Übungsfall: The Hangover Part I

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Übungsfall: The Hangover Part I*
Wiss. Mitarbeiter Dr. Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu, Nürnberg/Erlangen**

Thematik: Körperverletzung, actio libera in causa, Straßen-      Geschehnisse ab 01.00 Uhr
verkehrsdelikte, Beteiligung an einer Schlägerei, Sachver-       Als sie später zum Ort des Geschehens zurückkehren, sehen
haltsungewissheiten. Schwierigkeitsgrad: Große Übung/Refe-       sie am Hinterausgang der Bar, dass die eingetroffenen Poli-
rendarexamen.                                                    zeibeamten ihren Wagen dort haben stehen lassen und der
                                                                 Schlüssel noch steckt. Die vier beschließen, eine Spritztour
Sachverhalt                                                      mit dem Polizeiwagen zu unternehmen und ihn später an der
Geschehnisse bis 23.00 Uhr                                       gleichen Stelle abzuliefern. A, der sich bereits am Anfang des
Zwei Tage vor seiner Hochzeit mit seiner großen Liebe bricht     Abends dazu verpflichtet hatte, den Fahrer zu machen, steigt
Doug mit seinen Freunden Phil, Stu und dem etwas merk-           ein, lässt den Motor an und fährt los. Als er etwa nach 300
würdigen Alan zu seinem Junggesellenabschied auf. Hierfür        Metern merkt, dass das niemals gutgeht, bremst er wieder
checken sie in die Luxussuite des „Krösus Palast“ ein. Auf       leicht und will gerade anhalten, woraufhin die anderen drei
dem Dach stoßen die vier Freunde auf eine unvergessliche         laut johlen und ihn auffordern, gefälligst weiterzufahren, egal
Nacht an. Doch A hat dafür gesorgt, dass er und seine Freun-     wie betrunken er sei. A drückt aufs Gas, wobei alle Beteilig-
de fast alles von dem, was in den folgenden Stunden passie-      ten in Kauf nehmen, dass der PKW aufgrund der unsicheren
ren wird, vergessen werden. Er hat nämlich kurz zuvor in         Fahrweise des A beschädigt werden könnte. Prompt verliert
seine und in die Bierflaschen seiner Freunde sog. „Roofies“      A an der nächsten Kreuzung die Kontrolle über den Wagen
beigemischt, Tabletten mit dem Wirkstoff Rohypnol, ein           und kracht in eine Telefonzelle, wobei er und C leichte
schnell wirkendes Betäubungsmittel, das in Kombination mit       Schürfwunden erleiden, am Polizeiwagen ein Schaden in
Alkohol Amnesien verursacht und daher häufig als K.O.-           Höhe von 1800 € entsteht (u.a. das Blaulicht nicht mehr funk-
Tropfen missbraucht wird. D, P und S wissen hiervon nichts.      tioniert) und die Telefonzelle zerstört wird (Schaden 1500 €).
A will damit insb. die etwas prüden und als Langweiler be-           Das medizinische Gutachten bringt Folgendes zu Tage.
kannten P und S etwas aus der Reserve locken. Aus früheren       Bis 23.00 Uhr lag der BAK aller Beteiligten zwischen 0,2
Erfahrungen weiß A, dass hierbei auch mal „Dinge zu Bruch“       und 1,1 ‰. Im Hinblick auf den Alkoholkonsum zwischen
gehen. A weiß, aufgrund einschlägiger Erfahrungen mit ver-       23.00 und 01.00 Uhr, die körperliche Verfassung und die
schiedenen Rauschmitteln, dass er durch die Kombination          hinzutretende Wirkung des Rohypnol stellt der bestellte Ge-
aus „Roofies“ und Alkohol seine Einsichts- und Steuerungs-       richtsmediziner Folgendes fest:
fähigkeit vollständig einbüßen wird. Ferner ist ihm bewusst,
dass er als Fahrer auserkoren wurde und durch oben genannte         A wies ab 1.00 Uhr eine BAK von 3,4 ‰ auf,
Kombination kein Fahrzeug mehr sicher steuern können                S wies ab 1.00 Uhr jedenfalls eine BAK von 2,6 ‰ auf,
wird. Die vier Freunde verlassen daraufhin das Hotel und            aber es besteht auch die Möglichkeit, dass seine BAK ab
stürzen gleich in die erste Coyote Bar, wo sie sich allesamt        diesem Zeitpunkt sogar über 3,3 ‰ lag,
hemmungslos betrinken.                                              D hatte den ganzen Abend nicht mehr als 1,8 ‰ (wegen
    Aufgrund des erhöhten Alkoholspiegels der anwesenden            einer bereits bestehenden Drogenabhängigkeit hatte D ei-
Gäste und unvorhersehbarer, gruppendynamischer Prozesse             nen hohen Toleranzgrad, sodass die Drogen keine Aus-
entwickelt sich ein kräftiger Raufhandel. A ist von Anfang an       wirkungen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit hat-
mit von der Partie, wird jedoch nur Sekunden nach Ausbruch          ten),
der Schlägerei von einem Barhocker am Kopf getroffen und            dagegen lässt sich bei P nicht sicher feststellen, welche
geht zu Boden. S, der sich erst jetzt ins Geschehen einmischt,      BAK er ab 1.00 Uhr aufwies bzw. welchen Trunkenheits-
verliert dabei seine beiden vorderen Schneidezähne, welche          grad er hatte.
jedoch ohne ästhetische Einbuße durch eine Prothese ersetzt
werden können. D verliert während des Geschehens den             Im Übrigen ist festgestellt, dass die Verabreichung der „Roo-
rechten Daumen. Durch die schwere Verletzung seines              fies“ über die partiellen Amnesien hinaus keine erheblichen
Freundes D angestachelt, greift nun auch P beherzt ins Ge-       gesundheitlichen Schäden für die Beteiligten nach sich zog.
schehen ein. Der Raufhandel endet, als der Wirt die Polizei
und einen Krankenwagen verständigt. Um sich einer potenti-       Aufgabe
ellen strafrechtlichen Verfolgung zu entziehen, beschließen      Wie haben die Beteiligten sich nach dem StGB strafbar ge-
die vier Freunde das Lokal zu verlassen.                         macht?

                                                                 Bearbeitervermerk
                                                                 Für die Feststellung der Schuldfähigkeit sind die allgemein
                                                                 anerkannten BAK-Promillegrenzen zugrunde zu legen. Evtl.
* Für die Unterstützung bei der Erstellung des Manuskripts
                                                                 erforderliche Strafanträge sind gestellt.
bedanke ich mich bei Frau StAin Ramona Herold.
** Der Autor ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehr-
stuhl von Prof. Dr. Hans Kudlich, Friedrich-Alexander-
Universität Erlangen/Nürnberg, tätig.
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                                                        ZJS 5/2013
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Übungsfall: The Hangover Part I                                       STRAFRECHT

Gutachterliche Vorüberlegungen                                    und bejaht „nur“ eine Verwirklichung des § 323a StGB. Hat
Die Klausur wurde in etwas abgewandelter Form im Rahmen           man dies im Rahmen seiner Vorüberlegungen richtig einge-
des Examensklausurenkurses der Friedrich-Alexander Uni-           ordnet, vereinfacht sich auch die Strukturierung des Falles,
versität gestellt und kann – wie dies bei strafrechtlichen        weil nunmehr der schuldunfähige A als unmittelbar, eigen-
Examenssachverhalten häufig so ist – als „Stressklausur“          händig agierender Täter vorangestellt werden kann, dem sich
bezeichnet werden: Ein inhaltlicher Schwerpunkt lässt sich        die Prüfung des voll schuldfähigen (und meist als Teilnehmer
nicht wirklich setzen, der Bearbeiter wird schnell bemerken,      zu qualifizierenden) D anschließt. Die Erörterungen um P
dass der Schwierigkeitsgrad der Klausur „chronologisch“           und S reduziert man so auf den § 323a StGB.
