170 Pädiatrische Transfusions-medizin
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170 170 Pädiatrische Transfusions- medizin S. W. Eber 170.1 Grundlagen – 2006 170.1.1 Risiko übertragbarerer Infektionen – 2006 170.1.2 Standardpräparate – 2007 170.1.3 Speziell behandelte Blutprodukte – 2007 170.2 Transfusion von Erythrozyten – 2010 170.2.1 Neugeborene und Säuglinge bis zum 4. Monat – 2010 170.2.2 Transfusionen bei AB0-Konstellation von Mutter und Kind – 2010 170.2.3 Notfalltransfusion – 2011 170.2.4 Transfusion bei älteren Kindern – 2011 170.2.5 Blutproduktauswahl bei Blutgruppeninkompatibilität – 2012 170.2.6 Spezielle Erythrozytenkonserven – 2012 170.3 Transfusion von Thrombozyten – 2013 170.3.1 Thrombozytopenie – 2013 170.3.2 HLA-idente Thrombozytenkonzentrate – 2015 170.3.3 Blutgruppeninkompatibilität bei Thrombozytentransfusionen – 2015 170.4 Transfusion von Granulozyten – 2016 170.5 Transfusion von Frischplasma – 2016 170.6 Praktische Durchführung – 2017 170.6.1 Serologische Voruntersuchungen – 2017 170.6.2 Identitätssicherung von Empfänger und Spender – 2018 170.6.3 Maßnahmen bei gestörten serologischen Voruntersuchungen – 2018 170.7 Komplikationen – 2019 170.7.1 Akute Hämolyse – 2021 170.7.2 Verzögerte hämolytische Transfusionsreaktion – 2021 170.7.3 Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz – 2022 170.7.4 Nichthämolytische, febrile Transfusionsreaktion – 2022 170.7.5 Allergische Transfusionsreaktion – 2022 170.7.6 Anaphylaktische Reaktionen – 2022 170.7.7 Posttransfusionelle Purpura – 2022 170.7.8 Nichtimmunologische Transfusionsreaktionen – 2022 170.7.9 Transfusionshämosiderose – 2023 Literatur – 2023
2006 Kapitel 170 · Pädiatrische Transfusionsmedizin Die Indikation zur Transfusion von Blutprodukten wird in den letzten Jahren zu- >> rückhaltender gestellt. Dazu trägt die Sorge vor möglichen übertragbaren Infektio- nen ebenso bei wie eine verbesserte Kenntnis der Gewebeoxygenierung. Prinzi- piell sollten nur die fehlenden Blutkomponenten verabreicht werden, die der Pa- tient benötigt, und alle unnötigen und möglicherweise gefährlichen Bestandteile vermieden werden (»Hämotherapie nach Maß«). In der Intensivmedizin erlaubt z. B. die Messung der zerebralen Sauerstoffausschöpfung eine auf die individuelle Oxy- genierung des Patienten abgestimmte Entscheidung zur Erythrozytensubstitution; vorgegebene starre Transfusionsgrenzen verlieren dadurch an Bedeutung. Auf die Verhinderung von Primärinfektionen mit dem Zytomegalievirus (CMV) muss bei der Auswahl von Blutprodukten für seronegative Kindern besonders ge- achtet werden. Bei Früh- und Neugeborenen mit – noch nicht bekanntem – Im- mundefekt kann eine geringe Beimengung von Lymphozyten zur Transfusion eine schwere Graft-versus-Host-Reaktion (»graft-versus-host-disease«, GVHD) auslösen. Im letzten Jahrzehnt hat die Aids-Katastrophe die Akzeptanz von Eltern und Ju- gendlichen für eine Transfusion deutlich verringert. Infolge des Fortschritts in der Behandlung von Gerinnungsstörungen, von schweren Infektionen und in der Stammzelltransplantation benötigt der Pädiater erweiterte Kenntnisse auf dem Gebiet der Transfusionsmedizin. Neben akuten 170 Transfusionsreaktionen müssen auch Spätfolgen, wie transfusionsbedingte Im- munsuppression, GVHD, Eisenüberladung u. a. bedacht werden. Ziel dieses Kapitels ist es, über die gängigen Richtlinien hinaus die übliche Transfusionspraxis im Kindesalter sowie die Gründe für eine spezifische Präparate- wahl darzustellen. Sie sollen die wichtigsten Indikationen für eine Transfusion von Erythrozyten, Thrombozyten und Leukozyten sowie für die Entnahme von Eigen- blut beherrschen lernen. Für die Transfusion ist der ausführende Arzt verantwort- lich: Es werden daher die wichtigsten Nebenwirkungen von Blutprodukten und die maßgeblichen Richt- und Leitlinien für deren Anwendung dargestellt. 170.1 Grundlagen Blood Banks« (Guidelines for blood utilization review 2001). Die pädiatrische Transfusionsmedizin unterscheidet sich durch Erkrankungen, die auf eine gestörte serologische Reaktion zwischen Mutter und Fetus zurückzuführen 170.1.1 Risiko übertragbarerer Infektionen sind, sowie durch die altersabhängig unterschiedlichen Blutvolumina und Transfusionsgrenzen wesentlich vom Während eine Alloimmunisierung gegen Erythrozytenan- Erwachsenenalter. tigene im Neugeborenen- und jungen Säuglingsalter offen- Die rechtlichen Grundlagen für Transfusionen sind bar nur äußerst selten vorkommt (Wilson et al.1991),haben durch das Transfusionsgesetz (Gesetz zur Regelung des transfusionsbedingte Infektionen eine zunehmende Be- Transfusionswesens 1998), das Arzneimittelgesetz und deutung. Das Expositionsrisiko ist besonders groß bei sehr die Apothekenbetriebsverordnung geregelt. Die nachfol- unreifen Frühgeborenen, die regelmäßig kleine Mengen genden Empfehlungen zur Bluttransfusion im Kindesal- Blut von vielen Blutspendern benötigen. Durch sorgfältige ter beruhen auf den Leitlinien zur Therapie mit Blutkom- Befragung (Ausschluss von Risikogruppen) und regelmä- ponenten und Plasmaderivaten (Vorstand und wissen- ßige Untersuchung der Blutspender sowie verbesserte schaftlicher Beirat der Bundesärztekammer 2003) und Nachweismethoden im Labor (NAT-, PCR-Testung) konnte den Richtlinien zur Blutgruppenbestimmung und Blut- das Infektionsrisiko durch Blutprodukte zwar reduziert, transfusion (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärzte- nicht aber völlig ausgeschlossen werden. Genaue Zahlen kammer und des Bundesgesundheitsamtes 2000), beide über die Häufigkeit der transfusionsbedingten Infektionen herausgegeben vom wissenschaftlichen Beirat der im Kindesalter existieren nicht. Das Risiko kann in Bundesärztekammer, sowie den Kriterien des »Pediatric Deutschland aufgrund der Durchseuchungsrate der Blut- Hemotherapy Committee of the American Association of spender folgendermaßen geschätzt werden:
170.1 · Grundlagen 2007 170 Geschätztes Restrisiko (nach Offergeld et al. 2005): Ob tatsächlich ein leukozytendepletiertes Produkt ei- nem CMV-negativ getesteten Produkt äquivalent ist, wird Posttransfusionshepatitis durch 1:620.000 kontrovers diskutiert. Im Notfall kann auf die ausreichen- Hepatitis-B-Virus (HBV) de Sicherheit der Leukozytendepletion vertraut werden. Posttransfusionshepatitis durch 1:1.4.400.000 Für immunsupprimierte,CMV-negative Empfänger sollte Hepatitis-C-Virus (HCV) weiterhin auf jede mögliche Verhinderung einer CMV- Übertragung von »human immuno- 1:5.540.000 Übertragung geachtet und nach Möglichkeit CMV-nega- deficiency virus« (HIV) tive Blutprodukte transfundiert werden. Aufgrund der generellen HCV-PCR-Testung von Blutpro- 170.1.2 Standardpräparate dukten in Deutschland seit 1999 ist das Restrisiko dieser Virusübertragung minimal. Die Posttransfusionshepati- Siehe hierzu ⊡ Tabelle 170-1. tis ist daher praktisch nur noch durch HBV möglich, da die potenziellen Überträger regelhaft »low level carrier« sind, die in einer Pool-PCR nicht detektierbar sind. Die 170.1.3 Speziell behandelte Blutprodukte Übertragung von HIV durch Blutprodukte ist sehr selten. Nicht zuletzt infolge der verpflichtenden HIV-PCR-(alt: NAT-)Testung seit 2004 ist das diagnostische Fenster Zytomegalie-negative Blutprodukte (Zeitabstand zwischen einer stattgehabten Infektion und dem möglichen Nachweis) deutlich verkleinert worden. Das CMV ist ubiquitär verbreitet und befindet sich vor- Bei HIV-, HCV- oder HBV-Infektionen von Blutspendern wiegend intrazellulär in Leukozyten. Etwa 50–60% der oder Empfängern von Blutkomponenten bzw. Plasmader- Blutspender haben Antikörper gegen CMV; ca. 10% dieser ivaten ist eine Rückverfolgung möglicherweise mitbetrof- Spender müssen als infektiös angesehen werden. Nur fener Empfänger und Blutspender durchzuführen (sog. CMV-seronegative Patienten mit einem beeinträchtigten Look-back-Verfahren). Immunsystem haben ein hohes Risiko, dass im Verlauf ei- Selten werden Plasmodien (Malaria, 1 Fall/4–6 Mio. ner transfusionsbedingten CMV-Infektion schwer wie- Erythrozytentransfusionen; Witt et al. 1998), Trypanoso- gende Folgeerkrankungen auftreten. Deshalb sollte diese men (Chagas-Krankheit), Yersinia und andere Parasiten Risikogruppe CMV-negative Blutprodukte erhalten. übertragen. Die potenziell infektiösen Blutspender kön- Kriterien zur Transfusion von CMV-negativen Blutpro- nen z. Z. nur durch sorgfältige Befragung erkannt und – dukten bei seronegativen Patienten sind Bundesärztekam- falls indiziert – mit gezieltem Antikörpertest von der mer u. Paul Ehrlich Institut 2005; eigene Ergänzungen in Spende ausgeschlossen werden. Klammern: Nach Thrombozytentransfusion kann eine bakterielle Frühgeborene (besonders mit einem Geburtsgewicht Kontamination der Konserve zu einer systemischen fie- < 1.200 g), berhaften Infektion (bis zum Vollbild einer Sepsis) führen (potenzielle) Empfänger von (seronegativen Organen (s.Abschn. 170.7). oder) Knochenmark, Kinder mit schweren angeborenen (oder erworbe- Erregeraktivierung. Wegen des bestehenden Restrisikos nen) Immundefekten, sollten möglichst nur noch virusinaktivierte oder Qua- CMV-negative schwangere Frauen und/oder ihre Kin- rantäne-Blutprodukte eingesetzt werden. Bisher war eine der, wenn pränatale Bluttransfusionen erforderlich Virusinaktivierung nur in Plasmafraktionen und Plasma sind. möglich. Durch ein neues Pathogen-Inaktivierungsver- fahren (Intercept) können neuerdings Viren und Bakte- Das Risiko für extrem unreife Frühgeborene (Geburtsge- rien auch in Thrombozytenkonzentraten – die am ehes- wicht unter 1.200 g) ist deshalb erhöht, weil ihr Immun- ten für eine bakterielle Kontamination in Frage kommen system bei fehlendem schutzbringendem Antikörper von – inaktiviert werden. der Mutter noch nicht voll leistungsfähig ist. Bei CMV-se- Um lymphotrope Viren zu entfernen, die Gefahr der ropositiven Patienten ist ein Nutzen von CMV-negativen Prionenübertragung zu eliminieren sowie die Immuni- Blutprodukten nicht belegt. sierungsrate zu erniedrigen, dürfen nur leukozytendeple- tierte Blutzellenprodukte (Ausnahme: Stammzellen- und Tipps für die Praxis Leukozytenapherisate) verwandt werden (Leukozytenge- Aufgrund der hohen Durchseuchung können logisti- halt
2008 Kapitel 170 · Pädiatrische Transfusionsmedizin ⊡ Tabelle 170-1. Standardpräparate (Bundesärztekammer u.Paul Ehrlich Institut 2005) Präparat Inhalt Zusatza Infektionsrisiko Haltbarkeit Vollblutbedarf für Herstellung Erythrozyten- HKT 0,6±0,1 100 ml Stabilisator Minimal 42 Tage 450 ml ± 50 konzentrat b + Antikoagulans oder Apherese Plättchenkon- 2–4¥1011 Plasma, Plätt- 4- bis 5-mal 5 Tage Buffy coat von zentrat gepoolt b Thrombozyten chenstabilisator Vollblutspende c 4–5 Vollblut- spendern Plättchen- 2–4¥1011 ≈ 300 ml Plasma, Gering 5 Tage Apherese konzentrat b aus Thrombozyten ACD Thrombozyten- < 3¥109 apherese Erythrozyten Virusinaktiviertes 200 ml SD-Inaktivierung: Gering Gefroren bis Gepooltes Plasma b Triton-X-100, 2 Jahre Spenderplasma Phosphatpuffer Frischplasma b ≈200 ml Quarantäne Gering Gefroren bis Vollblutspende/ 170 2 Jahre Apherese Granulozyten- 10–30¥109 ≈200 ml Plasma, Hoch Innerhalb von Apherese konzentrat Leukozyten CPD 24 h anwenden ACD Natriumzitrat, CPD Natriumzitrat a Additive Lösungen enthalten Glukose, Adenin, Mannitol, Natriumchlorid, Phosphatpuffer und Wasser. Als Antikoagulans die- nen ACD, Zitronensäure, Glukose oder CPD, Zitronensäure, NaH2-Phosphat, Glukose, Wasser. b Diese Blutprodukte werden in Deutschland standardmäßig leukozytendepletiert. c Vor allem bakterielle Infekte. depletierte Präparate transfundiert werden. Plasma- Folgende Risikogruppen sollten nur bestrahlte Blut- produkte sind ausreichend leukozytenarm und gelten produkte erhalten (nach Bundesärztekammer u. Paul als sicher. Ehrlich Institut 2005; eigene Ergänzungen in Klammern): Neugeborene/Kinder mit gesichertem oder auch schon vermutetem Immundefekt (angeboren oder er- worben; cave: auch T-Lymphozyten-Antikörper, z.B. Bestrahlte Blutprodukte ATG oder Campath, evtl. auch Purin-Analoga [Fluda- Nach Übertragung von teilungsfähigen Spenderlymphozy- rabin u. a.]), ten kann es bei bestimmten Risikopatienten mit gestörtem Neugeborene/Säuglinge, die intrauterin Bluttransfu- Immunsystem zu einer GVHD kommen. Die transfusions- sionen erhielten, bedingte GVHD ist eine seltene, meist akut verlaufende Er- Empfänger von allogenen Stammzellen (mindestens krankung mit einer Letalität von bis zu 90% im Kindesalter. 1/ Jahr vor und 1 Jahr nach Transplantation), 2 Da es bisher keine effektive Therapie gibt, kann die GVHD autologe Stammzellspender 7–14 Tage vor der Spende, nur durch die Gabe von prophylaktisch bestrahlten Blut- Empfänger von autologen Stammzellen ca. 3 Monate produkten verhindert werden. Die Bestrahlung erfolgt mit nach Transplantation, einer Dosis von 25–30 Gy und hat bei dieser Dosis keine Kinder mit Hochdosis-Chemotherapie bei Leukämien/ nachteiligen Folgen auf das Blutprodukt. Malignomen/aplastischer Anämie/Myelodysplasie Grundsätzlich sollten u. a. (die möglicherweise eine Stammzelltransplanta- alle Blutkomponenten aus gerichteten Blutspenden tion benötigen), von Blutsverwandten, Patienten mit Morbus Hodgkin, alle HLA-ausgewählten Blutkomponenten, (sehr kleine) Frühgeborene. alle Granulozytenpräparate In letzter Zeit wurde auch bei Patienten mit intaktem Im- bestrahlt werden. munsystem eine transfusionsbedingte GVHD beschrie-
