1720 FMH Gelebte Qualitätstrans parenz der Ärzteschaft

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1720 FMH Gelebte Qualitätstrans parenz der Ärzteschaft
SÄZ – BMS Bulletin des médecins suisses – Bollettino dei medici svizzeri – Gasetta dals medis svizzers

                       Schweizerische
                       Ärztezeitung
                        1717 Editorial                                                    1748 Tribüne                                                    1762 «Zu guter Letzt»
51–52 16. 12. 2020

                        von Ursina Pally Hofmann                                          Chefärzte entlassen                                             von Matthias Scholer
                        Das erste Jahr                                                    ist keine Lösung                                                Zeit, Bilanz zu ziehen

                                                                                                                                            1720 FMH
                                                                                                                                            Gelebte
                                                                                                                                            Qualitätstrans­parenz
                                                                                                                                            der Ärzteschaft

                                                     Offizielles Organ der FMH und der FMH Services www.saez.ch
                                                     Organe officiel de la FMH et de FMH Services www.bullmed.ch
                                                     Bollettino ufficiale della FMH e del FMH Services
                                                     Organ ufficial da la FMH e da la FMH Services
                     Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission.       See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
1720 FMH Gelebte Qualitätstrans parenz der Ärzteschaft
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Redaktion                                                                                          Redaktion Ethik
Dr. med. vet. Matthias Scholer, Chefredaktor;                                                      Prof. Dr. theol. Christina Aus der Au;
Annette Eichholtz, M.A., Managing Editor;                                                          Prof. Dr. phil., Dipl. Biol. Rouven Porz
Julia Rippstein, Redaktorin Print und Online;                                                      Redaktion Medizingeschichte
Nina Abbühl, Junior Redaktorin;                                                                    Prof. Dr. med. et lic. phil. Iris Ritzmann; Prof. Dr. rer. soc. Eberhard Wolff
Prof. Dr. med. Anne-Françoise Allaz, Mitglied FMH;                                                 Redaktion Public Health, Epidemiologie, Biostatistik
Dr. med. Werner Bauer, Mitglied FMH; Prof. Dr. oec. Urs Brügger;                                   Prof. Dr. med. Milo Puhan
Prof. Dr. med. Samia Hurst; Dr. med. Jean Martin, Mitglied FMH;                                    Redaktion Recht
Dr. med. Jürg Schlup, Präsident FMH;                                                               Dr. iur. Ursina Pally, Leiterin Rechtsdienst FMH
Dr. med. Daniel Schröpfer, Mitglied FMH;
Charlotte Schweizer, Leitung Kommunikation der FMH;
Prof. Dr. med. Hans Stalder, Mitglied FMH

FMH
         EDITORIAL:Ursina Pally Hofmann
  1717 Das erste Jahr

         RECHT: Caroline Hartmann
 1718 Berufsausübungsbewilligung für die Gutachtertätigkeit

                                                        DDQ/SAQM:Esther Kraft, Michelle Gerber, Christoph Bosshard, Felix Roth
 1720                                                   Gelebte Qualitätstransparenz der Ärzteschaft                                 Aufgrund der Revision von Art. 58 KVG sind
		                                                      Ärztinnen und Ärzte ab 2022 gesetzlich verpflichtet, Qualitätsmassnahmen umzusetzen und
                                                        Qualitätsmessungen zu veröffentlichen. Die Rahmenbedingungen sollen gemeinsam von den
                                                        ­Verbänden der Leistungserbringer und Verbänden der Versicherer in Qualitätsverträgen geregelt
		                                                      werden. Die SAQM/FMH zeigt nun gemeinsam mit santésuisse und curafutura in einem Pilot-
		                                                      projekt auf, wie eine mögliche Umsetzung gelingen kann.

 1722 Personalien

Weitere Organisationen und Institutionen
         SGSPP:Malte Christian Claussen
 1725 Gewalt und Missbrauch im Leistungssport

         CAREUM:Gert Ulrich, Hermann Amstad, Olivier Glardon, Sylvia Kaap-Fröhlich
 1730 Interprofessionalität will gelernt sein

         SWISSMEDIC: Christoph Küng
 1733 Zentrale Erfassung der Nebenwirkungen durch Swissmedic ab 2021

Briefe / Mitteilungen
 1737 Briefe an die SÄZ
 1739 Facharztprüfung

FMH Services
 1740 Stellen und Praxen (nicht online)

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1720 FMH Gelebte Qualitätstrans parenz der Ärzteschaft
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Tribüne
         STANDPUNKT: Beat Frauchiger, Markus Schmidli
 1748 Chefärzte entlassen ist keine Lösung

         STANDPUNKT: Simon Hölzer
  1751 Bezahlbare Qualität im Gesundheitswesen braucht den Wettbewerb

         GRÜEZI SCHWEIZ: N
                          athalie Zeindler
 1754 Komplementärmedizin im Fokus

Horizonte
         STREIFLICHT: Jann Schwarzenbach
 1756 Maskengeschichtliches Potpourri

         BUCHBESPRECHUNGEN: Jean Martin
  1758 Ces vies consacrées à une cause

  1759 Preise und Auszeichnungen

 1760 Buchbesprechungen

Zu guter Letzt
         Matthias Scholer
 1762 Zeit, Bilanz zu ziehen

FELMY

                                                                                                                                                                                              © Yanikap | Dreamstime.com
                                                                                             2020 war in vieler Hinsicht ein anspruchsvolles Jahr.
                                                                                              Die Redaktion der Schweizerischen Ärztezeitung und
                                                                                             der Schweizerische Ärzteverlag EMH wünschen allen
                                                                                                unseren Leserinnen und Lesern ein gesundes und
                                                                                                            ruhigeres neues Jahr. Wir freuen uns,
                                                                                                      Sie auch 2021 weiterhin mit interessantem,
                                                                                                               unabhängigem und fachlich hoch-
                                                                                                            stehendem Lesestoff zu unterstützen.

Impressum
Schweizerische Ärztezeitung                     «Stellenmarkt/Immobilien/Diverses»:               Abonnementspreise: Jahresabonne-           ausdrück­licher vorgängiger Erlaubnis
Offizielles Organ der FMH                       Inserateannahme,                                  ment CHF 320.– zzgl. Porto.                von EMH und auf der Basis einer
und der FMH Services                            Tel. +41 (0)61 467 86 08,                                                                    schriftlichen Vereinbarung zulässig.
Redaktionsadresse: Nina Abbühl,                 stellenmarkt@emh.ch                               ISSN: Printversion: 0036-7486 /
                                                                                                                                             Hinweis: Alle in dieser Zeitschrift pu­
Redaktionsassistentin SÄZ,                                                                        elektronische Ausgabe: 1424-4004
                                                                                                                                             blizierten Angaben wurden mit der
EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG,             «Stellenvermittlung»: FMH Consulting              Erscheint jeden Mittwoch
                                                                                                                                             grössten Sorgfalt überprüft. Die ange-
Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz,             Services, Stellenvermittlung,
                                                                                                                                             gebenen Dosierungen, Indikationen
Tel. +41 (0)61 467 85 72,                       Postfach 246, 6208 Oberkirch, Tel. +41            © FMH
                                                                                                                                             und Applikationsformen, vor allem von
redaktion.saez@emh.ch, www.saez.ch              (0)41 925 00 77, Fax +41 (0)41 921 05 86,         Die Schweizerische Ärztezeitung ist
                                                                                                                                             Neuzulassungen, sollten in jedem Fall
                                                mail@fmhjob.ch, www.fmhjob.ch                     aktuell eine Open-Access-Publikation.
                                                                                                                                             mit den Beipackzetteln der verwende-
Verlag: EMH Schweizerischer Ärzte-                                                                FMH hat daher EMH bis auf Widerruf
                                                                                                                                             ten Medikamente verglichen werden.
verlag AG, Farnsburgerstrasse 8,                Abonnemente FMH-Mitglieder:                       ermächtigt, allen Nutzern auf der Basis
4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 55,         FMH Verbindung der Schweizer                      der Creative-Commons-Lizenz                Druck: Vogt-Schild Druck AG,
www.emh.ch                                      Ärztinnen und Ärzte, Elfenstrasse 18,             «Namens­nennung – Nicht kommer-            https://www.vsdruck.ch/
                                                3000 Bern 15, Tel. +41 (0)31 359 11 11,           ziell – Keine Bearbeitung 4.0 inter­
Anzeigen:                                       Fax +41 (0)31 359 11 12, dlm@fmh.ch               national» das zeitlich unbeschränkte
Markus Süess,                                                                                     Recht zu gewähren, das Werk zu ver­
Key Account Manager EMH                         Andere Abonnemente: EMH Schweize-                 vielfältigen und zu verbreiten und
Tel. +41 (0)61 467 85 04,                       rischer Ärzteverlag AG, Abonnemente,              ­öffentlich zugänglich zu machen.
markus.sueess@emh.ch                            Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz,                Der Name des Verfassers ist in jedem
                                                Tel. +41 (0)61 467 85 75,                          Fall klar und transparent auszuweisen.    Titelbild:
                                                abo@emh.ch                                         Die kommer­zielle Nutzung ist nur mit     © Andrii Yalanskyi | Dreamstime.com

