17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen

Die Seite wird erstellt Rene Wiegand
 
WEITER LESEN
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme
   von Gesundheitsleistungen
          Caroline Schmuker, Ghassan Beydoun und Christian Günster
          C. Günster | J. Klauber | B.‑P. Robra | C. Schmuker | A. Schneider (Hrsg.) Versorgungs-Report Klima und Gesundheit.
          DOI 10.32745/9783954666270-17, © MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin 2021

Der Beitrag berichtet für das Jahr 2018 die Häufigkeit von      17.1 Einführung
Erkrankungen und Behandlungen in Deutschland. Die Ana-
lysen basieren auf standardisierten Abrechnungsdaten von        Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO)
AOK-Versicherten. Dargestellt werden administrative Be-         stellt regelmäßig seit 2011 mit dem Versorgungs-
handlungsprävalenzen nach den dreistelligen Diagnose-           Report Kennzahlen zum Krankheitsgeschehen
schlüsseln und den Diagnoseobergruppen des ICD-10. Zu-          und zur Inanspruchnahme von medizinischen
sätzlich werden in den vier ausgabenwirksamsten Leis-           Leistungen zur Verfügung. Der aktuelle Beitrag
tungssektoren (stationäre Versorgung, ambulant-ärztliche        stellt administrative Behandlungsprävalenzen
Versorgung, Arzneimittel- und Heilmittelversorgung) Kenn-       nach den dreistelligen ICD-10-Diagnoseschlüs-
ziffern zur Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen           seln und nach übergreifenden Diagnoseober-
berichtet.                                                      gruppen bezogen auf das Jahr 2018 dar. Die Dia-
                                                                gnoseinformationen werden ergänzt um Hospi-
This article reports the frequency of diseases and treat-       talisierungsraten, sodass die Bedeutung einer
ments in Germany for 2018. Analyses are based on stand-         Erkrankung für die stationäre Versorgung trans-
ardised administrative claims data of the Local Health In-      parent wird. Darüber hinaus nimmt der Versor-
surance Funds (AOK). The article presents administrative        gungs-Report die Versorgung der Versicherten
prevalence rates according to three character ICD-10 diag-      innerhalb der vier Leistungsbereiche stationäre
nosis codes and ICD-10 main groups. In addition, key fig-       Versorgung, ambulante vertragsärztliche Ver-
ures on the utilisation of health services in the four most     sorgung, Arznei- und Heilmittelversorgung in
cost-intensive sectors of the health care system are report-    den Blick. Alters-und geschlechtsspezifische
ed separately: inpatient care, outpatient care, pharmaceu-      Kennzahlen der Inanspruchnahme werden bun-
tical and remedy care.                                          desweit sowie in regionaler Differenzierung
                                                                (kartografisch) ausgewiesen. In Ergänzung zu
                                                                diesem Kapitel bietet der Versorgungs-Report ta-

                                              © urheberrechtlich geschützt                                              235
                                MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
IV Daten und Analysen

bellarische Übersichten über die Behandlungs-                       17.2 Datengrundlage
häufigkeiten von mehr als 1.500 dokumentier-
ten Einzeldiagnosen bzw. 268 Diagnoseober-                          17.2.1 Abrechnungsdaten
gruppen sowie weitere Einzelauswertungen, die
als elektronischer Anhang zu diesem Buchkapi-                       Datengrundlage für diesen Beitrag sind die
tel zur Verfügung gestellt werden1.                                 bundesweiten anonymisierten Abrechnungs-
    Darstellung und Analysen im Versorgungs-                        daten aller AOK-Versicherten mit mindestens
Report sind personenbezogen, d.h. Leistungs-                        einem Versichertentag im Auswertungsjahr.
oder Diagnoseinformationen aus verschiede-                          Für die präsentierten Querschnittsanalysen des
nen Sektoren werden versichertenbezogenen                           Jahres 2018 liegen Angaben von 27,8 Mio. Ver-
(anonymisiert) zusammengeführt und ausge-                           sicherten vor (s. Abb. 1). Die im Folgenden
wertet. Erst der Personenbezug erlaubt die                          dargestellten Kennzahlen werden jeweils
Schätzung von epidemiologischen Kennzahlen                          nach Geschlecht, sowie differenziert für die Al-
wie Prävalenzen und Inzidenzen. Fallbezogene                        tersgruppen Kinder und Jugendliche (1 bis
Statistiken dagegen (z.B. die Krankenhaussta-                       17 Jahre), mittlere Erwachsene (18 bis 59 Jahre)
tistik des Statistisches Bundesamtes) ermögli-                      und ältere Erwachsen (60 Jahre und älter) auf-
chen zwar Aussagen zur Zahl der Krankenhaus-                        bereitet.
fälle, lassen aber keinen Rückschluss auf die                           Für diesen Beitrag wurden die folgenden Ab-
Zahl der Personen mit einer Erkrankung oder                         rechnungs- und Stammdaten versichertenbe-
die Häufigkeit der Krankenhausaufenthalte                           zogen (anonymisiert) zusammengeführt und
eines Patienten zu.                                                 ausgewertet:
    Die vorliegenden Auswertungen basieren                          „ Versichertenstammdaten (nach § 288,
auf den Routinedaten von AOK-Versicherten im                            SGB V)
Jahr 2018, die mehr als ein Drittel der gesetzli-                   „ ambulante vertragsärztliche Versorgung
chen Krankenversicherung (GKV) und mehr als                             (nach § 295, Abs. 2, SGB V)
30% der deutschen Bevölkerung repräsentie-                          „ Arzneimittelabrechnung (nach § 300, Abs. 1,
ren2. Kennzahlen in diesem Beitrag sind hin-                            SGB V)
sichtlich Alter und Geschlecht standardisiert                       „ stationäre Versorgung (nach § 301, Abs. 1,
und auf die deutsche Wohnbevölkerung des                                SGB V)
Jahres 2018 hochgerechnet.                                          „ Heilmittelversorgung (nach § 302, Abs. 1,
    Der Beitrag gliedert sich in die Beschreibung                       SGB V)
der Datengrundlage (s. Kap. 17.2) Methoden
(s. Kap. 17.3) und Limitationen bei der Nutzung                     Die Daten geben Auskunft über die in Deutsch-
der AOK-Versichertendaten (s. Kap. 17.4) sowie                      land behandelten Erkrankungen, so wie sie von
die Darstellung der Kennzahlen zur Behand-                          Ärzten dokumentiert werden, und darüber,
lungshäufigkeit (s. Kap. 17.5) und Inanspruch-                      welche therapeutischen und diagnostischen
nahme von Gesundheitsleistungen (s. Kap. 17.6)                      Leistungen in der Behandlung erbracht wur-
im Jahr 2018.                                                       den. Dabei können verschiedene Institutionen
                                                                    und Personen (Kliniken und niedergelassene
                                                                    Ärzte) beteiligt gewesen sein.
1 Auffindbar im Open Access-Portal der Medizinisch Wissen-             Die folgenden Abschnitte beschreiben den
  schaftlichen Verlagsgesellschaft: https://www.mwv-open.de/
  site/books/e/10.32745/9783954666270/                              sozialrechtlichen Rahmen der Leistungsdaten-
2 Laut Mitgliederstatistik des Bundesministeriums für Gesund-       übermittlung und präzisieren die Kriterien, die
  heit gab es im Jahresdurchschnitt 2018 26,5 Mio. AOK-Ver-         für die Datenselektion in diesem Beitrag ange-
  sicherte und 72,8 Mio. GKV-Versicherte (jeweils inkl. mitversi-
  cherter Angehöriger). Stand der deutschen Wohnbevölkerung         wendet wurden.
  am 31.12.2018 war laut Statistischem Bundesamt 83,0 Mio.

236                                           © urheberrechtlich geschützt
                                MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen                                                                            IV
                          30

                                    27,8
                          25
AOK-Versicherte* (Mio.)

                          20

                          15
                                                                                                               15,3
                                                       13,7               14,0
                          10

                                                                                                                               7,8
                           5
                                                                                             4,4
                           0
                                   Gesamt            Männer              Frauen         1 bis 17 Jahre    18 bis 59 Jahre   ≥ 60 Jahre

 * Basierend auf allen Personen, die im Jahr 2018 mindestens einen Tag bei der AOK versichert waren. Umfasst daher mehr Personen als
   der Jahresdurchschnitt 2018 der Mitgliederstatistik des BMG (KM1/13). Zielpopulation für die folgenden Auswertungen.
Abb. 1                         AOK-Versicherte nach Geschlecht und Altersgruppen im Jahr 2018 (in Mio.)