170.1 · Grundlagen 2009 170 ben; hierbei besteht eine Haploidentität im Human-leuco- Nachweis von T-Antigen ist für die Interpretation der se- cyte-antigen-(HLA-)System zwischen Spender und Emp- rologischen Daten von wesentlicher Bedeutung. Da sich fänger. Die Empfängerlymphozyten können die HLA-ha- aus dem Nachweis keine klinischen Konsequenzen erge- ploidenten Spenderlymphozyten nicht als fremd erkennen, ben, ist die Untersuchung auf T-Antigenaktivierung bei während die homozygoten Spenderlymphozyten den der nekrotisierenden Enterokolitis (NEC) – mit Ausnah- nichtgemeinsamen HLA-Haplotyp als fremd abstoßen. me von schwerer unklarer Hämolyse nach Transfusion – nicht erforderlich. Gewaschene Blutprodukte Waschen von Blutprodukten entfernt das restliche Plasma. …Therapie Gewaschene Produkte sollten bei Verdacht auf IgA-Man- gel des Empfängers gegeben werden. Die Haltbarkeit von ‥Therapieprinzip gewaschenen Blutkomponenten beträgt in der Regel bis Patienten, bei denen nach Transfusion eine unklare, schwere zu 6 h. Da Erythrozytenkonzentrate heute standardmäßig Hämolyse auftritt, sollten Anti-T-Antikörper-schwaches weniger als 3–5% Plasma enthalten, kann von wenigen Frischplasmapräparat bekommen, sofern eine T-Aktivierung Ausnahmen abgesehen (wiederholte Transfusionsreak- nicht ausgeschlossen ist. tion) auf das Waschen von Erythrozyten verzichtet wer- den. Hämolytisch-urämisches Syndrom mit T-Antigenaktivierung Indikationen für gewaschene Blutprodukte Beim hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS) infolge (Guidelines for blood utilization review 2001) einer Pneumokokkensepsis und/oder -meningitis kommt Anamnestisch anaphylaktische Reaktion auf Blut- es zu einer sehr schweren Hämolyse.Durch die bakterien- produkte eigene Neuraminidase wird das T-Antigen auf Erythrozy- Absoluter IgA-Mangel mit gesicherten IgA-Anti- ten und Glomerulazellen aktiviert. Möglicherweise trägt körpern bei dieser Sonderform des HUS die T-Antigenaktivierung Neonatale Alloimmunthrombozytopenie oder zur Morbidität bei. Daher empfehlen wir beim atpyischen Morbus haemolyticus neonatorum, sofern die HUS auch ein Screening auf T-Antigen (Eber et al. 1993). Mutter der Spender ist. Dies erlaubt sehr früh die Identifizierung von Patienten Auf keinen Fall darf eine klinisch notwendige mit HUS im Gefolge einer Pneumokokkeninfektion und Transfusion durch das Waschen von Thrombozy- hohem Risiko für schwere Hämolyse und Nierenver- ten oder Erythrozyten verzögert werden. sagen. In seltenen Fällen müssen bei Patienten mit rezidivieren- …Therapie den, schweren allergischen Reaktionen, die nicht auf die Gabe von Antihistaminika und/oder Prednison anspre- ‥Therapieprinzip chen sowie bei rezidiverenden febrilen Episoden die Blut- In besonders schweren Fällen mit HUS haben sich Blutaus- produkte gewaschen werden. tauschtransfusionen bewährt Vorgehen bei Transfusionen bei pneumokokken- Vorgehen bei möglicher T-Antigen- induziertem HUS Aktivierung der Erythrozyten Standarderythrozytenkonzentrat; zentrifugiertes Thrombozytenkonzentrat; Besonders im Kindesalter gehen einige Erkrankungen bei T-Antigen-Aktivierung und hohem Anti-T-Titer mit einer Aktivierung von T-Antigen auf der Erythrozy- (>1:500; bei niedrigem Anti-T-Titer sind keine Maßnah- tenoberfläche einher. Die Bedeutung dieses kryptischen men erforderlich): Anti-T-Antikörper-schwaches Frisch- Antigens für eine verstärkte Hämolyse ist bisher nicht be- plasma; wiesen (Eder u. Manno 2001; Crookston et al. 2000). bei zunehmender Hämolyse nach Transfusion kann auf gewaschene Erythrozytenkonzentrate umgestellt werden. Nekrotisierende Enterokolitis Die Hämolyse ist häufig gesteigert; eine kausale Assozia- tion zwischen der häufigen Aktivierung von T-Antigen und der gesteigerten Hämolyse ist nicht bewiesen. Der
2010 Kapitel 170 · Pädiatrische Transfusionsmedizin 170.2 Transfusion von Erythrozyten Massivtransfusionen, Austauschtransfusion Die Transfusion von gelagertem Vollblut wird aus medizi- nischen und ökonomischen Gründen heute praktisch 170.2.1 Neugeborene und Säuglinge nicht mehr durchgeführt. Fast immer kann dafür die bis zum 4. Monat Kombination von Erythrozytenkonzentrat und Frisch- plasma gegeben werden.(Erythrozyten der Gruppe 0,Rh- Aufgrund der besonderen physiologischen Verhältnisse neg. gemischt mit Plasma der Gruppe AB, Rh-neg. Irregu- in der Neugeborenenzeit ergeben sich hier besondere In- läre Antikörper sollten durch Antikörpersuchtest im Plas- dikationen. Neugeborene und insbesondere Frühgebore- ma der Patienten ausgeschlossen sein.) Dies gilt auch für ne gehören zu den Patientengruppen im Krankenhaus, den vollständigen Blutaustausch beim Neugeborenen die am ehesten eine Bluttransfusion erhalten. und die Massivtransfusion bei schwerem akutem Blutver- Kriterien zur Erythrozytensubstitution bei Neugebo- lust. Die Hauptindikation für eine Blutaustauschtransfu- renen und Säuglingen bis zum 4. Lebensmonat sind (Gui- sion ist nach wie vor die schwere Hyperbilirubinämie bei delines for blood utilization review 2001): gesteigerter Hämolyse (mit oder ohne Blutgruppenun- Hämoglobin-(Hb-)Wert 10% des Blutvolumens inner- Bei Massivtransfusion (Ersetzen von mehr als einem halb einer Woche. Blutvolumen in weniger als 24 h) kann es zu einem Man- gel an Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten kommen. Bis zu 90% aller Erythrozytentransfusionen für Frühge- Eine Behandlung durch Zufuhr von Plättchen und/oder borene 70%) sollte bei klinischen Symptomen erforderlichen Blutentnahmen zur Überwachung der Vi- der kardialen Überlastung und bei Respirationsstörun- talfunktionen auszugleichen. Die hoch dosierte Erythro- gen ein partieller Blutaustausch mit 5%igem Albumin er- poetinbehandlung sehr kleiner Frühgeborener mit dem folgen. Ziel, den Transfusionsbedarf zu senken, wird bisher nicht generell empfohlen. Ein iatrogener Blutverlust von 7 ml entspricht ca. 10% 170.2.2 Transfusionen bei AB0- des Blutvolumens eines 1.000 g schweren Frühgeborenen. Konstellation von Mutter und Kind Dadurch sind wiederholte Transfusionen von kleinen Vo- lumina (5–15 ml/kg KG) innerhalb einer relativ kurzen Mütter der Blutgruppe 0, die Kinder der Blutgruppe A Zeit erforderlich.Das Früh- und Neugeborene sollte dabei oder B erwarten, bilden leicht plazentagängige IgG- einer möglichst geringen Anzahl an Blutspendern ausge- Antikörper der Spezifität Anti-A/Anti-B, die sich auch setzt sein, um das Risiko übertragener Infektionen zu ohne Symptome einer AB0-Erythroblastose im kind- mindern. Die benötigte Gesamtmenge an Blut für ein lichen Organismus