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1720 FMH Gelebte Qualitätstrans parenz der Ärzteschaft
FMH Editorial                                                                                                                                                                         1717

Das erste Jahr
Ursina Pally Hofmann
Dr. iur., Generalsekretärin der FMH

                                Sie werden wissen, was ich mit diesem Titel anspreche.                             die uns im Falle ihrer Verwirklichung plötzlich und
                                Wir werden bald das erste Jahr mit dem unwillkomme­                                hart treffen, wie auch immer sie geartet sein mögen,
                                nen kleinen Gast, der sich erfolgreich in uns vermehrt                             sollte eigentlich gewachsen sein. Damit meine ich
                                und unter uns verbreitet, hinter uns haben.                                        nicht nur das Bewusstsein, eine nächste Pandemie
                                Allenfalls erinnern Sie sich noch an mein Editorial vor                            könne wieder auftreten. Es gibt Risiken, die ganz an­
                                einem Jahr betreffend Chancen und Risiken im Allge­                                ders gelagert sind, aber einen mindestens ebenso
                                meinen. Danach verwirklichen sich Risiken ungefragt.                               gross­
                                                                                                                        en Schaden anrichten, wenn sie da sind. Was
                                Wer hätte damals gedacht, dass uns allen so bald ein                               würde wohl passieren, wenn unsere virtuelle Welt, die
                                derart unerwünschtes Geschenk zugetragen würde?                                    wir in diesen letzten Monaten ausgebaut haben, nicht
                                Nicht, dass wir es nicht für möglich erachtet hätten                               mehr existierte? Unter anderem darauf haben wir uns
                                oder nicht wenigstens teilweise darauf vorbereitet ge­                             möglichst rasch und umfassend vorzubereiten. Dieses
                                wesen wären. Wenn sich das Risiko dann aber verwirk­                               Jahr konnten wir alle am eigenen Leib erfahren, dass
                                licht, merkt man sehr schnell, wie wenig man darauf                                Risiken kein theoretisches Konstrukt irgendwelcher
                                vorbereitet ist, weil vieles anders ist als gedacht. Es hat                        Pessimisten sind.
                                uns mehr oder weniger eiskalt erwischt.
                                Und das unter – im Vergleich zu anderen Regionen                              Es wird nicht das letzte Jahr mit diesem
                                der Welt – fast schon perfekten Bedingungen. Den­                             ­ungebetenen Gast sein, aber wir können
                                noch fühlt es sich nicht gut an, und auch wir sind                             das Beste daraus machen.
                                schwer ­getroffen worden.
                                Was machen wir damit in persönlicher und gesell­                                   Diese Krise birgt auch Chancen. Wir Mitarbeitende
                                schaftlicher Hinsicht? Ist sich seit dieser Pandemie                               des Generalsekretariats der FMH haben aufgrund der
                                jede und jeder ständig bewusst, wie fragil unser Gleich­                           jüngsten Entwicklung innert kürzester Zeit eine virtu­
                                gewicht hinsichtlich vieler Aspekte des menschlichen                               elle Ärztekammersitzung organisieren müssen, wel­
                                Daseins ist? Wie wenig es braucht, um uns aus der                                  che komplexe rechtliche und technische Anforderun­
                                Bahn zu werfen, wie hilflos wir uns fühlen können?                                 gen zu erfüllen hatte. Das geht nur mit Fachkompetenz,
                                Oder denken wir vielmehr, dass alles so weitergehen                                Flexibilität, gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Wie
                                wird wie bis anhin, sobald der ungebetene Gast nicht                               erfreulich, dass uns das gelungen ist und ich solch ein
                                mehr da ist oder wir ihn gezähmt haben? Ein verlo­                                 überzeugendes Team leiten darf.
                                ckender Gedanke, der aber kaum gerechtfertigt sein                                 Ich bin überzeugt: Viele unter Ihnen werden Ihre
                                dürfte.                                                                            Chance ebenfalls genutzt haben oder dies noch tun
                                                                                                                   können.
                           Bald werden wir das erste Jahr mit dem unwill-                                          Es wird nicht das letzte Jahr mit diesem ungebetenen
                           kommenen kleinen Gast hinter uns haben.                                                 Gast sein. Und es wird nicht das letzte unwillkommene
                                                                                                                   Geschenk sein, das wir so schnell nicht wieder los­
                                Haben wir etwas daraus gelernt? Für uns persönlich                                 werden. Wir können aber das Beste daraus machen,
                                vielleicht, weil uns bewusst wurde, welche Einschrän­                              nicht aufgeben, nach Lösungen suchen und umgehend
                                kungen und Ängste am meisten schmerzen, oder wir                                   damit beginnen, uns besser vorzubereiten. In der
                                in unserer diesbezüglichen Selbstwahrnehmung be­                                   ­Hoffnung, dass wir die jeweiligen Herausforderungen
                                stätigt worden sind.                                                               meistern und irgendwann wieder – vermeintlich –
                                Zu hoffen ist, dass wir daraus nicht nur für uns persön­                           Herr der Lage sein werden. L’espoir fait vivre.
                                lich etwas lernen können. Das Bewusstsein für Risiken,

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(51–52):1717
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1720 FMH Gelebte Qualitätstrans parenz der Ärzteschaft
FMH Recht                                                                                                                                                                             1718

Berufsausübungsbewilligung
für die Gutachtertätigkeit
Caroline Hartmann
Dr. iur., Rechtsanwältin, Co-Leiterin Gutachterstelle, FMH

                                In einem Arzthaftungsfall ist die Expertenmeinung für die Klärung des medizi­
                                nischen Sachverhalts unumgänglich. Die Experten und Expertinnen haben für die
                                Gutachtertätigkeit verschiedene Kriterien zu erfüllen. Insbesondere stellt sich
                                die Frage, ob es für die reine Gutachtertätigkeit einer Berufsausübungsbewilligung
                                bedarf.