Arzneimittelversorgung                                                              lichen alle Verordnungen von Fertigarzneimit-
                                                                                    teln, Rezepturen, Diagnostika und Substitu-
Gemäß § 300 SGB V werden Daten zu allen ver-                                        tionstherapie-Präparate berücksichtigt.
schreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln
und Nicht-Fertigarzneimitteln übermittelt, die
von einem niedergelassenen Vertragsarzt auf                                         Stationäre Versorgung
Rezepten zulasten der GKV verordnet und über
eine öffentliche Apotheke abgerechnet wur-                                          Im Rahmen der stationären Versorgung von
den. Dabei werden auch Angaben zum Apothe-                                          GKV-Versicherten übermitteln die Kliniken
kenverkaufspreis, zum Verordnungs- und Ab-                                          je Behandlungsfall Angaben zum Versicher-
gabedatum sowie zum verordnenden Arzt do-                                           ten, zum Aufnahme- und Entlassungsdatum,
kumentiert. Das Verordnungsdatum bestimmt                                           Diagnosedaten sowie den Rechnungsbetrag.
die Zuordnung der Leistung zum Berichtszeit-                                        Die Entlassungsdiagnosen – obligate Hauptdia-
raum. Ausgabenschätzungen für Arzneiverord-                                         gnose und fakultative Nebendiagnose(n) – sind
nungen zulasten der GKV basieren auf dem je-                                        im Rahmen der Krankenhausabrechnung
weiligen Bruttoumsatz inklusive Zuzahlung                                           rechnungsbegründend und werden daher sys-
durch den Versicherten (Apothekenverkaufs-                                          tematisch erfasst. Für die Analysen wurden
preis). Fertigarzneimittel lassen sich durch die                                    alle abgeschlossenen voll- und teilstationären
sogenannte Pharmazentralnummer eindeutig                                            Aufenthalte ausgewertet. Leistungen wurden
einem Handelsnamen, dem Hersteller, der                                             gemäß Entlassungsdatum dem Behandlungs-
Wirkstoffstärke sowie der Packungsgröße zu-                                         jahr zugeordnet. Zur Bestimmung von Be-
ordnen. Auf Basis der Pharmazentralnummer                                           handlungsprävalenzen wurde auf die Haupt-
werden im WIdO die Zuordnungen von Fertig-                                          und Nebendiagnose der stationären Behand-
arzneimitteln zu den jeweiligen Wirkstoffgrup-                                      lung zurückgegriffen. Der primäre Behand-
pen vorgenommen (vgl. Kap. 17.2.2). Für die                                         lungsanlass wurde über die Hauptdiagnose er-
Analysen in diesem Beitrag wurden im Wesent-                                        fasst.

                                                                  © urheberrechtlich geschützt                                           237
                                                    MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
IV Daten und Analysen

Ambulante Versorgung                                     Facharztrichtungen tätig sind (z.B. als Gemein-
                                                         schaftspraxis organisierte Facharztpraxen) wur-
Grundlage sind die von einem ambulant tätigen            den in der bisherigen Darstellung der Kategorie
Vertragsarzt durchgeführten Leistungen des               „fachgruppenübergreifende Facharztpraxen“
GKV-Leistungsbereichs. Diese Leistungen wer-             zugeteilt. Allerdings nimmt der Anteil der Per-
den, sofern es sich um kollektivvertragliche Leis-       sonen, die in fachübergreifenden Facharztpra-
tungen handelt, einmal pro Quartal über eine             xen behandelt werden, stetig zu (2010: 47,3%;
der 17 regional zuständigen Kassenärztlichen             2016: 52,1%), was zu einer zunehmenden Unter-
Vereinigungen abgerechnet und die Daten an-              schätzung der Behandlungsraten bei einzelnen
schließend an die Krankenkassen weitergelei-             Facharztgruppen führt. Das betrifft insbeson-
tet. Als ein Behandlungsfall gilt die Konsulta-          dere Facharztgruppen, die häufig in Gemein-
tion eines Versicherten bei einem Vertragsarzt           schaftspraxen tätig sind, darunter z.B. die fach-
in einem Quartal; dabei ist die Anzahl der Pra-          ärztlichen Bereiche Orthopädie und Chirurgie.
xisbesuche im Quartal unerheblich. Eine Person              Das neue Verfahren zur Bestimmung der
erzeugt mehr als einen Behandlungsfall pro               Facharztgruppe setzt auf den Grund- und Ver-
Quartal, wenn sie im selben Quartal mehrere              sichertenpauschalen der jeweiligen Fachärzte
Ärzte aufsucht. Zu jedem Abrechnungsfall wer-            gemäß dem EBM-Katalog auf. Die EBM-Fach-
den quartalsweise die Behandlungsdiagnosen               arztgruppen werden für die Darstellung im Ver-
mit Angabe der Diagnosesicherheit (gesicherte            sorgungs-Report zu 16 Facharztgruppen zusam-
Diagnose, ausgeschlossene Diagnose, Ver-                 mengefasst (EBM-Fachgruppenzuordnung s.
dachtsdiagnose, symptomloser Zustand) ko-                elektronischer Anhang). Wie zuvor werden
diert. Gemäß § 295 SGB V sind in beiden Fällen           Leistungen aus Kollektiv- und selektivvertrag-
die amtlichen und aktuell gültigen Fassungen             licher Versorgung berücksichtigt. Bei der neu-
des DIMDI zu nutzen (vgl. Kap. 17.2.2). Zur Er-          en Auswertung nach EBM-Facharztgruppen
mittlung der hier dargestellten Behandlungs-             sind einige Besonderheiten zu berücksichtigen:
prävalenzen werden ausschließlich gesicherte             „ Die Kategorie „Hausarzt“ ersetzt die Facharztgrup-
Diagnosen herangezogen. Es werden Behand-                   pe der „Allgemeinmediziner“. Es werden
lungsdiagnosen aus kollektivvertraglicher und               alle Behandlungsfälle gezählt, die zur Ab-
selektivvertraglicher Versorgung berücksichtigt.            rechnung einer hausärztlichen Grundpau-
                                                            schale geführt haben. Insofern können auch
                                                            andere Facharztgruppen (z.B. Kardiologen)
Neue Zuordnung der Behandlungsfälle                         an der Versorgung beteiligt gewesen sein,
zu EBM-Facharztgruppen                                      sofern sie jeweils eine Zulassung oder Er-
                                                            mächtigung zur Teilnahme an der hausärzt-
Mit der vorliegenden Ausgabe des Versorgungs-               lichen Versorgung hatten.
Reportes wird das Verfahren zur Auswertung               „ Die Kategorie „Notfall“ ist ein gesonderter ver-
der fachärztlichen Inanspruchnahme umge-                    tragsärztlicher Versorgungsbereich, an dem
stellt. Im bisherigen Verfahren wurden Behand-              sich grundsätzlich alle EBM-Facharztgrup-
lungsfälle über die Betriebsstättennummer                   pen über den kassenärztlichen Bereit-
(BSNR) des Vertragsarztsitzes einer Facharzt-               schaftsdienst sowie die Notfallambulanzen
gruppe zugeordnet. Die BSNR ermöglicht es,                  der Krankenhäuser beteiligen.
über eine Schlüsseltabelle (nach Richtlinie der          „   In der Kategorie „Weitere vertragsärztliche Leistungen
Kassenärztlichen Bundesvereinigung [KBV]) die                ohne Versicherten- bzw. Grundpauschale“ werden Be-
Facharztgruppe des abrechnenden Arztes ein-                  handlungsfälle gezählt, für die keine Versi-
deutig zu ermitteln. Arztpraxen (Betriebsstät-               cherten- bzw. Grundpauschale und keine
ten) in denen mehrere Ärzte verschiedener                    ambulanten Notfallleistungen nach dem