befinden können. Die kindlichen Ery- Neugeborenes kann in vielen Fällen leicht durch die throzyten werden wegen nur schwacher Ausbildung Spende einer Person erfolgen (»ein Spender für einen Pa- der A- und B-Antigene, insbesondere bei unreifen Früh- tienten«; Guidelines for blood utilization review 2001). geborenen, praktisch nicht beschleunigt abgebaut. Durch den Einsatz von Quadrupelbeuteln und steriler Werden jedoch blutgruppengleiche adulte Erythrozyten Schweißtechnik können im geschlossenen System 4 Ali- mit stark entwickelten Blutgruppenantigenen transfun- quots mit kleinem Volumen (ca. 70 ml) hergestellt und für diert, kann es zu einer meist protrahierten hämolyti- einen Patienten bereitgestellt werden. schen Transfusionsreaktion mit unzureichendem Hb- Anstieg, Hyperbilirubinämie und einem positiven direk- 1 Umrechnung in Stoffmengenkonzentration: g/dl ¥ 0,6206 = ten Coombs-Test kommen. Man sollte daher im ersten mmol/l. Monat die AB0-Konstellation zwischen Mutter und Kind
170.2 · Transfusion von Erythrozyten 2011 170 bei der Auswahl des Blutes berücksichtigen und im Zwei- kulozytopenie. Bei chronischem Transfusionsregime felsfall Erythrozytenkonzentrat der Blutgruppe 0 aus- bei Thalassämie gelten höhere Grenzen.) wählen. Hb 100 g/l (6,2 mmol/l) ange- mit einem Erythrozythenkonzentrat mit sog. universeller strebt. Dabei führt die Gabe von 3 ml gepackten Erythro- Verträglichkeit (Blutgruppe 0, Rh-neg., Kell-neg.) ohne zyten/kg KG zu einem Anstieg des Hb von 10 g/l vorherige serologische Testung durchgeführt werden.Vor (0,62 mmol/l). Bei Berücksichtigung eines Konserven- Beginn der Transfusion muss eine Blutprobe für die Sero- HKT von üblicherweise 0,6 muss diese Menge auf logie abgenommen werden. Für schwer kranke Frühge- 5 ml/kg KG erhöht werden. borene und reife Neugeborene mit akutem Blutbedarf Das benötigte Blutvolumen errechnet sich nach fol- und bei notfallmäßiger Indikation werden in vielen Blut- gender Formel: banken kleinvolumige Notfallerythrozytenkonzentrate bereitgestellt.Wenn der Antikörpersuchtest im Serum der Konservenvolumen (ml) Mutter keine unverträglichen, irregulären Antikörper = [Soll Hb (g/dl) – Ist Hb (g/dl)] ¥5 ¥kg KG nachweist, können diese Erythrozytenkonzentrate ohne prätransfusionelle Serologie unverzüglich eingesetzt wer- In der Praxis gilt, dass die Transfusionsmenge zwischen den. Dies ist besonders hilfreich bei der weißen Asphyxie 10 ml/kg KG bis maximal 20 ml/kg KG beträgt. Die Indika- des Neugeborenen, wenn die Hypovolämie sofort durch tion zur Erythrozytensubstitution ist bei allen Kindern verträgliches AB-Plasma und universell verträgliches Er- gegeben, die eine größere Sauerstoff-(O2-)Transportka- ythrozytenkonzentrat behandelt werden kann. Die Ursa- pazität des Blutes benötigen, um eine Gewebshypoxie zu che kann eine vorzeitige Plazentalösung, eine fetomater- vermeiden. Bei der Festlegung des kritischen Hb-Werts nale oder fetofetale Blutung sein. müssen die physiologischerweise niedrigeren Hb-Werte im Kindesalter berücksichtigt werden. Neben dem kriti- schen Hb-Wert sollten auch das Allgemeinbefinden sowie 170.2.4 Transfusion bei älteren Kindern die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Pa- tienten individuell berücksichtigt werden. Bei akuten Blutverlusten wird zunächst der Kreislauf durch Volu- Transfusionsgrenzen menersatzmittel stabilisiert und nur bei ausgedehnten Empfohlene Transfusionsgrenzen bei Kindern älter als Blutungen eine Erythrozytensubstitution vorgenommen. 4 Monate können individuell variieren. Als Richtwerte Im Allgemeinen sollte ab einem intraoperativen oder gelten (Guidelines for blood utilization review 2001): spontanen Verlust von >15% des Blutvolumens transfun- Präoperativer Hb 8,0 g/dl (5 mmol/l) gehalten werden. Kinder Zeichen einer Hypovolämie, die nicht auf Volumen- mit chronischer Anämie und ohne sonstige Erkrankun- substitution anspricht. gen (insbesondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Hb
2012 Kapitel 170 · Pädiatrische Transfusionsmedizin 170.2.5 Blutproduktauswahl Eigenblutkonserven, bei Blutgruppeninkompatibilität Zellsaver, intraoperative Hämodilution. Hat der Empfänger eine seltene Blutgruppe (z. B. B) ist nicht immer eine idente Blutkonserve verfügbar.In diesen Die abzunehmende Eigenblutspende richtet sich nach Fällen muss (über die Blutgruppe hinweg) kompatibel dem geschätzten Blutverlust und beträgt 50–80% des Vo- transfundiert werden. lumenverlustes während des Eingriffs. Eigenblutkonser- ven sind bei geeignetem Stabilisator maximal 49 Wochen ! Generell gilt, dass Patienten der Blutgruppe AB Konser- haltbar. Eigenblut wird daher höchstens 35 Tage und min- ven aller Blutgruppen erhalten können; Konserven mit destens 7 Tage vor dem Eingriff gespendet. Je nach Bedarf der Blutgruppe 0 können allen Patienten verabreicht und Möglichkeiten erfolgen 1 oder 2 Eigenblutentnahmen werden. von 10 ml/kg KG. Werden 2 Eigenblutentnahmen benö- tigt, so ist die erste möglichst früh (maximal 35 Tage) und Tipps für die Praxis die zweite möglichst spät (mindestens 7 Tage) vor dem Bei Blutttransfusionen nach Stammzelltransplanta- Eingriff,jedoch im Abstand von 2–3 Wochen,durchzufüh- tion mit einer Inkompatibilität der Blutgruppe zwi- ren. Vor Verabreichung der Eigenblutspende muss die schen Spender und Empfänger richtet sich der Über- Blutgruppe des Spenders und der zu infundierenden gang zur Spenderblutgruppe nach dem Verschwin- Spende (Konserve) überprüft werden. den der gegen die Spenderblutgruppe gerichteten Im Anschluss an die Eigenblutentnahme wird eine Ei- Hämolysine und Agglutinine oder nach dem Nach- sensubstitution (6 mg/kg KG Fe++) während 1–3 Monaten 170 weis der Blutgruppe des Stammzell-Spenders im Blut durchgeführt.Alternativ kann das Eisen i.v. nach der Ope- des Stammzell-Empfängers. Diese Tests sollten bei ration gegeben werden. Eine hämatologische Kontrolle Auftreten der Retikulozyten durchgeführt werden. erfolgt 3 Monate nach dem Eingriff (Blutbild, Ferritin). 170.2.6 Spezielle Erythrozytenkonserven Zellsaver und akute Hämodilution Der Zellsaver ist für alle Altersgruppen die effizienteste Technik, um intraoperativ Blut zu sparen. Bei Erwachse- Eigenblutspende, Hämodilution nen wird neuerdings in einigen Zentren die normovolämi- sche Hämodilution angewandt,bei der vor oder bei Einlei- Indikation im Kindesalter tung der Narkose 2–4 Bluteinheiten Eigenblut entnommen Dies sind in seltenen Fällen elektive Eingriffe und Opera- und das Volumen mit kristallinen Lösungen aufgefüllt tionen mit einem erwarteten Blutverlust von mehr als wird. Die Effektivität dieser Technik ist umstritten, und 10–20 ml/kg KG. das Verfahren sollte daher im Kindesalter nur in besonde- Voraussetzung ist eine Herstellungsgenehmigung der ren Situationen, wie z. B. einer Knochenmarkspende, ein- zuständigen Regierungsbehörde für die Institution! gesetzt werden. Bei der Hämodilution wird eine Blutver- dünnung mit kristallinen Lösungen auf einen HKT-Wert Kontraindikation (Council of Europe 2006) von 23–25% durchgeführt. Dadurch gehen intraoperativ Vorbestehende Anämie (Hb