                                Um für die FMH-Gutachterstelle als Gutachter oder                                  Die Berufsausübungsbewilligung
                                Gutachterin tätig werden zu können, müssen verschie­
                                dene Voraussetzungen erfüllt sein. Hierbei ist zwi­                                Alle Ärztinnen und Ärzte, die ihren Beruf in eigener
                                schen persönlichen und formellen Kriterien zu unter­                               fachlichen Verantwortung selbständig oder angestellt
                                scheiden.                                                                          ausüben wollen, benötigen eine Berufsausübungsbewil­
                                                                                                                   ligung des Tätigkeitskantons (sogenannte Polizeierlaub­
                                                                                                                   nis) [2]. Das Medizinalberufegesetz verlangt als Voraus­
                                Persönliche und formelle Kriterien für
                                                                                                                   setzungen für die Bewilligung zur ärztlichen Tätigkeit
                                die Ausübung der Gutachtertätigkeit
                                                                                                                   in eigener fachlicher Verantwortung kumulativ:
                                In persönlicher Hinsicht darf der Gutachter oder
                                die Gutachterin in Bezug auf den zu beurteilenden                             Ärztinnen und Ärzte, die ihren Beruf in eigener
                                Fall nicht befangen sein. Als weiteres persönliches                           fachlicher Verantwortung selbständig oder
                                Kriterium zählt die Fachkompetenz. Der Gutachter                              angestellt ausüben wollen, benötigen eine
                                und die Gutachterin müssen kompetent sein, um                                 Polizeierlaubnis des Tätigkeitskantons.
                                die im Haftungsfall zur Diskussion stehende ärzt­
                                liche Behandlung gutachterlich beurteilen zu kön­
                                                                                                                   – ein eidgenössisches oder anerkanntes ausländi­
                                nen. Dies bedeutet, die Experten müssen dieselbe
                                                                                                                       sches Arztdiplom;
                                Fachkompetenz wie der zu beurteilende Arzt oder die
                                                                                                                   – einen eidgenössischen Weiterbildungstitel oder an­
                                zu beurteilende Ärztin ausweisen und mit der zu be­
                                                                                                                       erkannten ausländischen Weiterbildungstitel;
                                urteilenden Behandlungsmethode vertraut sein.
                                                                                                                   – Vertrauenswürdigkeit sowie physische und psychi­
                           Für die Gutachtertätigkeit haben die Experten                                               sche Gewähr für eine einwandfreie Berufsaus­
                           und Expertinnen verschiedene Kriterien zu                                                   übung;
                           erfüllen.                                                                               – notwendige Kenntnisse einer Amtssprache des
                                                                                                                       Kantons, für welchen die Bewilligung beantragt
                                In formeller Hinsicht bedarf es einerseits nicht nur für                               wird.
                                die ärztliche Behandlungstätigkeit, sondern auch                                   Wer diese gesamtschweizerisch festgelegten Voraus­
                                für die Gutachtertätigkeit einer Berufshaftpflichtver­                             setzungen erfüllt, hat einen Rechtsanspruch auf die Er­
                                sicherung, da der Gutachter und die Gutachterin nicht                              teilung der kantonalen Berufsausübungsbewilligung.
                                nur strafrechtlich, sondern auch zivilrechtlich für eine                           Vom Recht zur Berufsausübung ist das Recht zu unter­
                                ­unsorgfältige Begutachtung haften können [1]. Ande­                               scheiden, Patienten zulasten der obligatorischen Kran­
                                rerseits stellt sich die Frage, ob für die Gutachtertätig­                         kenpflegeversicherung behandeln zu dürfen. Die Vor­
                                keit als weitere formelle Voraussetzung eine Berufs­                               aussetzungen dafür sind im Bundesgesetz über die
                                ausübungsbewilligung notwendig ist.                                                Krankenversicherung (KVG) geregelt.

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(51–52):1718–1719
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1720 FMH Gelebte Qualitätstrans parenz der Ärzteschaft
FMH Recht                                                                                                                                                                             1719

                                Bundesgerichtsentscheid vom                                                        lich eigenverantwortlicher Gutachter oder fachlich ei­
                                3. D
                                   ­ ezember 2012 (BGE 8C_436/2012)                                                genverantwortliche Gutachterin fällt unter die Bewilli­
                                                                                                                   gungspflicht.
                                Ist die Gutachtertätigkeit auch Teil der ärztlichen Tä­                            Die Gesundheitsgesetze der Kantone erwähnen die
                                tigkeit und bedarf somit einer Polizeierlaubnis?                                   Gutachter und Gutachterinnen zwar nicht ausdrück­
                                In einem vom Bundesgericht beurteilten Fall stellte                                lich, nach ständiger Behördenpraxis wenden sie die
                                eine Explorandin aufgrund eines Schleudertraumas                                   Bestimmungen jedoch dahingehend an, dass auch
                                                                                                                   ­
                                einen Leistungsanspruch bei der Invalidenversiche­                                 ärzt­liche Gutachter und Gutachterinnen, welche ihre
                                rung. Der Rentenanspruch wurde auf der Grundlage ei­                               ärztliche Tätigkeit aufgegeben haben, einer Berufsaus­
                                ner Expertise der MEDAS verneint. Die Explorandin ge­                              übungsbewilligung bedürfen.
                                langte mit der Begründung an das Bundesgericht, das                                Auch das ärztliche Gutachten wird somit letztlich als
                                                                                                                   Teil der ärztlichen Tätigkeit interpretiert.
                             Das Bundesgericht bestätigt, dass die Gutach-
                             tertätigkeit, die ohne Berufsausübungsbewilli-
                                                                                                                   Schlussfolgerung
                             gung ausgeübt wird, formell gesetzwidrig ist.
                                                                                                                   Gutachter bedürfen für ihre Gutachtertätigkeit einer
                                MEDAS-Gutachten sei widerrechtlich zustande gekom­                                 Berufsausübungsbewilligung des Tätigkeitskantons.
                                men, da der Gutachter zum Zeitpunkt seiner Begutach­                               Zu diesem Schluss kommt nicht nur das Bundesge­
                                tung nicht über die erforderliche Bewilligung zur Be­                              richt, es entspricht auch der Praxis der meisten Kan­
                                rufsausübung verfügt habe. Das MEDAS-Gutachten                                     tone.
                                wurde im Jahr 2009 erstellt, die Berufsausübungs­                                  Gutachter haben grundsätzlich immer die Aufgabe,
                                bewilligung wurde dem Gutachter erst im Jahr 2011 er­                              ­einen bestimmten Sachverhalt detailliert zu prüfen,
                                teilt.                                                                             einzuordnen und eine Beurteilung abzugeben. Diese
                                Das Bundesgericht kam zu folgendem Schluss: «[…]                                   stützt sich auf medizinisches Fachwissen, bedingt eine
                                Auch wenn der Gutachter […] durch die im Zeitpunkt                                 objektive Befundung und – zumindest bei der FMH-
                                der Begutachtung im September 2009 fehlende Be­                                    Gutachterstelle – eine persönliche Untersuchung des
                                rufsausübungsbewilligung formell gesetzwidrig seine                                Patienten oder der Patientin. In diesem Sinne ist eine
                                Gutachtertätigkeit ausgeübt hatte, waren die materiel­                             medizinische Tätigkeit festzustellen, womit es für die
                                len Voraussetzungen zur Erteilung der die öffentliche                              Gutachtertätigkeit einer Berufsausübungsbewilligung
                                Gesundheit schützenden Polizeibewilligung unstrittig                               bedarf.
                                bereits dannzumal erfüllt gewesen […]» [3]. Die feh­
                                lende Polizeierlaubnis des Gutachters führte somit                            Gemäss der Praxis der meisten Kantone ist auch
                                nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.                                       die Gutachtertätigkeit bewilligungspflichtig.
                                Daraus lässt sich schliessen, dass eine Gutachter­
                                tätigkeit, die ohne Berufsausübungsbewilligung aus­                                Eine Berufsausübungsbewilligung wird grundsätzlich
                                geübt wird, formell gesetzwidrig ist.                                              unbefristet erteilt. Auch wenn bei einer Aufgabe der
                                                                                                                   ärztlichen Tätigkeit der Status im Medizinalberufe­
                                                                                                                   register auf inaktiv gesetzt wird, bleibt die Bewilligung
                                Und wie ist die Haltung der Kantone?
                                                                                                                   bestehen. Die FMH-Gutachterstelle legt besonderen
                                Nur gerade der Kanton Thurgau kennt in seinem Ge­                                  Wert auf die Unbefangenheit und Fachkompetenz der
                                sundheitsgesetz die Bewilligungspflicht für in eigener                             Gutachter und Gutachterinnen. Das Vorhandensein
                                fachlicher Verantwortung tätige Gutachter [4].                                     ­einer Berufsausübungsbewilligung liegt in der Eigen­
                                Das Ergebnis einer schweizweiten Umfrage bei den zu­                               verantwortung des jeweiligen Experten oder der jewei­
                                ständigen kantonalen Gesundheitsdepartementen                                      ligen Expertin.
                                zeigt, dass gemäss kantonaler Praxis auch Gutachter
                                über eine gültige Bewilligung für die fachlich eigenver­                           Literatur
FMH                                                                                                                1    Strafrechtliche Haftung gemäss Art. 307 und Art. 318 des
Dr. iur. Caroline Hartmann      antwortliche Berufsausübung verfügen müssen.                                           ­ chweizerischen Strafgesetzbuches; Zivilrechtliche Haftung
                                                                                                                       S
Nussbaumstrasse 29              Es besteht die überwiegende Ansicht, dass jede fachli­                                 ­gemäss Art. 394ff des Schweizerischen Obligationenrechts.
CH-3000 Bern 15                                                                                                    2    Art. 34 des Schweizerischen Medizinalberufegesetzes.
Caroline.hartmann[at]
                                che eigenverantwortliche Tätigkeit als Arzt oder Ärztin                            3    BGE 8C_436/2012 E. 3.4.
fmh.ch                          bewilligungspflichtig ist. Auch die Tätigkeit als fach­                            4    § 8 und § 9 des Gesundheitsgesetzes Thurgau.