238                                    © urheberrechtlich geschützt
                         MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen                                             IV
    EBM-Kapitel 1.2 abgerechnet wurden. Hier-               nosen in der ambulanten und stationären Ver-
    bei handelt es sich oftmals um Leistungen               sorgung in Deutschland. Für die Analysen des
    ohne Versichertenkontakt, darunter be-                  Beitrags wird die Ausgabe der ICD-10-GM für das
    stimmte Laborleistungen oder Sachkosten                 Jahr 2018 genutzt (DIMDI 2018a). Die vorliegen-
    (z.B. Arztbriefe).                                      den Analysen basieren auf den ICD-Schlüssel-
„   In der Kategorie „Fälle mit mehreren Grundpauschalen“   nummern der Haupt- und Nebendiagnosen sta-
    (s. Abb. 10) werden Behandlungsfälle mit                tionärer Behandlungen sowie den gesicherten
    mehr als einer Grund- bzw. Versicherten-                Diagnosen aus der ambulanten vertragsärztli-
    pauschale gezählt. Dabei handelt es sich                chen Versorgung. Im vorliegenden Kapitel er-
    häufig um labormedizinische Leistungen in               folgte die Auswertung der Behandlungshäufig-
    Verbindung mit einer gynäkologischen Kon-               keiten auf der Basis von dreistelligen Einzeldia-
    sultation. Diese Behandlungsfälle werden                gnosen (ICD-10-Dreisteller). In Ergänzung hier-
    in der Darstellung gesondert ausgewiesen.               zu werden Behandlungshäufigkeiten auf Ebene
                                                            der ICD-10-Diagnoseobergruppen im elektroni-
                                                            schen Anhang zur Verfügung gestellt. Abwei-
Heilmittelversorgung                                        chend vom ICD-10-Katalog werden in diesem
                                                            Beitrag Obergruppen weiter unterteilt, um zwi-
Basis sind Heilmittelleistungen – also Physio-              schen akuten Zuständen und i.d.R. nicht be-
therapie, Ergotherapie, Podologie und Sprach-               handlungsbedürftigen Erkrankungen zu diffe-
therapie –, die von einem niedergelassenen Ver-             renzieren. Auf diese Weise sind 268 Obergrup-
tragsarzt zulasten der GKV verordnet und von                pen entstanden – die Modifikationen sind in der
einem zur Heilmittelversorgung zugelassenen                 Auswertung mit einem Sternchen (*) am ICD-
Leistungsanbieter erbracht werden. Indikatio-               Code gekennzeichnet
nen, die zur Verordnung eines Heilmittels füh-
ren, werden nach dem im jeweiligen Auswer-
tungsjahr gültigen Heilmittelkatalog klassifi-              Klassifikation von Arzneimittelwirkstoffen
ziert. Die erbrachten Leistungen lassen sich
über eine fünfstellige bundeseinheitliche Heil-             Wirkstoffe von Fertigarzneimitteln werden auf
mittelpositionsnummer eindeutig zuordnen.                   der Basis der eindeutigen Pharmazentralnum-
Bei der Abrechnung erhalten die Krankenkas-                 mer nach der Anatomisch-Therapeutischen
sen außerdem die auf der Heilmittelverord-                  Klassifikation (ATC) verschlüsselt. Für diesen
nung dokumentierten Angaben zum Versicher-                  Beitrag wird der ATC-Index des GKV-Arzneimit-
ten (Alter, Geschlecht, Wohnort), zum verord-               telindex des jeweiligen Auswertungsjahres
nenden Arzt, zum Verordnungsdatum sowie                     (hier 2018) verwendet, der Spezifizierungen für
zum Leistungserbringer. Bei Zählung der Leis-               den deutschen Arzneimittelmarkt enthält und
tungen wurden nur therapeutische Leistungen                 in dem auch die definierten Tagesdosen (DDD)
berücksichtigt (ohne Zusatzleistungen).                     festgelegt sind (DIMDI 2018b). Das WIdO passt
                                                            diese Systematik kontinuierlich an die Beson-
                                                            derheiten der Versorgungssituation in Deutsch-
17.2.2 Klassifikationen                                     land an (Fricke et al. 2018)

Klassifikation von Erkrankungen
                                                            Raumordnungsregionen
Die für Deutschland modifizierte Internationale
statistische Klassifikation der Krankheiten (ICD-           Als Bezugsrahmen für die großräumigen Ana-
10-GM) ist die amtliche Klassifikation für Diag-            lysen von Diagnose- und Erkrankungshäufig-

                                            © urheberrechtlich geschützt                                 239
                              MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
IV Daten und Analysen

keiten in diesem Beitrag wurden die 96 Raum-            anspruchnahme von Gesundheitsleistungen ha-
ordnungsregionen des Bundesinstituts für                ben, wurde in diesem Beitrag zur Berechnung
Bau‑, Stadt- und Raumforschung (BBSR 2017)              der verschiedenen Kennzahlen eine direkte Al-
verwendet. Die Zuordnung erfolgt auf Basis der          ters- und Geschlechtsstandardisierung vorge-
in den Daten der Mitgliederbestandsführung              nommen (Kreienbrock et al. 2012). Dabei wurden
gespeicherten Postleitzahl des Versicherten-            für die AOK-Versicherten die entsprechenden
wohnortes. Die Zuordnung des Versicherten-              Kennzahlen in Geschlechts- und Altersklassen
wohnortes zu einem Bundesland geschieht                 berechnet und mit der Geschlechts- und Alters-
über den Kreis-Gemeindeschlüssel, der jährlich          zusammensetzung der deutschen Wohnbevöl-
von der Post zur Verfügung gestellt wird. Zu be-        kerung gewichtet. Es wurden die in Abbildung 2
achten ist, dass sich die empirisch festgelegten        gezeigten Altersklassen genutzt. Bei alters- und
Raumordnungsregionen nicht zwangsläufig                 geschlechtsübergreifenden Darstellungen wur-
mit den amtlich festgelegten Regionalgrenzen            den die derartig gewichteten Kennzahlen ent-
von Gemeinden, Kreisen oder Bundesländern               sprechend aufsummiert. Bei den regionalisier-
decken. Bei Stadtstaaten wie beispielsweise             ten Darstellungen wurde die Vergleichbarkeit
Bremen können die für das Bundesland doku-              der einzelnen Regionen hergestellt, indem auch
mentierten Behandlungshäufigkeiten daher                hier die Alters- und Geschlechtsstruktur in ganz
von den Behandlungshäufigkeiten der Raum-               Deutschland zugrunde gelegt und auf die deut-
ordnungsregion Bremen abweichen.                        sche Wohnbevölkerung standardisiert wurde.
                                                        Unterschiede in der (regionalen) Inanspruch-
                                                        nahme von medizinischen Leistungen sind so-
17.3 Methoden                                           mit nicht auf demografische Unterschiede zu-
                                                        rückzuführen.
17.3.1 Alters- und Geschlechts-
       standardisierung
                                                        17.3.2 Kennzahlen für Behandlungs-
Die Alters- und Geschlechtsstruktur der AOK-                   häufigkeiten und die Inanspruch-
Versicherten unterscheidet sich teilweise von                  nahme von Gesundheitsleistungen
der der bundesdeutschen Wohnbevölkerung. So
liegt der Anteil der Frauen im Alter von 35 bis         Bestimmung der administrativen Behandlungs-
65 Jahren bei AOK-Versicherten unter dem Bun-           prävalenzen
desdurchschnitt, während Frauen ab einem Al-
ter von 75 Jahren in der AOK überproportional           Dieser Beitrag weist Behandlungsprävalenzen
häufig vertreten sind (s. Abb. 2). Männer sind          für die häufigsten Erkrankungen bzw. Behand-
vor allem im jüngeren Erwachsenenalter zwi-             lungsanlässe für das Jahr 2018 aus. Die Jahresprä-
schen 18 und 35 Jahren in der AOK überrepräsen-         valenz einer Erkrankung wurde definiert als die
tiert, im höheren Erwachsenenalter (zwischen            Anzahl aller Personen mit der Zieldiagnose (Ana-
45 und 75 Jahren) hingegen liegt der Anteil der         lysepopulation) bezogen auf alle Versicherten
Männer (vergleichbar zu den Frauen) unter dem           mit mindestens einem Versichertentag im Jahr
Bundesdurchschnitt, wenngleich die Differenz            2018. Die Daten dafür beruhen auf den stationär
zur deutschen Wohnbevölkerung bei ihnen ge-             gestellten oder – wenn keine Krankenhausbe-
ringer ausfällt als bei den Frauen. Zudem weist         handlung vorlag – auf ambulant dokumentierten
die AOK im Jahr 2018 einen überdurchschnittli-          gesicherten Diagnosen. Sämtliche ausgewiese-
chen Anteil an hochbetagten Menschen (insbe-            nen Prävalenzen sind daher als dokumentierte
sondere Frauen über 80 Jahre) auf. Da diese             Behandlungsprävalenz bzw. administrative Prä-
Merkmale einen Einfluss auf Morbidität und In-          valenz zu interpretieren. Allerdings beziehen