170.3 · Transfusion von Thrombozyten 2013 170 Eine größere Infektionssicherheit ist dabei nicht gegeben, 170.3.1 Thrombozytopenie und bei wiederholter Exposition gegenüber demselben Spender steigt das Risiko unerwünschter Nebenwirkun- Kriterien zur Substitution gen an. Insbesondere sollte dem in letzter Zeit von vielen In der Regel sollten bei einem Wert 50.000/µl (ab der 2. Woche 50.000/µl bei bestehender Blutung und/oder kleine- Behandlung der Grunderkrankung erfolgen. Die Indika- ren invasiven Eingriffen (gilt auch für Lumbalpunk- tion zur prophylaktischen Transfusion von Thrombozyten tion, besonders von unruhigen oder kleinen Kin- beruht nicht auf wissenschaftlich gesicherten Erkenntnis- dern), sen, sondern auf klinischer Erfahrung und ist meist empi- >50.000/µl bei schweren oder nichtbeherrschbaren risch begründet. Das Risiko von oft lebensbedrohlichen Blutungen bei Patienten mit Funktionsstörungen der Blutungen ist bei Thrombozytenzahlen unter 10.000– Thrombozyten (z. B. Morbus Bernard-Soulier), 20.000/µl erhöht. Bei Fieber, bei bestehender Blutung, bei >80.000/µl bei allen größeren Operationen mit oder notwendigen invasiven Eingriffen und bei Gerinnungsstö- ohne bestehender Blutung, rungen müssen schon bei höheren Grenzwerten Throm- >100.000/µl bei schwer erkrankten Frühgeborenen, bozyten prophylaktisch transfundiert werden. >100.000/µl bei bestehender Blutung und gleichzeiti- ger Gerinnungsstörung ! Cave sowie bei schweren Blutungen bei angeborenen Funk- Wegen zusätzlicher Störungen der Plättchenfunktion tionsstörungen der Thrombozyten mit normaler Zahl und Gerinnungsfaktoren bei Neugeborenen, insbeson- (z.B. Thrombasthenia Glanzmann). dere Frühgeborenen, ist das Risiko einer Hirnblutung besonders ausgeprägt. Bei sehr unreifen Frühgeborenen oder Neugeborenen mit Kreislaufschwierigkeiten muss evtl. eine Volumenreduk- tion des Plättchenkonzentrats erfolgen. Die Thrombozy- ten sollten neben der AB0-Verträglichkeit möglichst auch Rh(D)-kompatibel und, wenn erforderlich, auch CMV- negativ sein.
2014 Kapitel 170 · Pädiatrische Transfusionsmedizin Dosierung und Verabreichung ! Die geringe Menge an kontaminierenden Erythrozyten der Thrombozytentransfusion in den Thrombozytenkonzentraten ist klinisch irrele- vant und muss, außer für die Prophylaxe der Rhesus- ‥Therapieziel sensibilisierung, nicht berücksichtigt werden. Das Ziel der Thrombozytentransfusion sollte ein Anstieg der Plättchenzahlen auf >100.000/µl sein. Neonatale Alloimmunthrombozytopenie ‥Therapieprinzip Dies kann erreicht werden durch die Transfusion von Sie kommt 1-mal auf 5.000 Geburten vor und wird in 10–20 ml/kg KG eines Standardthrombozytenkonzentrats mehr als 75% der Fälle durch mütterliche IgG-Antikörper (2–4¥1011 Thrombozyten), das entweder durch Zentrifuga- der Spezifität Anti-HPA-1a (»human platelet antigen«), tion aus einer Vollblutspende (meist als gepooltes Thrombo- früher PlA1, verursacht. Plättchenantikörper können be- zytenkonzentrat erhältlich) oder durch Zellseparation ge- reits in der 14. SSW die Plazenta passieren und führen in wonnen wird (s. 170.1.2). Nach Möglichkeit sollten immer 10–15% der betroffenen Kinder zu intrazerebralen Blu- ganze Beutel transfundiert werden, um die wertvolle Spende tungen mit möglichem intrauterinen Fruchttod oder le- nicht zu verwerfen. Die Gabe eines gepoolten Plättchenkon- benslangen neurologischen Schäden. Deshalb müssen zentrats ergibt bei Erwachsenen (70 kg KG) einen Thrombo- Frauen mit belastender Anamnese sorgfältig überwacht zytenanstieg von 30.000/µl. Bei Kindern sollten maximal werden, um rechtzeitig eine pränatale Diagnostik zu ver- 20 ml/kg KG Thrombozytenkonzentrat/Gabe transfundiert anlassen. Die Thrombozytopenie bei Fetus/Kind kann in werden; bei Säuglingen muss das Konzentrat evtl. vor Trans- weiteren Schwangerschaften (falls gleicher Vater) zuneh- 170 fusion zentrifugiert werden, um eine Volumenüberladung zu mend verstärkt auftreten. vermeiden. Vorgehen …Therapie Die Infusion sollte so rasch wie möglich (ein gepooltes Konzentrat über ca. 30 min) erfolgen; Pumpen und ‥Therapieprinzip Druck-Manschette sind erlaubt. Die Therapie kann mit der regelmäßigen Gabe von Immun- Ein Mischen mit anderen Infusionslösungen außer 5- globulinen (0,4 g/kg KG) an die Schwangere versucht wer- bis 10%iger Glukose- oder 0,9%iger NaCl-Lösung (auch den. In schweren Fällen (z. B. bei Verdacht auf intrauterine nicht über Y-Stück) ist nicht zulässig: Jedoch ist die Blutung des Feten) ist die intrauterine Transfusion von kom- gleichzeitige Gabe über 2 Lumina eines doppellumigen patiblen Thrombozyten erforderlich. Einige Blutbanken ha- Katheters erlaubt. ben inzwischen typisierte HPA1a-negative Spender und/ Bei Rh-neg. Mädchen, die wegen Mangel an Rh-nega- oder ein HPA1a-Präparat vorrätig, so dass die Mutter nicht tiven Spendern ausnahmsweise ein Rh-positives Throm- mehr häufig spenden muss. Die Thrombozyten müssen plas- bozytenkonzentrat erhalten, erfolgt eine Anti-D-Prophy- mafrei gewaschen und bestrahlt sein. Nach der Geburt muss laxe (0,5 ml). bei Blutungsneigung umgehend die Thrombozytenzahl des Durch eine posttransfusionelle Thrombozytenzählung Kindes bestimmt werden. Bei Thrombozytopenie ist nach (sog. 1-h-Wert) sollte festgestellt werden, ob weitere Ausschluss anderer Ursachen, insbesondere Sepsis, bei einer Thrombozytengaben erforderlich sind. Unter Berücksich- gesunden Mutter eine neonatale Alloimmunthrombozyto- tigung der Körperoberfläche (KOF) wird das korrigierte penie anzunehmen. Wegen der Gefahr intrazerebraler Blu- Inkrement (Kl) errechnet (Anonymous 2002): tungen muss das Kind bei Thrombozyten 7,5 gilt als gute Response. Bei ungenügen- durch die pränatale Diagnostik und die Besonder- dem Thrombozytenanstieg ist nach Ausschluss anderer heiten der prä- und postnatalen Therapie sollten Ursachen (Infekt, Hypersplenismus, Erythrophagozytose, Schwangere mit solchen Kindern als Risikoschwan- Verbrauchskoagulopathie) eine Sensibilisierung anzu- gerschaften angesehen und nur in perinatologischen nehmen und auf HLA-ausgewählte oder bei thrombozy- Zentren mit besonderer Erfahrung behandelt werden. tären Antikörpern auch Antigen-negative Thrombozy- tenkonzentrate zu wechseln.