ansteigt und mit den Sachverhaltsungewissheiten am Ende
(die Schuldfähigkeit der Beteiligten betreffend) ihren Höhe-      Ausformulierte Lösung
punkt findet. Dementsprechend darf der Bearbeiter auch nicht      1. Tatkomplex: Auf dem Dach
zu viel Zeit an den „klaren“ bzw. „einfacheren“ Stellen ver-      I. Strafbarkeit des A gem. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 3, 53
lieren. Es gilt, die verschiedenen Problemstellungen mög-         StGB in drei Fällen
lichst schnell zu erkennen und in eine Gliederung einzubet-
                                                                  1. Objektiver Tatbestand des Grunddelikts
ten, um noch genügend Zeit für eine – bei mehreren Beteilig-
ten stets anspruchsvolle – Strukturierung der Lösung zu erar-     A könnte sich durch das Beimischen der „Roofies“ in die
beiten. Die Klausur beginnt mit den Körperverletzungsdelik-       Getränke von P, S und D der gefährlichen Körperverletzung
ten der §§ 223 ff. StGB und § 231 StGB und damit verhält-         strafbar gemacht haben. Hierfür müsste das Mittel zu einer
nismäßig einfach. Im Anschluss an die Verabreichung der           Gesundheitsschädigung oder körperlichen Misshandlung von
Roofies als (ggf. gefährliche) Körperverletzung muss man          P, S und D geführt haben. Gesundheitsschädigung ist das
sich den Streit- und Wertungsfragen rund um das Merkmal           Hervorrufen, Steigern oder Aufrechterhalten eines pathologi-
der schweren Folge in § 231 StGB und dem ebenso „klassi-          schen Zustands.2 Körperliche Misshandlung ist jede üble,
schen“ Streit der zeitlichen „Haftungsgrenzen“ im Rahmen          unangemessene Benachteiligung, die das körperliche Wohl-
der objektiven Bedingung der Strafbarkeit widmen. Bzgl. der       befinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt.3 Der Alkohol-
Geschehnisse ab 1.00 Uhr muss man sich gleich nach der            genuss verursacht in Kombination mit den beigemischten
allerersten Lektüre bewusst machen, dass die Prüfung des          „Roofies“ Amnesien und wirkte bei den Beteiligten jedenfalls
Tatbestands der in Frage kommenden Delikte durch A trotz          betäubend, also bewusstseinstrübend. Dies stellt eine Abwei-
Schuldunfähigkeit nicht überflüssig, sondern stringent durch-     chung vom körperlichen/geistigen Normalzustand in krank-
zuführen ist. Dies nicht schon deswegen, weil eine Strafbar-      hafter Weise dar, ist also ein pathologischer Zustand. Das
keit des A u.U. über die Grundsätze der actio libera in causa1    Verabreichen von Betäubungsmittelmitteln führt bei den
in Betracht kommt; vielmehr tritt der Aspekt hinzu, dass sich     Betroffenen zu Rauschzuständen, die deren körperliches
mindestens eine Person (nämlich D) jedenfalls voll schuldfä-      Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen. Im Ergebnis liegt
hig an diesen Taten beteiligt haben könnte und die limitierte     sowohl eine Gesundheitsschädigung als auch eine körperliche
Teilnehmerakzessorietät keine schuldhaft begangene Tat            Misshandlung vor.
voraussetzt. Aufbautechnisch sollte man wegen dem unange-             Lediglich bei D bestand bereits eine Drogenaffinität, auf-
nehmen „Clou“ am Ende (unterschiedliche Schuldgrade bzw.          grund dieser sich die chemische Wirkung der Drogen nicht
Sachverhaltsungewissheiten) jedenfalls bei Straßenverkehrs-       auf dessen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat.
delikten eine getrennte Prüfung vornehmen. Innerhalb des          Es stellt sich jedoch, aufgrund des Wirkungseintritts ebenso
Abschnitts „Spritztour“ wird man sich dann nicht nur mit          als eine Abweichung vom körperlichen Normalzustand dar.
klassischen Tatbeständen und Streitfragen der Vermögens-          Durch die Tatvariante der Gesundheitsschädigung verwirk-
und Straßenverkehrsdelikte (Rückführungswille, § 248b             lichte A im Ergebnis in kausaler und ihm zurechenbarer Wei-
StGB als Auffangtatbestand, Selbstgefährdung der Mitfahrer,       se den Grundtatbestand des § 223 Abs. 1 StGB in allen drei
a.l.i.c. bei Tätigkeitsdelikten), sondern auch mit exotischen     Fällen.
Tatbeständen (fahrlässige Beschädigung von Telekommuni-
kationsanlagen gem. § 317 Abs. 3 StGB? Polizeiwagen als           2. Qualifikation des § 224 Abs. 1 StGB
Gemeingut gem. § 305a StGB?) und ebenso exotischen                Darüber hinaus könnte sich A der gefährlichen Körperverlet-
Rechtsproblemen (Johlen und Aufforderung der Mitfahrer als        zung strafbar gemacht haben. Bei den durch A verabreichten
„sukzessive Teilnahme“ an der Trunkenheitsfahrt) konfron-         „Roofies“ könnte es sich um Gift oder andere gesundheits-
tiert sehen. Beim Beteiligten P stellt sich das Problem, dass     schädliche Stoffe handeln. Unter Gift im Sinne des § 224
die Ungewissheit über dessen Schuldfähigkeit zu einer Straf-      Abs. 1 Nr. 2 StGB ist jeder Stoff zu fassen, der durch Ein-
losigkeit führen könnte (in dubio pro reo). Schließlich scheint   nahme oder sonstige Aufnahme durch chemische oder che-
auch § 323a StGB nicht zu greifen, da man umgekehrt zu-           misch-physikalische Wirkung nach seiner Art und der vom
gunsten des P annehmen müsste, dass er schuldfähig war            Täter eingesetzten Menge geeignet ist, ernsthafte gesundheit-
bzw. sich nicht in einem Rauschzustand befand. Dieses kri-
minalpolitisch unbefriedigende Ergebnis löst die h.M. durch       2
                                                                    Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, Kommentar,
die Annahme eines sog. „normativen Stufenverhältnisses“           60. Aufl. 2013, § 223 Rn. 8.
                                                                  3
                                                                    Fischer (Fn. 2), § 223 Rn. 4, u.a. mit Verweis auf BGHSt
1
    Im Folgenden abgekürzt als a.l.i.c.                           25, 277.
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                             Zeitschrift für das Juristische Studium – www.zjs-online.com
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ÜBUNGSFALL                            Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu

liche Schäden zu verursachen.4 Bei den von A verwendeten           des Mittels entziehen konnte. Ergo handelte A mit direktem
„Roofies“ handelt es sich um ein schnell wirkendes Betäu-          Vorsatz.10
bungsmittel, das in Kombination mit Alkohol Amnesien
hervorrufen kann und hervorrief. Das Betäubungsmittel war          4. Rechtswidrigkeit und Schuld
im konkreten Fall durch seine chemische Wirkung – insbe-           Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe sind nicht
sondere in Verbindung mit Alkohol – geeignet die Gesund-           ersichtlich, A handelte rechtswidrig und schuldhaft.
heit von P und S ernsthaft zu schädigen und stellt aufgrund
seiner chemischen Wirkungsweise Gift im Sinn der Nr. 1 dar.        II. Ergebnis zum ersten Tatkomplex
    Wiederum problematisch ist auch an dieser Stelle, dass
                                                                   A hat sich wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nach-
die Wirkung des Giftes bei D keine Auswirkungen zeigte
                                                                   teil des S, D und P in (gleichartiger) Tatmehrheit11 strafbar
(s.o.) und insoweit die für § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB erforder-
                                                                   gemacht.
liche Erheblichkeitsschwelle5 nicht erreicht sein könnte. Die
h.M.6 fordert diesbezüglich, dass die eingesetzte Menge im
                                                                   2. Tatkomplex: Die Geschehnisse in der Coyote Bar
konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Gesundheitsschäden
herbeizuführen. In Bezug auf D, bei dem die Wirkung der            A. Strafbarkeit des A
Drogen aufgrund der vorhandenen Abhängigkeit wesentlich            I. § 223 Abs. 1 StGB
schwächer einsetzte, war die eingesetzte Menge „Roofies“           A könnte sich durch die Beteiligung am Raufhandel wegen
nicht geeignet, erhebliche gesundheitliche Schäden zu verur-       Körperverletzung strafbar gemacht haben. Zwar bleiben bei
sachen, weswegen im Hinblick auf D nur eine versuchte              einem kräftigen Raufhandel12 Verletzungen der Beteiligten
Giftbeibringung angenommen werden kann. Dies hätte je-             typischerweise nicht aus, sodass die Voraussetzungen einer
doch keine Auswirkungen, soweit auch in Bezug auf D ande-          Gesundheitsschädigung sowie einer körperlichen Misshand-
re Qualifikationsmerkmale erfüllt sind.                            lung (s.o.) erfüllt wären. Doch ist unklar, wer konkret durch
    Die heimliche Verabreichung des Mittels in die Flaschen        welche Handlungen eine andere Person körperlich misshan-
von S, P und D könnte außerdem einen hinterlistigen Überfall       delt und geschädigt hat. Insofern ist dem Sachverhalt nicht zu
gem. § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB darstellen. Unter „Überfall“          entnehmen, welche Handlungen welchen Beteiligten (ggf.