240                                   © urheberrechtlich geschützt
                        MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen                                                       IV
                                                   Altersgruppen
                                                        (Jahre)
              Männer                                      ≥ 95                                         Frauen
                                                        90–94
                                                        85–89
                                                        80–84
                                                        75–79
                                                         70–74
                                                        65–69
                                                        60–64
                                                        55–59
                                                        50–54
                                                        45–49
                                                        40–44
                                                        35–39
                                                        30–34
                                                        25–29
                                                        18–24
                                                         13–17
                                                         6–12
                                                          1–5
IV Daten und Analysen

die betreffende Diagnose daher in mindestens              Diagnosen ungewollt über mehrere Abrech-
zwei von vier Quartalen (auch M2Q-Kriterium               nungsquartale hinweg fortgeführt werden,
genannt) dokumentiert sein. In Abhängigkeit               obwohl eine Erkrankung nicht mehr be-
von der jeweiligen Zielerkrankung gelten aller-           steht.
dings unterschiedliche Bezugszeiträume:                 „ Diagnosestellungen haben oftmals eine le-
   Bei Erkrankungen mit kontinuierlichem                  gitimatorische Funktion in der jeweiligen
Krankheitsverlauf und Behandlungsbedarf                   Vergütungssystematik. Sie bezeichnen pri-
(z.B. Herzinsuffizienz) ist der Bezugszeitraum            mär den Beratungs- und Behandlungsanlass
das Kalenderjahr. Die Diagnosevalidierung er-             und begründen das weitere ärztliche Han-
folgt innerhalb der vier Quartale des Berichts-           deln. Insofern spiegeln die dokumentierten
jahres.                                                   Diagnosen nur bedingt die Morbidität wi-
                                                          der. Mit der Einführung von diagnoseorien-
                                                          tierten Fallpauschalen zur Vergütung von
17.4 Limitationen und Validität                           Krankenhausleistungen im Jahr 2003 wurde
     von AOK-Routinedaten                                 die Diagnosekodierung bestimmend für die
                                                          Erlössituation der Krankenhäuser. Die Dia-
Die Abrechnungsdaten von mehr als 27,8 Mio.               gnosekodierung wird seitdem geregelt
AOK-Versicherten geben die Chance, sektoren-              durch die Deutschen Kodierrichtlinien und
übergreifend Langzeitverläufe von großen                  ist Gegenstand der Abrechnungsprüfung der
Populationen ohne regionale Eingrenzung und               Krankenkassen und ihrer medizinischen
ohne Beschränkung auf einen einzelnen Leis-               Dienste. Die Kodierqualität gilt im stationä-
tungssektor zu analysieren. Dennoch sind fol-             ren Bereich daher als verlässlich.
gende Limitationen bei der Interpretation der           „ Für den ambulanten Bereich liegen bislang
dargestellten Ergebnisse zu berücksichtigen.              keine entsprechenden Kodierrichtlinien vor.
                                                          Die Dokumentation von Diagnosen durch
                                                          hausärztlich tätige Ärzte kann (theoretisch)
Validität der dokumentierten Diagnose-                    relativ unscharf sein, denn für Hausärzte ist
informationen                                             das endstellige Kodieren nicht obligatorisch.
                                                          Eine aktuelle empirische Untersuchung
Die von ärztlichen Leistungserbringern doku-              zeigt jedoch, dass die Kodierqualität unter
mentierte Behandlungsmorbidität kann aus                  Hausärzten durchaus gut ist. Demnach ver-
mehreren Gründen von der wahren Prävalenz                 wenden Hausärzte mittlerweile nicht nur
einer Erkrankung abweichen:                               eine Vielzahl sehr unterschiedlicher ICD-
„ Über Diagnosenennungen können besten-                   10-Diagnosen, sondern nutzen in der Praxis-
   falls therapierte Erkrankte ermittelt wer-             realität auch die Möglichkeit zum endstelli-
   den. Erkrankte ohne Arztkontakt bleiben                gen Kodieren (Carnarius et al. 2018).
   unerkannt.
„ Diagnosen können fehlerhaft nach der ICD-             Auch wenn die Verlässlichkeit der Diagnose-
   Systematik verschlüsselt werden.                     qualität zunimmt, sollten Diagnosen immer
„ Bei multimorbiden Patienten können bei                unter Hinzuziehung weiterer Merkmale wie
   konkurrierenden Diagnosen tatsächlich vor-           Diagnoseherkunft (stationär oder ambulant),
   liegende Erkrankungen ungenannt bleiben,             Dokumentationsdauer, Medikation erkran-
   wenn nur die vergleichsweise „höherwerti-            kungsspezifischer Wirkstoffe oder – je nach Fra-
   ge“ Diagnose aufgezeichnet wird.                     gestellung – weiterer Merkmale validiert wer-
„ Aus Gründen praxisinterner Abläufe können             den (Hartmann et al. 2016; Schubert et al.
   im ambulanten Bereich möglicherweise                 2010).

242                                   © urheberrechtlich geschützt
                        MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen                                        IV
Operationalisierung von Krankheiten                    Repräsentativität der Daten

Bei der Nutzung von routinedatenbasierten Prä-         Die Übertragbarkeit der in diesem Beitrag aus-
valenzangaben ist neben der Diagnosevalidie-           gewiesenen Kennzahlen auf die deutsche
rung auch das methodische Vorgehen zur                 Wohnbevölkerung kann trotz der vorgenomme-
Krankheitsdefinition von Bedeutung. Mit der            nen Alters- und Geschlechtsstandardisierung
Krankheits- bzw. Falldefinition wird festge-           eingeschränkt sein. Denn neben Alter und Ge-
legt, welche Kriterien zur Bestimmung einer            schlecht gibt es weitere Einflussfaktoren, z.B.
Erkrankung in Routinedaten herangezogen                soziodemografische Merkmale einer Person,
werden sollen. Die in diesem Beitrag dargestell-       die die Morbidität und Inanspruchnahme von
ten Prävalenzangaben basieren auf der ärztli-          Gesundheitsleistungen beeinflussen. Da sich
chen Inanspruchnahme mit entsprechend va-              die AOK-Versicherten möglicherweise in sozio-
lidierter ICD-Kodierung (Behandlungspräva-             demografischen Merkmalen von denen der
lenz). Dieses Vorgehen erlaubt Angaben zu Prä-         deutschen Wohnbevölkerung unterscheiden,
valenzen und Hospitalisierungsraten für die            ist trotz Standardisierung bei der Hochrech-
1.500 häufigsten Erkrankungsgruppen und er-            nung auf die deutsche Wohnbevölkerung eine
möglicht somit eine umfassende Einschätzung            Über- oder Unterschätzung der betrachteten
der epidemiologischen Bedeutung von Erkran-            Maßzahlen denkbar (Hoffmann u. Icks 2012).
kungen in Deutschland. Zur Abbildung von               Die Daten einer einzelnen Krankenkasse kön-
Krankheiten in Sekundärdaten sind jedoch               nen daher keinen Anspruch auf vollständige
auch komplexere Krankheitsdefinitionen mög-            Repräsentativität erheben (Jaunzeme et al.
lich. Je nach Kontext der Forschungsfrage wer-         2013). Ferner ist bei der Interpretation der vor-
den Krankheiten über verschiedene ICD-Schlüs-          liegenden Daten zu berücksichtigen, dass die
sel zusammengefasst oder mit weiteren Krite-           AOK in den letzten Jahren einen starken Versi-
rien der Leistungsinanspruchnahme (z.B. Arz-           chertenzuwachs erfahren hat. Laut der Mitglie-
neimittelverordnungen oder spezifischen EBM-           derstatistik des Bundesministeriums für Ge-
Leistungen) validiert. Ein Beispiel hierfür sind       sundheit (KM1/13) ist die Zahl der AOK-Versi-
die spezifischen Falldefinitionen des WIdO, die        cherten im Jahresdurchschnitt 2015 von
zur Berechnung von Krankheitshäufigkeiten in           24,5 Mio. auf 26,5 Mio. im Jahr 2018 um rund
Deutschland im Rahmen des vom Innovations-             2 Mio. Versicherte gestiegen (BMG 2019). Da der
fonds geförderten Projekts „BURDEN 2020“ ver-          hohe Versichertenzuwachs möglicherweise
wendet werden (Breitkreuz et al. 2021). Hierfür        auch Auswirkungen auf die Morbiditätsstruk-
wurden Krankheitsdefinitionen für 18 ausge-            tur der AOK hat, wird auch in der diesjährigen
wählte Erkrankungen und Schweregrade auf               Ausgabe des Versorgungs-Reportes auf Vorjah-
Basis von Routinedaten operationalisiert. Das          resvergleiche verzichtet.
entsprechende methodische Vorgehen mit den
angewendeten Krankheitsdefinitionen, dem
Prävalenzkonzept, dem alters-, geschlechts-            Einschränkung auf Leistungen der gesetzlichen
und morbiditätsadjustierenden Hochrech-                Krankenversicherung
nungsverfahren wie auch die ermittelten Prä-
valenzen für alle Einwohner Deutschlands sind          Die verwendete Datenbasis bildet den medizini-
unter www.krankheitslage-deutschland.de zu-            schen Leistungsbedarf in den dargestellten Leis-
gänglich.                                              tungsbereichen fast vollständig ab, soweit die
                                                       Leistungen im GKV-Leistungskatalog enthalten
                                                       sind. Grundsätzlich sind bei GKV-Routinedaten
                                                       folgende Einschränkungen zu beachten:

                                       © urheberrechtlich geschützt                                 243
                         MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
IV Daten und Analysen