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(51–52):1718–1719
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1720 FMH Gelebte Qualitätstrans parenz der Ärzteschaft
FMH DDQ /SAQM                                                                                                                                                                         1720

Erfolgreiches Pilotprojekt zu Qualitätsaktivitäten im (praxis-)ambulanten Bereich

Gelebte Qualitätstransparenz
der Ärzteschaft
Esther Kraft a , Michelle Gerber b , Christoph Bosshard c , Felix Roth d
a
    lic. rer. oec., Leiterin Abteilung DDQ; b lic. phil. hum., wissenschaftliche Mitarbeiterin DDQ/SAQM;
c
    Dr. med., Vizepräsident der FMH, Departementsverantwortlicher DDQ/SAQM; d Dr. PH, Qualitätsbeauftragter santésuisse

                                Aufgrund der Revision von Art. 58 KVG sind Ärztinnen und Ärzte ab 2022 gesetz-
                                lich verpflichtet, Qualitätsmassnahmen umzusetzen und Qualitätsmessungen zu
                                veröffentlichen. Die Rahmenbedingungen sollen gemeinsam von den Verbänden
                                der Leistungserbringer und Verbänden der Versicherer in Qualitätsverträgen gere-
                                gelt werden. Die SAQM/FMH zeigt nun gemeinsam mit santésuisse und curafutura
                                in einem Pilotprojekt auf, wie eine mögliche Umsetzung gelingen kann.

                                Qualitätsmessungen und deren Veröffentlichung,                                     Leistungserbringer und die Verbände der Versicherer
                                Massnahmen zur Qualitätsentwicklung sowie die                                      in nationalen Qualitätsverträgen regeln. Diese müssen
                                Überprüfung der Verbesserungsmassnahmen gelten                                     dem Bundesrat ein Jahr nach Inkraft­setzung des neuen
                                voraussichtlich ab dem 1.4.2021 als gesetzliche Pflicht                            Art. 58 KVG, also spätestens am 1.4.2022, zur Genehmi-
                                für alle Ärztinnen und Ärzte bzw. für alle Leistungser-                            gung vorgelegt werden, ansonsten kann der Bundesrat
                                bringer. Dies hat das schweizerische Parlament mit der                             subsidiär eingreifen (siehe Kasten nächste Seite mit
                                Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes KVG                                  den zentralen Informationen zum neuen Art. 58 KVG).
                                zur Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit [1]
                                und dem neuen Art. 58 KVG am 21.6.2019 b
                                                                       ­ eschlossen.
                                                                                                                   Das Pilotprojekt
                                Die Rahmenbedingungen werden die Ver­bände der
                                                                                                                   Um Wege der Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgabe
                                                                                                                   zu erproben, hat die FMH/SAQM gemeinsam mit san-
Tabelle 1: Die 17 Qualitätsaktivitäten im Pilotprojekt.
                                                                                                                   tésuisse und curafutura das Pilotprojekt «Veröffentli-
Qualitätsaktivitäten                                              Fachgesellschaft
                                                                                                                   chung der Qualitätsaktivitäten der (praxis-)ambulant
Critical Incident Reporting System (CIRS)                         SGAIM/mfe
                                                                                                                   tätigen Ärztinnen und Ärzte» lanciert (www.saqm.ch).
Guidelines                                                        SGP, SGORL, SGU, SGPP
                                                                                                                   Dieses ist bei den Ärzteorganisationen auf ein sehr
Hygienekonzept                                                    SGP, SGAIM/mfe
                                                                                                                   grosses Interesse gestossen: Insgesamt sechs Fachge-
Klinische Studien                                                 SGMO
Notfallkonzept                                                    SGP
                                                                                                                   sellschaften nehmen daran teil, welche rund 50% der
Patientenbefragung                                                SGP                                              ambulant tätigen Ärzteschaft abbilden. Diese haben
Patienteninformationen                                            SGORL                                            für ihren Fachbereich in Absprache mit den Versiche-
Patient-reported outcome                                          SGMO                                             rern jeweils drei bis fünf Qualitätsaktivitäten für den
Pharmakovigilanz                                                  SGMO                                             ambulanten Bereich definiert (Tab. 1). Die Fachgesell-
Qualität der Hörabklärungen / Audiometrie                         SGORL                                            schaften haben ausserdem einen Prozess für die Über-
Qualitätszirkel                                                   SGP, SGAIM/mfe, SGPP                             prüfung der Angaben der Ärztinnen und Ärzte zu den
Shared Decision Making                                            SGPP                                             Qualitätsaktivitäten festgelegt und testen diesen im
Smarter Medicine                                                  SGAIM/mfe, SGORL, SGU
                                                                                                                   Rahmen des Pilotprojekts.
Standardisierte Operationsaufklärungen                            SGU
Supervision                                                       SGPP
Swiss Cancer Network Zertifikat                                   SGMO                                             Ärzteschaft und Versicherer schaffen Quali-
Teilnahme an Tumorboard                                           SGMO, SGORL                                      tätstransparenz im ambulanten Bereich
SGAIM: Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin; SGMO: Schweizerische Gesell-
schaft für medizinische Onkologie; SGP: Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie; SGPP: Schweizeri-               Rund 3300 (praxis-)ambulant tätige Ärztinnen und
sche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie; SGU: Schweizerische Gesellschaft für Urologie;
                                                                                                                   Ärzte machen transparent, welche Qualitätsaktivitä-
SGORL: Schweizerische Gesellschaft für Oto-Rhino-Laryngologie, Hals- und Gesichtschirurgie; mfe:
Haus- und Kinderärzte Schweiz.                                                                                     ten sie für die Qualitätsentwicklung zum Nutzen der

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(51–52):1720–1721
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission.            See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
1720 FMH Gelebte Qualitätstrans parenz der Ärzteschaft
FMH DDQ /SAQM                                                                                                                                                                         1721

                                Neuer Art. 58 KVG zur Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit
                                Verabschiedet am 21.6.2019 und tritt voraussichtlich am 1.4.2021 in Kraft. Anpassung KVV noch nicht abgeschlossen (www.bag.­admin.
                                ch/bag/de/home/versicherungen/krankenversicherung/krankenversicherung-revisionsprojekte/netzwerk-qualitaet-gesundheitsversor-
                                gung.html)

                                Der neue Art. 58 KVG bringt folgende zentralen Änderungen mit sich:
                                Der Bundesrat legt – nach Anhörung der interessierten Organisationen – 4-Jahres-Ziele zur Sicherung und Förderung der Qualität fest.
                                Der Bundesrat setzt weiter eine Eidgenössische Qualitätskommission ein. Unter anderem beauftragt diese Dritte, nationale Pro-
                                gramme zur Qualitätsentwicklung / systematische Studien durchzuführen, neue Qualitätsindikatoren zu entwickeln oder bestehende
                                Indikatoren weiterzuentwickeln. Diese Qualitätskommission berät auch den Bundesrat, die Kantone, die Leistungserbringer und die
                                Versicherer und kann Empfehlungen abgeben. Die Leistungserbringer – also auch die Ärztinnen und Ärzte – müssen die vertraglich
                                festgelegten Regeln zur Qualitätsentwicklung einhalten, damit sie zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung tätig sein
                                können. Diese vertraglichen Regeln werden in gesamtschweizerisch geltenden Qualitätsverträgen festgehalten.