im Sinne der Vorschrift ist der Angriff auf den Verletzten zu      wechselseitig gem. § 25 Abs. 2 StGB) zugerechnet werden
verstehen, dessen er sich nicht versieht und auf den er sich       können. Eine Strafbarkeit gem. § 223 Abs. 1 StGB scheidet
nicht vorbereiten kann.7 Dabei geht zumindest die Rechtspre-       daher aus.
chung davon aus, dass der Angriff (trotz des Begriffs „Über-
fall“) nicht mit Ausübung „physischer“ Kraft verbunden sein        II. § 231 Abs. 1 StGB
muss.8 Somit ist lediglich zu überprüfen, ob das Merkmal der
                                                                   1. Objektiver Tatbestand
Hinterlist erfüllt ist. Hinterlist setzt nach h.M. ein besonders
tückisches bzw. planmäßiges Vorgehen voraus. S, P und D            A könnte sich durch seine Beteiligung am Raufhandel der
hatten keine Kenntnis davon, dass A das Betäubungsmittel in        Beteiligung an einer Schlägerei gem. § 231 Abs. 1 StGB
die Flaschen gemischt hatte. Dies hat A planmäßig ausge-           strafbar gemacht haben.
nutzt, weil er beabsichtigte, P und S, die als langweilig gel-         Zunächst müsste eine Schlägerei vorgelegen haben. Dies
ten, „aus der Reserve zu locken“. Im Ergebnis hat A somit          ist bei Feststellung gegenseitiger Körperverletzungen anzu-
§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB in drei Fällen verwirklicht.9              nehmen, bei der mindestens drei Personen beteiligt sind.13
                                                                   Dies ist hier der Fall, auch wenn (siehe oben) nicht feststeht,
3. Subjektiver Tatbestand                                          wer konkret wen geschlagen hat etc. An dieser Schlägerei
                                                                   müsste A beteiligt gewesen sein. Zur Bejahung der „Beteili-
A müsste vorsätzlich hinsichtlich der Verwirklichung aller
                                                                   gung“ ist kein Zusammenwirken erforderlich, vielmehr reicht
Merkmale des objektiven Tatbestandes gehandelt haben. Er
                                                                   es aus, dass die Beteiligten anwesend sind und körperlich
war sich der Wirkung der Tabletten bewusst und wollte sie
erreichen. Durch das heimliche Hinzugeben des Mittels in die       oder psychisch an der Schlägerei mitwirken.14 A war aktiv
Flaschen wollte er verhindern, dass sich jemand der Wirkung        bei dem Raufhandel dabei und demzufolge an der Schlägerei
                                                                   beteiligt.

4                                                                  10
  Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Strafgesetz-          Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder (Fn. 4), § 15 Rn. 65 f.
                                                                   11
buch, Kommentar, 28. Aufl. 2010, § 224 Rn. 2b.                        Vgl. hierzu Fischer (Fn. 2), § 53 Rn. 2.
5                                                                  12
  Stree/Sternberg-Lieben (Fn. 4), § 224 Rn. 2a.                       Da der SV nicht mehr Anhaltspunkte für die Verwirkli-
6
  Vgl. Stree/Sternberg-Lieben (Fn. 4), § 224 Rn. 2a.               chung des § 223 Abs. 1 StGB bietet, empfehlen sich hierzu
7
  Fischer (Fn. 2), § 224 Rn. 10; Stree/Sternberg-Lieben (Fn. 4),   knappe Ausführungen. Dies gilt umso mehr, als der Schwer-
§ 224 Rn. 10.                                                      punkt des zweiten TK in der Prüfung von § 231 StGB liegt.
8
  So z.B. auch BGH NStZ 2009, 505.                                 Unproblematische Punkte vorher müssen deshalb schon aus
9
  Eine Prüfung von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB wäre nicht voll-        Zeitgründen kurz gehalten werden.
                                                                   13
kommen fernliegend und daher eher positiv denn negativ zu             BGHSt 15, 369; BGHSt 31, 124 (125); BGHSt 33, 100 (102).
                                                                   14
bewerten.                                                             Fischer (Fn. 2), § 231 Rn. 8 m.w.N.
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                                                          ZJS 5/2013
484
Übungsfall: The Hangover Part I                                            STRAFRECHT

2. Subjektiver Tatbestand                                          organismus bestimmt.21 Der Daumen ermöglicht es, in Kom-
A wusste, dass er sich an einer Schlägerei beteiligt und beab-     bination mit einem weiteren Finger zu greifen (sog. „Pinzet-
sichtigte dies. Er handelte also hinsichtlich seiner Beteiligung   tengriff“) und stützt damit die natürlichen Bewegungsabläufe
mit dolus directus 1. Grades.                                      der Hand. Sein Verlust bedeutet für den Verletzten eine er-
                                                                   hebliche Beeinträchtigung gewohnter Bewegungsabläufe,
3. Rechtswidrigkeit und Schuld                                     deren Behebung durch eine Operation wohl nicht in befriedi-
                                                                   gendem Maß behoben werden könnte. Im Ergebnis stellt der
Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe sind nicht
                                                                   Verlust des Daumens der rechten Hand des D eine schwere
ersichtlich, insbesondere lässt der SV keinen Schluss auf eine
                                                                   Körperverletzung gem. § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB dar. Der
etwaige Notwehrlage des A zu.
                                                                   Eintritt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit ist somit
                                                                   zu bejahen.
4. Objektive Bedingung der Strafbarkeit
a) Eintritt der schweren Folge                                     b) Zurechenbarkeit der schweren Folge
Da § 231 StGB nicht die Feststellung einer zurechenbaren           Fraglich ist aber, ob der Eintritt der schweren Folge A (objek-
Körperverletzung voraussetzt, ist die Vorschrift als abstraktes    tiv) zurechenbar ist, obwohl dieser vor ihrem Eintritt be-
Gefährdungsdelikt einzustufen. Eine Einschränkung der da-          wusstlos wurde und ab diesem Zeitpunkt nicht mehr an der
mit einhergehenden Weitläufigkeit des Straftatbestandes wird       Schlägerei beteiligt war. Zwischen Schlägerei und dem Ein-
erreicht, indem die Strafbarkeit vom Eintritt einer im Tatbe-      tritt der schweren Folge muss stets ein ursächlicher Zusam-
stand genannten schweren Folge (Tod oder Folge im Sinn des         menhang vorliegen.22 Das bedeutet, dass die schwere Folge
§ 226 StGB) abhängig gemacht wird, sog. „objektive Bedin-          tatbestandsspezifisch sein muss, also aufgrund der Gefähr-
gung der Strafbarkeit“. Anders als bei objektiven Tatbe-           lichkeit der Schlägerei an sich eingetreten sein muss.23 Aus
standsmerkmalen muss sich der Vorsatz des Täters nicht hier-       diesem Grund ist es nach h.M.24 gleichgültig, dass A im Ver-
auf beziehen.15 Der Tod eines Menschen ist nicht eingetreten,      lauf der Schlägerei und vor Eintritt der schweren Folge bei D
aber es kommt sowohl eine dauernde Entstellung gem. § 226          bewusstlos geworden ist. Das Risiko des Eintritts wurde
Abs. 1 Nr. 3 StGB (Verlust der beiden vorderen Schneide-           durch die anfängliche Beteiligung jedenfalls gesetzt und muss
zähne bei S) als auch der Verlust eines wichtigen Glieds gem.      ihm deshalb auch zugerechnet werden. Anderenfalls würde es
§ 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Daumen des D) in Betracht.                ihm als Vorteil gereichen, dass er sich von Beginn an so stark
    Hinsichtlich der dauernden Entstellung in erheblicher          beteiligt hat, dass er als erstes außer Gefecht gesetzt wurde.