„ In den Routinedaten fehlen individuelle Ge-                      „ Diagnose bzw. Behandlungsanlass: Klartextbeschrei-
  sundheitsleistungen (IGel), deren Umfang                             bung der ICD-Schlüsselnummer
  in den letzten Jahren kontinuierlich gestie-                     „ Prävalenz gesamt: Häufigkeit der Diagnose im Jahr
  gen ist (Zok 2015).                                                  2018 insgesamt in der Bevölkerung. Anteil aller mit
„ In den Arzneimittelverordnungsdaten sind                             der Diagnose behandelten Personen an der Gesamt-
  nur die von niedergelassenen Vertragsärzten                          bevölkerung.
  verordneten, in öffentlichen Apotheken ein-                      „   Prävalenz männlich: Diagnosehäufigkeit in der
  gelösten und mit den gesetzlichen Kranken-                           männlichen Bevölkerung. Anteil der erkrankten
  kassen abgerechneten Arzneimittelrezepte                             männlichen Personen an allen männlichen Personen.
  berücksichtigt. Wenn Patienten Medika-                           „   Prävalenz weiblich: Diagnosehäufigkeit in der weib-
  mente in der Apotheke selbst bezahlen, dann                          lichen Bevölkerung. Anteil der erkrankten weiblichen
  liegt der Krankenkasse darüber keine Infor-                          Personen an allen weiblichen Personen.
  mation vor, obwohl die Leistung selbst im                        „   Prävalenz 1–17 Jahre: Diagnosehäufigkeit bei Kin-
  GKV-Leistungskatalog enthalten sein kann.                            dern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Neugeborene
  Dies ist relativ häufig bei sogenannten OTC-                         bis unter 1 Jahr werden aufgrund der besonderen
  Präparaten (Over the Counter) der Fall,                              Situation bei der Versorgung von Säuglingen/Früh-
  wenn – wie bei der Acetylsalicylsäure – der                          geborenen nicht berücksichtigt.
  Packungspreis unterhalb des Zuzahlungsbe-                        „   Prävalenz 18–59 Jahre: Diagnosehäufigkeit bei Er-
  trags liegt; es ist seltener der Fall, wenn ein                      wachsenen jüngeren und mittleren Alters von 18 bis
  Versicherter einen Selbstbehalt-Tarif seiner                         unter 60 Jahren
  Krankenkasse gewählt hat und aufgrund                            „   Prävalenz 60 und mehr Jahre: Diagnosehäufigkeit
  dessen eine Verordnung selbst bezahlt.                               bei älteren Erwachsenen ab 60 Jahren
„ Es liegen keine Informationen darüber vor,                       „   Hospitalisierungsrate allgemein: Anteil der Perso-
  welche Arzneimittel im Rahmen stationärer                            nen, die im Jahr 2018 in stationärer Behandlung wa-
  Aufenthalte verabreicht wurden.                                      ren. Dabei werden alle Krankenhausaufenthalte ge-
                                                                       zählt unabhängig von der betrachteten Diagnose.
                                                                   „   Hospitalisierungsrate mit dieser Hauptdiagnose:
17.5 Administrative Behandlungs-                                       Anteil der Personen, die im Auswertungsjahr mit die-
     prävalenzen                                                       ser Hauptdiagnose in stationärer Behandlung waren
                                                                       (d.h. diese Diagnose stellt den stationären Behand-
Tabelle 1 zeigt die 30 häufigsten dokumentierten                       lungsanlass dar).
Einzeldiagnosen bzw. Behandlungsanlässe in der
Gesamtbevölkerung im Jahr 2018 differenziert                  Die Diagnosen Rückenschmerzen (ICD-10 M54)
nach Altersgruppen und Geschlecht. Eine erwei-                und die essentielle (primäre) Hypertonie (ICD-10
terte Übersicht über im Jahr 2018 dokumentierte               I10) stellten mit einer Behandlungsprävalenz
Einzeldiagnosen (mit mehr als 1.000 Betroffenen)              von 26,8% bzw. 26,6% die häufigsten dokumen-
steht im elektronischen Anhang zur Verfügung.                 tierten Einzeldiagnosen der deutschen Wohn-
                                                              bevölkerung dar. Damit stehen beide Diagno-
                                                              sen – wie auch in den Vorjahren – unverändert
      Tabelle 1: Die Bedeutung der Tabellenspalten            an der Spitze der häufigsten Behandlungsanläs-
      im Einzelnen                                            se (Gerste et al. 2014, 2016; Schmuker et al. 2019).
                                                              In der Rangliste folgen akute Infektionen der
      „ Rang: Rangposition in der „Hitliste“ der häufigsten   oberen Atemwege (ICD-10 J06), von denen 22,0%
        Erkrankungen                                          der Gesamtbevölkerung betroffen waren. Ein
      „ ICD-10: dreistellige ICD-Schlüsselnummer nach ICD-    Viertel der Gesamtbevölkerung mit essentieller
        10-GM                                                 (primärer) Hypertonie (ICD-10 I10) war im Jahr

244                                         © urheberrechtlich geschützt
                              MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen                                                                          IV
Tab. 1    Prävalenzen und Hospitalisierungsquoten für die 30 häufigsten Behandlungsdiagnosen nach ICD-Dreistellern (2018)
                                                             Prävalenz (in %)                                        Hospitalisierungsrate
                                                                                                                     gesamt (in %)
Rang ICD-      Diagnose bzw. Behandlungsanlass               gesamt    männ-    weib-   1–17    18–59   60 und       allg. mit dieser
     10                                                                lich     lich    Jahre   Jahre   mehr Jahre          Hauptdiagnose
1    M54       Rückenschmerzen                                26,8     23,9     29,6     2,8    28,8      37,0       21,1        0,9
2    I10       Essentielle (primäre) Hypertonie               26,6     25,1     28,1     0,2    15,1      64,8       25,8        1,0
3    J06       Akute Infektionen an mehreren oder             22,0     21,6     22,3    39,8    23,4        9,0      13,2        0,3
               nicht näher bezeichneten Lokalisationen
               der oberen Atemwege
4        Z12   Spezielle Verfahren zur Untersuchung           19,1      8,6     29,3     0,4    21,9      24,2       18,7      0,0
               auf Neubildungen
5        Z00   Allgemeinuntersuchung und Abklärung            18,0     17,0     18,9    32,4    11,2      21,1       16,8      0,0
               bei Personen ohne Beschwerden oder
               angegebene Diagnose
6        E78   Störungen des Lipoproteinstoffwechsels         16,1     15,7     16,5     0,1     8,9      39,6       25,2      0,0
               und sonstige Lipidämien
7        Z25   Notwendigkeit der Impfung [Immuni-             14,2     12,5     15,8    10,5     6,2      31,0       23,6      0,0
               sierung] gegen andere einzelne Virus-
               krankheiten
8        R10   Bauch- und Beckenschmerzen                     11,2      7,2     15,0    10,2    12,8       8,6       25,2      1,5
9        E11   Diabetes mellitus, Typ 2                       10,1     10,2     10,0     0,0     4,3      27,3       29,9      2,0
10       N89   Sonstige nichtentzündliche Krankheiten          9,9      0,0     19,5     1,5    14,9       5,1       18,6      0,0
               der Vagina
11       E66   Adipositas                                      9,5      7,9     11,1     2,7     7,8      17,0       25,1      0,3
12       Z01   Sonstige spezielle Untersuchungen und           9,1      2,7     15,3     3,0    10,8       9,3       19,3      0,1
               Abklärungen bei Personen ohne
               Beschwerden oder angegebene Diagnose
13       R52   Schmerz, anderenorts nicht klassifiziert        9,1      7,1     10,9     0,9     6,7      18,5       31,5      0,1
14       F32   Depressive Episode                              8,8      6,0     11,5     0,4     8,0      15,0       27,9      1,3
15       M17   Gonarthrose [Arthrose des Kniegelenkes]         8,8      6,9     10,5     0,0     4,1      23,0       28,5      2,5
16       A09   Sonstige und nicht näher bezeichnete            8,6      8,9      8,3    12,8    10,1       3,3       17,3      2,4
               Gastroenteritis und Kolitis infektiösen und
               nicht näher bezeichneten Ursprungs
17       K29   Gastritis und Duodenitis                        8,1      7,2      9,0     1,4     8,2      12,0       26,6      2,5
18       M99   Biomechanische Funktionsstörungen,              7,9      6,6      9,1     2,2     8,9       9,1       20,2      0,0
               anderenorts nicht klassifiziert
19       M25   Sonstige Gelenkkrankheiten, anderenorts         7,7      6,9      8,5     2,3     7,9      10,5       23,1      0,5
               nicht klassifiziert
 20      M53   Sonstige Krankheiten der Wirbelsäule            7,6      5,9      9,4     0,5     7,4      12,2       22,7      0,4
               und des Rückens, anderenorts nicht
               klassifiziert
 21      K21   Gastroösophageale Refluxkrankheit               7,6      7,0      8,1     0,3     6,0      14,9       27,3      0,8
 22      M51   Sonstige Bandscheibenschäden                    7,5      7,2      7,9     0,0     7,1      12,7       25,9      2,0
 23      J20   Akute Bronchitis                                7,3      7,2      7,4    14,1     6,2       5,7       18,5      2,0
 24      E04   Sonstige nichttoxische Struma                   7,3      3,6     10,9     0,3     5,8      14,3       22,4      0,7
 25      Z27   Notwendigkeit der Impfung [Immunisie-           7,2      6,9      7,5    17,4     4,6       5,1       15,3      0,0
               rung] gegen Kombinationen von Infek-
               tionskrankheiten
 26      L30   Sonstige Dermatitis                             7,1      6,4      7,8     7,4     5,7       9,6       21,1      0,2
 27      H52   Akkommodationsstörungen und                     6,9      5,9      8,0     6,5     2,8      15,6       23,3      0,0
               Refraktionsfehler
 28      I83   Varizen der unteren Extremitäten                6,9      4,0      9,8     0,0     4,5      15,7       25,7      1,2
 29      Z30   Kontrazeptive Maßnahmen                         6,9      0,0     13,5     2,2    11,7       0,1       15,6      0,0
 30      M79   Sonstige Krankheiten des Weichteil-             6,9      5,4      8,3     2,4     7,0       9,2       23,9      0,7
               gewebes, anderenorts nicht klassifiziert

