren des Genitalsystems G03 4,1 215 Antimykotika zur dermatologischen Anwendung D01 4,0 29 Gichtmittel M04 3,8 147 Diagnostika V04 3,5 677 Antiepileptika N03 3,4 196 Vitamine A11 3,4 222 Urologika G04 3,4 280 Mittel bei funktionellen gastrointestinalen Störungen A03 3,3 23 Antianämika B03 3,0 156 0 5 10 15 20 25 30 Anteil Personen mit Verordnung (%) Abb. 7 Die am häufigsten verordneten Wirkstoffgruppen in Deutschland (2018) leicht überdurchschnittliche Konsultation am- den Regionen Arnsberg (Nordrhein-Westfalen) bulanter Ärzte in Nordost- und Mitteldeutsch- und Altmark (Sachsen-Anhalt) dokumentiert. land (s. Abb. 9). So lagen die Regionen Oberfran- Diese Regionen wiesen also die geringste ambu- ken und Würzburg sowie mittleres Mecklen- lante Behandlungshäufigkeit auf, während sie burg/Rostock mit mehr als 8,8 Behandlungsfäl- zugleich als Regionen mit besonders hoher An- len je Einwohner an der Spitze der ambulanten zahl stationärer Aufenthalte je 100.000 Einwoh- ärztlichen Inanspruchnahme. Weniger als ner auffielen. 7,4 Behandlungsfälle je Einwohner wurden in © urheberrechtlich geschützt 253 MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
Sie können auch lesen