                                Qualitätsverträge
                                Die Verbände der Leistungserbringer und der Versicherer schliessen gesamtschweizerisch geltende Qualitätsverträge ab. Darin ist Fol-
                                gendes zu regeln:
                                –	Die Qualitätsmessungen und die Massnahmen zur Qualitätsentwicklung
                                –	Die Zusammenarbeit der Vertragspartner bei der Festlegung von Verbesserungsmassnahmen
                                –	Die Überprüfung der Einhaltung der Verbesserungsmassnahmen
                                –	Die Veröffentlichung der Qualitätsmessungen und der Verbesserungsmassnahmen
                                –	Die Sanktionen bei Verletzungen des Vertrags
                                –	Das Erstellen eines Jahresberichts über den Stand der Qualitätsentwicklung zuhanden der Eidgenössischen Qualitätskommission
                                   und des Bundesrats

                                Der Bundesrat genehmigt die Qualitätsverträge. Können sich die Verbände der Leistungserbringer und der Versicherer nicht auf einen
                                Qualitätsvertrag einigen, legt der Bundesrat die Regeln fest.

                                Patientinnen und Patienten umsetzen. Die Teilnahme-                                dargestellt. Mit der Einführung des Art. 58 KVG wird
                                quote von 43% an der erstmaligen Durchführung eines                                die Qualitätsmessung und -transparenz für alle Leis-
                                freiwilligen Pilotprojekts ist ausserordentlich hoch                               tungserbringer obligatorisch (siehe Kasten).
                                und ein deutliches Zeichen der Ärzteschaft für ihr En-
                                gagement im Qualitätsbereich. Aber nicht nur die Be-
                                                                                                                   Ausblick
                                teiligung, sondern auch die Resultate machen sichtbar,
                                dass die (praxis-)ambulant tätigen Ärztinnen und                                   Die Angaben der Ärztinnen und Ärzte zu den Qua­
                                Ärzte bereit sind, im Interesse der Patientinnen und                               litätsaktivitäten werden seit Dezember 2020 auf
                                Patienten die Qualität weiterzuentwickeln und dies                                 www.doctorfmh.ch veröffentlicht. Der Schlussbericht
                                auch transparent zu machen. Mindestens zwei Drittel                                zum Pilotprojekt ist zurzeit in Erarbeitung. An dieser
                                aller Befragten geben an, drei oder mehr der empfohle-                             Stelle ein Dankeschön an die beteiligten Ärzteorgani-
                                nen Qualitätsaktivitäten umzusetzen. Die Umsetzung                                 sationen für ihr zentrales, intensives und wichtiges
                                wird systematisch durch Stichproben überprüft, sei                                 Enga­gement und an die Ärztinnen und Ärzte, welche
FMH/SAQM                        es beispielsweise mittels Fachgesprächen oder eines                                am ­Pilotprojekt teilgenommen haben. Ihre Erfahrun-
Nussbaumstrasse 29              transparenten Nachweises. In der Tabelle 2 sind die ag-                            gen sowie die Erfahrungen der FMH/SAQM, der Ver-
CH-3000 Bern 16
Tel. 031 359 11 11
                                gregierten Ergebnisse am Beispiel der Schweizerischen                              bände der Versicherer und der beteiligten Fachgesell-
saqm[at]fmh.ch                  Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM)                                 schaften sind essentiell, um die Herausforderungen
                                                                                                                   bei der ­Umsetzung des neuen Art. 58 KVG gemeinsam
                                                                                                                   in Angriff zu nehmen.
Tabelle 2: Ergebnisse der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin.                              Die FMH/SAQM wird über ihre Informationskanäle re-
SGAIM/mfe – Umsetzung der empfohlenen Qualitätsaktivitäten                                                         gelmässig über den aktuellen Stand der Umsetzung
Angeschriebene Ärztinnen und Ärzte                                             4642                                des Art. 58 KVG informieren.
Befragungsteilnahme                                                            49%
Qualitätszirkel                                                                86%
                                                                                                                   Literatur
Hygienekonzept                                                                 85%                                 1   Bundesamt für Gesundheit. Änderung KVG und KVV: Stärkung
Smarter Medicine                                                               86%                                     von Qualität und Wirtschaftlichkeit. 2020. www.bag.­admin.ch/
Critical Incident Reporting System (CIRS)                                      56%                                     bag/de/home/versicherungen/krankenversicherung/krankenver-
                                                                                                                       sicherung-revisionsprojekte/netzwerk-qualitaet-­
Anteil mit drei oder mehr Q-Aktivitäten                                        75%
                                                                                                                       gesundheitsversorgung.html

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(51–52):1720–1721
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission.            See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
1720 FMH Gelebte Qualitätstrans parenz der Ärzteschaft
FMH Personalien                                                                                                                                                                        1722

Personalien
                                                                                                                                     Einsprachen gegen dieses Vorhaben müssen
Todesfälle / Décès / Decessi                                     Isabel Grobauer, 5706 Boniswil, Fachärztin für                      innerhalb 14 Tagen seit der Veröffentlichung
M’hammed Hadj-Djilani (1933), † 27.5.2020,                       Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psycho-                          schriftlich und begründet bei den Co-Präsi-
­Spécialiste en neurochirurgie, 1066 Epalinges                   therapie, FMH, Praxiseröffnung in Aarau                             denten des Ärztlichen Bezirksvereins Bern
                                                                 per 17. September 2020                                              Regio eingereicht werden. Nach Ablauf der
                                                                                                                                     Frist entscheidet der Vorstand über die
Theodor Müller (1944), † 19.10.2020,
                                                                                                                                     Aufnahme der Gesuche und über allfällige
Facharzt für Allgemeine Innere Medizin,                          Marco Randazzo, 8404 Winterthur, Facharzt
                                                                                                                                     Einsprachen.
3095 Spiegel b. Bern                                             für Urologie, FMH, Praxiseröffnung in der
                                                                 Hirslanden Klinik Aarau per 1. Mai 2021

Ute Hopp (1953), † 4.11.2020,
Praktische Ärztin, 8805 Richterswil                              Mariann Szabό, D-79618 Rheinfelden,                                 Ärztegesellschaft des Kantons Schwyz
                                                                 ­Fach­ärztin für Allgemeine Innere Medizin                          Zur Aufnahme in die Ärztegesellschaft des
                                                                  und Fachärztin für Gastroenterologie,                              Kantons Schwyz hat sich angemeldet:
Friedrich Magerl (1931), † 14.11.2020,
                                                                  ­angestellt in Praxisgemeinschaft in Frick
9000 St. Gallen
                                                                   seit 1. August 2020
                                                                                                                                     Sharon Waisbrod, Facharzt für Urologie, FMH,
                                                                                                                                     ab 1.1.2021 angestellter Urologe in der Praxis
                                                                 Als Chef- und Leitende Ärzte und Ärztinnen:
                                                                                                                                     «Uroclinic» in Pfäffikon SZ
Praxiseröffnung /
Nouveaux cabinets médicaux /                                     Fabio Conti, 6614 Brissago, Facharzt für                            Einsprachen gegen diese Aufnahme
Nuovi studi medici                                               ­Neurologie, FMH, Leitender Arzt in der                             richten Sie schriftlich innert 20 Tagen
FR                                                                ­Reha­k linik Bellikon seit 1. Dezember 2019                       an Dr. med. Uta Kliesch, Maria-Hilf-Strasse 9,
                                                                                                                                     6430 Schwyz, oder per Mail an uta.kliesch[at]
                                                                                                                                     hin.ch
Jérôme Dällenbach, Spécialiste en médecine                       Monika Mustak-Blagusz, 5212 Hausen bei
interne générale, Centre commercial gare                         Brugg, Fachärztin für Allgemeine Innere
de Fribourg, 1700 Fribourg                                       ­Medizin und Fachärztin für Rheumatologie,                          Ärztegesellschaft Thurgau
                                                                  FMH, Chefärztin bei aarReha in Schinznach
                                                                                                                                     Zum Eintritt in die Ärztegesellschaft Thurgau
GE                                                                Bad seit 1. Dezember 2020
                                                                                                                                     hat sich gemeldet:

Catherine Torriani, Spécialiste en psychiatrie                   Katrin Scheinemann, 5023 Biberstein, Fach­
                                                                                                                                     Fabian Hauswirth, Facharzt für Chirurgie,
et psychothérapie, rue Charles-Sturm 20,                         ärztin für Kinder- und Jugendmedizin, FMH,
                                                                                                                                     FMH, Untere Bühlenstrasse 50, 8708 Männe-
1206 Genève                                                      Leitende Ärztin im Kantonsspital Aarau AG
                                                                                                                                     dorf
                                                                 seit 1. November 2018
TI
                                                                 Diese Kandidaturen werden in Anwendung
                                                                 von Art. 5 der Statuten des Aargauischen                            Ärzte-Gesellschaft des Kantons Zug
Fabrizio Guido Fasolini, Specialista in chirur-
                                                                 Ärzteverbandes veröffentlicht. Einsprachen
gia, corso San Gottardo 6 e 13, 6830 Chiasso, e                                                                                      Zur Aufnahme in die Ärzte-Gesellschaft des
                                                                 müssen innert 14 Tagen seit der Bekannt­
via Giuseppe Motta 2, 6850 Mendrisio                                                                                                 Kantons Zug als ordentliches Mitglied hat
                                                                 machung schriftlich und begründet der
                                                                                                                                     sich angemeldet:
                                                                 Geschäftsleitung des Aargauischen Ärzte­
                                                                 verbandes eingereicht werden. Nach Ablauf
Aargauischer Ärzteverband                                        der Einsprachefrist entscheidet die Ge­                             Christian Peter, Facharzt für Allgemeine
                                                                 schäfts­leitung über Gesuch und allfällige                          ­Innere Medizin, Poststrasse 22, 6300 Zug
Zur Aufnahme in den Aargauischen
                                                                 Einsprachen.
­Ärzteverband haben sich angemeldet:
                                                                                                                                     Einsprachen gegen diese Kandidatur müssen
                                                                                                                                     innerhalb 14 Tagen seit dieser Veröffent­
Als ordentlich praktizierende Mitglieder:
                                                                                                                                     lichung schriftlich und begründet beim
                                                                 Ärztegesellschaft des Kantons Bern                                  Sekretariat der Ärzte-Gesellschaft des
Wolfgang Edele, 5210 Windisch, Facharzt für                      Ärztlicher Bezirksverein Bern Regio                                 Kantons Zug eingereicht werden. Nach Ablauf
Allgemeine Innere Medizin und Facharzt für                       Zur Aufnahme als ordentliches Mitglied                              der Einsprachefrist entscheidet der Vorstand
Kardiologie, FMH, Praxiseröffnung in Brugg                       hat sich angemeldet:                                                über Gesuch und allfällige Einsprachen.
per 2. November 2020

                                                                 Martin Mair, Facharzt für Allgemeine Innere
Nisha Erismann, 4663 Aarburg, Fachärztin für                     Medizin und Facharzt für Kardiologie, FMH,
Gynäkologie und Geburtshilfe, FMH, Praxis­                       Localmed Ärztezentrum Bern, Schanzen­
eröffnung in Praxisgemeinschaft in Rothrist                      strasse 4A, 3008 Bern
per 1. Januar 2021

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(51–52):1722
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission.             See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
1720 FMH Gelebte Qualitätstrans parenz der Ärzteschaft
WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN SGSPP                                                                                                                                        1725

Stellungnahme der SGSPP

Gewalt und Missbrauch
im ­Leistungssport
Malte Christian Claussen*
Dr. med., Präsident Schweizerische Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psychotherapie SGSPP, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich,
­P rivatklinik Wyss AG, Psychiatrische Dienste Graubünden

                                Stellungnahme der Schweizerischen Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psy-
                                chotherapie SGSPP zu Gewalt und Missbrauch im Leistungssport und zur Bericht-
                                erstattung «Die Magglingen Protokolle» im «Das Magazin» vom 1. November 2020:
                                Die SGSPP nimmt Anteil an dem Leid der Opfer von Gewalt und Missbrauch jedwe-
                                der Form, im Leistungssport und in der Allgemeinbevölkerung.

                                All athletes have a right to engage in ‘safe sport’, defined                       Die SGSPP unterstützt die Position im International
                                as an athletic environment that is respectful, equitable                           Olympic Committee consensus statement: harassment
                                and free from all forms of nonaccidental violence to ath­                          and abuse (non-accidental violence) in sport [1]. Das
                                letes. Yet, these issues represent a blind spot for many                           ­Risiko von Gewalt und Missbrauch im Leistungssport
                                sport organisations through fear of reputational dam­                              bedarf Richtlinien und Verfahren, um Athletinnen
* Im Namen des                  age, ignorance, silence or collusion.                                              und Athleten zu schützen [1, 2].
 SGSPP-Vorstandes
 (Malte Christian Claussen,     All forms of harassment and abuse breach human rights
 Carlos Gonzalez Hofmann,                                                                                          Gewalt und Missbrauch im Sport
 Christian Imboden,             and may constitute a criminal offence. Therefore, there is
 Erich Seifritz, Marcel I.      a legal and moral duty of care incumbent on those who                              Gewalt und Missbrauch im Sport betreffen alle Athletin-
 Raas, Ulrich Hemmeter)
 und unter Mitarbeit von
                                organise sport, to ensure that risks of nonaccidental vio­                         nen und Athleten jeden Alters, in allen Sportarten und
 Andres Schneeberger            lence are identified and mitigated [1].                                            auf jedem Leistungsniveau [2]. Psychischer, körper­licher

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(51–52):1725–1727
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission.            See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN SGSPP                                                                                                                                        1726