170.3 · Transfusion von Thrombozythen 2015 170 Neonatale Autoimmunthrombozytopenie Bei Erkrankungen, die mit einer erhöhten Thrombose- neigung einhergehen, wie hämolytisch-urämisches Syn- Diese verläuft milder und wird durch mütterliche IgG- drom und thrombotisch-thrombozytopenische Purpura, Autoantikörper hervorgerufen (z. B.Werlhof der Mutter). sind Transfusionen von Thrombozyten kontraindiziert. …Therapie 170.3.2 HLA-idente Thrombozyten- konzentrate ‥Therapieprinzip Eine Therapie ist meist nicht erforderlich. Nur Neugeborene Einige Patienten entwickeln nach rezidivierenden mit ausgeprägter Thrombozytopenie (
2016 Kapitel 170 · Pädiatrische Transfusionsmedizin ! Cave Vorgehen In der Phase der Konditionierung vor Stammzelltrans- Die Granulozytenmobilisation erfolgt mit 5 µg/kg KG plantation und der anschließenden Aplasiephase sollte GCSF s.c. 6–12 h vor Entnahme. die Zufuhr von Isoagglutininen mit der Thrombozyten- Ein therapeutisches Granulozytenpräparat sollte gabe, die gegen die anwachsenden Spendererythro- 1–2¥109/kg KG Leukozyten enthalten. zyten gerichtet sind, unbedingt vermieden werden: In- Der Anstieg der Neutrophilen (≈1,5¥109/l; Peters et al. kompatible Isoagglutinine können das Angehen der 1999) wird 1 h nach Transfusion kontrolliert (gleichzeitig Spendererythropoese verzögern. Thrombozytenanstieg um 30.000–50.000/µl; kein Am- photericin B 4 h vor und nach der Gabe!). Granulozytentransfusionen sollten täglich bis 2-tägig 170.4 Transfusion von Granulozyten gegeben werden, bis die Infektion bekämpft ist oder die Granulozytenzahlen über den kritischen Werten liegen. In den letzten Jahren hat sich die Transfusion von Granu- Alle Granulozytenpräparate sollen prätransfusionell lozyten bei Kindern mit anhaltender schwerer Neutrope- bestrahlt werden. nie und mit invasiven Infektionen zunehmend bewährt (Sachs et al. 2006; Peters et al. 1999). Die gegenüber frühe- ! Cave ren Daten besseren Ergebnisse sind v. a. auf eine erhöhte Nach Granulozytentransfusionen kann es zu einem be- Mobilisation von Granulozyten durch Gabe von »granu- atmungspflichtigen »adult respiratory distress syndro- locyte colony-stimulating factor« (GCSF) an den Spender me« (ARDS) kommen. Bei geringsten respiratorischen vor Apherese erzielt worden. Daten zur Applikation nach Störungen nach Granulozytentransfusion muss daher 170 Stammzelltransplantation ergeben eine verbesserte eine Röntgenthoraxkontrolle erfolgen. Überlebensrate bei Sepsis und anderen schweren Infek- tionen. Aufgrund der großen Leukozytenzahlen sind die Tipps für die Praxis Risiken von transfusionsbedingten Infektionen,des TRA- Bei Neugeborenen kommt es häufiger zu lebensbe- LI-Syndroms (transfusionsassoziierte Lungeninsuffi- drohlicher Sepsis und stark verminderten Leukozy- zienz), Alloimmunisierung sowie auch der GVHD be- tenzahlen.Vor einer Granulozytengabe sollte versucht sonders groß. Die Indikation zur Granulozytentransfu- werden, die endogene Produktion und Ausschüttung sion muss daher streng gestellt werden, und die Gabe von Granulozyten durch die Gabe von GCSF an das bleibt neutropenen Patienten mit schwerer Sepsis oder kranke Neugeborene zu verbessern. Bei Nichtanspre- Aspergillose als »Ultima ratio« vorbehalten. chen sollte die Transfusion von Granulozyten bedacht Kriterien zur Transfusion von Granulozyten sind werden, da zusätzlich die Funktion von Neugebore- (Guidelines for blood utilization review 2001): nenleukozyten beeinträchtigt ist. Granulozytenzahlen
170.6 · Praktische Durchführung 2017 170 im Plasma sehr gering. Zur Vermeidung von Virusüber- ! Cave tragung sollte nach Möglichkeit virusinaktiviertes oder Bei der Gabe von Frischplasma muss auf die Blutgrup- Quarantäneplasmapräparat verwendet werden. Beide pe geachtet werden. Bei Blutgruppendifferenz ist wich- Verfahren gelten als äquivalent. SD-virusinaktiviertes tig, dass hämolysinfreie Präparate ohne die Einschrän- Plasma ist vollkommen leukozytenfrei und kommt daher kung: »nur für Blutgruppen-gleiche Transfusion« oder besonders bei immunsupprimierten Tumorpatienten un- mit dem Vermerk »für Empfänger aller Blutgruppen« ter intensiver Chemotherapie zum Einsatz. Andererseits angewandt werden. Im Notfall kann Plasma der Blut- profitieren Patienten nach Lebertransplantation mögli- gruppe AB als Universalplasma für Empfänger aller cherweise von der höheren Serinproteasen-Inhibitorakti- Blutgruppen eingesetzt werden. vität im Quarantäneplasma. Die wesentlichen Indikationen für Frischplasma sind: Disseminierte intravasale Gerinnung und Blutung. 170.6 Praktische Durchführung Quick-Wert
2018 Kapitel 170 · Pädiatrische Transfusionsmedizin nen erhalten, müssen zusätzlich die Rhesusfaktoren CcEe 170.6.3 Maßnahmen bei gestörten sowie der Kell-Faktor K festgestellt werden. Zur Erken- serologischen Voruntersuchungen nung von irregulären Erythrozytenantikörpern wird bei jeder Blutgruppenbestimmung der Antikörpersuchtest Bei den Blutproben mancher Patienten kann es im Labor und eine Verträglichkeitsprobe durchgeführt. Das Ergeb- zu störenden Fibrinausfällungen in den Testansätzen nis der Blutgruppenbestimmung muss vor der Transfu- kommen. Mit EDTA-Blut (EDTA=Äthylendiamintetraes- sion in einer zweiten Blutprobe bestätigt werden.Bei Säug- sigsäure) kann auch bei dringenden Bluttransfusionen lingen jünger als 3 Monate mit vorausgegangenen Transfu- sofort Plasma gewonnen werden, das für die erforder- sionen/Blutgruppenbestimmung sollte die Blutgruppen- lichen serologischen Voruntersuchungen geeignet ist. Käl- bestimmung wiederholt werden, sobald Isoagglutinine teantikörper mit erhöhter thermischer Wirksamkeit kön- nachweisbar sind (>6. Lebensmonat); der Abstand zur nen zu Schwierigkeiten bei der Blutgruppenbestimmung Transfusion muss mindestens 3 Monate betragen. und bei der Kreuzprobe führen.Bei autoimmunhämolyti- schen Anämien vom Wärmetyp reagieren die Autoanti- Tipps für die Praxis körper auch mit Spendererythrozyten. In vielen Fällen Bei Patienten mit regelmäßiger Transfusion sollten die liegen neben den Autoantikörpern auch Alloantikörper Infektionstiter (HIV; HCV, HBV) in jährlichen Abständen vor, die bei der Spenderauswahl berücksichtigt werden getestet werden, um im Fall eines positiven Titers müssen. Wegen der dadurch bedingten Unsicherheit bei nach Transfusion den Infektionsweg nachverfolgen zu der serologischen Verträglichkeit empfehlen wir als zu- können. sätzliche Sicherung den In-vivo-Hämolysintest, um be- drohliche hämolytische Transfusionsreaktionen zu ver- 170 meiden: Hierbei werden jeweils vor und 15–30 min nach