Weise ist dabei auf die Gesamterscheinung des Verletzten           Zudem würde das Ablehnen der objektiven Zurechnung dem
abzustellen.16 Ob die Entstellung erheblich ist, bestimmt sich     Charakter des § 231 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt
objektiv17 danach, ob Beeinträchtigung des Verletzten mit          widersprechen.25
den übrigen in § 226 StGB genannten Entstellungen ver-
gleichbar ist.18 Der Verlust der Schneidezähne ist bei jedem       5. Zwischenergebnis
„Lächeln“ bzw. Öffnen des Munds sichtbar und erreicht
                                                                   A hat sich gem. § 231 Abs. 1 StGB wegen Beteiligung an
einen Grad der Verunstaltung, der in Relation zu den anderen
                                                                   einer Schlägerei strafbar gemacht.
schweren Folgen steht. Allerdings müsste die Entstellung von
Dauer sein. Nach h.M. ist dies nicht der Fall, wenn eine
                                                                   B. Strafbarkeit von S und D26
künstliche Beseitigung z.B. durch Operationen – auch Zahn-
prothesen – in Betracht kommt, soweit die Maßnahme mit             I. § 223 Abs. 1 StGB
Sicherheit durchgeführt wird oder üblich, ausführbar und           Bezüglich der Körperverletzung gelten für S und D die bei A
zumutbar ist.19 Der Verlust von zwei Schneidezähnen20 kann         gemachten Überlegungen entsprechend. Eine Strafbarkeit
zumutbar durch eine Zahnprothese behoben werden, weswe-            gem. § 223 Abs. 1 scheidet damit aus.
gen eine dauerhafte Entstellung abzulehnen ist.
    Daher ist entscheidungserheblich, ob der Verlust des
rechten Daumens eine schwere Folge im Sinne des § 226              21
                                                                      Fischer (Fn. 2), § 226 Rn. 7 m.w.N.; nach neuerer Recht-
Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellt. Der Daumen müsste ein wichti-
                                                                   sprechung soll die Wichtigkeit des Glieds auch nach indivi-
ges Glied des Körpers sein, wobei sich die Wichtigkeit eines
                                                                   duellen Verhältnissen zu bestimmen sein, vgl. BGH NJW
Glieds nach seiner allgemeinen Bedeutung für den Gesamt-
                                                                   2007, 1988; da vorliegend die individuelle Wichtigkeit nicht
                                                                   hervorgehoben wurde, konnte dieser Streit dahinstehen.
                                                                   22
                                                                      Fischer (Fn. 2), § 231 Rn. 6; a.A. Hardtung, JuS 2008,
                                                                   1060 (1064) verlangt obj. Vorhersehbarkeit.
15                                                                 23
   Fischer (Fn. 2), § 231 Rn. 5, 9 m.w.N.                             Fischer (Fn. 2), § 231 Rn. 6 m.w.N.
16                                                                 24
   Fischer (Fn. 2), § 226 Rn. 9.                                      BGHSt 14, (132); Fischer (Fn. 2), § 231 Rn. 6 m.w.N.
17                                                                 25
   Fischer (Fn. 2), § 226 Rn. 9.                                       Zu § 231 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt vgl.
18
   BGH NStZ 2006, 686.                                             BGHSt 39, 305.
19                                                                 26
   BGHSt 24, 315.                                                     Obwohl S und D keine Mittäter i.S.d. § 25 Abs. 2 StGB
20
   Dagegen wurde § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB bejaht, wenn der          sind, ist die gemeinsame Prüfung vor allem aus Zeitgründen
Verletzte mehrere Vorderzähne verlor, vgl. BGHSt 17, 161.          zweckmäßig.
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ÜBUNGSFALL                            Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu

II. § 231 Abs. 1 StGB                                               1. Zurechnung der schweren Folge
1. Tatbestand                                                       Problematisch ist aber, ob die bei D eingetretene schwere
S und D haben den Tatbestand des § 231 Abs. 1 StGB eben-            Folge dem P angelastet werden kann, obwohl dieser sich erst
falls – rechtswidrig und schuldhaft – erfüllt.                      an der Schlägerei beteiligte, nachdem die schwere Folge
                                                                    schon eingetreten war. Die Lösung dieser Problematik ist
2. Eintritt der schweren Folge bei D                                umstritten. Die Rechtsprechung30 bestraft auch denjenigen
                                                                    gem. § 231 Abs. 1 StGB, der sich erst nach Verursachung der
Fraglich ist aber, wie es sich für D auswirkt, dass die schwere
                                                                    schweren Folge schuldhaft an der Schlägerei beteiligt. Die
Folge bei ihm selbst (Verlust des Daumens) eingetreten ist,
                                                                    Gegenansicht stellt darauf ab, ob der erst nach Eintritt der
sie also in einer Selbstschädigung liegt. Dadurch, dass die
                                                                    schweren Folge Beteiligte einen potentiellen Beitrag zu der
Schlägerei die Ursache dieser schweren Folge setzte und
                                                                    durch die schwere Folge indizierten Gefährlichkeit der
eben diese gesteigerte Gefährlichkeit an sich bestraft werden
                                                                    Schlägerei beisteuert.31 Zustimmung verdient die Rechtspre-
soll, ist es unerheblich, ob es sich bei der schweren Folge um
                                                                    chung, da § 231 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt aus-
Verletzungen handelt, die sich der Angegriffene oder der An-
                                                                    gestaltet ist.32 Die objektive Bedingung der Strafbarkeit ist
greifer selbst zugefügt haben.27
                                                                    hierbei als eine rein technische Einschränkung des Gefähr-
                                                                    dungsdelikts anzusehen und nicht als Unrechts- oder Schuld-
3. Absehen von Strafe?
                                                                    merkmal. Der Zeitpunkt des Eintritts der schweren Folge darf
In Fällen, in denen die schwere Folge eine Selbstschädigung         somit für den Täter keine Rolle spielen, zumal für den im
zum Nachteil eines Beteiligten (hier D) darstellt, eröffnet         Nachhinein hinzutretenden Täter auch kein sachlich nach-
§ 60 S. 1 StGB die Möglichkeit, von Strafe abzusehen. Vo-           vollziehbarer Anlass der Privilegierung besteht.33 Wenn sich
raussetzung hierfür ist, dass die Folgen der Tat so schwer          jemand nach Eintritt der schweren Folge an einer Schlägerei
sind, dass die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt      beteiligt, trägt auch er zu einer Steigerung der gefährlichen
wäre. Eine Strafe ist offensichtlich verfehlt, wenn sie unter       Gesamtsituation bei, die schon mit dem Eintritt der schweren
keinem ihrer Leitgesichtspunkte eine sinnvolle Funktion             Folge Strafbarkeit begründen konnte. Wenn bildhaft gespro-
hätte,28 wenn also die Funktion der Strafe allein durch den         chen „bereits Schwerverletzte auf dem Boden liegen“, ist es
Schuldspruch erfüllt wird, d.h. der Täter sich selbst so schwer     umso verwerflicher, das Risiko weiterer Verletzungen zu
geschädigt hat, dass es einer weitergehenden Einwirkung auf         potenzieren. Im Ergebnis ist deshalb irrelevant, dass P sich
ihn nicht bedarf und auch der Allgemeinheit ein Absehen von         erst nach Eintritt der schweren Folge an der Schlägerei betei-
Strafe verständlich erscheint.29 Letztlich ist zu fragen, ob sich   ligt hat.
der Verletzte seine eigene Schädigung als Warnung dienen
lassen wird, künftig keine Straftaten mehr zu begehen und ob        2. Ergebnis
einem Absehen von Strafe Rechtsgüterschutzaspekte entge-
                                                                    P hat sich gem. § 231 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
genstehen. D wurde durch den Verlust seines Daumens der
rechten Hand in einer Weise geschädigt, die es durchaus
                                                                    3. Tatkomplex: Die Spritztour
rechtfertigt, von Strafe abzusehen. Er ist durch seine Schädi-
gung bestraft und wird sich diese zur Warnung dienen lassen,        A. Gemeinsame Prüfung (P, S, A, D)
sich künftig nicht an Schlägereien zu beteiligen. Aufgrund          I. Strafbarkeit von P, S, A und D wegen Diebstahls in
dieser für D schweren Folge ist ein Absehen von Strafe auch         Mittäterschaft durch das Wegfahren mit dem Polizeiwa-
für die Allgemeinheit nachvollziehbar. Die Beteiligung an           gen gem. §§ 242 Abs. 1, 25 Abs. 1 StGB
einer Schlägerei bedarf keiner weiteren Sühne. Somit ist im         1. Objektiver Tatbestand
Ergebnis nur S gem. § 231 Abs. 1 StGB zu bestrafen.