                                und sexueller Missbrauch sowie Vernach­
                                                                      lässigung                                    von Gewalt und Missbrauch als solche zu erkennen,
                                ­treten im Sport allein oder in Kombination, einmalig,                             mit der Offenlegung durch die Betrof­fenen umgehen
                                kontinuier­lich und wiederholt auf, manifestieren sich                             zu vermögen sowie die schwer­wiegenden psychischen
                                durch verschiedene Mechanismen, direkt und indirekt,                               Folgen und Traumafolgestörungen bedürfen der psy-
                                                                                                                   chiatrisch-psychotherapeutischen Expertise und eines
                           Gewalt und Missbrauch im Sport betreffen alle                                           interdisziplinären Vorgehens, das das Umfeld der
                           Athletinnen und Athleten.                                                               ­Opfer mit einschliesst [2, 5].
                                                                                                                   Gewalt und Missbrauch im Sport erfordern die Ent-
                                und müssen immer auch im kulturellen Kontext be-                                   wicklung und Implementierung effektiver Massnah-
                                trachtet werden [2]. Ein hohes Risiko, Opfer psychischen,                          men im Leistungssport [1]. Die vorliegende Evidenz zu
                                körperlichen und sexuellen Missbrauchs und Gewalt zu                               Gewalt im Sport und entsprechende Empfehlungen
                                werden, das mit dem Karriere- und Leistungsfortschritt                             werfen aber auch die Frage auf, warum wirksame
                                zunimmt, wurde für alle Leistungssportlerinnen und                                 Massnahmen, nicht nur durch die Verbände und Ver-
                                Leistungssportler beschrieben ­sowie für minder­jährige,                           eine, sondern aller Verantwortlichen im Schweizeri-
                                Para- und LGBTQIA*-Athletinnen und -Athleten (lesbian,                             schen Leistungssport und im gegenwärtigen Versor-
                                gay, bisexual, transgender/transexual, queer/questio­                              gungsmodell, bisher nicht umgesetzt wurden oder
                                ning, intersex, and allied/­asexual/aromantic/agender)                             gegriffen haben. Prävention ist zentrales Element in
                                [1–3]. Psychischer Missbrauch ist die häufigste Form von                           der Entwicklung und Implementierung effektiver
                                Gewalt im Leistungssport [2]. Stafford et al. berichte-
                                ten eine Prävalenz von psychischem Missbrauch bei                             Die in den «Magglingen-Protokollen» beschriebe-
                                jungen Athletinnen und ­Athleten in der Grössen-                              nen Vorfälle müssen transparent aufgeklärt
                                ordnung von 75% [4]. Täterinnen und Täter von                                 werden.
                                ­Gewalt im Sport können unter anderem Mitglied
                                des ärztlichen und Trainerteams sowie Peers und Trai-                              Massnahmen gegen Gewalt und Missbrauch, aber
                                nings- und Teamkolleginnen und -kollegen sein. Eine                                auch für die Erhaltung und Förderung der psychi-
                                erhebliche Dunkelziffer von Gewalt und Missbrauch im                               schen Gesundheit im Leistungssport. Prävention
                                Sport wird angenommen [2].                                                         sollte integraler Bestandteil in den Versorgungskon-
                                Die Folgen von Gewalt und Missbrauch für die psychi-                               zepten sein, bedarf aber genauso wie Diagnostik, The-
                                sche Gesundheit sind verheerend, langjährig und kön-                               rapie und Nachsorge einer entsprechenden klinischen
                                nen nach Reardon et al. im Sport einhergehen mit weni-                             Expertise und Qualifikation. Den Risikogruppen für
                                ger Leistung und Erfolgen, frühem Ausscheiden aus                                  Gewalt und Missbrauch im Sport sollte in der Präven-
                                dem Sport, Minderung des Selbstwertes, Störungen des                               tion eine besondere Aufmerksamkeit zuteil werden.
                                Körperbildes, gestörtem Essverhalten und Essstörun-                                Die in den «Magglingen-Protokollen» beschriebenen
                                gen, Substanzgebrauchsstörungen, Depressionen, Ängs-                               Vorfälle müssen transparent aufgeklärt werden.
                                ten, Selbstschädigungen und Suiziden [2]. Darüber                                  Ebenso wichtig ist die Erarbeitung und Implementie-
                                ­hinaus ist die Bereitschaft, zu betrügen und zu dopen,                            rung präventiver Massnahmen zum Schutze aller
                                im Zusammenhang mit Gewalt im Leistungssport
                                erhöht; zudem korreliert psychischer Missbrauch                               Ebenso wichtig ist die Erarbeitung und Imple-
                                im Kindes­alter mit langjährigen, komplexen post-                             mentierung präventiver Massnahmen zum
                                traumatischen und dissoziativen Symptomen [2].                                Schutze aller Athletinnen und Athleten.
                                Gewalt und Missbrauch im Sport betreffen die Opfer
                                und das Umfeld der Opfer genauso, wie die persönli-                                ­Athletinnen und Athleten, in allen Verbänden und Ver-
                                chen und sozialen Beziehungen der Opfer, auch ausser-                              einen, wie sie beispielsweise durch das International
                                halb des Sports [5].                                                               Olympic Committee consensus statement: harassment
                                                                                                                   and abuse (non-accidental violence) in sport auf Ebene
                                                                                                                   der Sportorganisationen, Athletinnen und Athleten,
                                Psychiatrisch-psychotherapeutische
                                                                                                                   Sportmedizin und verwandten Fachgebiete sowie in
                                Expertise und interdisziplinäres Vorgehen
                                                                                                                   der Forschung beschrieben wurde [1].
                                Die Möglichkeit der Gewalterfahrung, innerhalb und                                 Ein systematischer, einrichtungsübergreifender Ansatz,
                                ausserhalb des Sports, sollte von Klinikerinnen und                                der Athletinnen und Athleten, ihr Umfeld, medizini-
                                Klinikern, bei denen sich Athletinnen und Athleten                                 sche und therapeutische Behandlerinnen und Behand-
                                mit psychischen Symptomen vorstellen, erwogen und                                  ler, Ausbildnerinnen und Ausbildner sowie Strafjustiz-
                                erfragt werden [1]. Gewalt und die psychischen Folgen                              behörden mit einschliesst, wird empfohlen [1].

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(51–52):1725–1727
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission.            See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN SGSPP                                                                                                                                         1727

                                 Die Ethik-Charta von Swiss Olympic und der Verhal-                                Belastungen und Risiken für die psychische Gesund-
                                 tenskodex für Trainerinnen und Trainer sind verbind-                              heit im Leistungssport bedürfen aber bereits unabhän-
                                 lich einzuhalten [6]. Die, unter Leitung des International                        gig der beschriebenen Problematik der Gewalt und des
                                 Centre Ethics in Sport proklamierten Prinzipien zum                               Missbrauchs im Sport, der Integration einer qualifizier-
                                 Schutz minderjähriger Athletinnen und Athleten,                                   ten medizinischen Fachdisziplin für die psychische
                                 Qualität, Prävention und Gefahrenabwehrmassnah-                                   Gesundheit in den Versorgungskonzepten im Leis-
                                                                                                                   ­
                                 men, sollten im Sinne der Transparenz ebenso ver-                                 tungssport. In jedem grossen Verband und Verein be-
                                 bindlicher Teil jeder Verbands- und Vereinsstruktur                               darf es darüber hinaus einer entsprechenden Koordi-
                                 sein [7].                                                                         nationsstelle Sportpsychiatrie und -psychotherapie.
                                                                                                                   Die SGSPP ist bereit, einen substantiellen Beitrag zu
                                                                                                                   leisten, und spricht sich für interdisziplinäre Präven-
                                 Sportmedizinische und sportpsychia­
                                                                                                                   tions- und Behandlungskonzepte gegen Gewalt und
                                 trische Untersuchung
                                                                                                                   Missbrauch sowie zur Förderung der psychischen Ge-
                                 Eine jährliche Überprüfung möglicher Grenzüber-                                   sundheit im Leistungssport aus.
                                 schreitungen gegenüber Athletinnen und Athleten
                                 sollte in die sportmedizinische Untersuchung SPU in                               Bildnachweis
                                                                                                                   © Chelsdo | Dreamstime.com, Symbolbild
                                 der Schweiz integriert werden. Bei Verdacht auf Gewalt
                                 und Missbrauch sollte stets eine niederschwellige,
                                                                                                                   Literatur
                                 ­qualifizierte Anlaufstelle für Betroffene, wie auch für
                                                                                                                   1    Mountjoy M, Brackenridge C, Arrington M, Blauwet C, Carska-
                                 deren Umfeld und professionelle Helferinnen und
                                 ­                                                                                     Sheppard A, Fasting K, et al. International Olympic Committee
                                 ­Helfer gewährleistet sein und eingeschaltet werden,                                  consensus statement: harassment and abuse (non-accidental
                                                                                                                       ­v iolence) in sport. Br J Sports Med. 2016;50(17):1019–29.
                                 bevor erste Behandlungsschritte erfolgen.                                         2    Reardon CL, Hainline B, Aron CM, Baron D, Baum AL, Bindra A, et
                                                                                                                        al. Mental health in elite athletes: International Olympic Commit-
                                                                                                                        tee consensus statement. Br J Sports Med. 2019;53(11):667–99.
                               Es bedarf der Integration einer qualifizierten                                      3    Schneeberger AR, Gupta R, Flütsch N, Recher A. LGBTQI and
                               medizinischen Fachdisziplin für die psychische                                           sports – future implications for sports psychiatry. Sport & Exercise
                                                                                                                        Medicine Switzerland. 2020;68(3):28–9.
                               Gesundheit in den Versorgungskonzepten im                                           4    Stafford A, Alexander K, Fry D. ‘There was something that wasn’t
                               Leistungssport.                                                                          right because that was the only place I ever got treated like that’:
                                                                                                                        Children and young people’s experiences of emotional harm in
                                                                                                                        sport. Childhood. 2015;22:121–37.
                                 Fachärztinnen und -ärzte für Kinder- und Jugendpsy-                               5    Mountjoy M. ‘Only by speaking out can we create lasting change’:
                                 chiatrie und -psychotherapie und für Psychiatrie und                                   what can we learn from the Dr Larry Nassar tragedy? British jour-
                                                                                                                        nal of sports medicine. 2019;53(1):57–60.
                                 Psychotherapie, mit einer Expertise im Bereich der                                6    Swiss Olympic [Internet]. Ethik-Charta – Neun Prinzipien für den
                                 Traumafolgestörungen und optional in Sportpsychiat-                                    Schweizer Sport; c2015 [cited 2020 Nov 12]. spiritofsport.ch/­
                                                                                                                        verbaende/werte-ethik/ethik-charta
                                 rie und -psychotherapie, sollten integraler Bestandteil,
                                                                                                                   7    Safeguarding Youth Sport project consortium (International Cen-
                                 in einem interdisziplinären, medizinischen Umgang                                      tre Ethics in Sport) [Internet]. Safeguarding Youth Sport – Stimulat­
                                 mit Gewalt und Missbrauch im Leistungssport und                                        ing the individual empowerment of elite young athletes and a
                                                                                                                        posi­tive ethical climate in sport organisations; c2015 [cited 2020
                                 den schwerwiegenden psychischen Folgen sein; in                                        Nov 12]. fis.dshs-koeln.de/portal/de/projects/safeguarding-youth-
                                 ­Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge. Die                                   sport(6ced66d5-b3e7-4c05-a648-24682b35d021).html