Transfusion einer kleinen Menge Spenderblutes 170.6.2 Identitätssicherung von Empfänger (0,6 ml/kg KG) EDTA-Blutproben entnommen und sofort und Spender zentrifugiert. Bereits bei einem Hb-Gehalt von 100 mg/l (6,2 µmol/l) tritt eine leicht erkennbare Rotfärbung des Für die Identität der an das Laboratorium übersandten Plasmas auf. Eine Polyagglutinabilität (d. h. die Aggluti- Blutproben ist der Arzt verantwortlich, der die Blutent- nation mit allen eingesetzten Testseren) ist meist auf die nahme durchgeführt hat. Die Beschriftung der Blutprobe Freilegung des kryptischen T-Antigens auf der Erythro- muss Namen, Vornamen und Geburtsdatum des Patien- zytenoberfläche zurückzuführen (zur Transfusion bei T- ten sowie Zeitpunkt der Blutabnahme enthalten. Bei Neu- Antigen-Aktivierung s. 170.1.3). geborenen werden Geburtsdatum und Geschlecht sowie der Hinweis »Neugeborenes von Frau (Name, Geburtsda- Durchführung und Überwachung tum)« angegeben.Wenn zusätzlich mütterliches Blut mit- von Bluttransfusionen geschickt wird, können leicht Verwechslungen auftreten. Eine schnelle Unterscheidung ist durch die NaOH-Probe Vorgehen möglich: Zu 1 ml einer 1%igen NaOH-Lösung werden Die Bluttransfusion erfolgt mit einem Bluttransfu- 1–2 Trpf. Blut gegeben. Nach wenigen Minuten färbt sich sionsübertragungsgerät zum einmaligen Gebrauch, das das Erwachsenenblut schmutziggrün bis braun, während durch einen Standardfilter (DIN 58360, Porengröße das Neugeborenenblut infolge des alkaliresistenten feta- 170–230 µm) grobe Partikel, wie Gerinnsel, auffängt. len Hämoglobins seine rote Farbe beibehält. Als letzte Abgesehen von den besonderen Bedingungen des Identitätssicherung unmittelbar vor der Transfusion extrakorporalen Kreislaufs in der Kardiochirurgie und bei muss mit einem Schnelltest die AB0-Eigenschaft des der ECMO werden Mikroaggregatfilter (40 µm) in der pädia- Empfängers mit Blut aus der liegenden Venenkanüle kon- trischen Transfusionsmedizin gewöhnlich nicht verwendet. trolliert werden (AB0-Identitätstest am Krankenbett). Die Bluttransfusion erfolgt bei Neugeborenen ge- Ferner kann der Schnelltest aus der Konserve ebenfalls wöhnlich mit Einmalspritzen, die über Spritzenpumpen durchgeführt werden, wenn es sich nicht gerade um einen eine exakte Dosierung ermöglichen. Notfall oder eine Massentransfusion handelt. Um die Gefahr einer mechanischen Hämolyse zu ver- mindern, sollten nicht zu englumige Katheter und Kanü- ! Cave len eingesetzt werden, und die Transfusion sollte nicht Das Ergebnis des AB0-Identitätstests muss vom trans- zu schnell erfolgen. fundierenden Arzt in der Krankenakte dokumentiert Der transfundierende Arzt soll die Transfusion einlei- werden und mit den Angaben auf dem Konserveneti- ten, muss aber auch nach Delegation an eine erfahrene kett und des Originalbefundes aus dem Laboratorium Schwester jederzeit schnell erreichbar sein. (Blutgruppe, Kreuzprobe) auf Verträglichkeit ver- Die Blutmenge bei einer Transfusion beträgt gewöhn- glichen werden. lich 12–15 ml/kg KG und wird meist in 30–60 min verab- ▼
170.7 · Komplikationen 2019 170 reicht, bei Kindern mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen über Blutdruckabfall, einen längeren Zeitraum. Pulsanstieg und andere Schockzeichen, Das Transfusionsbehältnis muss für 24 h bei 4 °C auf- Exanthem, bewahrt werden, um Transfusionszwischenfälle abklären Tachypnoe zu können. Dyspnoe, Angestochene oder erwärmte Blutprodukte sind bin- Rücken-, Thorax-, Bauchschmerzen, nen 6 h zu transfundieren. Diarrhö, Einmal geöffnete Blutkonserven dürfen wegen des In- Petechien, fektionsrisikos nicht weiter verwendet werden. dunkler Urin. Die Überwachung muss vor jeder Transfusion vom Arzt festgelegt werden. Die folgenden Empfehlungen Vorgehen bei Unverträglichkeit können daher nur als Anhaltspunkt für ein individuell Bluttransfusion sofort stoppen und zuständigen Arzt festzulegendes Vorgehen dienen: rufen, – Unmittelbar vor Transfusion wird der Beutel mittels Zugang offenhalten mit 0,9%iger NaCl- oder Ringer- aseptischer Technik angestochen. Laktat-Lösung, – Eine Erwärmung der Blutkonserve auf 37 °C ist außer Kreislaufkontrolle: Blutdruck, Puls, Atemfrequenz, Tem- bei Früh- und Neugeborenen sowie bei Massivtrans- peratur, fusion nicht erforderlich. Allerdings sollte die rasche ggf. Schockbekämpfung, Transfusion von kaltem Blut bei Kindern wegen der Transfusionsreaktion dokumentieren, prinzipiellen Gefahr von Arrhythmien und Kammer- Konservenbegleitschein ausfüllen (Reaktionen, Da- flimmern nach Möglichkeit vermieden werden. tum, Zeit, Unterschrift), – Die Kontrolle von Kreislauf- und Allgemeinzustand sofern Transfusionsabbruch notwendig: Beutel und muss während der Transfusion dokumentiert werden. je 1 Röhrchen Nativ- und EDTA-Blut in die Blutbank – Zu Beginn der Transfusion empfehlen wir die Bestim- schicken. mung von Blutdruck, Puls, Atmung und Temperatur nach 5 und 15 min. Nach sofortiger Schockbekämpfung muss als erstes fest- – Anschließend sollten Puls und Atmung alle 30 min, gestellt werden, ob es sich um einen hämolytischen oder der Blutdruck alle 60 min bis 2 h nach Transfusions- einen nichthämolytischen Transfusionszwischenfall han- ende kontrolliert werden. delt. Nach Zentrifugation einer EDTA-Blutprobe kann bei Die Transfusionsgeschwindigkeit beträgt zu Beginn Rotfärbung des Plasmas die Diagnose einer hämolyti- 1 ml/kg KG/h und kann nach 15 min auf 5 ml/kg KG/h schen Transfusionsreaktion leicht gestellt werden. Wäh- (max. 150 ml/h) gesteigert werden. rend der Narkose können die allgemeinen Symptome feh- Eine weitere Steigerung auf max. 10 ml/kg KG/h ist bei len und Zeichen des Schocks abgeschwächt auftreten. guter Verträglichkeit möglich. Eine Blutungsneigung infolge einer Gerinnungsstörung Herzpatienten erhalten die Transfusion mit max. während oder nach der Operation kann das auffallendste 1 ml/kg KG/h; zu hohe Transfusionsgeschwindigkeit Symptom einer hämolytischen Sofortreaktion sein. Ein kann zu Kreislaufüberlastung führen. vereinfachtes Vorgehen ist in ⊡ Tabelle 170-3 aufgeführt. Nach Transfusionsende sollte der Blutbeutel oder das Gemäß Transfusionsgesetz muss der behandelnde Restblut für 24 h im Kühlschrank auf der Station aufbe- Arzt den Verdacht auf blutkonservenbezogene uner- wahrt werden. Bei jeder Transfusion sollte die Indikation wünschte Wirkungen der zuständigen Bundesbehörde mit Angabe von Datum, Transfusionszeit, Zwischenfall in via den Produkthersteller (in der Regel das örtliche Blut- der Krankengeschichte notiert werden. spendezentrum) melden. Unverträglichkeit 170.7 Komplikationen In ca. 5% aller Bluttransfusionen kommt es zu uner- wünschten Wirkungen, meist handelt es sich um akute Die absoluten Häufigkeiten der wichtigsten Transfusions- Transfusionsreaktionen, die während oder 1–2 h nach der reaktionen sind in ⊡ Tabelle 170-4 aufgelistet. Bei weitem Bluttransfusion auftreten. am häufigsten sind Blutkonservenverwechslungen, die zu ! Cave einer schweren akuten Hämolyse führen. Der SHOT An- Ein Teil oder alle der folgenden, neu aufgetretenen nual Report 2000/2001 (»serious hazards of transfusion«; Symptome sind während und bis 2 h nach der Transfu- www.shot.demon.co.uk/toc.htm) gibt eine aktuelle Über- sion Zeichen einer akuten Transfusionsreaktion: sicht über die Verteilung bei bisher 315 erfassten schweren Schüttelfrost/Fieber >38,5 °C (bzw. Temperaturan- Transfusionsreaktionen (⊡ Abb. 170-1). In 190 Fällen (da- stieg >1 °C), von 3 tödlich) lag eine Verwechslung vor! ▼