                                                   © urheberrechtlich geschützt                                                       245
                                     MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
IV Daten und Analysen

2018 in stationärer Behandlung. Lediglich bei 1%         2018 dar. In diese Obergruppe fallen beispielswei-
aller Patienten war die Diagnose zugleich der            se Früherkennungs- und Reihenuntersuchungen
primäre Behandlungsanlass (stationäre Haupt-             sowie Nachuntersuchungen nach Behandlung
diagnose) für den Krankenhausaufenthalt.                 von bösartigen Neubildungen. Bei Frauen war
   Die häufigsten Behandlungsanlässe bei Kin-            die Prävalenz mehr als doppelt so hoch wie bei
dern und Jugendlichen, jüngeren und älteren Er-          Männern, was durch eine höhere Teilnahme von
wachsenen sowie bei Männern und Frauen ste-              Frauen an Früherkennungsuntersuchungen zu
hen elektronisch zur Verfügung. Von essentieller         erklären sein dürfte (Tillmanns et al. 2019). Bei
(primärer) Hypertonie und Rückenschmerzen                Betrachtung der Behandlungsprävalenzen auf
waren vor allem Erwachsene betroffen. Während            der Ebene der Diagnosegruppen wird insbeson-
bei den jüngeren Erwachsenen (bis 59 Jahre) die          dere auch die hohe Prävalenz der dokumentier-
Rückenschmerzen mit einer Prävalenz von 28,8%            ten Gelenkerkrankungen (Arthropathien) deut-
dominierten, war bei älteren Erwachsenen die             lich. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung (26,2%)
essentielle (primäre Hypertonie) mit einer Prä-          hatte eine Diagnose aus dem Bereich der Arthro-
valenz von 64,8% die häufigste dokumentierte             pathien (M00-M25). In der Altersgruppe der über
Behandlungsdiagnose. Bei den Kindern und Ju-             60-Jährigen war fast die Hälfte der Bevölkerung
gendlichen (1–17 Jahre) dominierten wie auch in          (49%) betroffen.
den Vorjahren akute Infektionen der oberen und
unteren Atemwege wie beispielsweise akute
Bronchitis (ICD-10 J20), akute Tonsillitis (ICD-10       17.6 Inanspruchnahme innerhalb
J03) oder akute Pharyngitis (ICD-10 J03). In dieser           der einzelnen Leistungssektoren
Altersgruppe ist zudem auch die Prävalenz von
Symptomen und abnormen klinischen und La-                17.6.1 Stationäre Behandlungen
borbefunden, die anderenorts nicht klassifiziert
sind, hoch (z.B. ICD-10 R50 Fieber sonstiger und         Im Jahr 2018 wurden von 100.000 Einwohnern
unbekannter Ursache [11,5%] und R10 Bauch- und           insgesamt 15.353 Personen mindestens einmal
Beckenschmerzen [10,2%]).                                stationär behandelt (s. Abb. 3). Innerhalb der
    Frauen und Männer wiesen geschlechtsspe-             drei Altersgruppen sind erwartungsgemäß er-
zifische Besonderheiten in den Behandlungs-              hebliche Unterschiede in der Inanspruchnahme
häufigkeiten auf. So ist beispielsweise die do-          von stationären Leistungen zu sehen. In der Al-
kumentierte Behandlungsprävalenz der depres-             tersgruppe der über 60-Jährigen hatte jede vierte
siven Episode (ICD-10 F32) bei Frauen mit 11,5%          Person mindestens eine stationäre Behandlung.
fast doppelt so hoch wie bei Männern mit 6,0%.           Ältere Personen wurden damit mehr als doppelt
Auch spezielle Verfahren zur Untersuchung auf            so oft in einer Klinik behandelt wie Erwachsene
Neubildungen (ICD-10 Z12) wurden bei Frauen              der Altersgruppe 18 bis 59 Jahre und etwa dreimal
(28,9%) deutlich häufiger dokumentiert als bei           häufiger als Kinder und Jugendliche.
Männern (8,6%).                                              Bei der Inanspruchnahme von stationären
    In Ergänzung hierzu stehen im elektroni-             Leistungen gab es große regionale Unterschiede
schen Anhang Prävalenzen und Hospitalisie-               (s. Abb. 4). Die Regionen Emscher-Lippe (19.604
rungsraten des Jahres 2018 auf Ebene der ICD-            Patienten je 100.000 Einwohner) und Arnsberg
10-Diagnoseobergruppen zur Verfügung. Mit                (18.699 Patienten je 100.000 Einwohner) in
einer Prävalenz von 37,2% stellte die Diagnose-          Nordrhein-Westfalen sowie die Region Altmark
gruppe Z00-Z13 (Personen, die das Gesundheits-           (18.228 Patienten je 100.000 Einwohner) in
wesen zur Untersuchung und Abklärung in An-              Sachsen-Anhalt wiesen den höchsten Anteil an
spruch nehmen) den häufigsten Behandlungs-               Krankenhauspatienten auf. Besonders niedrig
anlass der deutschen Wohnbevölkerung im Jahr             war die Hospitalisierungsrate in weiten Teilen

246                                    © urheberrechtlich geschützt
                         MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen                                                                                    IV
                              30.000

                              25.000                                                                                                  25.813
Anzahl je 100.000 Einwohner

                              20.000

                              15.000                                         16.281
                                          15.353
                                                           14.399
                              10.000                                                                               12.038

                                                                                                7.485
                               5.000

                                  0
                                         Gesamt            Männer            Frauen         1 bis 17 Jahre     18 bis 59 Jahre       ≥ 60 Jahre
 Abb. 3                           Anzahl der jährlichen Krankenhauspatienten je 100.000 Einwohner nach Alter und Geschlecht (2018)

 Baden-Württembergs (Minimum in der Region                                                  Tabelle 2: Die Bedeutung der Tabellenspalten
 Neckar-Alb mit 12.603 Krankenhauspatienten                                                 im Einzelnen
 je 100.000 Einwohner).
     Das Statistische Bundesamt veröffentlicht                                              „ Rang: Rangposition in der „Hitliste“ der häufigsten
 jährlich mit der DRG-Statistik Zahlen zur Ent-                                               stationären Behandlungsanlässe des Jahres 2018
 wicklung der (vollstationären) Fälle in deut-                                              „ ICD-10: Dreistellige ICD-Schlüsselnummer nach ICD-
 schen Krankenhäusern. Der Statistik nach sind                                                10-GM. Es wurden auch ICD-Schlüsselnummern ein-
 die absoluten Fallzahlen im Zeitraum 2007 bis                                                geschlossen, die zur Inanspruchnahme des Gesund-
 2016 erheblich (insgesamt um 12,5%) gestiegen                                                heitswesens führen und nicht als Krankheit oder Ver-
 (Statistisches Bundesamt 2016). Zwischen 2016                                                letzung klassifizierbar sind („Z-Diagnosen“).
 und 2018 ist ein leichter Rückgang (-1,1%) der                                             „ Diagnose bzw. Behandlungsanlass: Klartextbeschrei-
 Fallzahlen zu beobachten (Statistisches Bun-                                                 bung der ICD-Schlüsselnummer
 desamt 2021b).                                                                             „ KH-Patienten je 100.000 Einwohner: Anzahl der Perso-
                                                                                              nen in der Gesamtbevölkerung, die – von 100.000 Ein-
                                                                                              wohnern – im Jahr mindestens einen Krankenhausauf-
 Die häufigsten Behandlungsanlässe                                                            enthalt anlässlich der betreffenden Diagnose hatten.
                                                                                            „ Fälle je KH-Patient: durchschnittliche Anzahl an Kran-
 Die 30 häufigsten stationären Behandlungsan-                                                 kenhausfällen je stationär behandeltem Patient
 lässe aller im Jahr 2018 abgeschlossenen voll-
 und teilstationären Krankenhausfälle sind in                                          Zu den häufigsten stationären Behandlungs-
 Tabelle 2 dargestellt. Eine erweiterte Tabelle                                        anlässen des Jahres 2018 zählten unverändert
 über die 100 häufigsten stationären Behand-                                           Geburten (ICD-10 Z38), Herzinsuffizienz (ICD-10
 lungsdiagnosen ist elektronisch verfügbar. Für                                        I50), psychische und Verhaltensstörungen
 jede Patientin/jeden Patienten wird in dieser                                         durch Alkohol (ICD-10 F10), Angina pectoris
 Tabelle nur die Diagnose ausgewertet, die                                             (ICD-10 I20) und Pneumonie (ICD-10 J18). Diese
 hauptsächlich für die Veranlassung des statio-                                        fünf Behandlungsanlässe führten bereits in
 nären Krankenhausaufenthaltes verantwort-                                             den früheren Jahren die Liste der wichtigsten
 lich ist (Hauptdiagnose).                                                             Hauptdiagnosen stationärer Aufenthalten an.