                                                                    P, S, A und D könnten sich durch das Wegfahren mit dem
                                                                    Polizeiwagen eines Diebstahls in Mittäterschaft gem. §§ 242
C. Strafbarkeit des P
                                                                    Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht haben. Der objekti-
I. § 223 Abs. 1 StGB                                                ve Tatbestand des § 242 StGB setzt die Wegnahme einer
Eine Strafbarkeit gem. § 223 Abs. 1 StGB scheidet aus, s.o.         fremden, beweglichen Sache voraus. Sachen sind körperliche
                                                                    Gegenstände im Sinne des § 90 S. 1 BGB. Fremd sind Sa-
II. § 231 Abs. 1 StGB                                               chen, die nicht im Alleineigentum des Täters stehen und nicht
Hinsichtlich der Beteiligung an der Schlägerei hat P wie die        herrenlos sind.34 Das Polizeikraftfahrzeug ist ein körperlicher
anderen Beteiligten auch den Tatbestand des § 231 Abs. 1            Gegenstand, der fortgeschafft werden kann und steht bei
StGB rechtswidrig und schuldhaft erfüllt.                           lebensnaher Auslegung im Eigentum des Fiskus, ist also eine
                                                                    fremde bewegliche Sache. Wegnahme bedeutet Bruch frem-

                                                                    30
                                                                       BGHSt 16, 130.
                                                                    31
                                                                       Stree/Sternberg-Lieben (Fn. 4), § 231 Rn. 9.
27                                                                  32
   BGHSt 33, 100 (104); Fischer (Fn. 2), § 231 Rn. 6 m.w.N.            Vgl. BGHSt 14, 132 (134); BGHSt 16, 130 (132).
28                                                                  33
   BGHSt 27, 298 (300).                                                BGHSt 16, 130 (132).
29                                                                  34
   BGHSt 27, 298 (300).                                                Sternberg-Lieben (Fn. 10), § 242 Rn. 12.
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Übungsfall: The Hangover Part I                                           STRAFRECHT

den und Begründung neuen, nicht notwendig tätereigenen          te), käme wegen objektiv bereits erfolgter Wegnahme nur
Gewahrsams.35 Durch das Wegfahren hat A den fremden Ge-         eine rechtswidrige Zueignung in Betracht. Dabei ist es bereits
wahrsam der Polizisten gegen deren Willen gebrochen, insb.      schwierig, in solch einer kurzen Zeitspanne überhaupt den
haben diese durch das bloße Abstellen des Wagens vor dem        objektiven Tatbestand des § 246 StGB zu bejahen, weil das
Club ihre tatsächliche Sachherrschaft über das Auto nicht       kurze Fahren schwerlich als objektive Manifestation des
aufgegeben. Vielmehr war ihnen bei sozial-normativer Be-        Zueignungswillens bewertet werden kann. Subjektiv tritt
trachtung der Gewahrsam am Wagen nach wie vor zuzurech-         hinzu, dass der „Beschädigungsvorsatz“ wiederum einem An-
nen. Eine Wegnahme kann somit mit Beginn der Fahrt bejaht       eignungswillen entgegensteht. Das Unrecht der Unterschla-
werden, sodass A den objektiven Tatbestand des § 242 Abs. 1     gung wird in derartigen Konstellationen – in Anlehnung an
StGB erfüllt hat. Dies entsprach auch dem gemeinsamen           die Grundsätze des dolus alternativus – wohl zumindest
Willen und Tatplan aller Beteiligten, weswegen die Weg-         „überlagert“, wenn es tatsächlich zur Beschädigung des Wa-
nahme als objektiver Tatbeitrag den übrigen Personen (P, S,     gens kommt. Eine Unterschlagung scheidet mithin aus.
D) gem. § 25 Abs. 2 StGB als Mittäter zuzurechnen ist.
                                                                B. Strafbarkeit des A
2. Subjektiver Tatbestand                                       I. Strafbarkeit des A wegen unbefugten Gebrauchs eines
Die Beteiligten waren sich über die Fremdheit der Sache im      Fahrzeugs gem. § 248b Abs. 1 StGB durch das Wegfah-
Klaren und wollten das Auto auch wegnehmen. Neben die-          ren mit dem Polizeiwagen
sem allgemeinen Tatbestandsvorsatz setzt § 242 Abs. 1 StGB      1. Objektiver Tatbestand
voraus, dass die Täter auch mit dem besonderen subjektiven
                                                                A könnte sich durch das Wegfahren mit dem Polizeiwagen
Merkmal der Zueignungsabsicht handelten. Diese überschie-
                                                                gem. § 248b Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben. Der Tatbe-
ßende Innentendenz setzt sich aus zwei Komponenten zu-
                                                                stand setzt die Ingebrauchnahme eines KfZ im Sinn des
sammen, dem sog. Enteignungsvorsatz (also dem ggf. auch
                                                                § 248b Abs. 4 StGB gegen den Willen des Berechtigten vo-
nur bedingten Vorsatz, den Eigentümer dauerhaft aus dessen
                                                                raus. Ingebrauchnahme ist die bestimmungsgemäße Verwen-
eigentlicher Position zu verdrängen), und der Aneignungsab-
                                                                dung des Fahrzeugs als Beförderungsmittel zum Zwecke der
sicht (die bejaht werden kann, wenn der Täter die Sache
                                                                Fortbewegung. A ließ den Motor an und fuhr bereits 300
zumindest vorübergehend in sein Vermögen einverleiben und
                                                                Meter vor, was für eine Ingebrauchnahme im Sinn des § 248b
einen wirtschaftlichen Nutzen daraus ziehen will).36 Zwar
                                                                Abs. 1 StGB ausreicht. Dies geschah auch gegen den Willen
wollen alle Beteiligten durch das Wegfahren in den Genuss
                                                                der Berechtigten (nämlich der Polizisten).
einer „Spritztour“ kommen und handeln daher mit Aneig-
nungsabsicht. Die Beteiligten beabsichtigten aber, das Fahr-
                                                                2. Subjektiver Tatbestand
zeug alsbald wieder an gleicher Stelle abzustellen. Bei solch
einem Rückführungswillen nehmen die Täter gerade nicht in       A handelte vorsätzlich. Er wollte das Auto in Bewegung set-
Kauf, den Eigentümer dauerhaft aus seiner Position zu ver-      zen und wusste, dass er unbefugt agierte.
drängen. Dabei ist es auch unschädlich, dass die Beteiligten
nach der Wegnahme des Wagens (also während der Fahrt) in        3. Rechtswidrigkeit
Kauf nahmen, dass das Fahrzeug beschädigt werden könnte.        Etwaige Rechtfertigungsgründe kommen nicht in Betracht.