2020 Kapitel 170 · Pädiatrische Transfusionsmedizin ⊡ Tabelle 170-3. Spezielle Maßnahmen bei akuten und subakuten Transfusionsnebenwirkungen Nebenwirkung Ursache, Ätiologie Symptome Maßnahmen Hämolytischer TF- Blutgruppeninkompatibilität, Schmerzen an Infusions- Notfall: TF-Abbruch, Zwischenfall intra- und extravasale Hämo- stelle, Glieder, Abdomen, Schock-Therapiea, NF-Ab- lyse durch Anti -A, -B, -C, -D, Fieber, Hb-Ämie, Hb-Urie, klärungb, ggf. DIC-Therapie -E, Lu, -Jk, Kell, Duffy, MnSs etc. Schock, DIC Verzögerte hämoly- Anamnestische Immunantwort HKT-Abfall, Retikulozytose Serologische Abklärung, tische TF-Reaktion (SS, frühere TF): extravasale (?), Hyperbilirubinämie, Berücksichtigen bei zu- Hämolyse nach Tagen durch HaptoglobinØ künftigen TF! Anti-c, -E, Jk Febrile oder aller- Sensibilisierung gegen Leuko- Fieber, Schüttelfrost, Kopf- TF-Unterbrechung, gische nichthämoly- zyten, Thrombozyten; schmerzen, Urtikaria Hämolyse-Ausschlussc, tische TF-Reaktion Plasma-Eiweiß-Unverträglich- Analgetika, Steroide, (selten, da nur noch keit; Verdacht auf HLA-Anti- Tavegil, TF fortsetzen filtrierte Präparate) körper Akute Lungen- Meist Frischplasmatransfusion. ARDS: Akuter Beginn inner- ARDS-Therapie; O2; Aus- insuffizienz Spender-Neutrophilenanti- halb von 6 h nach Transfusion schluss von Crossmatch + 170 körper -Spendern Herzinsuffizienz Volumenüberladung, evtl. vor- Klinik der Herzinsuffizienz TF-Unterbrechung, bestehende Kardiomyopathie Lasix 1 mg/kg KG, Insuff. beurteilen, TF evtl. langsam fortsetzen Sepsis Bakterielle Kontamination Zeichen der Sepsis TF abbrechen, Blutkultur der Konserve des Pat. und der Konserve anlegen, antibiot.Therapie i.v. DIC disseminierte intravasale Gerinnung, NF Notfall; SS Schwangerschaft; TF Transfusion; Pat Patient; Furosemid Lasix a Schocktherapie: Adrenalin: 10 µg/kg KG, Bolus s.c., i.v.; Volumenzufuhr (Ringer-Laktat-Lösung); Methylprednison 4–10 mg/kg KG; Clemastin (Tavegil) 0,05 mg/kg KG i.v. b Notfall-Abklärungen: Patienten- und Konservenblut asservieren (je 5 ml, nativ); Hämolyse-Nachweis sofort ausführen. c Hämolyse-Nachweis: HTK-Kapillare abnehmen, zentrifugieren: rötliches Plasma beweist intravasale Hämolyse. Cave: Artefakt! ⊡ Tabelle 170-4. Transfusionsreaktionen ohne Virusinfektionen: Häufigkeit und Todesfälle (Goodnough et al.1999) Transfusionsreaktion Häufigkeit pro Todesfälle/Mio. Transfusionen Transfusionen Akute Hämolyse 1/250.000–1/1.000.000 0,67 Verzögerte Hämolyse 1/1.000 0,4 Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz 1/5.000 0,2 Bakterielle Kontamination in Erythrozytenkonserven 1/500.000 0,1–0,25 Bakterielle Kontamination in Plättchenkonserven 1/12.000 21
170.7 · Komplikationen 2021 170 ⊡ Abb. 170-1. Häufigkeit von Transfusionsreaktionen bei 315 Fällen.(SHOT 2000/2001) ! Diese schwersten Transfusionszwischenfälle müssen Im weiteren Verlauf müssen regelmäßig Urinmenge durch eine sorgfältige und wiederholte Identitätssiche- und Kreatininspiegel im Serum kontrolliert werden. rung von Patient und Konserve vermieden werden Eine Dialyse (meist als Hämodialyse) ist indiziert bei (s. 170.5.2). länger dauernder (>24 h) Anurie oder Oligurie, ausge- prägter Hypervolämie mit Lungenödem und Hypertonie sowie bei Elektrolytverschiebungen (z. B. Hyperkaliämie). 170.7.1 Akute Hämolyse ! Die Ursache für die akute hämolytische Transfusionsre- Die am meisten gefürchtete Komplikation ist die lebens- aktion ist in den meisten Fällen durch menschliches bedrohliche akute hämolytische Transfusionsreaktion, Versagen (Verwechslung, Dokumentationsfehler etc.) die in ca. 10% tödlich ausgeht. Fast alle akuten hämolyti- bedingt (⊡ Abb. 170-1). Deswegen ist die wichtigste schen Transfusionsreaktionen werden durch Antikörper prophylaktische Maßnahme in organisatorischen An- des AB0-Systems ausgelöst,die über eine Komplementak- weisungen zur Identitätssicherung zu sehen (Dienst- tivierung zu einer intravaskulären Hämolyse führen. vorschriften über Arbeitsabläufe mit Festlegung der Verantwortlichkeiten auch für Notfälle, verbesserte Ausbildung der Mitarbeiter etc.). Bei Verdacht auf Ver- …Therapie wechslung ist auch der zweite in die Verwechslung in- volvierte Patient zu identifizieren. ‥Therapieziel Die sofortige Behandlung muss versuchen, die nachfolgen- den schwer wiegenden Komplikationen zu verhüten: arte- 170.7.2 Verzögerte hämolytische rieller Blutdruckabfall und Schock, disseminierte intravasale Transfusionsreaktion Gerinnung und Nierenversagen. Sie tritt meist erst Tage nach der Transfusion auf und wird Vorgehen durch IgG-Antikörper hervorgerufen, die über eine Akti- Nach initialer Schocktherapie sollte spätestens bei vierung der Phagozytose zu einer extravaskulären Hämo- deutlicher Rotfärbung des Urins durch forcierte Diurese lyse führen. Dadurch ist der klinische Verlauf milde und unter kontrollierten Bedingungen (Urin >2 ml/kg KG/h; Al- wird meist nur durch fehlenden Hb-Anstieg, erhöhtes Se- kalinisierung des Urins mit Natriumbikarbonat bis pH>7) rumbilirubin in Verbindung mit einem positiven direkten eine Nierenfunktionsschädigung vermieden werden. Coombs-Test erkannt. Diese verzögerten hämolytischen Gleichzeitig wird nach ursächlicher Abklärung der hä- Transfusionsreaktionen können nur durch sorgfältige Do- molytischen Reaktion die noch bestehende Anämie kumentation einmal festgestellter Antikörper und Berück- durch Transfusion verträglichen Blutes behoben. In sichtigung bei der Auswahl des Blutes vermieden werden. schweren Fällen kann auch eine Blutaustauschtransfu- sion indiziert sein. ‥Therapieprinzip ▼ Die Therapie ist symptomatisch.
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