                                                                     © urheberrechtlich geschützt                                                 247
                                                       MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
IV Daten und Analysen

                                                    Schleswig-
                                                     Holstein                 Mecklenburg-
                                                                              Vorpommern

                                           Hamburg

                                 Bremen             Niedersachsen                      Brandenburg

                                                                        Sachsen-             Berlin
                                                                         Anhalt

             Nordrhein-
             Westfalen

                                                                 Thüringen
                                                                                       Sachsen
                                      Hessen

          Rheinland-
            Pfalz

     Saarland                                                                Bayern
                                     Baden-
                                   Württemberg

Anzahl der jährlichen Krankenhauspatienten je 100.000 Einwohner*
   12.603–14.683            14.684–15.548             15.549–16.094          16.095–17.257        17.258–19.604

* standardisiert auf die deutsche Wohnbevölkerung

Abb. 4     Anzahl der jährlichen Krankenhauspatienten je 100.000 Einwohner nach Raumordnungsregionen (2018)

248                                               © urheberrechtlich geschützt
                                    MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen                                                       IV
Tab. 2   Die 30 häufigsten stationären Behandlungsanlässe des Jahres 2018 bei Krankenhauspatienten in Deutschland

         Hauptdiagnose                                                                      KH-Patienten
         ICD-10          Diagnose bzw. Behandlungsanlass                                    je 100.000     Fälle je
 Rang    (Dreisteller)                                                                      Einwohner      KH-Patient
         insgesamt                                                                          15.353         1,6
 1       Z38             Lebendgeborene nach dem Geburtsort                                 678            1,0
 2       I50             Herzinsuffizienz                                                   503            1,3
 3       J18             Pneumonie, Erreger nicht näher bezeichnet                          294            1,1
 4       F10             Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol                   287            1,7
 5       S06             Intrakranielle Verletzung                                          278            1,1
 6       I48             Vorhofflimmern und Vorhofflattern                                  275            1,2
 7       I63             Hirninfarkt                                                        274            1,2
 8       I20             Angina pectoris                                                    271            1,1
 9       J44             Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit                    268            1,5
 10      M54             Rückenschmerzen                                                    257            1,1
 11      K80             Cholelithiasis                                                     256            1,2
 12      I10             Essentielle (primäre) Hypertonie                                   255            1,1
 13      I21             Akuter Myokardinfarkt                                              240            1,2
 14      M17             Gonarthrose [Arthrose des Kniegelenkes]                            221            1,0
 15      I70             Atherosklerose                                                     219            1,3
 16      E11             Diabetes mellitus, Typ 2                                           209            1,2
 17      A09             Sonstige und nicht näher bezeichnete Gastroenteritis und Kolitis   207            1,0
                         infektiösen und nicht näher bezeichneten Ursprungs
 18      I25             Chronische ischämische Herzkrankheit                               206            1,1
 19      K29             Gastritis und Duodenitis                                           201            1,0
 20      F33             Rezidivierende depressive Störung                                  193            1,2
 21      S72             Fraktur des Femurs                                                 189            1,1
 22      N39             Sonstige Krankheiten des Harnsystems                               189            1,1
 23      K40             Hernia inguinalis                                                  186            1,0
 24      R07             Hals- und Brustschmerzen                                           183            1,0
 25      R55             Synkope und Kollaps                                                179            1,0
 26      M16             Koxarthrose [Arthrose des Hüftgelenkes]                            178            1,0
 27      O80             Spontangeburt eines Einlings                                       172            1,0
 28      R10             Bauch- und Beckenschmerzen                                         170            1,0
 29      E86             Volumenmangel                                                      169            1,1
 30      A41             Sonstige Sepsis                                                    163            1,1

                                              © urheberrechtlich geschützt                                          249
                                MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
IV Daten und Analysen

                                         25
Anzahl Arzneiverordnungen je Einwohner

                                         20                                                                                                  21,1

                                         15

                                         10                                             11,0
                                                   10,2               9,5

                                          5                                                                 5,4               6,1

                                          0
                                                  Gesamt            Männer             Frauen          1 bis 17 Jahre    18 bis 59 Jahre   ≥ 60 Jahre
 Abb. 5                                       Anzahl der jährlichen Arzneiverordnungen je Einwohner nach Geschlecht und Alter (2018)

 Allerdings ist die Häufigkeit insgesamt im                                                        mittel erhalten. Auf jeden dieser Arzneimittel-
 Niveau gestiegen. Beispielsweise ist die Zahl                                                     patienten entfielen im Mittel 13,4 Verordnun-
 der Krankenhauspatienten je 100.000 Einwoh-                                                       gen und rein rechnerisch im Durchschnitt
 ner mit Hauptdiagnose Herzinsuffizienz (ICD-                                                      804 Tagesdosen mindestens eines Arzneimittels
 10 I50) von 347 im Jahr 2010 auf 503 im Jahr 2018                                                 (vgl. Wirkstoffgruppen gemäß ATC-Klassifika-
 angestiegen (Gerste et al. 2012; Schmuker et al.                                                  tion im elektronischer Anhang).
 2019).                                                                                               Bezogen auf die Gesamtbevölkerung wurden
     Auf alle Personen der deutschen Wohnbe-                                                       im Jahr 2018 je Einwohner im Mittel 10,2 Arz-
 völkerung, die 2018 stationär behandelt wur-                                                      neimittel verordnet (s. Abb. 5). Die Häufigkeit
 den, entfielen im Mittel 1,6 Krankenhausfälle.                                                    von Arzneiverordnungen variiert in Abhängig-
 Das bedeutet, dass ein Großteil der Patienten                                                     keit vom Alter erkennbar. Während es bei Kin-
 im Jahr 2018 mehr als einmal in ein Kranken-                                                      der und Jugendlichen (1 bis 17 Jahren) und bei
 haus aufgenommen wurde. Die Anzahl der                                                            Erwachsenen mittleren Alters (18 bis 59 Jahren)
 Krankenhausfälle je Patient schwankte jedoch                                                      ca. 6 jährliche Verordnungen waren, erhielten
 in Abhängigkeit von der Hauptdiagnose. Bös-                                                       ältere Personen durchschnittlich 21,1 Arznei-
 artige Neubildungen der Bronchien und der                                                         verordnungen.
 Lungen (ICD-10 C34), der Harnblase (ICD-10 C67)                                                      In Abhängigkeit von der geografischen Re-
 und des Kolons (ICD-10 C18) waren am häufigs-                                                     gion streute die Häufigkeit von Arzneiverord-
 ten für mehrfache stationäre Aufenthalte ver-                                                     nungen im Jahr 2018 deutlich (s. Abb. 6). Mit
 antwortlich, gefolgt von psychischen und Ver-                                                     mehr als 13,6 Verordnungen pro Einwohner la-
 haltensstörungen durch Alkohol (ICD-10 F10).                                                      gen die Regionen Vorpommern, Westmecklen-
                                                                                                   burg und Saar an der Spitze des Verordnungs-
                                                                                                   geschehens. Die niedrigsten Raten (< 8,5 Ver-
 17.6.2 Arzneiverordnungen                                                                         ordnungen je Einwohner) wurden in den Bun-
                                                                                                   desländern Bayern und Baden-Württemberg
 Im Jahr 2018 haben mit 77,1% über drei Viertel                                                    dokumentiert und hier speziell in den Regionen
 der deutschen Bevölkerung mindestens eine                                                         Allgäu, Oberland, München, Südostoberbayern
 Verordnung für ein erstattungsfähiges Arznei-                                                     und Donau-Iller.