Schließlich muss der Täter zum Zeitpunkt der Tatbegehung        Somit handelt A auch rechtswidrig.
mit Zueignungsabsicht agieren (Simultaneitätsprinzip). Somit
scheidet ein Diebstahl in Mittäterschaft gem. §§ 242 Abs. 1,    4. Schuld
25 Abs. 2 StGB mangels Ent-eignungsvorsatz aus.                 Laut Sachverhalt wurde gutachterlich festgestellt, dass A
                                                                aufgrund des Drogen und Alkoholkonsums ab 1.00 Uhr eine
3. Zwischenergebnis                                             Blutalkoholkonzentration von 3,4 ‰ aufwies; dabei zieht die
P, S, A und D haben den subjektiven Tatbestand des Dieb-        Rechtsprechung den Promillewert des Täters als Indiz für die
stahls nicht erfüllt und sich daher nicht gem. §§ 242 Abs. 1,   Feststellung der Schuldfähigkeit heran, wobei eine absolute
25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht.                                Schuldunfähigkeit bei einem Wert von 3,0 ‰ als indiziert
                                                                betrachtet wird. Laut Bearbeitervermerk sind diese Grenzen
II. Strafbarkeit von P, S, A und D wegen Unterschlagung         zugrunde zu legen, sodass eine Schuldunfähigkeit gem. § 20
in Mittäterschaft durch das Weiterfahren mit dem Poli-          StGB auszugehen ist und A die deliktstatbestandsmäßige Be-
zeiwagen nach kurzzeitigem Halt gem. §§ 246 Abs. 1, 25          gehung nicht vorgeworfen werden kann. Denkbar bleibt, eine
Abs. 2 StGB                                                     strafrechtliche Haftung trotz Schuldunfähigkeit nach den
Soweit man auf den Zeitpunkt abstellen will, in dem die Be-     Grundsätzen der a.l.i.c. zu begründen. Doch besteht kein An-
teiligten die Zerstörung des Wagens billigend in Kauf nah-      lass hierauf zurückzugreifen, zum einen weil die hier in Rede
men (und damit ein Enteignungsvorsatz bejaht werden könn-       stehende Tat als solche nicht bereits vorher ins Auge gefasst
                                                                wurde (anders in den Fällen, in denen der Täter sich absicht-
                                                                lich betrinkt, um eine bestimmte Tat zu begehen), zum ande-
35
 Vgl. Sternberg-Lieben (Fn. 10), § 242 Rn. 22, 42.              ren weil bei Bagatelldelikten bzw. Delikten der mittleren
36
  Zur Zueignungsabsicht in der Fallbearbeitung Kudlich/
Oğlakcıoğlu, JA 2012, 321.
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                          Zeitschrift für das Juristische Studium – www.zjs-online.com
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ÜBUNGSFALL                            Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu

Kriminalität das Unrecht der Tat schon über den Vollrausch-       der Rechtswidrigkeit unter der Überschrift „Einwilligung“
tatbestand (§ 323a StGB) erfasst werden kann.                     diskutiert).38 Der BGH lehnt solch einen „Rechtsgütersplitt“
                                                                  ab und geht davon aus, dass § 315c Abs. 1 Nr.1 StGB in
II. Strafbarkeit des A wegen Gefährdung des Straßenver-           seiner „Gesamtheit“ den Straßenverkehr als überindividuelles
kehrs gem. § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr.1 StGB durch           Rechtsgut schützt und somit keine „Einwilligung“ bzw. ei-
das Fahren mit dem Polizeiwagen                                   genverantwortliche Selbstgefährdung möglich ist. Die Recht-
1. Objektiver Tatbestand                                          sprechung würde aber jedenfalls in dieser Konstellation erst
                                                                  gar nicht zu diesem Problem gelangen, da sie Teilnehmer –
A könnte sich durch das Fahren mit dem Polizeiwagen einer
                                                                  nicht im Sinne von Straßenverkehrsteilnehmer, sondern im
Straßenverkehrsgefährdung gem. § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB
                                                                  Sinne der §§ 26, 27 StGB – an der Gefährdung des Straßen-
strafbar gemacht haben. Während § 316 Abs. 1 StGB als ab-
                                                                  verkehrs (hier wohl durch das Johlen und Auffordern weiter-
straktes Gefährdungsdelikt die bloße Trunkenheitsfahrt für
                                                                  zufahren evtl. als „Anstifter“, jedenfalls aber als Gehilfen)
sich unter Strafe stellt, setzt § 315c StGB als konkretes Ge-
                                                                  schon aus dem Schutzbereich des § 315c Abs. 1 StGB
fährdungsdelikt voraus, dass ein sichtbarer Außenwelterfolg
                                                                  nimmt.39 Dies beruht auf der Überlegung, dass „Täter und
im Sinn eines „Beinaheunfalls“ eintritt.
                                                                  Opfer“ nicht in einer Norm zusammenfallen können.
                                                                      All dies kann dahingestellt bleiben, wenn A zumindest ei-
a) Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr
                                                                  ne fremde Sache von bedeutendem Wert gefährdet hat. So-
Zunächst müsste A ein Fahrzeug (vgl. § 1 Abs. 2 StVG)             wohl das Polizeiauto, als auch die Telefonzelle kommen als
„führen“, d.h. unter bestimmungsgemäßer Anwendung der             Bezugsobjekte in Betracht. Die h.M. geht davon aus, dass das
Antriebskräfte das Fahrzeug in Bewegung setzen.37 Dies ist        Fahrzeug als Instrument der Tatbegehung, nicht zugleich
hier unproblematisch der Fall, wobei an dieser Stelle dahin-      Schutzobjekt sein kann40 (auch wenn es für die Beteiligten
stehen kann, ob man auf das erste Anrollen oder auf das er-       fremd war und die Schadenshöhe – bei einer Grenze von
neute Betätigen des Gaspedals abstellt. A führte den Polizei-     750 €41 – auch überschritten wurde). Allerdings stellt die
wagen auf Straßen, die dem allgemeinen Verkehr gewidmet           fremde Telefonzelle, die nicht nur konkret gefährdet, sondern
sind, und somit im öffentlichen Straßenverkehr.                   tatsächlich beschädigt wurde, ein geeignetes Tatobjekt dar.
                                                                  Da auch hier der Schaden in Höhe von 1.500 € den Grenz-
b) Rauschbedingte Fahrunsicherheit                                wert42 übersteigt, ist der objektive Tatbestand des § 315c
Nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB müsste A das Auto führen,          Abs. 1 Nr. 1a StGB erfüllt.
obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder
anderer berauschender Mittel nicht in der Lage hierzu ist. Laut   2. Subjektiver Tatbestand
Sachverhalt nahm A sowohl Betäubungsmittel, als auch eine         Die „Zweiaktigkeit“ des § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB führt
erhebliche Menge an Alkohol zu sich, die kumulativ zu dessen      auch zu einem doppelten Vorsatzbezugspunkt, nämlich bzgl.
Schuldunfähigkeit geführt haben, weswegen er auch nicht           der Tathandlung und des Taterfolgs. Beide Teile können
mehr im Stande war, ein Fahrzeug sicher zu führen. Schließ-       sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden, wie
lich ist nach ständiger Rechtsprechung die Grenze zur absolu-     sich aus § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 1, 2 StGB ergibt. A
ten Fahruntüchtigkeit bereits bei einer BAK von 1,1 ‰ anzu-       erkannte spätestens beim zweiten Anfahren, dass er nicht
nehmen.                                                           mehr im Stande war, ein Fahrzeug sicher zu führen, sodass
                                                                  hinsichtlich dieses Handlungsteils jedenfalls Vorsatz gegeben
c) Erfolg der konkreten Gefährdung und Kausalzusammen-            ist. Weniger eindeutig ist, ob er die konkrete Gefährdung der
hang                                                              Telefonzelle, die nach hier vertretener Ansicht als einzig
Durch das Führen des Wagens trotz rauschbedingter Fahrun-         relevantes Schutzobjekt in Frage kommt, billigend in Kauf
sicherheit müsste A Leben oder Leib eines anderen Men-            genommen hat. Vorliegend steht nicht einmal fest, ob A beim
schen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret             Anfahren die Telefonzelle wahrgenommen hat. Ein genereller
(also sichtbar und in der Form, dass es lediglich vom retten-     Eventualvorsatz hinsichtlich der Beschädigung aller sonsti-
den Zufall abhängt, dass der Schaden nicht eintritt) gefährdet    gen Gegenstände, die bei einem (billigend in Kauf genom-
haben. Bzgl. Leib und Leben anderer Personen gilt grund-          menen) Unfall beschädigt werden könnten, erscheint zu weit-
sätzlich, dass § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB nicht nur die „au-       gehend. Insofern muss in dubio pro reo davon ausgegangen
ßenstehenden“ Teilnehmer am Straßenverkehr, sondern auch          werden, dass A „nur“ Vorsatz bezüglich der Beschädigung
die Insassen schützt. Zwar haben alle Insassen Schürfwunden
erlitten, doch muss die Gefährdung eines „anderen“ dennoch        38
                                                                     Vgl. Sternberg-Lieben (Fn. 10), § 315c Rn. 40 m.w.N; zur
aus zweierlei Aspekten in Frage gestellt werden: Zum einen        Einwilligung vgl. auch Fischer (Fn. 2), § 315c Rn. 17.
wird im Rahmen der §§ 315b, 315c StGB darüber gestritten,         39
                                                                     Fischer (Fn. 2), § 315c Rn. 15b m.w.N. aus der Rspr.; a.A.
ob der Gefährdungsteil dieser Tatbestände nicht ausschließ-       Sternberg-Lieben (Fn. 10) § 315c Rn. 31.
lich Individualinteressen schützt und somit eine bewusste         40
                                                                     Fischer (Fn. 2), § 315c Rn. 15c m.w.N.