                                 Das Wichtigste in Kürze                                                           L’essentiel en bref
                                 •	
                                   Die Aufarbeitung der Geschehnisse in Magglingen gebietet                        •	
                                                                                                                     Pour analyser les événements survenus à Macolin, il est
                                   auch einen kritischen Umgang mit den Versorgungskonzep-                           nécessaire d’adopter une approche critique face aux
                                                                                                                     ­
                                   ten im Leistungssport.                                                            concepts de soutien dans le sport d’élite.
                                 •	
                                   Fragen zur Qualifikation und Kompetenz der Verantwortli-                        •	
                                                                                                                     La qualification et la compétence des personnes chargées
                                   chen im Erkennen von und Umgang mit Gewalt und Miss-                              d’identifier et de faire face aux violences et abus doivent être
                                   brauch sind zu beantworten, wie auch, ob der Umgang mit                           clairement définies. Il convient aussi de déterminer si la ré-
Dr. med.
Malte ­Christian ­Claussen         den schwerwiegenden psychischen Folgen empirisch be-                              ponse face à des conséquences psychologiques graves avait
Sportpsychiatrie und -psy-         gründet und Leitlinien-konform erfolgte.                                          un fondement empirique et était conforme aux directives.
chotherapie, Klinik für          •	
                                   Die körperlichen und psychischen Folgen von Gewalt und                          •	
                                                                                                                     Les conséquences physiques et psychologiques de violences
Psychiatrie, Psychotherapie        Missbrauch gebieten eine nachweisliche klinische und medi-                        et abus exigent d’être prises en charge par des compétences
und ­Psychosomatik
                                   zinische Kompetenz, die eine psychiatrisch-psychotherapeu-                        cliniques et médicales avérées. Cela inclut nécessairement
­Psychiatrische
                                   tische und bei Minderjährigen eine kinder- und jugendmedi-                        une expertise psychiatrique et psychothérapeutique et, dans
­Universitäts­k linik Zürich
­Lenggstrasse 31                   zinische Expertise zwingend miteinschliesst. Die störungs- und                    le cas de mineurs, une expertise médicale pédiatrique et
CH-8032 ­Zürich                    erkrankungsspezifische Expertise sollte immer massgebend                          adolescente. L’expertise spécifique à la maladie et au trouble
malte.claussen[at]pukzh.ch         sein.                                                                             devrait toujours être déterminante.

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(51–52):1725–1727
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission.             See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN Careum                                                                                                                                       1730

Ein Working Paper mit Standards und Handlungsempfehlungen

Interprofessionalität
will gelernt sein
Gert Ulrich a , Hermann Amstad b , Olivier Glardon c , Sylvia Kaap-Fröhlich d
a
 Dr. phil., M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Careum Stiftung, Abteilung Bildungsmanagement, Zürich; b Dr. med., MPH, amstad-kor, Basel;
c
 Dr. med. vet., Präsident der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte, Bern; d Dr. rer. nat., MBA, Careum Stiftung, Leitung der Abteilung
Bildungsmanagement, Zürich

                                In einem Working Paper hat die Careum Stiftung in Zürich die Merkmale einer ge-
                                lungenen interprofessionellen Ausbildung im Gesundheitswesen zusammenge-
                                stellt. Das Dokument stützt sich auf die internationale Literatur und auf Gespräche
                                mit Fachleuten aus zahlreichen Ländern. Eine Roadmap zeigt zudem auf, mit wel-
                                chen Massnahmen in der Schweiz weitere Verbesserungen erzielt werden könnten.

                                Das Gesundheitssystem der Schweiz zeigt Krankheits-                                erzielt wurden, sind auch aus einer internationalen Per-
                                symptome: Bedingt durch den demographischen Wan-                                   spektive als bedeutsam einzustufen. Wichtige Player im
                                del, die damit zusammenhängende Zunahme an chro-                                   Gefüge der Interprofessionalität sind das Bundesamt
                                nischen Erkrankungen und akzentuiert durch immer                                   für Gesundheit BAG, die Schweizerische Akademie der
                                komplexere Behandlungen, sind die Kosten massiv                                    Medizinischen Wissenschaften SAMW, die Bildungsins-
                                angestiegen [1]. Gleichzeitig besteht ein markanter
                                ­                                                                                  titutionen sowie weitere Initiativen, wie etwa die Platt-
                                Mangel an Gesundheitsfachleuten, der nur dank des                                  form Interprofessionalität oder der Verein swiss­
                                                                                                                                                                   IPE
                                Zuzugs ausländischer Spezialisten gemildert wird [2].                              (Swiss Interprofessional Education Course). Aktuell befin-
                                Als mögliche Therapie wird vielfach die interprofessio-                            det sich das Förderprogramm ­Interprofessionalität des
                                nelle Zusammenarbeit der beteiligten Fachpersonen                                  Bundes, durch das 18 interprofessionelle Forschungs-
                                (z.B. Ärzte, Pflegende, Ernährungsberater, Physio- oder                            projekte mit insgesamt 3 Millionen Franken gefördert
                                Ergotherapeuten) genannt. In Anlehnung an das                                      wurden, vor dem Abschluss [6]. Als Reaktion auf die Dy-
                                ­Quadruple Aim-Konzept [3] wird dabei postuliert, dass                             namiken der letzten Jahre veröffentlichte die SAMW im
                                die ­interprofessionelle Zusammenarbeit erstens die                                Herbst 2020 die Charta 2.0 zur interprofessionellen Zu-
                                                                                                                   sammenarbeit im Gesundheitswesen [7].

                      Die Schweizer Fortschritte bei der interprofessio-
                      nellen Zusammenarbeit und Ausbildung sind auch                                               Ein Working Paper als Katalysator
                      international als bedeutsam einzustufen.
                                                                                                                   Die Careum Stiftung in Zürich engagiert sich seit vie-
                                                                                                                   len Jahren mit unterschiedlichen Massnahmen zum
                                Gesundheit der Bevölkerung und zweitens die Patien-                                Thema Interprofessionalität. Vor kurzem hat sie ein
                                tenerfahrung verbessern, drittens die Gesundheits-                                 Working Paper veröffentlicht, das weitere Akzente zur
                                kosten pro Kopf verringern sowie viertens die Zufrie-                              Zukunft der interprofessionellen Ausbildung in der
                                denheit der Gesundheitsfachleute steigern könne.                                   Schweiz setzen soll [8]. Ausgehend vom Ist-Zustand der
                                Interprofessionelle Zusammenarbeit entsteht jedoch                                 interprofessionellen Ausbildung in der Schweiz be-
                                nicht ohne entsprechenden Nährboden. Unter natio­                                  schreibt das Dokument auf der Basis einschlägiger
                                nalen und internationalen Gesundheitsorganisationen                                Übersichtsarbeiten sowie Interviews mit international
                                und Fachgesellschaften besteht daher Konsens, dass                                 renommierten Expertinnen und Experten, aber auch
                                die interprofessionelle Zusammenarbeit nur dann                                    Betroffenen die Merkmale einer gelungenen inter­
                                funktioniert, wenn die Gesundheitsfachleute über in-                               professionellen Ausbildung. Die daraus abgeleiteten
                                terprofessionelle Kompetenzen verfügen, die sie be-                                Handlungsempfehlungen und Massnahmen wurden
                                reits in der Phase der Ausbildung erwerben sollten [4, 5].                         anschliessend in einem Expertenworkshop diskutiert
                                Die Fortschritte, die in der Schweiz im Bereich der                                und in Form einer Roadmap für die Schweiz konkreti-
                                ­interprofessionellen Zusammenarbeit und Ausbildung                                siert.

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(51–52):1730–1732
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