 250                                                                           © urheberrechtlich geschützt
                                                                 MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen                                        IV

                                               Schleswig-
                                                Holstein
                                                                                Mecklenburg-
                                                                                Vorpommern

                                             Hamburg

                                  Bremen                                               Brandenburg

                                               Niedersachsen

                                                                         Sachsen-           Berlin
                                                                          Anhalt

          Nordrhein-
          Westfalen

                                                              Thüringen
                                                                                       Sachsen
                                      Hessen

         Rheinland-
           Pfalz

     Saarland                                                                 Bayern

                                  Baden-
                                Württemberg

Anzahl der jährlichen Arzneiverordnungen je Einwohner *
   7,22–8,46          8,47–9,18           9,19–9,67         9,68–10,44        10,44–13,64

* standardisiert auf die deutsche Wohnbevölkerung

Abb. 6     Anzahl der jährlichen Arzneiverordnungen je Einwohner nach Raumordnungsregionen (2018)

                                                    © urheberrechtlich geschützt                     251
                                      MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
IV Daten und Analysen

Arzneiverordnungen nach therapeutischer                        Antibiotika mit 15 Tagesdosen verordnet, bei
Wirkstoffgruppe                                                den Antiphlogistika und Antirheumatika wa-
                                                               ren es 2,0 Packungen mit 55 DDD. Die ver-
      Abbildung 7: Die Bedeutung der Kennziffern               gleichsweise niedrigen DDD-Mengen bei den
      im Einzelnen                                             Antibiotika weisen darauf hin, dass diese bei-
                                                               den Wirkstoffgruppen primär bzw. häufig zur
      „ Wirkstoffgruppe mit ATC-Code: Zweite hierarchische     Behandlung akuter oder schubweiser Krank-
        Ebene des anatomisch-therapeutisch-chemischen          heitsverläufe eingesetzt werden. Anders ver-
        Klassifikationssystems (ATC): therapeutische Unter-    hält es sich bei chronischen Erkrankungen wie
        gruppe mit dreistelligem ATC-Code. Eine verlässliche   Hypertonie oder Diabetes mellitus, die einen
        Zuordnung der Arzneimittel zu ATC-Gruppen samt Be-     kontinuierlichen Behandlungsbedarf erfor-
        stimmung der verordneten Tagesdosen in DDD kann        dern. Dementsprechend hoch sind die Tages-
        nur für Fertigarzneimittel vorgenommen werden, die     dosen bei Mitteln mit Wirkung auf das Renin-
        entsprechend klassifiziert sind.                       Angiotensin-System (ATC C09; 581 DDD je Arz-
      „ Verordnungsrate: Verordnungsrate je ATC-Gruppe.        neimittelpatient) oder bei den Antidiabetika
        Anteil der Personen in der Gesamtbevölkerung, die      (ATC A10; 468 DDD je Arzneimittelpatient). Ins-
        im Jahr mindestens eine Verordnung aus der betref-     gesamt ist im GKV-Arzneimittelmarkt ein kon-
        fenden Wirkstoffgruppe erhalten haben.                 tinuierlicher Anstieg des Verordnungsvolu-
      „ Verordnungen je Arzneimittelpatient der ATC-Grup-      mens nach definierten Tagesdosen (DDD) zu
        pe: durchschnittliche Anzahl an Verordnungen, die      beobachten. Zwischen 2008 und 2018 sind die
        ein Patient mit Verordnung in der betreffenden Wirk-   definierten Tagesdosen im Gesamtmarkt (Ge-
        stoffgruppe erhalten hat                               nerika und patentgeschützte Arzneimittel) von
      „ Tagesdosen (DDD) je Arzneimittelpatient der ATC-       32,3 Mrd. auf 41,4 Mrd. und damit um fast 30%
        Gruppe: verordnete Arzneimittelmenge (Angabe in        gestiegen (Schwabe et al. 2018).
        DDD) je Patient

Einen Überblick über die häufigsten im Jahr                    17.6.3 Ärztliche Inanspruchnahme
2018 verordneten Wirkstoffgruppen gemäß
ATC-Klassifikation liefert Abbildung 7. Darge-                 Im Jahr 2018 haben 90,5% der deutschen Wohn-
stellt wurde der prozentuale Anteil an Personen                bevölkerung mindestens einmal einen ambu-
mit einer Verordnung der jeweiligen Wirkstoff-                 lant tätigen Vertragsarzt aufgesucht (vgl. elek-
gruppe bezogen auf die deutsche Wohnbevölke-                   tronischer Anhang). Bezogen auf die Gesamt-
rung. Die ebenso dargestellten definierten Ta-                 bevölkerung entfielen auf jede Person durch-
gesdosen (DDD) beziehen sich dagegen aus-                      schnittlich 8,1 ambulante Behandlungsfälle
schließlich auf diejenigen Patienten, die tat-                 (s. Abb. 8). Dabei gelten mehrere Praxisbesuche
sächlich eine entsprechende Medikation ver-                    eines Patienten pro Quartal bei ein und demsel-
ordnet bekamen. Die DDD wird dabei als Maß                     ben Arzt als ein einziger Behandlungsfall. Im
für die verordnete Arzneimittelmenge verwen-                   Mittel wurden pro Person und Quartal demzu-
det. Wie auch in früheren Jahren wurden sowie                  folge mehr als zwei ambulant tätige Vertrags-
Antiphlogistika und Antirheumatika (ATC M01)                   ärzte aufgesucht. Erwartungsgemäß war die In-
sowie Antibiotika zur systemischen Anwen-                      anspruchnahme ambulanter Leistungen bei äl-
dung (ATC J01)besonders häufig verordnet                       teren Erwachsenen der Altersgruppe (60 Jahre
(Gerste et al. 2016; Schmuker et al. 2019). Fast               und älter) am höchsten (11,6 Behandlungsfälle
ein Drittel der Deutschen hat 2018 mindestens                  je Einwohner).
eine solche Verordnung erhalten. Je Arzneimit-                     Die kartografische Darstellung ambulanter
telpatient wurden im Mittel 1,7 Packungen                      Behandlungsfälle je Einwohner zeigte eine

252                                         © urheberrechtlich geschützt
                              MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
17 Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen                                                                                                   IV
                                                                                                                                               Tagesdosen (DDD)
                   Wirkstoffgruppe mit ATC-Code (3-stellig)                                                                                  je Arzneimittelpatient
                  Antiphlogistika und Antirheumatika M01                                                                         29,6                 53
              Antibiotika zur systemischen Anwendung J01                                                                       28,2                   15
Mittel mit Wirkung auf das Renin-Angiotensin-System C09                                                                 22,3                          581
                                           Analgetika N02                                                        19,7                                 51
             Mittel bei Säure bedingten Erkrankungen A02                                                  17,6                                        314
                      Beta-Adrenozeptor-Antagonisten C07                                           15,6                                               192
         Mittel, die den Lipidstoffwechsel beeinflussen C10                                 11,1                                                      317
                                 Schilddrüsentherapie H03                                   10,9                                                      208
                             Antithrombotische Mittel B01                                  10,4                                                       247
     Mittel bei obstruktiven Atemwegserkrankungen R03                                     10,0                                                        193
                                         Ophthalmika S01                              9,0                                                             110
                     Husten- und Erkältungspräparate R05                              9,0                                                              17
                                             Diuretika C03                            9,0                                                             309
                                     Psychoanaleptika N06                             8,8                                                             265
     Corticosteroide, dermatologische Zubereitungen D07                              8,3                                                              55
                                  Calciumkanalblocker C08                           8,1                                                               398
                                         Antidiabetika A10                          7,7                                                               468
                                          Rhinologika R01                       7,5                                                                   47
         Corticosteroide zur systemischen Anwendung H02                       6,2                                                                     95
                                        Psycholeptika N05                 5,9                                                                         151
                                           Rezepturen V70               4,6                                                                            0
Sexualhormone und Modulatoren des Genitalsystems G03                4,1                                                                               215
     Antimykotika zur dermatologischen Anwendung D01                4,0                                                                               29
                                          Gichtmittel M04          3,8                                                                                147
                                           Diagnostika V04         3,5                                                                                677
                                        Antiepileptika N03        3,4                                                                                 196
                                             Vitamine A11         3,4                                                                                 222
                                             Urologika G04        3,4                                                                                 280
Mittel bei funktionellen gastrointestinalen Störungen A03         3,3                                                                                 23
                                          Antianämika B03         3,0                                                                                 156
                                                              0            5       10     15      20     25                             30
                                                                          Anteil Personen mit Verordnung (%)
Abb. 7     Die am häufigsten verordneten Wirkstoffgruppen in Deutschland (2018)

leicht überdurchschnittliche Konsultation am-                                         den Regionen Arnsberg (Nordrhein-Westfalen)
bulanter Ärzte in Nordost- und Mitteldeutsch-                                         und Altmark (Sachsen-Anhalt) dokumentiert.
land (s. Abb. 9). So lagen die Regionen Oberfran-                                     Diese Regionen wiesen also die geringste ambu-
ken und Würzburg sowie mittleres Mecklen-                                             lante Behandlungshäufigkeit auf, während sie
burg/Rostock mit mehr als 8,8 Behandlungsfäl-                                         zugleich als Regionen mit besonders hoher An-
len je Einwohner an der Spitze der ambulanten                                         zahl stationärer Aufenthalte je 100.000 Einwoh-
ärztlichen Inanspruchnahme. Weniger als                                               ner auffielen.
7,4 Behandlungsfälle je Einwohner wurden in

                                                  © urheberrechtlich geschützt                                                                                253
                                    MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
Sie können auch lesen