Selbstgefährdung der Insassen schon die Zurechnung aus-           41
                                                                     Die Grenze ist streitig und variiert zwischen 750 € und
schließt (von der Rechtsprechung wird dies erst im Rahmen         1.300 €; vgl. hierzu auch Fischer (Fn. 2). § 315 Rn. 16
                                                                  m.w.N. aus Rspr. und Lit.
37                                                                42
     Sternberg-Lieben (Fn. 10), § 316 Rn. 19 m.w.N.                  Vgl. Fn. 41.
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Übungsfall: The Hangover Part I                                            STRAFRECHT

des PKW hatte, im Übrigen aber bewusst fahrlässig agiert           Abs. 1 StGB ist jedenfalls in Form der Beschädigung einer
hat. Freilich indiziert hier bereits der Handlungsteil (vorsätz-   fremden Sache erfüllt.
liche Trunkenheitsfahrt) die objektive und subjektive Sorg-
faltspflichtverletzung, welche den Eintritt des Gefahrerfolgs      b) Qualifikation
letztlich zurechenbar macht.                                       Zudem könnte A den Tatbestand der Zerstörung wichtiger
                                                                   Arbeitsmittel verwirklicht haben. § 305a StGB baut auf der
3. Rechtswidrigkeit                                                Sachbeschädigung auf und kann somit als Qualifikation zu
Rechtfertigungsgründe kommen nicht in Betracht, insb.              § 303 StGB eingeordnet werden. A könnte ein Kraftfahrzeug
kommt es auf eine potentielle Einwilligung der Mitinsassen         der Polizei teilweise zerstört haben, wobei das Fahrzeug
nicht an, weil diese über den Straßenverkehr als Schutzgut         sogar noch „im Einsatz“ war, d.h. von der zuständigen Stelle
der Allgemeinheit nicht dispositionsbefugt sind.                   auch jedenfalls noch dienstlich genutzt wurde. Ein teilweises
                                                                   Zerstören geht über ein einfaches Beschädigen hinaus, dürfte
4. Schuld                                                          aber hier anzunehmen sein, da wesentliche zwecknötige Teile
Allerdings ist A schuldunfähig, s.o. Aus den bereits erläuter-     eines Polizeiwagens – insbesondere das Blaulicht – nicht
ten Gründen ist eine Strafbarkeitsbegründung nach den              mehr funktionstüchtig bzw. der Wagen auch laut Sachverhalt
Grundsätzen der a.l.i.c. kriminalpolitisch überflüssig. Hinzu      „gerade noch“ fahrtüchtig ist. Ein demolierter Polizeiwagen
tritt, dass die a.l.i.c jedenfalls im Bezug auf die Straßenver-    ohne Blaulicht kann zumindest seine „repräsentative“ Funk-
kehrsgefährdung nicht legitimierbar erscheint. Die verschie-       tion nicht erfüllen.
denen Legimitationsmodelle der a.l.i.c. lassen sich im We-
sentlichen auf zwei Kategorien reduzieren. Die erste Gruppe        2. Rechtswidrigkeit und Schuld
stellt nach wie vor auf die konkrete Tathandlung (hier bspw.       Zwar handelt A rechtswidrig, doch scheitert auch hier die
die Ingebrauchnahme) ab und will bei bewusster Herbeifüh-          Strafbarkeit an der mangelnden Schuldfähigkeit, § 20 StGB.
rung der Schuldunfähigkeit schlicht eine Ausnahme von § 20         Zwar sind die §§ 303, 305a StGB als klassische Erfolgsdelik-
StGB machen bzw. den dort auftauchenden Tatbegriff auf             te im Sinne von Verletzungsdelikten ausgestaltet, sodass eine
den Zeitpunkt der Noch-Schuldfähigkeit „ausdehnen“. Frei-          Strafbarkeitsbegründung über die Grundsätze der a.l.i.c. im
lich sehen sich diese Ansatzpunkte dem Vorwurf der Verlet-         Unterschied zu den oben geprüften Tatbeständen möglich
zung des Bestimmtheitsgebots und Analogieverbots gem.              wäre (wenn man das Tatbestands- bzw. Kausalmodell für
Art. 103 Abs. 2 GG ausgesetzt.                                     tragfähig erachtet); doch besteht hierfür weder ein kriminal-
     Daher knüpft das Gegenmodell an eine Handlung an, bei         politisches Bedürfnis, noch handelte A bereits beim Sich-
der der Täter noch schuldfähig war, hier das Sich-Betrinken.       Betrinken mit dem Vorsatz, ein Polizeiwagen zu beschädi-
Während teils vertreten wird, dass sich der Täter dadurch          gen.
zum Werkzeug gegen sich selbst mache, konstruiert die wohl
h.M. mit ihrer Tatbestandslösung einen Kausalverlauf, der          IV. Strafbarkeit des A wegen gemeinschädlicher Sachbe-
mit dem Sich-Betrinken beginnt und mit dem Erfolgseintritt         schädigung gem. §§ 303 Abs. 1, 304 Abs. 1 StGB durch
endet. Dieses Kausalmodell ist auf Tatbestände, deren Un-          Zerstörung der Telefonzelle
rechtsschwerpunkt nicht in der tatsächlichen Beeinträchti-         Eine Strafbarkeit des A wegen gemeinschädlicher Sachbe-
gung eines Rechtsgutsträgers besteht, sondern die eine Hand-       schädigung gem. § 304 StGB scheitert jedenfalls am subjek-
lung an sich bestrafen (schlichte Tätigkeitsdelikte, die nicht     tiven Tatbestand. Zwar handelt es sich bei einer öffentlichen
selten auch als eigenhändige Delikte ausgestaltet sind) nicht      Telefonzelle um einen Gegenstand, der unmittelbar dem
anwendbar; mithin steht am Ende des „Sich-Betrinkens“ kein         öffentlichen Nutzen dient, doch muss man mangels weiterer
Erfolgsunwert, der durch mannigfaltige Handlungen kausal           Angaben im Sachverhalt davon ausgehen, dass A keinen
herbeigeführt werden könnte, sondern eine eigenständig             Vorsatz bezüglich der Beschädigung der Telefonzelle hatte
pönalisierte Handlung, die den Ursprung des tatbestandlich         (s.o.).
vertypten Unrechts ausmacht und daher nur bei schuldhafter
Begehung bestraft werden kann. A macht sich nicht gem.             V. Strafbarkeit des A wegen fahrlässiger Störung von
§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB strafbar. Aus den gleichen Grün-         Telekommunikationsanlagen gem. §§ 317 Abs. 1, Abs. 3
den scheidet eine Strafbarkeit des A wegen Trunkenheit im          StGB durch Zerstörung der Telefonzelle
Verkehr gem. § 316 Abs. 1 StGB aus.
                                                                   In Betracht kommt jedoch die Verwirklichung des § 317
                                                                   Abs. 3 StGB. Bei einer Telefonzelle handelt es sich um eine
III. Strafbarkeit des A wegen Sachbeschädigung sowie
                                                                   Telekommunikationsanlage im Sinne des § 317 Abs. 1 StGB,
Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel gem. §§ 303, 305a
                                                                   die öffentlichen Zwecken dient. Durch den Unfall hat A des-
Abs. 1 Nr.2 StGB durch Beschädigung des Polizeiwagens
                                                                   sen Zerstörung bzw. Unbrauchbarkeit verursacht, sodass der
1. Tatbestandsmäßigkeit                                            objektive Tatbestand erfüllt ist. Zwar handelt A nicht vorsätz-
a) Grundtatbestand                                                 lich (vgl. oben), jedoch ordnet § 317 Abs. 3 StGB die Fahr-
Durch den Unfall hat A das Polizeifahrzeug in der Substanz         lässigkeitsstrafbarkeit – wie dies § 15 StGB fordert – explizit
verletzt und damit eine wesentliche Funktionsbeeinträchti-         an. Die Trunkenheitsfahrt für sich reicht bereits aus, um eine
gung herbeigeführt. Der objektive Tatbestand des § 303             objektive Sorgfaltspflichtverletzung anzunehmen. Will man
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                           Zeitschrift für das Juristische Studium – www.zjs-online.com
                                                                                                                              489
ÜBUNGSFALL                           Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu

A die Zerstörung der Telekommunikationsanlage vorwerfbar          auch die §§ 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB (in der Vorsatz-
machen, ist wegen dessen Schuldunfähigkeit zum Zeitpunkt          Fahrlässigkeitskombination), § 248b StGB sowie § 305a
des Fahrens auf den früheren Zeitpunkt des Versetzens in          Abs. 1 Nr.2 StGB. Da diese Taten zum Zeitpunkt ihrer Bege-
einen Rauschzustand abzustellen. Denn obwohl A davon aus-         hung vorsätzlich und rechtswidrig verwirklicht wurden, lie-
ging, dass er im Laufe des Abends noch fahren müsste, be-         gen Taten im Sinn des § 323a StGB vor und die objektive
trank er sich hemmungslos und nahm Drogen zu sich. Dass er        Bedingung der Strafbarkeit kann bejaht werden. Da allein das
in diesem Zustand Gegenstände, die öffentlichen Zwecken           „Sichberauschen“ Anknüpfungspunkt ist, handelt es sich um
dienen beschädigen bzw. zerstören könnte, war objektiv vor-       eine Tat.
hersehbar. Da Anknüpfungspunkt der Fahrlässigkeitsstraf-
barkeit jedes objektiv sorgfaltswidrige Verhalten ist und         C. Strafbarkeit des D
§ 317 Abs. 3 StGB als Erfolgsdelikt keine spezifische Hand-       I. Strafbarkeit des D wegen unbefugten Gebrauchs eines
lung voraussetzt, erscheint ein Rückgriff auf die Vorfeld-        Fahrzeugs gem. §§ 248b, 25 Abs. 2 StGB durch das Weg-
handlung („Sich-Betrinken“) auch ohne ein Konstrukt in            fahren mit dem Polizeiwagen in Mittäterschaft
Form der „fahrlässigen“ a.l.i.c. möglich. A hat durch das
                                                                  Den Polizeiwagen für eine Spritztour mitzunehmen, war Teil
Sich-Betrinken trotz „auserwählter Fahrer“ pflichtwidrig die
                                                                  des gemeinsamen Tatentschlusses, sodass dem D die Hand-
Gefahr geschaffen, dass hierbei Gegenstände infolge eines
                                                                  lungen des A im Wege der Mittäterschaft zugerechnet wer-
Unfalls (auch Telefonzellen) beschädigt werden könnten. Er
                                                                  den können, § 25 Abs. 2 StGB. Insbesondere dürfte es sich
macht sich damit gem. § 317 Abs. 1, Abs. 3 StGB strafbar.
                                                                  im Hinblick auf die Auffangfunktion des § 248b StGB nicht
                                                                  um ein eigenhändiges Delikt handeln. Auch D war sich be-
VI. Strafbarkeit des A wegen Vollrausch gem. § 323a
                                                                  wusst, dass man „unbefugt“ agierte. Im Gegensatz zu A hatte
StGB aufgrund des Alkohol- und Drogenkonsums
                                                                  D zum Zeitpunkt der Verwirklichung der beschriebenen
1. Objektiver Tatbestand                                          Taten laut Feststellungen des Gutachters eine BAK von
§ 323a StGB stellt als abstraktes Gefährdungsdelikt das vor-      1,8 ‰ und war somit noch voll schuldfähig im Sinne des
sätzliche Sich-Betrinken oder Drogen konsumieren unter            § 20 StGB, sodass er sich gem. §§ 248b, 25 Abs. 2 StGB
Strafe, wenn der Täter im Rauschzustand eine rechtswidrige        strafbar macht.
Tat begeht. Diese rechtswidrige Tat ist lediglich objektive
Bedingung der Strafbarkeit, d.h. dem Auffangcharakter der         II. Strafbarkeit des D wegen Anstiftung zur Straßenver-
Vorschrift entsprechend muss der Täter diese nicht schuldhaft     kehrsgefährdung gem. §§ 315c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 26
bzw. vorsätzlich verwirklichen. Für den Tatbestand des            StGB
§ 323a StGB ist somit lediglich erforderlich, dass sich der       Bei den Straßenverkehrsdelikten der §§ 315 ff. StGB scheidet
Täter vorsätzlich (oder fahrlässig) durch alkoholische Ge-        eine Mittäterschaft per se aus, da es sich um eigenhändige
tränke oder Rauschmittel in einen Rausch versetzt. Von ei-        Delikte handelt, die nur der „Führer“ des KfZ, also A ver-
nem Rausch spricht man, wenn der Genuss zu einem akuten           wirklichen kann. Allerdings bleiben diese Tatbestände zu-
Intoxikationszustand führt, der die psychischen Fähigkeiten       mindest teilnahmefähig, da es sich auch bei Vorsatz-Fahr-
beeinträchtigt, wobei umstritten ist, welchen Schweregrad der     lässigkeitskombination um Vorsatztaten handelt, § 11 Abs. 1
Rausch (angelehnt an die §§ 20, 21 StGB) erreichen muss.          Nr. 2 StGB. Für die Teilnahme ist irrelevant, dass A selbst
Jedenfalls muss ein Rauschzustand, der zur Schuldunfähig-         nicht schuldhaft handelte, da die limitierte Teilnehmerak-
keit gem. § 20 StGB führt, mit Blick auf die Auffangfunktion      zessorietät nur eine vorsätzlich, rechtswidrige Haupttat vo-
des § 323a StGB ausreichen. Diesen Zustand hat A durch den        raussetzt. Problematisch ist, dass der Tatentschluss gemein-
Mischkonsum von Alkohol und Rauschgift verursacht.                sam gefasst worden sein könnte und insofern eine Anstiftung
                                                                  im Hinblick auf das Merkmal „Bestimmen“ problematisch
2. Subjektiver Tatbestand                                         ist. Unter Bestimmen im Sinne des § 26 StGB ist das Hervor-
A hat den Rauschzustand absichtlich herbeigeführt. Er muss-       rufen eines Tatentschlusses mittels „geistigen Kontakts“ zu
te davon ausgehen, dass sich dieser Effekt zudem durch das        ver-stehen. Während man bei § 248b StGB das Hervorrufen
Mischen von Alkohol und Drogen potenziert. Anders als im          (bzw. eine gemeinsame Fassung des Tatentschlusses) bejahen
Rahmen der a.l.i.c. muss der Täter zum Zeitpunkt des Sich-        könnte, da A anfangs nicht damit rechnete, einen Polizeiwa-
Betrinkens keinen Vorsatz bzgl. der Rauschtat haben, es           gen zu „stehlen“, gilt für die §§ 315 ff. StGB, dass sich A
spielt also bspw. keine Rolle, dass A nicht plante, einen frem-   unabhängig davon mit welchem Wagen, schon von Anfang
den Polizeiwagen für seine Spritztour zu verwenden und            an als „Fahrer“ und somit als „Führer“ zur Verfügung gestellt
somit unbefugt im Sinne des § 248b StGB zu handeln.               hatte. Stellt man also auf das erste Einsteigen ab, wäre A
                                                                  schon zur Tatbegehung fest entschlossen – d.h. „omnimodo
3. Rechtswidrigkeit und Schuld                                    facturus“ – sodass ein Bestimmen ausscheidet und mangels
A handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.                      Verbrechen auch keine versuchte Anstiftung gem. § 30
                                                                  Abs. 2 StGB in Betracht kommt.
4. Objektive Bedingung der Strafbarkeit                                Abstellen könnte man dagegen auf den Zeitpunkt, in dem
                                                                  A wieder von seinem Plan Abstand nahm, betrunken weiter-
„Rauschtat“ als objektive Bedingung der Strafbarkeit ist jede
                                                                  zufahren, und dementsprechend bremste. Das Johlen und
rechtswidrige Tat im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB, also
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                                                         ZJS 5/2013
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